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Arbeitsgesellschaft am Ende oder vor zukunftsfähigen Perspektiven?. Überlegungen zu einer überfälligen Neuorientierung | APuZ 35/1997 | bpb.de

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APuZ 35/1997 Arbeitslosigkeit bei ausbleibendem Wachstum -das Ende der Arbeitsmarktpolitik? Arbeitsgesellschaft am Ende oder vor zukunftsfähigen Perspektiven?. Überlegungen zu einer überfälligen Neuorientierung Wirksame Instrumente einer Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik Mehr Markt für den Arbeitsmarkt

Arbeitsgesellschaft am Ende oder vor zukunftsfähigen Perspektiven?. Überlegungen zu einer überfälligen Neuorientierung

Hans Gerhard Mendius

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Zusammenfassung

Das Problem der Arbeitslosigkeit bleibt in der Industriegesellschaft ungelöst -trotz Wachstum des Sozialprodukts. Letzteres geht aber zugleich mit massivem Verbrauch nicht regenerierbarer Ressourcen sowie irreversiblen Schädigungen der Umwelt einher. Ist damit der Zeitpunkt erreicht, von der Erwerbsgesellschaft Abschied zu nehmen und den Übergang zu neuartigen gesellschaftlichen Formationen einzuleiten? Im Beitrag wird diskutiert, warum zwar eine Neuorientierung durchaus angezeigt ist, diese aber keineswegs das Ende der Arbeitsgesellschaft bedeuten muß. Argumentiert wird, daß die Schaffung von Arbeitsplätzen auf eine Weise gelingen kann, die gesellschaftliche Bedürfnisse abdeckt und zugleich mit den Erfordernissen „nachhaltigen Wirtschaftens“ in Einklang zu bringen ist. Ansatzpunkt ist der Abbau der Diskriminierung des Produktionsfaktors Arbeit, die dafür maßgeblich ist, daß derzeit weniger Arbeitsplätze als möglich bei mehr Umweltverbrauch als nötig vorhanden sind.

I. Mehr Beschäftigung oder weniger Umweltzerstörung -wirklich eine Alternative?

Arbeitslosigkeit stellt die alles überschattende gesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit dar -dies dürfte spätestens seit dem nochmaligen Anstieg der Zahl auf den absoluten Nachkriegs-höchststand und angesichts beängstigender Perspektiven für die Zukunft keinem Zweifel mehr unterliegen. Darüber hinaus liefert die Erfolglosigkeit bisheriger „Rezepte“ Anlaß zu grundlegenden Fragen: Erfordert wirksame Bekämpfung dieser Bedrohung eine völlige Umorientierung der Beschäftigungspolitik Oder kann aus den genannten Entwicklungen gar das Ende der Arbeit (Jeremy Rifkin oder der Übergang von der einfachen zur reflexiven Modernisierung (Ulrich Beck abgeleitet werden?

Ausgangsthese in diesem Aufsatz ist, daß zwar die Basis des „Nachkriegsmodells“ Deutschland (Wachstum, Vollbeschäftigung, Wohlstand) zunehmend zerfällt und ein qualitativ anderer Zugang zum gesellschaftlichen Stellenwert menschlicher Arbeit erforderlich wird, ein Übergang zu einer „Nacharbeitsgesellschaft“ aber keineswegs unmittelbar ansteht. Plädiert wird daher dafür, die sukzessive Verdrängung menschlicher Arbeit nicht länger als „schicksalhaft“ hinzunehmen, da sie nicht auf einer naturgegeben fehlenden Konkurrenzfähigkeit mit anderen Produktionsfaktoren beruht, sondern durch prinzipiell revidierbare Entscheidungen herbeigeführt wurde. Im Abbau bzw. in der Beseitigung der vielfältigen Benachteiligungen, denen der Faktor Arbeit gegenüber den anderen Produktionsfaktoren ausgesetzt ist, liegt daher die Chance, Arbeitsplätze zu sichern bzw. neu zu schaffen. So können nicht nur weitere, nicht vertretbare Schädigungen des Ökosystems, wie sie mit der Fortschreibung konventioneller Wachstums-konzepte unweigerlich verknüpft sind, vermieden werden, sondern es läßt sich sogar eine Trendwende hin zu umweltverträglicherem Wirtschaften einleiten. Zu den fatalsten Folgen der Arbeitsmarktkrise gehört es nämlich, daß sie dafür funktionalisiert wurde, einen originären Gegensatz zwischen den Zielsetzungen eines hohen Beschäftigungsstandes und einer an den Zielen der „Nachhaltigkeit“ orientierten Wirtschaftsentwicklung -„eine Entwicklung, in der die Bedürfnisse heutiger Generationen befriedigt werden sollen, ohne die Bedürfnisse kommender Generationen zu gefährden“ -zu unterstellen

Wie aber läßt es sich erklären, daß es trotz der bereits unübersehbaren Schäden und der unbestreitbar weiterwachsenden Bedrohungen, die von Umweltzerstörung und Massenarbeitslosigkeit ausgehen, nicht zu dem eigentlich erforderlichen radikalen Gegensteuern kommt? Massive Interessen einflußreicher gesellschaftlicher Gruppen an der Fortsetzung der bisherigen Politik, mangelhafte Formierung und fehlende Durchschlagskraft einer Lobby von Arbeitslosen und „Umwelt“, verbreitete Nichtwahrnehmung oder Verdrängung des realen Ausmaßes der Gefährdungen und -genereller -fehlende Handlungsrelevanz von Bedrohungen, die nicht bereits sinnlich wahrnehmbar geworden sind, dürften in beiden Fällen die wichtigsten Ursachen sein.

Hinzu kommt ein Phänomen, das man als Präventionsdilemma bezeichnen kann. Wenn eine negative Entwicklung vorab verhindert wird, ist der letztgültige Beweis schwer zu führen, daß die bekämpfte Gefahr tatsächlich eingetreten wäre. Das gilt nicht nur bei der medizinischen Vorsorge, sondern gerade auch bei Umweltschäden und Arbeitslosigkeit. Obwohl eindrucksvolle, nie widerlegte Berechnungen zeigen, daß es kostengünstiger ist, Arbeitslosigkeit zu verhindern, als sie zu finanzieren, wurde aktive Arbeitsmarktpolitik keineswegs auf Kosten einer passiven Politik ausgeweitet -im Gegenteil Mit Vorbeugung sind sehr viel weniger politische Lorbeeren zu erlangen als mit sehr viel teureren und weniger wirksamen nachträglichen Teillösungen.

