Ausbildung und Beschäftigung von Ost-und Westdeutschen
Marc Szydlik
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Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird den Ausmaßen, Auswirkungen und Ursachen einer Übereinstimmung bzw. einer Nichtübereinstimmung zwischen Qualifikation und Arbeitsplatzanforderungen nachgegangen. Sowohl ostdeutsche als auch westdeutsche und ausländische Frauen wie Männer weisen deutliche Diskrepanzen zwischen Ausbildung und Arbeitsplatz auf. Die meisten dieser inadäquat Beschäftigten sind überqualifiziert und können ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten kaum einsetzen. Davon sind Frauen generell häufiger betroffen als Männer, und Ausländer haben im Vergleich zu Deutschen wesentlich schlechtere Chancen, ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten auf ihren Arbeitsplätzen anzuwenden. Ostdeutsche Arbeitnehmer haben ein höheres Überqualifikationsrisiko als Westdeutsche, was nicht zuletzt auf den Transformationsprozeß zurückzuführen ist. Trotzdem ist es der Mehrheit der qualifizierten Ostdeutschen gelungen, weiterhin einer -mehr oder weniger -angemessenen Tätigkeit nachzugehen. Die Ausbildungsadäquanz ist an sich eine Dimension sozialer Ungleichheiten; sie hat aber auch bedeutsame Folgen für weitere Ungleichheitsdimensionen. So führt eine inadäquate Beschäftigung sowohl zu einem geringeren Einkommen als auch zu einem größeren Arbeitslosigkeitsrisiko. Beim Drei-Länder-Vergleich der Bundesrepublik mit der DDR und den USA zeigen sich Folgen der unterschiedlichen Ausbildungssysteme und Arbeitsstrukturen.
Ich bedanke mich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung dieses Projekts.
I. Vorbemerkungen
Ausbildung ist eine zentrale Dimension von sozialen Ungleichheiten. Sie hat einen Wert an sich, wenn sie beispielsweise mit besonderen Eigen-und Fremdbewertungen einhergeht. So kann eine höhere Bildung zu einem größeren Selbstwertgefühl und größerer Anerkennung seitens anderer beitragen. Gleichzeitig wirkt sie sich oft auch auf Lebensstile, auf Einstellungen und Wertorientierungen sowie auf die Wahl von Partnern und Freunden aus. Für die Position von Personen im Gefüge vertikaler sozialer Ungleichheiten ist jedoch nicht nur entscheidend, über welche Kenntnisse und Fähigkeiten die Individuen verfügen, sondern vor allem auch, was sie damit anfangen können. Es reicht nicht aus, lediglich über eine gute Ausbildung zu verfügen. Wer mehr weiß und kann, mag durchaus einen sicheren Arbeitsplatz haben, ein hohes Einkommen erzielen und besseren Arbeitsbedingungen ausgesetzt sein. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig der Fall. Und auch wenn Bildung per se zu einem höheren Sozialprestige beiträgt, so ist es doch nicht zuletzt auch die berufliche Position, die zu einer geringeren oder größeren Anerkennung durch andere führt. Im übrigen dürfte auch die Eigenbewertung des erreichten Bildungsgrades von der tatsächlich erreichten beruflichen Position abhängen.
Insofern ist die Frage, inwiefern sich erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten tatsächlich in entsprechenden Arbeitsplätzen und damit auch in entsprechenden Gratifikationen niederschlagen, keineswegs nur von akademischem Wert. Dabei ist die Anwendbarkeit der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht nur für soziale Ungleichheiten zwischen Individuen von Bedeutung. Es ist eine Binsenweisheit, daß in einem rohstoffarmen Land wie der Bundesrepublik Deutschland die beruflichen Qualifikationen der erwerbstätigen Bevölkerung um so wichtiger sind. Um als Hochtechnologieland auf globalisierten Märkten bestehen zu können, bedarf es hochqualifizierter Arbeitskräfte, die innovative marktfähige Produkte auf den Weg bringen. Vor allem bedarf es aber auch gut ausgebildeter Fachkräfte, die sich im Produktionsprozeß schnell und flexibel auf diese neuen Produkte und Produktionsweisen einstellen können. Immerhin dreht sich der Wettbewerb nicht nur um die besten Produkte, sondern auch um die effizienteste Art ihrer Herstellung. Ein hoher Ausbildungsstand ist für die Betriebe im besonderen und die Volkswirtschaft im allgemeinen jedoch erst dann von größtmöglichem Nutzen, wenn die Qualifikationen auch direkt zur Anwendung kommen. Ist dies nicht der Fall, lohnen sich die von den Individuen, den Betrieben und vom Staat getätigten Ausbildungsinvestitionen für diese lediglich in eingeschränktem Maße.
In diesem Beitrag soll somit den Ausmaßen, Auswirkungen und Ursachen einer Übereinstimmung bzw. einer Nichtübereinstimmung zwischen Qualifikation und Arbeitsplatzanforderungen nachgegangen werden. Im Zentrum der Betrachtung stehen hierbei Ostdeutsche und Westdeutsche. Es ist jedoch sinnvoll, sich nicht nur auf diese Personen bzw. Regionen zu beschränken. Dabei wird hier doppelt komparativ verfahren: Zum einen wird zwischen Personen unterschieden, nämlich -neben Frauen und Männern -insbesondere zwischen Ost-und Westdeutschen, aber auch zwischen Deutschen und Ausländern (Abschnitt III). Zum anderen wird aber auch zwischen Ausbildungs-und Wirtschaftssystemen differenziert, wenn es um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika, der , alten 4 Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik geht (Abschnitt IV). Schließlich wird in Abschnitt V auch anhand von Längsschnittanalysen den Entwicklungen im Zuge des ostdeutschen Transformationsprozesses nachgegangen. Zunächst ist jedoch zu klären, wie eine Ausbildungs(in) adäquanz festgestellt werden kann.
