Die gegenwärtige Arbeitsmarktsituation ist durch das Verharren der Arbeitslosigkeit auf einem neuen historischen Rekordniveau gekennzeichnet. Die damit einhergehenden Reaktionen lassen mitunter den Eindruck entstehen, als ob erst jetzt das schon seit zwanzig Jahren bestehende Problem der Massenarbeitslosigkeit realisiert wird. So verwunderlich dies auch ist, so hat es doch zu einer stärkeren Dynamik in der arbeitsmarktpolitischen Diskussion geführt, in deren Verlauf Instrumente berücksichtigt werden, die im Ausland teilweise bereits Anwendung finden und die auch in Deutschland zumindest in Modellversuchen getestet werden sollen.
Dieser Feststellung entsprechend werden wir zunächst die Ursachen dieser Arbeitsmarktsituation skizzieren. Anschließend wird dann die Wirkmächtigkeit verschiedener Instrumente der Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik hinsichtlich dieses Arbeitsmarktphänomens analysiert. Im Mittelpunkt des Beitrags steht somit die Frage der Ursachenadäquanz dieser Instrumente.
I. Ursachen der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation
Die Bundesrepublik Deutschland hat nicht nur ein Arbeitslosigkeitsproblem, sondern auch und vor allem ein (Wieder-) Beschäftigungsproblem, denn die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den letzten 25 Jahren ist insbesondere durch ihren treppenförmigen Anstieg um etwa 800 000 Personen nach jeder Rezession zu charakterisieren, ohne daß dieser Anstieg bis zur folgenden konjunkturellen Schwächephase wieder abgebaut worden wäre. Insgesamt scheint diese Arbeitslosigkeit vor allem aus einem Zusammenspiel zweier ökonomischer und eines institutioneilen Phänomens ableitbar zu sein 1. das Persistenzphänomen (anhaltende Arbeitslosigkeit), Strukturwandelprobleme und 3. die sogenannte Armutsfalle. 1. Das Persistenzphänomen Theoretisch formuliert kann die vorliegende Arbeitslosigkeit als persistente oder hysterese 2 Arbeitslosigkeit bezeichnet werden. Dies bedeutet, daß es keine langfristig stabile Arbeitslosenquote gibt, die also nach vorübergehenden Störungen immer wieder erreicht wird, sondern daß die vorherrschende Arbeitslosenquote ihren zukünftigen Wert selbst beeinflußt. Folglich wird auch nicht das Niveau der Arbeitslosigkeit zur relevanten Größe, sondern die Veränderung der Arbeitslosigkeit unabhängig von ihrem Niveau. Empirisch zeigt sich dies in entsprechenden Schätzungen seit Anfang der sechziger Jahre für die Bundesrepublik Deutschland. Die Erklärungsansätze für persistente Arbeitslosigkeit können entweder auf der Arbeitsangebotsseite oder auf der Arbeitsnachfrageseite oder in deren Zusammenspiel gesehen werden: Im einzelnen sind dies vor allem der Lohnfindungspiozeß und Mismatch-Gründe, das heißt Profildiskrepanzen zwischen Arbeitslosen und der Arbeitsnachfrage.
Grundlage beider theoretischen Erklärungen sind Humankapitalüberlegungen verbunden mit der These, daß (Langzeit-) Arbeitslosigkeit Dequalifizierungsprozesse und damit eine Veralterung und einen Abbau von funktionalem und extrafunktionalem Humankapital verursachen kann. Wird ein Arbeitnehmer arbeitslos, kommt es im Verlauf seiner Arbeitslosigkeit zu einer Entwertung des Humankapitals in zweierlei Hinsicht: Die interne Humankapitalentwertung resultiert daraus, daß der Arbeitslose durch mangelnde Übung wichtige berufliche und soziale Fertigkeiten verlernt. Die externe Humankapitalentwertung ergibt sich aus der Tatsache, daß gerade konjunkturelle Erholungsphasen durch Neuinvestitionen und damit strukturellen Wandel geprägt werden. In dessen Zuge ändern sich dann Berufsbilder, Arbeitstechniken und Einsatzfelder der Beschäftigten. Der Arbeitslose hat in dieser Phase keine Chance zur Aktualisierung seines Humankapitals. Folge dieser Überlegungen ist, daß im Zeitablauf nicht der gesamte Arbeitslosenpool als Drohpotential für die beschäftigten Arbeitnehmer anzusehen ist, sondern nur ein Teil davon -die erst seit kurzem Arbeitslosen. Diese sogenannte effektive Arbeitslosenquote hat dann Einfluß auf den Lohnbildungsprozeß und die Mismatch-Problematik.
Auf dieser Grundlage läßt sich der Einfluß einer persistenten Entwicklung auf den Lohnfindungsprozeß folgendermaßen beschreiben: Nach einem exogenen Schock -wie beispielsweise Rohstoffpreiserhöhungen oder Nachfrageeinbrüche -wird in einer Periode eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern entlassen, es kommt also zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. In der Folgeperiode haben diese Arbeitslosen noch Einfluß auf die Lohnbildung, da ihr Humankapital noch nicht bedeutend entwertet wurde. Folglich wird es zu eher moderaten Lohnabschlüssen kommen, da die Unternehmen eine sogenannte Outside-Option -die effektiv Arbeitslosen -haben. Diejenigen Arbeitslosen, die keine Anstellung finden, können in den sich anschließenden Perioden als Langzeitarbeitslose mit entsprechend entwertetem Humankapital interpretiert werden. Aus diesem Grund haben sie keinen Einfluß mehr auf den Lohnbildungsprozeß: Die Beschäftigten können wieder höhere Lohnforderungen durchsetzen, und die Unternehmen werden diesen auch nachgeben, weil die bestehende Arbeitslosigkeit nicht mehr als Drohpotential wirkt. Eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik kann das Arbeitslosigkeitsproblem folglich nicht mildern.