II. Das Ende des Dreiklangs von Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und wachsenden Einkommen

Ein wesentliches Spezifikum und Charakteristikum der Bundesrepublik der Nachkriegszeit liegt darin, daß mit der Gleichzeitigkeit von Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und steigendem Wohlstand für Arbeitnehmer und für Unternehmer sowie Anteilseigner in den fünfziger Jahren („Wirtschaftswunder“) die Basis für einen überaus stabilen Konsens gelegt wurde. Dieser Konsens hatte trotz erheblicher Umbrüche bis in die jüngste Zeit Bestand, verliert aber neuerdings immer mehr seine Grundlagen und seine Präge-kraft, weil trotz weiteren Wirtschaftswachstums das Vollbeschäftigungsziel dauerhaft und zunehmend verfehlt wird, der bisherige Wachstumskurs gleichwohl fortgesetzt werden soll. Hinzu kommt, daß Wachstum zunehmend von der Steigerung des individuellen Nutzens und des „Reichtums der Nation“ abgekoppelt ist, zugleich aber mit massiven Schädigungen der Umwelt und gewaltigem Verbrauch nichterneuerbarer Ressourcen erkauft wird und daraus oft auf einen notwendigen Widerspruch von Umwelt-und Arbeitsplatzbelangen geschlossen wird. Welche Lösungsansätze stehen vor diesem Hintergrund zu Gebote? 1. Vollbeschäftigung durch Wirtschaftswachstum? Stark vertreten wird nach wie vor das Konzept „Mehr Arbeitsplätze durch Wachstum“. Dabei wird davon ausgegangen, daß das arbeitsplatz-trächtige Wachstum vor allem im High-Tech-Bereich (mit hohen Quoten in Forschung und Entwicklung und entsprechend hochqualifizierten Belegschaften) über Verfahrens-und vor allem Produktinnovationen erwirtschaftet werden soll, die mit immer wieder neuartigen Gütern zusätzliche „preiselastische Nachfrage“ auslösen. Dies funktionierte in der Bundesrepublik bis Mitte der siebziger Jahre, weil nach Roland Schettkat drei Entwicklungen zusammenkamen: Produktivitätssteigerungen führten zu relativen Preissenkungen, die sowohl eine Absatzausweitung und Beschäftigungserhöhung (der marktexpansive und beschäftigungserhöhende Effekt der Produktivitätssteigerung war stärker als der arbeitssparende Effekt) als auch Einkommenssteigerungen zur Folge hatten. „Die höheren Einkommen wurden wiederum vor allem für den Kauf von Produkten aus Wirtschaftszweigen mit hohen Produktivitätsgewinnen verwendet, was sich an der technischen Ausstattung der Haushalte vom Kühlschrank bis zum Automobil ablesen läßt.“ Mittlerweile aber hat „der arbeitssparende Effekt der Produktivitätssteigerung jetzt den markt-und beschäftigungsexpansiven Effekt überkompensiert“ so daß der beschäftigungspolitische Erfolg dieses Kurses mehr als zweifelhaft scheint, selbst wenn man bereit wäre, seine Nebenfolgen hinzunehmen. 2. Bringt der Dienstleistungssektor das „Arbeitsplatzwunder“?

Die Problematik der sich immer weiter öffnenden Arbeitsplatzlücke ist alles andere als neu, die Diskussion um Lösungsansätze seit längerem im Gang. Insbesondere von einer Expansion des Dienstleistungsbereichs werden entscheidende Impulse erwartet. Fraglos ist eine Ausweitung des Angebots von Dienstleistungen in vielen Fällen angesichts bestehender Defizite (z. B. bei Gesundheitsprävention und Krankenpflege, Kinderbetreuung, Umweltsanierung usw.) angezeigt, in weiteren Bereichen wäre sie zumindest wünschenswert. Ebenso ist plausibel, daß auf diesem Wege durch Bereitstellung der erforderlichen Mittel bzw. Auslösung entsprechender Nachfrage erhebliche Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden könnten. Es ließe sich darüber streiten, ob und unter welchen Voraussetzungen ausschließlich ein wachsender Dienstleistungssektor einen hohen Beschäftigüngsstand herbeiführen kann. Denn ob die hochproduktiven High-Tech-Sektoren allein in der Lage wären, die materiellen Voraussetzungen für die Nutzung eines expandierenden Dienstleistungssektors zu gewährleisten, wird durchaus bezweifelt. Erheblich realistischer als derartige Überlegungen ist indes, daß auch bei Dienstleistungen momentan und in absehbarer Zukunft sehr viel eher Arbeitsplätze abgebaut als zusätzlich neue geschaffen werden 3. Beschäftigung und Nachhaltigkeit Aus dem offensichtlich gelockerten Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung folgern nicht wenige, daß dann eben alles zu versuchen sei, das Wachstumstempo zu erhöhen -nicht selten mit der weiteren Schlußfolgerung, daß zu diesem Zweck notfalls „bis auf weiteres“ noch weiter gehende Negativauswirkungen für die Umwelt hinzunehmen seien. Teilweise werden sogar vorhandene Regulierungen (z. B. im Bereich der Emissionsvermeidung, des Energiesparens oder der Entsorgung und Wiederverwertung) dafür verantwortlich gemacht, daß mögliche Arbeitsplätze nicht geschaffen werden. Widersprüche zwischen Umweltschutz-und Beschäftigungszielen können zweifellos auftreten: Es mag erforderlich sein, die rasche Umsetzung weitgehender ökologischer Zielvorstellungen aus beschäftigungspolitischen Erwägungen befristet zurückzustellen, andererseits sind hoch umweltschädliche Produktionen und Dienstleistungen nicht zu akzeptieren, auch wenn damit Arbeitsplatzverluste verbunden sind. Solche Ausnahmefälle bedürfen sorgfältiger Güterabwägung und sind prinzipieil lösbar, ein durchgängiger und unaufhebbarer Widerspruch von Ökologie und Arbeitsplätzen läßt sich daraus nicht begründen

Weit wichtiger ist, sich klarzumachen, daß Vergleiche der voraussichtlichen Beschäftigungswirkungen einer auf Minderung des Ressourcenverbrauchs oder Vermeidung von Umweltschäden zielenden Politik mit einer primär wachstums-orientierten Politik oft sehr einseitig geführt werden: So wird die Beschäftigungsentwicklung, die etwa bei der Durchführung einer ökologieorientierten Steuerreform eintreten würde, gern mit der Situation, wenn alles beim alten bliebe, verglichen. Es wird auf umstellungsbedingt benachteiligte Branchen und dadurch gefährdete Arbeitsplätze verwiesen und damit eine schlechtere Beschäftigungsentwicklung als bei einer Fortsetzung des Wachstumskurses begründet.

