Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Was ist eigentlich Wirtschaftsethik? Eine systematische Einführung | APuZ 21/1997 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 21/1997 „Globalisierung“ aus wirtschaftsethischer Sicht Individualisierung: Verfall der Moral? Zum ökonomischen Fundament aller Moral Moralische Kommunikation in Organisationen Was ist eigentlich Wirtschaftsethik? Eine systematische Einführung

Was ist eigentlich Wirtschaftsethik? Eine systematische Einführung

Karl Reinhard Lohmann

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Beim Wirtschaften entstehen moralische Probleme als Interessenkonflikte zwischen Menschen. In der philosophischen Tradition findet man entweder die feste Überzeugung oder zumindest die Hoffnung, daß wirtschaftliche Konflikte unter Verweis auf die richtige Praxis in einer Gemeinschaft zu lösen seien. Diese Auffassung setzt voraus, daß Menschen eine gemeinsame Theorie des Guten teilen. Dagegen versucht die ökonomische Theorie zu zeigen, daß sich widerstreitende Interessen an idealen Märkten ausgleichen, wenn die ökonomischen Akteure rational entscheiden. Auch im Rahmen der ökonomischen Theorie werden Fragen der Ethik relevant. Zum einen kann man fragen, unter welchen Bedingungen die Marktlösung normativ ausgezeichnet werden kann. Zum anderen haben reale ökonomische Akteure auch moralische Überzeugungen und entsprechende Wünsche, die in die Theorie rationaler Wahl integriert werden müssen. Es wird gezeigt, welche Antworten im Rahmen der ökonomischen Standardtheorie auf die beiden Probleme gegeben werden können. Dabei wird zwischen institutionengestützten und präferenzorientierten Ansätzen der Wirtschaftsethik unterschieden. Es zeigt sich, daß im Rahmen der ökonomischen Theorie keine befriedigende Antwort auf das Problem der Begründung moralischer Regeln an Märkten gegeben werden kann. Zustimmungsfähige Regeln können nicht ausschließlich unter Verweis auf die individuellen Konsequenzen begründet werden, sondern müssen die sozialen Beziehungen von Menschen berücksichtigen -auch beim Wirtschaften.

I. Einleitung

Im Januar 1996 ereignete sich im Werk Griesheim der Hoechst AG ein Störfall, bei dem zirka eine Tonne des krebserregenden Pflanzengiftes Arelon austrat. In der Folge des Unfalles kam es zu Diskussionen, in denen sich die unterschiedlichen und zum Teil widerstreitenden Interessen der betroffenen Gruppen zeigten. Die Anwohner setzten sich für strengere Sicherheitsvorschriften oder die Stilllegung des alten Werkes ein. Die Unternehmensleitung sagte die Modernisierung ihrer Chemieanlagen zu und kündigte die Schließung solcher Anlagen an, bei denen eine Modernisierung aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich wäre. Die Landesregierung und der hessische Landtag schlossen sich der Forderung der Anwohner nach mehr Sicherheit im Unternehmen an, mahnten aber zugleich, im Interesse der Arbeitnehmer den Produktionsstandort beizubehalten Das Hoechst-Beispiel zeigt gut, wie beim Wirtschaften die Interessen und Wünsche verschiedener Personen in Konflikt geraten können. Mit der Frage, wie solche Konflikte gelöst werden sollen, beschäftigt sich die Ethik, genauer die Wirtschaftsethik. Aber was ist eigentlich Wirtschaftsethik?

Einige Menschen vertreten die Ansicht, der Begriff Wirtschaftsethik bezeichne einen Selbstwiderspruch, also eine Art schwarzen Schimmel Es ist tatsächlich umstritten, wie das Verhältnis zwischen Ethik und Wirtschaft genau zu charakterisieren ist Erstens ist es nicht möglich, einen eindeutigen Gegenstandsbereich der Wirtschaftsethik zu benennen Fragen der gerechten Verteilung von

Gütern und Einkommen werden ebenso diskutiert wie Fragen des Umweltschutzes, der intergenerationellen Gerechtigkeit oder die Frage, ob Korporationen in Analogie zu natürlichen Personen Pflichten und Rechte zugeschrieben werden können. Eine Reihe dieser Fragen werden auch außerhalb der Wirtschaftsethik diskutiert, und es gibt Fragen wie die nach gleichberechtigten Ausgangs-bedingungen, die nicht von allen Wirtschaftsethikern zum Kern ihrer Disziplin gezählt werden. Zweitens ist man sich darüber uneins, wie der Geltungsbereich der Wirtschaftsethik zu bestimmen ist. Man unterscheidet oft zwischen Wirtschaftsund Unternehmensethik In einer engen terminologischen Abgrenzung bezieht sich Wirtschaftsethik ausschließlich auf Entscheidungen über die wirtschaftliche Rahmenordnung, wohingegen Unternehmensethik auch normative Forderungen an die Unternehmen formuliert. Diese Unterscheidung ist allerdings umstritten. Sie entspricht weder der in Deutschland üblichen Trennung von Betriebs-und Volkswirtschaft noch der in der Philosophie klassisch anzutreffenden Unterscheidung zwischen dem Problem der individuellen Tugend und dem Problem der (politischen) Gerechtigkeit. In diesem Beitrag werden verschiedene Ansätze der Wirtschaftsethik (in einem weiten Sinne) diskutiert. Auf eine ausführliche Darstellung der Literatur oder einzelner prominenter Autoren wurde im Sinne einer systematischen Einführung verzichtet; die Verweise in den Anmerkungen erlauben eine weitergehende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Problemen und Positionen.

II. Zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen Wirtschaft und Ethik

1. Wirtschaft als Bestandteil der guten Praxis Erst im 18. und im Übergang zum 19. Jahrhundert haben sich die Wirtschaftswissenschaften als selb-ständige Wissenschaften aus der praktischen Philosophie entwickelt. Die philosophische Frage nach der richtigen Praxis umfaßte traditionell alle Bereiche des Lebens, also auch das Wirtschaften Der Begriff der richtigen Praxis beinhaltet sowohl das Problem der je individuell besten Entscheidung als auch die Ethik, d. h. das Problem, welche Regeln im Zusammenleben der Menschen gelten sollen. In beiden Fällen geht es darum, Gründe angeben zu können, die für eine individuelle Handlung oder eine allgemeingültige Regel sprechen. Dabei können natürlich ganz verschiedene Gründe relevant sein: sowohl individuelle Über-zeugungen, normative Überlegungen der Gerechtigkeit als auch Fragen der Effizienz. Die Rechtfertigung allgemeingültiger Regeln muß auf solche Gründe verweisen, denen alle Personen zustimmen können. Die moderne Ethik läßt sich sehr holzschnittartig als Versuch kennzeichnen, die Bedingungen der Zustimmungsfähigkeit von Regeln genau anzugeben.

In der klassischen Philosophie wurde die Frage nach individuellen Handlungsgründen nicht von der Frage nach Rechtfertigung allgemeingültiger Regeln getrennt: In beiden Fällen geht es um die Frage nach dem guten Leben. Bei Aristoteles findet sich folgende Geschichte über Thales von Milet. Als man Thales verhöhnte, daß er trotz (oder wegen) seiner philosophischen Kenntnisse in Armut lebte, kaufte dieser im Winter sämtliche Ölpressen in Milet und Chios zu einem niedrigen Preis auf. Als es im Sommer eine reiche Oliven-ernte gab, konnte Thales die Ölpressen teuer verpachten. Die Pointe der Geschichte ist natürlich nicht, daß Thales am Monopol für Ölpressen reich wurde. Die Geschichte zeigt, daß beim Wirtschaften dieselben Überlegungen wie in anderen Lebensbereichen angestellt werden, so daß selbst der Philosoph reich werden kann -wenn er nur will. Wenn das Wirtschaften Teil des guten Lebens ist und wenn gilt, daß normative Fragen der Rechtfertigung nicht von individuellen Handlungsgründen zu trennen sind, dann muß auch für das Wirtschaften gelten, daß sowohl Fragen der effizienten Ressourcenverwendung als auch normative Fragen, wie z. B. nach der gerechten Verteilung von Gütern, relevant sind

Die Vorstellung, das Wirtschaften müsse nicht nur effizient, sondern auch gerecht sein, findet sich sowohl in der christlichen Philosophie des frühen und späten Mittelalters als auch noch bei John Locke, also einem Philosophen der englischen Frühaufklärung des 17. Jahrhunderts. Die Bestimmung des guten Wirtschaftens als richtige Praxis erlebt (oft mit explizitem Verweis auf Aristoteles) eine Renaissance insbesondere in der Managementliteratur, aber auch in der Sozial-und Wirtschaftspolitik Eine solche Vorstellung setzt voraus, daß Menschen, die miteinander Handel treiben oder in einem Unternehmen zusammen arbeiten, eine Reihe von moralischen Überzeugungen teilen -man sagt, daß eine (starke) Theorie des Guten vorausgesetzt wird. 2. Ökonomie als effiziente Wahl Auf der einen Seite kennzeichnet die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft, der Ökonomik, als eigene Disziplin historisch eine Antwort auf die mit der Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert entstehenden neuen Fragen. Auf der anderen Seite bietet die Ökonomik spätestens mit ihrer formalen Ausgestaltung Anfang des 20. Jahrhunderts einen neuen Typus von Antworten, für die, so der Anspruch, nicht vorausgesetzt werden muß, daß Menschen mit ansonsten widerstreitenden Interessen eine Theorie des Guten teilen. Wenn die Interessengegensätze von Menschen nicht anhand übergeordneter Kriterien hinsichtlich ihrer Zulässigkeit beurteilt werden können, dann kann die Koordination zwischen ihnen nur gelingen, wenn ein sozialer Zustand erreicht wird, der jedem einzelnen Individuum nützlich erscheint. Der Begriff des Nutzens wird dabei rein formal über die Theorie rationaler Entscheidung eingeführt, die den methodischen Kern der Ökonomik darstellt und im „Homo oeconomicus" ihr Sinnbild findet Der ökonomische Akteur verhält sich so, als ob er sich bei der Wahl aus einer Menge alternativer Güterbündel stets für das Güterbündel entscheidet, das ihm gemäß seiner subjektiven Bewertung am meisten nützt. Man sagt dann, daß eine Person gemäß ihrer Präferenzen handelt. Dieses Rationalprinzip nennt man auch das ökonomische Gewinnprinzip, oder man spricht einfach vom „Homo oeconomicus" als einem Nutzenmaximierer. Der Nutzen alternativer Güterbündel muß in einem einheitlichen Maßstab, z. B. Geld, für eine Person (intrapersonell) vergleichbar sein. Dem Geld kommt sowohl für jeden einzelnen Akteur eine Rechenfunktion als auch zwischen den Akteuren (interpersonell) eine Koordinationsfunktion am Markt zu. Steigt der Preis eines Güterbündels, steigt der Nutzen für den Anbieter, wohingegen der Nutzen für den Nachfrager fällt. Weil rationale Akteure auf Preis-signale reagieren, kommt es idealiter an Märkten zu einem Ausgleich der Interessen (dem Markt-gleichgewicht) -ohne daß wir gemeinsame Interessen oder die Möglichkeit interpersoneller Nutzenvergleiche voraussetzen müssen. Wenn die Akteure jeweils die für sie beste Wahl treffen, entspricht das Gleichgewicht einem Optimum, in dem sich nicht alle Akteure gleichzeitig durch Wahl eines anderen sozialen Zustandes besserstellen könnten. Einen solchen Zustand nennt man nach dem italienischen Nationalökonom und Soziologen Vilfredo Margius Pareto Pareto-optimal. Das Pareto-Kriterium scheint hinreichend, um einen sozialen Zustand in einem schwachen Sinne als gerecht auszuzeichnen. Gerechtigkeitsfragen lassen sich so methodisch auf Fragen der individuell effizienten (oder individuell rationalen) Entscheidung reduzieren.

