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Aufgeholt, aber nicht gleichgezogen. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zur beruflichen Situation und Existenzsicherung von Frauen in Nordrhein-Westfalen | APuZ 36-37/1995 | bpb.de

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APuZ 36-37/1995 Arm ohne Ehemann? Sozialpolitische Regulierung von Lebenschancen für Frauen im internationalen Vergleich Klasse und Geschlecht. Anerkennungschancen von Frauen im System gesellschaftlicher Arbeitsteilung Frauen im Umbruch der Gesellschaft. Die zweifache Transformation in Deutschland und ihre ambivalenten Folgen Aufgeholt, aber nicht gleichgezogen. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zur beruflichen Situation und Existenzsicherung von Frauen in Nordrhein-Westfalen

Aufgeholt, aber nicht gleichgezogen. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zur beruflichen Situation und Existenzsicherung von Frauen in Nordrhein-Westfalen

Rolf Winkel

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Zusammenfassung

Zu Beginn der neunziger Jahre stellt sich das Bild der beruflichen Situation von Frauen in der Bundesrepublik differenziert dar: Aufgeholt, aber bei weitem noch nicht gleichgezogen, haben Frauen vor allem in den Bereichen Ausbildung und Erwerbstätigkeit. Frauen sind heute überwiegend hervorragend qualifiziert und zunehmend erwerbstätig. Auch haben sie ihr Berufsspektrum erheblich erweitert. Die weitere Expansion des Dienstleistungssektors wird tendenziell zu einer weiteren Stärkung der Position von Frauen und zu einer Ausweitung von Teilzeitarbeit führen. Für Mädchen gehören Familie und Beruf heute selbstverständlich zur Lebensplanung. In den letzten Jahren haben Mädchen und junge Frauen neue und qualifizierte Ausbildungsberufe erobert, nur noch knapp die Hälfte wählte einen sogenannten „Frauenberuf“. Demgegenüber ergreifen junge Männer wesentlich häufiger einen „Männerberuf“. 'Insgesamt lassen sich damit erhebliche „Gewinne“ der Frauen in puncto Qualifikation feststellen. Dem entspricht allerdings nicht eine bessere Position auf dem Arbeitsmarkt. An der Stellung von Frauen in den Betrieben hat sich nur wenig geändert. Auf den Hierarchieleitern und auf dem Gehaltskonto hat sich die bessere Qualifikation für Frauen bisher kaum ausgezahlt. Die Untersuchung verdeutlicht schließlich auch, daß Frauen von sozialen Risiken erheblich stärker betroffen sind als Männer. Die Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt, die ganz überwiegende Zuständigkeit für die Kinder und die fehlende eigenständige soziale Absicherung machen Frauen weitaus häufiger von Sozialhilfe abhängig. Im Alter findet dies seine Fortsetzung in einer niedrigeren Altersabsicherung. Armut ist nach wie vor weiblich. Angesichts dieser Fakten ist offenkundig, daß Frauenförderung nicht überflüssig geworden ist, sondern intensiviert werden muß.

I. Vorbemerkungen

„Frauen sind die Gewinnerinnen des Arbeitsmarktes“ -diese Botschaft war ein Haupttenor der Arbeitsmarktberichte zu Beginn der neunziger Jahre und zugleich Anlaß, eine Bestandsaufnahme der Entwicklung der Position von Frauen auf dem Arbeitsmarkt vorzunehmen. In der vom Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann des Landes NRW finanzierten Untersuchung, die die Grundlage dieses Beitrages ist, wurden Daten zu Ausbildung, Berufstätigkeit sowie zu besonderen sozialen Gruppen von Frauen (Rentnerinnen und Sozialhilfeempfängerinnen) ausgewertet

Bevor -gegliedert nach den Bereichen „Berufsausbildung“, „Erwerbstätigkeit“, „Arbeitslosigkeit“ und „besondere Personengruppen“ -die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung dargestellt werden, sind einige methodische Anmerkungen erforderlich: „Redaktionsschluß“ für die einbezogenen Daten war Ende 1993, zum Teil lagen zu diesem Zeitpunkt bereits Daten für 1993 vor, zum Teil erst für 1992. Schwerpunktmäßig stand in der Untersuchung die Situation in Nordrhein-Westfalen, dem größten deutschen Bundesland, im Vordergrund. Gleichwohl gelten die hier gefundenen Trends, wie ein Vergleich mit Bundesdaten ergibt, auch für das Bundesgebiet West insgesamt

Ein besonderes Schwergewicht wurde in der Untersuchung darauf gelegt, im Zeitvergleich Entwicklungen bei der Frauenerwerbstätigkeit herauszuarbeiten. Einbezogen wurde dabei ein Ver­ gleichszeitraum von mindestens zehn Jahren. Da die verschiedenen Statistiken vielfach nicht im gleichen zeitlichem Abstand erhoben bzw. ausgewertet werden, mußten bei verschiedenen Themen zum Teil unterschiedliche Vergleichszeiträume einbezogen werden.

II. Berufsausbildung junger Frauen

Berufliche Erstausbildung unterhalb des Hochschulniveaus findet in Deutschland in erster Linie als betriebliche Ausbildung statt. Da parallel zum eher praktisch orientierten Teil der Ausbildung, der in den Betrieben angesiedelt ist, ein Teil der Ausbildung an Berufsschulen erfolgt (mit normalerweise einem bis zwei Berufsschultagen in der Woche), spricht man vom sogenannten „dualen System“. Daneben gibt es -was gerade für Frauen wichtig ist -auch in einigen (Frauen-) Berufen eine Berufsausbildung in vollzeitschulischer Form. Soweit die schulischen Ausbildungen vollqualifizierend sind und zu einem anerkannten Berufsabschluß führen, sind sie qualitativ als den betrieblichen Ausbildungen gleichwertig anzusehen und werden deshalb in der folgenden Darstellung mitberücksichtigt. 1992 nahmen in NRW knapp 200000 Frauen und 230000 Männer an einer vollqualifizierenden betrieblichen oder schulischen Berufsausbildung teil. Der Frauenanteil in diesen vollqualifizierenden Berufsausbildungen unterhalb des Hochschulniveaus lag damit bei 46, 2 Prozent. Junge Frauen sind in solchen Ausbildungen allerdings noch immer nicht in dem Maße vertreten, wie es ihrem Anteil an der jungen Wohnbevölkerung entspricht (48, 6 Prozent). Gleichwohl hat sich die Ausbildungssituation junger Frauen in NRW erheblich verbessert: 1980 lag ihr Anteil unter den an einer betrieblichen oder schulischen Ausbildung Teilnehmenden erst bei 42, 6 Prozent.Vollqualifizierende schulische Berufsausbildungen -„Reservat“ junger Frauen Traditionell haben vollqualifizierende schulische Berufsausbildungen für junge Frauen eine weitaus stärkere Bedeutung als für junge Männer. Fast jede vierte weibliche Auszubildende nahm 1992 an einer Ausbildung in den Schulen des Gesundheitswesens oder in Berufsfachschulen teil, die zu einem anerkannten Berufsabschluß führt (etwa: Krankenpflegerin). Unter männlichen Auszubildenden absolviert noch nicht einmal jeder zwanzigste eine solche Ausbildung. Das Gewicht der schulischen Ausbildungen hat in den letzten Jahren für junge Frauen noch weiter zugenommen.

