I. Die Lage
Vor wenigen Jahren konnte man noch kulturpolitische Artikel mit der Feststellung beginnen: „Kultur hat Konjunktur“ und „Kulturpolitiker ist man gern“ Solche Zeiten sind vorüber, seit der Zeitgeist mit Namen Rotstift in deutschen Landen -und zunehmend auch in anderen westeuropäischen Staaten -herrscht. Aktuelle Daten zum Ernst der finanziellen Lage erhalten wir täglich mit der Morgenzeitung serviert; und was darin über die Situation in den Metropolen wie Frankfurt am Main, Berlin oder Leipzig berichtet wird, gilt erst recht für Sparmaßnahmen in Kiel, Schwerin oder Oberhausen.
Gründe also für den Kulturpolitiker, zu resignieren? Keineswegs, verlautet aus der Gruppe der „Reformer“: Sie sehen ein Heilmittel, d. h. eine längerfristige finanzielle Sicherung etwa in einer „Budgetierung“ des „Produkts Kultur“ und arbeiten emsig an Verwaltungsreformen im Kulturbereich. Andere setzen auf „public private partnership“ und hoffen auf die Kooperation mit finanzstarker Wirtschaft. Zum Stand solcher „Reformen“ hat jüngst die Kulturpolitische Gesellschaft eine aufschlußreiche und zugleich repräsentative Untersuchung vorgelegt, deren Fazit für die Kulturpolitik erschreckend ist: Weder geht es bei diesen Finanzierungs-Alternativen um die Bestimmung eines neuen Verhältnisses von Kulturschaffenden, der Politik und der Verwaltung, noch sind dafür Bürgerbeteiligungen vorgesehen; und da auch kulturelle Leitbilder dafür nicht relevant werden, muß von einer „technizistisch verkürzten Reformstrategie“ gesprochen werden, „einer Reform ohne Inhalt und Vision“ Diese primär auf Spareffekte ausgerichtete Verwaltungsreform korrespondiert mit einem rasant fortschreitenden Stellenabbau im Kulturbereich -bis hin zur Einsparung von Kulturstadträten: „Die Großstädte schicken ihre Kulturdezernenten in die Wüste“, hieß es kürzlich in einem Zeitungsbeitrag: „Der schwindende Stellenwert der Kultur, der sich daran ablesen läßt, ist bezeichnend. Sie verkommt zur Manövriermasse.“ Daß sich die Zeiten geändert haben und vom gewohnten, stets wachsenden Wohlstand unter dem Slogan vom „Modell Deutschland“ Abschied zu nehmen ist, wird inzwischen jedem Bürger klar sein. Doch welche Schlüsse zieht die Politik -und in welchen Handlungsbereichen -daraus? Pointierter gefragt: Zieht sie die richtigen Schlüsse? Könnte Sparen nicht auch mit Intelligenz, Weit-sicht und Zukunftssicherung verbunden werden, um den gesellschaftlichen Schaden begrenzt zu halten? Das würde allerdings voraussetzen, daß von der Politik Prioritäten gesetzt werden. Gibt es den Mut und die Weitsicht dafür?
Daß die Sparpolitik vor allem in den Kommunen schon jetzt der urbanen Lebensqualität erheblich geschadet hat, liegt allerdings auch daran, daß sich viele Kulturpolitiker allzu schnell zu Abstrichen bereitfanden und sich ohne ernsthafte Gegenwehr in die Defensive drängen ließen. Nach den verhältnismäßig guten Zeiten noch in den achtziger Jahren hat mancher Kulturpolitiker verlernt, sich öffentlich qualifiziert für seine Sache zu artikulieren und sie inhaltlich überzeugend zu legitimieren -offensichtlich ist man nicht mehr gern Kulturpolitiker? Es bedarf gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten und in Epochen gesellschaftlicher Umbrüche sowohl verläßlicher sozialer Netze als auch intakter kultureller Rahmenbedingungen. Für die Stabilität unserer immer wieder gefährdeten Demokratie sind beides unabdingbare Voraussetzungen; wenn diese nicht mehr gegeben sind, zerbricht das Fundament, auf dem Neues aufzubauen heute ansteht. Daher darf es keinen Grund zur Resignation gerade in diesem Feld der Politik geben.
Kultur zu finanzieren bleibt prinzipiell öffentliche Aufgabe; das muß auch in finanziell mageren Zeiten politisch durchgehalten werden. Das heißt allerdings nicht, daß das gegenwärtige Spektrum etatistischer Kulturförderungen nicht gründlich zu überprüfen wäre. Auch Kulturpolitik wird sich -jedenfalls verglichen mit den guten 80er Jahren -künftig zu bescheiden haben, mit dem Ziel, ihre öffentlichen Kernaufgaben dauerhaft zu gewährleisten.