Ein derartiges Verfahren ist aber schlicht unzulässig: Die als selbstverständlich gesetzte Annahme, daß durch Ökologiepolitik für gefährdet erachtete Arbeitsplätze bei einem „Weiter-wie-bisher“ erhalten blieben, ist alles andere als evident. Schließlich spricht sehr viel dafür, daß gerade die Fortsetzung des bisherigen Kurses massive Rückkopplungseffekte auslösen kann, die das „Weiterwie-gehabt“ unmöglich machen: Wenn zum Beispiel der Individualverkehr weiter forciert wird, kann genau dadurch der Massenmotorisierung die Grundlage entzogen werden (totaler Verkehrskollaps, Sommersmog, erzwungene umfassende Fahrverbote usw.). Damit würden sehr schnell viel mehr Arbeitsplätze gefährdet, als das bei einer behutsamen, aber beharrlichen Politik der Umorientierung der Fall wäre

Ein weiteres Argument kommt hinzu: Scheinbare Widersprüche zwischen Umweltschutz-und Vollbeschäftigungszielen sind nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß der Erfolg unserer Gesellschaft in völlig „wertfrei“ und inhaltsleer gefaßten Kategorien des Sozialprodukts und seines Wachstums gemessen wird. Dabei ist bekannt, daß Wirtschaftswachstum dieses Typs zwar mit einer Steigerung der gesellschaftlichen Wohlfahrt ein-hergehen kann, aber keinesfalls muß. (An alternativen Sozialproduktrechnungen wird seit längerem gearbeitet, mit bislang eher bescheidener Resonanz.) Wenn mit defensiver Produktion 13 der Teil des Bruttosozialprodukts bezeichnet wird, der nötig ist, um die mit der Herstellung des Rests einhergehenden Schädigungen recht und schlecht zu kompensieren, dann gibt es offensichtlich auch destruktive Produktion, also Produktion, die mehr Schaden als Nutzen stiftet und gleichwohl zu „Wachstum" führt. Wie seriös ist aber eine Sozialproduktrechnung, die vom realen Vorzeichen der Beiträge zum Volkseinkommen absieht, und alles aufaddiert statt zu saldieren 14? Man kann demnach davon ausgehen, daß ein größer werdender Teil unseres „Wachstums“ und unseres Wohlstands fiktiv ist, beruht er doch schlicht auf derartigen Bilanzverlängerungen

Ein Verzicht auf destruktives Wachstum würde daher keineswegs mit Wohlstandsverlusten einhergehen; vielmehr könnte mit weniger Naturverbrauch und weniger Arbeitseinsatz ein gleiches oder möglicherweise sogar höheres Wohlstandsniveau erreicht werden. Daß ein Übergang gezielte flankierende Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung erfordern würde, liegt auf der Hand: Da eine solche Umstellung aber mit einem Wiederanstieg arbeitsintensiver gegenüber kapitalintensiver Produktion und Dienstleistung einhergehen würde (s. u.), wäre schon eine gewisse Kompensation des ceteris paribus zu gewärtigenden Rückgangs des benötigten Arbeitsvolumens zu erwarten. Darüber hinaus entstehende Spielräume könnten für weitere Arbeitszeitverkürzungen genutzt bzw. für in vielen Bereichen sehr wünschenswerte Maßnahmen zur „Entdichtung“ von Arbeit eingesetzt werden. Wenn es gelänge, (wieder) einen Wachstums-begriff zu installieren, dessen Kriterium reale Wohlstandssteigerung ist, wäre damit auch ein Großteil der „Widersprüche“ zwischen Ökologie und Arbeitsplätzen aufgehoben

III. Vor dem Ende der Erwerbsgesellschaft?

Wenn aber die Weiterführung des Wachstumskurses fatal, die Arbeitslosigkeit gleichwohl nicht mehr beseitigbar erscheint, ist dann nicht der Zeitpunkt gekommen, sich von der Arbeitsgesellschaft überhaupt zu verabschieden? Eine Reihe von Autoren schließen aus der skizzierten Entwicklung, daß die „Arbeitsgesellschaft am Ende“ sei oder wir zumindest vor der Wahl stünden, für eine als problematisch erachtete Fortsetzung der Erwerbsgesellschaft oder für ihre Überwindung zu votieren Angesichts unübersehbarer Struktur-brüche muß die Perspektive, welche gesellschaftlichen Formationen die derzeitige ablösen können, zweifellos intensiv verfolgt werden. Alternative oder komplementäre Varianten zu „klassischer“ Erwerbsarbeit, wie zum Beispiel „Eigenarbeit“, sind dabei ebenso zu diskutieren wie neue Formen der Sicherung der materiellen Existenz (Bürger-geld, Negative Einkommenssteuer usw.)

Allerdings läuft die These, wonach die Erwerbsgesellschaft insgesamt zur Disposition steht, Gefahr, für das Argument genutzt zu werden, daß dann für die kurze „Restlaufzeit“ an der derzeitigen Struktur auch nichts mehr grundlegend geändert werden müsse; oder es wird -was bezüglich der Ausgangsannahme plausibler ist -eine „Dualisierung“ postuliert in ein weiter arbeitsgesellschaftlich verfaßtes Subsystem und eines, das entsprechend nach alternativen Vergesellschaftungsprinzipien organisiert ist. Dieser Lösung können sowohl die Vertreter des bisherigen Produktionsmodells (insbesondere wenn der Sektor „jenseits der Erwerbs-gesellschaft“ kleindimensioniert ist) als auch die Promotoren des Alternativszenarios (im Sinne eines „Einstiegs“) etwas abgewinnen.

Gleichwohl wäre ein derartiger Kompromiß zwischen Wachstumsprotagonisten und Propheten des Endes der Arbeitsgesellschaft in seinen Auswirkungen fatal, ignorierte er doch, daß die derzeitige Produktionsweise keineswegs zukunftsfähig ist: „Weiter wie bisher“ bedeutet Fortsetzung der Plünderung nichtregenerativer Ressourcen und massive irreversible Umweltzerstörung und ist damit nicht nur inakzeptabel, sondern auf längere Sicht ausgeschlossen. Der vielbeschworene Produktivitätsfortschritt, der es bereits jetzt erlauben soll, mit einem Bruchteil der vorhandenen Arbeitskräfte die notwendigen Produkte und Dienstleistungen bereitzustellen (und die „Freigesetzten“ in einen dritten Sektor mit gemeinnützigen Tätigkeiten zu befassen 19), existiert nicht wirklich, da er auf Raubbau und raschem Verzehr der Substanz beruht. Eine tragfähige Über-windung der Arbeitsgesellschaft indes setzt zwingend eine Produktionsweise voraus, die den Kriterien von Nachhaltigkeit 20 gerecht wird. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, muß noch viel getan werden, und dabei können zusätzliche Erwerbsarbeitsplätze eine wichtige Rolle spielen.

