In diesem Beitrag geht es um die Frage, ob es eine zielgerichtete britische Besatzungspolitik gegeben hat und ob dieser Politik Vorstellungen zugrunde gelegen haben, wie nach der Liquidation des NS-Staates ein neues Deutschland aussehen und seinen Platz in Europa finden könne.
In dem Sammelband „Westdeutschlands Weg zur Bundesrepublik“ ist Hermann Graml in seinem Beitrag der Frage nach den Zielvorstellungen der Alliierten in Deutschland nachgegangen Dabei kommt er für die Zeit vor der Potsdamer Konferenz und auch für die Zeit danach auf die griffige Formel von der „konzeptionslosen Entschlossenheit“, die Kennzeichen der alliierten Politik gewesen sei. Also hat es kein Konzept gegeben?
Und was heißt in diesem Zusammenhang Entschlossenheit?
Die Entschlossenheit zeigt sich zumindest in der Intention, die der „Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands“ vom 5. Juni 1945 zugrunde lag. Damals erklärten die vier Militärgouverneure und Oberbefehlshaber ihrer Streitkräfte in Deutschland -General Eisenhower, Marschall Shukov, Feldmarschall Montgomery und General de Lattre Tassigny -, daß sie als Vertreter ihrer Regierungen in Washington, Moskau, London und Paris „die oberste Regierungsgewalt“ in Deutschland übernehmen würden, und dies „einschließlich aller Befugnisse der deutschen Regierung Juni 1945 zugrunde lag. Damals erklärten die vier Militärgouverneure und Oberbefehlshaber ihrer Streitkräfte in Deutschland -General Eisenhower, Marschall Shukov, Feldmarschall Montgomery und General de Lattre Tassigny -, daß sie als Vertreter ihrer Regierungen in Washington, Moskau, London und Paris „die oberste Regierungsgewalt“ in Deutschland übernehmen würden, und dies „einschließlich aller Befugnisse der deutschen Regierung, des Oberkommandos der Wehrmacht und der Regierungen, Verwaltungen oder Behörden der Länder, Städte und Gemeinden“ 2.
Damit wurde in der Tat Entschlossenheit demonstriert, die -wie es englisch heißt -supreme authority in Deutschland auszuüben. So wie es das Drei-und später Viermächtegremium in London, die European Advisory Commission, während des Krieges überlegt hatte und wie es auf der Konferenz der „großen Drei“ (Roosevelt, Stalin, Churchill) im Februar 1945 in Jalta zum Beschluß erhoben worden war, geschah es nun: Mit der Einrichtung der erst drei, dann vier Besatzungszonen und mit der Festlegung des Kontrollverfahrens in Deutschland (Alliierter Kontrollrat, Militärregierungen in den Besatzungszonen) war das Instrumentarium für ein „entschlossenes“ Regiment gegeben 3. Doch wurde es ohne Konzept gehandhabt?
Die Frage ist zu bejahen, soweit es sich um das gemeinsame Konzept der Alliierten handelt. Auch das, was in Potsdam beschlossen worden war, war kaum mehr als ein rudimentärer Ansatz für ein gemeinsames Konzept 4. Zum einen stellte die Zulassung politischer Parteien in der SBZ im Juni/Juli 1945 -beginnend mit der KPD am 11. Juni 1945 -einen Vorgriff auf das dar, was erst die Potsdamer Konferenz zu beschließen hatte. Zum anderen gab es in Potsdam den nie in die Tat umgesetzten Beschluß, „zentrale deutsche Verwaltungsabteilungen“ einzurichten, an deren Spitze „Staatssekretäre“ stehen sollten.
Daß ein gemeinsames alliiertes Konzept fehlte, hat in erster Linie mit dem Unvermögen der Siegermächte zu tun, sich auf gemeinsame Leitlinien zu verständigen. Doch dieses Unvermögen war in den einander diametral entgegenstehenden Denk-und Zielvorstellungen der östlichen Siegermacht einerseits und der westlichen Siegermächte andererseits angelegt. Der „Kalte Krieg“ begann im Grunde genommen schon zu dem Zeitpunkt, da der gemeinsame Gegner besiegt war und nachfolgend die sowjetische Herrschaft über Ostmitteleuropa errichtet wurde. Nach heutigem Forschungsstand kann durchaus davon ausgegangen werden, daß die Briten -für sich allein betrachtet -eine konzeptionelle Deutschlandpolitik vertreten haben 5.
Die „Regeneration of Germany“ als Ziel der britischen Politik
Als im Herbst 1943 mit der Moskauer Außenministerkonferenz und der nachfolgenden Konferenz der „Großen Drei“ -also Stalin, Roosevelt und Churchill -in Teheran neben den vorrangigen militärischen Planungen auch die politischen Aspekte einer künftigen Friedensordnung in das Blickfeld rückten, begann das britische Foreign Office sich intensiv mit der Frage zu befassen, wie Deutschlands Stellung in einer solchen Ordnung aussehen könne. John Troutbeck wurde als neu berufener Deutschland-Berater des Außenministeriums mit der Ausarbeitung eines Memorandums befaßt, das Denkvorstellungen des War Cabinet wie auch des Foreign Office aufzunehmen hatte. Das im Dezember 1943 fertiggestellte Memorandum trägt den bezeichnenden Titel Regeneration of Germany
Diese „Regenerierung“ sollte später die Wiederaufnahme eines demokratischen Deutschland in die europäische Gemeinschaft ermöglichen. Diese Zielvorstellung war und blieb während der ganzen Besatzungszeit unstrittig. Man rechnete in britischen Regierungskreisen damit, Deutschland für etwa zehn Jahre besetzt zu halten. Diese Zeitspanne würde ihren Sinn verfehlt haben, wenn es danach zu wesentlichen Änderungen in der Struktur und inneren Ausrichtung des Landes käme. Kurz gesagt: Deutschland sollte nach dem Vorbild westlicher Demokratien ein denselben Werten und dabei vor allem auch den Menschenrechten verpflichtetes Land in Europa werden; es sollte ein im Herzen Europas dem Frieden verpflichtetes Land werden
Diese Zielvorstellung ließ offen, welcher Weg zu ihrer Realisierung zu beschreiten war. Eine wichtige Vorgabe machte im Auftrage der britischen Regierung Troutbecks Mitarbeiter O’Neill als Verfasser eines Memorandum on the Re-education of Germany. Im Februar 1944 lag das Dokument fertig vor und ging in die britische Deutschlandpolitik ein Nach dem Kriegsende zeigte sich recht bald, daß der Begriff „Umerziehung“ nicht hilfreich war, um mit den Deutschen umzugehen und sie zur Mitverantwortung für ihr Gemeinwesen anzuhalten. Zugegeben: Der englische Begriff ist weniger „hart“ als das entsprechende deutsche Wort, und am Anfang der Besatzung störte man sich auch nicht an der deutschen Reaktion. Man trat mit dem Anspruch auf, die Maßnahmen „zur Förderung der Demokratie in Deutschland“ nach britischem Vorbild ergreifen zu können. Im Februar 1946 wurde in deutscher Sprache die folgende Richtlinie verbreitet, die den bezeichnenden Satz enthält: „Unsere Demokratie, die widerstandsfähigste der Welt, ist das Produkt unseres Landes. Auf britischem Boden gedeiht sie am besten; aber wir exportieren sie, und wenn sie sorgfältig gehegt und gepflegt wird, so wächst und gedeiht sie in allerlei Ländern.“
Man kann die Änderung der deutschen Gemeindeordnung gemäß der britischen Verordnung Nr.21 (Inkrafttreten am 1. April 1946) als ein solches Eingreifen von außen in die tradierten Formen deutscher kommunaler Selbstverwaltung begreifen Aber es gibt kaum weitere Beispiele -schon gar nicht eines solcher Gewichtigkeit wie die Gemeindeordnung -, um gezielte Eingriffe nach britischem Vorbild in das überlieferte deutsche Verfassungsrecht der Zeit vor 1933 nachzuweisen. Diese Zurückhaltung -entgegen der zitierten britischen Richtlinie -hatte ihren Grund: nämlich die wachsende Erkenntnis, daß nur das Bestand hat, was von den Deutschen aus eigener Überzeugung angenommen wird. Schließlich waren in den Augen der meisten Briten -von den Vansittarts abgesehen -die Deutschen ein hochrangiges Kulturvolk. Auschwitz, Bergen-Belsen und Buchenwald hatten -bei allem Erschrecken über soviel Grausamkeit und Unmenschlichkeit -nicht verdrängt, wofür in der deutschen Geistesgeschichte symbolhaft Weimar steht. Mußte man also wirklich „Demokratie exportieren“, wenn doch die inneren Voraussetzungen für eine liberale und sittlich verankerte Werteordnung in Deutschland selbst durchaus gegeben waren? Daß dies der Fall war, hat einer der klügsten Verantwortlichen in der britischen Besatzungspolitik seinen eigenen Landsleuten -und vor allem denen, die in politischer Verantwortung standen -klarzumachen versucht, nämlich Robert Birley, damals Headmaster of Charterhouse und Jahre später (ab Herbst 1949) Headmaster ofEton Collegen.