II. Was ist Ausbildungsadäquanz?
Abbildung 3
Tabelle: Mittlere Stundeneinkommen westdeutscher und ostdeutscher Arbeitnehmer 1993 (in DM) Datenbasis: Sozio-ökonomisches Panel (1993). Hochgerechnete Ergebnisse, eigene Berechnungen.
Tabelle: Mittlere Stundeneinkommen westdeutscher und ostdeutscher Arbeitnehmer 1993 (in DM) Datenbasis: Sozio-ökonomisches Panel (1993). Hochgerechnete Ergebnisse, eigene Berechnungen.
Auf den ersten Blick mag eine Nichtübereinstimmung zwischen Ausbildung und Arbeitsplatz recht einfach zu bestimmen sein. Der berühmte Taxi fahrende Hochschulabsolvent kann seine an der Universität erworbenen Kenntnisse ganz eindeutig kaum anwenden und dürfte damit als Paradebeispiel fungieren Schwieriger wird es jedoch, wenn eine weniger große Diskrepanz zwischen Ausbildung und Arbeitsplatz existiert. Im Endeffekt könnte man beinahe alle Personen, die eine qualifizierte Tätigkeit ausüben, als überqualifiziert einstufen, d. h., sie verfügen über mehr Qualifikationen, als ihr Arbeitsplatz erfordert. Im seltensten Fall wird wirklich jede berufliche Kenntnis oder Fähigkeit direkt auf dem Arbeitsplatz eingesetzt werden. Dazu kommen noch Probleme bei der Bestimmung sowohl von Qualifikation als auch von Qualifikationsanforderungen. Sollten die tatsächlichen Kenntnisse und Fähigkeiten oder vielmehr die zertifizierten Qualifikationen gewertet werden? Soll eine Person dann als adäquat beschäftigt gelten, wenn sie ihre Qualifikationen normalerweise auf dem Arbeitsplatz einsetzen kann, oder geht es vielmehr um die (formalen) Anforderungen, um die Stelle zu bekommen
Darüber hinaus kann eine (Nicht-) Übereinstimmung aufgrund des Qualifikationsniveaus bzw.des Qualifikationstyps oder auch von beidem ermittelt werden. Eine Ausbildungsinadäquanz hinsichtlich des Qualifikationsniveaus kann beispielsweise für Hochschulabsolventen festgestellt werden, die einer Tätigkeit nachgehen, für die , lediglich eine Berufsausbildung vonnöten ist. Es ist jedoch ein Unterschied, ob dieser Hochschulabsolvent immerhin noch einen Teil seiner Kenntnisse und Fähigkeiten anwenden kann oder nicht. Hier spielt dann die Übereinstimmung hinsichtlich des Qualifikationstyps eine große Rolle.
Im folgenden wird daher zwischen sechs Übereinstimmungsgruppen unterschieden, die sich aus einer Kombination von Qualifikationsniveau und -typ ergeben: 1. Keine besondere Ausbildung: Diese Personen verfügen weder über eine Berufs-oder Hochschulausbildung, noch wird auf ihrem Arbeitsplatz eine solche Ausbildung vorausgesetzt. 2. Ausbildung: Auch bei diesen Arbeitnehmern stimmen Qualifikation und Qualifikationsanforderungen überein. Hier handelt es sich jedoch um Personen, die über eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluß verfügen und auch auf einem Arbeitsplatz tätig sind, für den eine solche Ausbildung notwendig ist. 3. Anderer Beruf: Wer zu dieser Kategorie gehört, ist ebenfalls qualifiziert und arbeitet auch auf einem Arbeitsplatz, der eine entsprechende Ausbildung erfordert. Vom Qualifikationsniveau her entspricht die Ausbildung den Anforderungen. Das heißt, Personen mit einer Berufsausbildung (Hochschulabschluß) arbeiten auch auf einem Arbeitsplatz, der in der Regel eine Berufsausbildung (Hochschulabschluß) erfordert. Allerdings differieren Individuum und Arbeitsplatz hinsichtlich des Qualifikationstyps. Das heißt, diese Arbeitskräfte geben an, daß ihre ausgeübte Tätigkeit nicht mit ihrem erlernten Beruf übereinstimmt. 4. Überqualifiziert: erlernter Beruf: Hierzu gehören Arbeitnehmer, die zwar für ihren Arbeitsplatz überqualifiziert sind. Sie können jedoch einen größeren Teil ihrer Qualifikationen anwenden, da ihre berufliche Tätigkeit mit ihrem Qualifikationstyp übereinstimmt. Beispiel: ein Elektroingenieur arbeitet als Elektriker. 5. Überqualifiziert: anderer Beruf: Hierunter fallen die vom Ausbildungsniveau her überqualifizierten Personen, die auf Arbeitsplätzen beschäftigt sind, die mit ihrer Ausbildung kaum etwas zu tun haben. Beispiel: ein Hochschulabsolvent, der Taxi fährt. 6. Unterqualifiziert: Diese Arbeitskräfte sind für ihre Tätigkeit unterqualifiziert, d. h., sie sind auf Arbeitsplätzen tätig, die ein höheres Ausbildungsniveau als das eigene erfordern. Dies trifft beispielsweise auf Personen mit einer Berufsausbildung zu, die seit vielen Jahren auf einer Stelle arbeiten, für die zum Zeitpunkt der Arbeitsplatzaufnahme eine Berufsausbildung, mittlerweile jedoch ein Universitätsabschluß erforderlich ist. Die meisten Unterqualifizierten dürften dieser Gruppe angehören, wohingegen eine Unterqualifikation mit gleichzeitiger Nichtübereinstimmung beim Qualifikationstyp seltener auftreten müßte.
