Existenzgründungen in Ostdeutschland Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in Sachsen-Anhalt
Thomas Claus
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Zusammenfassung
Auf der Basis einer durch das Institut für sozialwissenschaftliche Informationen und Studien (ISIS) Magdeburg durchgeführten Repräsentativerhebung unter mehr als 2 000 Existenzgründern und -gründerinnen in Sachsen-Anhalt wird versucht, die Situation und Entwicklung junger Unternehmen in den neuen Bundesländern zu beleuchten. Es wird gezeigt, daß Neugründungen im Bereich der Klein-und mittelständischen Unternehmen als wichtiger Arbeitsmarkt-und Beschäftigungsfaktor fungieren. Besonders für neu-gegründete Klein-und Kleinstunternehmen weisen die Ergebnisse einen überproportionalen Anteil am Beschäftigungszuwachs aus. Es wird deutlich, daß die verschiedenen Programme zur Existenzgründerförderung positiv zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Schwierigkeiten, die in der Gründungs-und Konsolidierungsphase junger Unternehmen auftreten, sind einerseits auf objektive Probleme zurückzuführen (schlechte Zahlungsmoral, Probleme beider Bewilligung von Krediten), haben andererseits aber auch ihre Ursache im mangelnden Problembewußtsein bzw.der Persönlichkeit der Existenzgründer. Vor diesem Hintergrund wird anhand der ISIS-Studie exemplarisch dokumentiert, daß es sowohl seitens der Gründer und Gründerinnen als auch der politisch Verantwortlichen weiterer Anstrengungen bedarf, um über die Stärkung der jungen Unternehmen einen international wettbewerbsfähigen Mittelstand in Ostdeutschland zu entwickeln.
I. Ausgangssituation, Anliegen und Methode der Untersuchung
Mit dem Schritt in die Selbständigkeit verknüpfen sich eine Vielzahl von Erwartungen und Interessen. Verbinden Existenzgründer und -gründerinnen damit vor allem Motive, wie das Streben nach Selbstverwirklichung, den Wunsch nach Verbesserung der finanziellen Situation und nicht selten die Absicht, einer bestehenden oder drohenden Arbeitslosigkeit zu begegnen, so sieht man in Politik und Gesellschaft vor allem die Chance, mit einer Forcierung des Gründungsgeschehens zur strukturellen Stärkung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes beizutragen. Die Gründe dafür sind offenkundig -erfolgt doch die überwiegende Mehrheit aller Existenzgründungen im Bereich der klein-und mittelständischen Unternehmen, die aufgrund ihres quantitativen und qualitativen Leistungspotentials nicht umsonst als „Motor der wirtschaftlichen Entwicklung“ gelten.
Abbildung 8
Abbildung 4: Inanspruchnahme von Fördermitteln durch die Unternehmen
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 4: Inanspruchnahme von Fördermitteln durch die Unternehmen
Quelle: Eigene Darstellung.
Hinzu kommt, daß in kleinen und mittleren Unternehmen gegenwärtig mehr als zwei Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung beschäftigt sind und gerade von Neugründungen in diesem Wirtschaftssegment die stärksten Beschäftigungseffekte ausgehen. Vor diesem Hintergrund können Existenz-gründer und -gründerinnen beim Start in die Selbständigkeit seit langem auf eine besondere Unterstützung und staatliche Förderung bauen, die ihnen eine erfolgreiche Etablierung am Markt ermöglichen soll Diese Förderung ist insbesondere für die neuen Länder und Ost-Berlin von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dort steht man seit dem Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft, in der nach mehreren Enteignungswellen seit Beginn der siebziger Jahre de facto kein Mittelstand mehr existierte, vor der schwierigen Aufgabe, den Bereich der klein-und mittelständischen Unternehmen nahezu gänzlich neu zu entwickeln.
Dabei müssen sowohl die Gründer und Gründerinnen als auch die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft einen „doppelten Transformationsprozeß“ bewältigen: Neben dem'Übergang von der Plan-zur Marktwirtschaft geht es in diesem Prozeß gleichzeitig um die notwendige Anpassung an Veränderungen des marktwirtschaftlichen Systems auf internationaler Ebene. Angesichts der besonderen Qualität von Problemen, die aus dieser Situation heraus entstehen, gilt es für die Akteure, „eingefahrene Gleise“ zu verlassen und neue Lösungswege zu finden. Ähnlich wie in anderen Bundesländern Ostdeutschlands wird daher auch in Sachsen-Anhalt der Suche nach adäquaten Fördermöglichkeiten für die Neugründung und Stabilisierung junger Unternehmen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Aufgrund der hohen Transformationsdynamik hängt die Effizienz und Zielgenauigkeit dieser Anstrengungen maßgeblich davon ab, wie flexibel und schnell man in der Lage ist, auf die aktuelle Wirtschafts-und Arbeitsmarktentwicklung zu reagieren. Voraussetzung dafür sind differenzierte, wissenschaftlich gesicherte Informationen über die aktuelle Situation und längerfristige Entwicklungstendenzen klein-und mittelständischer Unternehmen. Schon seit Anfang der neunziger Jahre werden deshalb in Sachsen-Anhalt kontinuierlich Analysen und Untersuchungen durchgeführt, die Präventiv-und Interventionsmaßnahmen zur Steuerung des Existenzgründungsgeschehens liefern sollen. In diesem Kontext wurde Mitte des Jahres 1994 das Institut für sozialwissenschaftliche Informationen und Studien -ISIS Magdeburg -durch das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Sachsen-Anhalt mit der Durchführung einer empirischen Studie unter klein-und mittelständischen Unternehmen beauftragt. Im Mittelpunkt der Forschung stand die Auseinandersetzung mit der Frage, ob und in welchem Ausmaß es den neugegründeten Unternehmen in Sachsen-Anhalt möglich ist, ihre Strukturen zu stabilisieren, einen Beitrag zur Entwicklung der regionalen Wirtschaft zu leisten, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze zu schaffen und dabei das Potential vorhandener Berufsqualifikationen zu nutzen und zu entwickeln. Flankierend dazu sollten die Struktur-und beschäftigungspolitischen Wirkungen der bisher eingesetzten Fördermittel für Existenzgründer und -gründerinnen bzw. für kleine und mittlere Unternehmen analysiert sowie weitere Möglichkeiten für ihren problemadäquaten Einsatz aufgezeigt werden. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei jenen Problemen gewidmet, die in der Gründungs-und Konsolidierungsphase die Tätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen behindern. Daneben wurden in der Studie prägende Persönlichkeitseigenschaften von Existenzgründern hinsichtlich ihrer Wirkungen auf das unternehmerische Handeln analysiert. Schließlich bestand ein wichtiges Anliegen der Studie darin, die Situation von Frauen im Existenzgründungsgeschehen zu beleuchten und etwaige Unterschiede gegenüber männlichen Unternehmern zu dokumentieren. Innerhalb der Wirkungsanalyse bestehender Förderprogramme galt das Hauptaugenmerk dem eigens durch das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit entwickelten und durch Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanzierten Programm zur „Förderung der Qualifizierung von Existenzgründern“.
Das Kernstück der empirischen Untersuchung bildete eine repräsentative Befragung von 2166 zufällig ausgewählten klein-und mittelständischen Unternehmen (Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten), die seit 1990 in Sachsen-Anhalt neu-oder umgegründet wurden. Die Erhebung fand in der Zeit von Ende November 1994 bis Mitte Januar 1995 statt. Die Stichprobe war dabei so strukturiert, daß sie sowohl für die Gruppe von Unternehmern und Unternehmerinnen, die das „ESF-Existenzgründerprogramm“ durchlaufen haben (ca. 500), als auch für die darin nicht integrierten Personen (ca. 1 700) jeweils repräsentative Aussagen und damit direkte Vergleiche und Wertungen gestattet.