Robert Birley als Inspirator der Ziele und Wege der britischen Besatzungspolitik Robert Birley war ein kritischer Beobachter der britischen Politik. Er veröffentlichte am 8. Mai 1945 einen Leserbrief an den Herausgeber der Times unter der Überschrift „Re-educating Germany“. An dem Tage, da in Großbritannien der Victory-in-Europe-Day (VE-Day) begangen wurde, machte Birley seinen Lesern und Leserinnen klar: Die eigentliche Aufgabe läge noch vor den Briten, nämlich dabei zu helfen, das deutsche Problem zu lösen. Zu dieser Zeit war Birley noch ein Anhänger der Re-education. Aber es war ihm wichtig, die Ziele der Umerziehungspolitik aus der liberalen Bewegung in der deutschen Geschichte abzuleiten. Das Jubiläumsjahr 1948 mit dem Rückblick auf die deutsche Revolution 1848 stand damals bevor Birley kannte die deutsche Geschichte. Die deutsche Gegenwart erlebte er im Spätherbst 1946, als er im Auftrage der britischen Regierung die britische Zone bereiste Er gewann Einsichten, die bei der Übernahme des Amtes eines „Erziehungsberaters“ für den Militär-gouverneur der britischen Zone im April 1947 von großem Wert waren. Nunmehr war Robert Birley für den gesamten Bereich des Erziehungswesens in der britischen Zone, für die dortige educational reconstruction, verantwortlich.
Am 3. Dezember 1947 erstattete Birley britischen Zuhörern Bericht über seine bisherige Arbeit in Deutschland Er stellte der britischen Richtlinie vom 1. Februar 1946 seine Auffassung entgegen: „Es macht keinen Sinn anzunehmen, daß sich britische Einrichtungen auf deutschen Boden verpflanzen lassen. Nötig ist die wechselseitige geistige Anregung.“ Hierzu gehöre britischerseits die Kenntnis der deutschen Geschichte, und umgekehrt sollte es auch deutscherseits ein Bemühen darum geben, britische Traditionen zu verstehen. Dieses Bemühen könne darin gipfeln, daß deutsche Besucher und vor allem die Erzieher der kommenden Generationen in England etwas erleben. was Birley als a living democratic tradition umschrieb. Dies könne ein Ansporn sein, eine lebendige und menschliche Demokratie in Deutschland aus den geschichtlichen Voraussetzungen dieses Landes aufzubauen. So könnten die Deutschen auch zu einem gesunden patriotischen Empfinden zurückfinden.
Birley setzte mit seinen Worten auf den Stimulus of mind on mind; das war sein Schlüsselbegriff Er kam um so mehr zur Geltung, als Birley die Deutschen -zumindest im Grundsatz, ganz gewiß nicht alle -als gleichwertige Gesprächspartner anerkannte. Er begegnete ihnen mit großem Respekt, wenn sie aus dem Widerstand kamen und nun das große Aufbauwerk in Deutschland in Angriff nahmen -wie Adolf Grimme, Christine Teusch, Kurt Schumacher und viele andere.
Birley wußte auch um die geistige Krisis, in die in der Zeit zwischen den Weltkriegen nicht nur Deutschland, sondern auch andere Länder geraten waren Der Nihilismus sei eine geistige Erscheinung, die die faschistischen Kräfte in Europa begünstigt habe. Und dennoch war es für Birley ein Zeichen besonderer politischer Unreife, daß der Nationalsozialismus in Deutschland im Bildungsbürgertum und unter vielen Universitätsangehörigen Zustimmung gefunden hatte, obwohl doch für jeden klardenkenden Menschen die nationalsozialistische Ideologie als ein Konglomerat teils unsinniger, teils verbrecherischer Denkvorstellungen zu erkennen gewesen sei. Birley sah darin den Ausdruck politischer Unreife, die zur Trennung von Politik und Moral und zu einem Mangel an politischer Mitverantwortung für das Gemeinwesen geführt habe Die Schriften von Max Weber und Alfred Weber gaben Birley die Erkenntnis, daß das Bismarck-Reich, und zwar insbesondere in seiner wilhelminischen Ausprägung, dem Volk die Mitverantwortung für seine Regierung genommen habe, was dann die politische Unreife begünstigt hätte.
Die Jahre, die Robert Birley mit seinen Mitarbeitern (es wären viele Namen zu nennen in der britischen Zone verbracht hat, sind von nicht zu unterschätzender Bedeutung für den inneren, geistigen Wiederaufbau in Deutschland. Nur so konnte auch der materielle Wiederaufbau gelingen; und nur so ließen sich Verfassungsformen finden, die das deutsche Staatsleben auf eine neue Grundlage gestellt haben.
Britische Zuständigkeiten für die „kurzfristig“ und „langfristig“ angelegte Besatzungspolitik
Noch einmal: Es hat eine überlegte und in ihren Teilbereichen koordinierte britische Besatzungspolitik gegeben. Die Verantwortung für die Grundlinien dieser Politik lag seit Herbst 1945 beim Control Office, das im April 1947 als German Section in das Foreign Office integriert wurde.