Wenn man die Ökonomik nicht über ihren Gegenstandsbereich (das Wirtschaften), sondern über die ökonomische Theorie rationaler Wahl einführt, dann ist der Anwendungsbereich des Marktmodells nicht auf Probleme der Koordination beim Wirtschaften beschränkt. Die Auffassung, daß der Marktmechanismus auch z. B. auf Fragen der Partnerwahl oder der Gestaltung des positiven Rechts übertragbar ist, wird als ökonomischer Liberalismus bezeichnet

Selbst wenn man der ökonomischen Theorie der Marktkoordination folgt, gibt es gute Gründe, sich mit normativen Fragen und mit Ethik zu beschäftigen. Aber anders als in der aristotelischen Tradition handelt es sich dabei nicht um Fragen der Ethik beim Wirtschaften, sondern um Wirtschaftsethik im Rahmen einer ganz spezifischen Theorie rationaler Wahl.

III. Wirtschaftsethik für den „Homo oeconomicus“

1. Determinismus und Freiheit in der (Wirtschafts-) Ethik In der ökonomischen Theorie-werden normative Fragen auf das Optimierungsproblem am Markt reduziert. Das Marktmodell zeichnet genau eine Lösung aus. Unter den gegebenen Umständen wird zum Marktpreis eine wohlbestimmte Menge eines Gutes produziert und gekauft. Anbieter, die zu höheren Kosten produzieren, können ihre Güter nicht verkaufen, und Nachfrager, die nicht über ausreichende Geldmittel verfügen, können keine Güter beziehen.

Wie bleibt dann im Rahmen der Theorie systematisch Platz für Ethik? Es gibt auch innerhalb der theoretischen Ökonomik gute Gründe, sich mit Ethik zu beschäftigen Zum einen ist die ökonomische Theorie des Marktes wie „dicke“ Moral-theorien mindestens in dem schwachen Sinne normativ, daß sie einen sozialen Zustand alternativen Möglichkeiten vorzieht. Auch wenn diese Wahl das Ergebnis rationaler Entscheidungen der einzelnen Akteure ist, bleibt der gewählte soziale Zustand im Vergleich mit anderen begründungsbedürftig. Zum anderen haben auch rationale Markt-akteure moralische Überzeugungen, die in ihre individuellen Entscheidungen eingehen. Auch wenn wir nicht davon ausgehen, daß alle Personen dieselben moralischen Überzeugungen teilen, bleibt das theoretische Problem, wie die individuellen moralischen Überzeugungen oder Werte einer Person in das ökonomische Kalkül rationaler Wahl integrierbar sind Beide Probleme lassen sich nur verstehen, wenn man die Ökonomik als Theorie rationaler Entscheidung interpretiert. Am Markt ergibt sich ein eindeutiges (determiniertes) Gleichgewicht als Ergebnis einer Vielzahl individueller Wahlhandlungen der ökonomischen Akteure. Jede einzelne Wahlhandlung ist das Ergebnis eines individuellen Nutzenkalküls, wobei der „Homo oeconomicus“ seinen Nutzen unter Nebenbedingungen (Restriktionen) maximiert. Wenn wir sagen, daß an Märkten ethische Fragen relevant sein können, dann müssen wir davon ausgehen, daß die einzelne Wahlhandlung nicht vollständig determiniert ist; auch der ökonomische Akteur kann (mindestens in Grenzen) frei wählen. Zum einen folgt aus der Charakterisierung des „Homo oeconomicus“ als Nutzenmaximierer eben nicht, daß er den monetären Gewinn am Markt maximieren muß. Er sollte, wenn er weiterhin am Markt kaufen oder verkaufen will, mindestens den Marktpreis bieten und darf nicht zu höheren Kosten als dem Marktpreis produzieren, aber innerhalb dieser Grenzen ist er frei, gemäß seinen individuellen Präferenzen zu handeln. Zum anderen gilt auch für den „Homo oeconomicus“, daß er innerhalb eines institutionellen Regelwerks (institutioneller Restriktionen) handelt, das er in Teilen verändern kann. Die Restriktionen und die Präferenzen der Akteure bieten Ansatzpunkte für Wirtschaftsethik. 2. Restriktionen als Ansatz für Institutionen-Ethik In der ökonomischen Theorie des idealen Marktes gibt es für den „Homo oeconomicus“ nur genau zwei restriktive Nebenbedingungen seiner Wahl-handlung: die Marktpreise und sein Einkommen. Beide, so die Theorie, sind nicht durch den individuellen Akteur zu beeinflussen. Reale ökonomische Akteure sehen sich dagegen einer Vielzahl von Restriktionen gegenüber. Sie handeln in einem institutioneilen Rahmen, der, anders als Marktpreise oder die Einkommensverteilung, das Ergebnis politischer Abstimmungsprozesse ist und deshalb verändert werden kann. Die politische Gestaltung einer institutionellen Ordnung erlaubt, auch moralische Regeln am Markt zu etablieren.