III. Ostdeutsche und Westdeutsche
Abbildung 4
Graphik 2: Ausbildungsadäquanz von Arbeitnehmern in den USA, der alten’ Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik Datenbasis: Panel Study of Income Dynamics (1985); Sozio-ökonomisches Panel (1990). Hochgerechnete Ergebnisse, eigene Berechnungen.
Graphik 2: Ausbildungsadäquanz von Arbeitnehmern in den USA, der alten’ Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik Datenbasis: Panel Study of Income Dynamics (1985); Sozio-ökonomisches Panel (1990). Hochgerechnete Ergebnisse, eigene Berechnungen.
In der ersten Graphik werden die Arbeitnehmer-anteile in diesen sechs Übereinstimmungsgruppen dargestellt. Dabei wird zwischen westdeutschen, ostdeutschen und ausländischen Frauen und Männern unterschieden Ein Beispiel: etwa sieben Prozent der westdeutschen Beschäftigten verfügen über keine besondere Berufsausbildung und arbeiten auch auf entsprechenden Arbeitsplätzen.
Die Graphik 1 belegt zunächst, daß sowohl bei Ostdeutschen als auch bei Westdeutschen die jeweils größte Gruppe aus den qualifizierten Arbeitnehmern besteht, die adäquat beschäftigt sind. Diese Personen haben eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluß, und sie arbeiten auch auf Stellen, die eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluß erfordern. Es wird aber auch deutlich, daß ein nicht unerheblicher Anteil der Beschäftigten für ihren Arbeitsplatz in der Tat überqualifiziert ist, d. h., ihre Qualifikation übertrifft die Arbeitsplatzanforderungen. Wenn man diese Arbeitnehmer weiterhin nach dem Grad ihrer Überqualifikation differenziert, stellt sich heraus, daß die meisten Überqualifizierten ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten kaum anwenden können.
Des weiteren zeigt sich, daß qualifizierte ostdeutsche Männer im Vergleich zu Westdeutschen einem größeren Risiko ausgesetzt sind, nicht gemäß ihrer Ausbildung beschäftigt zu werden
Dieses Ergebnis deutet auf eine Diskrepanz zwischen einer DDR-Ausbildung und den neuen Arbeitsplatzanforderungen im Zuge des Transformationsprozesses hin. Man kann prinzipiell argumentieren, daß Überqualifikationen besonders dann auftreten, wenn neue Technologien oder neue Produktions-und Organisationsweisen eingeführt werden bzw. wenn Berufe aussterben oder in andere, z. B. Billiglohnländer verlagert werden Wenn man sich auf die tatsächlichen Kenntnisse und Fähigkeiten bezieht, sind knapp 27 Prozent der westdeutschen und 33 Prozent der ostdeutschen Männer mit einer Berufsausbildung oder einem Hochschulstudium für ihren Arbeitsplatz überqualifiziert. Wenn man lediglich die zertifizierten Ausbildungsabschlüsse berücksichtigt (s. o.), liegt der Anteil der westdeutschen überqualifizierten Männer bei etwa 23 Prozent, wobei die entsprechende Quote für Ostdeutsche weiterhin über 30 Prozent beträgt.
Man könnte argumentieren, daß selbst diese Differenzen in Anbetracht der massiven Veränderungen in Ostdeutschland relativ gering sind. Ergebnisse anderer Studien belegen, daß relativ viele ostdeutsche Erwerbspersonen ihre frühere Position (bzw.den alten Beruf) haben halten können Es ist zudem mit zu bedenken, daß es sich bei den hier einbezogenen Ostdeutschen in gewisser Weise um Arbeitsmarktgewinner handelt, die nicht von Arbeitslosigkeit oder einer mehr oder weniger freiwilligen (Früh-) Ausgliederung aus dem Arbeitsmarkt betroffen sind bzw. waren. Außerdem legen weitere Untersuchungen nahe, daß es in der Deutschen Demokratischen Republik eine größere Übereinstimmung zwischen Ausbildung und Arbeitsplatz gegeben hat als in der , alten Bundesrepublik (s. u.).
Westdeutsche qualifizierte Frauen sind, wie erwartet, einem größeren Risiko ausgesetzt, nicht adäquat beschäftigt zu werden. Dies dürfte unter anderem auf Faktoren wie familienbedingte Erwerbsunterbrechungen bei gleichzeitiger Dequalifizierung (aufgrund nicht genutzter Kenntnisse), der Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer (z. B. Schneiderarbeiten), der beruflichen Segregation der Geschlechter sowie auf Arbeitsmarktdiskriminierungen zurückzuführen sein. Eine Erklärung für die umgekehrte Relation bei Ostdeutschen könnte auch darin liegen, daß ostdeutsche Frauen, die einen Großteil ihrer Kenntnisse nicht anwenden können, ein noch höheres Arbeitslosigkeitsrisiko aufweisen als Männer -und somit bei den Analysen nicht einbezogen sind. Zudem arbeiten ostdeutsche Frauen häufiger in Bereichen, die im Zuge des Transformationsprozesses besondere Chancen bieten (z. B. Banken und Versicherungen)
Ob man seine erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Arbeitsplatz anwenden kann, hängt nicht zuletzt von der Art der beruflichen Qualifikationen ab., Vergleiche von Personen mit einer Berufsausbildung, mit einem Fachhochschulabschluß und einem Universitätsabschluß legen jedenfalls folgende Schlußfolgerung nahe: Je besser man ausgebildet ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, angemessen beschäftigt zu sein
Es ist allerdings nicht ganz einfach, sich auf genaue Anteile an überqualifizierten Beschäftigten je nach Ausbildungsniveau festzulegen (auf die Schwierigkeiten bei der Feststellung der Ausbildungsadäquanz wurde bereits hingewiesen). Wenn man die Ergebnisse verschiedener Studien miteinander vergleicht, so divergieren diese vor allem bei den Anteilen von Personen mit einer Berufsausbildung. In bezug auf Hochschulabsolventen ist man sich jedoch relativ einig. Der entsprechende Anteil bei Westdeutschen dürfte demnach im Bereich 20 Prozent minus x liegen. So ermittelt das Institut der deutschen Wirtschaft Köln eine AkademikerÜberqualifikationsquote von einem Fünftel, während Hannelore Plicht u. a. auf der Grundlage der Mikrozensen von 1985 bis 1991 für Personen mit einem Fachhochschulabschluß eine entsprechende Quote zwischen 10und 20 Prozent und für Universitätsabsolventen einen Anteil zwischen 8 und 16 Prozent feststellen. Felix Büchel kommt für Westdeutsche mit einem Fachhochschul-oder Universitätsabschluß auf rund 15 Prozent Die hier ermittelten 17 Prozent entsprechen somit in etwa diesen anderen Ergebnissen.