Positionsgewinn junger Frauen auch in der betrieblichen Berufsausbildung Die betriebliche Berufsausbildung ist dagegen insgesamt noch immer deutlich männlich dominiert. Dennoch hat auch hier über einen längeren Zeitraum die Bedeutung junger Frauen zugenommen. 1992 waren in NRW immerhin 40, 4 Prozent der Auszubildenden Frauen gegenüber nur 38, 1 Prozent im Jahr 1980.

Ausländische Mädchen: großes Ausbildungsinteresse -geringe Ausbildungsversorgung Eine interessante Entwicklung ist gerade auch hinsichtlich der ausländischen Mädchen festzustellen. Mitte der achtziger Jahre traten viele ausländische Mädchen angesichts ihrer nahezu aussichtslosen Situation gar nicht auf dem Ausbildungsmarkt in Erscheinung. Dies hat sich deutlich geändert. Als Folge vor allem der demographischen Wende, die zu einer zeitweisen Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt geführt hatte, haben sich zuletzt Jahr für Jahr mehr junge Ausländerinnen und Ausländer bei den Arbeitsämtern als ausbildungsplatzsuchend gemeldet und damit einen Anspruch auf Ausbildung geltend gemacht: Mittlerweile ist in NRW jede sechste Ausbildungsplatzbewerberin Ausländerin. Ausländerinnen sind damit unter den Bewerberinnen um Ausbildungsplätze etwa genauso stark vertreten wie es ihrem Anteil an der jungen Wohnbevölkerung entspricht. Ihre Vertretung unter den Azubis hat jedoch mit diesem gestiegenen Ausbildungsinteresse nicht Schritt gehalten: 1992 war in NRW nur jede sechzehnte weibliche Auszubildende Ausländerin (6, 4 Prozent). Die Ausbildungsprobleme ausländischer Mädchen sind nicht nur quantitativer, sondern auch qualitativer Art. Ihre Chancen werden besonders dadurch beeinträchtigt, daß die qualifizierten kaufmännischen und Verwaltungsberufe, die in den Herkunftsländern der Migrantenfamilien traditionell von jungen Frauen erlernt werden, in Deutschland für die Betroffenen weitestgehend verschlossen sind.

Tendenzen zur Verbesserung der Ausbildungsstrukturjunger Frauen Nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht ist insgesamt ein positiver Trend zu verzeichnen. Folgende Tendenzen zur Verbesserung der Ausbildungsstruktur von Mädchen bzw. jungen Frauen sind festzustellen: Ihre Ausbildungsstruktur ist zwar noch immer stark geschlechtsspezifisch geprägt (wenn auch in geringerem Maß als die der männlichen Azubis). Tendenziell zeigt sich eher eine gewisse Aufweichung dieser Geschlechtsspezifik. So ist der Anteil der Frauen, die sogenannte „Frauen-berufe“ (Definition: Frauenanteil im Beruf über 80 Prozent) erlernen, in NRW von 65, 4 Prozent im Jahr 1980 auf 49, 6 Prozent im Jahr 1992 zurückgegangen.

Positiv zu bewerten ist auch, daß sich weibliche Azubis nicht mehr ganz so stark wie früher auf nur wenige Berufe konzentrieren.

Bemerkenswert ist weiterhin die Festigung und der Ausbau der Position von jungen Frauen in qualifizierten und stark nachgefragten kaufmännischen Berufen (beispielsweise bei den Bank-bzw. Versicherungskaufleuten).

Noch immer erlernt nur eine Minderheit der weiblichen Azubis Fertigungsberufe (1992 waren es nur 11 Prozent). Dieser Anteil steigt jedoch tendenziell an. Weiterhin ist festzustellen, daß der Positionsgewinn junger Frauen in diesem Berufsbereich nicht etwa auf eine „Um-lenkung“ in weniger zukunftsträchtige Fertigungsberufe zurückzuführen ist, die unter notorischem Nachwuchsmangel leiden. Vielmehr ist ein Zugewinn zu verzeichnen in Randbereichen des Fertigungsbereichs, die mit Kreativität zu tun haben bzw. in denen feinmotorische Fähigkeiten verlangt werden. Hervorzuheben ist dabei insbesondere der Anstieg des Anteils von Frauen in den Metallfeinberufen (Zahntechnikerin, Augenoptikerin, Goldschmiedin), die sich tendenziell zu Frauenberufen entwickeln.

Frauen unter den Studierenden nach wie vor unterrepräsentiert Die Unterrepräsentation von Frauen in Berufsausbildungen unterhalb des Hochschulniveaus wird nicht etwa durch höhere Anteile unter den Studie­ renden kompensiert -im Gegenteil: Der Frauenanteil an den Studierenden lag in NRW im Wintersemester 1991/92 nur bei 37, 9 Prozent und war damit weitaus niedriger als der Frauenanteil unter den Studienberechtigten (47, 1 Prozent). Zudem ist hier seit Beginn der achtziger Jahre kein positiver Entwicklungstrend mehr zu verzeichnen. Vielmehr verharrt der Frauenanteil, der in den siebziger Jahren noch deutlich angestiegen war, seit 1980 in etwa auf gleichem (niedrigen) Niveau.

Noch immer„wirtschaftsfernere“ Studienfachwahl der Frauen-aber Trend zur Veränderung Auch hinsichtlich der Wahl des Studienfaches unterscheiden sich Frauen und Männer noch immer deutlich voneinander. Während Frauen sich stärker in geisteswissenschaftlichen Fachbereichen konzentrieren, ist bei Männern eine stärkere technische Orientierung festzustellen. Bei weiblichen Studierenden ist allerdings im hier betrachteten Zeitraum seit Mitte der siebziger Jahre ein deutlicher Aufwärtstrend für die technischen und wirtschaftsnahen Fachbereiche und eine Abnahme der geisteswissenschaftlichen Ausrichtung festzustellen.

III. Frauenerwerbstätigkeit

Die folgende Darstellung der Entwicklung der Frauenbeschäftigung stützt sich insbesondere auf zwei Quellen, auf -den sogenannten Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes, eine jährliche bundesweite Repräsentativstatistik der Bevölkerung und des Erwerbslebens, sowie -die Beschäftigtenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit, die auf einer Totalerhebung der Gesamtgruppe der sozialversichert Beschäftigten beruht (Arbeiter, Angestellte und Auszubildende).

