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Politikverständnis im Wandel Die Abkehr der Studierenden von der Parteiendemokratie | APuZ 32/1997 | bpb.de

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APuZ 32/1997 Versuch einer Bilanz Zur Krise der politischen Bildung Kategorien politischer Urteilsbildung Zwischenruf zur Krisen-und Perspektiven-dämmerung des Politikunterrichts Politikverständnis im Wandel Die Abkehr der Studierenden von der Parteiendemokratie Demokratie braucht politische Bildung Zum Auftrag der Bundeszentale und der Landeszentralen für politische Bildung

Politikverständnis im Wandel Die Abkehr der Studierenden von der Parteiendemokratie

Ralf Zoll

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Politiker und Wissenschaftler sprechen von grundlegenden Wandlungsprozessen, die sich in den modernen Gesellschaften vollziehen. Im Beitrag wird von dem Versuch berichtet, den behaupteten sozialen Wandel an zentralen Einstellungsstrukturen von Studierenden zu überprüfen: es wird hier ein grundsätzlich verändertes Politikverständnis festgestellt. Ferner wird analysiert, wie sich die neuen Einstellungen auf das Verhältnis zu den traditionellen politischen Akteuren -zumal den Parteien -auswirken. Abschließend wird auf zwei Probleme bezüglich der Reformfähigkeit der heutigen Gesellschaft hingewiesen, die es im Zusammenhang mit den sozialen Wandlungsprozessen zu bewältigen gilt: Wo befindet sich das innovative Potential, das unsere Gesellschaft für eine Reform dringend benötigt? Wie kann es gelingen, den größten Teil der Bevölkerung mit den Qualifikationen zu versehen, die für eine relativ selbstbestimmte Position unabdingbar sind? Unsere Darstellung basiert auf zehn Forschungsvorhaben, die zwischen 1988 und 1996 an der Philipps-Universität Marburg durchgeführt wurden.

I. Theoretischer Ausgangspunkt

Tabelle 1: Traditionelles und „neues“ Verständnis von Politik

Quelle: Ralf Zoll (Hrsg.), Studentin und Politik, Münster 1994, S. 54-56 (Zusammenfassung der Ergebnisse).

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts bemerkte einer der Gründungsväter der Soziologie, Henri de Saint-Simon: „Die Menschheit sieht sich einer der schlimmsten Krisen seit ihrem Bestehen ausgesetzt ... Ursache der Krise ist ein fundamentaler Wandel des gesamten sozialen Systems.“ 24 Jahre nach der Französischen Revolution waren die Wandlungsprozesse noch keineswegs zu einem Abschluß gelangt, so daß Saint-Simon feststellte: „Wir befinden uns immer noch in der Revolution.“

Am 28. Februar 1989 erschien in der Frankfurter Abendzeitung ein Artikel mit der Überschrift: „Vor 200 Jahren fand die Französische Revolution statt. Wir sind noch immer mitten drin.“ Ganz im Sinne von Saint-Simon begreift der Autor der Schlagzeile „Revolution“ nicht nur als ein politisches, zeitlich eng begrenztes Ereignis, sondern als Ausdruck tiefgreifender gesellschaftlicher Wandlungsprozesse, wie sie sich beispielsweise in folgenden Phänomenen zeigen:

-Trotz wachsenden Bruttosozialprodukts steigt die Zahl der Arbeitslosen stetig, traditionelle politische Handlungsmuster stehen hilflos vor einer Entwicklung zur Globalisierung und Regionalisierung.

-Wirtschaftlicher Reichtum wurde mit einer weitreichenden Zerstörung der natürlichen Grundlagen menschlicher Existenz bezahlt.

-Traditionelle Klassen-und Schichtenstrukturen beginnen sich aufzulösen; Individualisierung, neue soziale Milieus, die Verarmung großer Teile der Bevölkerung sowie der Geschlechter-konflikt scheinen zu wesentlichen Merkmalen postmoderner Gesellschaften zu werden.

-Die Vergreisung der Gesellschaft stellt den Vertrag zwischen den Generationen in Frage. -Nationalstaaten verlieren an Einfluß; nicht-staatliche Organisationen spielen eine immer größere Rolle in der Außen-und Sicherheitspolitik;

Mafia-Gruppen errichten neue ökonomische , Ordnungen ; die bewährten Systeme der sozialen Sicherung und Wohlfahrt beginnen zusammenzubrechen.

-Das bürgerliche Politikverständnis verliert an Legitimation; tiefgreifende Verdrossenheit gegenüber den Parteien charakterisiert das Verhältnis der Bevölkerung zur Politik.

Nicht wenige Sozialwissenschaftler, Politiker oder Expertenkommissionen gehen davon aus, daß diese Phänomene mehr sind als die bekannten zyklischen Krisen kapitalistischer Systeme Sie behaupten vielmehr, daß der rapide soziale Wandel eine neue Qualität besitzt und nur vergleichbar sei mit der Entwicklung vom Feudalismus zur industriellen Gesellschaft. War Gewalt das wesentliche Medium der Vergesellschaftung im Feudalismus und spielte Geld diese Rolle in industriellen Gesellschaften, so sollen sich postmoderne soziale Systeme nach Willke Stehr oder Bühl charakte-risieren lassen durch die Begriffe „Information“, „Wissen“ oder „Virtuelle Realität“. Gesellschaftlicher Protest richtete sich demgemäß früher gegen die jeweilige Verteilung von Macht bzw. von Geld. Heute geht es um die Verteilung von Wissen bzw. um die Kosten der Ignoranz. „Anders aber als bei früheren Formen des Protestes läßt sich das Problem nicht durch . mehr von demselben 1, also durch mehr Macht oder mehr Geld lösen. Denn mehr Wissen erzeugt unabdingbar auch mehr Nicht-Wissen.“