Die ökonomische Theorie des Marktes muß also durch eine (ökonomische) Theorie der Politik ergänzt werden, die erklärt, warum sich Personen auf die institutionelle Durchsetzung von moralischen Regeln einigen, die sie jeder für sich am Markt nicht einhalten. Im Rahmen eines institutionenethischen oder ordnungsethischen Programms wird die Auszeichnung des Marktgleichgewichtes über die ökonomische Theorie der Politik begründet. Auch bei politischen Entscheidungen müssen sich die Akteure darüber einigen, wie sie die Vielzahl möglicher Interessenkonflikte lösen wollen. Weil diese Konstruktion einem Vertrag zwischen den Akteuren gleicht, spricht man von einer kontraktualistischen Theorie der Politik. Die Pointe eines Vertrages über Institutionen besteht darin, daß der Gegenstand der Bewertung nicht die Konsequenzen einer einzelnen Wahlhandlung, sondern die erwarteten Konsequenzen aller Wahlhandlungen sind. Weil der individuelle Akteur nicht alle möglichen Konsequenzen übersieht, enthält dieses probabilistische Element der kontraktualistischen Theorie auch ein rationales Gebot der „Fairneß“ oder Unparteilichkeit. Es ist unter Unsicherheit für den „Homo oeconomicus“ rational, Institutionen zuzustimmen, die ihm auch beim Eintreten ungünstiger Umstände mindestens eine minimale Wohlfahrt sichern. Das heißt, unter allen möglichen (auch den ungünstigsten) Umständen, die für einen Menschen eintreten können, werden mindestens bescheidene Sozialstandards garantiert Die Regeln der Rahmenordnung sind in diesem schwachen Sinne normativ ausgezeichnet.

Die Zustimmung zu den Regeln der ökonomischen Rahmenordnung schließt auch die Zustimmung zu Sanktionen ein, mit denen die Einhaltung der politischen Übereinkünfte abgesichert wird. Rationale Akteure halten sich an Märkten an institutionelle Regeln, denen sie im politischen Vertrag zugestimmt haben, weil Verstöße mit Kosten verbunden sind. Wirtschaftsethik wird als Ordnungsethik verstanden, die den Rahmen setzt, innerhalb dessen die ökonomischen Akteure entscheiden Gegen einen solchen politiktheoretisch begründeten ordnungsethischen Ansatz kann man verschiedene Einwände geltend machen. Zum einen sind der Geltungsbereich von politischen Institutionen und der Handlungsbereich ökonomischer Akteure nicht notwendig identisch. Zum anderen entsteht an dynamischen Märkten systematisch eine Regelungslücke, weil neue Entwicklungen nicht durch bestehende Regeln abgedeckt werden Das politiktheoretische Begründungsprogramm der Ordnungsethik kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Regeln für alle Personen (im Geltungsbereich) in gleicher Weise gelten und keine Austrittsoption besteht. Insbesondere die Internationalisierung der Märkte zeigt die systematischen Grenzen des ordnungsethischen Ansatzes auf.

Staatliche und supranationale Institutionen sind nicht die einzige Möglichkeit, Regeln zu etablieren. Ökonomische Akteure, also Unternehmen, Arbeitnehmer sowie Verbraucher, können sich auch unterhalb der staatlichen Ebene Institutionen schaffen und sich verpflichten, deren Regeln verbindlich anzuerkennen Beispiele für solche Institutionen sind neben den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gemeinsame Vermarktungsorganisationen von Unternehmen, die ihre Mitglieder an Produktionsrichtlinien binden und normatives Produktmarketing betreiben, oder Bürgerinitiativen, sofern sich die Mitgliedschaft (wie in Boykottinitiativen, die zum Boykott bestimmter Unternehmen oder Produkte auffordern) auf die Entscheidungen der Mitglieder auswirkt. Anders als die Regeln der wirtschaftlichen Rahmenordnung, die über die gemeinsame politische Entscheidung mindestens schwach normativ ausgezeichnet werden können, ist unklar, ob die Regeln „privater“ Organisationen begründungsfähig sind. 3. Präferenzorientierte Wirtschaftsethik Die institutioneile Selbstverpflichtung erfolgt freiwillig. Menschen halten sich auch dann an Regeln, wenn diese nicht staatlich sanktioniert werden. Um zu verstehen, warum sich ökonomische Akteure freiwillig an Regeln halten, reicht es jedoch nicht, allgemein auf die Wünsche oder Präferenzen zu verweisen. Auch wenn der „Homo oeconomicus" moralische Überzeugungen und dementsprechende Präferenzen hat, so folgt daraus nicht, daß er sich an moralische Regeln in einer Gruppe hält. Regeln sind anders als die subjektiven Präferenzen einer Person verallgemeinerbar. Wenn man Regelfolgen mit Verweis auf die subjektiven Präferenzen begründet, dann muß man entweder sagen, daß alle Personen gleiche Präferenzen haben oder haben sollten, oder der Verweis muß sich auf eine besondere Art der Präferenzen beziehen. Es entspricht unserer Alltags-erfahrung, daß Menschen sich für andere einsetzen oder in Gruppen dauerhaft organisieren. Man könnte also sagen, hier läge eine Art der ethischen Präferenz vor, bei der Menschen die Interessen anderer in ihrem Rationalkalkül berücksichtigen Solche ethischen Präferenzen sind aber nicht mit dem subjektiven Gewinnprinzip der ökonomischen Theorie kompatibel, wie es oben eingeführt wurde. Das gilt auch dann, wenn man das Gewinn-prinzip nicht im Sinne einer Gewinnmaximierungsregel versteht.