Somit hatte zu der Zeit, da die deutsche Frage wieder auf der internationalen Tagesordnung stand -und das war 1947 der Fall -, der britische Außenminister Ernest Bevin alle Fäden in der Hand. Die Staatsminister für Deutschland, nämlich erst John Hynd und dann Lord Pakenham, waren mehr oder weniger das Bindeglied zwischen den Londoner Regierungsbehörden und den Organen der britischen Kontrollkommission mit ihrem Advanced Headquarters in Berlin und ihrem Main Headquarters und den Zonal Executive Offices im westfälischen Raum der britischen Zone
Wie läßt sich nun die britische Besatzungspolitik in ihren Phasen und Sachaspekten untergliedern? Aus dem Aktenbefund im britischen Public Record Office ergibt sich eine gewisse zeitliche Zweiteilung, der bestimmte Sachaspekte zugeordnet werden können. Dies zeigt sich in der folgenden Übersicht, die Grundlage für die weiteren Ausführungen ist: 1. Die sogenannte Short Term Policy a) Maßnahmen zur Versorgung der Bevölkerung; b) Maßnahmen zur Ausschaltung und ggf.
Bestrafung von Personen, die als Funktionsträger der NS-Herrschaft für diese Herrschaft in besonderem Maße verantwortlich waren; c) Maßnahmen zur Ausschaltung eines Kriegs-potentials durch Demontage und Zerstörung kriegswichtiger Anlagen. 2. Die sogenannte Long Term Policy a) Maßnahmen zur geistigen Neuorientierung, verkürzt: der Bereich der Re-education\ b) Maßnahmen im Hinblick auf verantwortliche Verwaltungsformen in Gemeinden und Kreisen und im Hinblick auf eine neu zu schaffende Länderordnung mit demokratischer Regierungsform, verkürzt: Durchsetzung von Responsible Government; c) Maßnahmen zur Lösung der deutschen Frage im Zusammengehen mit anderen Besatzungsmächten nach demokratischen und bundesstaatlichen Prinzipien; verkürzt:
Herbeiführung einer Federation of Germany.
Die Short Term Policy und die Long Term Policy sind nicht unbedingt in einer zeitlichen Aufeinanderfolge zu verstehen, sondern sie überlappen sich teilweise.
Die „Short Term Policy“
Kurzfristig waren Maßnahmen erforderlich, die der elementaren Versorgung der notleidenden Menschen dienten. Dabei ging es insonderheit um die Flüchtlinge und ab Winter 1945/46 -gemäß der Aktion Swallow -um die aus ihrer Heimat östlich der Oder-Neiße ausgewiesenen Menschen Ihnen war ein Obdach zu geben; vielfach geschah das durch Einweisung in Notunterkünfte, die nicht selten menschenunwürdig waren. Mehr noch lebten Flüchtlinge und Vertriebene in beschlagnahmtem Wohnraum zur Untermiete bei Einheimischen. Es galt, den Kampf gegen den Hunger zu führen, wozu auch die Wiederherstellung von zerstörten Transportwegen gehörte
Des weiteren ging es um Hunderttausende von Soldaten, die in sogenannten Concentration Areas auf ihre Demobilisierung warteten, was dann auch gemäß der Aktion Clobber im Herbst 1945 anlief Die Maßnahmen zur Zerstörung von tatsächlich oder angeblich kriegswichtigen Anlagen (dazu zählten in den Hafenstädten auch Teile der Kaianlagen!) und die Maßnahmen der Demontage zogen sich -gemäß den Demontage-Listen des Alliierten Kontrollrates -bis in die Anfänge der Bundesrepublik hin
Zu den Sofortmaßnahmen der Short Term Policy gehörte auch die Handhabung der Entnazifizierung. Besonders NS-belastete Personen wurden gemäß den in London festgelegten automatic arrest categories inhaftiert. Tausende kamen in die Civil Internment Camps und sahen dort ihrem Entnazifizierungsverfahren entgegen
Besonders streng war die Entnazifizierung in den Bereichen Rechtspflege und Lehre/Erziehung. Hier wurde sofort der sogenannte „Stillstand“ verfügt. Die Überprüfung des Personals lag in britischer Verantwortung, folgte den Bewertungs-und Einteilungskriterien des Alliierten Kontrollrats und ging erst mit der britischen Verordnung Nr. 110 vom 1. Oktober 1947 in deutsche Verantwortung über Der „Stillstand“ endete im Herbst 1945, als -„von unten“ mit den Amtsgerichten und Volksschulen anfangend -schließlich auch die Oberlandesgerichte und die Universitäten wieder ihre Arbeit aufnehmen konnten Dabei war der Direktor der Education Branch, D. C. Riddy, uner-müdlich darum besorgt, daß die Schulkinder die Schule auch besuchen konnten. Schulgebäude waren zerstört oder dienten vielfach als Flüchtlingslager. Schuhzeug fehlte. Riddy half dabei, daß die Kinder einen geregelten Schulalltag hatten und daß ihnen -zumindest in größeren Städten, und dies meist mit internationaler Hilfe -eine tägliche warme Schulmahlzeit zukam. War das nicht auch, so fragte Riddy, für die Deutschen eine Bestätigung dafür, daß man sich für die Zukunft Deutschlands verantwortlich fühle? Kinder seien doch die Zukunft
Die Verwaltungsbehörden in Gemeinden, Kreisen, Provinzen und Ländern kannten einen „Stillstand“ ihrer Tätigkeit nicht. Spitzenpositionen (u. a. Ober-präsidenten, Regierungspräsidenten, Landräte, Oberbürgermeister) wurden in der Regel schon im Mai 1945 ausgewechselt, in unteren Bereichen nach und nach, je nach NS-Belastung, aber sehr viel „schonender“, um die Verwaltung effektiv zu halten und um die Versorgung der Bevölkerung -meist an der Grenze des Existenzminimums -sicherzustellen. Man scheute sich britischerseits auch nicht, die Ernährungsverwaltung des ehemaligen „Reichsnährstandes“ unter britischer Verantwortung als Regional Food Office fortbestehen zu lassen
Die „Long Term Policy“: „Re-education“
Die gesellschaftspolitische Erneuerung in Deutschland war Sache der Long Term Policy. Diese langfristig angelegte Politik hatte den Aufbau eines neuen demokratischen Gemeinwesens zum Ziel. Hiervon ist anhand der englischen Leitbegriffe zu reden.