Gemäß dem Anliegen, über die Analyse der aktuellen Situation hinaus auch Entwicklungsverläufe und -determinanten bei kleinen und mittleren Unternehmen sichtbar zu machen, wurde die Befragung als Panel-Erhebung angelegt, d. h. als Längsschnittstudie, in der die gleichen Unternehmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Repräsentativerhebungen einbezogen werden. Der damit verfolgte Ansatz soll im Rahmen nachfolgender Teiluntersuchungen insbesondere den Zugang zu jenen Unternehmen ermöglichen, die zwischenzeitlich aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Selbständigkeit aufgeben mußten. Damit verbunden ist das Ziel, künftig die Ursachen und Bedingungen für das Scheitern von Existenz-gründungen zu konzeptualisieren. Die zu erwartenden Ergebnisse können dazu beitragen, daß sich bereits einige Zeit vor der unmittelbaren Schließung von Unternehmen Warnsignale identifizieren lassen. Bei richtiger Deutung und dem Einsatz adäquater Interventionsstrategien kann auf diese Weise drohenden Insolvenzen vorgebeugt werden.
Die Existenzgründerstudie des ISIS wurde im August 1995 an das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit in Sachsen-Anhalt übergeben und der Öffentlichkeit vorgestellt. Im folgenden werden anhand ausgewählter Problembereiche einige Ergebnisse der Untersuchung erörtert. Die dargestellte Situation von klein-und mittelständischen Unternehmen kann -obwohl im vorliegenden Fall nur für Sachsen-Anhalt untersucht -durchaus auch als typisch für die ostdeutschen Bundesländer insgesamt gelten.
II. Grundlegende Charakteristika des Gründungsgeschehens in Sachsen-Anhalt
Abbildung 2
Tabelle 1: Beschäftigtenentwicklung in Unternehmen (differenziert nach der Gründungsart, Angaben in Prozent)
Quelle: Eigene Erhebungen.
Tabelle 1: Beschäftigtenentwicklung in Unternehmen (differenziert nach der Gründungsart, Angaben in Prozent)
Quelle: Eigene Erhebungen.
Der 1990 einsetzende Aufbau des damals in Sachsen-Anhalt nur noch rudimentär vorhandenen Mittelstandes unterscheidet sich aufgrund der zu bewältigenden Transformationsprobleme grundsätzlich von dem in den alten Bundesländern oder anderen westeuropäischen Staaten. Deutlich wird dies neben dem Verlauf des Gründungsgeschehens (im Zeitraum 1991 bis 1995 gingen die saldierten Gewerbeanmeldungen von 18 396 auf 3 566 zurück unter anderem an der Art und Weise der in Sachsen-Anhalt vollzogenen Existenzgründungen. Zwar liegt der Anteil von Unternehmen, die durch „originäre Neugründung“ entstanden, mit 70, 6 Prozent relativ hoch, aber mit etwas mehr als 20 Prozent entfällt ein nicht unbeträchtlicher Teil auf Unternehmen, die durch „Ausgliederungen/Ausgründungen“ oder „Privatisierung“ entstanden sind (vgl. Abbildung 1).
Hinsichtlich der Gründungsart lassen sich deutliche Unterschiede in den Startbedingungen, den Unternehmensstrukturen sowie der Unternehmensführung erkennen. Beispielsweise übernahmen privatisierte Unternehmen mit Sach-und Humankapital auch Strukturen, die unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zumindest einen Teil ihrer ökonomischen und rechtlichen Basis verloren haben. Dieses „Erbe“ erschwerte nachweislich die mentale Öffnung für den gesamten Problembereich eines am Markt selbständig operierenden Unternehmens. Unzureichende Flexibilität in der Gestaltung von Geschäftskontakten oder die Betonierung interner Hierarchien und Beschäftigungsstrukturen führten hier nicht selten dazu, daß sich diese Unternehmen in bezug auf die bereitgestellten Fördermittel als „Faß ohne Boden“ erwiesen.
Demgegenüber sehen sich Unternehmen, die als originäre Neugründung entstanden sind, mit gänzlich anderen Problemen konfrontiert. Während privatisierte oder ausgegründete Unternehmen aufgrund vorhandener Kontakte und Beziehungen in der Regel relativ schnell über eine Grundlage am Markt verfügen, stehen neugegründete Betriebe insbesondere vor Schwierigkeiten bei der Entwicklung einer bedarfsgerechten Produkt-und Leistungspalette, dem Aufbau effektiver Absatz-und Beschaffungsstrukturen, der Konstituierung von Kooperationsbeziehungen oder der Expansion ihrer Personalressourcen. Diesbezüglich verbessert die in Sachsen-Anhalt schon seit längerem praktizierte Verzahnung verschiedener Förderprogramme infolge der Erzielung von Synergieefekten die Erfolgsaussichten für Neugründungen.
Ein weiterer Punkt, in dem sich das Gründungsgeschehen in Sachsen-Anhalt deutlich von dem in den alten Bundesländern abhebt, ist die Rechtsformder neugegründeten Unternehmen. Hier dominiert mit einem Anteil von 48, 9 Prozent deutlich die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), gefolgt von Einzelunternehmen (40, 7 Prozent) und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (6, 2 Prozent). Lediglich 4, 2 Prozent aller klein-und mittelständischen Unternehmen sind als Genossenschaft, Handels-, Kommandit-oder Aktiengesellschaft bzw. als eingetragener Verein organisiert. Zwischen dem Gründungsjahr und der Rechtsform besteht dabei ein hochsignifikanter Zusammenhang: Nach 1992 ist eine deutliche Tendenz zur Anpassung an Strukturen der alten Bundesländer zu erkennen. Belief sich der Anteil von Gesellschaften mit beschränkter Haftung an allen Gründungen in Sachsen-Anhalt 1990 noch auf annähernd 70 Prozent, so hatte er sich 1994 bereits auf ca. 27 Prozent reduziert. Mit ca. 60 Prozent lag der Hauptanteil in diesem Jahr bei der Gründung von Einzelunternehmen.
Inwieweit die anfänglich eingegangenen größeren Verpflichtungen bei einer GmbH (z. B. Kapitaleinsatz, Entscheidungsstrukturen) auch zu höheren Risiken bei der Existenzsicherung und Stabilisierung der Unternehmen führen, läßt sich gegenwärtig nicht abschließend beurteilen. In bezug auf die zukünftige Entwicklung ist jedoch durchgehend eine optimistische Grundhaltung der Gründer aller Unternehmensformen feststellbar. So äußerten 71, 1 Prozent der GmbH-Repräsentanten die Erwartung, daß sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens in den nächsten zwei Jahren leicht bzw. stark verbessern werde; in Einzelunternehmen wurde diese Ansicht von 68,4 Prozent und in Gesellschaften bürgerlichen Rechts sogar von 81,3 Prozent vertreten.