Gegen diese skeptische Position lassen sich zwei Einwände vorbringen. Erstens kann man sagen, daß eine Person auch dann die Interessen anderer Personen in einer Gruppe bei ihren Entscheidungen berücksichtigen wird, wenn ihre subjektiven Interessen nur in dieser Gruppe durchsetzbar sind In diesem Fall widerspricht der Bezug auf andere tatsächlich nicht dem subjektiven Gewinn-prinzip. Wenn ein ökonomischer Akteur mit einem beschränkten Haushaltseinkommen gerne Soja und sojahaltige Produkte aus biologischem Anbau (mit nicht gentechnisch manipuliertem Saatgut) konsumieren möchte, dann kann er dieses Bedürfnis nur befriedigen, wenn eine Vielzahl von Personen neben ihm dieselbe Präferenz haben oder entwickeln. Es ist also auch ökonomisch rational, sich in einer Konsumgenossenschaft zu organisieren und sich an allgemeine Regeln zu halten. Dieser erste Einwand trifft zwar den skeptischen Zweifel. Es gibt tatsächlich Fälle, in denen rationale gewinnorientierte Akteure die Interessen anderer bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Aller-dings ist unklar, wieso die Regeln einer solchen Interessengemeinschaft normativ ausgezeichnet sein sollen. Es ist eine Frage des Zufalls, nicht aber der Begründung, welche Regeln sich an Märkten durchsetzen.

Zweitens kann man auf den verallgemeinerbaren Gehalt auch subjektiver moralischer Überzeugungen verweisen. Wenn ökonomische Akteure Präferenzen haben, die über das Gewinnstreben hinausgehen, dann kann man ihnen auch (unabhängig von dem konkreten Gehalt ihrer Wünsche) das Ziel zuschreiben, stabile, friedfertige Beziehungen in einer Gruppe etablieren zu wollen Dieser Einwand unterscheidet sich von einer individualethischen Variante, die die individuelle Verantwortung für die gemeinsame Kultur betont Aus dem (abgeleiteten) Wunsch nach stabilen, friedfertigen Beziehungen läßt sich eine soziale Verantwortung des einzelnen ableiten, sich an den Diskursen in einer Gruppe zu beteiligen und Regeln als Ergebnis dieser Diskurse zu akzeptieren. Der zweite Einwand betont zwar zutreffend, daß kein Zwang zur individuellen Gewinnmaximierung besteht. Selbst wenn man die Ableitung der sozialen Verantwortung und also der Beteiligung an Diskursen akzeptiert, bleibt unklar, warum daraus folgen soll, daß ökonomische Akteure im Konfliktfall zwischen ihren rein subjektiven Wünschen und der sozialen Verantwortung die Regeln einer Diskursgemeinschaft einhalten sollen. Sie werden dies eben nur genau dann tun, wenn sie diese ohnehin anerkennen. Das scheint aber zur Begründung einer präferenzorientierten Wirtschaftsethik nicht hinreichend.

IV. Wirtschaftsethik als Kritik der ökonomischen Theorie

1. Diskursethik und christliche Soziallehre Wirtschaftsethik begründet Regeln, denen Menschen beim Wirtschaften folgen. Im Rahmen der ökonomischen Theorie und des Marktmodells sind die Grenzen begründungsfähiger allgemeiner Regeln recht eng. Ein ökonomischer Akteur wird eben dann gegen solche Regeln verstoßen, wenn ihm ein Verstoß individuell nützt. Dem widerspricht auch nicht die Beobachtung, daß es Menschen gibt, die Regeln in Gruppen auch dann ein-halten, wenn diese nicht sanktioniert werden. Solche Menschen mögen Präferenzen haben, die sich nur in Gruppen realisieren lassen, oder ihre individuellen Präferenzen entsprechen (zufällig) den Regeln einer Gruppe. Diese enge Interpretation im Rahmen der ökonomischen Theorie widerspricht aber einer Vielzahl von Intuitionen darüber, was es heißt, verantwortungsvoll zu wirtschaften. Zwar müssen wir nicht fordern, daß moralisches Handeln notwendig mit Verzicht und Kosten einhergeht, aber es kann sein, daß wir bestimmte ökonomische Handlungen auch dann ausschließen möchten, wenn sie durch das individuelle Gewinnprinzip geboten erscheinen. Wie läßt sich diese Intuition begründen?

Man kann zunächst sagen, daß faktisch das Wirtschaften eine Gemeinschaftsunternehmung ist, nach dem Prinzip „einer trage des anderen Last“ In arbeitsteiligen Gesellschaften sind die individuellen Gewinnchancen das Ergebnis des gemeinsamen Markttausches. Es ist einfach vollkommen unklar, warum die einzelne Person Ansprüche auf einen bestimmten Teil des gemeinsamen Werkes unabhängig von der Zustimmung der anderen Menschen geltend machen können soll. Unabhängig von der spezifischen theologischen Begründung scheint die Kritik von Vertretern der christlichen Soziallehre plausibel, daß der ökonomische Liberalismus eine eigenständige Sozialpolitik ausschließt. Die Sozialpolitik verstößt gegen das Gewinnprinzip und gegen das minimale kontraktualistische Gebot der Unparteilichkeit, weil Transferzahlungen die in einer Gesellschaft Benachteiligten besserstellen. Dieser Grundsatz der Barmherzigkeit oder (säkular formuliert) der sozialen Gerechtigkeit läßt sich eben weder auf das Optimierungsproblem am Markt reduzieren noch im Sinne der sozialen Verantwortung einzelner Personen auffassen. Soziale Gerechtigkeit ist unabhängig von den spezifischen Umständen der ökonomischen Entscheidungssituation durch ein individuelles Recht jedes Mitgliedes der Gemeinschaft gekennzeichnet.