Der Satz, daß die „Kultur die humane Identität einer ganzen Gesellschaft abbildet und damit entscheidend ihr sozialpolitisches Niveau mitbestimmt“ gilt fort. Denn die „Kultur ist für die Zukunft einer Gesellschaft entscheidend, weil die Vielfalt und Kreativität der in ihr praktizierten Lebensformen dafür verantwortlich sind, daß sie neuen Bedingungen gerecht werden können, ohne die für ihr Selbstverständnis wesentlichen Qualitäten aufgeben zu müssen“ Die Neue Kulturpolitik, die die Richtschnur für das „Bürgerrecht Kultur“ der beiden letzten Jahrzehnte war, hat der bundes-republikanischen Gesellschaft nicht nur wichtige Modernisierungsimpulse gebracht und damit nachweislich zum Ausbau des „Wirtschaftsstandortes Deutschland“ beigetragen sondern auch die Demokratisierung unserer Gesellschaft nachhaltig gefördert. Ein Rückblick auf zwei Jahrzehnte intensiver kulturpolitischer Anstrengungen und Erfolge ist daher nicht Nostalgie, sondern soll die innovative Kraft verdeutlichen, die eine emanzipatorische Kulturpolitik ausstrahlt.
II. Neue Kulturpolitik
Hermann Glaser hat in seiner großartigen „Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland“ (1945 bis 1989) auch die politischen Krisensituationen unseres Landes mit der entsprechenden Reaktion von Kultur und Kulturpolitik herausgearbeitet Gerade die Krisen haben das kulturelle Leben geprägt und deutliche Spuren in der Kultur-geschichte dieser Republik hinterlassen; ähnliches gilt cum grano salis für die DDR Sollte uns das nicht lehren, heute kritisch nach dem Instrumentarium zu fragen, das angemessen ist, um unter Berücksichtigung der veränderten politischen und wirtschaftlichen Situation unseres Landes wie auch der tiefen globalen Krise kulturelle Ziele zu definieren und Prioritäten in der Kulturpolitik zu setzen? Das wären notwendige Voraussetzungen für eine Neuorientierung des kulturellen Lebens und die Definition zumindest ihrer Kernaufgaben.
Die kulturelle Stagnation der lang ausklingenden Adenauer-Ära -„Zwischen Grundgesetz und Großer Koalition“ (1949-1967) hat Hermann Glaser die zweite Phase der kulturellen Entwicklung im Nachkriegsdeutschland überschrieben -endete ziemlich abrupt mit der Protestbewegung der späten sechziger Jahre, die ihrerseits zu einer neuen Kulturpolitik führte. Ihre wichtigsten Dokumente waren -westeuropäisch -die Abschlußerklärung von Arc et Senans (1972) „Zukunft und kulturelle Entwicklung“ und -westdeutsch -die Dortmun-der Erklärung des Deutschen Städtetages „Bildung und Kultur als Elemente der Stadtentwicklung“ (1973) Diese Erklärungen sowie die „Plädoyers für eine neue Kulturpolitik“ die unter dem Begriff „Neue Kulturpolitik“ bis über den Epochen-Einschnitt 1989/90 die Kulturarbeit prägten entsprachen den politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der sich verändernden Bundesrepublik Deutschland: Kultur war nicht nur mehr Privatsache, sondern zur öffentlichen politischen Aufgabe der Demokratie geworden. „Der Stadt Bestes suchen“ -um ihrer „Unwirtlichkeit“ (Alexander Mitscherlich) zu begegnen -stand als Devise im Zentrum der Reformforderungen denn in den Kommunen waren die meisten Bürgerinnen und Bürger Betroffene der Kultur-politik. Mit der Neuen Kulturpolitik sollte eine „fragwürdig gewordene städtische Politik von Grund auf geändert werden“. Kritisch wurde in den „Plädoyers“ festgestellt, daß es wohl „anachronistisch in unserer Gesellschaft (sei), wenn man zwar nicht ausschließlich, aber doch substantiell schwergewichtig die aus dem vorigen Jahrhundert erwachsenen bürgerlich-aristokratischen Kulturstätten und -Darbietungsformen (fördere) und dadurch den Platz von Kunst und Leben des Einzelnen festlege“, statt nach ihm „unter dem Stichwort , Lebensqualität (neu zu) suchen“; daher wurde nach „Kriterien und Elementen einer zukünftigen Kulturpolitik im gesamtgesellschaftlichen Prozeß gefragt“
Leitbegriffe und Ziele der Neuen Kulturpolitik lagen im Kontext der radikalen Umbrüche jener Jahre; in ihr konzentrierten sich Theorie und Praxis einer veränderten bzw. im Prozeß der Reform befindlichen Gesellschaft: Kultur konnte nicht mehr „isolierter Daseinsbereich“ (Theodor W. Adorno) sein, sondern mußte zum integralen Bestandteil der gesellschaftlichen Wirklichkeit werden. Daher verstand sich die Neue Kulturpolitik auf der Grundlage eines stark erweiterten Kulturbegriffs nicht mehr als Ressort-, sondern als Gesellschaftspolitik. In ihr verschränkten sich zudem die kulturellen Elemente alter und neuer sozialer Bewegungen. Als solche erst ermöglichte sie das Entstehen einer Soziolkultur mit all ihren vielfältigen Erscheinungsformen.