Ende Juni 1993 waren in NRW insgesamt 2, 42 Millionen Frauen sozialversichert beschäftigt. Der Frauenanteil an den sozialversichert Beschäftigten lag damit bei 40, 3 Prozent (Bundesgebiet West: 42, 2 Prozent). 1980 belief er sich noch auf 35, 5 Prozent. Seitdem ist der Anteil der Frauen an den sozialversichert Beschäftigten in NRW (wie im Bundesgebiet) Jahr für Jahr angestiegen.

Der Mikrozensus, bei dem nicht nur die sozialversicherte abhängige Erwerbstätigkeit, sondern alle Arten von Erwerbstätigkeit (also beispielsweise auch Selbständige und Beamte) einbezogen sind, weist für das Jahr 1992 2, 964 Millionen weibliche Erwerbstätige in NRW und einen Frauenanteil an den Erwerbstätigen von 39, 0 Prozent aus (Bundesgebiet West: 42, 2 Prozent), wobei auch hier ein deutlich ansteigender Trend zu verzeichnen ist.

Der Zuwachs der sozialversicherten Beschäftigung von Frauen kommt nicht etwa -wie häufig unterstellt dadurch zustande, daß in stärkerem Maße Vollzeitarbeitsplätze durch Teilzeitarbeitsplätze ersetzt worden sind. Die relative Bedeutung der Teilzeitbeschäftigung nimmt zwar ständig zu, absolut gesehen ist jedoch der Zuwachs an Frauenbeschäftigung im Zeitraum von 1980 bis 1992 überwiegend auf das Beschäftigungsplus bei der Vollzeitbeschäftigung von Frauen zurückzuführen.

Mehrheitder Frauen im erwerbsfähigen Alter mittlerweile erwerbstätig Frauen spielen heute auf dem Arbeitsmarkt eine größere Rolle; außerdem hat die Bedeutung zugenommen, die Erwerbstätigkeit für Frauen hat. In diesem Zusammenhang ist die sogenannte „Erwerbsquote“ ein aussagekräftiger Indikator. Mit dieser Quote wird der Anteil der Personen, die entweder erwerbstätig sind oder für eine Erwerbstätigkeit zur Verfügung stehen, an der Gesamtheit der Personen im sogenannten erwerbsfähigen Alter (zwischen 15 und 64 Jahren) gemessen. 1992 lag in NRW die Frauen-Erwerbsquote bei 53, 4 Prozent. Das bedeutet: Gutjede zweite Frau im erwerbsfähigen Alter war entweder erwerbstätig oder erwerbslos und auf der Suche nach einer Erwerbstätigkeit. Zum Vergleich: Bei Männern lag dieser Wert mit achtzig Prozent erheblich höher.

Die Erwerbsquote der Frauen ist in NRW -wie im Bundesgebiet West insgesamt -stark angestiegen. So lag sie 1970 in NRW bei 38 Prozent, 1976 bei 41, 2 Prozent und ist allein im Zeitraum von 1983 bis 1992 um gut neun Prozentpunkte auf den derzeitigen Wert angestiegen.

Insbesondere Teilzeit-Rückstand in NRW Gleichwohl ist im gesamten Zeitraum ein deutlicher Abstand zwischen der Erwerbsquote von Frauen in NRW und im Bundesgebiet (bzw. im Bundesgebiet West) insgesamt bestehengeblieben. 1992 lag die Erwerbsquote von Frauen in den westlichen Bundesländern ohne Nordrhein-Westfalen mit 61, 7 Prozent um 8, 3 Prozentpunkte höher als in NRW. Absolut gesehen fehlten 1992 in NRW -nimmt man die Situation im Bundesgebiet West als Maßstab -knapp 500000 Arbeitsplätze für Frauen. Die Erwerbsquote läßt sich in drei wichtige Teil-quoten zerlegen: in die drei Komponenten „Vollzeitquote“, „Teilzeitquote“ und „Erwerbslosigkeitsquote“. 1992 waren in NRW 32, 6 Prozent der Frauen im erwerbsfähigen Alter vollzeitbeschäftigt, 17, 2 Prozent waren teilzeitbeschäftigt und 6 Prozent erwerbslos 3. Unterschiede gegenüber dem Bundesgebiet West zeigen sich dabei insbesondere bei der Teilzeitquote. Diese lag in den anderen westlichen Bundesländern 1992 im Schnitt bei 21, 8 Prozent und damit um 4, 6 Prozentpunkte höher als in NRW. Nimmt man auch hier wiederum die Situation im Bundesgebiet West als Maßstab, so müßten in NRW 275 000 Frauen mehr einer Teilzeit-Erwerbstätigkeit nachgehen, um den Rückstand von NRW aufzuholen.

Der Rückstand Nordrhein-Westfalens bei der Frauenerwerbstätigkeit dürfte keineswegs auf „subjektive Faktoren“ zurückzuführen sein, insbesondere dürfte das „Erwerbsinteresse“ in NRW nicht geringer sein als bundesweit. Vielmehr spielen hier strukturelle Faktoren eine Rolle. Im Kern zeigt sich dabei ein relativ simpler Zusammenhang: Ein Defizit an Arbeitsplätzen, das in NRW insgesamt festzustellen ist, hat im Zuge eines Verdrängungswettbewerbs zur Folge, daß weniger Frauen der (Wieder-) Eintritt ins Erwerbsleben gelingt. Stärkste Veränderung bei der Erwerbstätigkeit von Ehefrauen Veränderungen des Erwerbsverhaltens sind insbesondere bei der Gruppe der Ehefrauen festzustellen, während sich bei der Erwerbsbeteiligung von ledigen, geschiedenen und verwitweten Frauen nur relativ geringe Änderungen zeigen. Die Erwerbs-beteiligung von Ehefrauen -vielfach auch in Form von Teilzeitarbeit -ist in den letzten 25 Jahren erheblich gestiegen. In den mittleren Altersgruppen ist die Erwerbsquote von Ehefrauen in NRW inzwischen mehr als doppelt so hoch wie noch Mitte der sechziger Jahre. Dennoch ergeben sich gerade in diesem Punkt -wie aufgrund der „Verdrängungsthese“ zu erwarten war -auch die größten Unterschiede zwischen NRW und dem Bundesgebiet West insgesamt. Dort lag die Erwerbsquote von Ehefrauen 1992 bei 55, 4 Prozent, im Durchschnitt der westlichen Bundesländer ohne Nordrhein-Westfalen gar bei 58, 3 Prozent -gegenüber 47, 9 Prozent in NRW. Der Rückstand, der bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen in NRW festzustellen war, betrifft demnach in erster Linie Ehefrauen -und unter diesen insbesondere Frauen im Alter von 40 bis 55 Jahren. Ehefrauen dieses Alters gelang und gelingt in NRW aufgrund der stärkeren Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt weit seltener die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit als im Durchschnitt des Bundesgebiets West.