Bei der Forderung nach der Überwindung der Erwerbsgesellschaft darf aber vor allem nicht übersehen werden, daß Arbeit zwar oft als Last und Mühe wahrgenommen wird. Zugleich aber ist sie für die meisten nach wie vor das Instrument zur Sicherstellung der materiellen Existenz, und es verbinden sich darüber hinaus mit Erwerbsarbeit eine Fülle von individuell sinnstiftenden und gesellschaftlich Kohärenz schaffenden Funktionen, für die Ersatz keineswegs in Sicht ist 21.

Ein unmittelbarer Übergang zur „Nacharbeitsgesellschaft“ wäre aber nicht nur kaum vermittelbar, er wäre auch nicht sinnvoll, weil: -der Erwerbsgesellschaft die Arbeit nicht ausgeht, sondern sie nur derzeit nicht in der Lage ist, notwendige und sinnvolle Arbeitsplätze zu schaffen; -die ständige Verdrängung von menschlicher Arbeit aus dem Wirtschaftsprozeß keineswegs unvermeidlich, sondern Ergebnis von gesellschaftlichen Entscheidungen ist; -Möglichkeiten vorhanden sind, diesen unbefriedigenden Zustand zu überwinden und -ein wesentlicher Ansatzpunkt im Abbau der Diskriminierung des Produktionsfaktors Arbeitskraft liegt.

IV. Die Diskriminierung des Faktors Arbeit -Folgen und Ansätze der Überwindung Der seit langem anhaltende Trend zur Verdrängung menschlicher Arbeit und damit zu immer weniger produktiven und produktionsnahen Arbeitsplätzen ist weder ausschließlich Resultat von „Sachzwängen kapitalistischer Entwicklung“, noch wird er durch eine durchgängig oder naturwüchsig „objektive“ Unterlegenheit vermeintlich rückschrittlicher arbeitsintensiver gegenüber „fortschrittlichen“ kapitalintensiven Verfahren verursacht. Verdrängung von Arbeit ist keineswegs nur Ergebnis von Rationalisierung im Sinn einer möglichst intelligenten Verknüpfung der Produktionsfaktoren; sie resultiert vielmehr nicht zuletzt aus einer verzerrten, die tatsächlichen Kosten nicht wiedergebenden Preisbildung, insbesondere für Energie und Umweltverbrauch (und damit auch für Vorprodukte und Transportleistungen), und wird weiter verschärft durch die strukturelle Benachteiligung von „arbeitsintensiven“ Betrieben und ihrer Beschäftigten durch ein gesellschaftliches Umverteilungssystem, das seinen Mittelbedarf weit überwiegend dem Produktionsfaktor Arbeit anlastet . Ein besonderes Handicap erfährt der Produktionsfaktor Arbeit dadurch, daß der Aufwand für die Wiederherstellung der Arbeitskraft -mit welchen kurzfristigen Abweichungen auch immer -insgesamt im Durchschnitt in deren Kosten eingehen muß. Beim Verbrauch von Gütern wie Erdöl, Erdgas oder Erzen (und im Unterschied zu zumindest prinzipiell kreislaufwirtschaftlich herstellbaren Produkten) werden demgegenüber allenfalls die Kosten für die Explorierung und Förderung einkalkuliert. Das Gut selbst wird als kostenfrei betrachtet (vielleicht weil eine realistische Kalkulation der „Wiederbeschaffungskosten“ sehr deutlich machen würde, wie buchstäblich unbezahlbar diese Güter eigentlich sind) Soweit und solange sich daran nichts ändert, also Produktivitätssteigerungen, die auf verstärkter Ausbeutung der Ressourcen beruhen, nicht anders bewertet werden als solche, die auf besserer Nutzung der Produktionsfaktoren basieren, befindet sich, wer Arbeitsplätze sichern oder schaffen will, stets in der Position des Hasen, dem trotz aller Anstrengung regelmäßig der Igel der Rationalisierung zuvorkommt -mit dem vorprogrammierten Endresultat. Und umgekehrt gilt: Wer sich für Schaffung von Arbeitsplätzen durch einen Abbau der wettbewerbswidrigen Nachteile des Faktors Arbeit einsetzt, der trägt damit auch zu sparsamerem Ressourcenverbrauch und zum Erhalt der natürlichen Lebensbedingungen bei.

Das Problem der Diskriminierung von Arbeit wird neuerdings immerhin behandelt -allerdings meist sehr verkürzt unter der Chiffre „Senkung der Lohnnebenkosten“. Entsprechende Forderungen werden von den Arbeitgeberverbänden gestellt, aber auch von den Gewerkschaften mit unterstützt. Beitragen zu einer solchen Entlastung kann die Eliminierung „wesensfremder“ Kostenbestandteile. Wenn es zutrifft, daß höhere Sozialabgaben und Steuern und zu niedrige Preise für Rohstoffe und Energie die Position des Faktors Arbeitskraft verschlechtern und damit Rationalisierungsinvestitionen und kapitalintensive, vor allem großbetriebliche Fertigungen mit vergleichsweise wenig Arbeitsplätzen wirtschaftlicher erscheinen lassen, dann führen niedrigere Lasten auf Arbeit dazu, daß wieder Arbeitsplätze in größerer Zahl rentabel werden. Zusätzliche Beschäftigung und damit zugleich steigende Zahlen von Beitragszahlern bei sich verringerndem Sozialaufwand sind das Ergebnis

Durch Abbau der Benachteiligung von Arbeit lassen sich erhebliche Beschäftigungspotentiale mobilisieren. Ein Großteil der verdrängten Produktionen und Dienstleistungen verschwand nämlich keineswegs mangels Nachfrage, sondern wurde in andere „Sphären“ (Do-it-yourself, Nachbarschaftshilfe, Schwarzarbeit) abgedrängt. Wären handwerkliche Leistungen wieder deutlich billiger, würde die Anschaffung eigener „Hardware“ (z. B. Heimwerkermaschinen o. ä.) unrentabler. Damit könnte Reparieren statt Wegwerfen erheblich an Bedeutung gewinnen, und es würde hier wieder zu „echter“ Nachfrage mit der Folge eines entsprechenden Beschäftigungsschubes kommen. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Feldern, auf denen neuartige Arbeitsplätze entstehen können (s. u.). Derzeit wird eine Vielzahl von Möglichkeiten diskutiert, eine derartige Umsteuerung herbeizuführen (Wertschöpfungsabgabe, Entlastung der Sozialversicherungen von wesensfremden Aufgaben, Abgaben auf den Ressourcenverbrauch, wie etwa die emissionsabhängige Besteuerung von Kraftfahrzeugen, umfassende Rücknahmeverpflichtungen für ausgediente Produkte usw.). Zur Energiesteuer und zu ihren möglichen Effekten beispielsweise liegen bereits -freilich kontrovers diskutierte -umfassende Modellrechnungen und ökonom(etr) ische Analysen vor.