Wir haben es bei der „Umerziehung“ mit dem vielleicht wichtigsten Leitbegriff der britischen Deutschlandpolitik zu tun, und dies hat durchaus seinen Niederschlag in der Forschung gefunden Die Briten wurden sich aufgrund der Erfahrungen in ihrer Besatzungszone sehr wohl der Problematik des Begriffes Re-education bewußt. Im August 1948 äußerte sich hierzu Mr. Crawford als damaliger Leiter der Erziehungsabteilung in der German Section des Foreign Office folgendermaßen: „Wir stimmen alle darin überein, daß die Umerziehung das Hauptziel unserer Okkupation ist. Es muß jedoch daran erinnert werden, daß die Deutschen, und auch die freundlichsten unter ihnen, kein Wort so verabscheuen und daß keines so heftige Reaktionen auslöst wie das Wort Re-education. Nun gab Robert Birley als derzeitiger Educational Adviser to the Military Governor ein Beispiel dafür, daß man das Wort zwar vermeiden, aber an den Inhalten und Zielen, die mit dem Begriff verbunden waren, festhalten konnte. Ja, mehr als das: Praktisch sei, so Birley, die ganze Aufgabe der Besatzungsmacht als eine „erzieherische“ Aufgabe zu verstehen : „They (gemeint: the occupying forces) had to rebuild a community. This, in itself meant that we were committed to an educational task. “
Damit war alles, was der Schaffung eines neuen Gemeinwesens im demokratischen und rechtsstaatlichen Sinne diente, dem Erziehungsbereich zugerechnet. Dabei kam es darauf an, die Deutschen in die westliche Wertegemeinschaft einzubeziehen. Als General Sir Brian Robertson nach dreijähriger Tätigkeit als Militärgouverneur der britischen Zone (1947-1949) und fast einjähriger Tätigkeit als Hoher Kommissar in der (West-) Alliierten Hohen Kommission im Juni 1950 nach England zurückkehrte, war dies sein Vermächtnis: Das Ringen um die deutsche Seele habe dank der Arbeit der Education Branch große Erfolge zu verzeichnen; aber dieses Ringen gehe weiter, damit sich aus der Integration of mind Schritt für Schritt die Integration of Germany into the Western World ergeben könne. Diese Integration müsse sicherstellen, so Robertson, daß die Deutschen gegenüber den fundamentalen Prinzipien der Freiheit und der Demokratie dieselbe Grundeinstellung einnehmen wie die westlichen Alliierten
Nun wird man fragen können: Haben damit die Briten als eine der drei westlichen Besatzungsmächte nicht die Deutschen auf ihr Herrschaftssystem festlegen wollen und damit im Prinzip nichts anderes gemacht als die Sowjets in ihrer Zone? Hierzu ist zweierlei zu sagen. Erstens: Anders als im totalitären System des Ostens ließen die Prinzipien von Freiheit und Demokratie nur eine freiwillige Akzeptanz der westlichen Wertegemeinschaft zu. Zweitens: Die meisten Deutschen, die froh waren, unter westlicher Besatzungsherrschaft (und nicht unter sowjetischer Herrschaft) zu leben, waren von sich aus bereit, sich den Werten von Freiheit und Demokratie zu öffnen. Somit wurden die erzieherischen Bemühungen um die Deutschen kaum richtig wahrgenommen. Man durfte die Deutschen nur nicht mit dem Begriff „re-education“ konfrontieren.
Die Erfahrung der Unfreiheit im Dritten Reich hatte viele, die in das totalitäre Herrschaftssystem eingebunden waren, sich innerlich dagegen aufgelehnt, aber meist den Mut und die innere Kraft zum Widerstand nicht hatten, aufgeschlossen gemacht für das hohe Gut der Freiheit. Wer aber -wie die Angehörigen des offenen und auch des stillen Widerstandes -über ein neues Deutschland nachgedacht hatte (das gilt in besonderem Maße für den Kreisauer Kreis, aber ebenso für alle, die die Leitbilder der demokratischen Parteien der Weimarer Zeit in sich bewahrt hatten), brauchte nicht über Recht, Freiheit und Menschenwürde belehrt zu werden. Bei Persönlichkeiten wie Adolf Grimme, Christine Teusch, Kurt Schumacher, Konrad Adenauer, Robert Lehr, Rudolf Amelunxen, Theodor Steltzer -und es ließen sich hier viele weitere Namen aufführen -war der Wille zum demokratischen Neuaufbau von Anfang an da. Als mit der Verordnung Nr. 12 vom 15. September 1945 die Parteienbildung wieder gestattet war war äußerlich der Weg frei für das, was innerlich längst gewollt war: Parteien zu gründen, die dem sozialen, dem christlichen und dem liberalen Demokratiegedanken verpflichtet waren.
Bemerkenswert ist dabei, daß der christliche Demokratiegedanke viele in einer „Union“ einte, die in der Weimarer Zeit unterschiedlichen bürgerlichen Parteirichtungen angehört hatten oder ihnen zugeneigt gewesen waren. Man muß nicht Anhänger der CDU sein, um vor dem Erfahrungshintergrund von Weimar anzuerkennen, daß diese Partei ganz wesentlich zur Stabilität der werdenden Demokratie beigetragen hat
Folgen wir dem grundsätzlichen Ziel der Besatzungsmacht, to rebuild a Community (Birley), dann läßt sich alles aufzählen, was an gesellschaftlichen Einrichtungen dazu gehört und von den Briten auch gefördert wurde: die Vielzahl der freien Verbände, die Schaffung einer einheitlichen Gewerkschaftsorganisation, das Volkshochschulwesen in freier oder kommunaler Trägerschaft. Wer hier tätig war, nahm gesellschaftliche Verantwortung wahr.
Besonderes Augenmerk legten die Briten auf einen vom Staate unabhängigen Rundfunk und auf ein freies Pressewesen Wichtig war hier die klare Trennung von Meldung und Meinung. Schon die Zeitungen der Militärregierung im ersten Besatzungsjahr waren auf die Zusammenarbeit mit Deutschen angewiesen. Der Erfahrungsaustausch, den englische und deutsche Journalisten dabei machten, war eine „versteckte Schule der Demokratie“. Im Frühjahr 1946 wurden deutsche Herausgeber von Zeitungen lizenziert. Diese konnten parteiorientiert sein, wenn damit nicht eine Monopolstellung verbunden war; sie konnten überparteilich sein, wie dies geboten war, wenn an einem Ort aus wirtschaftlichen Gründen nur eine Zeitung bestehen konnte. Die Probleme, mit denen man zu kämpfen hatte, waren auch materieller Natur. Papierknappheit ließ in den ersten Besatzungsjahren ein tägliches Erscheinen von Zeitungen nicht zu.
Im Bereich des Rundfunks verdient Sir Hugh Greene Beachtung Nicht nur er hat entscheidend dafür Sorge getragen, daß aus dem „Radio Hamburg“ ein unabhängiger „Nordwestdeutscher Rundfunk“ (NWDR) wurde. Er gab auch im Umgang mit seinen deutschen Redakteuren das Vorbild ab für eine liberale und tolerante Leitung des Rundfunks. Axel Eggebrecht hat davon mündlich berichtet: Er wurde einmal zu Sir Hugh Greene zitiert, um sich für eine Sendung zu rechtfertigen, in der das Leiden der hungernden und frierenden Menschen mit Kritik an der britischen Besatzungsmacht verbunden worden war. Was Greene allein wissen wollte, war die Korrektheit der der Sendung vorausgegangenen Recherchen. Axel Eggebrecht konnte diesen Nachweis liefern; die Sache war damit erledigt. Auf Eggebrecht hat dieses Gespräch mit Greene einen tiefen Eindruck gemacht. Er hatte mit seiner Entlassung gerechnet und sah sich nun in seiner journalistischen Arbeit bestätigt. Eggebrecht: Er hätte nun verstanden, was Demokratie wirklich bedeutete; sie sei eine täglich praktizierte Lebensform Ähnlich hat sich Adolf Grimme über Erfahrungen geäußert, die er 1946 bei einem Besuch in England gemacht hatte
Bei allen Belastungen, die mit der Besatzung verbunden waren, etwa auch durch die Beschlagnahme von öffentlichen Gebäuden und auch von privatem Wohnraum für britische Familien, die in großer Zahl in der Zone lebten, um mit ihren hier stationierten Männern vereint zu sein: Das alltägliche Kennenlernen und Zusammenarbeiten von Briten und Deutschen hat zu einem besseren gegenseitigen Verstehen geführt. Die Möglichkeiten zu Begegnungen wurden mit der Einrichtung der British Information Centers -„Die Brücke“ genannt -institutionalisiert. Ihre Höchstzahl betrug zu Beginn der fünfziger Jahre55; das heißt, es gab in fast jeder größeren Stadt ein Information Center und ihre sukzessive Schließung nach der Besatzungszeit löste vielfach Enttäuschung und Bedauern aus. Ein Gutteil der kulturellen Aktvitäten wurde allerdings aufgefangen durch das British Council und durch Deutsch-Englische Clubs. Eine maßgebliche Rolle für die deutsch-britischen Beziehungen spielte fortan die Deutsch-Englische Gesellschaft, aus der heraus sich die Königswinter-Konferenzen entwickelt haben
Robert Birley trug Sorge dafür, daß alle Möglichkeiten für den wechselseitigen Stimulus ofmind on mind ausgeschöpft wurden. Er nahm dankbar zur Kenntnis, daß nicht mehr so sehr ein Lord Vansittart mit seinem Black Record über die Deutschen -das war Propaganda der Kriegsjahre sondern deutlich mehr der 1893 in London geborene jüdische Verleger und Schriftsteller Victor Gollancz mit seinen Aufrufen zum menschlichen Miteinander und zur Versöhnung mit den Deutschen auf die öffentliche Meinung in England Einfluß zu nehmen begann Das war hilfreich, damit u. a. englische Fachverbände der Lehrer und der Erwachsenenbildung wie auch Gewerkschaften, Kommunalverbände und andere Einrichtungen bereit waren, Deutsche zu ihren Tagungen und Konferenzen einzuladen. Und umgekehrt sollten Briten bereit sein, für möglichst längere Zeit in der britischen Zone beim inneren Wiederaufbau des Landes zu helfen.