In bezug auf Arbeitnehmer mit einer Berufsausbildung ergibt sich ein deutlich uneinheitlicheres Bild. James C. Witte und Arne L. Kalleberg kommen zu dem Ergebnis, daß sogar etwa 50 Prozent der Westdeutschen mit einer Berufsausbildung inadäquat beschäftigt sind, während Christoph F. Büchtemann u. a. auf der Basis von Längsschnittanalysen feststellen, daß rund 30 Prozent der Arbeitskräfte fünf Jahre nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule für ihre Tätigkeit überqualifiziert sind. Manfred Tessaring berichtet, daß 28 Prozent der Fachkräfte mit betrieblicher oder berufsfachschulischer Ausbildung auf Nichtfacharbeiterpositionen, als un-oder angelernte Hilfskräfte, tätig sind. Hannelore Plicht u. a. kommen auf einen Anteil von 25 Prozent überqualifizierte Erwerbstätige mit einer abgeschlossenen Lehre bzw. Berufsfachschule, und Felix Büchel ermittelt rund 20 Prozent überqualifizierte Westdeutsche mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung Die vier letztgenannten Studien beziehen sich auf die zertifizierten Berufsabschlüsse, so daß die hier festgestellten 26 bis knapp 29 Prozent bei Westdeutschen mit einem Berufszertifikat im Mittelfeld dieser Untersuchungsergebnisse liegen (bei Ostdeutschen ergibt sich ein Anteil von 30 Prozent). Trotz dieser Unterschiede bei den Prozentzahlen wird jedoch das Ergebnis, daß Arbeitskräfte mit einer Berufsausbildung im Vergleich zu Hochschulabsolventen deutlich häufiger unterhalb ihres Ausbildungsniveaus eingesetzt werden, auch von den anderen Studien bestätigt.
Daß Ostdeutsche eher überqualifiziert sind als Westdeutsche, läßt sich vor allem auch an den Hochschulabsolventen ablesen. Ostdeutsche Arbeitnehmer mit einer Hochschulausbildung haben offenbar größere Schwierigkeiten, eine adäquate Stelle zu finden. Zudem zeigt sich bei den Beschäftigten mit einer Berufsausbildung, daß westdeutsche Überqualifizierte deutlich häufiger auf Stellen tätig sind, die immerhin noch eine längere Einarbeitung oder besondere Lehrgänge bzw. Kurse erfordern. Ostdeutsche sind hingegen relativ oft auf den einfachsten Arbeitsplätzen beschäftigt. Auch wenn sich dieser Beitrag auf West-und Ostdeutsche konzentriert, so soll hier die Arbeitsmarktsituation von in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländern nicht völlig außer acht gelassen werden Graphik 1 führt die Übereinstimmungsanteile der abhängig beschäftigten Türken, Jugoslawen, Italiener, Griechen und Spanier auf. Es zeigt sich einerseits, daß Ausländer deutlich geringere Qualifikationen aufweisen als Deutsche. Andererseits sind die qualifizierten Ausländer einem sehr viel höheren, nämlich einem etwa doppelt so hohen Risiko ausgesetzt, inadäquat beschäftigt zu sein: Etwa 60 Prozent der qualifizierten Ausländer sind für ihre Tätigkeit überqualifiziert. Daß Ausländerinnen besonders häufig überqualifiziert sind, mag nicht zuletzt an ihrem hohen Beschäftigungsanteil im sekundären Arbeitsmarktsegment liegen
Besonders interessant ist es, die erste von der zweiten Immigrantengeneration zu unterscheiden. Hier stellt sich insbesondere die Frage, inwiefern sich ethnische Ungleichheiten über die Generationen verringern. Weitere empirische Analysen kommen in der Tat zu dem Ergebnis, daß die Mitglieder der zweiten Immigrantengeneration sowohl besser qualifiziert sind als auch einen geringeren Anteil an inadäquater Beschäftigung aufweisen. Während nur jeder dritte Qualifizierte der ersten Generation einer angemessenen Tätigkeit nachgeht, so trifft dies bei der zweiten Generation bereits auf drei von fünf Ausgebildeten zu. Die Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Generation sind dabei für Frauen noch größer als für Männer -dies liegt an der besonders ungünstigen Situation der ersten Ausländerinnengeneration. Dennoch zieht die zweite Ausländergeneration mit den deutschen Arbeitskräften längst nicht gleich, und zwar weder im Schul-und Berufsausbildungssystem noch auf dem Arbeitsmarkt. Der Anteil der qualifizierten Ausländer der zweiten Generation, die einer angemessenen Tätigkeit nachgehen, liegt immer noch deutlich unter dem der Deutschen. Zudem sprechen eine Reihe von Entwicklungen für eine Verschlechterung der Arbeitsmarktchancen von Immigranten in der Bundesrepublik Deutschland (z. B. aufgrund der Wiedervereinigung, einer Erweiterung der Europäischen Union um osteuropäische Länder sowie der fortschreitenden Verschlankung der bundesrepublikanischen Produktion und Dienstleistungen).