Die Kosten für Nicht-Wissen steigen disproportional. Zusätzlich sinkt das Vertrauen in Wissen und Wissenschaft. Wissenschaftliche Gutachten verlieren ihre lange Zeit nicht hinterfragte Legitimität. Experten widersprechen Experten. Entscheidungen wie Nicht-Entscheidungen wirtschaftlicher und politischer Art vermehren die Komplexität und erhöhen den Risikopegel in einer Weise, daß aus Risiken Gefahren werden. Die etablierten Systeme zur Bearbeitung von Risiken kapitulieren zunehmend vor der Unberechenbarkeit selbsterzeugter Entwicklungen. In den Worten von Beck: Es „versagen die mit der Industriegesellschaft entwickelten und perfektionierten Institutionen und Normen -Risikokalkül, Versicherungsprinzip, Unfallbegriff, Katastrophenschutz, vorsorgende Nachsorge“

Epochen des gesellschaftlichen Umbruchs sind Zeiten weitreichender Verunsicherung. Unter solchen Bedingungen bekommt das menschliche Grundbedürfnis nach Sicherheit besondere Bedeutung. Wenn Sicherheit allerdings nicht mehr zureichend durch gesellschaftliche und politische Systeme garantiert wird, sieht sich der einzelne vor die Notwendigkeit gestellt, Sicherheit -wie erfolgreich auch immer -für sich selbst zu organisieren. Analog zur Trias der Vergesellschaftungsmodi -wie von Willke angeführt, Feudalismus: Gewalt (Macht), Industriegesellschaften: Geld, postmoderne soziale Systeme: Wissen -lassen sich den jeweiligen Gesellschaftsformationen typische Sicherheitsorientierungen zuordnen: Feudalismus: Geborgenheit, Industriegesellschaften: Systemsicherheit und postmoderne soziale Systeme: Selbstsicherheit. Orientiert an Georg Räder ergeben sich für die entsprechenden Epochen drei typische Sicherheitskonzeptionen

Geborgenheit war die dominierende Sicherheitsvorstellung des Mittelalters. Im Mittelalter fanden die Menschen eine soziale Ordnung vor, die als Selbstverständlichkeit begriffen und nicht hinterfragt wurde. Die Herrschaftsverhältnisse erschienen als naturgegeben; Gewalt stellte das entscheidende Mittel der Gesellschaftsbildung dar. Der Mensch begriff sich als Teil der Natur; Familie und Berufsorganisationen waren die sozialen Bezugs-gruppen. Die normative Orientierung erfolgte an Religion und Tradition.

Systemsicherheit bildet die charakteristische Sicherheitsvorstellung der Neuzeit. Soziale und andere Ordnungen gelten grundsätzlich als vom Menschen gestaltbar. Geld strukturiert die gesellschaftlichen Verhältnisse, Natur wird zu einer ausbeutbaren und ausgebeuteten Ressource; Staat und (nationale) Gesellschaft sind die sozialen und politischen Bezugsgrößen. Die Menschen orientieren sich an Vertrag und Gesetz.

Selbstsicherheit als sich neu entwickelnde Sicherheitskonzeption der Nach-Moderne (Reflexive Moderne) ist charakterisiert durch eine Reflexion der existierenden Ordnungen. Wissen (Information) bildet das wesentliche Kriterium für die Strukturierung von Gesellschaften. Es wird versucht, einen Einklang mit der Natur herzustellen. Soziale Bezugsgröße ist die Menschheit generell (Weltgesellschaft). Die Orientierung des Verhaltens erfolgt argumentativ begründet auf der Grundlage universeller Prinzipien.

Die Zuordnung bestimmter Sicherheitsvorstellungen zu bestimmten Phasen der Gesellschaftsentwicklung heißt allerdings nicht, daß die Sicherheitskonzepte „Geborgenheit“ und „Systemsicherheit“ heute keine Rolle mehr spielen. Wir gehen nur davon aus, daß „Selbstsicherheit“ die Orientierungen „Geborgenheit“ und „Systemsicherheit“ als dominierende Bezugsgröße zukünftig ablösen wird.

Parallel dazu hat die angedeutete Entwicklung einerseits Legitimations-und Machtvakua auf der Ebene politischer Systeme erzeugt, andererseits den Bereich des Politischen entgrenzt. „Wir suchen das Politische am falschen Ort, mit den falschen Begriffen... Genau die Entscheidungsbereiche, die im Modell des Industriekapitalismus im Windschatten des Politischen liegen -Werbung, Wirtschaft, Verwaltung, Konsum, Wissenschaft, Privatheit -, geraten in der reflexiven Risikomoderne in die Stürme der politischen Auseinandersetzung.“ Das Private wird politisch. Die von Beck bereits 1986 formulierte These von einer grundsätzlichen Veränderung von Begriff, Ort, Akteuren und Medien der Politik fand bis heute kaum die Resonanz, die sie verdient. Eine Spezifizierung der Veränderungen haben wir in der Gegenüberstellung von traditionellem und neuem Politikverständnis versucht, wie sie die Tabelle 1 zeigt. Der Job-Perspektive steht ein Verständnis gegenüber, das Arbeit und Leben als Einheit begreift. Die Umwelt-und die Geschlechterproblematik werden zu zentralen Themen. * Hinsichtlich der Politikform zeigen sich Verschiebungen von formellen zu informellen Gruppierungen, von hierarchischen zu basisdemokratischen Organisationsprinzipien. Als Akteure gewinnen beispielsweise Frauen generell sowie auch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen besonders aus den Naturwissenschaften an Gewicht. Es interessieren lokale und globale Handlungsfelder der traditionell als privat aufgefaßten Bereiche. Ein ganzheitlicher Ansatz versucht die Balance zwischen Emotionen und Ratio. Staat und politische Parteien verlieren an Relevanz und Legitimität. Die Becksche These vom veränderten Politikverständnis findet eine Entsprechung im Konzept „life politics“ bei Giddens das Berger wie folgt beschreibt: „Es geht nicht -oder bestenfalls am Rande -um politische Institutionen, um den Staat, die Parteien oder um verbandsmäßig organisierte kollektive Akteure. Vielmehr sind damit alle Arten der Entscheidungsfindung bei Wert-und Interessengegensätzen oder in existentiellen Lebensfragen gemeint, weshalb ... eben auch private Lebensstilentschei- düngen und persönliche Identitätsprobleme als unmittelbar, politisch gelten.“