Birley war ein unermüdlicher Förderer der Wilton Park Conferences, die in England Tausende von Deutsche aus allen Zweigen des öffentlichen Lebens besucht haben, und das für zwei bis sechs Wochen Heinz Koeppier, ein deutscher Emigrant, der britischer Staatsangehöriger geworden war, leitete die Einrichtung und entwickelte das Konzept der Intra-mural Studies (Vorträge, Seminare, Diskussionsrunden) und der Extra-mural Studies (Besichtigung von öffentlichen Einrichtungen in England).
Begonnen hatte alles als ein Re-education Camp nahe London für deutsche Kriegsgefangene. Nach ihrer Rückkehr -spätestens 1947/48 -wurde die Einrichtung an einem neuen Ort in der Nähe von Brighton -aber unter Beibehaltung des bisherigen Namens -für deutsche Teilnehmer/innen aus der britischen Zone fortgeführt. Für hochrangige Gäste aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung (Very Important Persons') wurden zweiwöchige VIP-Conferences durchgeführt. Wilton Park ist nach der Besatzungszeit als ein europäisches Konferenzzentrum weitergeführt worden und besteht als solches heute noch.
Zum Abschluß dieses Teiles sei hingewiesen auf die weiteren Aktivitäten im Erziehungsbereich, über die britische Education Officers -unter ihnen auch Damen -auf einer von Sir Robert Birley geleiteten Tagung in Oxford (Januar 1975) berichtet haben Zu diesen Aktivitäten zählten u. a. die Aufgaben, die in den Verlags-und Schulbuchausschüssen wahrgenommen wurden, was nicht losgelöst gesehen werden kann von Georg Eckerts Bemühungen in Braunschweig um eine internationale Schulbuchrevision. Der Jugendarbeit galt die besondere Aufmerksamkeit der Youth Officers.
University Control Officers versuchten Einfluß zu nehmen auf eine gesellschaftliche Mitverantwortung der Universität.
Diese Mitverantwortung wurde von den Briten für um so wichtiger gehalten, als Hitlers Aufstieg zur Macht nicht durch kritisches Urteilsvermögen und eben auch nicht durch die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Verantwortung in Universitätskreisen gebremst worden war. Die Universität zur Gesellschaft zu öffnen wurde 1948 aufgrund einer Initiative von Robert Birley einer unabhängigen, international besetzten Hochschulkommission anvertraut, die ein sogenanntes „Blaues Gutachten“ erstellte Doch kurzfristig hat das Gutachten nichts bewirkt, längerfristig -und auch nur indirekt durch neue gesellschaftliche Herausforderungen (68er-Bewegung!) -vielleicht einiges. Die deutschen Universitäten waren besonders traditionsgebunden, und gemäß der Verordnung Nr. 57 vom 1. Dezember 1946 war vom folgenden Jahr an das Schul-und Hochschulwesen in deutsche Verantwortung gelegt worden. Anordnen konnten und wollten die Briten hier nichts. Das „Blaue Gutachten“ ist bis heute ein höchst lesens-und nachdenkenswertes Dokument geblieben
Responsible Government
Schon die im Eingangsteil kurz dargestellte revidierte Deutsche Gemeindeordnung mag gezeigt haben, was nach britischer Auffassung das Grundprinzip der „verantwortlichen Verwaltung“ ist (um für die kommunale Ebene nicht von „Regierung“ zu reden): Die sachkompetente, unpolitische Verwaltung hat umzusetzen, was die von der Bevölkerung gewählte kommunale Körperschaft als politisches Gremium beraten und beschlossen hat. Gemeinde-und Kreistagswahlen fanden übrigens erstmals im Herbst 1946 nach einem von britischer Seite festgelegten Wahlverfahren statt, wobei die Mehrheitsentscheidung mit einem Verhältnisausgleich verknüpft war Wichtig war auch, daß in die Wählerlisten diejenigen nicht aufgenommen wurden, die wegen Mitgliedschaft in der NSDAP vor 1933 und/oder wegen einer Funktion als soge-nannte Politische Leiter als aktive Nationalsozialisten galten.
Grundsatz des Responsible Government ist also: Die Regierung/Verwaltung ist im Sinne der repräsentativen Demokratie der Bevölkerung verantwortlich. Diese hat in dem Vorsitzenden der gewählten Körperschaft ihren Repräsentanten zu sehen. Daß ein Landrat in Deutschland den Kreis repräsentieren und in der Weimarer Zeit auch die Sitzungen des Kreistags einberufen und leiten konnte, war den Briten ein Unding. Sie ließen den Landrat bzw.den (Ober-) Bürgermeister von der Vertretungskörperschaft wählen; er war der Vorsitzende der kommunalen Körperschaft und repräsentierte die Gemeinde, die Stadt oder den Kreis. Verwaltungsaufgaben oblagen dieser Person nicht mehr; dafür gab es die Verwaltungsdirektoren Es ist interessant, wie dieses britische Modell die „eigentliche“ Besatzungszeit -sie reicht bis zur Gründung der Bundesrepublik und dem Inkraftreten des Besatzungsstatuts am 21. September 1949 -nur teilweise überdauert hat. Aber trotz erneuter Revision sind überall die Grundprinzipien des responsible government geblieben, zum Beispiel in Schleswig-Holstein in der Trennung der Funktionen Kreispräsident/Stadtpräsident als politische Spitze, Landrat/Oberbürgermeister (wieder) als Verwaltungsspitze .
Entscheidende Bedeutung kam der Länderebene zu. Hier war eine territoriale Neuordnung geboten denn das meiste Gebiet war preußisch; nur der preußische Staat bestand faktisch nicht mehr. Auch setzte das britische Deutschland-Konzept Klarheit über die Länder voraus, bevor Entscheidungen über die nationale Ebene getroffen werden konnten. Die „deutsche Frage“ stand aber in der für das Frühjahr 1947 geplanten Moskauer Außenministerkonferenz wieder auf der internationalen Tagesordnung. Die britische Zone sollte für die Lösung der künftigen Ordnung in Deutschland so gerüstet sein, wie es der Zielvorstellung der Londoner Regierung entsprach.