Bei der Untersuchung der Ausbildungsadäquanz aus dem Blickwinkel sozialer Ungleichheiten stellt sich insbesondere die Frage nach den Folgen einer Überqualifikation für die Individuen. Was bedeutet es für arbeitsmarktgenerierte soziale Ungleichheiten, wenn man nicht gemäß seiner erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten beschäftigt ist? Zur Beantwortung dieser Frage wird hier zunächst auf die Arbeitseinkommeneingegangen. In AbschnittV geht es dann auch um die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit.
In der folgenden Tabelle wird zwischen drei Qualifikations-und den oben beschriebenen sechs Übereinstimmungsgruppen sowie zwischen westund ostdeutschen Arbeitnehmern unterschieden.
Für diese Gruppen werden die Bruttostundeneinkommensmediane ermittelt. Es zeigt sich beispielsweise, daß der mittlere westdeutsche Arbeitnehmer, der weder über eine Berufsausbildung noch über einen Hochschulabschluß verfügt und gleichzeitig auf einem Arbeitsplatz beschäftigt ist, der eine solche Qualifikation auch nicht voraussetzt, 15, 72 DM brutto pro Stunde verdient
Die Tabelle belegt vor allem, daß die Arbeitseinkommen weder alleine von der Ausbildung noch ausschließlich vom Arbeitsplatz abhängen. Die Verdiensthöhen ergeben sich vielmehr aus einer Kombination zwischen Qualifikation und Tätigkeit. Überqualifizierte erhalten ein wesentlich geringeres Entgelt als jemand mit einer ähnlichen Ausbildung, der jedoch adäquat beschäftigt ist. So erreicht beispielsweise der mittlere westdeutsche Arbeitnehmer mit einer Berufsausbildung, der auf einem entsprechenden Arbeitsplatz tätig ist, einen Bruttostundenverdienst von 21, 04 DM. In der Gruppe der Überqualifizierten mit relativ großer Ausbildungsredundanz erhält der mittlere Beschäftigte mit einer Berufsausbildung jedoch lediglich 18, 74 DM (bei Akademikern ist diese Diskrepanz noch viel größer). Daß die Einkommen nicht nur von der Ausbildung abhängen, zeigt sich auch sehr deutlich beim Vergleich der adäquat Beschäftigten mit den Unterqualifizierten. Wenn man als Westdeutscher mit einer Berufsausbildung einer Tätigkeit nachgeht, für die in der Regel jedoch ein abgeschlossenes Hochschulstudium vonnöten ist, steigt der Verdienst deutlich auf 30, 66 DM. Für Ostdeutsche ergeben sich ähnliche Relationen.
Umgekehrt ist für die Arbeitseinkommen jedoch nicht nur der Arbeitsplatz das Maß aller Dinge. Je nach Ausbildung erreichen die Beschäftigten auf Stellen mit ähnlichen Arbeitsplatzanforderungen unterschiedlich hohe Entgelte. So verdient zum Beispiel der mittlere überqualifizierte Westdeutsche mit einer Berufsausbildung wesentlich mehr als die mittlere adäquat eingesetzte Person, die über keine besondere Ausbildung verfügt; bei Hochschulschulabsolventen ist die entsprechende Differenz sogar noch größer. Dies spricht nicht zuletzt für das Arbeitsplatzwettbewerbsmodell von Lester C. Thurow Dabei werden die potentiellen Arbeitskräfte unter anderem hinsichtlich der Kosten für ihre innerbetriebliche Einarbeitung in Konkurrenz zueinander gesehen. Wer sich aufgrund dieses Kriteriums weiter vorne in der Arbeitskräfteschlange befindet, wird zuerst auf den zur Verfügung stehenden Arbeitsplatz eingestellt.
Daraus ergibt sich einerseits, daß es tatsächlich Beschäftigte geben kann, die für ihren Arbeitsplatz überqualifiziert sind. Andererseits kann vermutet werden, daß diese Überqualifizierten, da sie nur einen Teil ihrer erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten direkt einsetzen können, weniger verdienen, als wenn sie auf einem adäquaten, also anspruchsvolleren Arbeitsplatz tätig wären. Die Tabelle zeigt jedenfalls, daß die über die erforderliche Qualifikation hinausgehenden Ausbildungsjahre ebenfalls „Renditen“ bringen -allerdings nicht in demselben Maße wie bei einer adäquaten Beschäftigung (z. B. 72 vs. 18, 74 vs. 21, 04). Gleichzeitig wird belegt, daß eine über die Arbeitsplatzanforderungen hinausgehende Ausbildung ein höheres Entgelt mit sich bringt, wenn die ausgeübte Tätigkeit immerhin noch mit dem Qualifikationstyp übereinstimmt. Je mehr Kenntnisse angewendet werden können, um so höher ist das Arbeitseinkommen 15.
IV. Die Bundesrepublik im internationalen Vergleich
Abbildung 5
Graphik 3: Die Mobilität zwischen Übereinstimmungsgruppen (1990-1993) Datenbasis: Sozio-ökonomisches Panel (1990 bis 1993). Hochgerechnete Ergebnisse, eigene Berechnungen.
Graphik 3: Die Mobilität zwischen Übereinstimmungsgruppen (1990-1993) Datenbasis: Sozio-ökonomisches Panel (1990 bis 1993). Hochgerechnete Ergebnisse, eigene Berechnungen.