Weitgehend offen aber bleibt, wie sich der Prozeß konkret vollziehen würde: Welche Tätigkeitsfelder expandieren, welche kommen neu hinzu, welche schrumpfen? Unbekannt ist aber vor allem, welche betriebsinternen und betriebsübergreifenden Umstrukturierungsprozesse erforderlich wären, welche Belastungen auf die Arbeitskräfte zukämen, wie sich Arbeitsbedingungen verändern und welche Qualifikationsanforderungen entstünden, wenn derartige Maßnahmen ergriffen würden.

Diskriminierung von Arbeit und die Subventionierung von Sachkapitaleinsatz und Naturverbrauch haben die Unternehmenskonzentration und damit den Siegeszug tayloristischer Arbeitszerlegung ebenfalls begünstigt und auf diese Weise (im Sinn einer Selbstverstärkung) besonders rationalisierungsgefährdete Arbeitsplätze hervorgebracht. Da großindustrielle Produktionsweisen im Durchschnitt sehr viel energie-und rohstoffintensiver sind als kleinbetrieblich-handwerkliche, läßt sich daraus ableiten, daß das starke Vordringen solcher kapitalintensiver Produktionsprozesse, die zur Entstehung sehr großer Unternehmenseinheiten beitrugen, überhaupt nur durch die Vernachlässigung eines großen Teils der Faktorkosten möglich war. Vor allem aber folgt daraus, daß eine Trendwende hin zu fairer Behandlung des Faktors Arbeit Arbeitsplätze in kleineren und mittleren und vor allem in eher handwerklich ausgerichteten Unternehmen hervorbringen würde.

V. Für Arbeitsplätze und Nachhaltigkeit -worauf es jetzt ankommt

Jetzt geht es darum, den Faktor Arbeit wirksam zu entlasten und herauszuarbeiten, wo neue Arbeitsplätze entstehen können, sowie umfassende Aufklärung über die maßgeblichen Zusammenhänge zu betreiben, das nötige Qualifikationsniveau bei Betrieben und Arbeitskräften zu schaffen und gezielte Anstöße für die frühzeitige exemplarische Umsetzung solcher Konzepte zu liefern.

Voraussetzungen dafür zu ermitteln und herauszuarbeiten, wie derartige Prozesse in den Betrieben ablaufen könnten, gehört zu den Aufgaben des Projekts „Eine Chance für die Arbeit -Voraussetzungen eines hohen Beschäftigungsstandes bei alternder Bevölkerung“ Wichtige Beispielsfelder sind energie-bzw. ressourcensparende Haustechniken, Recycling und „Reparieren statt Wegwerfen“. Zu Beginn der Forschungsarbeiten wurde erwartet, daß es zum Beispiel bei innovativer, energiesparender Haustechnik vorrangig noch darum ginge, zunächst entsprechende Ausrüstungen und Verfahren zu entwickeln, bevor ein breiter beschäftigungs-und umweltwirksamer Einsatz stattfinden könnte. Mittlerweile liegt es aber auf der Hand, daß es zwar nach wie vor sinnvoll ist, die technische Entwicklung weiterzutreiben (und dafür endlich ausreichende Fördermittel bereitzustellen). Der bereits erreichte Stand würde aber heute schon einen breiten Einsatz zulassen. Warum dies dennoch nicht (oder nur mehr als zögerlich) geschieht, wird damit zur entscheidenden Frage.

Aus Platzgründen können hier nur einige Hinweise auf Felder gegeben werden, bei denen beträchtlicher Bedarf vorliegt und gleichzeitig bereits Lösungen gefunden worden sind, die einerseits in erheblichem Umfang Arbeitsplätze in kleinen und mittleren Unternehmen schaffen und andererseits zu Energieeinsparung und Verbesserung der Umweltsituation beitragen können 1. Solarthermie: Die Gewinnung von Warmwasser über Sonnenkollektoren gilt als technisch völlig ausgereift. Auch unter gegenwärtigen Bedingungen tritt eine Rentabilität in absehbaren Zeiträumen ein. Eine neuere Untersuchung hat ergeben, daß von Eigenheimbesitzern allerdings weniger in Abschreibungszeiträumen gedacht wird, sondern die absoluten Mehrpreise ein entscheidendes Kriterium bilden. Nach Ansicht der Autoren liegt diese Schwelle bei zirka 6 000 DM und wird inzwischen mit der öffentlichen Förderung und einem -dort zusätzlich vorhandenen -standardisierten Paket-Angebot (Solaranlage und Einbau zum Festpreis) erreicht. Gezeigt wurde weiter, daß über entsprechende Begleitung (vor allem ein geeignetes „Marketing“, s. u.) eine rasche Vervielfachung der Nachfrage erzielbar ist.