Ausgangspunkt der Länderordnung war die 1945 im nordwestdeutschen Raum vorgefundene Verwaltungsstruktur von Ländern (Braunschweig, Oldenburg, Lippe-Detmold und Schaumburg-Lippe), Stadtstaaten (Hamburg, Bremen) und preußischen Provinzen (Schleswig-Holstein, Hannover, Westfalen und Rheinprovinz ohne die nunmehr zur französischen Zone gehörigen Regierungsbezirke Koblenz und Trier). Den Oberpräsidenten der Provinzen wurde praktisch dieselbe Stellung eingeräumt wie den Länderchefs, und das um so mehr, als die Provinzen aufgrund ihrer Größe ein stärkeres politisches und wirtschaftliches Gewicht hatten als die Länder.
Die Verantwortung für die Neustrukturierung des Gebietes der britischen Zone und für die Einführung verantwortlicher Regierungsformen lag innerhalb der britischen Zone -natürlich abhängig von Londoner Weisungen -bei der Governmental Subcommission als Unterorganisation zur Control Commission of Germany (British Element) = CCG(BE). Bei den Londoner Weisungen handelte es sich u. a. um die sogenannten Zone Policy Instructions, die in der Regel vom Control Office bzw. später von der German Section des Foreign Office -gebenenfalls unter Einschaltung des Foreign Office Research Department -initiiert wurden. Dieses Foreign Office Research Department hatte schon im Kriege zur Einschätzung Deutschlands und bei der Deutschland-Planung eine wichtige Rolle gespielt. Zu seinen Mitgliedern gehörten Professoren der Cniversity Colleges in Oxford.
Anfang 1946 wurde der Entscheidungsprozeß eingeleitet, der im Februar 1947 zur Einberufung der sogenannten Nominated Councils auf Provinz-und Länderebene führen sollte. Das heißt, die Militärregierung ernannte Abgeordnete für (Provinzial-) Landtage gemäß Vorschlägen, die die britischen Kreisoffiziere -meist im Benehmen mit deutschen Dienststellen und den Vorsitzenden der örtlichen Parteien -an die Militärregierung in den Hauptstädten der Provinzen und Länder weitergereicht hatten. So sehen wir denn zum Beispiel den höchsten Repräsentanten im 8. Corps-Distrikt mit Schleswig-Holstein und Hamburg, Generalleutnant Sir Evelyn Barker, am 26. Februar 1946 bei der Eröffnung des Kieler Provinziallandtags und am Tage darauf bei der Eröffnung der Hamburger Bürgerschaft
Dies waren -gemessen am Bevölkerungsbild -durchaus „repräsentative“ Körperschaften. Die einzelnen Abgeordneten waren sich ihrer demokratischen Verantwortnung auch ohne demokratische Legitimation, die nur durch Wahlen gegeben gewesen wäre, sehr wohl bewußt. In die parlamentarischen Aufgaben wuchsen die Abgeordneten sehr schnell hinein, und sie verstanden es, die Landtage zum Forum für politische Forderungen nach einer besseren Versorgung der Menschen zu machen; sie schufen sich mit der britischen Auf-läge, der parlamentarischen Arbeit eine Geschäftsordnung und ggf. ein Statut zugrunde zu legen, neuen Handlungsspielraum. In Schleswig-Holstein führte das am 12. Juni 1946 zur Verabschiedung einer Vorläufigen Verfassung für das Land Schleswig-Holstein Gemessen an dem formal noch bestehenden Preußen war das ein voreiliger Schritt. Britischer Pragmatismus ließ es zu, daß diese Verfassung praktiziert wurde, ohne je die formelle britische Bestätigung erhalten zu haben.
Namhafte Persönlichkeiten, die die Briten berufen ’ hatten, standen an der Spitze der Länder und Provinzen und sorgten ihrerseits dafür, daß die sich entwickelnde liberale Ordnung in Verbindung mit den liberalen Traditionen in der deutschen Geschichte gesehen, wurde. Dafür sind die Reden und Ansprachen des schleswig-holsteinischen Oberpräsidenten Theodor Steltzer, der als einziges Mitglied des Kreisauer Kreises sein Todesurteil überlebt hatte, ein beredtes Zeugnis An seinem Wirken wird die Verbindung von dem Nachdenken über Deutschland im Widerstand und der politischen Neuordnung nach 1945 greifbar.
Die Frage stellt sich, warum die Briten ein Verfahren wählten, bei dem nicht Wahlen der Bildung der Vertretungskörperschaften und der parlamentarisch kontrollierten Regierungen vorausgingen. Hier nur kurze Antworten: Die Parteien waren noch im Aufbau begriffen, eine Kandidatenaufstellung für Wahlen war zur Zeit der Jahreswende 1945/46 nicht oder nur schwerlich möglich. Man sah auch einen Vorzug darin, daß die Bürger die Körperschaften schon in ihrer Wirksamkeit kannten, bevor sie ihre Zusammensetzung durch Wahlen bestimmen konnten. Gleichwohl waren die nominated Councils baldmöglichst durch elected Councils abzulösen -aber erst, nachdem die territoriale Reorganisation der britischen Zone vollzogen war.
Diese Aufgabe fällt in die zweite Jahreshälfte 1946. An ihrer Lösung war der Zonal Advisory Council (Zonenbeirat) maßgeblich beteiligt Am 6. März 1946 war er in Hamburg durch Generalleutnant Sir Brian Robertson feierlich eröffnet worden. Dem 37 Personen umfassenden Gremium gehörten Länderchefs, Parteienvertreter, Gewerkschaftler und hochrangige Verwaltungsfachleute an. Aufgabe des Zonenbeirats war es, die Militärregierung zu beraten, das heißt in der Regel zu den ihm zugeleiteten britischen Vorlagen (zumeist Entwürfe von Verordnungen) Stellung zu beziehen. Überdies entwickelten sich die Fragestunden, in denen hohe Repräsentanten der Militärregierung -lange Zeit der Chiefof Staff Generalmajor Sir Alec Bishop -Rede und Antwort standen. Das geschah nicht immer zur Freude der Militärregierung. Aber es wurde ein altes britisches Grundprinzip ganz deutlich: Politik wird im Parlament verantwortet. Als ein solches verstand sich auch zunehmend der Zonenbeirat -und dies gewiß insofern zu Recht, als gemäß der Verordnung Nr. 80 vom 10. Juni 1947 die Landtage die Mitglieder des Zonenbeirats wählten
Der Prozeß der Länderneuordnung in der britischen Zone begann mit einer ausschließlich in britischer Verantwortung liegenden Maßnahme, nämlich mit der Zusammenfassung von nördlicher Rheinprovinz und Westfalen zum Land Nordrhein-Westfalen, dem mit Abstand größten, bevölkerungsstärksten und wirschaftlich gewichtigsten Land in der britischen Zone Dies war nicht unumstritten und suspekt für diejenigen, die eine deutsche Mitentscheidung für notwendig erachteten. Kurt Schumacher gehörte zu den vehementesten Kritikern an dem Verfahren. Nur muß es hierfür Gründe gegeben haben, zumal ja für den übrigen Bereich der britischen Zone nur nach deutscher Konsultation und im Konsens mit den Deutschen entschieden wurde.