Kommt den von Beck und Giddens beschriebenen Veränderungen tatsächlich die behauptete Bedeutung zu, so müßten sie sich in den Einstellungsstrukturen der Bevölkerung und vor allem bei Studierenden wiederfinden lassen da letztere nahezu unstrittig als Seismograph für den sozialen Wandel gelten In Hypothesenform für eine empirische Überprüfung gebracht lautet das Ergebnis der theoretischen Überlegungen: 1. Zu den bekannten Sicherheitsorientierungen „Geborgenheit“ und „Systemsicherheit“ entwickelt sich „Selbstsicherheit“ als neue wichtige Handlungsdisposition. 2. Das traditionelle Politikverständnis wird von einem neuen in Frage gestellt, in dessen Mittelpunkt die Politisierung des privaten Bereichs steht. 3. Neues Politikverständnis und die Sicherheitsorientierung „Selbstsicherheit“ sind Ergebnis derselben gesellschaftlichen Veränderungsprozesse. Empirisch ausgedrückt: Wir erwarten eine hohe Korrelation zwischen beiden Einstellungsformen.

II. Methodische Hinweise

Tabelle 2: Vergleich der Parteipräferenz von Studierenden der Philipps-Universität Marburg mit hohen und niedrigen Werten auf dem Index „Neues Politikverständnis“

Quelle: Eigene Erhebung, Winter 1994/95

Unter methodischer Perspektive sind vorab vier Anmerkungen hinsichtlich einiger Probleme erforderlich, die sich auf die Analyse sozialen Wandels beziehen:

Erstens sind die Menschen oft blind gegenüber den gesellschaftlichen Entwicklungen, die sie selbst miterleben; sie bleiben gefangen in ihren traditionellen Formen der Wahrnehmung und des Denkens. Diese Aussage gilt auch für Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler. Zweitens machten es in Zeiten rapiden sozialen Wandels die große Zahl und die Komplexität der Veränderungen sehr schwierig zu erkennen, wo und wann gleichsam Quantität in Qualität umschlägt. Drittens werden mit der wachsenden Komplexität von sozialen Systemen gesellschaftstheoretische Konzepte immer abstrakter, was den Prozeß der Operationalisierung für empirische Analysen zunehmend schwieriger gestaltet. Und viertens besitzen neu entstehende Einstellungen deutlich mehr Facetten als traditionelle Orientierungsmuster. Einige dieser Facetten werden im Laufe des Entwicklungsprozesses wieder verschwinden, andere die Einstellung in erheblichem Umfang bestimmen. Hieraus folgt auch, daß es während der Entwicklungsphase wohl kaum Personen gibt, welche alle Aspekte der neuen Orientierungsmuster repräsentieren.

Die empirischen Ergebnisse, die wir hier berücksichtigen, wurden in zehn aufeinander bezogenen Forschungsprojekten an der Philipps-Universität in Marburg seit 1988 gewonnen. Vier dieser Projekte betreffen die Entwicklung von Einstellungsskalen, zwei Projekte sind Validierungsstudien und weitere vier Untersuchungen erbrachten die inhaltlichen Resultate. Die wichtigsten Aussagen beruhen auf Quoten-bzw. Zufallsstichproben, welche Repräsentativität für die Marburger Studierenden hinsichtlich Geschlecht und Studienfach garantieren. Die Untersuchungen wurden von Studierenden am Institut für Soziologie im Rahmen der Empirieausbildung durchgeführt und dauerten ein bis zwei Jahre. Das Projekt aus dem Jahr 1996 beinhaltete Vergleichsstichproben von der Rostokker Universität und der Universität der Bundeswehr in München. Als Untersuchungsvariablen fanden im wesentlichen Berücksichtigung: Sicherheitsorientierungen, politische Einstellungen, Parteipräferenzen, Studienfach, Geschlecht, Links-rechts-Orientierung als Selbsteinstufung, Bindung an die Religion. Die Auswertung der Daten erfolgte mit Hilfe deskriptiver und analytischer Statistik

III. Forschungsbefund

1. Einstellungsstrukturen Sozialer Wandel, so lautet eine unserer Hypothesen, wird sich auf der Einstellungsebene einerseits durch die Entwicklung eines neuen Politikverständnisses mit der angedeuteten Differenzierung zeigen; andererseits gehen wir davon aus, daß das Orientierungsmuster „Selbstsicherheit“ die bekannten Sicherheitsvorstellungen „Geborgenheit“ und „Systemsicherheit“ nicht ersetzt, sondern ergänzt.