Mit seiner „Dortmunder Erklärung“ entsprach der Deutsche Städtetag den Absichten dieser Kultur-politik; er konkretisierte darin erstmals die Aufgaben von Bildung und Kultur in den Kommunen als „unverzichtbare Elemente der Stadtentwicklung“. Kulturarbeit in der Stadt zu leisten wurde nun folgendermaßen definiert: -„die Kommunikation zu fördern und damit der Vereinzelung entgegenzuwirken, -Spielräume zu schaffen und damit ein Gegengewicht gegen die Zwänge des heutigen Lebens zu setzen, -die Reflexion herauszufordern und damit bloße Anpassung und Ablenkung zu überwinden“.
Um die Stadt wieder „anziehend und begehrenswert (zu machen)“, mußte die Kulturpolitik allerdings „ein Kulturverständnis überwinden, das vornehmlich zur Rezeption aufforderte“. Die Stadtentwicklungsplanung hatte dafür Sorge zu tragen, daß die „Schaffung besserer sozialer und kultureller Bedingungen für alle Bürger möglich und die Chancengleichheit“ verwirklicht werden konnte.
Die politisch nun geforderte „Gegensteuerung“ -„Rettet unsere Städte jetzt!“ hieß es bereits im Jahre 1971 -bedingte auch ein neues Verständnis für die Denkmalpflege; sie sollte zu einem weiteren Faktor der Stadtentwicklung werden. Denn „Voraussetzung für die Entfaltung des Menschen in der Stadt ist die Schaffung einer Umgebung, die durch Proportionen und Grundstruktur die Phan-tasie anregt und gleichzeitig die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt gewährleistet“
Erst mit dem „Europäischen Jahr des Denkmalschutzes 1975“, das in der Bundesrepublik zunächst nur zögernd als eine Aktion des Europa-rats angelaufen war, erlangte eine deutlich gesellschaftsorientierte Denkmalpflege auch in der Städtebaupolitik ihren Durchbruch -bis hin zu neuen Prioritätensetzungen zugunsten einer Erhaltungspolitik bei der Bausubstanz. Manchem Politiker wurde erst jetzt -vor allem durch Sendungen in den Massenmedien -klar, welches ungeheuere Ausmaß die „Totalsanierungen“ nach den Zerstörungen des Krieges in der Bundesrepublik Deutschland angenommen hatten. Die vom Europarat ausgewählten Modellstädte in den Nachbar-ländern demonstrierten demgegenüber die Chancen und das Flair einer „Zukunft für unsere (bauliche) Vergangenheit“. Die Zeichen der Zeit wurden, nachdem hierzulande schon soviel Unwiederbringliches zerstört worden war, endlich auch von der Legislative und Exekutive verstanden.
Auch nach dem Europäischen DenkmalschutzJahr blieb das eigens zu diesem Zweck gegründete Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz in Amt und notwendiger Funktion Für dieses Gremium, das eine für die kulturföderale Bundesrepublik völlig neue Zusammensetzung hatte, wurde neben der unerwartet konstruktiven Kooperation der Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen für seine Wirksamkeit vor allem entscheidend die gemeinsame, zielorientierte Arbeit von Politik, Kultur und Wissenschaften. Ähnliches galt in einem noch viel stärkeren Maß aufgrund ihrer breit gefächerten Mitgliederstruktur für die Kulturpolitische Gesellschaft, die sich aus den kulturpolitischen Kolloquien der Evangelischen Akademie Loccum als parteiunabhängiges und interessenübergreifendes Gremium entwickelt hatte und sich 1976 in Hamburg-Altona gründete. „Seitdem (dient) sie als Koordinationsgremium, Informationsstätte und Diskussionsforum für Kulturpolitik“ was durch eine Zeitschrift für kulturpolitische Wissenschaften und Praxis, sehr viele Tagungen, zwei Publikationsreihen, einen alternativen Kulturpreis. und neuerlich ein Institut für Kulturpolitik und kulturelle Bildung, das jetzt neben das in den siebziger Jahren etablierte verdienstvolle Zentrum für Kulturforschung (Leitung: Andreas Wiesand) tritt, bis in die Gegenwart geschieht
So waren die siebziger Jahre eine Zeit unerhörter Aufbruchstimmung und -taten. Es hatten sich erstmals in der Bundesrepublik viele Intellektuelle, Künstler, Politiker und Bürger in der Gesellschaft engagiert und auf einen gemeinsamen politisch-demokratischen Grundtenor verständigt. Durch ihr Zusammenwirken entstanden aus Theorie-debatten wirkungsvolle Reformmodelle, und aus mancher Utopie wurde ein Stück Wirklichkeit. Diese gesamtgesellschaftliche Entwicklung und diese Modernisierungsimpulse waren im Prozeß einer demokratischen Aufklärung entscheidende Beiträge zur Stabilität und Modernität der Bundesrepublik Deutschland. Die Kulturpolitik war damit zu einem wichtigen gesellschaftlichen Akteur und Partner in den politischen Entscheidungsgremien geworden. Dieser neuen Kulturpolitik war es -offenbar besser als anderen gesellschaftlichen Politikbereichen -weitgehend gelungen, sich auf die ständig verändernden Bedingungen des Zeitgeschehens kreativ einzustellen und auf neue Lebensformen und Ansprüche zu reagieren. So war „für alle Kunst der Weg in die Politik kürzer geworden“ -dies konnte Willy Brandt zu Recht in seiner Regierungserklärung von 1972 konstatieren.