Zu den grundlegenden Charakteristika des Gründungsgeschehens in Sachsen-Anhalt zählen weiterhin der Standort sowie die Branchenzugehörigkeit der neugegründeten Unternehmen. Während die regionale Verteilung der Unternehmen annähernd der Bevölkerungs-und Beschäftigtendichte in den einzelnen Regionen Sachsen-Anhalts entspricht und damit keine disproportionale Konzentration auf bestimmte Gebiete auszumachen ist, zeigen sich hinsichtlich der Branchenzugehörigkeit einige Auffälligkeiten. So findet sich der größte Teil aller klein-und mittelständischen Unternehmen in der Branche der „sonstigen Dienstleistungen“ (24,8 Prozent), gefolgt vom „Handel“ (19,1 Prozent), der Metall-/Elektrobranche (13,5 Prozent) und dem Baugewerbe (12, 7 Prozent). Die geringsten Anteile von klein-und mittelständischen Unternehmen weisen die Chemiebranche (1,3 Prozent) sowie der Maschinenbau (2,2 Prozent) auf. Da der Dienstleistungssektor immer noch durch eine hohe Entwicklungsdynamik gekennzeichnet ist (allerdings auch durch die höchste Zahl von Insolvenzen), bietet er gerade für die Neugründung von Kleinstunternehmen aufgrund des oftmals geringeren Investitions-und Personalaufwandes weiterhin gute Chancen für den Eintritt in die Selbständigkeit. Dafür spricht auch, daß der Bereich der Dienstleistungen in Sachsen-Anhalt -verglichen mit dem der anderen neuen Bundesländer -noch unterrepräsentiert ist.
Deutliche Reserven liegen beim Gründungsgeschehen im industriellen Sektor. Mit einem seit 1992 nahezu konstanten Anteil von ca.sechs Prozent an den saldierten Gewerbeanmeldungen bilden die Neugründungen in diesem Bereich das Schlußlicht
Insgesamt läßt die Verteilung der klein-und mittelständischen Unternehmen auf die einzelnen Branchen eine „Übergangsstruktur“ erkennen, die durch binnenorientierte, vor allem konsum-und baunahe Wirtschaftszweige geprägt ist. Innerhalb der Förderpolitik wird es künftig verstärkt darauf ankommen, durch eine weitergehende Differenzierung der unterstützenden Maßnahmen und die Schaffung spezieller Anreizsysteme die noch vorhandenen Disproportionen weiter abzubauen.
Ein weiteres Merkmal, das zur Beschreibung der Situation klein-und mittelständischer Unternehmen in Sachsen-Anhalt herangezogen werden kann, ist die Umsatzentwicklung. Bis auf wenige Ausnahmen ist es den in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen seit ihrer Gründung gelungen, ihren Umsatz zu halten bzw. sogar leicht zu erhöhen. Belief sich der durchschnittliche Umsatz pro Unternehmen 1991 auf 2,70 Millionen DM, so stieg er bis zum Jahr 1994 um ca. 5,5 Prozentpunkte auf 2,85 Millionen DM. In bezug auf die Umsatzentwicklung kann dabei gerade in jüngster Zeit von einem positiven Trend ausgegangen werden, wobei dieser „Aufschwung“ inzwischen von verschiedenen Branchen getragen wird. Dieser Trend wird kontrastiert durch einen enorm wachsenden Kostendruck (auch bei vollen Auftrags-büchern), durch den neue Zwangslagen entstehen. Da bisher kaum die notwendigen Rücklagen gebildet werden konnten, aber hohe Personalaufwendungen und Kosten für die Inanspruchnahme kommunaler und privater Dienste entstanden sind sowie verstärkt Tilgungs-, Zins-und Steuerzahlungsverpflichtungen einsetzen, läßt die positive Umsatzentwicklung nicht unmittelbar auf eine Stabilisierung der klein-und mittelständischen Unternehmen schließen. Angesichts des erwähnten Kostendrucks gehen die Überlegungen der Landesregierung dahin, perspektivisch die vorhandenen Förderinstrumente z. B. um einen Existenzgründerzuschuß zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung zu ergänzen und die zur Zeit bei zwei Prozent liegenden Zinszuschüsse auf vier Prozent zu verdoppeln
III. Beschäftigung, Ausbildung und Qualifizierung
Abbildung 3
Tabelle 2: Veränderungen in der personellen Struktur der Unternehmen 1990-1993 (in Prozent)
Quelle: Eigene Erhebungen.
Tabelle 2: Veränderungen in der personellen Struktur der Unternehmen 1990-1993 (in Prozent)
Quelle: Eigene Erhebungen.
Mit der Förderung von Existenzgründungen verbindet sich aus arbeitsmarktpolitischer Sicht in erster Linie das Anliegen, neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu erschließen. Dies gilt sowohl für die Gründer und Gründerinnen selbst als auch für deren potentielles Personal. Der Frage nach den Beschäftigungseffekten wurde deshalb in derUntersuchung besondere Aufmerksamkeit gewidmet (vgl. Tabelle 1).
Bei der Mehrheit der seit 1990 in Sachsen-Anhalt neu-oder umgegründeten Unternehmen handelt es sich um Kleinstbetriebe mit bis zu fünf Beschäftigten (71, 6 Prozent). In Abhängigkeit vom Gründungsjahr ist erkennbar, daß sich seit 1990 das Gründungsgeschehen zunehmend in diesem Sektor konzentriert und sich die durchschnittliche Mitarbeiterzahl pr Unternehmen weiter verringert (vgl. Tabelle 2). Der Anteil von Frauen an den Beschäftigten in den untersuchten Betrieben belief sich -bezogen auf den Zeitpunkt der Gründung -auf 31. 1 Prozent.
Hinsichtlich der Entwicklung der Beschäftigten-zahlen läßt sich ein kontinuierlicher Anstieg konstatieren. So stieg die Zahl der Beschäftigten in den untersuchten Unternehmen vom Markteintritt bis zum Zeitpunkt der Erhebung um ca. 18 Prozent. Dies entspricht für den Zeitraum von der Gründung bis zum Beginn des Jahres 1995 einer Erhöhung der durchschnittlichen Mitarbeiterzahl von 13 auf 15 Beschäftigte. Obwohl auch bei den Frauen absolut gesehen ein Beschäftigungszuwachs zu verzeichnen ist, verringerte sich ihr Anteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten leicht auf 29, 3 Prozent. Deutlich überproportional am Beschäftigtenzuwachs beteiligt waren Kleinst-und Kleinunternehmen. Insbesondere die 1993 (und danach) gegründeten Unternehmen erreichten bereits im ersten Jahr ihrer Selbständigkeit einen relativ hohen Beschäftigungszuwachs. Demgegenüber war der größte Beschäftigungsabbau in ehemaligen Großunternehmen (Treuhandunternehmen) zu verzeichnen, die auch nach ihrer Privatisierung und dem damit verbundenen Über-gang in das Segment der klein-und mittelständischen Unternehmen weiterhin in bedeutendem Maße Personal abbauen mußten. Von einer Stabilisierung der Beschäftigungslage in diesen Unternehmen ist auch heute noch nicht zu sprechen.
Obwohl gerade bei solchen Unternehmen mit Fördermaßnahmen Arbeitsplätze in erheblichen Größenordnungen gesichert werden können, sollten deren strukturelle Innovationsmöglichkeiten und die bisherigen Bemühungen um Anpassung an die aktuellen Marktbedingungen auf ihre Tragfähigkeit hin noch gründlicher überprüft werden. Denn eine mit hohen finanziellen Aufwendungen erkaufte und nur mittelfristig wirksame Sicherung von Arbeitsplätzen, die man lediglich durch das Hinauszögern absehbarer Konkurse erreicht, bindet unnütz Mittel und kann trotz politischer Opportunität auch nicht im Interesse der Beschäftigten liegen.
Eine branchenspezifische Betrachtung des in den untersuchten Unternehmen vorhandenen Beschäftigungspotentials bestätigt ebenfalls Verkleinerungstendenzen (abnehmende durchschnittliche Beschäftigungszahlen) der bestehenden Unternehmen. Ein dramatischer Beschäftigungsrückgang erfolgte nach der wirtschaftlichen Umstrukturierung vor allem in der Landwirtschaft (Beschäftigungsrückgang 48, 5 Prozent); darüber hinaus insbesondere im Maschinenbau (13, 4 Prozent), dem verarbeitenden Gewerbe (6, 8 Prozent) und in der Chemie (6, 4 Prozent).