Die empirische Analyse bestätigt weitgehend die Erwartungen. Hinsichtlich der Sicherheitsorientierungen der Studierenden werden die traditionellen Vorstellungen „Geborgenheit“ und „Systemsicherheit“ jeweils durch eine Einstellungsskala repräsentiert. Wie ebenfalls angenommen, besitzt die Dimension „Selbstsicherheit“ mehrere, und zwar drei Facetten bzw. Skalen. Ulrich Beck spricht im Anschluß an Hans Jonas von einer „Heuristik der Furcht“, welche die Grundlage einer neuen Werteorientierung bildet

Zwei Skalen der Dimension „Selbstsicherheit“ lassen sich hier verorten, die wir mit den Begriffen „Kritik an der technisch-wissenschaftlichen Welt“ und „Politische Bedrohungen“ umschrieben haben. Unter politischen Bedrohungen wird die Angst vor der Armutsentwicklung in den an Europa grenzenden Staaten, vor Kriegen in Osteuropa oder vor den Folgen des Nord-Süd-Konflikts verstanden. Studierende sind zu einem Teil offensichtlich auf dem Wege, den Jonas als unabdingbar fordert: „Das Dringlichste ist die Notwendigkeit einer Ethik der Erhaltung und Abwendung, nicht des Fortschritts und der Perfektion.“ Die dritte Skala betont die eigene Mit-Verantwortlichkeit für die gesellschaftliche Entwicklung, enthält jedoch keine direkten Aufforderungen zum Handeln. Als Bezeichnung für diese Skala wählen wir den Begriff „Eigenverantwortlichkeit“.

Die Skalen messen die beschriebenen Einstellungen zuverlässig. Eine Validierung der Instrumente erfolgte anhand einer Kontrollgruppe von Studierenden der Bundeswehruniversität in München.

Gemäß unserer theoretischen Ableitung repräsentiert das Militär wie kaum eine andere Organisation „Systemsicherheit“. Da es sich bei der Dimension „Geborgenheit“ um ein traditionelles Orientierungsmuster handelt -wir zudem aus früheren Projekten eine signifikante Korrelation zwischen den Einstellungen „Geborgenheit“ und „Systemsicherheit“ ermitteln konnten -, müßten für eine Validierung der Konzeption die beiden Studierenden-Gruppen sich in den Skalenmittelwerten deutlich unterscheiden. Bei den Studierenden der Bundeswehr waren höhere Werte für die Dimension „Geborgenheit“ und „Systemsicherheit“ und niedrigere Werte für die drei Skalen der Dimension „Selbstsicherheit“ zu erwarten. Der empirische Befund bestätigt die theoretischen Erwartungen -ohne dies hier mit statistischen Meßwerten zu belegen -auf sehr hohem Signifikanzniveau eindrucksvoll.

Entsprechend der hohen Komplexität des Konzepts „neues Politikverständnis“ ermittelt die Analyse der Einstellungsstruktur fünf Dimensionen. Diese fünf Dimensionen beinhalten nicht alle Aspekte der Operationalisierung, erfassen immerhin aber die zentralen Momente. Die erste Skala (Das Private ist politisch) repräsentiert ein Hauptcharakteristikum des neuen Politikverständnisses: die Politisierung des privaten Bereichs mit einer Betonung des Geschlechterverhältnisses. Die vier anderen Einstellungen betreffen mehr oder weniger deutlich die in Tabelle 1 dargestellten Dimensionen bzw. Kategorien „Emotionalität“, „Organisationsform“ und „Naturverhältnis“; sie erhalten die Bezeichnungen „alternative Engagementsbereitschaft“ (Mitarbeit in kleinen informellen Gruppen vor Ort), „globale und ökologische Orientierung“ sowie „Orientierung an universellen Prinzipien“. Auch die Skalen zum neuen Politikverständnis messen zuverlässig; ihre Validität wurde in einer gesonderten Studie durch einen Vergleich von Studierenden festgestellt, die sich in traditionellen Parteien bzw. in alternativen Projekten engagieren. Mit Ausnahme der Skala „Emotionalität“ berücksichtigten wir alle Instrumente für die Erhebungen aus den Jahren 1994/95 und 1996, auf die sich die Ergebnisdarstellungen beziehen. 2. „Sicherheitsorientierung“ und „neues Politikverständnis“: Typenbildung Durch welche Merkmale sind nun die Personengruppen charakterisiert, welche die jeweiligen Ein-Stellungen am stärksten repräsentieren? Betrachten wir zuerst die Sicherheitsorientierung. Personen, welche die traditionelle Sicherheitsvorstellung „Geborgenheit“ aufweisen, sind überzufällig häufig männlich, studieren nicht Sozialwissenschaften, verfügen über eine vergleichsweise enge Bindung an eine Religion, präferieren von den politischen Parteien die SPD, stufen sich selbst als politisch eher „rechts“ ein und berichten von einer alternativen (!) Engagementsbereitschaft.

Personen mit der Orientierung „Systemsicherheit“ kommen überzufällig häufig aus den Fachbereichen Jura und Naturwissenschaften, präferieren ebenfalls die SPD, sehen sich desgleichen politisch eher „rechts“ mit traditionellem Politikverständnis und keiner alternativen Engagementsbereitschaft.

Kritik an der „technisch-wissenschaftlichen Welt“ erfolgt nicht von Studierenden der Fachbereiche Jura und Naturwissenschaften, sondern von Personen mit einer Selbsteinstufung als politisch eher „links“, mit alternativer Engagementsbereitschaft und mit einer Orientierung an universellen Prinzipien. Für die Dimension „Politische Bedrohungen“ sind ebenfalls eine „linke“ Selbsteinstufung und die Orientierung an universellen Prinzipien besonders bedeutsam. Weiterhin wird diese Einstellung eher von Frauen aus nicht-naturwissenschaftlichen Fachbereichen mit einer globalen und ökologischen Haltung eingenommen. Personen mit der Einstellung „Eigenverantwortlichkeit“ sind ebenfalls eher politisch „links“ und überdurchschnittlich häufig an universellen Prinzipien sowie global und ökologisch orientiert; sie weisen zudem ausdrücklich keine Parteipräferenz auf, studieren nicht Psychologie und gehören keiner protestantischen Religionsgemeinschaft an.