Das kulturpolitische, intellektuelle Niveau dieser Jahre war höchst beachtlich. Wo anders als in diesen Kreisen wurden z. B. die Dokumente des Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“ (1972), Erhard Epplers „Ende oder Wende?“ (1975), Dieter Baackes jugendkulturpolitisches Buch „Jugend und Subkultur“ (1972) oder über die „Zukunftswerkstätten“ von Robert Jungk und Norbert R. Müllert sowie Robert Jungks „Der Jahrtausendmensch“ (1973) nicht nur heftig diskutiert, sondern daraus auch Folgerungen für die Politik gezogen; und wo anders als im Umfeld der Akteure der Neuen Kulturpolitik entstanden die wichtigen Impulse für die Ökologie-, die Frauen-und die Friedensbewegung?Welche durchgreifenden Veränderungen in der Bundesrepublik Deutschland von den sechziger zu den siebziger Jahren gab es schließlich! „Hatte zu Beginn der sechziger Jahre Kulturpolitik dazu gedient, dem affirmativen Kulturverständnis wie der Festival-Kultur die besten Entfaltungsmöglichkeiten zu gewähren, so überwanden progressive Kulturpolitiker seit Beginn der siebziger Jahre die kulinarisch bestimmte Indolenz; sie stellten einen theoretischen Reisevorrat zusammen, mit dem sie den langen Weg durch die Dispositionen und Institutionen zu bestehen hofften.“
Dieser „theoretische Reisevorrat“, an dem Hermann Glaser selber einen Mammutanteil hat, betraf auch viel Wiederentdecktes, so Schriften u. a. von Walter Benjamin, Siegfried Kracauer, Rosa Luxemburg, auch Karl Marx, sowie von Georg Lukäcs, Herbert Marcuse, Karel Teige und schließlich insbesondere Theodor W Adorno; immer weitere Zeitschriften wurden gegründet und Broschüren für ein breit gefächertes politisch-ästhetisches Diskutieren publiziert. Kurzum: der „Reiseproviant“, den hier zu nennen nicht einmal im kleinsten Umfang möglich ist, und der auch keineswegs stringent einer „Neuen Kulturpolitik“ entsprach, war höchst beachtlich.
III. Entmythologisierung der Kultur
Die bundesrepublikanische Entwicklung der Kulturpolitik in den siebziger Jahren zu ihrer prägenden gesellschaftspolitischen Dimension wäre ohne die westeuropäischen Kontexte kaum denkbar gewesen vor allem nicht ohne die Arbeit des Europarats in Straßburg, für den die Kulturpolitik seit der Verabschiedung seiner Kulturkonvention (1954) -die bis heute über 40 Staaten unterzeichnet haben -neben der Förderung demokratischer Grundprinzipien und der Wahrung der Menschenrechte Hauptaufgabe seiner politischen Existenz ist. Auch wenn eine breitere Öffentlichkeit erst mit dem Denkmalschutz-Jahr 1975 auf seine Arbeit aufmerksam wurde, so hat er doch schon lange vorher beachtliche kulturpolitische Impulse gegeben -namentlich die Abschlußerklärung von Arc et Senans aus dem Jahre 1972, die das wohl wichtigste Dokument der Kulturpolitik der europäischen Nachkriegsepoche darstellt und die westdeutsche kultur-und soziokulturpolitische Entwicklung der siebziger Jahre konzeptionell vorweggezeichnet hat
Diese Erklärung setzt sich kritisch mit den Entwicklungsmöglichkeiten fortgeschrittener Industriegesellschaften auseinander und skizziert von daher ein neues demokratisches Kulturverständnis auf der Grundlage eines stark erweiterten Kultur-begriffs: „Kulturelles Leben, wie es von der Mehrheit der Bevölkerung heute erfahren wird, umfaßt weit mehr als traditionelle Kunstsparten und Geisteswissenschaften“; ferner definiert sie zukunftsorientierte Aufgaben einer alternativen Kulturpolitik: „Sich selbst überlassen, erschöpft industrielles Wachstum die natürlichen Reserven der Erde und wendet sich schließlich gegen den Menschen . . . Die Zukunft des Menschen wird nicht mit schicksalhafter Unausweichlichkeit aus Computer-Prognosen . . . (und) , Sachzwängen (bestehen). Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, daß eine verantwortungsbewußte Gesellschaftspolitik von den verschiedenen Wertvorstellungen kultureller und sozialer Kräfte unterstützt wird, die allein ein Gegengewicht gegen diejenigen sozio-ökonomischen Prozesse unsere welche bilden können, Umwelt derzeit gefährden ... Die Aufgabe der Kulturarbeit ist es daher, alternative gesellschaftliche Entwicklungsrichtungen vorstellbar zu machen und in jedem Individuum den Sinn für das Mögliche zu wecken, das heißt, es zu befähigen, Krisen nicht auszuweichen und nicht der Sklave, sondern Herr seiner Geschichte zu werden.“
Dieses Dokument wurde eingehend im Kulturausschuß der Parlamentarischen Versammlung des Europarats diskutiert, hat den Kulturministern des Europarats in Oslo 1976 vorgelegen und ihre richtungweisende Erklärung mit der Forderung, daß die „Gesellschaftspolitik als Ganzes eine kulturelle Dimension beinhalten (muß), (orientiert) an .. . Gleichheit, Demokratie und Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen“ politisch bestimmt, blieb aber ansonsten zunächst weitgehend unbeachtet.
Die kulturpolitische Diskussion wurde hierzulande erst -nachdem der Deutsche Bundestag eine Übersetzung durch das „Zentrum für Kulturforschung“ veranlaßt hatte -mit einer Tagung der Kulturpolitischen Gesellschaft 1977 begonnen. Seit der Zeit wird dieser Text immer wieder als Grundlage einer Neuen Kulturpolitik zitiert, zur theoretischen Fundierung der Soziokultur ausgewertet, und schließlich hätte er auch als Orientierung für die kulturpolitische Konzeptionsarbeit in den neuen Ländern getaugt
Diese Erklärung hätte auch für die ersten kulturpolitischen Überlegungen im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft dienen können, wurde aber weder von der Kommission noch vom Ausschuß für Jugend, Kultur, Bildung, Information und Sport des ersten direkt gewählten Europäischen Parlaments beachtet. Dennoch setzte sich dort bald die Erkenntnis durch, daß einerseits zwar Kulturpolitik zu den originären Aufgaben des Europarats weiterhin gehören müsse, aber andererseits eine Weiterentwicklung der EG zu einer Politischen Union nicht ohne kulturelle Dimension möglich sei. So wurde bereits mit dem Fanti-Bericht (1983) eine kulturpolitische Grundlage geschaffen, und zwar mit der -immer noch nicht annähernd erfüllten -Forderung, daß künftig mindestens ein Prozent der jeweiligen Haushalte für Bildungs-und Kulturaufgaben bereitzustellen sei. Mit der „Gemeinsamen Erklärung der Staats-und Regierungschefs“ (Stuttgart 1983) wurden Kultur und Bildung offiziell zu Anliegen der EG erklärt und damit die Grundlagen für künftige Aktionen im kulturellen Bereich geschaffen; der Maastricht-Vertrag mit seinem Kultur-Artikel 128 konnte später daraus und aus der bereits angelaufenen Förderpraxis konzipiert werden
Jacques Delors hat in einer selbstkritischen Würdigung des Maastricht-Vertrages unter der Über-schrift „La Nation contre l’Europe?“ einige für einen vormaligen Kommissions-Präsidenten höchst bemerkenswerte Ausführungen gemacht: „Lange war ich der Meinung, daß die europäische Idee dank der Ökonomie Fortschritte machen werde und der Rest sich von selbst ergibt. Heute bin ich überzeugt, daß Europa, wenn wir nicht auf das Politische zugehen, nie auf zwei Beinen stehen, sondern immer ein behindertes haben wird, (wenn weiterhin) die sozialen, politischen und kulturellen Dimensionen sträflich vernachlässigt werden.“ Das klingt wie das Jean Monnet zugeschriebene (wenngleich nicht authentisch belegte) Wort, daß, wenn er noch einmal mit der EWG konzeptionell befaßt sein würde, er mit der Kultur statt mit der Wirtschaft beginnen würde.