Ermittelt wurde, daß ein Betrieb des Sanitär-Heizungs-und Klimatechnik (SHK) -Handwerks, für je 29 Warmwasseranlagen pro Jahr eine zusätzliche Arbeitskraft benötigen würde. Hinzu kämen Beschäftigungseffekte bei den Herstellern der Hardware -hauptsächlich kleine und mittlere deutsche Unternehmen -sowie im Großhandel. Hochrechnungen über das Gesamtpotential liegen derzeit noch nicht vor, jedoch ist von erheblichen Effekten auszugehen, insbesondere wenn zum Neubau auch der Altbestand (wesentlich arbeitsintensivere Nachrüstung) und zu den Eigenheimen der Geschoßwohnungsbau hinzukommen Schnell rentabel -aber kaum eingesetzt -ist Solar-thermie beispielsweise auch bei der Heizung von Freibädern. Die Technologie ist mittlerweile bewährt und wird vom SHK-Handwerk -vorausgesetzt, man führt entsprechende Schulungen durch -ohne weiteres beherrscht. 2. Photovoltaik: Verfügbarkeit, Beherrschbarkeit und Potentiale stellen sich ähnlich dar wie bei der Solarthermie, allerdings ist sie technisch aufwendiger, und die Mehrkosten sind bei der derzeitigen Preisbildung erheblich. Eine rasche Ausweitung scheint daher nur möglich, wenn (bei derzeitigen Energiepreisen) massiv subventioniert wird (Förderung und Einspeisemöglichkeiten wie zum Beispiel beim „Aachener Modell oder wenn substantielle Verteuerungen fossiler Brennstoffe eintreten bzw. es zu drastischer Verknappung kommt. 3. Regenwassernutzung: Regenwasser läßt sich über Dachrinnen sammeln und dann, zum Beispiel für die Toilettenspülung (ein Hauptwasserverbraucher), aber auch für Waschmaschinen und Geschirrspüler nutzen. Auch hier sind Know-how und Hardware verfügbar, Anlagen in erheblicher Zahl problemlos im Einsatz; Rentabilität gilt selbst unter derzeitigen Bedingungen als erreichbar. Bei einer Ausweitung wäre mit erheblichen Beschäftigungseffekten zu rechnen Außerdem könnte eine massive Verringerung des Trinkwasserbedarfs, verbunden mit der Möglichkeit, die Reinheit zu verbessern, erreicht werden. (Weil der Großteil des Trinkwassers nicht zum Verzehr genutzt wird, entsteht ein weit überhöhter Bedarf. Die geltenden Standards lassen sich oft nur noch durch Vermischung von sehr gutem mit schlechterem Trinkwasser einhalten.) 4. Grauwasseraufbereitung: Hierbei handelt es sich um die verbrauchernahe Wiederaufbereitung von gebrauchtem Wasser (aus Waschbecken, Dusche, Waschmaschine, Geschirrspüler, evtl. WC). Techniken und Know-how sind ebenfalls verfügbar, funktionierende Pilotanlagen laufen. Sie zeigen, daß mit verbrauchernahen Reinigungsanlagen nahezu Trinkwasserqualität erreicht werden kann. Das Reinigungsergebnis verbessert sich nämlich mit zunehmender Verursachernähe, weil vor Ort die vorhandenen Schadstoffe genau bekannt sind und gezielt beseitigt werden können (Klärteiche, biologische Wohnblockklärwerke, Verrieselungsanlagen usw.). Bei der üblichen Form gelangt bei den zentralen Klärwerken eine Mixtur von Schadstoffen an, die kaum noch vollkommen analysiert, geschweige denn geklärt werden können. Neben Beschäftigungseffekten ist also eine Verbesserung der Abwasserqualität möglich. 5. Gesamtkomplex Kanalisation: Regenwassernutzung und dezentrale Grauwasseraufbereitung sind von erheblicher Bedeutung für die Kanalisation. Derzeit versickern bis zu 50 Prozent der Abwässer ungeklärt. Für die Sanierung im bisherigen Zuschnitt (sie wird im Zweifelsfall von hochkapitalintensiven Großunternehmen vorgenommen) werden dreistellige Milliardensummen veranschlagt, sie ist aber ebenso aufwendig wie in dieser Form eigentlich unnötig: Bei Nutzung der genannten Möglichkeiten würde sich das Schmutzwasseraufkommen massiv reduzieren. In die alten begehbaren Rohre ließen sich wesentlich kleinere verlegen, die jederzeit zur Vermeidung von Sickerverlusten überwachbar wären. Bei Neuprojekten könnte mit wesentlich geringeren Dimensionierungen gearbeitet werden

Warum aber werden die offensichtlich enormen Potentiale, Arbeitsplätze zu schaffen, die Umweltsituation zu verbessern und sofort (oder jedenfalls mittel-und längerfristig) Geld zu sparen, nicht genutzt? Zwei Erklärungsmuster bieten sich an. Zum einen besteht -vereinfacht formuliert -ein Marketingproblem, zum anderen gibt es offensichtlich sehr wirksame, wenn auch zum Teil kaum transparente oder richtig eingeschätzte gegenläufige Interessenlagen. 1. Gegenläufige Interessenlagen Beim erreichten Bearbeitungsstand sind nur einige Stichworte möglich: Negative Auswirkungen der Ausbreitung der o. a. Techniken könnten unter anderem die Hersteller bzw. Importeure von Energie und Trinkwasser, die Beseitiger von Abwasser sowie die Betreiber von entsprechenden Leitungsnetzen befürchten, wobei häufig mehrere dieser Funktionen von einem Unternehmen wahrgenommen werden. Das oft sehr unterschiedlich aufgebaute Interessengeflecht in dieser Perspektive im einzelnen zu untersuchen ist eine überaus aufwendige Aufgabe, deren Lösung noch weitgehend aussteht. Es scheint plausibel, daß jede Form der Einsparung etwa von Erdgas oder Erdöl den Interessen der Importeure entgegensteht. Große Stromhersteller tun sich oft noch schwer -trotz vorhandener Ansätze Energiesparen konsequent auf ihre Fahnen zu schreiben. Dabei geht es diesen Unternehmen anscheinend oft nicht nur darum, möglichst viel Energie zu verkaufen, sondern auch darum, den Vertriebsprozeß zentral zu kontrollieren. Schon differenzierter stellt sich die Situation auf der kommunalen Ebene dar: Hier haben es Stadt-werke, die für Strom sowie Gas, für Frisch-und Abwasser zuständig sind, etwas leichter, auch die oben genannten Möglichkeiten zu propagieren, als Spezialanbieter, die zum Beispiel nur Gas oder Strom verkaufen. Ansatzpunkte zum Aufbrechen von Blockaden bieten sich auf kommunalpolitischer Ebene, und zwar vor allem dann, wenn sich die entsprechenden Versorger noch ganz oder teilweise im Besitz der Kommunen befinden bzw. diese in den Entscheidungsgremien präsent sind. Auch hier ist allerdings noch erkennbar viel Arbeit zu leisten.

Das gilt auch für die entsprechende Ausstattung von Neubauten und des Altbaubestandes. Allerdings verhalten sich selbst Kommunen, die durchaus über die entsprechenden Kenntnisse verfügen und die genannten Techniken bei privaten Bauherren propagieren bzw. sogar fördern, bei eigenen Projekten bzw. bei solchen, auf die sie Einfluß haben, bislang keineswegs stets konsequent. Bürgeraktivitäten können solche Glaubwürdigkeitslücken herausstellen und Konsequenzen fordern 2. Das Marketingproblem Inzwischen sind -wie eingangs angesprochen -technische Lösungen durchaus verfügbar und es liegen positive praktische Erfahrungen vor. Damit ist eine notwendige, aber offenbar eben noch keine hinreichende Voraussetzung gegeben. Es besteht also, optimistisch betrachtet, ein Aufklärungsproblem, realistisch betrachtet ein Marketingproblem Wenn es gelingt, durch umfassende Öffentlichkeitsarbeit das Wissen über die Vorteile der genannten Ansätze rasch zu verbreiten, ist auch mit einem entsprechenden Anstieg der Nachfrage, vor allem aber auch mit politischem Druck, förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, zu rechnen. Adressaten dafür sind -Bauherren, Hausbesitzer, durchaus aber auch Mieter (die auf eine entsprechende Modernisierung drängen können);

-die einschlägigen Handwerker, die die mit diesen Techniken verbundenen Chancen noch keineswegs hinreichend erkannt haben

Erreicht werden müssen weiter -zum Beispiel Architekten, die oft ebenfalls nicht von sich aus solche Lösungen einbringen; -der Sanitär-und Baustoffgroßhandel, um Bau-und Modernisierungswillige entsprechend beraten zu können;

-nicht zuletzt aber auch die für Ausschreibungen bei öffentlichen und privaten Bauträgern Zuständigen, die durch entsprechende Vorgaben oft die Nutzung solcher alternativer Techniken selbst dann ausschließen oder behindern, wenn andere Beteiligte dazu bereit wären.