Die Typen des „neuen Politikverständnisses“ besitzen folgendes Gesicht:

Wer das Private als politisch begreift, sieht sich eher als „links“, kritisiert die technisch-wissenschaftliche Welt, fühlt sich durch die derzeitigen politischen Entwicklungen bedroht und orientiert sich nicht am Sicherheitskonzept „Geborgenheit“.

Personen mit einer „globalen und ökologischen Orientierung“ sind überdurchschnittlich häufig Frauen mit einer Präferenz für die „Grünen“, aus naturwissenschaftlichen Fächern und mit einer Sicherheitsorientierung, die alle Dimensionen von „Selbstsicherheit“ umfaßt.

Personen mit „alternativer Engagementsbereitschaft“

verfügen eher über keine Bindungen an eine Religion oder an eine der traditionellen politischen Parteien, lehnen Parteien sogar generell ab und orientieren sich an den Sicherheitsvorstellungen „Geborgenheit“ und „Kritik an der technisch-wissenschaftlichen Welt“, nicht jedoch an „Systemsicherheit“. Eine „Orientierung an universellen Prinzipien“ erfolgt von Studierenden, die eher nicht aus den Fachbereichen „Jura“, „Wirtschaftswissenschaften“ und „Medizin“ kommen, die finanziell eher schlecht gestellt sind, keine Präferenz für die traditionellen politischen Parteien hegen, sich politisch vergleichsweise „links“ einstufen, sich bezüglich der Sicherheitsvorstellungen nicht an „Systemsicherheit“, jedoch an allen drei Perspektiven der „Selbstsicherheit“ orientieren.

In einer kurzen zusammenfassenden Bewertung der Typenbildung können wir erstens feststellen, daß es den erwarteten Zusammenhang zwischen den Dimensionen des „neuen Politikverständnisses“ und denjenigen der Sicherheitsorientierung „Selbstsicherheit“ gibt. Ebenfalls im Bereich der Erwartungen liegt zweitens, daß die sich entwikkelnden neuen Einstellungsmuster eine größere Vielfalt auch der Querbezüge aufweisen als traditionelle Orientierungen. Zukünftig sind hier Präzisierungen bzw. Verengungen der Perspektiven zu vermuten. Es überrascht jedoch die relative Konsistenz der Zusammenhänge. Drittens ist aber auch auf die Heterogenität der Einstellung „alternative Engagementsbereitschaft“ aufmerksam zu machen, die Bezüge sowohl zur Dimension „Geborgenheit“ als auch zur Dimension „Kritik der technisch-wissenschaftlichen Welt“ aufweist. Viertens machen die Ergebnisse deutlich, daß die SPD nicht mehr mit der Unterstützung des kritisch-innovativen Potentials an den Universitäten rechnen darf. 3. Einstellungswandel und Parteiendemokratie Das traditionelle (bürgerliche) Verständnis von Demokratie bezieht sich auf den Staat, die parlamentarischen Einrichtungen und die politischen Parteien. Das bekannte Konversationslexikon „Brockhaus“ definiert über Jahrzehnte „Politik“ bzw. „politisch“ als staatlich bzw. auf den Staat bezogen; Langenscheidts Deutsch-Englisches Wörterbuch übersetzt auch heute noch staatlich mit „political". Eine große Zahl von Studierenden folgt nicht mehr diesem Verständnis. Vor allem wird zwischen Politik und Parteipolitik differenziert. Diese Unterscheidung ist notwendig, weil sie Parteiverdrossenheit deutlich von Politikverdrossenheit trennen (über 82 Prozent der Befragten). Und diejenigen, welche eine solche Differenzierung vornehmen, halten sich überwiegend für partei-(67, 8 Prozent), jedoch nicht für politikverdrossen (nur 7, 3 Prozent). Konsequenterweise erhalten die traditionellen Parteien nur noch wenig Unterstützung. Auf die Frage, welche Partei zur Zeit noch am ehesten ihre Interessen vertrete, votierten 1994/95 nur noch 11, 4 Prozent der Studierenden für die derzeitige Regierungskoalition. Soviel ich weiß, handelt es sich dabei um den geringsten je erzielten Prozentsatz seit Bestehen der Bundesrepublik. Weiterhin liegen die traditionellen Parteien CDU/CSU, FDP und SPD zusammen mit 28, 3 Prozent weit hinter „Bündnis 90/Die Grünen“ mit 40 Prozent der Voten die PDS erzielte 8, 2, andere Parteien 4, 1 Prozent. Gut 20 Prozent der Studierenden kreuzten die Kategorien „weiß nicht“ oder „keine Partei“ an

Das neue Politikverständnis geht Hand in Hand mit einer nahezu völligen „Ablehnung“ der Regierungskoalition (vgl. Tabelle 2), und für die Sozialdemokraten entschieden sich auch nur knapp sechs Prozent der Studierenden, die diesem neuen Verständnis zuzurechnen sind. Die Präferenz für Bündnis 90/Die Grünen erreicht hier sogar über 60, für die PDS knapp 14 Prozent. Studierende, die auf den Skalen des neuen Politikverständnisses niedrige Werte erzielen, sehen hingegen ihre Interessen zu 39, 4 Prozent von der Regierungskoalition und zu 23, 5 Prozent von den Sozialdemokraten vertreten.