Zuwachs bei der Frauenerwerbstätigkeit in erster Linie aufdie Dynamik des Dienstleistungsbereichs zurückzuführen Wenn auch in NRW ein gewisser Rückstand festzustellen ist, so ist der beherrschende und ungebrochene Trend insgesamt die Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit. Worauf ist der Trend zurückzuführen? Eine nähere Analyse zeigt, daß hierfür in erster Linie der wirtschaftliche Struktur-wandel und die damit einhergehende Ausweitung des Dienstleistungssektors ausschlaggebend sind.

Gerade wenn es um die Frauenbeschäftigung und deren Entwicklung geht, ist es sinnvoll, vom soge-nannten „Drei-Sektoren-Modell“ der sozioökonomischen Entwicklung auszugehen. Danach wird die Volkswirtschaft in folgende drei Sektoren eingeteilt: -primärer Sektor: Produktgewinnung (insbesondere Landwirtschaft); -sekundärer Sektor: Produktgewinnung (Industrie, Handwerk, Baugewerbe sowie Bergbau); -tertiärer Sektor: Dienstleistungen (Handel, Verkehr, Verwaltung, öffentlicher Dienst etc.).

Erwerbstätigkeit von Frauen findet in NRW (wie in der Bundesrepublik insgesamt) vorwiegend im Dienstleistungsbereich statt. In diesem sogenannten tertiären Sektor sind in NRW 74, 7 Prozent der erwerbstätigen Frauen tätig (gegenüber nur 43, 9 Prozent der erwerbstätigen Männer).

Der Dienstleistungsbereich, der für Frauen traditionell die größte Bedeutung hat, war in der Vergangenheit der „Gewinner“ der sozioökonomischen Entwicklung. Aufgrund des sektoralen Strukturwandels hat dieser Bereich -insgesamt vorwiegend auf Kosten der Landwirtschaft, aber auch auf Kosteh des Fertigungsbereichs -erheblich „zugelegt“. Der Zuwachs der Frauenbeschäftigung ist vorrangig auf diesen Strukturwandel zurückzuführen. Eine Modellrechnung, die auf der Annahme gleichbleibender Geschlechterrelationen innerhalb der drei Wirtschaftssektoren basiert, kommt zum Ergebnis, daß der wirtschaftlicheStrukturwandel 63 Prozent des gesamten Zuwachses der Frauenerwerbstätigkeit in NRW in den Jahren 1966 bis 1992 erklärt. Innerhalb der jeweiligen Wirtschaftssektoren haben Frauen demgegenüber nicht in erheblicher Weise an Positionen gewonnen. Da der Trend der sogenannten „Tertiärisierung“ weiterhin ungebrochen ist, ist auf längere Sicht mit einem weiteren Anstieg der Frauen-erwerbstätigkeit in NRW und im Bundesgebiet West zu rechnen.

Steigendes Qualifikationsniveau weiblicher Erwerbstätiger-Qualifikationsgefälle gegenüber Männern nivelliert Ein Vergleich des Ausbildungsniveaus erwerbstätiger Frauen und Männer in den Jahren 1976 und 1991 zeigt, daß Frauen seit der Mitte der siebziger Jahre erheblich an beruflicher Qualifikation hinzu-gewonnen und sich an das (formale) Qualifikationsniveau erwerbstätiger Männer angenähert haben. So hatten 1991 nur noch 20, 9 Prozent der weiblichen Erwerbstätigen in NRW keinen beruflichen Abschluß. 1976 waren es demgegenüber noch 34, 1 Prozent. Bei Männern ist dagegen ein vergleichsweise geringerer Rückgang des Anteils der beruflich nicht Qualifizierten von 22, 9 auf 15, 3 Prozent festzustellen. Mittlerweile ist damit das (formale) berufliche Qualifikationsniveau erwerbstätiger Frauen nur noch wenig niedriger als das der Männer. Bei der Wohnbevölkerung im erwerbsfähigen Alter insgesamt (gleichgültig, ob erwerbstätig oder nicht) zeigt sich dagegen immer noch ein erheblicher Qualifikationsvorsprung der Männer. Dieser Unterschied ist dadurch zu erklären, daß erwerbstätige Frauen, was die berufliche Qualifikation betrifft, eine Positivauswahl der weiblichen Wohnbevölkerung darstellen. Je höher die berufliche Qualifikation der Betroffenen, desto höher fällt die Erwerbsquote aus. Ein derart deutlicher Zusammenhang zwischen beruflicher Bildung und Erwerbsbeteiligung ist bei Männern nicht festzustellen.

Trotz besserer Qualifikation keine Positionsgewinne von Frauen in Betrieben und Verwaltungen Da erwerbstätige Frauen in bezug auf die formale Qualifikation fast mit Männern gleichgezogen haben, wäre eigentlich -dies würde jedenfalls dem Selbstverständnis einer Leistungsgesellschaft entsprechen -auch eine Verbesserung der Positionen von Frauen in Betrieben und Verwaltungen zu erwarten. Vor dem Hintergrund dieser These wurden die Daten ausgewertet, die die Personalabteilungen der Unternehmen in den vierteljährlich durchgeführten laufenden Verdiensterhebungen in Industrie und Handel zu den Positionen der Beschäftigten erheben.

Entgegen allen Erwartungen zeigt sich dabei teilweise sogar ein Trend zur Positionsverschlechterung -dies gilt insbesondere für die Industriearbeiterinnen: Von 100 nordrhein-westfälischen Industriearbeiterinnen waren 1966 „nur“ 46 in der niedrigsten Leistungsgruppe eingestuft, 1992 waren es demgegenüber bereits 64. Unter männlichen Industriearbeitern ist im gleichen Zeitraum der Anteil der in der niedrigsten Leistungsgruppe Eingeordneten von 13 auf 12 Prozent zurückgegangen.

Im Angestelltenbereich zeigt sich zwar keine Positionsverschlechterung für Frauen, sondern eine Verbesserung, aber auch hier sind die Abstände zwischen den Positionen der Männer, die ebenfalls einen Positionsgewinn verzeichnen konnten, und denen der Frauen bestehen geblieben. So ist beispielsweise der Anteil der in der höchsten Leistungsgruppe des Angestelltenbereichs eingeordneten Frauen von 1966 bis 1992 von 4 auf 12 Prozent angestiegen. Bei Männern ist im gleichen Zeitraum hier jedoch ein Anstieg von 28 auf 46 Prozent festzustellen.