Die Gründe macht das Protokoll einer Sitzung im Foreign Office am 6. Juni 1946 deutlich Eine hochrangig besetzte Sitzungsrunde mit Generalleutnant Sir Brian Robertson und seinem politi-sehen Berater Sir William Strang tagte unter dem Vorsitz von Sir Oliver Harvey. Welche Überlegung führte hier zu dem Beschluß, das Land Nordrhein-Westfalen zu schaffen? Zum einen der Wunsch, das hochindustrialisierte rheinische Gebiet mit den westfälischen Agrargebieten zu verbinden, und dies zur Erleichterung der Versorgungslage an Rhein und Ruhr. Zum anderen -und das war der gewichtigere Grund -sollte die von der französischen Regierung gewünschte political Separation der Ruhr und des linksrheinischen Gebietes verhindert werden. Die Briten wollten keine Lösungen, von denen sie wußten, daß sie nach Ende der Besatzungszeit keinen Bestand haben würden, zumindest aber einen dauernden internationalen Konfliktherd darstellen könnten. Die Briten hatten aus Versailles gelernt, und zwar ganz bewußt!
Am 17. Juli 1946 wurde in Berlin der Öffentlichkeit von dem neuen Land Nordrhein-Westfalen Kenntnis gegeben. Seine rechtliche Konstituierung erhielt das Land in der Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung vom 23. August 1946 Durch dieselbe Verordnung erhielten auch die anderen beiden preußischen Provinzen, Hannover und Schleswig-Holstein, den Landesstatus. Die Verfügungen der Verordnung Nr. 46 galten als „vorläufig“. Damit trug man der Tatsache Rechnung, daß ein endgültiger Tatbestand erst mit der gesetzlichen Auflösung Preußens geschaffen werden konnte, so geschehen durch das Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates vom 25. Februar 1947
Mit der Verordnung Nr. 46 erhielt das ganze Gebiet der britischen Zone denselben Rechtsstatus (wenn man von der Vorläufigkeits-Klausel absieht). Dies war wichtig, damit der Zonenbeirat gemäß dem Auftrag, den er am 4. Juli 1946 erhalten hatte, Vorschläge für den „Neuaufbau der Länder“ in der britischen Zone erarbeiten konnte. Dabei durfte es eine Infragestellung des neuen Landes Nordrhein-Westfalen nicht geben; außerdem sollte die Zahl von fünf Ländern in der britischen Zone nicht überschritten werden
Das Plenum des Zonenbeirats sprach sich mit deutlicher Mehrheit für den auch schon im Sonderausschuß des Zonenbeirats zur Neugliederung der Länder favorisierten Plan des Hannoverschen Landeschefs Hinrich Kopf aus: Neben den beiden Flächenstaaten Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sowie den beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen sollte das ganze übrige Gebiet der britischen Zone zu dem Land Niedersachsen zusammengefaßt werden. Für Lippe-Detmold sollte es die Entscheidungsmöglichkeit geben, sich entweder Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen anzuschließen.
Das Beratungsergebnis des Zonenbeirats wurde am 3. Oktober 1946 in Berlin von einer Delegation des Zonenbeirats unter Leitung seines Generalsekretärs Dr. Weisser dem Stellv. Militärgouverneur Generalleutnant Sir Brian Robertson übergeben. Dieser gab am 23. Oktober 1946 in Hamburg auf der 8. Sitzung des Zonenbeirats -nach Prüfung aller Vorschläge, auch der in der Minderheit gebliebenen Voten -seine Entscheidung bekannt Der Mehrheitsbeschluß des Zonenbeirats wurde gutgeheißen und Grundlage für das weitere rechtliche Verfahren. Gemäß der Verordnung Nr. 55 wurde zum 1. November 1946 das Land Niedersachsen geschaffen; gemäß der Verordnung Nr. 76 entstand zum 1. Dezember das Land Bremen (mit Bremerhaven), das dann genau einen Monat später Teil der US-Zone wurde (nachdem der Hafen der Stadt schon seit Kriegsende in amerikanischer Nutzung gewesen war). Und schließlich gab es zum 1. Dezember 1946 auch die Entscheidung für Lippe-Detmold, die den Wünschen dieses Landes am ehesten gerecht wurde: Es kam gemäß der Verordnung Nr. 77 zu Nordrhein-Westfalen
Mit der Verordnung Nr. 57 wurden den neugeschaffenen Ländern die Kompetenzen einer „mittleren“ Staatlichkeit zugewiesen Sie konnten sie ab Januar 1947 in Anspruch nehmen. Praktisch geschah dies erst nach den erstmaligen Wahlen zu den Landtagen in den drei Flächenstaaten der britischen Zone am 20. April 1947. Damit erhielten die Länder ihre demokratische Legitimation.
Federation of Germany
Die britische Besatzungspolitik war auf Deutschland als Ganzes ausgerichtet, worunter man das Gebiet der vier Besatzungszonen verstand. Die Schwierigkeiten im Umgang mit der sowjetischen Besatzungsmacht ließen früher, als bisher angenommen worden ist -so zeigt es die Aktenüberlieferung im britischen Public Record Office -, den Gedanken an eine separate Weststaats-Lösung aufkommen.
Zunächst setzte man in formaler Übereinstimmung mit der Potsdamer Vereinbarung vom 2. August 1945 auf die wirtschaftliche Einheit Deutschlands Demgemäß wurde am2. Dezember 1946 in Washington von Vertretern der Regierungen der USA und Großbritanniens der wirtschaftliche Zusammenschluß der britischen und der amerikanischen Zone zur sogenannten Bizone mit Wirkung vom1. Januar 1947 vereinbart. In der Präambel zu dem entsprechenden Abkommen wurde die wirtschaftliche Fusion „als ein erster Schritt in Richtung auf die wirtschaftliche Einheit ganz Deutschlands“ hingestellt Nach der bekannten Rede des amerikanischen Außenministers Byrnes in Stuttgart am 6. September 1946 war dieser Schritt zu erwarten gewesen
Die Schaffung der Bizone mit ihren Frankfurter Wirtschaftsorganen gab einer eigenen britischen Wirtschaftspolitik in ihrer Zone nur noch geringen Spielraum Die Labour-Regierung des Premierministers Attlee hatte durchaus Sozialisierungspläne favorisiert, vor allem an der Ruhr. Der erste Deutschland-Minister John Hynd war einer der namhaften Fürsprecher dieser Politik gewesen. Seine Ablösung durch Lord Pakenham, der ein besonderes Interesse an dem Verhältnis von Politik und Christentum hatte und sich die deutsch-britischeVersöhnung zur Herzenssache machte, kam nicht von ungefähr
Da es im Bereich Wirtschaft und Soziales nur relativ geringen Spielraum für die britische Politik gab, war es der britischen Führung um so wichtiger, mit dem innerdeutschen Staatsaufbau voranzukommen. Zu den frühen Überlegungen, die es in diesem Bereich gab, gehört auch die Frage, wie die Reichsaufgaben nach Fortfall der Reichsorgane wahrzunehmen waren. Nur vorübergehend waren sie in bestimmten Bereichen wie Finanzen, Ernährung, 'Wirtschaft und Verkehr den Ländern und Provinzen überlassen worden. Vielmehr war mit der Schaffung von soge-nannten Zonenzentralämtern (die ab 1947 zum Teil in die Frankfurter Wirtschaftsorgane übergeleitet wurden) die klar erkennbare Absicht verbunden, für eine zoneneinheitliche Entwicklung Sorge tragen zu wollen
Wiederum durfte es nicht das Ziel sein, die britische Zone zu einem eigenen „staatlichen Gebilde“ werden zu lassen. Die Zonenzentralämter waren deshalb den entsprechenden Abteilungen der Militärregierung, den Zonal Executive Offices, direkt unterstellt. Sie wurden nicht, wie es der Zonenbeirat wiederholt forderte, seiner „demokratischen“ Kontrolle unterstellt.