Um Besonderheiten herauszuarbeiten, ist es sinnvoll, Vergleiche anzustellen. Im folgenden soll also dargestellt werden, inwiefern sich die , alte‘ und die , neue‘ Bundesrepublik Deutschland, die Deutsche Demokratische Republik und die Vereinigten Staaten von Amerika hinsichtlich des Zusammenbringens von Individuen und Arbeitsplätzen unterscheiden. Einerseits kann damit die Qualität und Effizienz der jeweiligen Berufsausbildungssysteme besser eingeschätzt werden. Andererseits sind bei der Untersuchung von arbeitsmarktvermittelten sozialen Ungleichheiten Vergleiche zwischen Wirtschaftssystemen besonders aufschlußreich. Es ist von besonderem Interesse, inwiefern verschiedene Wirtschaftsverfassungen ähnliche bzw. unterschiedliche Allokationsmechanismen aufweisen. Dabei liegen die USA und die DDR hinsichtlich ihrer Wirtschaftsverfassungen sicherlich am weitesten auseinander, wobei die BRD eine mittlere Position einnimmt. Die USA liegen mit ihrem deutlich , deregulierteren‘ Arbeitsmarkt näher an einem marktwirtschaftlichen Ideal als die hochinstitutionalisierte Bundesrepublik Deutschland. Umgekehrt kann die Deutsche Demokratische Republik auch im Vergleich mit anderen ehemaligen Ostblockländern als relativ nahe an einem planwirtschaftlichen Ideal eingestuft werden. So ist beispielsweise auch das sozialistische Ungarn den planwirtschaftlichen Systemen zuzurechnen. Hier herrschten jedoch seit Ende der sechziger/Anfang der siebziger Jahre gerade auf betrieblicher Ebene mehr Freiheiten, als dies in der DDR der Fall war
In Graphik 2 werden, ähnlich wie in der ersten Graphik, die Übereinstimmungsanteile der abhängig Beschäftigten aufgeführt. Dabei wird zwischen Weißen und Schwarzen in den USA, Deutschen in der , alten 1 Bundesrepublik Deutschland und Deutschen in der Deutschen Demokratischen Republik unterschieden. Allerdings kann hier aufgrund des Fehlens entsprechender Informationen bei der US-amerikanischen Befragung (PSID) , lediglich eine Ausbildungs(in) adä-quanz hinsichtlich des Qualifikationsniveaus festgestellt werden Es wird unterschieden, Personen die somit zwischen a) keine besondere Ausbildung aufweisen und auf einem entsprechenden Arbeitsplatz tätig sind; b) über besondere berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen und ebenfalls adäquat beschäftigt sind; c) ein höheres Ausbildungsniveau aufweisen als die Stelle erfordert und d) für ihren Arbeitsplatz unterqualifiziert sind Zunächst zeigt sich, daß in den Vereinigten Staaten deutlich weniger Arbeitnehmer über eine höhere Ausbildung verfügen als in der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. 36 Prozent der US-amerikanischen Arbeitnehmer weisen höchstens einen Highschool-Abschluß (also eine zwölfjährige Schulausbildung) auf In der Deutschen Demokratischen Republik waren hingegen nur dreieinhalb Prozent der Arbeitskräfte ohne Berufsausbildung oder Universitätsabschluß. Bei Westdeutschen trifft dies aufgrund dieser Auswertungen für knapp fünf Prozent der Arbeitnehmer zu . Alle drei Länder zeichnen sich durch eine deutliche Diskrepanz zwischen den gesamten erworbenen und den gesamten erforderlichen Qualifikationen aus. Das heißt, es werden insgesamt weniger Kenntnisse verlangt als vorhanden sind. Die größte Übereinstimmung zwischen erworbenen und erforderlichen Qualifikationen existierte in der Deutschen Demokratischen Republik. Damit wird die These bestätigt, daß es in einer Planwirtschaft -. wie der DDR -eine größere Übereinstimmung zwischen Ausbildung und Arbeitsplatz gibt. Wenn die zur Verfügung stehenden Qualifikationen zentral auf die Nachfrage abgestimmt werden, dürften sich redundante Qualifikationen aufgrund von Informationsdefiziten der Individuen bzw. aufgrund von nicht nach einem nutzenmaximierenden rationalen Kalkül entscheidenden Schülern bzw.deren Eltern in gewissen Grenzen halten.
Die geringste Übereinstimmung zwischen Ausbildung und Arbeitsmarkt existiert in den USA. Ein Grund hierfür dürfte im weniger regulierten Ausbildungssystem und den weniger formalisierten Arbeitsplatzanforderungen in den Vereinigten Staaten liegen. Besonders die Quote der formal Unterqualifizierten zeigt, daß sich die Arbeits-platzanforderungen in den USA weniger strikt an formalen Ausbildungsabschlüssen orientieren als in der Bundesrepublik und der DDR. Zudem sind in den Vereinigten Staaten tayloristische Produktionsweisen mit den damit einhergehenden geringen Arbeitsplatzanforderungen weiterhin weit verbreitet. Aufgrund dieser Analysen sind 40 Prozent der qualifizierten weißen Amerikaner für ihre Tätigkeit überqualifiziert. Bei schwarzen Männern liegt diese Quote sogar bei 60 Prozent. Demgegenüber weist die Bundesrepublik Deutschland -und das galt auch für die Deutsche Demokratische Republik -eine deutlich bessere Nutzung der zur Verfügung stehenden Qualifikationen auf (vgl. auch Graphik 1).