Fazit: Der Zugewinn an Qualifikation schlägt sich für Frauen nicht in einem entsprechenden Positionsgewinn in den Betrieben nieder.

Rückstand von Frauen bei Löhnen und Gehältern nahezu unverändert Auch die Lohn-und Gehaltsunterschiede von weiblichen und männlichen Vollzeitbeschäftigten sind nach wie vor beträchtlich. Während weibliche Vollzeitangestellte 1992 in NRW ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt von 3 666 DM erzielten, hatten männliche Angestellte mit 5 578 DM ein um fast 2000 DM höheres Bruttoentgelt. Weibliche Angestellte erreichten damit nur knapp 66 Prozent der Männer-Gehälter. Im Arbeiterbereich waren die Unterschiede etwas geringer: Arbeiterinnen erzielten mit einem Stundenlohn von 17, 27 DM in NRW etwa 73 Prozent des durchschnittlichen Stundenlohns männlicher Arbeiter (23, 67 DM).

Relativ gesehen hat sich an den Abständen zwischen den Arbeitseinkommen von Frauen und Männern seit der Mitte der sechziger Jahre wenig verändert. Weibliche Vollzeitangestellte erreichten damals beispielsweise 60, 1 Prozent der Bruttoverdienste ihrer männlichen Kollegen, 1992 waren es 65, 7 Prozent. Bei Industriearbeiterinnen ist ein Anstieg dieser Relation von 68, 3 auf 73, 0 Prozent festzustellen.Die Lohn-und Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen dürften vor allem damit Zu­ sammenhängen, daß die Mechanismen, die zu einer Lohn-und Gehaltsdifferenzierung führen, eine geringere Entlohnung von Frauen zur Folge haben. Mitentscheidend sind hier nach wie vor die Dauer der Betriebszugehörigkeit und die Berufs-erfahrung. Da Frauen -anders als Männer -häufig ihre Berufstätigkeit zeitweise wegen ihrer Familientätigkeit unterbrechen, können sie von den positiven Folgen längerer Betriebszugehörigkeit weniger profitieren. Weitere Faktoren sind das noch immer etwas geringere Qualifikationsniveau von Frauen sowie deren Konzentration in Wirtschaftsbereichen mit niedrigen Löhnen und Gehältern. Starker Zuwachs bei der Teilzeitbeschäftigung von Frauen -Teilzeitbeschäftigung insbesondere im (expandierenden) Dienstleistungsbereich Teilzeitarbeit wird nach wie vor weit überwiegend von Frauen ausgeübt. Ihr Anteil an den Erwerbstätigen mit reduzierter Arbeitszeit beträgt -je nachdem, mit welcher Methode man mißt, was eine Teilzeitbeschäftigung ist -laut Mikrozensus in NRW 1992 85, 7 bzw. 91 Prozent. Ähnliche Werte sind bundesweit festzustellen. Diese Dominanz der Frauen unter den Teilzeitbeschäftigten ist sicherlich auch darin begründet, daß Teilzeitarbeit zumeist in schlechter bezahlten und weniger qualifizierten Positionen stattfindet, in Positionen also, die auch unter Vollzeitbeschäftigten vorwiegend von Frauen besetzt sind.

Nach dem Mikrozensus 1992 waren 34, 6 Prozent der weiblichen Beschäftigten in NRW Teilzeitkräfte. Dieser Anteil weist eine deutlich steigende Tendenz auf. 1981 lag der Teilzeitanteil unter erwerbstätigen Frauen in NRW erst bei 29, 9 Prozent. Teilzeitbeschäftigung findet besonders häufig im (expandierenden) Dienstleistungsbereich statt. Der sektorale Strukturwandel begünstigt also den Trend hin zur Teilzeitarbeit. Auf längere Sicht ist damit mit einem weiteren Zuwachs der Teilzeitbeschäftigung zu rechnen.

Teilzeitarbeit als typische Arbeitszeitform verheirateter Mütter mit kleinen Kindern sowie von Berufsrückkehrerinnen Teilzeitarbeit hat für zwei Gruppen von Frauen unterschiedliche Funktionen: Sie ermöglicht zum einen verheirateten Müttern, die sich nicht aus dem Erwerbsleben zurückziehen wollen oder können, eine Fortführung ihrer Erwerbstätigkeit. Entsprechend sind Ehefrauen mit Kindern unter 18 Jahren -soweit sie erwerbstätig sind -überwiegend teilzeitbeschäftigt (1992 in NRW zu 60, 8 Prozent).

Zum anderen ist Teilzeitarbeit die dominierende Arbeitszeitform von Frauen, die nach einem längeren Rückzug aus dem Erwerbsleben in die Berufs-tätigkeit zurückkehren. Entsprechend sind 45-bis 65jährige Ehefrauen -soweit sie erwerbstätig sind -überwiegend teilzeitbeschäftigt (1992 in NRW zu 55, 2 Prozent).

Bedingungen der Berufsrückkehr in NRW wegen fehlender Teilzeitarbeitsplätze schwierig Der starke Zuwachs bei der Frauenbeschäftigung ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, daß zunehmend mehr Frauen nach einem temporären Rückzug aus der Erwerbstätigkeit wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen haben. Es gibt allerdings kaum verläßliche Daten darüber, wie viele Frauen jedes Jahr ins Erwerbsleben zurückkehren. Übertrüge man die Ergebnisse einer bundesweiten Untersuchung auf NRW, so käme man für das Jahr 1992 auf ca. 270000 Berufsrückkehrerinnen in NRW. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die in Nordrhein-Westfalen bestehende „Teilzeit-Lücke“ von Bedeutung: Da die Berufsrückkehr zumeist über eine Teilzeitbeschäftigung erfolgt, sind Frauen, die eine Berufsrückkehr planen, hiervon besonders betroffen.

Familienunfreundliche Arbeitszeitformen: 600 000 Frauen arbeiten in NRW häufig samstags Unter dem Stichwort „familienunfreundliche Arbeitszeitgestaltungen“ werden Samstags-, Sonntags-, Nacht-und Schichtarbeit zusammengefaßt. Erwerbstätige Frauen sind dabei besonders von Samstagsarbeit betroffen: 22, 4 Prozent der erwerbstätigen Frauen arbeiteten 1991 in NRW ständig oder regelmäßig samstags. Daneben spielt auch Sonntagsarbeit (für 8, 7 Prozent der Frauen) eine Rolle. Von Schichtarbeit war jede zehnte und von Nachtarbeit jede 25. erwerbstätige Frau betroffen.