IV. Zusammenfassende Bewertung

Unsere drei Ausgangsthesen lassen sich nach dem empirischen Befund wie folgt beantworten: 1. Die Sicherheitsorientierungen der Studierenden weisen drei Dimensionen auf: „Geborgenheit“, „Systemsicherheit“ und „Selbstsicherheit“. „Selbstsicherheit“ besitzt mehrere Facetten, die wir „Kritik der technisch-wissenschaftlichen Welt“, „Politische Bedrohungen“

und „Eigenverantwortlichkeit“ genannt haben. 2. Das traditionelle Politikverständnis wird durch ein neues ergänzt und in Frage gestellt. Das neue Politikverständnis beinhaltet eine Politisierung des privaten Bereichs, eine Orientierung an universellen Prinzipien, globale und ökologische Perspektiven sowie eine alternative Engagementsbereitschaft. 3. Wie erwartet, korrelieren die Einstellungen des neuen Politikverständnisses und jene der Dimension „Selbstsicherheit“ hoch miteinander.

Für weitere Überlegungen mag es hilfreich sein, auf einige Unterschiede zwischen den Situationen in den sechziger und den neunziger Jahren aufmerksam zu machen. In den sechziger Jahren beschränkte sich die Kritik am politischen System nicht nur auf die Einstellungsebene, sondern fand wesentlich auch als Auseinandersetzung auf den Straßen statt. Die Protestbewegung war zudem ständig in den Medien präsent, und das Establishment hat sich spürbar gewehrt. Die Kluft zwischen Verfassung und Verfassungswirklichkeit zu überbrücken, die Gesellschaft zu reformieren, bildeten damals wichtige Studienmotive für einen erheblichen Teil der Studierenden. Zur Zeit ist die Gesellschaftsreform als Studienmotiv weitgehend verschwunden Verglichen mit den sechziger Jahren haben wir es heute mit einer „stillen“ Revolution zu tun, nicht so sehr im Sinne von Inglehart als Entwicklung postmaterieller Einstellungen, sondern vielmehr -wenn auch nicht gänzlich unabhängig davon -als Entwicklung eines nachbürgerlichen Politikverständnisses

Der „stillen“ Revolution fehlen die Akteure für eine bewußte, gezielte Umwälzung der Verhältnisse. Dennoch zeigen die Veränderungsprozesse unübersehbare Zeichen einer tiefgreifenden Krise, und es stellt sich damit die Frage, ob wir dem Wandel einfach ausgeliefert sind oder ob es Gestaltungschancen gibt und wer sie wahrnimmt. Berger weist zu Recht darauf hin, „daß eine im wesentlichen als individuelle Moralisierung verstandene Politisierung’ der alltäglichen Lebensführung , klassische 1 politische Institutionen und Verfahren nicht ersetzen, sondern bestenfalls ergänzen kann“ Und auch Hirsch betont, „daß demokratische Politik sich zugleich in den und gegen die bestehenden politischen Institutionen entwickeln muß“

Im Augenblick ist das kritische Potential an den Universitäten nicht bereit, den etablierten Organisationen beizutreten und für Reformen zu kämpfen. Sicherlich hat Ulrich Beck recht, wenn er davor warnt, die traditionellen Vorstellungen unserer Sozialmoral bzw.des politischen Engagements zu verabsolutieren Eine Mitgliedschaft in politischen Parteien, Gewerkschaften oder anderen Verbänden als partizipatorische Norm abzulehnen bedeutet nicht automatisch, dem Egoismus das Wort zu reden. Aber wer übernimmt den „dirty job“? Wo soll ein Reformprozeß herkommen, wenn vor allem traditionell orientierte Personen unter Karriereperspektive zentrale politische Organisationen und Institutionen dominieren? In diesem Sinne gehen der Demokratie die Demokraten aus

Auch unter einem anderen Blickwinkel wirft der theoretische wie der empirische Befund Probleme auf, die zentrale Elemente des Demokratieverständnisses berühren. Es ist ein bekanntes Phänomen, daß soziologische Theorien häufig einen Mittelklassen-Bias aufweisen, d. h., sich vor allem mit den Bessergestellten der Gesellschaft befassen. Auch die Vertreter des Konzeptes der „Selbstsicherheit“, wenn es nicht als rein empiristisch verstanden wird, müssen sich diese Frage gefallen lassen.

Garantieren die vorhandenen gesellschaftlichen Einrichtungen nicht mehr „Geborgenheit“ und/oder „Systemsicherheit“, so verbleibt dem Menschen im „Labyrinth der Selbstverunsicherung“ nur ein selbstorganisierter Ausweg: „In einer Welt der Widersprüche muß der einzelne ein hohes Maß an Autonomie anstreben und herstellen ... Sie setzt die Fähigkeit voraus, mit Unsicherheiten und Abhängigkeiten umgehen zu können.“ Eine solche Fähigkeit ist wohl nur über eine entsprechend qualifizierte Ausbildung sowie durch die Möglichkeit zu erlangen, Erfahrungen in unsicheren und riskanten Situationen zu sammeln, ohne vom Verlust der eigenen ökonomischen und sozialen Basis bedroht zu sein.

In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, in Zeiten begrenzter Chancen für junge Menschen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, in Zeiten genereller Einschnitte in das Bildungswesen stellt die von Beck beschriebene autonome Position für einen erheblichen Teil zumal der jungen Bevölkerung allerdings nicht einmal mehr eine Utopie dar. Und „Selbstsicherheit“ als Konzept für besser Gebildete und besser Situierte mag sich sehr schnell als illusionär erweisen, wenn das kritisierte System nicht die Ideen und die Personen erhält, die für die notwendige Reform der Gesellschaft unabdingbar sind.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zitiert nach Nicolaus Sombart, Saint-Simon, Comte, in: Alfred Weber (Hrsg.), Einführung in die Soziologie, München 1955, S. 87; eigene Übersetzung.