Die spezifischen Forderungen der christlichen Soziallehre lassen sich nur im Rahmen der theologischen Ethik verstehen. Verallgemeinerbar hingegen ist die Bedeutung, die der Gemeinschaft (Gemeinde) zukommt. In der ökonomischen Theorie der Politik wird die Verschiedenheit der konkurrierenden ökonomischen Akteure betont, wohingegen ihre Kritiker die Gleichheit der einzelnen Personen als Mitglieder der Gemeinschaft unterstreichen. Eine systematische Rekonstruktion der Bedeutung dieser sozialen Situation in der Gruppe bietet die Diskursethik Anders als in der ökonomischen Theorie der Politik wird vorausgesetzt, daß einzelne Personen hinter ihre individuellen Interessen zurücktreten können müssen, um überhaupt die Ansprüche anderer Personen verstehen zu können. Das Ergebnis einer gemeinsamen Abstimmung ist dann nicht eine institutionelle Rahmenordnung, die jedem einzelnen eigen-interessierten Individuum nützt, sondern eine Menge moralischer Regeln, die aus der Perspektive der dritten Person von allen für wohl begründet gehalten wird. Die Diskursethik betont wie die christliche Sozial-lehre die Gemeinschaft und widerspricht damit dem ökonomischen Programm, das ausschließlich von den Wünschen oder Präferenzen individueller Akteure ausgeht. Allerdings bleibt sowohl in der Diskursethik als auch in der theologischen Ethik der christlichen Soziallehre unklar, warum der einzelne Akteur hinter seine eigenen Interessen zurücktreten sollte. Das gilt auch dann, wenn man Wirtschaft als Gemeinschaftsunternehmung auffaßt. Auch bei reinen Verteilungsproblemen ist es für den einzelnen vorteilhaft, seinen individuellen Vorteil zu verfolgen. 2. Anmerkungen zur ökonomischen Rationalitätstheorie Wie läßt sich also die plausible Auffassung der ökonomischen Theorie, daß der einzelne Akteur die Handlung wählt, die vorteilhaft ist, mit dem ebenfalls plausiblen Einwand verbinden, daß auch beim Wirtschaften die sozialen Beziehungen der Akteure über die Wahl verbindlicher moralischer Regeln entscheiden? Die ökonomische Theorie gewinnt ihre Plausibilität aus dem Bezug auf die Theorie rationaler Wahl. Dabei bietet sie eine ganz spezifische Interpretation davon, was es für eine Person heißt, sich rational zu entscheiden. Man kann die Theorie praktischer Rationalität so rekonstruieren, daß auch die sozialen Strukturen einer Entscheidung systematisch als Bestandteil dieser Entscheidung interpretiert werden kön-nen Die ökonomische Standardinterpretation der Theorie rationaler Entscheidung modelliert Entscheidungen als Wahl aus einer Menge von Güter-bündeln, die über ihre Konsequenzen für den Entscheider beschrieben werden. Im Rahmen einer solchen Modellierung können zwar auch solche Konsequenzen einer Entscheidung berücksichtigt werden, die andere Personen betreffen, aber die Bewertung dieser Konsequenzen für andere erfolgt immer aus der Perspektive des individuellen Entscheiders. Eine solche Beschreibung rationaler Wahl ist tatsächlich sehr beschränkt. Alternative Handlungen lassen sich nicht nur über die Konsequenzen für den einzelnen Entscheider beschreiben, sondern auch allgemeiner über ihre Eigenschaften. Wenn man die Entscheidung einer Person so rekonstruiert, daß sie zwischen alternativen Handlungen wählt und nicht bloß die Konsequenzen alternativer Güterbündel vergleicht, dann können eine Vielzahl verschiedener Handlungsgründe als für eine Entscheidung relevant betrachtet werden. „Teil einer Gemeinschaft sein“ kann sinnvoll auch aus der Perspektive des individuellen Akteurs als Bestandteil einer vollständigen Beschreibung von Handlungen und als Handlungsgrund angesehen werden. Dies entspricht sowohl unseren Intuitionen darüber, was es heißt, eine individuell rationale Wahl zu treffen, als auch der Intuition, daß die sozialen Strukturen, in denen ein Mensch lebt, für seine Entscheidungen auch beim Wirtschaften relevant sind. Ein solches Programm praktischer Rationalität schließt damit an die philosophische Tradition richtiger Praxis an, ohne eine „dicke“ Theorie des Guten voraussetzen zu müssen.

V. Ausblick

Was ist eigentlich Wirtschaftsethik? Wirtschaftsethik diskutiert das Verhältnis verschiedener Handlungsgründe bei ökonomischen Entscheidungen. Man kann unterschiedlicher Auffassung darüber sein, welche Handlungsgründe beim Wirtschaften relevant sind. Im Rahmen der ökonomischen Standardtheorie werden nur solche Handlungsgründe berücksichtigt, die sich auf die Konsequenzen für den individuellen Entscheider beziehen. Kritiker dieser Auffassung machen deutlich, daß es auchbeim Wirtschaften eine Vielzahl guter Gründe für die eine oder die andere Entscheidung geben kann. Auch wenn man dieser Kritik folgt, kann man der (plausiblen) Vorstellung anhängen, daß individuelle Akteure aus einer Menge von Handlungsalternativen genau jene wählen, die vorteilhaft ist. Allerdings müssen die zur Wahl stehenden Handlungsalternativen anders und detaillierter beschrieben werden.

Es reicht nicht aus, einen ökonomischen Konflikt ausschließlich aus der eigenen Perspektive zu beschreiben. Bei der Bewertung eines Unternehmens muß man nicht nur die Aktienkurse oder den in der Bilanz ausgewiesenen Gewinn nach Steuern betrachten. Auch wenn Unternehmen profitorientiert sind, so fällen sie ihre Entscheidungen doch in strukturellen Grenzen, die nicht nur durch die legale Rahmenordnung bestimmt sind, sondern auch durch die von einer Entscheidung betroffenen Menschen. Das gilt insbesondere, weil ökonomische Strategien langfristig ausgerichtet sind. Langfristig sind auch individuell rationale Entscheidungen nur dann durchsetzbar, wenn sie für die Betroffenen dieser Entscheidungen zustimmungsfähig sind.