Zunehmend mehr weibliche Selbständige -zuletzt allerdings Rückgang Auch unter den Selbständigen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Der Frauenanteil an den Selbständigen lag in NRW wie bundesweit 1992 bei etwa einem Viertel. In den achtziger Jahren gab es bei Frauen einen deutlichen Trend hin zur Selbständigkeit -die Zahl der weiblichen Selbständigen stieg deutlich stärker als die der männliehen. Im Jahr 1992 ist allerdings -möglicherweise durch den sich bereits abzeichnenden wirtschaftlichen Einbruch bedingt -ein Rückgang der Zahl der weiblichen Selbständigen zu verzeichnen.

Weibliche Selbständige sind zumeist im Dienstleistungssektor tätig. Nur eine Minderheit der Betroffenen -so die Ergebnisse einer Erhebung des Instituts für Sozialforschung und Industriepolitik (ISG) -hat ihren Betrieb ererbt (38 Prozent). Mehrheitlich haben die Betroffenen ihren Betrieb entweder allein oder mit anderen Personen zusammen gegründet bzw. gekauft. Von Existenzgründungsdarlehen profitieren sie allerdings seltener als Männer, da deren Vergabe von relativ hohen Mindestinvestitionssummen (die Existenzgründerinnen häufig nicht erreichen) abhängig gemacht wird.

Immer weniger mithelfende/mitarbeitende Ehefrauen von Unternehmern Nach einer Schätzung aufgrund einer ISG-Erhebung waren 1992 in NRW etwa 170000 Frauen als mithelfende/mitarbeitende Ehefrauen in den Unternehmen ihrer Ehepartner tätig Die Zahl dieser Frauen hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten permanent verringert und ein weiterer Rückgang zeichnet sich ab. Jüngere Ehefrauen sehen heute in der Mitarbeit im Unternehmen ihres Mannes nur noch selten eine Alternative zu einer eigenständigen beruflichen Tätigkeit.

Mehr als eine halbe Million Frauen 1992 in NRW ausschließlich sozialversicherungsfrei beschäftigt In NRW gab es 1992 nach der Untersuchung des ISG 748000 ausschließlich sozialversicherungsfrei Beschäftigte, 512000 hiervon waren Frauen. Die Betroffenen waren mehrheitlich Hausfrauen (zu 64 Prozent). Darüber hinaus handelt es sich -zu etwa gleichen Teilen -um Studentinnen, Schülerinnen und Beninerinnen. Sozialversicherungsfreie Beschäftigung von Frauen findet in NRW vor allem in Privathaushalten, im Handel, im Gast-sowie im Reinigungsgewerbe statt. Der Krankenversicherungsschutz dieser Frauen ist in aller Regel gesichert (zumeist über die Familienhilfe), Probleme gibt es dagegen hinsichtlich des Rentenversicherungsschutzes: Durch die sozialversicherungsfreie Beschäftigung kann kein Rentenanspruch erworben werden. Immerhin 20 Prozent der ausschließlich sozialversicherungsfrei Beschäftigten äußern ein Interesse an einer freiwilligen Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen. Unter sozialversicherungsfrei beschäftigten Hausfrauen ist das Interesse an einer Abführung von Rentenversicherungsbeiträgen mit 27 Prozent überdurchschnittlich hoch.

IV. Frauenarbeitslosigkeit

1993 waren im Jahresdurchschnitt 299450 Frauen bei den nordrhein-westfälischen Arbeitsämtern als arbeitslos registriert. Die Zahl der arbeitslosen Männer war mit 403748 um gut 100000 höher. Der Frauenanteil an der registrierten Arbeitslosigkeit lag 1993 bei 42, 6 Prozent und damit um gut zwei Prozentpunkte höher als ihr Anteil an den sozialversichert Beschäftigten. Dies schlägt sich auch in der Arbeitslosenquote nieder, die 1993 in NRW bei Frauen mit 10, 0 Prozent um 0, 7 Prozentpunkte höher lag als bei Männern. Tendenziell ist allerdings eine Annäherung der Arbeitslosenquoten von Frauen und Männern festzustellen. Der Abstand zwischen den geschlechtsspezifischen Arbeitslosenquoten war zuletzt vor 20 Jahren niedriger als 1993. Die Ursache dieser Angleichung des Arbeitslosigkeitsrisikos von Frauen und Männern liegt vor allem im langfristigen sektoralen Strukturwandel zugunsten des Dienstleistungsbereichs.

Besonders hohes Arbeitslosigkeitsrisiko von Frauen ohne Berufsausbildung und von Frauen mit Hochschulausbildung Wie groß das Risiko von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist, arbeitslos zu werden und zu bleiben, hängt in starkem Maße von ihrer beruflichen Qualifikation ab. Bei Frauen mit betrieblicher Berufsausbildung war im September 1993 -für diesen Zeitpunkt sind zuletzt Daten verfügbar -in NRW die vergleichsweise niedrige Arbeitslosenquote von 8, 1 Prozent zu verzeichnen, bei ungelernten Frauen war demgegenüber das Arbeitslosigkeitsrisiko mit einer Arbeitslosenquote von 16, 7 Prozent mehr als doppelt so groß. Überdurchschnittlich hoch -und ein solcher Trend ist bei Männern nicht festzustellen -ist darüber hinaus mit 14, 9 Prozent auch die Arbeitslosenquote von Frauen mit Hochschulausbildung (bei Männern: 7, 4 Prozent). Da bei der Berechnung dieser Arbeitslosenquote Beamte nicht berücksichtigt sind, dürfte durch diese Werte allerdings die Akademikerarbeitslosigkeit etwas überzeichnet sein. Arbeitslose Frauen bleiben häufig ohne Arbeitslosenunterstützung Arbeitslose Frauen erhalten weitaus seltener Unterstützungsleistungen vom Arbeitsamt als arbeitslose Männer. 38, 2 Prozent von ihnen blieben 1993 in NRW ohne Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Bei arbeitslosen Männern waren es demgegenüber nur 23, 9 Prozent. (Bundesweit sind ähnlich hohe Werte zu verzeichnen.) Ursächlich hierfür ist in erster Linie die der Zahlung der Arbeitslosenhilfe vorgeschaltete Bedürftigkeitsprüfung, die insbesondere verheiratete Frauen wegen der Anrechnung des Partnereinkommens häufig vom Leistungsbezug ausschließt. Darüber hinaus spielt auch eine Rolle, daß Frauen wegen ihrer überwiegenden Verantwortlichkeit für die Familientätigkeit häufig ihre Erwerbstätigkeit für kürzere oder längere Zeit unterbrechen und somit die Anspruchsvoraussetzungen für die Arbeitslosengeld-Zahlung seltener erfüllen.