Im Hinblick auf die Begründung von Hysterese durch Mismatch geht es schließlich um die Frage, ob und inwieweit die Charakteristika der Arbeitslosen mit den Anforderungen der zu besetzenden Arbeitsplätze übereinstimmen. Im wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß fallen regelmäßig unrentable Arbeitsplätze weg und es entstehen neue. Ein beschleunigter Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt kann bei den Erwerbstätigen und Arbeitslosen zu einer Entwertung des Humankapitals führen. Profildiskrepanzen zwischen Arbeitslosen und offenen Stellen, die sich infolge des Humankapitalabbaus bei länger Arbeitslosen ergeben, führen dann zu regionalem und qualifikatorischem Mismatch. Mismatchbedingte Hysterese wird empirisch dadurch sichtbar, daß sich die Arbeitslosenquote nach jedem Konjunkturzyklus bei gleicher Vakanzrate erhöht. Der Problemkern persistenter Arbeitslosigkeit ist also insbesondere in den mangelnden Wiederbeschäftigungschancen der Arbeitslosen zu sehen. 2. Sturkturwandelprobleme Das Wiederbeschäftigungsproblem der persistenten Arbeitslosigkeit führt zu der Frage, in welchen Sektoren zusätzliche Arbeitsnachfrage zu erwarten ist. Zunehmende Beschäftigung wird aufgrund der empirischen Situation in beschäftigungspolitisch erfolgreicheren Ländern und der vorliegenden Prognosen für Deutschland nur noch im Dienstleistungssektor zu erwarten sein. Innerhalb dieses Bereiches sind bereits gegenwärtig Angebotslücken bei den haushaltsnahen bzw. konsum-bezogenen Dienstleistungen feststellbar. Allerdings kann daraus nicht unmittelbar auf eine höhere Beschäftigung geschlossen werden, denn die Nachfrage vor allem nach haushaltsnahen Dienstleistungen unterliegt einer hohen Einkommenselastizität, das heißt, die Nachfrage nach diesen Diensten ist in hohem Maße von deren Preisen im Vergleich zum Einkommen der Haushalte abhängig Da der Produktivitätsfortschritt nur den kleineren Teil der von den privaten Haushalten nachgefragten Dienstleistungen berührt und sich die Produktivität zwischen Eigen-und Fremd-produktion in diesem Bereich kaum unterscheidet, hängt die „make-or-buy-Entscheidung“ wesentlich von der Differenz zwischen eigenem Nettolohn und dem Preis der Dienstleistung ab. Letzterer wird insbesondere durch das Lohnniveau determiniert. 3. Die Armutsfalle Schließlich kommt als drittes Problem die institutionell bedingte Sozialhilfe-oder Armutsfalle hinzu. Hinter dieser Bezeichnung steht die Ansicht, daß die Lohnspreizung nach unten insbesondere durch Sozialhilfe-, aber auch durch andere Transferregelungen beschränkt wird. Da Langzeit-arbeitslosigkeit immer häufiger Grund für den Bezug von Sozialhilfe ist und sich die Sozialhilfe-ausgaben seit 1985 verdoppelt haben, erscheint es angebracht, die Wirkungen der Sozialhilfe auf das Arbeitsangebot als typisches Beispiel für eine institutionell bedingte Anreizproblematik zu skizzieren.. Das Arbeitsangebot hängt maßgeblich von der Grenzbelastung des Erwerbseinkommens -im oberen Einkommensbereich determiniert durch die Einkommensteuer, den Solidaritätszuschlag, die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und im unteren Einkommensbereich vor allem durch den Entzug einkommensabhängiger Sozial-transfers -ab. Betrachtet man das derzeit geltende Steuer-Transfersystem der Bundesrepublik, so stellt man gerade im unteren Einkommensbereich eine anreizproblematisch hohe Grenzbelastung über weite Strecken von bis zu 100 Prozent fest, die insbesondere aus der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf die Sozialhilfe im Rahmen des Bedarfsprinzips resultiert, aber auch aus den Sprüngen bei der Gewährung von Wohngeld etc. Das heißt, ein Hinzuverdienst einer zusätzlichen Mark in diesem Niedrigeinkommensbereich führt im Extremfall zu einer Reduktion von Transfers von ebenfalls einer Mark.
Dies ist gemäß dem Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ durchaus zwar so gedacht, weil die Sozialhilfe nur der Sicherung des Existenzminimums dienen soll und in dem Maße überflüssig wird, wie eigenes Einkommen hinzuverdient wird. Die konsequente Anwendung des Subsidiaritätsprinzips führt aber zu einer negativen Beeinflussung der arbeitsmarktpolitischen Effizienz der Sozialhilfe, da sich das verfügbare Einkommen trotz einer Arbeitsaufnahme praktisch nicht erhöht und ein Hilfeempfänger die Aufnahme der Arbeit aus rationalen Gründen ablehnen wird. Allerdings muß festgehalten werden, daß die eventuell zu geringe Arbeitsneigung von Sozialhilfeempfängern nicht diesen, sondern den institutioneilen Regelungen anzulasten ist, die für die betroffenen Personen als exogen gegebene Rahmenbedingungen zu sehen sind, innerhalb deren sie sich nutzen-maximierend verhalten. Gesamtwirtschaftlich entstehen dadurch zwar auch in kurzfristiger Hinsicht suboptimale Zustände, denn es werden Mittel „verschwendet“. Gravierender ist die bestehende Regelung jedoch in langfristiger Perspektive, und dies sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft. Die kurzfristig rationale Entscheidung, nicht zu arbeiten, führt zu einem zunehmenden Humankapitalabbau bei den betroffenen Personen, der sie im Zeitablauf immer weniger konkurrenzfähig gegenüber den beschäftigten Arbeitnehmern macht. Es kommt also wieder zu typischen Persistenzphänomenen mit der Folge, daß die davon Betroffenen langfristig alimentiert werden müssen.