Kulturpolitik bleibt für die Europäische Union auch nach Maastricht -zu Recht -originäre Aufgabe der Mitgliedsländer und ihrer verfassungsgemäßen Gremien. Die jüngste diesbezügliche Mitteilung der Kommission schließt zwar mit der gut klingenden Bemerkung, daß „das europäische Selbstverständnis ... auf Kultur gebaut (ist) und . . . die Vielfalt europäischer Regionen, Staaten, Traditionen und Sprachräume (stärkt) ... und das Miteinander in Europa (fördert)“, läßt dieser „Mitteilung“ aber keine Konsequenzen im Haushalt der Union folgen. Auch die Regierungskonferenz von Florenz (1996) hat dazu bedauerlicherweise keine Besserung inhaltlicher und materieller Art erbracht und damit die Forderungen des Parlaments (entsprechend dem Barzanti-Bericht von 1992), „daß eine europäische Annäherung und spätere Einigung ... in erster Linie ein kultureller Prozeß sein muß ... (und daher) eine drastische Förderung der Kulturpolitik einhergehen muß“, völlig ignoriert was sich voraussichtlich auch in den nächsten Jahren nicht ändern wird.
Der Europarat, dem nach Ende der Teilung des Kontinents alle mittel-und osteuropäischen Staaten einschließlich Rußlands angehören, hat zwar materiell nur beschränkte Ressourcen, sein Proprium Kultur weiterzuentwickeln und es vor allem für die neuen Mitgliedsländer politisch wirksam werden zu lassen, doch bleibt er auch künftig die wichtigste Instanz europäischer Kulturpolitik, auch wenn „seine Mitgliedstaaten ... leider noch nicht den hohen Stellenwert einer gemeinsamen europäischen Kulturpolitik erkannt haben ... (und es daher) an dem notwendigen politischen Willen (mangelt), auf europäischer Ebene gemeinsame Kulturaktionen in größerem Maße durchzuführen
IV. Soziokultur
Die Entwicklung der Soziokultur in der Bundesrepublik wäre ohne die Neue Kulturpolitik, die zitierte Erklärung eines vorausdenkenden Europa-rats sowie auch ohne die -noch zu nennenden -Entschließungen der UNESCO nicht denkbar gewesen: Was beispielsweise in Italien, Frankreich, den skandinavischen Ländern, den Niederlanden, Kanada und anderen Staaten bereits in den sechziger Jahren eine gewisse politische und kulturpolitische Beachtung gefunden hatte, wurde seinerzeit in der Bundesrepublik noch als „Subkultur“ diffamiert und war gesellschaftlich nicht akzeptiert. So waren für die Entwicklung der Soziokultur in diesem Lande die internationalen Anstöße wichtig, um sie in den Kommunen, den Ländern und schließlich auch für die Bundesregierung politik-fähig zu machen.
Namentlich die Studien „Entmythologisierung der Kultur“ und „Hin zu einer kulturellen Demokratie“, die als Grundlagen für die dann wegweisenden kulturpolitischen und soziokulturellen Empfehlungen der Kulturministerkonferenz des Europarats (1976) erarbeitet wurden waren wichtige Grundlagen für die Diskussionen, die vor allem in der Kulturpolitischen Gesellschaft, im Deutschen Kulturrat mit seiner Sektion Soziokultur, in der Bundesvereinigung soziokultureller Zentren und in der Evangelischen Akademie Loccum stattfanden und den Durchbruch für die soziokulturelle und freie Stadtteil-Kulturarbeit in der Bundesrepublik brachten. Erst mit der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD zur Soziokultur im Jahre 1990 und der Schaffung des Fonds Soziokultur (1987) wurde sie als „wesentlicher Bestandteil der heutigen kulturellen Praxis“ auch von den konservativen Parteien akzeptiert: „Die Soziokultur ist in den letzten Jahren zu einer festen Größe im kulturellen Leben der Bundesrepublik Deutschland geworden“, lautete die offizielle Begutachtung Heute fehlt das Bekenntnis ihrer Förderung in -mit Ausnahme der CSU -keinem Parteiprogramm mehr.
Die Ursprünge der Soziokultur im engeren Sinne liegen hierzulande in den Projekten und Initiativen der „freien“ und „alternativen“ Kultur, die sich zunächst in Opposition bzw. als Gegenentwürfe zu den etablierten und institutionalisierten „Hochkultur“ -Einrichtungen bereits Ende der sechziger Jahre entwickelt hatten. Freie Künstlergruppen, die sich in Distanz dazu gebildet hatten, Bürgerinitiativen, Jugendzentrums-Bewegung, Frauengruppen, Geschichts-Initiativen, Friedens-gruppen und viele andere waren Träger neuer Kultur-und Kunstformen, die im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Aufbruchphase entstanden waren. Auch die Akteure der Soziokultur agierten im Kontext der Forderung nach „Demokratisierung der Kultur“ und „kultureller Demokratie“ und unter dem bewußten Bezug auf das sozialliberale Bekenntnis zu „mehr Demokratie wagen“.