Einschnitte bei aktiverArbeitsmarktpolitik treffen Frauen besonders stark Aufgrund der Einschränkungen, die seit 1992 bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik erfolgt sind, ist die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen der Fortbildung und Umschulungen und bzw.der Arbeitsbeschaffung (ABM) stark rückläufig. Besonders stark ist dabei die Zahl der in diese Maßnahmen eintretenden Frauen zurückgegangen. Frauen sind daher mittlerweile in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik noch nicht einmal mehr -wie im AFG gefordert -entsprechend ihrem Anteil an der registrierten Arbeitslosigkeit vertreten. 1993 waren in NRW 42, 6 Prozent der registrierten Arbeitslosen Frauen. Der Frauenanteil an den Vermittlungen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen lag demgegenüber in NRW 1993 bei nur 34, 7 Prozent, ihr Anteil an den Eintritten in Maßnahmen der Fortbildung und Umschulung bei 38, 0 Prozent.

V. Besondere Personengruppen

Im folgenden wird abschließend auf die Situation von Rentnerinnen, alleinerziehenden Müttern und Sozialhilfeempfängerinnen eingegangen.

Die Mechanismen der Rentenberechnung führen dazu, daß die Ungleichheiten, die im Erwerbs-system bestehen, bei den Renten reproduziert werden. Dies macht eine Sonderauswertung des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger zu den Versicherten-und Hinterbliebenenrenten in NRW nochmals deutlich.

Zunächst zeigt sich, daß Frauen weitaus seltener als Männer eine eigenständige Absicherung im Alter haben. Nur 68, 9 Prozent der über 65jährigen Frauen bezogen 1992 in NRW eine eigene Versichertenrente gegenüber 92, 2 Prozent der Männer (Beamtenpensionen sind dabei nicht einbezogen). Ein weiteres wichtiges Ergebnis dieser erstmals für NRW angestellten Auswertung ist, daß Frauen in NRW seltener als im Durchschnitt der westlichen Bundesländer eine Altersrente beziehen. Mit 74, 4 Prozent ist die Rentenbezugsquote der 65jährigen und älteren Frauen im Bundesgebiet West insgesamt um 5 Prozentpunkte höher als in NRW. Ursache hierfür ist die in der Vergangenheit stets niedrigere Erwerbsbeteiligung in NRW. Da Frauen in NRW seltener erwerbstätig waren, konnten sie auch seltener über eigene rentenversicherte Beschäftigung einen Rentenanspruch aufbauen. Zudem lagen die Versichertenrenten von älteren Frauen in NRW mit 702, 20 DM im Schnitt noch um 25, 14 DM niedriger als im Bundesdurchschnitt (West). Bei den Männern war es umgekehrt; sie erhielten 1992 in NRW im Schnitt eine Monatsrente von 2061, 40 DM -bundesweit (alte Länder) waren es demgegenüber nur 1778, 81 DM.

Die Witwenrenten sind insgesamt gesehen als Alterseinkommen für über 65jährige Frauen in NRW wichtiger als die eigenen Versichertenrenten. Zwar erhalten nur 51, 6 Prozent der über 65jübrigen Frauen in NRW Witwenrenten, diese fallen jedoch mit 1140, 15 DM im Durchschnitt deutlich höher aus. Bei den Witwenrenten stellt sich die Situation in NRW für Frauen günstiger dar als im Durchschnitt der westlichen Bundesländer. Diese von den Rentenansprüchen ihrer verstorbenen Männer abgeleiteten Renten fallen nämlich wegen des hohen Rentenniveaus der Männer in NRW im Schnitt um 128, 85 DM bzw. um 12, 7 Prozent höher aus als im Bundesgebiet West insgesamt.

Im Rahmen einer Modellrechnung wurden die durchschnittlichen „Pro-Kopf-Rentenbezüge“ 5 erhoben, die Personen im engeren Rentenalter (65 Jahre und älter) 1992 in NRW erhielten. Für Seniorinnen ergab sich dabei unter Berücksichtigung von Versicherten-und Hinterbliebenenrente ein durchschnittlicher „Pro-Kopf-Rentenbezug“ von 1055, 21 DM. Der entsprechende Wert lag bei männlichen Senioren mit 1874, 08 DM um77, 6 Prozent höher als bei Frauen. Diese Differenz verdeutlicht, in welchem Ausmaß das noch immer vorrangig am Modell lebenslanger Erwerbstätigkeit und damit an der männlichen Normalbiographie ausgerichtete Rentenversicherungssystem dazu führt, daß sich die Benachteiligung von Frauen auch im Alter fortsetzt.

Knapp 220000 alleinerziehende Mütter in NRW-Alleinerziehende häufig sozialhilfebedürftig Der Mikrozensus weist für das Jahr 1992 in NRW gut eine Viertel Million Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren aus, davon waren 218300 bzw. 86, 4 Prozent Frauen. Der Anteil der Allein-erziehenden unter den Müttern nimmt tendenziell zu. 1976 lag er erst bei 7, 2 Prozent, 1992 demgegenüber bei 11, 6 Prozent. Unter den Alleinerziehenden nimmt der Anteil der Jüngeren, der Ledigen und der Mütter von kleineren Kindern zu. Stark zurückgegangen ist dagegen -verglichen mit der Situation in den siebziger Jahren -der Anteil der Verwitweten.

Trotz ihrer Belastung durch die Kindererziehung sind alleinerziehende Frauen weitaus häufiger erwerbstätig -und vor allem häufiger vollzeiterwerbstätig -als verheiratete Frauen. 33, 7 Prozent von ihnen gingen 1992 einer Vollzeitbeschäftigung nach gegenüber nur 16, 9 Prozent der verheirateten Mütter. Nicht erwerbstätig waren 42, 5 Prozent der alleinerziehenden und 56, 9 Prozent der verheirateten Mütter.

Problematisch ist häufig die finanzielle Situation der Betroffenen. So bezogen 84536 Haushalte von alleinerziehenden Frauen im Laufe des Jahres 1992 Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Sozialhilfebezugsquote der alleinerziehenden Frauen lag damit 1992 in NRW bei 38, 7 Prozent.

Fastjede zwanzigste volljährige Frau in NRW auf Sozialhilfe angewiesen Im Laufe des Jahres 1991 erhielten in Nordrhein-Westfalen 4, 7 Prozent der volljährigen Frauen und 3, 8 Prozent der volljährigen Männer Hilfe zum Lebensunterhalt. Frauen waren damit häufiger als Männer sozialhilfebedürftig. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern sind in NRW besonders hohe Quoten des Sozialhilfebezugs festzustellen; dies hängt in erster Linie mit dem Arbeitsplatzdefizit und den für Ballungsräume typischen Sozialstrukturen zusammen. Im Bundesgebiet West insgesamt erhielten 1991 nur 3, 3 Prozent der volljährigen Frauen und 2, 3 Prozent der volljährigen Männer Hilfe zum Lebensunterhalt.