Vor diesem Hintergrund -den geringen Wiederbeschäftigungschancen bestimmter Arbeitnehmer-gruppen aufgrund von Dequalifizierungsprozessen, einer hohen Kostensensibilität gerade im Dienstleistungsbereich und der staatlich induzierten Motivationsfalle -stellt sich nun die Frage, wie verschiedene -alte und neue -Instrumente der Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik dazu beitragen können, die bestehende Arbeitslosigkeit abzubauen, ohne den amerikanischen oder britischen Weg der alleinigen Lohnspreizung nach unten, verbunden mit dem Phänomen der „working poor“, zu gehen.
Zur Beantwortung dieser Frage werden zunächst die einzelnen Maßnahmen in eine preis-und eine mengenorientierte Sektion eingruppiert. Letztere umfaßt die gängige Politik insbesondere der kontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten, die Arbeitslosigkeit durch eine Verringerung der Zahl der Erwerbspersonen zu bekämpfen, und wird üblicherweise unter dem Begriff des „zweiten Arbeitsmarktes“ subsumiert. Demgegenüber handelt es sich bei den preisorientierten Arbeitsmarktpolitiken um Maßnahmen, die über die Beeinflussung des Lohnsatzes die Wiedereinstellungschancen von Arbeitslosen beeinflussen wollen. Dazu gehören die verschiedensten Varianten von Lohnsubventionen, aber auch die in Kapitel IV vorzustellende Negative Einkommensteuer.
Somit geht es im weiteren um die Effektivität und Effizienz sowie die Ursachenadäquanz dieser beiden Instrumententypen arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen hinsichtlich der Eingliederung von (Langzeit-) Arbeitslosen in den „ersten“ Arbeitsmarkt.
II. Mengenorientierte Arbeitsmarktpolitik
Die mengenorientierte Arbeitsmarktpolitik hat in der beschäftigungspolitischen Debatte der letzten Jahre unter dem Stichwort „zweiter Arbeitsmarkt“ eine beachtliche Konjunktur erlebt -scheint es doch sinnvoller, Arbeit zu finanzieren, als Arbeitslosigkeit zu alimentieren. Nach der Analyse des vorangegangenen Abschnitts stellen sich aus ökonomischer Sicht Fragen hinsichtlich der Effekte eines zweiten Arbeitsmarktes auf Qualifikation, Anreizwirkungen, Allokation und Finanzierung, denen im folgenden nachgegangen wird. 1. Begriff und Abgrenzung des zweiten Arbeitsmarktes Der zweite Arbeitsmarkt ist ein äußert unscharfer Sammelbegriff, für den eine allgemein anerkannte, trennscharfe Definition nicht existiert, so daß eine Eingrenzung des Begriffs notwendig ist. Der zweite Arbeitsmarkt bildet einen Teilbereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik, worunter in negativer Abgrenzung zur passiven Arbeitsmarktpolitik (Lohnersatzleistungen) Maßnahmen verstanden werden, die die Arbeitsmarktchancen von Arbeitslosen erhöhen, deren arbeitsmarktrelevanten Fähigkeiten verbessern und zur Effizienzverbesserung von Arbeitsmärkten beitragen sollen. Maßnahmen des zweiten Arbeitsmarktes dienen daher der direkten Beeinflussung von Quantität und Struktur des Arbeitskräfteangebots bzw.der Arbeitskräftenachfrage und können deshalb als mengenorientierte Arbeitsmarktpolitik bezeichnet werden.
Der Ausdruck zweiter Arbeitsmarkt legt ferner eine Abgrenzung zum sogenannten ersten Arbeitsmarkt nahe. Unter dem ersten Arbeitsmarkt wird der normale, reguläre, wettbewerbs-mäßig strukturierte Arbeitsmarkt verstanden, von dem sich der zweite Arbeitsmarkt folgendermaßen unterscheidet Die öffentliche Förderung zielt nicht auf Investitionen oder Produkte, sondern auf eine zeitlich befristete Beschäftigung, die in einigen Varianten besonderer Träger-institutionen bedarf. Die ausgeführten Arbeiten müssen zusätzlich erfolgen, damit reguläre Beschäftigung nicht verdrängt wird, und die Einstellungskriterien richten sich nach arbeitsmarkt-und sozialpolitischen Zielen.
Aufgabe des zweiten Arbeitsmarktes, der somit nur eine ergänzende, subsidiäre Funktion übernimmt, ist die Schaffung von Beschäftigung, die der erste Arbeitsmarkt nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stellt. 2. Instrumente des zweiten Arbeitsmarktes Die erste Säule des zweiten Arbeitsmarktes sind die von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Arbeilsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) gemäß § 91 ff. Arbeitsförderungsgesetz (AFG). In ABM werden Arbeiten gefördert, die im öffentlichen Interesse liegen und andernfalls nicht oder erst später durchgeführt würden. Während sich in Westdeutschland in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre die Teilnehmerzahlen an ABM bereits auf etwa 100 000 erhöhten (ca. fünf Prozent der Arbeitslosen), erfuhren ABM im Zuge der Transformationskrise Ostdeutschlands mit 466 000 Teilnehmern (ca. 15 Prozent der Arbeitslosen) im Jahr 1992 ihren Höhepunkt. 1993 sank die Zahl an ABM-Beschäftigten dann wieder auf 288 000, um sich bis 1996 weiter auf 261 000 (6, 6 Prozent der Arbeitslosen) zu reduzieren.
Neben den ABM sind auch im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Maßnahmen vorgesehen, die zum Bereich des zweiten Arbeitsmarktes gerechnet werden können. Es handelt sich hierbei um die sogenannte Hilfe zur Arbeit (HzA), in der Arbeitseinsätze von Sozialhilfeempfängern geregelt werden und die seit den achtziger Jahren von einigen Kommunen praktiziert wird.