Bedeutende Zuwächse, die wiederum durch beschäftigungswirksames Wachstum der Unternehmen besonders in den unteren Größenklassen zustande kamen, sind im Baugewerbe (Beschäftigungszuwachs 85, 5 Prozent) und bei den sonstigen Dienstleistungen (51, 4 Prozent), aber auch in den Wirtschaftszweigen Bildung und Gesundheit (48, 0) sowie Metall/Elektro (5, 3 Prozent) zu verzeichnen. Gerade in jenen Wirtschaftszweigen, in denen Arbeitsplatzabbau erfolgte, zeigt sich ein überproportionaler Rückgang der Frauenbeschäftigung. Gleichzeitig -und das erscheint überraschend -läßt sich in den Bereichen Bildung und Gesundheit, sonstige Dienstleistungen, aber auch im Baugewerbe, die allesamt einen deutlichen Beschäftigungszuwachs zu verzeichnen hatten, ein überproportionaler Zuwachs an Frauenarbeitsplätzen nachweisen. Besonders im Dienstleistungsbereich, der neben seinen positiven Wirkungen für Arbeitnehmerinnen auch verstärkt durch Existenzgründungen qualifizierter Frauen gekennzeichnet ist, läßt deshalb die Konzentration von Fördermitteln einen doppelten Effekt bei der Unterstützung weiblicher Erwerbsarbeit erwarten.
Bezogen auf die Beschäftigungsart ist festzustellen, daß die überwältigende Mehrheit der Mitarbeiter in den kleinen und mittleren Unternehmen Sachsen-Anhalts vollzeitbeschäftigt ist. Ihr Anteil beträgt im Durchschnitt 92, 1 Prozent. Arbeitsmarktpolitische Überlegungen und Aktivitäten, die Teilzeitarbeit zu fördern und damit mehr Menschen den Zugang zu gewerblicher Arbeit zu ermöglichen, sind bisher in vielen Branchen daran gescheitert, daß für kleine und mittlere Unternehmen Teilzeitarbeit nur von begrenztem Interesse erscheint. Branchenspezifisch bestehen in Sachsen-Anhalt deutliche Unterschiede in der Bereitstellung von Teilzeitarbeitsplätzen. In den Bereichen mit relativ hohen Anteilen an Teilzeit7 arbeitsplätzen wie Handel (20, 9 Prozent) und sonstige Dienstleistungen (13, 8 Prozent) läßt sich allerdings nachweisen, daß für Arbeitsplätze mit höheren qualifikatorischen Anforderungen Teilzeitbeschäftigung in nur sehr geringem Umfang realisiert ist. Teilzeitarbeitsquoten, wie sie in den alten Bundesländern bestehen (z. B. im Dienstleistungsbereich und im Handel von ca. 25 Prozent, im verarbeitenden Gewerbe von 7 bis 8 Prozent, im Verkehrs-und Nachrichtenwesen von ca. 10 Prozent), werden gegenwärtig in keinem Wirtschaftsbereich in Sachsen-Anhalt erreicht.
Hinsichtlich der Zu-und Abgänge von Beschäftigtenin den kleinen und mittleren Unternehmen Sachsen-Anhalts sind Personalbewegungen in größerem Umfang nachzuweisen, wobei der Zuwachs an Personal deutlich den festgestellten Personalabbau übersteigt. Überwiegend positiv ist daher die Erwartung der Unternehmer und Unternehmerinnen in bezug auf die Beschäftigungsentwicklung in ihren Betrieben. Mehr als 37 Prozent der Befragten hatten für 1995 eine Zunahme der Beschäftigung vorgesehen, etwa 54 Prozent erwarteten keine Veränderungen und nur knapp 9 Prozent gingen in ihren Planungen von einer Verringerung der Beschäftigtenzahl aus.
Deutliche Defizite lassen sich demgegenüber bei der Ausbildungssituation erkennen. Wie die Ergebnisse der Untersuchung verdeutlichen, bestehen nach wie vor enorme, eher weiter anwachsende Schwierigkeiten, Jugendlichen in Sachsen-Anhalt einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu sichern. Lediglich in 20 Prozent der untersuchten Unternehmen Sachsen-Anhalts sind gegenwärtig überhaupt Auszubildende eingestellt (vgl. Abbildung 2). Nur etwa ein Viertel der Ausbildungsplätze sind zudem mit Mädchen besetzt. Von ausbildenden Unternehmen haben ca. 70 Prozent für mindestens einen Auszubildenden bzw. für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen Fördermittel in Anspruch genommen. Es ist festzustellen, daß gerade bei „jüngeren“, erst vor kurzer Zeit gegründeten Unternehmen große Vorbehalte gegenüber der Ausbildung bestehen -auch dann, wenn im Unternehmen alle fachlichen Voraussetzungen gegeben sind und gute Entwicklungschancen gesehen werden.
Hinsichtlich der Qualifikationsstruktur der Beschäftigten in den neugegründeten Unternehmen zeigt die Untersuchung einen dominierenden Anteil von Facharbeitern (68, 3 Prozent der Beschäftigten). Er ist vergleichsweise höher als in Unternehmen der alten Bundesländer und liegt auch über dem Anteil, den man im durchschnittlichen Qualifikationsniveau der Bevölkerung Sachsen-Anhalts findet. Das heißt auch, daß ausgebildete Facharbeiter und Facharbeiterinnen mit (teilweise langjähriger) Berufserfahrung und insbesondere Fach(hoch) schulabsolventen und -absolventinnen (mit ihrer Praxisorientierung) die besten Chancen haben, einen Arbeitsplatz in kleinen und mittleren Unternehmen zu bekommen. Demgegenüber sind Personen ohne abgeschlossene berufliche Ausbildung (gegenwärtig 12, 9 Prozent) und solche mit Hochschul-und Universitätsabschluß (5, 7 Prozent) in den kleinen und mittleren Unternehmen leicht unterrepräsentiert (vgl. Abbildung 3). In Verbindung mit qualitativen Beschäftigungseffekten ist dabei tendenziell eine leichte Abnahme des Anteils von Beschäftigten ohne Berufsabschluß sowie ein leichter Anstieg im Bereich der höherqualifizierten Arbeitskräfte (Fachhochschul-und Hochschulabschluß) zu beobachten.
Die gute Qualifikationsbasis der Beschäftigten in den klein-und mittelständischen Unternehmen führt jedoch bei einer Vielzahl von Unternehmen dazu, daß man sich mit dem erreichten Qualifikationsstand der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf Dauer zufriedengibt. Dementsprechend bestehen kaum Anstrengungen, das Personal -mit Blick auf die Erhaltung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens -weiter zu qualifizieren. Erweiterte, eher innovative Qualifizierungsbedarfe, die auf die Bewältigung künftiger Anforderungen ausgerichtet sind (u. a. auch auf den Erwerb sozialer Kompetenzen, Team-fähigkeit etc.), werden nicht ausreichend gesehen bzw. können dort, wo sie erkannt werden, aufgrund großer finanzieller Zwänge und fehlender sachlicher Voraussetzungen nicht erfüllt werden. Unterstrichen wird das mangelnde Engagement im Bereich der Qualifizierung u. a. dadurch, daß lediglich 15, 8 Prozent aller Unternehmen bislang über ein Personalentwicklungskonzept mit konkreten Festlegungen zur Weiterbildung verfügen. Hier sollte -ähnlich wie beim Ausbildungsdefizit -den Existenzgründern noch stärker verdeutlicht werden, daß Ausbildungs-und Qualifizierungskosten eine Investition in die Zukunft des eigenen Unternehmens sind.