Die Gründe für das generell höhere Sozialhilfe-risiko von Frauen sind in den strukturellen Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, in der unzureichenden Absicherung der Familienarbeit, was sich insbesondere bei Ehescheidungen auswirkt, und in der überwiegenden bis alleinigen Zuständigkeit der Frauen für die Kinder zu sehen.

VI. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Insgesamt ergab die Untersuchung ein differenziertes Bild der Situation von Frauen zu Beginn der neunziger Jahre: Aufgeholt, aber bei weitem noch nicht gleichgezogen haben Frauen vor allem in den Bereichen Ausbildung und Erwerbstätigkeit. Frauen sind heute überwiegend hervorragend qualifiziert und zunehmend erwerbstätig. Auch haben sie ihr Berufsspektrum erheblich erweitert.

Für Mädchen gehören Familie und Beruf heute selbstverständlich zur Lebensplanung. In den letzten Jahren haben Mädchen und junge Frauen neue und qualifizierte Ausbildungsberufe erobert, nur noch knapp die Hälfte wählte einen sogenannten „Frauenberuf“. Demgegenüber ergreifen junge Männer wesentlich häufiger einen „Männerberuf“ -definiert als Beruf mit einem Anteil männlicher Auszubildender von mindestens 80 Prozent.

Auch bei den Studentinnen hat sich das Fächer-spektrum erweitert. Mehr Frauen studieren in „männlichen Domänen“; die Wirtschaftswissenschaften stehen mittlerweile an erster Stelle der Studienfächer von Studentinnen.

Insgesamt lassen sich damit erhebliche „Gewinne“ der Frauen in puncto Qualifikation feststellen. Dem entspricht allerdings nicht eine bessere Position auf dem Arbeitsmarkt. An der nachgeordneten Stellung von Frauen in den Betrieben hat sich nur wenig geändert. Auf den Hierarchieleitern hat sich Qualifikation für Frauen bisher kaum ausgezahlt.

Die Untersuchung verdeutlicht schließlich auch, daß Frauen von sozialen Risiken erheblich stärker betroffen sind als Männer. Die Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt, die ganz überwiegende Zuständigkeit für die Kinder und die fehlende eigenständige soziale Absicherung machen Frauen weitaus häufiger von Sozialhilfe abhängig. Im Alter findet dies seine Fortsetzung in einer niedrigeren Altersabsicherung. Armut ist daher nach wie vor weiblich.Angesichts dieser Fakten ist offenkundig, daß Frauenförderung nicht überflüssig geworden ist, sondern intensiviert werden muß. Notwendig ist eine aktive Arbeitsmarktpolitik für Frauen mit verbindlichen Frauenquoten im Arbeitsförderungsgesetz bei der Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und beruflicher Fortbildung sowie die Gleichstellung von Erziehungsund Pflegezeiten mit Beschäftigungszeiten. In der Privatwirtschaft sollten -wie im öffentlichen Dienst schon üblich Kindererziehungszeiten bis zu zwei Jahren als Berufszeit anerkannt werden.

Arbeitsmarkt-und Strukturprogramme müssen noch stärker als bisher Frauen zugute kommen. Handlungsbedarf besteht weiter in der Schaffung qualifizierter Teilzeitarbeitsplätze und ausreichender Kinderbetreuung. Das sind Eckpfeiler zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nicht zuletzt sind aber auch die Betriebe gefordert, ernst zu machen mit der Frauenförderung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die vorliegenden Daten belegen, wie wenig in diesem Bereich bisher geschehen ist. Es ist auch im Interesse der Betriebe, wenn sie qualifizierte Mitarbeiterinnen gewinnen und halten können. Unter den Bedingungen der zweifachen Transformation -die zum einen darin besteht, daß sich ein Wandlungs-und Anpassungsprozeß in den neuen Bundesländern vollzieht, zum anderen darin, daß lange vor der deutschen Vereinigung in den alten Bundesländern ein gesellschaftlicher Umbau in Gang gekommen ist -gerät weibliche Erwerbsarbeit unter Legitimationsdruck. Für die Bewältigung des Transformationsprozesses stellt Frauenerwerbsarbeit eine strategische Ressource dar, und sie ist der Kern von Gleichberechtigung. Am Beispiel des Finanzdienstleistungssektors werden die objektiven und subjektiven Mechanismen des sich anzeigenden und tendenziell vollziehenden Geschlechterwechsels in der Branche untersucht. Es wird gezeigt, wie sich einesteils die Erwerbsstrukturen für Frauen wandeln, andernteils wird den subjektiv vorgenommenen Typisierungen im Geschlechterverhältnis nachgegangen. Fazit des Beitrages ist, daß weibliche Erwerbsarbeit sich in Krisenzeiten nur behaupten kann, wenn entsprechende regulierende Rahmenbedingungen geschaffen werden und Erwerbsarbeit im Sinne der Geschlechtersolidarität umverteilt wird.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Rolf Winkel/Wemer Friedrich, Frauen in NRW: Berufliche Situation und Existenzsicherung, hrsg. vom Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann des Landes NRW, Düsseldorf 1994.

  2. Dabei läßt sich allerdings fast durchweg für NRW ein gewisser Rückstand hinsichtlich der Position von Frauen diagnostizieren. Dieser Aspekt wird im vorliegenden Beitrag allerdings nur am Rande behandelt.

  3. Die so gebildete Erwerbslosigkeitsquote ist keineswegs mit der „amtlichen“ Arbeitslosenquote zu verwechseln. Eine Annäherung an diese Quote würde sich ergeben, wenn man die Zahl der Erwerbslosen der Zahl der Erwerbspersonen (und nicht wie hier geschehen allen Personen im erwerbsfähigen Alter insgesamt) gegenüberstellt.

  4. Vgl. Elisabeth Kerkhoff, Die Rolle der Frau in mittelständischen Unternehmen, 4SG, Köln 1992.

  5. Zahlungen an Versicherten-und Hinterbliebenenrenten, bezogen auf die gesamte ältere^ohnbevölkerung.

Weitere Inhalte

Rolf Winkel, Sozialwissenschaftler, geb. 1952; wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG), Köln. Veröffentlichungen u. a.: Im Umbruch: Die Ausbildungssituation ausländischer Jugendlicher in Westdeutschland, hrsg. vom DGB-Bundesvorstand, Düsseldorf 1992; Frauen in NRW: Berufliche Situation und Existenzsicherung, hrsg. vom Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann des Landes NRW, Düsseldorf 1994; Betriebliche Umsetzung der gesetzlichen Möglichkeiten eines gleitenden Über-gangs in den Ruhestand, hrsg. vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bonn 1995; Zur Lage junger erwerbstätiger Mütter in den neuen Bundesländern, insbesondere zur Wirksamkeit von Erziehungsurlaub und Erziehungsgeld, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bonn 1995.