Die Soziokultur wurde lange Zeit -auch aufgrund ihrer eigenen Sprachwahl -als Alternative und Gegenbegriff zur Kunst (miß-) verstanden; das war sie im Kern nie, sondern sie wollte -ich zitiere die spätere „Strukturhilfe Soziokultur (Wiepersdorfer Erklärung)“ von 1991 -„eine (andere) kulturelle Praxis (sein), -die den Zugang zu Kunst und Kultur erleichtert;
-die statt , Kulturkonsum die gestalterische Selbsttätigkeit möglichst vieler Menschen fördert ...;
-die die alltägliche Lebenswelt einbezieht und die zugleich eine Rückwirkung der so entstehenden Formen von Kunst und Kultur in unsere gesellschaftliche Wirklichkeit anstrebt“
Die Verwirklichung kultureller Chancengleichheit und die Entwicklung einer demokratischen Kultur als gesellschaftliche Utopie sind dafür politische Leitvorstellungen; konkret geht es darum -und damit wird zugleich inhaltlich auch auf das Gründungsdokument der Kulturpolitischen Gesellschaft von 1976 sowie ihre „Bausteine für eine kommunikative und ökologisch orientierte Kulturpolitik“ (1990) verwiesen daß eine gesellschaftspolitisch intendierte Kulturpolitik festgeschrieben wurde, die -die überlieferte Trennung zwischen der scheinbar unpolitischen und ästhetisch-intellektuellen Welt des Geistes und den Realitäten des Alltags überwinden helfen will;
-die Entfaltung und Entwicklung der sozialen, kommunikativen und ästhetischen Möglichkeiten und Bedürfnisse aller Bürger umweltverträglich fördern und -den kulturellen Alternativen, Innovationen und Projekten neben den traditionellen Kultur-angeboten ihre Chance ermöglichen will.
Da dieses breite soziokulturelle Spektrum -zwischen „Wildwuchs und Vielfalt“ (Wolfang Sting) und postmoderner „Erlebnisgesellschaft“ (Gerhard Schulze) -auch der hinreichend qualifizierten Mitarbeiter bedurfte, entstanden an Universitäten, Kunst-und Fachhochschulen entsprechende neue Studiengänge.
Ein Anfang der Fundierung eines derartigen vielfältigen kulturellen Praxisfeldes wurde -wie oben dargelegt -vom Europarat gemacht. Gegenwärtig, da Vertreter eines mehr elitären Kulturbegriffs und einer konservativen Kulturpolitik in Verbindung mit der Sparpolitik der öffentlichen Hände sich wieder lautstärker artikulieren, hat es die Soziokultur nicht leicht, Gehör und Unterstützung zu finden. Wiederum bleibt sie angewiesen nicht allein auf standfeste Kulturpolitiker in Deutschland, sondern auch auf den Europarat, der mit seiner groß angelegten Aktion „Kultur und Nachbarschaften in den Großstädten“ (1993-1997) dem Ziel der Förderung der „pluralistischen und parlamentarischen Demokratie, dem Rechtsstaat und einem durch die Vielfalt bereicherten gemeinsamen kulturellen Erbe (verpflichtet ist)“ (Wiener Erklärung von 1993).
V. Bricolage
Noch ist es weder im ideologisch ungeteilten Europa noch im wiedervereinigten Deutschland bislang gelungen, eine kulturelle Politik zu konzipieren, die den Realitäten der multikulturellen Gesellschaften entspricht. Die seit einem Jahrzehnt bereits immer wieder gestellte Frage, wie zwischen einheimischer Mehrheit und den zugewanderten Minderheiten um der besseren Verständigung, des friedvollen und gleichberechtigten Zusammenlebens willen eine entsprechende Kulturpolitik zu gestalten sei, ist bislang nur ansatzweise bzw. bestenfalls hier und da kommunal beantwortet worden. Alle diesbezüglichen Versuche, die in den verschiedensten interkulturellen Veranstaltungen, Kolloquien und Gremien dazu unternommen wurden, haben letztlich noch keine überzeugenden Konzepte hervorgebracht. Möglicherweise ist die Kulturpolitik auch überfordert, wenn sie für diese vielfältigen kulturellen, ethnischen und religiösen Ausprägungen Orientierungen geben und Regelungen für ein friedvolles Zusammenleben entwickeln soll. Dennoch darf Kulturarbeit in einer multikulturellen Gesellschaft nicht nur Problemanzeige bleiben. Wenn denn der Fremdenfeindlichkeit, wie sie uns immer wieder alarmiert, dem latenten Rassismus und Nationalismus wirkungsvoll entgegengewirkt werden muß, hat die Gesellschaft multikulturpolitische Gestaltungsaufgaben zu leisten. Und da genügt es nicht, wenn etwa mit kommunaler Unterstützung in bestimmten Räumen landsmannschaftliche Traditionen gepflegt, Gruppenarbeiten gefördert und Begegnungen organisiert werden.