IV. Gründungs-und Konsolidierungsprobleme junger Unternehmen
Abbildung 4
Abbildung 2: Ausbildung in Unternehmen Sachsen-Anhalts
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 2: Ausbildung in Unternehmen Sachsen-Anhalts
Quelle: Eigene Darstellung.
1. Allgemeine Probleme im Existenzgründungsgeschehen Die Bedingungen für die Gründung kleiner und mittlerer Unternehmen in Ostdeutschland waren und sind noch immer durch vielschichtige, völlig andersartige Problembereiche gekennzeichnet, als sie bei Unternehmensgründungen in den alten Bundesländern auftreten. So wird neben dem Fehlen nahezu aller materiellen Voraussetzungen (Finanzen, Immobilienbesitz etc.) die Existenz-gründung in der Regel zusätzlich durch subjektive Defizite -wie nicht vorhandene Erfahrungen in Führungspositionen in einem selbständigen Unternehmen oder lückenhafte betriebswirtschaftliche Kenntnisse -erschwert. Die Existenzgründer und -gründerinnen bewerten Probleme, die sowohl die Gründung als auch die gegenwärtige Tätigkeit von jungen Unternehmen behindern, -bei Verdrängung des mit der eigenen Person verbundenen Konfliktpotentials -nahezu übereinstimmend. Vorhandene Schwierigkeiten werden insbesondere mit den bestehenden äußeren Rahmenbedingungen (denen man sich ausge-liefert fühlt) und weitgehend mit der Finanzlage begründet. Angesichts des bereits erwähnten zunehmenden Kostendrucks auf die Unternehmen stehen Probleme mit Banken bei der Bewilligung von Krediten sowie die schlechte Zahlungsmoral von Kunden erwartungsgemäß mit großem Abstand an der Spitze in der Rangfolge von Problemen (vgl. Tabelle 3).Die Unternehmen fühlen sich den Anforderungen einer sich entwickelnden Marktwirtschaft dennoch durchaus gewachsen. Es werden weder größere Probleme in der Flexibilität und inneren Organisation der Unternehmen noch in der Motivation und Qualifizierung der Mitarbeiter signalisiert. Hier zeigt allerdings der Vergleich mit anderen Ergebnissen der Befragung, daß derartige Problemstellungen gegenwärtig noch gar nicht im Blickfeld der Unternehmen stehen, da das Problembewußtsein dafür noch wenig ausgeprägt ist. So werden beispielsweise kaum Schwierigkeiten bei der Marktbeobachtung und -analyse, Probleme bei der Anpassung der Produkt-und Leistungspalette an sich verändernde Marktbedingungen oder Schwierigkeiten in der Qualifizierung der Mitarbeiter gesehen. Andererseits sind gerade in diesen für die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zentralen Bereichen bislang kaum nennenswerte Aktivitäten zu verzeichnen: Marktbeobachtungen und -analysen werden von ca. 60 Prozent aller Unternehmen überhaupt nicht betrieben; mehr als 70 Prozent arbeiten nicht an der Entwicklung innovativer Produkte und Leistungen.
In diesem Kontext ist auch auf die unterdurchschnittliche wirtschaftliche Verflechtung der Unternehmen zu verweisen. In Auswertung der Antworten auf die Frage nach den Absatzregionen von Produkten und Leistungen kann eindeutig festgestellt werden, daß (derzeit noch) überwiegend das unmittelbare räumliche Umfeld (regionale Einbettung) -mit deutlichen Abstrichen eigene bzw. benachbarte Landkreise -die dominierende Absatzregion darstellt. So werden von fast 70 Prozent der Unternehmen Produkte bzw. Leistungen überwiegend bzw. ausschließlich am Ort des Unternehmens angeboten. Dagegen bestehen Wirtschafts-bzw. Absatzverflechtungen in nennenswertem Umfang außerhalb Sachsen-Anhalts lediglich bei knapp einem Viertel der Unternehmen und in bezug auf die alten Bundesländer nur bei etwa 13 Prozent. Eine Differenzierung nach Wirtschaftszweigen verdeutlicht, daß insbesondere der Einzelhandel, der Dienstleistungsbereich und auch das verarbeitende Gewerbe fast ausschließlich auf das unmittelbare Umfeld konzentriert sind. Aber auch in den Wirtschaftszweigen, die natürlicherweise aufgrund der Art ihres Produkt-und Leistungsangebots nicht oder nicht nur einen kleinräumigen Markt bedienen, sind die Absatzverflechtungen durchaus im Unterschied zu Beschaffungsstrukturen außerhalb des räumlichen Umfelds wenig entwickelt. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied des „Wirkungsfeldes“ kleiner und mittlerer Unternehmen in den Regionen Sachsen-Anhalts gegenüber vergleichbaren Regionen in den alten Bundesländern, wie etwa in Niedersachsen.
Obwohl die Unternehmen mit einer Vielzahl derartiger Probleme zu kämpfen haben und vermittels des eigenen Leistungspotentials nur bedingt zu deren Lösung beitragen können, werden Alternativen zur Bewältigung auftretender Schwierigkeiten noch nicht ausreichend genutzt bzw. erkannt. So spielen bislang Kooperationsnetzwerke, mit denen die Unternehmen ihre gemeinsame Leistungs-und Wettbewerbsfähigkeit bedeutend erhöhen könnten, zur Zeit kaum eine Rolle. Besorgniserregend ist dabei nicht nur, das lediglich ca. 20 Prozent aller klein-und mittelständischen Unternehmen z. Z. über Kooperationsbeziehungen verfügen, sondern auch, daß nur ein annähernd gleich hoher Prozentsatz solche Beziehungen überhaupt wünscht. Die Basis dieser geringen Akzeptanz bildet nicht selten ein oftmals falsches Verständnis von Konkurrenz, das vielfach den Blick dafür verstellt, andere Unternehmen auch als potentielle Partner im Wettbewerb zu betrachten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die Existenzgründer -trotz ihrer gegenwärtig noch geringen Anstrengungen zur Institutionalisierung von neuen Kooperationsstrukturen -in Beantwortung der Frage nach den „begünstigenden Umständen“ für die Unternehmensgründung vorhandene „berufliche Netzwerke“ an erster Stelle nennen.
Der konzentrierte Einsatz arbeitsmarkt-und strukturpolitischer Förderinstrumente dürfte daher gerade im Bereich der Entwicklung von Kooperationsnetzwerken von besonderer Wirkung sein. Erste Erfahrungen aus Modellprojekten liegen inzwischen in Sachsen-Anhalt bereits vor. 2. Spezielle Probleme von Frauen als Existenz-gründerinnen Für Frauen ist der Weg in die Selbständigkeit oft mit größeren Schwierigkeiten und Risiken verbunden als für Männer. Erkennbar wird dies schon daran, daß der Anteil aller von Frauen gegründeten Unternehmen -trotz einer seit 1990 erfolgten Erhöhung um nahezu ein Drittel -mit 21, 6 Prozent zu Beginn des Jahres 1995 noch immer relativ niedrig ist. Dabei sind es weniger Probleme mit der unternehmerischen Tätigkeit selbst, sondern eher die tendenziell schlechteren Startbedingungen, die Frauen daran hindern, sich selbständig zu machen. Bereits die Analyse der Gründungsumstände verdeutlicht diesbezüglich vorhandene Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Wird sowohl von Frauen als auch von Männern die Bedeutung von „Führungserfahrungen“ für eine erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit hervorgehoben, so können sich Frauen in deutlich geringerem Maße auf eine derartige Leitungspraxis stützen. Während es für 70 Prozent der Männer zutrifft oder zumindest teilweise zutrifft, daß sie vor der Existenzgründung über Führungserfahrungen verfügten, gaben dies nur etwa 52 Prozent aller befragten Frauen an. Ebenso ist die Einbindung in „berufliche Beziehungsnetzwerke“, die von allen Befragten als besonders wichtig für die Gründung eingestuft wurde, bei Frauen deutlich schwächer ausgeprägt als bei Männern. So übten nur auf 65 Prozent der Frauen -aber auf mehr als 76 Prozent der Männer -derartige Netzwerke einen begünstigenden Einfluß auf die Gründung des Unternehmens aus. Zusätzlich erschwerend fällt bei Existenzgründerinnen ins Gewicht, daß 55, 2 Prozent von ihnen mit dem Schritt in die Selbständigkeit eine bestehende oder drohende Arbeitslosigkeit überwinden mußten (bei Männern nur 35, 7 Prozent).