Neben den beiden klassischen Instrumenten werden jedoch auch die wichtigsten arbeitsmarkt-politischen Innovationen der letzten Jahre zum zweiten Arbeitsmarkt gerechnet: Sonderarbeitsbeschaffungsmaßnahmen gemäß § 249h AFG und die ABS-Gesellschaften Seit 1993 können in Ostdeutschland Arbeitsämter nach § 249 AFG den dort definierten Personenkreis in Aufgaben der Umweltverbesserung, der sozialen Dienste und der Jugendhilfe vermitteln und für eine Dauer von maximal 36 Monaten einen Lohnkostenzuschuß in Höhe der durchschnittlichen monatlichen Aufwendungen an Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe einschließlich der Beiträge zur Renten-und Krankenversicherung gewähren (ca. 30 bis 40 Prozent der gesamten Maßnahme-kosten) 6. 1996 waren in Westdeutschland 6 300 und in Ostdeutschland 86 300 Personen mit solchen produktiven Lohnkostenzuschüssen beschäftigt.
Daß ABS-Gesellschaften als Instrument des zweiten Arbeitsmarktes extra erwähnt werden, mag zunächst verwundern, da in ihnen Beschäftigung meist durch Lohnkostenzuschüsse gemäß § 249 h AFG oder ABM gefördert wird, jedoch stellt insbesondere der institutioneile Rahmen der ABS-Gesellschaften in Ostdeutschland in Form eines Netzwerkes neuer Träger eine vielbeachtete Neuerung dar, die bei einem weiteren Ausbau des zweiten Arbeitsmarktes Vorbildfunktion haben könnte. Diese zunächst zeitlich befristet ins Leben gerufenen Institutionen sollen primär Strukturprobleme bekämpfen und werden zu großen Teilen aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit finanziert. Die ABS-Gesellschaften, die nicht (primär) auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, knüpfen dabei häufig an die Beschäftigungsstrukturen von Altunternehmen und Verwaltungen an. Hinsichtlich der quantitativen Bedeutung ergaben Umfragen des Instituts für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung etwa 400 ABS-Gesellschaften in Ostdeutschland mit rund 110 000 Teilnehmern (1994). 3. Ökonomische Analyse des zweiten Arbeitsmarktes Anreizaspekte Bei der Analyse des zweiten Arbeitsmarktes kann man zwei Anreizprobleme unterscheiden. Von Kritikern wird in erster Linie das vertikale Anreiz-problem hervorgehoben: Den Teilnehmern würde durch die Bereitstellung gut bezahlter Arbeitsplätze im zweiten Arbeitsmarkt der individuelle Anreiz genommen (oder zumindest verringert), eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen. Die öffentlich geförderte Beschäftigung würde somit als regulärer Arbeitsplatz betrachtet, und die Suchintensität nach einer unsubventionierten Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt würde abnehmen. Neben diesem Aspekt gibt es jedoch noch ein weiteres Anreizproblem, da der Lohnsatz des zweiten Arbeitsmarktes auch eine Anreiz-und Motivationsfunktion für die innerhalb des zweiten Arbeitsmarktes Beschäftigten erfüllen muß (horizontales Anreizproblem).
Beide Anreizprobleme stehen sich nun hinsichtlich ihrer Wirkungsketten und Anforderungen an die Lohnhöhe diametral gegenüber. Das vertikale Anreizproblem ist um so geringer, je niedriger die Entlohnung auf dem zweiten Arbeitsmarkt im Vergleich zum ersten ist, während das horizontale Anreizproblem um so geringer ist, je höher die Entlohnung liegt. Empirische Untersuchungen über die Wirkungen der Arbeitslosenunterstützungssysteme und Teilnehmerbefragungen liefern insgesamt eher Argumente dafür, daß der Entlohnungs-bzw. Unterstützungshöhe nicht die vorrangige Bedeutung bei der Entscheidung, einen Arbeitsplatz anzunehmen, zukommt. Beispielsweise erklärten sich bei einer Untersuchung 72 Prozent der Befragten bereit, ihre ABM sofort zu verlassen, wenn sich ihnen ein fester Arbeitsplatz böte Hinsichtlich der horizontalen Anreiz-probleme zeigen experimentelle und empirische Studien die Bedeutung von Lohndifferenzierung für die Motivation auch im zweiten Arbeitsmarkt.
Allokationseffekte In der Diskussion spielen hier Verdrängungs-und Mitnahmeeffekte sowie Fehlallokationen und damit die Verschwendung knapper Ressourcen eine gewichtige Rolle.
Generell wird unter Verdrängungseffekten die Verdrängung nichtsubventionierter Arbeit auf dem ersten durch subventionierte Arbeit auf dem zweiten Arbeitsmarkt verstanden. Einem „Drehtüreneffekt“ gleich wird vermutet, daß reguläre Arbeitsplätze im gleichen Umfang verlorengehen, wie öffentlich subventionierte Stellen geschaffen werden. Mitnahmeeffekte treten ein, wenn durch die Subventionierung Arbeitsplätze gefördert werden, die auch ohne diese Zahlung eingerichtet worden wären oder die zu einem späteren Zeitpunkt geplant waren. Staatliche Zuschüsse werden in diesen Fällen als „windfall profits“ von den Trägern eingestrichen, und die Beschäftigungswirkung der staatlichen Leistungen wird durch dieses Verhalten der Unternehmen reduziert.