Eine Konsequenz, die Hoechst aus dem Störfall in Griesheim (und weiteren Unfällen) gezogen hat, ist das Bemühen, genauer zu verstehen, wie andere das Unternehmen und die chemische Produktion wahrnehmen Vielleicht ist dieses Bemühen um Verständnis das, was Wirtschaftsethik auszeichnen sollte.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Peter Holle, Griesheim: Störfälle dürfen nicht zum Galgen werden, in: Frankfurter Rundschau vom 9. Februar 1996, S. 19.

  2. In Deutschland z. B. Niklas Luhmann, Wirtschaftsethik -als Ethik?, in: Josef Wieland (Hrsg.), Wirtschaftsethik und Theorie der Gesellschaft, Frankfurt/M. 1993, S. 134-147.

  3. Zu der Unterscheidung verschiedener Beziehungen zwischen Wirtschaft und Ethik vgl. Annemarie Piper, Ethik und Ökonomie, in: Bernd Biervert/Klaus Held/Josef Wieland (Hrsg.), Sozialphilosophische Grundlagen ökonomischen Handelns, Frankfurt/M. 1990, S. 86-101.

  4. Eine gute Übersicht über die Vielfalt möglicher Themen vermittelt der Sammelband von Hans Lenk/Matthias Maring (Hrsg.), Wirtschaft und Ethik, Stuttgart 1992.

  5. Vgl. zur Unterscheidung Karl Homann/Franz Blome-Drees, Wirtschafts-und Unternehmensethik, Göttingen 1992, S. 9-19; Albert Löhr, Unternehmensethik und Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1991, S. 222-250.

  6. Eine kurze historische Einführung in die Wirtschaftsethik gibt Josef Meran, Wirtschaftsethik. Über den Stand der Wiederentdeckung einer philosophischen Disziplin, in: Hans Lenk/Matthias Maring, Wirtschaft und Ethik, Stuttgart 1992, S. 45-81.

  7. Die Geschichte über Thales findet sich in Aristoteles, Politik, übersetzt von Olof Gigon, München 19866, 1258 a 5-17. Beim Wirtschaften unterscheidet Aristoteles die Gerechtigkeit im privaten Verkehr (was wir heute als Frage der effizienten Ressourcenverwendung bezeichnen) von der Verteilungsgerechtigkeit im Zusammenleben der Menschen, vgl.

  8. Vgl. zur „neoaristotelischen“ Managementliteratur z. B. Robert C. Solomon, Ethics and Excellence. Cooperation and Integrity in Business, New York-Oxford 1993, S. 95-196. Ein im weiteren Sinne wirtschaftspolitisches Programm (für die USA) entwirft Amitai Etzioni, Die Entdeckung des Gemeinwesens, Stuttgart 1995, S. 245-260 und S. 281-299, vgl. die Rezension von Rudolf Scharping, Von den Kommunitariern lernen, in: Die Zeit vom 22. September 1995, S. 33.

  9. Eine sehr gute Einführung in die Ökonomik als Theorie rationaler Wahl bietet Robert Sugden, Consumer Theory, und ders., How People Choose, beide in: Shaun Hargreaves Heap u. a., The Theory of Choice, Cambridge 19942, S. 26-50.

  10. Im Englischen wird zwischen dem ökonomischen Liberalismus als „libertarianism“ und dem politischen Liberalismus als „liberalism" unterschieden; zur Unterscheidung vgl. Ernst Tugendhat, Liberalism, Liberty and the Issue of Economic Human Rights, in: ders., Philosophische Aufsätze, Frankfurt/M. 1992, S. 352-370. Die wohl prominentesten Protagonisten des ökonomischen Liberalismus und des politischen Liberalismus sind für ersteren Robert Nozick, Anarchy, State and Utopia, New York 1974, und für letzteren John Rawls, Die Idee des politischen Liberalismus. Aufsätze 19781989, hrsg. von Wilfried Hinsch, Frankfurt/M. 1994. Zu dem Programm und den empirischen Anwendungen des ökonomischen Liberalismus siehe auch Karl Homann/Ingo Pies, Liberalismus: kollektive Entwicklung individueller Freiheit -Zu Programm und Methode einer liberalen Gesellschaftstheorie, in: Homo Oeconomicus, X (1993) 3/4, S. 297-347. In politischen Auseinandersetzungen wird auch der Begriff „Neoliberalismus“ verwendet, um diese Art des ökonomischen liberalen Programms zu kennzeichnen.

  11. Vgl. Daniel M. Hausman/Michael S. McPherson, Economic Analysis and Moral Philosophy, Cambridge 1996, S. 38-65.

  12. Für eine längere Diskussion vgl. Thomas Schmidt, Werte und Entscheidungen: Über die Relevanz einiger ausgewählter Kapitel der praktischen Philosophie für ein empirisches Forschungsprojekt, in: Karl Reinhard Lohmann/Thomas Schmidt (Hrsg.), Werte und Entscheidungen im Management, Marburg 1996, S. 29-82, bes. S. 65-70, und im selben Band meinen Beitrag, Zur Integration von Werten in Entscheidungen, S. 137-194, bes. S. 154-186.

  13. Eine solche probabilistische Konstruktion der Vertrags-theorie unterscheidet sich von einer Vertragstheorie, wie sie John Rawls vorschlägt. Bei Rawls wählen die Individuen die institutionellen Grundlagen ihrer Gesellschaft hinter einem Schleier des Nichtwissens („veil of ignorance“), hinter dem sich der moralisch motivierte Egalitarismus verbirgt, vgl. John Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt/M. 19937, S. 159-166. Die Vorstellung des konstitutionellen Vertrages hinter einem Schleier der Unsicherheit („veil of uncertainty“) vertritt James Buchanan, The Economics and the Ethics of Constitutional Order, Ann Arbor 1991, S. 48 und S. 54-58.