Die Motivation von Gründerinnen ist dementsprechend stärker „außengesteuert“, was sich in bezug auf die Stabilität ihrer Unternehmen negativ auswirkt. Frauen sind deshalb weit mehr auf Hilfen bei der Vorbereitung der Existenzgründung angewiesen. Sie bewerten gleichzeitig auch deren Bedeutung für die Gründung höher als Männer. So gaben z. B. 65 Prozent aller Frauen -im Unterschied zu 52 Prozent der Männer -an, daß ihre Unternehmensgründung durch die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen begünstigt worden sei. Zum anderen sehen Frauen auch eine stärkere Unterstützung ihrer Unternehmensgründung durch den Einsatz von Fördermitteln (56, 1 Prozent), als dies bei Männern der Fall ist (48, 4 Prozent). Dies ist insofern ein interessantes Ergebnis, als Frauen tatsächlich in deutlich geringerem Maße Fördermittel und Förderprogramme in Anspruch nehmen als Männer. Die diesbezüglich größten Differenzen zwischen Männern und Frauen zeigen sich bei der Inanspruchnahme investiver Fördermittel (z. B. ERP-Kredite, GA-Mittel). Die Ursachen hierfür sind einerseits darin zu sehen, daß Frauen verstärkt in solchen Branchen Unternehmen gründen, in denen nur in geringem Umfang Investitionen notwendig sind (z. B. Handel, Dienstleistungsbereich). Zum anderen verfolgen Frauen mit der Gründung ihres Unternehmens -im Unterschied zu Männern -stärker Ziele der Selbstverwirklichung und beruflichen Eigenständigkeit und legen in Verbindung damit auch subjektiv weniger Wert auf die Expansion ihres Unternehmens und umfangreiche Investitionen.
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß Frauen gerade innerhalb der Vorbereitung der Existenz-gründung einer besonderen Förderung bedürfen, die sie in die Lage versetzt, ihre Nachteile gegenüber Männern zu kompensieren. Besonders beratende Hilfen, deren Effektivität bei Frauen in stärkerem Maße gegeben scheint, sollten dabei in größerem Umfang zum Einsatz kommen. Empfehlenswert wäre die stärkere Bezugnahme auf die subjektiven Voraussetzungen von Frauen, um ihnen auch den Weg in jene Branchen zu ebnen, in denen sie aufgrund eines allgemein höheren Investitionsvolumens und eines größeren unternehmerischen Risikos z. Z. nur in beschränktem Umfang tätig sind. Durch diese Maßnahmen können langfristig die Chancen von Frauen im Bereich der Unternehmensgründung weiter verbessert werden.
V. Persönlichkeitseigenschaften von Existenzgründern und -gründerinnen
Abbildung 5
Abbildung 3: Struktur der Beschäftigten nach Qualifikation
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 3: Struktur der Beschäftigten nach Qualifikation
Quelle: Eigene Darstellung.
Neben den objektiven Faktoren (z. B. finanzielle Situation, Einbindung in regionale Wirtschaftsstrukturen etc.) sind es insbesondere die Persönlichkeitseigenschaften der Unternehmer und Unternehmerinnen als Entscheidungsträger des wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozesses, die maßgeblich das Gründungsgeschehen prägen. Dem sowohl in der Forschung als auch der Förderpraxis nicht selten unterschätzten Problem der Persönlichkeit wurde deshalb in der Untersuchung ein besonderer Platz eingeräumt (vgl. Tabelle 4). Positiv fällt dabei die überaus hohe Motivation der Existenzgründer ins Gewicht, die nicht zuletzt dafür verantwortlich zeichnet, daß anfänglich aufgetretene Probleme mit dem notwendigen Engagement gemeistert wurden und das Gründungsvorhaben nicht bereits bei den ersten sich abzeichnenden Schwierigkeiten aufgegeben wurde. Dies resultiert vor allem aus der Motiv-struktur, in welcher der Wunsch nach „eigenverantwortlichem Handeln“, das Bedürfnis nach „besserem Einsatz der eigenen Fähigkeiten“ sowie ein starkes „Streben nach Selbstverwirklichung“ die elementaren Antriebe zur Existenzgründung darstellen. Andere, stärker materiell orientierte Motive wie „gute Verdienstmöglichkeiten“ rangieren deutlich hinter diesen Zielen. Da gerade materielle Vorteile in der Startphase gewöhnlich nur in geringerem Umfang zu verzeichnen sind, bietet eine derart an Selbstverwirklichungswerten orientierte Motivation der Existenzgründer und -gründerinnen unter dem Gesichtspunkt ihrer stabilisierenden Funktion für die Gründungsaktivitäten eine solide Basis für die Bewältigung auftretender Schwierigkeiten.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund nehmen die Existenzgründer negative Auswirkungen -wie verstärkt einsetzenden Streß, zunehmende Hektik oder Abnahme der Zeit für die Familie (was keineswegs einer Reduzierung ihrer Bedeutung entspricht) -zugunsten einer sinnvollen und befriedigenden Arbeit auf sich. Das festgestellte geringere Interesse an Urlaub und Freizeit, was mit dem objektiv geringeren Zeitfonds dafür korrespondiert, verweist auf eine vergleichsweise noch stärker ausgeprägte Arbeitsorientierung, als sie in den alten Bundesländern zu finden ist. In dieser arbeitsethischen Dimension liegen zumindest kurzfristige Vorteile der ostdeutschen Existenz-gründer und -gründerinnen. die zur Kompensation anderer Schwächen dienen können.
Betrachtet man die Bedeutung, die Unternehmensgründer verschiedenen Persönlichkeitseigenschäften für ein „ideales“ Verhalten als Unternehmer oder Unternehmerin beimessen, dann deutet sich hier tendenziell ein durchaus handlungsrelevantes Mißverständnis in bezug auf die Voraussetzungen für erfolgreiches unternehmerisches Handeln an. In Beantwortung der Frage, welche Persönlichkeitseigenschaften für geschäftlich erfolgreiches Agieren allgemein von besonderer Wichtigkeit seien (Fremdeinschätzung) und inwieweit sie selbst über diese Eigenschaften verfügten (Selbsteinschätzung), zeigte sich bei den Existenz-gründern ein in dieser Form nicht erwartetes Ergebnis.