Diese Gruppen nicht nur sozial, sondern auch soziokulturell wirklich ernstnehmen heißt, ihnen politische Chancen einzuräumen, um gleichberechtigt am allgemeinen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen; das muß Grundanliegen unseres demokratischen Selbstverständnisses sein. So könnten wir dazu beitragen, existierende soziokulturelle Defizite, die von den Rechtsextremen für ihre eigenen Zwecke mißbraucht werden, abbauen zu helfen.
Stets muß für zukünftige veränderte kulturpolitische Konzeptionen die Situation der ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten mitbe-dacht werden -schon im Interesse des Mehrheitsvolkes. Die inzwischen durchaus intelligenteren Strategien der Neuen Rechten erfordern entsprechende demokratisch-kulturelle Gegenstrategien. Denn daß ein „Kulturkampf“ der „Neuen Rechten“ gegen den „Multikulturalismus“ im Gange ist und mit dem Ziel geführt wird, die von ihr als homogen gedachte „nationale Kultur“ einer „selbstbewußten Nation“ gegen das „bedrohliche Fremde“ wieder herauszustellen, darf heute nicht übersehen werden, auch wenn gegenwärtig in der Öffentlichkeit -nicht zuletzt aufgrund der Wirkung der Diskussion des Goldhagen-Buches -nationalistische „anschwellende Bocksgesänge“ (Botho Strauß) jedenfalls vorerst verstummt sind
Wenn für die „alte“ Bundesrepublik durchaus gelten kann, daß sie ihre kulturellen Politikfelder in den siebziger Jahren neu und mit dem Blick nach vorne so orientierte, daß sie auch in den achtziger Jahren weitgehend intakt blieben -und das betrifft auch von mir nicht ausdrücklich behandelte Kulturbereiche wie die neue und dialogfähige auswärtige Kulturpolitik als „dritte Säule“ der Außenpolitik (Willy Brandt) so gilt das nun keineswegs mehr. In allen Politikbereichen bedarf es fundamentaler Veränderungen, und diese werden viel radikaler und gesellschaftlich schmerzvoller sein müssen als alle bisherigen.
Alle unsere tief eingeschliffenen Wahrnehmungsmuster -grundlegend orientiert an Ost und West, links und rechts, Freund und Feind, Gut und Böse -sind untauglich geworden. Und die Geschichte ist nach der Aufhebung der Teilung Europas und Deutschlands teleologisch eben nicht an ihr Ende gekommen (Francis Fukuyama); vielmehr sind längst vergessene und erledigt geglaubte nationale, ethnische und religiöse Konflikte wieder aufgebrochen und haben zu schwerwiegenden Turbulenzen in der neuen Weltordnung geführt, so daß wir weit entfernt von einer friedlichen Welt und zivilen Gesellschaft leben.
Die Werte-Verwirrung ist groß. Taugen die Maßstäbe, die wir, die Nachkriegsgeneration, uns im Prozeß der Demokratisierung in Deutschland erarbeitet haben und die als wichtigstes Moment wohl die Orientierung an der politischen Kultur des Westens beinhalteten, nicht mehr, um -moralisch ausgedrückt -noch gut von schlecht und richtig von falsch zu unterscheiden? Die herrschenden Sinn-Defizite werden auch durch zunehmende soziale Unausgewogenheiten und den fortschreitenden Abbau von öffentlichen kulturellen Leistungen in diesem Lande, das ja, anders als die westeuropäischen Nachbarländer, ohne natürliche Traditionen sein Selbstverständnis zu finden hat, verursacht und wirken sich entsprechend antikommunitär aus. Doch nur gemeinsame Werte-grundlagen der Bürger, verbunden mit deren Vertrauen in unsere gesellschaftlichen Institutionen, sind allerdings die Voraussetzungen dafür, daß unsere parlamentarische Demokratie stabil bleibt.
In diese allgemeine Werte-Verwirrung und globale Orientierungs-Krise bleibt auch die Kulturpolitik einbezogen. Allerdings hätte sie im Blick auf ihre Gegenstände Kunst und Kultur durchaus Chancen, wieder die richtigen Fragen, im Kern Werte-und Wahrheitsfragen, zu stellen und darin geistige und moralische Orientierung zu suchen und zu finden. Dazu gehört Mut. Nur wer Neues wagt -und sich dabei nicht vom Zeitgeist, seiner zunehmenden Marktorientierung jeglicher Art, bestimmen läßt -, kann auch Bewährtes bewahren Für die Zukunft der Kulturpolitik in diesem Lande, die in den ungeheuren gesellschaftlichen Zivilisationsumbruch voll involviert ist, sollte Maßstab sein, was in Arc et Senans normativ formuliert wurde: „Kulturpolitik kommt ohne ethische Begründung nicht aus!“