Um Verdrängungs-und Mitnahmeeffekte abschätzen zu können, müßte allerdings ein Referenz-szenario ursprünglich intendierter Handlungen angenommen werden, welches sich ohne die entsprechenden arbeitsmarktpolitischen Instrumente ergeben hätte. In einer Studie der OECD werden für eine Reihe von Industrieländern bedeutende Mitnahme-und Verdrängungseffekte in der Größenordnung von bis zu 95 Prozent festgestellt Während in den achtziger Jahren für westdeutsche Kommunen bedeutende Verdrängungseffekte nachgewiesen wurden (z. B. im Büro-und Verwaltungsbereich Hamburgs), kommen die meisten Studien für Ostdeutschland zu zwar nennenswerten, insgesamt aber eher geringen Verdrängungsund Mitnahmeeffekten Qualifizierungsaspekte Auf der theoretischen Grundlage der vorne beschriebenen Situation treppenförmig ansteigender Arbeitslosigkeit können die durch einen zweiten Arbeitsmarkt erbrachten Qualifizierungsleistungen systemimmanente Koordinationsprobleme des Arbeitsmarktes abmildern (z. B. Mismatch-Probleme). Mikroökonomisch könnte der zweite Arbeitsmarkt Probleme bei der Vermittlung marktgerechten Humankapitals verringern, während er makroökonomisch durch eine Erhöhung der effektiven Arbeitslosigkeit zu einer besseren Allokation auf dem Arbeitsmarkt beitragen könnte.
In Anbetracht der vorliegenden empirischen Ergebnisse sind jedoch Zweifel an den theoretisch positiven Wirkungen angebracht: Ein Großteil der Maßnahmeteilnehmer wurde nicht qualifikationsadäquat eingesetzt und in den Maßnahmen eher unterfordert. Nur in wenigen Fällen vermitteln die untersuchten Maßnahmen Qualifikationen, die die Eingliederung in reguläre Beschäftigungsverhältnisse erleichtern konnten. Dies zeigt sich auch -neben anderen Ursachen -an der geringen Zahl von Übergängen in reguläre Beschäftigungsverhältnisse Sowohl unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung und Erweiterung vorhandener beruflicher Qualifikation als auch unter dem Aspekt der Aneignung neuer, knappheitsgerechter beruflicher Qualifikationen sind deshalb die zuvor geschilderten Maßnahmen eher negativ zu beurteilen.
Finanzierungsaspekte Bei der ökonomischen Betrachtung ist abschließend nach fiskalischen Belastungen durch einen zweiten Arbeitsmarkt zu fragen. Für ABM sind eine Vielzahl von Schätzungen vorgenommen worden, deren Angaben zu Refinanzierungsquoten zwischen 60 und 95 Prozent schwanken. Stellt man diese Untersuchungen nur für den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit an, so liegt die Refinanzierungsquote zwischen 46 und 66 Prozent, wobei die höheren Zahlen durch Berücksichtigung indirekter Wirkungen (z. B. Vorleistungen, Multiplikatoreffekte) entstehen. Neuere Studien zur Wirksamkeit des Instruments „Hilfe zur Arbeit“ nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zeigen, daß ab dem zweiten Jahr sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung eine Amortisation der Maßnahme-kosten einsetzen kann.
Diese günstigen Finanzierungsrechnungen über den zweiten Arbeitsmarkt beruhen allerdings teilweise auf angreifbaren Annahmen. Zum einen werden reale Belastungen durch die Maßnahme-kosten mit hypothetischen Entlastungen verglichen, die nur eintreten, wenn sich der Status des Teilnehmers für die Dauer der Betrachtung nicht ändern würde. Zum anderen sind die angenommenen Multiplikatorwirkungen (zusätzliche Nachfrage durch die Erhöhung der Kaufkraft) sehr umstritten und keineswegs nachweisbar. In jedem Fall aber gelten die obigen Abschätzungen nur für den bisherigen -begrenzten -Umfang des zweiten Arbeitsmarktes
Für Ostdeutschland dürfte das Kosten-Nutzen-Verhältnis allerdings unbeschadet dieser Einschränkungen günstig ausfallen, da neben der fiskalischen Betrachtung auch berücksichtigt werden muß, daß die Maßnahmen des zweiten Arbeitsmarktes dort auch eine strukturpolitische Komponente besitzen, somit das Produktionspotential erhöhen und nicht zuletzt auch die sozialen und gesellschaftlichen Folgekosten von Langzeitarbeitslosigkeit verringern können. 4. Zwischenfazit Als Fazit der theoretischen und empirischen Betrachtungen ergibt sich, daß die Etablierung eines zweiten Arbeitsmarktes ein zweischneidiges Schwert ist: Aufgrund gegenläufiger Wirkungen können sowohl Argumente für als auch gegen dieses Instrumentarium vorgebracht werden, so daß der ökonomische Gesamteffekt eines zweiten Arbeitsmarktes nicht abschließend bewertet werden kann. Dies gilt um so mehr, als die Auswertung des zweiten Arbeitsmarktes bisher stark durch die Sondersituation der neuen Bundesländer geprägt wird. Wirtschaftspolitische Maßnahmen müssen hier insbesondere bei den Rahmenbedingungen für die Etablierung eines -bisher wenig entwickelten -ersten Arbeitsmarktes ansetzen.
III. Preisorientierte Arbeitsmarktpolitik
Im Gegensatz zur mengenorientierten Arbeitsmarktpolitik setzt eine preisorientierte Arbeitsmarktpolitik an den relativen Preisen des Arbeitsangebotes an. Da sich die Marktpreise für die haushaltsnahen bzw. konsumbezogenen Dienstleistungen (zum Beispiel Putztätigkeit in Privathaushalten, Aushilfe im Einzelhandel) kaum über eine Erhöhung der Produktivität vermindern lassen, bleiben zur Beeinflussung der Preise für Dienstleistungen erstens nach unten flexible Löhne und zweitens eine öffentlich-private Kofinanzierung.
Bei nach unten flexiblen Löhnen kann zwar die Arbeitsnachfrage im Dienstleistungsbereich stark ausgeweitet werden, angebotsseitig sind damit allerdings Verteilungsprobleme -als abschreckendes Beispiel sei hier auf die „working poor“ in den USA verwiesen -und das im System der derzeitigen Sozialhilfe begründete und oben beschriebene Anreizproblem der Sozialhilfefalle verbunden. Preisorientierte Arbeitsmarktpolitik versucht nun gerade diese Sozialhilfefalle zu überwinden, indem sie nach unten flexible Löhne durch eine öffentlich-private Kofinanzierung ergänzt und dabei die Verteilungsproblematik löst.