Der Sachverhalt, daß man Eigenschaften wie „Zuverlässigkeit“, „Zielstrebigkeit“, „Verantwortungsbewußtsein“, „Pflichtbewußtsein“ und „Fleiß“, die man den klassischen Haltungstugenden zuordnen muß, auf den ersten fünf Rangplätzen einer langen Skala von „Erfolgsmerkmalen“ findet (bei sehr geringer Abweichung zwischen Selbst-und Fremdeinschätzung), dokumentiert deutliche Mängel in der Beurteilung der elementaren Grundlagen für unternehmerisches Handeln. Noch anschaulicher wird dies, wenn Eigenschaften wie „Risikobereitschaft“, „Anpassungsfähigkeit“ und „Kompromißfähigkeit“ erst am Ende der entsprechenden Rangfolge auftauchen. Bedenklich erscheint dies insbesondere deshalb, da es sich hier um wichtige „Unternehmertugenden“ handelt, ohne deren Internalisierung ein längerfristiges Bestehen des Unternehmens am Markt kaum zu erwarten ist. Aus verschiedenen Quellen ist indessen bekannt, daß dies nicht allein ein Problem der ostdeutschen Existenzgründer und -gründerinnen ist, sondern daß es in den alten Ländern ähnliche Schwierigkeiten verursacht. Dementsprechend sollte man der Entwicklung dieser bisher nur unzureichend ausgeprägten Persönlichkeitseigenschaften verstärkte Aufmerksamkeit widmen. Neben Konsequenzen für die Gestaltung von Qualifizierungsmaßnahmen (z. B. Integration von Führungstraining) sollte das Problem der Persönlichkeitsmerkmale auch verstärkt in den Kriterien zur Bewertung der Förderfähigkeit Niederschlag finden.
VI. Die Wirkung von Förderprogrammen auf das Gründungsgeschehen
Abbildung 6
Tabelle 3: Ausprägung von Problemen bei der Gründung und in der gegenwärtigen Tätigkeit der Unternehmen (Angaben in Prozent)
Quelle: Eigene Erhebungen.
Tabelle 3: Ausprägung von Problemen bei der Gründung und in der gegenwärtigen Tätigkeit der Unternehmen (Angaben in Prozent)
Quelle: Eigene Erhebungen.
Spezielle Förderprogramme zur Unterstützung des Gründungsgeschehens in Ostdeutschland waren und sind auch weiterhin eine unverzichtbare Voraussetzung, um in den neuen Bundesländern einen leistungsfähigen Mittelstand zu entwickeln. Denn noch immer bilden Fördermittel für viele ostdeutsche Existenzgründer und -gründerinnen die einzige Möglichkeit, die besonderen Startschwierigkeiten auf dem Weg in die Selbständigkeit erfolgreich zu meistern. Dies wird u. a. daran deutlich, daß durch nahezu zwei Drittel aller in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen eine oder mehrere Möglichkeiten der Förderung genutzt wurden (vgl. Abbildung 4). Es fällt jedoch auf, daß durch die Gründer und Gründerinnen insbesondere solche Fördermittel in Anspruch genommen werden, die unmittelbar der Verbesserung ihrer finanziellen Situation dienen. Behaupten ERP-Kredite (48, 1 Prozent) und die Eigenkapitalhilfe (34, 8 Prozent) unangefochten die Spitze unter den genutzten Fördermöglichkeiten, so spielen andererseits Förderungen für Produktinnovationen und -entwicklungen (4, 5 Prozent) sowie die Förderung für ökologische Sanierung/Umweltschutz (5, 7 Prozent) vergleichsweise noch eine marginale Rolle. Zweierlei gilt es in diesem Zusammenhang anzumerken: Erstens bilden finanzielle Probleme -wie weiter oben bereits dargestellt -nur „eine Seite der Medaille“ und können dort, wo sie von einem rigiden Verhalten in der Unternehmensführung begleitet werden bzw. sogar verursacht sind, durch „Finanzspritzen“ zwar kurzfristig entschärft, langfristig jedoch nicht gelöst werden. Zweitens wird deutlich, daß Förderungen, deren Wirkungen über eine akute Defizit-beseitigung hinausreichen und der langfristigen Stabilisierung des Unternehmens dienen, noch nicht ausreichend zur Verfügung stehen bzw. angenommen werden. Künftig sollte deshalb besonders bei Kapitalhilfen, Zinszuschüssen u. a. Förderinstrumenten noch stärker die Förderwürdigkeit geprüft, die Zweckbindung verstärkt sowie die Sanktionierung und Kontrolle bei der Verwendung der Fördermittel intensiviert werden. Mit Blick auf die Stabilisierung der bereits am Markt tätigen Unternehmen erscheint es zudem zweckmäßig, daß besonders solche Fördermaßnahmen in größerem Umfang zum Einsatz kommen, die längerfristig vor allem die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken. Nur über die Weiterentwicklung der Förderinstrumente und eine Veränderung in der Schwerpunktsetzung ihres Einsatzes läßt sich auch künftig an bereits erzielte wirtschafts-und arbeitsmarktrelevante Erfolge der Förderpolitik anknüpfen.
Die Bilanz, die sich diesbezüglich ziehen läßt, fällt -speziell mit Blick auf die Beschäftigungseffekte -insgesamt positiv aus. So gaben von allen geförderten Unternehmen immerhin 76, 3 Prozent an, daß sie durch den Einsatz von Fördermitteln Arbeitsplätze erhalten konnten (im Durchschnitt ca. neun Arbeitsplätze pro Unternehmen). Nicht ganz so vielen, aber immerhin noch 52 Prozent war es möglich, durch die Bereitstellung von Fördermitteln neue Arbeitsplätze zu schaffen (im Durchschnitt acht Arbeitsplätze pro Unternehmen). Erwähnenswert erscheint in Verbindung damit auch der unmittelbare Beschäftigungseffekt für die Existenzgründer und -gründerinnen selbst, von denen immerhin 29, 3 Prozent vor ihrer Selbständigkeit arbeitslos waren und durch die Bereitstellung von Fördermitteln wieder in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden konnten. Vorbehalte gegenüber der Existenzgründung durch Arbeitslose, wie sie nicht selten geäußert werden, ließen sich durch die Untersuchung nicht bestätigen Obwohl die Selbständigkeit nur für einen Teil der Arbeitslosen eine echte Beschäftigungsalternative bietet, sollte diese Möglichkeit künftig gezielt genutzt werden. Hilfreich wäre hier (wie überhaupt bei der Gewährung von Fördermitteln) eine Persönlichkeitstypologie von Existenzgründern, die es anhand ausgewählter Kriterien erlauben würde, die unternehmerischen Erfolgsaussichten einzelner Personen zu bewerten
Eine Filterung dieser Art erfolgt beispielweise innerhalb des Zugangs zur „Förderung der Qualifizierung von Existenzgründern“. Dabei handelt es sich um eine Fördermaßnahme, die speziell durch das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit in Sachsen-Anhalt entwickelt wurde und durch das Land und den Europäischen Sozialfonds finanziert wird. Dieses Programm, das inzwischen schon 5 000 Existenzgründer durchlaufen haben, bietet durch seine 4-Phasen-Struktur (1. Grundqualifizierung zur Unternehmensführung, 2. Praktikum, 3. einzelunternehmensadäquate Qualifizierung, 4. begleitende Hilfestellung im ersten Unternehmensjahr) eine speziell auf den Einzelfall zugeschnittene und in diesem Sinne optimierte Förderung. Eine wesentliche Zielsetzung des ESF-Existenzgründerprogramms besteht in der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Besonders in dieser Eigenschaft hat es sich bewährt. Mehr als 55 Prozent aller Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Existenzgründerprogramm war es durch die Förderung möglich, eine bestehende Arbeitslosigkeit zu überwinden, während weitere 21 Prozent mit ihrer Beteiligung einer drohenden Arbeitslosigkeit erfolgreich begegnen konnten. Da inzwischen ca. 80 Prozent der Teilnehmer erfolgreich am Markt agieren, empfiehlt sich die Nutzung von Erfahrungen aus dem ESF-Existenzgründerprogramm auchüber die Grenzen von Sachsen-Anhalt hinaus. Durch das gekoppelte Angebot von Qualifizierung, längerfristiger Beratung und Betreuung sowie durch finanzielle Unterstützung eignet es sich besonders zur systematischen Vorbereitung der Existenzgründung bei Personengruppen, die der Selbständigkeit ansonsten eher zögerlich gegenüberstehen. Ein Beleg dafür ist u. a.der vergleichsweise hohe Frauenanteil im Existenzgründerprogramm. Mit 33, 1 Prozent liegt er mehr als doppelt so hoch wie bei anderen Förderprogrammen. Ausschlaggebend dafür ist die Tatsache, daß die Vermittlung von „unternehmerischen Kompetenzen“ in besonderem Maße den speziellen Bedingungen von Frauen entspricht und von diesen positiv angenommen wird (vgl. Punkt IV. 2.). Für die „Paßfähigkeit“ des ESF-Existenzgründerprogramms spricht auch, daß fast 95 Prozent aller Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Meinung vertraten, daß diese Förderung ihre Unternehmensgründung positiv unterstützt hat. Bei den durch andere Programme geförderten Existenz-gründern waren „nur“ ca. 80 Prozent dieser Meinung.