  14. In Deutschland vertritt ein solches ordnungsethisches Programm Karl Homann. Für eine kurze Einführung vgl. Karl Homann, Die moralische Qualität der Marktwirtschaft, in: List Forum, 20 (1994) 1, S. 15-27; ders., Wirtschaftsethik, in: Georges Enderle u. a. (Hrsg.), Lexikon der Wirtschaftsethik, Freiburg u. a. 1993, Spalte 1286-1296. Zur Kritik vgl. Matthias Kettner, Rentabilität und Moralität. Offene Probleme in Karl Homanns Wirtschafts-und Unternehmens-ethik, in: Forum für Philosophie Bad Homburg (Hrsg.), Markt und Moral. Die Diskussion um die Unternehmens-ethik, Bern u. a. 1994, S. 241-267.

  15. So ist z. B. unklar, ob das Klonen von Menschen unter das Verbot der gentechnischen Manipulation menschlicher Embryonen fällt, da der Embryo erst mit der Klonung entsteht. Nach der geltenden rechtlichen Regelung könnte man die Auffassung vertreten, daß ein geklonter Embryo dem besonderen Schutz des Staates unterliegt.

  16. Es gibt einen terminologischen Streit, ob solche Organisationen von Unternehmen sinnvoll als Teil der Wirtschaftsethik aufzufassen sind oder ob man besser von Unternehmensethik (in einem allerdings weiten Sinn) spricht. Ich folge hier der Auffassung von Horst Steinmann/Ansgar Zerfass, Unternehmensethik, in: G. Enderle u. a. (Anm. 14), Spalte 113-1122, bes. Spalte 1115 und 1120.

  17. Das Konzept der ethischen Präferenzen vertritt John C. Harsanyi, Morality and Incentives, in: Francesco Farina/Frank Hahn/Stafano Vanucci (Hrsg.), Ethics, Rationality and Economic Behaviour, New York 1996, S. 22-35. Harsanyi setzt allerdings die interpersonelle Vergleichbarkeit des Nutzens einer Handlung für verschiedene Personen voraus.

  18. Zu den folgenden Überlegungen vgl. Birger P. Priddat, Moralischer Konsum. Über das Verhältnis von Rationalität, Präferenzen und Personen, in: Karl Reinhard Lohmann/Birger P. Priddat (Hrsg.), Ökonomie und Moral. Beiträge zur Theorie ökonomischer Rationalität, München 1997, S. 175193.

  19. So kann man das Begründungsprogramm von Horst Steinmann rekonstruieren, vgl. Horst Steinmann/Albert Löhr, Die Diskussion um eine Unternehmensethik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Hans Lenk/Matthias Ma-ring (Hrsg.), Wirtschaft und Ethik, Stuttgart 1992, S. 235-252.

  20. Vgl. Peter Koslowski, Wirtschaft als Kultur, Wien 1989.

  21. So mahnt Paulus im Brief an die Galater, Galater 6. 2.

  22. Vgl. Alfred Jäger, Wirtschaftsethik als ökonomisches und christliches Postulat, in: Peter Ulrich (Hrsg.), Auf der Suche nach einer modernen Wirtschaftsethik, Bern u. a. 1990, S. 39-51. Aktuell der gemeinsame Text von dem Kirchenamt der Evanglischen Kirche in Deutschland und dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Bonn 1997. Zur Diskussion vgl. Nikolaus Piper, Gott und das Geld, in: Die Zeit vom 28. Februar 1997, S. 24.

  23. Vgl. zur Einführung Karl-Otto Apel, Diskursethik als Verantwortungsethik und das Problem der ökonomischen Rationalität, in: B. Biervert/K. Held/J. Wieland (Anm. 3), S. 121-154. In der Ökonomie wird die Diskursethik im deutschsprachigen Raum von Peter Ulrich vertreten, ders., Transformation der ökonomischen Vernunft. Fortschrittsperspektiven der modernen Industriegesellschaft, Bern u. a. 19933, insbes. S. 269-338.

  24. Mit diesem Programm folge ich Julian Nida-Rümelin, Kritik des Konsequentialismus, München 1993, S. 36-40; ders., Ökonomische Optimierung in den Grenzen struktureller Rationalität, in: K. R. Lohmann/B. P. Priddat (Anm. 18), S. 101-111.

  25. Ein Teil dieses Bemühens dokumentiert sich in einem Umweltmagazin der Hoechst AG, in dem unter anderem ein so prominenter Kritiker der chemischen Industrie wie Joschka Fischer zu Wort kommt, Joschka Fischer, Bleibt hier und werdet besser, in: Friedmar Nusch (Hrsg.), Change. Das Umweltmagazin von Hoechst, Frankfurt/M. 1996, S. 55.

Weitere Inhalte

Karl Reinhard Lohmann, geb. 1966; Studium der Philosophie, Agrarwissenschaften und Soziologie in Göttingen und Hamburg; Promotionsstudent an der Philosophischen Fakultät Göttingen. Veröffentlichungen u. a.: Darf Pedro sein Land verkaufen? Versuch einer sozialwissenschaftlichen Perspektive in der Ökonomik, Marburg 1995; (Hrsg. zus. mit Thomas Schmidt) Werte und Entscheidungen im Management, Marburg 1996; (Hrsg. zus. mit Birger P. Priddat) Ökonomie und Moral. Beiträge zur Theorie ökonomischer Rationalität, München 1997.