Im folgenden sollen die beiden preisorientierten Instrumente der Negativen Einkommensteuer und der Lohnsubvention vorgestellt und hinsichtlich ihrer ökonomischen Wirkungsweise untersucht werden. 1. Instrumente der preisorientierten Arbeitsmarktpolitik Negative Einkommensteuer Eine Negative Einkommensteuer -zur Integration von Steuer-und Transfersystem -sieht vor, das Steuersystem quasi „nach rückwärts“ zu verlängern, so daß jeder Steuerpflichtige, der zu wenig verdient, um Steuern zu zahlen, statt dessen -beispielsweise über das Finanzamt -„negative“ Steuern ausgezahlt erhält.
Die verschiedenen Modellalternativen einer Negativen Einkommensteuer lassen sich auf folgende Grundform zurückführen:
Jeder Bürger oder Haushalt erhält, wenn er ein Einkommen unterhalb eines bestimmten Betrags (der Transfergrenze) bezieht, zusätzlich einen Transfer, der alleine von der Höhe seines Einkommens abhängt. Das heißt, der Transfer ist um so größer, je weniger Einkommen die Person/der Haushalt bezieht: Ist das Einkommen bspw. Null, so wird der maximale Transfer in Höhe eines zugesicherten Mindesteinkommens (zum Beispiel 1 000 DM) gezahlt. Verdient die Person/der Haushalt 500 DM, so reduziert sich der Transfer um 500 DM mal die sogenannte Transferentzugsrate (meist 50 Prozent), also um 250 DM. Der Haushalt hat somit ein verfügbares Einkommen von 500 + (1 000 -250) = 1 250 DM. Erreicht das Einkommen die Transfergrenze -in diesem Beispiel 2 000 DM -so ist das Vor-Transfer-Einkommen gleich dem verfügbaren Einkommen, das heißt, der Transfer beträgt Null. Oberhalb der Transfergrenze setzt der Steuerbereich ein, der ähnlich dem des derzeit gültigen Steuersystems gestaltet sein kann. Der Höhe der Transferentzugsrate kommt im Negativsteuerbereich eine wichtige Rolle zu, da sie festsetzt, zu welchem Teil zusätzlich verdientes Einkommen auf den Transfer angerechnet wird, und somit die Anreiz-wirkung maßgeblich bestimmt. Soll die Negative Einkommensteuer das Ziel verfolgen, den Anreiz zur Selbsthilfe durch Erzielen eigener Einkommen zu erhöhen bei gleichzeitiger Sicherung des Existenzminimums, so muß eine niedrige Transferentzugsrate verbunden mit einem Mindesteinkommen in Höhe der derzeit geltenden Regelsätze der Sozialhilfe gewählt werden. Dementsprechend müssen sämtliche Transfers integriert werden, die im bestehenden System die Deckung des Grundbedarfs ermöglichen sollen. In der Regel sind dies die Sozialhilfe, die Arbeitslosenhilfe, die Kriegsopferfürsorge, das Wohngeld, das Kindergeld, das Erziehungsgeld und Ausbildungszuschüsse
Lohnsubventionen Die von manchen Autoren -bei einigen Modell-vorschlägen sicherlich zu Recht -als zu hoch angesehene fiskalische Belastung einer Negativen Einkommensteuer führte zu Modellvorschlägen einer Lohnsubvention. Hierbei steht die Abkopplung der sozialpolitisch relevanten Einkommen von den beschäftigungspolitisch relevanten Arbeitskosten im Vordergrund, das heißt, die Einkommen werden von dritter Seite auf ein sozialpolitisch gewoll-tes Maß erhöht, ohne daß dabei die Arbeitskosten ansteigen. Im Gegensatz zur Negativen Einkommensteuer sind Lohnsubventionen allerdings zielgruppenorientiert, das heißt, die Transferzahlungen werden an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, wie etwa die Dauer der Arbeitslosigkeit, geknüpft und greifen nur bei einem Beschäftigungsverhältnis.
Von permanenten Lohnsubventionen, die über einen längeren Zeitraum bewilligt werden, lassen sich temporäre Lohnsubventionen mit nur vorübergehendem Charakter unterscheiden.
Strenggenommen beinhaltet der Begriff der Lohn-subvention nur Transferzahlungen an Unternehmen. Im weiteren Sinne lassen sich zu den Lohn-subventionen aber auch beschäftigungsabhängige Sozialtransfers zählen. Dabei handelt es sich um Lohnsubventionen an Arbeitnehmer, da sie den gleichen Effekt, nämlich zusätzliche Beschäftigung über veränderte Preise, zum Ziel haben. 2. Ökonomische Analyse der preisorientierten Arbeitsmarktpolitik Anreizaspekte Die Anreizwirkungen sind je nach Subventionsempfänger zunächst unterschiedlich. Bei einer Negativen Einkommensteuer soll eine Transferentzugsrate von ca. 50 Prozent bei den Lohnsubventionen an Arbeitnehmer eine Transferleistung, auf der Angebotsseite einen Anreiz zur Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses bieten. Ein verstärkter Anreiz wird im Niedriglohnbereich vor allem durch die Beseitigung der beschäftigungspolitischen Ineffizienzen der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe erreicht, da der Quasisteuersatz von 85 bzw. 100 Prozent bei Sozialhilfeempfängern und die an der Bedürftigkeitsprüfung orientierte Arbeitslosenhilfe wegfallen. Insbesondere Lohn-subventionen an Arbeitnehmer sollen untertariflich entlohnte Beschäftigung attraktiv machen, denn durch die Subvention werden die von den Unternehmen gezahlten Löhne auf ein sozialpolitisch akzeptables Niveau gehoben
Ob das preisorientierte Instrument bei der Anreiz-erhöhung auf der Angebots-oder der Nachfrage-seiteansetzt, spielt in einem Markt mit flexiblen Löhnen zunächst keine Rolle. Sind allerdings zu hohe Mindestlöhne ein Grund der unzureichenden Beschäftigung, so sind die angebotsseitig ansetzenden Lohnsubventionen an Arbeitnehmer nicht empfehlenswert, da der bestehende Angebotsüberhang noch vergrößert wird.