VII. Ausblick
Abbildung 7
Tabelle 4: Beurteilung von Persönlichkeitseigenschaften in ihrer Bedeutung für unternehmerischs Handeln allgemein -Fremdeinschätzung -und bei den befragten Unternehmern und Unternehmerinnen -Selbsteinschätzung -(Rangfolgen und Mittelwerte, differenziert nach dem Geschlecht)
Quelle: Eigene Erhebungen.
Tabelle 4: Beurteilung von Persönlichkeitseigenschaften in ihrer Bedeutung für unternehmerischs Handeln allgemein -Fremdeinschätzung -und bei den befragten Unternehmern und Unternehmerinnen -Selbsteinschätzung -(Rangfolgen und Mittelwerte, differenziert nach dem Geschlecht)
Quelle: Eigene Erhebungen.
Trotz aller damit verbundenen Widerstände und Schwierigkeiten ist die Entwicklung eines neuen Mittelstandes in Ostdeutschland vor allem als Chance für die Schaffung moderner, international wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstrukturen zu begreifen. Ob und inwieweit es gelingt, diese Möglichkeit zu nutzen, ist von einem komplexen Bedingungsgefüge abhängig. Einige Faktoren und Prozesse bedürfen in diesem Zusammenhang besonderer Aufmerksamkeit.
So muß es u. a. gelingen, der für das Gründungsgeschehen in Ostdeutschland charakteristischen Dynamik auch innerhalb der weiteren Entwicklung der Unternehmen Kontinuität zu verleihen. Die Bewältigung z. T. erheblicher Schwierigkeiten in der Gründungsphase und die Zufriedenheit mit ersten wirtschaftlichen Erfolgen münden bei Existenzgründern und -gründerinnen nicht selten in der Erwartungshaltung, sich ohne größere Anstrengungen weiter am Markt behaupten zu können. Wenn es in Überwindung dieser Fehleinschätzung nicht gelingt, den Umfang und die Intensität unternehmerischer Aktivitäten über die Gründungsphase hinaus zu stabilisieren, erscheint das Vordringen zu internationalen Wettbewerbs-Positionen mehr als fraglich. Management und Personal junger Unternehmen müssen sich deshalb verstärkt auf einen permanenten Veränderungsprozeß einstellen, um diesen antizipieren und aktiv mitgestalten zu können.
Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang auch, daß bereits in der Vorbereitungsphase von Gründungen Ideen für Leistungen und Produkte stärker an internationalen Maßstäben gemessen und -in Abhängigkeit von den jeweiligen Branchen -auch auf ihre überregionale Marktfähigkeit hin geprüft werden. Die Unternehmen stehen hier -angesichts der Globalisierung der Märkte -vor der Aufgabe, ihren Aktivitätsradius weiter auszudehnen und neue Absatzfelder zu erschließen. Notwendig sind in diesem Zusammenhang gezielte Marktbeobachtungen und -analysen, die Entwicklung innovativer Produkte und Leistungen sowie aufgaben-und mitarbeiteroptimierte Unternehmensstrukturen -also Modalitäten, die momentan noch als zentrale Problembereiche in der Entwicklung junger Unternehmen auszumachen sind. Eine wichtige arbeitsmarkt-und wirtschaftspolitische Aufgabe besteht deshalb darin, bei Existenzgründern und -gründerinnen ein adäquates Problembewußtsein zu erzeugen und sie bei der Entwicklung und Umsetzung entsprechender Unternehmens-strategien zu unterstützen. Fördermaßnahmen sollten hier vor allem als „Hilfe zur Selbsthilfe“ konzipiert werden. Eine Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit junger Unternehmen in diesem Sinne zu stärken, ist in der Initiierung und Unterstützung von Netzwerken zu sehen. Mit Hilfe des Aufbaus effektiver Kommunikations-und Kooperationsstrukturen können die beteiligten Unternehmen durch die wechselseitige Bereitstellung und Nutzung von Leistungen und Informationen ihre Aktivitätspotentiale sowie ihren Ressourcen-einsatz optimieren, den Wirkungsgrad sowie die Reichweite ihrer Aktionen vervielfachen und somit die gemeinsame Leistungs-und (internationale) Wettbewerbsfähigkeit erheblich verbessern.
Hingewiesen ist damit auch auf die Notwendigkeit, neben einer Fortsetzung der Förderung von Neugründungen verstärkt die Stabilisierung von bereits am Markt agierenden Unternehmen zu unterstützen. In Verbindung damit avanciert die Gestaltung der Proportionen zwischen Aufwendungen für die „Rettung“ des aus Vor-Wende-Zeiten vorhandenen Unternehmenspotentials und der Unterstützung neuer Unternehmen und Gründungen zu einem Schlüsselproblem. Maßstab für eine gezielte Förderung sollten hier einheitliche Kriterien bilden, die sich nicht vordergründig an aktuellen Beschäftigungszahlen orientieren, sondern von den vorhandenen Möglichkeiten für eine erfolgreiche Integration in den europäischen und internationalen Markt ausgehen. Zugespitzt bedeutet dies: Wer heute nicht bereit ist, z. T. auch schmerzliche Einschnitte im Bereich nachweislich perspektivlos agierender Unternehmen vorzunehmen, läuft Gefahr, im internationalen Modernisierungsprozeß den Anschluß zu verlieren. In bezug auf die Sicherung von Beschäftigung gilt es dabei genau abzuwägen, ob Arbeitsplätze vorrangig durch „Bestandsgarantien“ oder eher durch die Förderung von „Umverteilungsprozessen“ auf zukunftsträchtige Wirtschaftsbereiche erhalten bzw. neu geschaffen werden können. Anstehende Probleme dürfen gerade in diesem Bereich nicht nur zeitlich verlagert werden, sondern erfordern im Interesse einer langfristigen Stabilisierung der Wirtschafts-und Beschäftigungsstrukturen schnell eine abschließende Lösung. Von der Bewältigung der hier nur unvollständig und grob umrissenen Aufgaben beim Aufbau eines neuen Mittelstandes wird es nicht unmaßgeblich abhängen, inwieweit man die noch vorhandene Chance nutzt, Ostdeutschland zu einem modernen, international anerkannten Wirtschaftsstandort zu entwikkeln.
Thomas Claus, Dipl. -Soz., geb. 1961; seit 1992 Geschäftsführer des Instituts für sozialwissenschaftliche Informationen und Studien -ISIS Magdeburg. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Stefan Dräger) Qualitative und quantitative Merkmale direkter Beschäftigungswirkungen kleiner und mittlerer Unternehmen in ausgewählten Regionen Sachsen-Anhalts, in: Forschungsbeiträge zum Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt, Band 7, Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit (Hrsg.), Magdeburg 1995; (zus. mit Detlev Herter) Jugend und Gewalt, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 38/94.
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