Bei den zuletzt genannten Gruppen ist davon auszugehen, daß es nicht unbedingt konkrete gegenläufige Interessen sind, die die Innovationen verhindern, sondern unter anderem fehlende Lernbereitschaft und Attitüden, wonach alles Neue als riskant angesehen wird. In dieser Situation kann es also nur darum gehen, die Aufklärungsarbeit an der Basis zu verstärken. Gleichzeitig sind die jeweils Verantwortlichen, die die notwendigen Informationen eigentlich haben müßten, in Begründungszwang zu bringen, wenn nicht alles Mögliche getan wird, um Chancen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Entlastung der Umwelt zu nutzen -eine Aufgabe, der sich vielerorts von wichtigen gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam getragene lokale Aktivitäten im Rahmen der Umsetzung der „Agenda 21“ -der zukunftsfähigen Stadt-und Regionalentwicklung -stellen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Mit dieser Frage befassen sich u. a. die Beiträge von Norbert Reuter und Roland Klopfleisch/Werner Sesselmeier/Martin Setzer in diesem Heft.

  2. Jeremy Rifkin, Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft, Frankfurt am Main-New York 1995.

  3. Ulrich Beck, Die Erfindung des Politischen -Zu einer Theorie reflexiver Modernisierung, Frankfurt am Main 1995.

  4. BUND, MISEREOR (Hrsg.), Zukunftsfähiges Deutschland -Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung, Basel u. a. 1996.

  5. Die Folge ist u. a., daß Arbeitslosigkeit bei Bevölkerungsumfragen mittlerweile unangefochten den ersten Platz einnimmt, während Umweltprobleme in der Rangreihe abrutschten, obwohl die kurzfristige Vernutzung nicht-reproduzierbarer Ressourcen fortschreitet und sich die Bedrohungen, die sich aus dem bedenkenlosen Umgang mit der Natur ergeben, weiter zuspitzen.

  6. Wer z. B. vorbeugende Qualifizierung von noch Beschäftigten durchsetzt, kann kaum „beweisen“, daß sie sonst arbeitslos geworden wären; wer aber für dann arbeitslos Gewordene Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durchführt, kann demonstrieren, daß damit registrierte Arbeitslosigkeit reduziert wird. Vor einem ähnlichen Dilemma sieht sich die Umweltpolitik: Wäre es beispielsweise gelungen, die Entstehung des Ozonlochs, das Auftreten von Waldschäden oder die Bildung des Sommersmogs durch Vorbeugung zu verhindern, wäre die Realität der Bedrohung sicherlich bestritten worden.

  7. Ronald Schettkat, Ende der Vollbeschäftigung? -G 7-Länder: Trendwende in den 70er Jahren, in: WZB-Mitteilungen, 64 (1994), S. 5.

  8. Ebd., S. 6.

  9. Rationalisierungseffekte mit erheblichem Personalminderbedarf werden bereits in naher Zukunft durch Computerisierung im Bankenbereich erwartet, große Warenhausketten bauen Personal ab bzw. schließen ganze Häuser; im Öffentlichen Dienst dominieren Einstellungsstopps und massive Stellenstreichungen sowie Arbeitszeitverlängerungen; durch die Kürzungen im Gesundheitswesen ist ebenfalls mit erheblichen Arbeitsplatzverlusten zu rechnen, für die Bundespost wird ein Personalrückgang von 25 Prozent erwartet. Im Multimedia-Sektor, dem Hoffnungsträger schlechthin, entstehen zwar zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten, zugleich aber wird an anderer Stelle im Bereich der Medien ein Vielfaches an Arbeitsplatzabbau prognostiziert. Vgl. auch J. Rifkin (Anm. 2), S. 108 ff.

  10. Selbst der zweifellos eher wachstumsoptimistische Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, Horst Siebert, stellte fest, daß sich in den letzten 25 Jahren die Arbeitslosigkeit in Deutschland nach jeder Rezession um etwa 800 000 erhöht hat. Vgl. Adalbert Reif, Interview mit Horst Siebert, in: Mensch und Büro, (1994) 5.

  11. In der umfassenden Debatte um die Beschäftigungswirkungen des Umweltschutzes, auf die hier im einzelnen nicht eingegangen werden kann, dominieren ganz eindeutig die Positionen, die erhebliche positive Effekte der bisherigen Umweltschutzmaßnahmen ausweisen.

  12. Das „BSE-Syndrom“ beispielsweise ist ebenfalls Resultat einer Wachstums-und Produktivitätssteigerungs-Maxime. Wie sich ein Wiederholungsfall auf die Arbeitsplätze in Landwirtschaft, Metzgerhandwerk usw, auswirken würde, ist leicht zu bestimmen; viele weitere Beispiele ließen sich anführen.

  13. Axel Bust-Bartels geht davon aus, daß „wir schon lange den Punkt des , Lehrlaufs der Zivilisationsmaschine 1 erreicht (haben), ab dem die totalen ökologischen und sozialen Folgekosten des Wachstums höher liegen als der Wohlfahrtsgewinn durch eben dieses Wachstum“. Vgl. A. Bust-Bartels (Anm. 13), S. 39.

  14. Ein Widerspruch von Wachstum und Ökologie scheint auch im Stabilitäts-und Wachstumsgesetz angelegt, da dort Vollbeschäftigung und Wachstum als Zielgrößen formuliert werden, nicht aber eine zu erhaltende Umwelt. Ein so neugefaßtes, mit Inhalt gefülltes Wachstumsziel dagegen konvergiert mit dem Beschäftigungsziel und braucht im Unterschied zu einem wertfreien Postulat des Wachstums als Selbstzweck keineswegs mit Umweltzielen zu konfligieren.

  15. Vgl. J. Rifkin (Anm. 2); Wolfgang Bonß/Arbeitsgruppe Zukunftsszenarien, Vorarbeiten und Vorbereitungen für die Erarbeitung von arbeits(markt) bezogenen Zukunftsszenarien.