Zu unterschiedlichen Anreizwirkungen kommt es ebenfalls durch Verringerung des sogenannten Stigmatisierungseffektes bei Transferempfängern bei einer Negativen Einkommensteuer einerseits und durch dessen Verstärkung bei Lohnsubventionen an Arbeitgeber andererseits, da man beim engen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis vermuten kann, daß ein hoher Anteil der subventionsberechtigten Arbeitnehmer sich scheuen wird, seinen (evtl, potentiellen) Arbeitgeber über seine Zugehörigkeit zur Fördergruppe zu unterrichten.
Allokationseffekte Den mit den preisorientierten Instrumenten intendierten Beschäftigungseffekten sollen zunächst die -insbesondere bei der Lohnsubvention auftretenden -Substitutions-und Mitnahmeeffekte gegenübergestellt werden. Das Ausmaß dieser Verdrängung ist in erster Linie von der Substituierbarkeit der Arbeitskräfte und von der zeitlichen Dauer der Subventionierung abhängig. Bei arbeitgeber-bezogenen Lohnsubventionen dürfte die Mitnahme höher ausfallen, und das „Abtasten“ der marginalen Zahlungsbereitschaft der Unternehmen dürfte schwieriger sein als bei Subventionen an Arbeitnehmer Bei allgemeinen Lohnsubventionen und einer Negativen Einkommensteuer ist demgegenüber weder ein Arbeitskräfteaustausch noch ein Mitnahmeeffekt möglich, da die Förderung alle Beschäftigten bzw. Bürgerinnen und Bürger betrifft.
Betrachtet man pauschale Lohnsubventionen, so besteht hier zudem ein Moral-hazard-Problem (implizites oder explizites vertragswidriges Verhalten), da dann Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Lasten des Staates möglich werden. Aber auch anders ausgestalteten Lohnsubventionen und der Negativen Einkommensteuer wird der Vorwurf der Tarifaufweichung entgegengebracht, da die Subventionen von den Tarif-parteien antizipiert werden könnten und damit zu allgemein niedrigeren oder höheren Lohnabschlüssen führten. Mit welchem Vorzeichen diese Lohnniveauverschiebungen versehen sind, hängt von der Ausgestaltung des preisorientierten Instruments (arbeitnehmer-oder arbeitgeberbezogen) und der Verhandlungsmacht der Tarifpartner ab. Die Negative Einkommensteuer entgeht zudem dem Zielkonflikt zwischen Zielgruppenförderung und ökonomischer Effizienz, da bei ihr die -nur normativ mögliche -Bestimmung eines Abschneidekriteriums der Zielgruppe, zum Beispiel die Dauer der Arbeitslosigkeit, entfällt
Alle Instrumente der preisorientierten Arbeitsmarktpolitik erreichen über die Veränderung der Arbeitsangebots-oder Arbeitsnachfragefunktion eine Verringerung der Löhne. Will man die sich daraus ergebenden Beschäftigungseffekte bestimmen, so bieten sich dementsprechend eine angebots-und eine nachfrageseitige Herangehensweise an.
Die Zielgruppe der Beschäftigungswirkungen einer Negativen Einkommensteuer auf der Angebots-seite setzt sich aufgrund der beschriebenen Anreiz-wirkungen vor allem aus Empfängern von Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe zusammen. Erstere machten 1994 rund 950 000 Personen aus. Hinzuzufügen sind diejenigen Empfänger von laufender Sozialhilfe, die für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und nicht gleichzeitig Arbeitslosenhilfe erhalten Mit Hilfe der Statistik der Sozialhilfe kann eine Näherung der Größe der Zielgruppe bestimmt werden. Zu dieser zählen nach Abzug der wegen Krankheit, Alter, Aus-und Fortbildung oder häuslicher Bindung nicht Arbeitsfähigen etwa 780 000 Personen. Die Zielgruppe der Negativen Einkommensteuer bezüglich einer Arbeitsaufnahme beträgt somit rund 1, 73 Millionen Perso-nen
Soll eine zielgruppenorientierte Lohnsubvention der Beschäftigungsförderung von Langzeitarbeitslosen dienen, so erfaßt man damit einen immer größer werdenden Anteil der Arbeitslosen. Dieser stieg von 1975 bis 1996 von 9, 6 auf 31, 8 Prozent in Westdeutschland an und betrug in den neuen Ländern zuletzt 25, 7 Prozent. Damit waren 1996 insgesamt ca. 1, 2 Millionen registrierte Arbeitslose langzeitarbeitslos. Je nach Ausgestaltung einer Lohnsubvention für Langzeitarbeitslose sind aber weitere Personen aus der stillen Reserve mit hinzuzuziehen, da für sie dann ein Anreiz bestehen könnte, sich arbeitslos zu melden, um in den Genuß einer Förderung zu kommen.
Nachfrageseitig kann man zur Abschätzung der zu erzielenden Beschäftigungsverhältnisse einen Vergleich des Niedriglohnsektors der USA mit dem in Deutschland vornehmen. In den USA kommen auf 100 Bürger knapp sieben Niedrigentlohnte. Angewandt auf Deutschland bedeutet diese Quote ein Potential von ca. 5, 5 Millionen Arbeitsplätzen. Bereinigt um eine kürzere Arbeitszeit in den USA in diesem Lohnsegment sowie um die bereits in ähnlichen Berufen Beschäftigten in Deutschland ergibt sich ein Potential von zusätzlichen Beschäftigungsverhältnissen von ca. 2, 75 Millionen.