Weitere Analysen ergeben, daß sich die drei Länder nicht nur in den Anteilen an Überqualifizierten unterscheiden, sondern auch in der Zusammensetzung der Übereinstimmungsgruppen. Besonders interessant ist hierbei eine Differenzierung nach Altersgruppen. Für Westdeutsche mit einer Berufsausbildung zeigt sich, daß das Risiko, überqualifiziert zu sein, mit dem Alter zunimmt. In den USA ergibt sich jedoch der genau umgekehrte Zusammenhang: Hier sind es gerade die Jüngeren, die besonders häufig inadäquat beschäftigt sind. Diese Ergebnisse reflektieren nicht zuletzt Unterschiede zwischen den spezifischen Ausbildungs-und Beschäftigungssystemen in den USA und der Bundesrepublik Deutschland.
Beim bundesrepublikanischen dualen Ausbildungssystem dürften jüngere Arbeitskräfte auch deshalb eine größere Übereinstimmung aufweisen, weil ihre beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse erst kürzlich erworben wurden und somit noch nicht der Entwertung aufgrund technologischer Weiterentwicklungen unterliegen. Der relativ enge Betriebsbezug der dualen Berufsausbildung dürfte sich somit gerade für Jüngere auszahlen. In den USA gibt es jedoch kein entwickeltes betriebliches Qualifikationssystem mit standardisierten Ausbildungsrichtlinien, so daß die notwendigen Fähigkeiten oftmals direkt am Arbeitsplatz erlernt werden. Dort dürften sich die Beschäftigten somit erst mit der Zeit auf einen adäquaten Arbeitsplatz hoch-arbeiten: ohne on-the-job-Training bedeutet eine US-amerikanische, betriebsfernere Ausbildung oftmals, daß besondere Anforderungen noch nicht erfüllt werden können. Allerdings scheint on-thejob-Training dann aber auch besser vor Dequalifizierungen im Laufe des Erwerbslebens -u. a. aufgrund einer größeren Zeitspanne seit der allgemeinen Ausbildung -zu schützen.
V. Transformation in Ostdeutschland
In Abschnitt IV wurde unter anderem der Übereinstimmung von erworbenen und erforderlichen Qualifikationen in der Deutschen Demokratischen Republik nachgegangen. Als nächstes soll festgestellt werden, inwiefern sich im Zuge des Transformationsprozesses Veränderungen für die Arbeitskräfte ergeben haben. Die entsprechenden Auswertungen können einerseits einen Hinweis auf die Frage geben, inwiefern sich ostdeutsche Arbeitskräfte in der Lage sehen, ihre in der DDR erworbenen Qualifikationen unter den neuen Bedingungen anzuwenden. Andererseits soll hier anhand der Betroffenheit von Arbeitslosigkeit einer weiteren Folge einer Ausbildungs(in) adäquanz nachgegangen werden.
Wenn man die jeweiligen Übereinstimmungsanteile des Jahres 1990 mit denen des Jahres 1993 vergleicht, stellt man fest, daß sich für Ostdeutsche im Gegensatz zu Westdeutschen der Anteil der Überqualifizierten vergrößert hat (vgl. auch die Graphiken 1 und 2). Auch dieses Ergebnis spricht für die Hypothese, daß technologischer bzw. arbeitsorganisationaler Wandel zu höheren Überqualifikationsquoten führt (vgl. Abschnitt III).
Anhand von Graphik 3 soll nun verfolgt werden, was aus den Personen geworden ist, die 1990 adäquat oder inadäquat beschäftigt waren. Hierfür werden drei Personengruppen unterschieden, nämlich a) Arbeitnehmer mit keiner besonderen Ausbildung, die 1990 auf einem entsprechenden Arbeitsplatz tätig waren; b) qualifizierte Arbeitskräfte, die ebenfalls adäquat beschäftigt waren (also auf einer Stelle arbeiteten, die besondere Qualifikationen erforderte) und c) Überqualifizierte.
Dabei wird nicht nur auf Erwerbstätige abgestellt, sondern auch auf die Beschäftigten, die drei Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR entweder arbeitslos oder nichterwerbstätig waren.
Der erste Balken zeigt eindrucksvoll, daß die wenigen Unqualifizierten in der DDR in ihrer übergroßen Mehrheit unter den neuen Arbeitsmarktbedingungen wenig Chancen hatten. Beinahe vier Fünftel von ihnen waren 1993 nicht mehr erwerbstätig: Hier handelt es sich nicht zuletzt um ältere Arbeitskräfte, die in den Ruhestand bzw. Vorruhestand gingen.
Gleichzeitig wird deutlich, daß ostdeutsche im Vergleich zu westdeutschen Qualifizierten ein größeres Risiko aufweisen, drei Jahre nach der Einheit über-qualifiziert zu sein. Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß die große Mehrheit weiterhin (bzw. wieder) auf einem adäquaten Arbeitsplatz tätig ist.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis von Graphik 3 ist, daß das Arbeitslosigkeitsrisiko nicht zuletzt von der Ausbildungsadäquanz abhängt. Wer für seinen Arbeitsplatz überqualifiziert ist, muß im Vergleich mit adäquat beschäftigten Qualifizierten neben einem geringeren Einkommen auch ein deutlich größeres Risiko hinnehmen, arbeitslos zu werden. Eine Ursache hierfür mag darin liegen, daß diese Überqualifizierten im sekundären Arbeitsmarkt-segment tätig sind
VI. Schlußbemerkungen
Wenn man davon ausgeht, daß sich in modernen Gesellschaften soziale Ungleichheiten vor allem auf dem Arbeitsmarkt manifestieren, reicht es nicht aus, lediglich die Ausbildung oder die Arbeitsmarktposition der Individuen festzustellen. Vielmehr sollte den spezifischen Verbindungen von Angebots-und Nachfrageseite des Arbeitsmarktes nachgegangen werden.