  16. Mit dem Begriff „Eigenarbeit“ werden 22 Tätigkeiten jenseits der Erwerbsarbeit (Ehrenamt, Selbsthilfe, Do-ityourself) bezeichnet. Zur Negativen Einkommenssteuer siehe auch den Beitrag von Roland Klopfleisch/Werner Sesselmeier/Martin Setzer in diesem Heft.

  17. Zu den Faktoren, die zu einer Benachteiligung von Unternehmen mit relativ hoher Arbeitsplatzquote geführt haben, sind auch die teilweise massiven und langanhaltenden Subventionen für eine Reihe von Branchen zu rechnen, die sich -da sie über Steuern und Abgaben finanziert werden -auch in Belastungen für den Faktor Arbeit niedergeschlagen haben. Ob sie letztlich beschäftigungswirksamer waren als denkbare alternative Mittelverwendungen, ist zumindest offen, kamen sie doch weit überwiegend Branchen zugute, bei denen im fraglichen Zeitraum der arbeitssparende technische Fortschritt weit ausgeprägter war als nachfrageinduzierte Beschäftigungseffekte (s. o.).

  18. Da die Arbeitsgesellschaft in ihrer jetzigen Form wesentlich auf der Ausbeutung fossiler Energieträger beruht, wird sie auch als „fossilistisch" bezeichnet. Vgl. Elmar Alt-vater, Die Arbeitsgesellschaft vor den Herausforderungen von Geld und Natur, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 15/95, S. 16.

  19. Nicht zielführend sind dagegen alle Ansätze, die -bei ansonsten unveränderter Strategie -das Entstehen von Arbeitsplätzen ausschließlich durch Senkung der Löhne erreichen wollen: Ob als Reduktion der Lohnfortzahlung, als Verschlechterung der Lohnersatzleistungen oder als Aufgabe der gleichmäßigen Beteiligung an den Beiträgen zum sozialen Netz kaschiert, das Ergebnis ist stets, daß die Reproduktion der Arbeitnehmer gefährdet und die ohnehin schon defizitäre Massenkaufkraft weiter beschnitten wird, der verhängnisvolle Kurs eines „Wachstums als Selbstzweck“ fortgesetzt werden soll.

  20. Das Vorhaben wird im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie von Stefanie Weimer, Eckhard Heidling und dem Autor durchgeführt. Der vorliegende Beitrag entstand im Kontext des Projektes.

  21. Experten gehen in vielen Fällen davon aus, daß solche Lösungen eigentlich auch schon unter derzeitigen Bedingungen (d. h. inadäquate Belastung von Arbeit, Subventionierung von Primärenergieverbrauch) wirtschaftlich wären, in jedem Falle aber (bzw. um so mehr) dann, wenn diese Wettbewerbsverzerrungen endlich beseitigt würden.

  22. Vgl. Herbert Jans/Joachim Knappe, Ökologische und ökonomische Auswirkungen staatlicher Solarförderprogramme, Manuskript, Landshut 1996.

  23. In München gehen die Stadtwerke von einem 700 000 qm großen Potential an Süddächern aus (sechs Quadratmeter benötigt man für eine vierköpfige Familie), das man nur zu 10 Prozent für die Warmwasserbereitung bräuchte, der Rest könnte für Solarstrom genutzt werden.

  24. Vgl. zum dortigen Ansatz der Förderung von Solar-und Windenergie: Klaus Meiners/Marcus Baumann, Lokale Beiträge zum globalen Klimaschutz, in: Wechselwirkung, (1997) April/Mai.

  25. Außer der Verschiebung von Preisrelationen und direkter Förderung wäre hier die Beseitigung von Vorschriften, die den bisherigen Zustand „zementieren“, sehr wichtig.

  26. Besonders grotesk ist die Situation in den neuen Bundesländern. Hier kommen immer wieder Fälle ans Licht, in denen Kommunen von den Kosten überdimensionierter Klärwerke erdrückt zu werden drohen. Häufig ist die dort vorhandene Chance einer grundlegenden Neuorientierung offensichtlich schon wieder vertan worden.

  27. Beispielsweise ist es durchaus denkbar, die Solarthermie im Rahmen von Bausatzungen -in denen sonst auch viele für den Bauherrn kostenträchtige Auflagen enthalten sind -vorzuschreiben. In Berlin gab es bereits 1996 einen entsprechenden Vorstoß, der in diesem Jahr endgültig umgesetzt werden soll.

  28. Eine besondere Schwierigkeit liegt darin, daß diese Lösungen meist von Handwerkern oder Technikern mit einem „ökologischen Impetus“ entwickelt und implementiert werden, die glauben, mit der Herausarbeitung der technischen Lösung ihre Schuldigkeit getan zu haben. Das erscheint zwar subjektiv legitim, ändert aber nichts daran, daß auf diese Weise der Umstieg zur Nachhaltigkeit viel zu lang dauern würde.

  29. Während sie derzeit oft sogar noch Kunden die Nutzung solcher Techniken auszureden versuchen, müßten sie nicht nur auf Anfrage entsprechend beraten, sondern ihrerseits derartige Konzepte bei allen zunächst konventionell gedachten Vorhaben Vorschlägen, von sich aus in Betracht kommende Personen und Institutionen ansprechen („Klinkenputzen“) und Alternativprojekte entwickeln und propagieren.

  30. Vgl. Monika Zimmermann, Lokale Agenda 21. Ein Kommunaler Aktionsplan für die zukunftsbeständige Entwicklung der Kommune im 21. Jahrhundert, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 27/97, S. 25-38.

Weitere Inhalte

Hans Gerhard Mendius, Dr. soc., geb. 1944; Studium der Soziologie und Volkswirtschaftslehre in Frankfurt am Main und Heidelberg; Wissenschaftler am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V -ISF München; 1989-1995 Vorsitzender, seither Mitglied des Vorstands des Arbeitskreises Sozialwissenschaftliche Arbeitsmarktforschung (SAMF e. V). Veröffentlichungen u. a. zu Fragen der Arbeitsmarktstruktur, der beschäftigungspolitischen Bedeutung von kleinen Unternehmen und Handwerk, zur Hersteller-Zuliefer-Vernetzung und zu Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehungen, z. B.: (zus. mit Werner Sengenberger und Stefanie Weimer) Arbeitskräfteprobleme und Humanisierungspotentiale in Kleinbetrieben, Frankfurt am Main-New York 1987; (Hrsg. zus. mit Ulrike Wendeling-Schröder) Zulieferer im Netz -Zwischen Abhängigkeit und Partnerschaft, Köln 1991.