Insgesamt betrachtet, ist das Beschäftigungspotential einer Negativen Einkommensteuer wesentlich höher als das von Lohnsubventionen, da zum einen die Zielgruppe einer Negativen Einkommensteuer größer ist und zum anderen die wohlfahrtsmindernden Substitutions-und Mitnahme-effekte sowie die Moral-hazard-Probleme geringer sind.
Qualifizierungsaspekte Sowohl bei der Negativen Einkommensteuer als auch bei allgemeinen Lohnsubventionen wird die extrafunktionale Arbeitsqualifikation schwer vermittelbarer Personen gefördert, das heißt, deren „Arbeitsfähigkeit“ bleibt erhalten. Im Gegensatz zur mengenorientierten Arbeitsmarktpolitik entspricht diese Qualifizierung den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes, da sie auch genau dort stattfindet. Bei einer zielgruppenorientierten Lohnsubvention -insbesondere für Langzeitarbeitslose -kann der Qualifizierungseffekt allerdings bezweifelt werden, da während der „Wartezeit“ von zumindest einem Jahr bis zum Greifen der Förderung weiterhin Dequalifizierungen zu befürchten sind. Dies gilt verstärkt vor dem Hintergrund der sinkenden Halbwertszeiten des Wissens und unterstützt damit die persistente Arbeitslosigkeit.
Wird die Lohnsubvention dennoch aus Qualifizierungsaspekten gewährt, kann sie auch temporär vergeben werden, da nach einiger Zeit der Beschäftigung Qualifizierung und damit Produktivität gestiegen sein dürften.
Finanzierungsaspekte Die Kostenschätzungen einer Negativen Einkommensteuer reichen je nach Modellausgestaltung von der Aufkommensneutralität bis zu 126 Milliarden DM Diese Diskrepanzen erklären sich aus der starken Abhängigkeit der Nettobelastung der öffentlichen Haushalte von den eingangs erwähnten Parametern im Negativsteuerbereich und vom Steuersatz im positiven Bereich sowie daraus, ob nur die direkten „Anstoßeffekte“ einer Reform oder ebenfalls die zu erwartenden Beschäftigungswirkungen, das heißt die resultierenden Multiplikatoreffekte und zusätzlichen Steuereinnahmen, wie auch indirekte Effekte von Verhaltensanpassungen der Wirtschaftssubjekte mitberücksichtigt werden Die Kosten einer Lohnsubvention werden im Vergleich zur Negativen Einkommensteuer geringer eingeschätzt, da die Transferzahlungen nur einer genau spezifizierten Zielgruppe zukommen und zusätzliche Freibeträge für Steuerzahler nicht nötig werden.
Falls es bei einer preisorientierten Arbeitsmarktpoltik zu einer fiskalischen Nettobelastung der Haushalte kommt, müssen für eine abschließende Beurteilung der Beschäftigungswirkungen die Effekte der Finanzierungsmaßnahmen mitberücksichtigt werden
IV. Fazit
Viele Beiträge zur Beschäftigungsdebatte rekurrieren in ihrer Ursachenforschung für die hohe und persistente Arbeitslosigkeit auf die Sättigung der Gütermärkte verbunden mit einem durch Globalisierung zusätzlich beschleunigten Strukturwandel. Die Nachfrage auf diesen Märkten ist starr, und produktivitätsinduzierte Preissenkungen entfalten somit kaum Wachstumseffekte. Für den Bereich der Dienstleistungsmärkte ist Deutschland von einer Sättigung bisher hingegen weit entfernt. Gemessen an der Zahl der Dienstleistungsarbeitsplätze je tausend Einwohner „fehlen“ in der Bundesrepublik etwa sieben Millionen Arbeitsplätze im Vergleich zu den USA Daß das Wachstums-und Beschäftigungspotential hier nicht zum Tragen kommt, liegt zum großen Teil an den in diesem Beitrag unter dem Begriff der persistenten Arbeitslosigkeit beschriebenen Funktionsstörungen des Arbeitsmarktes.
Insgesamt zeigt sich für die mengenorientierte Arbeitsmarktpolitik eine die preisorientierte Arbeitsmarktpolitik ergänzende Funktion mit regional-und strukturpolitischer Komponente. Maßnahmen des zweiten Arbeitsmarktes sollten möglichst auf Struktur-und vorleistungsschwache Regionen konzentriert werden.
Die verschiedenen Vorschläge zu Lohnsubventionen erscheinen vom Ansatz her richtig, letztlich aber nicht konsequent und „auf halbem Weg stekkengeblieben". Hinzu kommen der Mangel an Transparenz und unter Umständen Stigmatisierungseffekte. Vorteilhaft am Instrument der Lohn-subventionen ist allerdings, daß es gezielt regional, kurzfristig und mit relativ geringem Mitteleinsatz angewendet werden kann. Eine Negative Einkommensteuer kann schließlich als eine beschäftigungswirksame, bedarfsorientierte Grundsicherung betrachtet werden, die zudem aufgrund ihrer Transparenz einen Weg weg von der Einzelfallgerechtigkeit hin zu einer Art Verfahrensgerechtigkeit aufzeigt.
Aus der Erkenntnis zunehmender Schwierigkeiten -nicht nur finanzieller den immer individuelleren Einzelbiographien gerecht zu werden, erscheint eine Umgewichtung zwischen individueller und gesellschaftlicher Absicherung auch aus Gerechtigkeitsaspekten bedenkenswert Dies zeigt, ebenso wie die begründete Forderung einer stärkeren Trennung von sozialer Sicherung und Erwerbsarbeit, die Notwendigkeit der Konsistenz und Kongruenz von Sozial-und Beschäftigungspolitik.