  2. Ebd„ S. 86.

  3. Nach Gerald Hage/Charles H. Powers, Post-Industrial Lives, New York u. a. 1992, S. 196, bedeutet der derzeitige soziale Wandel „nothing eise than the total reconstruction of society as we have known it“. Vgl. ferner das „Stern" -Interview mit Joschka Fischer (Nr. 40/1996, S. 42): „Unsere Gesellschaft erlebt einen revolutionären Wandel innerhalb der nächsten 20 Jahre.“ Vgl. auch Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Hrsg.), Informationsgesellschaft. Chancen, Innovationen und Herausforderungen. Feststellungen und Empfehlungen, Bonn 1955, S. 10: „Die Arbeits-und Lebensformen ändern sich weit fundamentaler, als dies vielen Menschen heute noch erscheinen mag; die Welt ändert sich, nicht nur in ihren technologischen, sondern auch in ihren wirtschaftlichen und kulturellen Strukturen.“ So auch das Bundesministerium für Wirtschaft (Hrsg.), Die Informationsgesellschaft. Fakten, Analysen und Trends, Bonn 1995, S. 2: „Am Ende des 20. Jahrhunderts stehen wir vor einem Umbruch, dessen Folgen sich erst langsam abzeichnen ... Chip und Computer verändern die Welt radikaler als Dampfmaschinen, Webstuhl, Strom und Traktor.“

  4. Vgl. Helmut Willke, Ironie des Staates. Grundlinie einer Staatstheorie in polyzentrischen Gesellschaften, Frankfurt a. M. 1996.

  5. Vgl. Nico Stehr, Eigentum und Wissen. Zur Theorie von Wissensgesellschaften, Frankfurt a. M. 1994.

  6. Vgl. Achim Bühl, Die virtuelle Gesellschaft, Opladen

  7. H. Willke (Anm. 4), S. 293.

  8. Ulrich Beck, Weltrisikogesellschaft, Weltöffentlichkeit und globale Subpolitik. Ökologische Fragen im Bezugsrahmen fabrizierter Unsicherheiten, in: Andreas Diekmann/Carlo C. Jaeger (Hrsg.), Umweltsoziologie, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 36/1996, S. 129 f.

  9. Vgl. Georg Räder, Beyond the Certainty of Security: On Dominant and Latent Conceptions of „Security“ in Modern Societies, in: Journal of Social Distress and the Homeless, 1 (1990) 2, S. 109-130.

  10. U. Beck (Anm. 8), S. 143.

  11. Vgl.ders., Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a. M. 1986. Wobei, wie stets bei sozialem Wandel, die Veränderungen sich über langjährige Prozesse vollziehen und die von Beck diagnostizierte Entwicklung schon früher erkennbar war. Die traditionelle Trennung von politischem und sozialem Bereich wurde von den politisch Engagierten schon vor Ende der siebziger Jahre tendenziell aufgekündigt. Vgl. Heinz-Ulrich Kohr/Georg Räder/Ralf Zoll, Soziales und politisches Engagement in der Bevölkerung, in: Politische Vierteljahresschrift, 22 (1981) 2, S. 226: „Zusammenfassend ist besonders bemerkenswert, daß die politisch Engagierten aktivere Formen der Auseinandersetzung selbst für die Bereiche angeben, die sozial Engagierte als zentralen und spezifisch sozialen Problembereich benennen.“

  12. Vgl. Anthony Giddens, The Consequences of Modernity, Cambridge 1990.

  13. Peter A. Berger, „Life politics“. Zur Politisierung der Lebensführung in nachtraditionalen Gesellschaften, in: Leviathan, 23 (1995) 3, S. 448.

  14. Vgl. Ralf Zoll (Hrsg.), Studentin und Politik, Münster 1994.

  15. Klaus Hurrelmann, Jugendliche sind nicht unpolitisch. Gewandeltes Politikverständnis fordert Politik und Politik-unterricht, in: Dialog, Juni 1996, S. 10 f., sieht demgegenüber bereits eine Verlagerung der „Warnfunktion“ von Studierenden auf die Schülergeneration.

  16. Vgl. Andrea Lüthje, Validierung von Einstellungsskalen. Eine Untersuchung im Bereich des Politikverständnisses von Studierenden, Diplomarbeit, Marburg 1997, sowie Matthias Rödler, Sicherheitsorientierungen von Studierenden. Zur Validierung von Einstellungsskalen, Diplomarbeit, Marburg 1997.

  17. Für den Zweck dieser Publikation begnügen wir uns mit einem globalen Hinweis. Zu detaillierten Informationen z. B. über Skalen-oder Typenbildungen vgl. A. Lüthje (Anm. 16) und M. Rödler (ebd.) sowie die Kurzfassung des Projektberichts von Ralf Zoll, Demokratie ohne Demokraten?, Marburg 1997, die auch die Grundlage für den vorliegenden Beitrag bildete.

  18. Vgl. Ulrich Beck, Ohne Ich kein Wir. Die Demokratie braucht Querköpfe, Plädoyer für eine Sozialmoral des „eigenen Lebens“, in: Die Zeit, Nr. 35 vom 23. August 1996, S. 10.

  19. Vgl. auch Hubert Markl, Zu klug und doch nicht klug genug. Über die Angst vor dem Wissen und die Angst vor der Angst, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. Oktober 1993, S. 3: „Es entgeht heute niemandem mehr, daß jeder Fortschritt nicht nur Gewinne bringt, sondern auch Kosten verursacht... Der unvergleichliche Fortschritt der Evolution, der uns Menschen als Wesen mit einzigartigen geistigen Fähigkeiten hervorbrachte, fordert seinen Preis. Ein solcher Preis, den wir alle für unser Menschsein, genauer für unser überragendes Vorstellungs-und Denkvermögen entrichten müssen, ist unsere ausgeprägte Fähigkeit zur Angst.“ Angst als Fähigkeit begriffen findet sich deshalb nach Markl auch häufig bei besonders „fantasievollen“, „vorstellungsbegabten“, „intelligenten“ Menschen.