Als von britischer Seite darauf gedrängt wurde, den Neuaufbau der Länder in der zweiten Jahreshälfte 1946 zum Abschluß zu bringen, war dieser Zeitplan von zwei Faktoren bestimmt: Erstens sollte die erstmalige Wahl der Landtage -und sie war „überfällig“ -nicht im Rahmen der alten Ordnung erfolgen, die noch von der preußischen Provinzialstruktur bestimmt war, sondern in den jetzt bestehenden Ländern. Die Wahlen würden sie demokratisch legitimieren. Das ist geschehen, wie gezeigt wurde. Zum anderen wollte Ernest Bevin auf der bevorstehenden Moskauer Außenministerkonferenz die Länder der britischen Zone als fertige „Bausteine“ seines Deutschland-Planes präsentieren können.
Die Moskauer Außenministerkonferenz mit den Teilnehmern Molotow, Marshall (als US-Außenminister gerade zwei Monate im Amt), Bidault und Bevin tagte vom 10. März bis 24. April 1947 Bevin war Molotows eigentlicher Gegenspieler. Er widersprach dem Vorschlag, die Reparationen, die Deutschland mit einem fünfzigprozentigen Anteil zugunsten der Sowjetunion aufzuerlegen waren, in einer bestimmten Höhe festzulegen. Er setzte am 31. März 1947 dem zentralistischen Deutschland-Bild der Sowjetunion seinen Plan einer Federation of Germany entgegen. Dabei sollte mit bestimmten Vorgaben (demokratische und bundesstaatliche Gesichtspunkte) eine deutsche freigewählte verfassunggebende Versammlung die deutsche Staatsverfassung ausarbeiten. Molotow hingegen wollte nach einer gemäß alliierten Kriterien im zentralistischen Sinne vorgenommenen Staats-gründung eine deutsche Nationalversammlung einberufen lassen und ihr ein Zustimmungsrecht zur neuen deutschen Verfassungsordnung einräumen.
Die Positionen lagen also weit auseinander. Die Konferenz konnte daher in den wesentlichen Fragen keine Einigung erzielen. Die Fortsetzung der Beratungen durch die stellvertretenden Außenminister und auf einer Folgekonferenz der Außenminister in London (25. November -15. Dezember 1947) waren nur noch „Nachspiele“. Angesichts der nicht demokratisch legitimierten Dominanz der SED in der Sowjetischen Besatzungszone und der immer stärker erkennbaren Sowjetisierung der SBZ war die politische Spaltung Deutschlands schon eine Realität geworden. Hieraus zog die britische Politik klare Folgerungen.
Der Gründungsprozeß, der am 1. September 1948 durch den Parlamentarischen Rat zur Aufnahme der Arbeit an dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland auf der territorialen Grundlage der drei westlichen Besatzungszonen führte, hatte in der Unterhausrede von Ernest Bevin am 22. Januar 1948 sein offizielles „Startzeichen“ erhalten Intern waren die Weichen zumindest in London schon eine geraume Zeit in Richtung „Weststaatslösung“ gestellt, wie den Akten im britischen Staatsarchiv zu entnehmen ist
Die Londoner Empfehlungen vom 7. Juni 1948 am Ende der Sechs-Länder-Konferenz (Großbritannien, USA, Frankreich, Benelux) und ihre „Umsetzung“ in den Frankfurter Dokumenten, die den westdeutschen Länderchefs am 1. Juli 1948 übergeben wurden, tragen ganz deutlich Bevins Handschrift. Er hatte in dem britischen Militär-gouverneur General Sir Brian Robertson einen verläßlichen Partner, der maßgeblich dazu beigetragen hat, in den Verhandlungen mit den Länder-chefs die Kompromißformeln zu finden, die um der Einigung willen nötig waren
Man kann also feststellen: Der Bevin-Plan einer Federation of Germany, der für ganz Deutschland gedacht war, hat mit der Inkraftsetzung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (23. Mai 1949) und mit der Konstituierung der Bundesorgane (7. -21. September 1949) im räumlich begrenzten Bereich der drei westlichen Besatzungszonen seine indirekte Verwirklichung gefunden. Von indirekter Verwirklichung ist deshalb zu reden, weil natürlich die Mitglieder des Parlamentarischen Rates die Schöpfer des Grundgesetzes waren. Die Geschichte ist hier nicht stehengeblieben. Sie hat am 3. Oktober 1990 zur Wiederherstellung der deutschen Einheit geführt. Das Grundgesetz gehört heute dem ganzen Deutschland.
Schlußbemerkung
Man erkennt in dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wichtige Grundpositionen, die im Einklang stehen mit den gesellschaftspolitischen Zielsetzungen der britischen Besatzungsmacht. Nur lag es weder im Interesse der britischen noch der deutschen Politik, dies in Erscheinung treten zu lassen. Die britischen Wünsche und Ziele in ihrer Besatzungspolitik sollten nicht als fremde Einflußnahme empfunden werden. Niemand hat dies klarer gesehen als Sir Robert Birley.
Dabei hatte Birley eine klare Vorstellung davon, wie ein innerlich erneuertes Deutschland auszusehen hätte. Er hat das am 8. Mai 1945 in dem oben erwähnten Leserbrief näher ausgeführt 1. Deutschland müßte ein Land stabiler, demokratischer Regierungsformen werden. 2. Die Deutschen müßten sich der liberalen Traditionen ihrer eigenen Geschichte bewußt werden.
3. Die Deutschen müßten alle Völker und gerade auch ihre slawischen Nachbarn, die Polen und die Tschechen, als gleichwertig anerkennen.
Das liest sich heute so, als würde hier Selbstverständliches erwartet, was längst der Realität entspricht. Das ist gut so; aber man bedenke, daß der im Mai 1945 zu Ende gegangene NS-Staat in seiner Ideologie und Herrschaftspraxis das genaue Gegenbild zu den genannten Erwartungen als Ziel der Re-education darstellte.
Das heutige Deutschland verdankt der britischen Besatzungspolitik sehr viel, und dies deshalb, weil ein Weg in gemeinsamer Verantwortung gefunden wurde und zu einem fruchtbaren Dialog geführt hat. Nicht, daß es nicht auch gegenteilige Erfahrungen gegeben hätte. Aber sie heben nicht die Richtigkeit dessen auf, was Robert Birley am 3. Dezember 1947 seinen Landsleuten über die Form der Gespräche ans Herz gelegt hat Reden wir mit den Deutschen: but only as friends can talk with one another. Dies gilt auch heute gleichermaßen für Briten wie für Deutsche -und auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europa gilt dies mehr denn je.