Die Ausbildungsadäquanz ist an sich eine Dimension von sozialen Ungleichheiten. Sie hat aber auch bedeutsame Folgen für weitere Ungleichheitsdimensionen. So ist die Übereinstimmung bzw. Nichtübereinstimmung von Ausbildung und Arbeitsplatz beispielsweise eine wichtige Ursache für Einkommensungleichheiten. Je besser es gelingt, die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten direkt einzusetzen, je geringer also die redundanten Qualifikationen sind, um so mehr lohnt sich die Ausbildung und um so höher ist das Arbeitsentgelt. Gleichzeitig werden adäquat beschäftigte Qualifizierte auch deutlich seltener arbeitslos. Es zeigt sich also eine Kumulation von positiven (negativen) Folgen einer Ausbildungs(in) adäquanz.
Das Vorurteil, daß Hochschulabsolventen besonders häufig inadäquat beschäftigt seien, liegt möglicherweise nicht zuletzt am populären Bild vom taxifahrenden Akademiker. Nichtsdestotrotz sind Universitätsabsolventen besonders häufig in der Lage, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Arbeitsplatz anwenden zu können Dazu kommt, daß die Arbeitslosenquote von Akademikern genauso deutlich unter dem nationalen Durchschnitt liegt, wie ihre Einkommen wesentlich höher ausfallen All dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, daß sich die Anzahl der Hochschulabsolventen und die der Arbeitsplätze, die eine Hochschulausbildung voraussetzen, in etwa die Waage halten. Prognosen für die Zukunft anzustellen, ist generell ein schwieriges Unterfangen Zwar spricht der voraussichtlich steigende Anteil der Arbeitsplätze mit Hochschulqualifikationsanforderungen dafür, daß die vergleichsweise günstige Arbeitsmarktsituation von Universitätsabsolventen auch in der Zukunft fortbesteht. Allerdings weisen Faktoren wie z. B. das Einstellungsverhalten des öffentlichen Dienstes, in dem generell eine deutlich größere Chance auf eine adäquate Beschäftigung als in der Privat-wirtschaft besteht, darauf hin, daß insbesondere für die jüngeren Jahrgänge der Anteil an überqualifizierten Akademikern zunehmen wird
Arbeitskräfte mit einer Berufsausbildung sind hingegen einem deutlich größeren Risiko ausgesetzt, einen umfangreichen Teil ihrer beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten letztendlich nicht anwenden zu können. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt in der Tatsache, daß es viel mehr Personen mit einer Berufsausbildung gibt als Arbeitsplätze, die eine Berufsausbildung voraussetzen. Dies verweist auf die Notwendigkeit, über unternehmerische bzw. technologische Innovationen marktfähige Produkte zu entwickeln, die zu anspruchsvollen Arbeitsplätzen führen. Der größere Überqualifiziertenanteil älterer Arbeitskräfte mit einer Berufsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland -im Gegensatz zu den USA -weist auf Probleme bei der beruflichen Fortbildung hin. Obwohl das bundesrepublikanische betriebsnahe duale Ausbildungssystem insgesamt zu einer relativ großen Übereinstimmung zwischen Qualifikation und Arbeitsplatz beiträgt, belegen die Ergebnisse für die USA die besondere Bedeutung von on-thejob-Training. Damit ist für die Bundesrepublik Deutschland nicht zuletzt ein Plädoyer für die Förderung von Weiterbildung und Umschulungen zu halten, die möglichst betriebsnah erfolgen sollten. Hier wären vor allem auch Maßnahmen zur Verbesserung der eingeschränkten Weiterbildungskapazitäten von Klein-und Mittelbetrieben erfolgversprechend
Sowohl ost-als auch westdeutsche sowie ausländische Frauen und Männer weisen deutliche Diskrepanzen zwischen Ausbildung und Arbeitsplatz auf. Die meisten dieser inadäquat Beschäftigten sind überqualifiziert und können ihre beruflichenKenntnisse und Fähigkeiten kaum einsetzen. Allerdings existieren zwischen diesen sechs Arbeitnehmergruppen zum Teil große Unterschiede sowohl hinsichtlich des Überqualifikationsrisikos als auch bezüglich der Folgen einer Ausbildungsinadäquanz für weitere arbeitsmarktvermittelte soziale Ungleichheiten. Frauen sind generell häufiger inadäquat beschäftigt als Männer, und Ausländer haben im Vergleich zu Deutschen wesentlich schlechtere Chancen, ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten auf ihren Arbeitsplätzen anzuwenden. Dies gilt auch für die zweite Ausländergeneration, mehr jedoch für die erste.
Ostdeutsche Arbeitnehmer haben ein höheres Überqualifikationsrisiko als westdeutsche. Gleichzeitig müssen die inadäquat beschäftigten Ostdeutschen auch höhere Einkommenseinbußen in Kau nehmen. Die Veränderungen aufgrund des Trans formationsprozesses führen dazu, daß der Antei der überqualifizierten Ostdeutschen angestiegei ist. Dies ist ein Hinweis darauf, daß Qualifikatio nen, die in der Deutschen Demokratischen Repu blik erworben wurden, nur eingeschränkt in de , neuen Bundesrepublik Deutschland anwendba sind. Ein solcher Trend läßt sich für Westdeutschi nicht feststellen. Eher ist das Gegenteil der Fall Trotzdem ist es auch der Mehrheit der qualifizier ten Ostdeutschen gelungen, weiterhin einer -mehr oder weniger -angemessenen Tätigkei nachzugehen. Allerdings hatten die wenigen ost deutschen Unqualifizierten kaum Chancen, ihrei Arbeitsplatz zu halten bzw. eine neue Stelle zu fin den.
Marc Szydlik, Dr. phil., geb. 1965; wissenschaftlicher Assistent an der FU Berlin, Institut für Soziologie. Veröffentlichungen u. a.: Arbeitseinkommen und Arbeitsstrukturen, Berlin 1993; Ethnische Ungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 48 (1996) 4.
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