  20. Zitiert nach U. Beck (Anm. 18), S. 10.

  21. Vgl. Heinz-Ulrich Kohr/Ralf Zoll, General Concepts of Security in the Perception of German Students, in: Philippe Manigart (Hrsg.), Future Roles, Missions and Structure of Armed Forces in the New World Order, New York 1995.

  22. Der Einwand, daß es sich bei den „Grünen“ längst auch um eine Partei im traditionellen Sinne handelt, mag aus der Sicht des Analytikers in manchen Punkten stichhaltig sein; für die Wähler stellt sich die Sachlage differenzierter dar. Beteiligung an Regierungen „bekommt“ den „Grünen“ immer dann nicht gut, wenn sie über eingegangene Kompromisse von ihrem alternativen Profil verlieren.

  23. Ob die Ergebnisse für die Studierenden auf Jugendliche allgemein übertragbar sind, läßt sich anhand der eigenen Untersuchungen nicht beurteilen. Die Befunde der „Jugendstudien“ geben ebenfalls wenig Aufschluß, soweit sie im Rahmen der traditionellen Umfrageforschung ermittelt wurden. „Hier spielt möglicherweise auch eine Rolle, daß sich in den jüngeren Generationen... Ansätze für ein neues Politikverständnis herausgebildet haben, die mit den traditionellen Vorstellungen von Interessenartikulation und politischer Partizipation nur schwer zu erfassen sind. Für diesen Problembereich die geeigneten Instrumente zu entwickeln und diesen offenen Fragen nachgehen zu können, dürfte eine Herausforderung für die Jugendforschung darstellen.“ Martina Gille/Winfried Krüger/Johann de Rijke/Helmut Willems,

  24. Vgl. die Ergebnisse eines eigenen Forschungsseminars an der Philipps-Universität in Marburg: Herbert Nabbefeld/Susanne Tina Plapp/Meike Rehburg/Reiner Sippel/Arno Wiemken, Studienfachwahl und Studienmotivation, Projektbericht, Marburg 1996.

  25. Vgl. Ronald Inglehart, The Silent Revolution, Princeton 1977.

  26. Vgl. R. Zoll (Anm. 14). Die Frage, ob die Befunde auch für diejenigen Studierenden gelten, die noch überwiegend in der DDR sozialisiert worden sind, kann weitgehend bejaht werden. Die Vergleichsstichprobe in Rostock weist nur hinsichtlich der Sicherheitsorientierungen im Bereich der „Kritik an der technisch-wissenschaftlichen Welt“ einen anderen, und zwar niedrigeren Wert auf als das Marburger Sample. Bezüglich des „neuen Politikverständnisses“ zeigen die Rostocker eine höhere alternative Engagementsbereitschaft und verstehen das Private weniger als politisch. Die Unterschiede lassen sich plausibel erklären, was an dieser Stelle nicht geschehen kann, und verweisen nicht auf eine gegensätzliche Entwicklung.

  27. P A. Berger (Anm. 13), S. 454.

  28. Joachim Hirsch, Vom fordistischen Sicherheitsstaat zum nationalen Wettbewerbsstaat, in: Das Argument, (1994) 203, S. 7-21.

  29. Vgl. U. Beck (Anm. 18).

  30. Auf die interessante Diskussion, ob eine Veränderung der politischen Institutionen hin zu partizipatorischen Strukturen einschließlich einer Neukonstruktion politischer Öffentlichkeit die derzeitigen Probleme zu bearbeiten vermag, kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Vgl. beispielsweise Gert Weisskirchen auf dem Bundestagsforum „Demokratie leben“, nach einem Bericht von Axel Conrads, „Sauerteig“ im politischen Prozeß. Bürgerinitiativen und ehrenamtliches Engagement in Deutschland, in: Das Parlament, Nr. 47 vom 15. November 1996, S. 24: „Neue, moderne politische Strukturen müßten geschaffen, mit einem . Parlament der Nichtregierungsorganisationen* eine ständige Plattform der politischen Einflußnahme geboten werden, um so die Kräfte einer sich selbst organisierenden, zivilen Gesellschaft zu stärken und zu mobilisieren.“ Herbert Kischelt, Demokratietheorie und Veränderungen politischer Beteiligungsformen, in: Forschungsjoumal Neue Soziale Bewegungen, 9 (1996) 2, S. 29, warnt hingegen vor Partizipationseuphorie: „Am Ende befördern solche Verfahrensreformen soziale Disparitäten von Lebenschancen und von effektiven politischen Beteiligungsformen.“ Vgl. ferner das Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, 7 (1994) 1, zum Thema „Zivilgesellschaft und Demokratie“; Rainer Zech, Kultureller Wandel und politische Handlungsfähigkeit, in: Politische Psychologie, 3 (1995) 1/2, S. 59-68; Bert van der Brink/Willern van Reijen (Hrsg.), Bürgergesellschaft, Recht, Demokratie, Frankfurt a. M. 1995.

  31. U. Beck (Anm. 18), S. 10.

  32. Ders., Geisterbahnhof Universität. Die Bildungspolitik muß neu erfunden werden, in: Süddeutsche Zeitung vom 11. Februar 1994, fordert deshalb konsequenterweise: „In der

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Ralf Zoll, Dr. phil., geb. 1939; Professor für Angewandte Soziologie an der Philipps-Universität in Marburg/Lahn. Veröffentlichungen u. a.: Wertheim III-Kommunalpolitik und Machtstruktur, München 1974; (Hrsg.) Studentin und Politik, Münster 1974; (Hrsg.) Political Attitudes and Political Behaviour, München 1980; (Hrsg. zus. mit Peter Imbusch) Einführung in die Friedens-und Konfliktforschung, Opladen 1996.