Forschungs-und Technologiepolitik der Europäischen Union. Vergangenheit -Gegenwart -Zukunft der EG/EU-Programme
Joachim Starbatty/Uwe Vetterlein
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Zusammenfassung
Europäische Forschungs-und Technologiepolitik als Teil einer „vorausschauenden“ Industriepolitik ist im Prinzip so alt wie die Union selbst. Erste auf einzelne Wirtschaftszweige begrenzte Ansätze bildeten sich bereits mit dem EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) -Vertrag (1952) und später mit dem Euratom-Vertrag (1957) heraus. Im Jahr 1970 legte die Kommission ein unter französischem Einfluß entstandenes industriepolitisches Memorandum vor, das einen umfassenden Ansatz für eine gemeinschaftliche Technologiepolitik als wesentlichen Baustein enthielt. Dieses Konzept war politische Grundlage für die ersten gemeinschaftlichen Förderprogramme nach dem heutigen Muster ab 1974. Ausgangspunkt der heutigen Struktur von Rahmenprogrammen und „spezifischen Förderprogrammen“ auf EU-Ebene war die Diskussion um die „japanisch-amerikanische Herausforderung“ in technologischer Hinsicht Anfang der achtziger Jahre, deren Gefahren für die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten nicht nur in Brüssel diskutiert wurden. Diese Diskussion verhalf dem ersten Rahmenprogramm von 1984 bis 1987 auf die Beine und trug zur Durchsetzung der ersten großen Einzelprogramme wie ESPRIT (European Strategie Programme for Research and Development in Information Technologies) bei. Mit der Idee des „Europäischen Binnenmarktes 1992“ wurde auch die Idee einer „Technologiegemeinschaft“ geboren, die 1986 zur Aufnahme der Technologiepolitik als Gemeinschaftsaufgabe in den EWG-Vertrag führte. Ab diesem Zeitpunkt gewann die Forschungs-und Technologiepolitik der Gemeinschaft eine bisher ungebremste Dynamik: Trotz aller Straffungsversuche beim mittlerweile vierten Rahmenprogramm haben die Programm-vielfalt und die Tiefe der Verästelungen in einzelnen Forschungsthemen immer weiter zugenommen, das jährliche Budget-Volumen steigt von rund 700 Millionen ECU 1987 auf über vier Milliarden ECU 1997. Diese schwer zu kontrollierenden „Ausuferungen“ lassen Zweifel an Sinnhaftigkeit und Effizienz zu -die grundlegenden ordnungspolitischen Bedenken haben sich bestätigt.
I. Ziele und Entwicklung gemeinschaftlicher Forschungs-und Technologiepolitik
1. Gemeinschaftliche Forschungs-und Technologiepolitik als am technischen Fortschritt orientierte Industriepolitik Die gemeinschaftliche Forschungs-und Technologiepolitik hat innerhalb der Europäischen Union (EU) und gegenüber den jeweiligen nationalen Politikansätzen ständig an Gewicht gewonnen. Die Europäische Kommission wirkt über dieses Aktionsfeld nachhaltig auf die modernen Technologien ein. Sie nimmt damit zugleich Einfluß auf Industriestruktur und Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft und so auch auf die Entscheidungen von Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Die Kommission geht damit über die Schaffung eines günstigen Rahmens für Forschung, Entdekkung und Nutzung moderner Technologien hinaus. Zwar will sie keineswegs den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren ausschließen; es erscheint ihr aber nicht ausreichend, allein auf den Wettbewerb zu setzen, weil die Unternehmen von sich aus nicht alle Möglichkeiten grenzüberschreitender Kooperation nutzten und weil das Mithalten mit den US-amerikanischen und japanischen Technologie-giganten die Bündelung der europäischen Ressourcen -der finanziellen wie der geistigen -erfordere. In der Zusammenführung dieser Mittel und in der Vorgabe der technologischen Möglichkeiten sieht die Kommission ihre Hauptaufgabe. Wenn die Gemeinschaft sich mit Hilfe von Rahmenprogrammen zur Verteilung gemeinschaftlicher Mittel aber in unternehmerische Entscheidungsprozesse einschaltet, um die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft zu steigern, dann muß sie industrielle Schwerpunkte setzen. Und damit betreibt sie „Gestaltungspolitik“ (W. A. Jöhr) im Bereich der Industriewirtschaft. Insofern können wir die Forschungs-und Technologiepolitik der Europäischen Union als am technischen Fortschritt orientierte oder auf die wirtschaftliche Modernisierung gerichtete Industriepolitik verstehen. 2. Entwicklungslinien gemeinschaftlicher Forschungs-und Technologiepolitik Gemeinschaftliche Forschungs-und Technologie-politik war bereits im Vertrag zur Schaffung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) angelegt. Es waren Kompetenzen auf die Gemeinschaft übertragen worden, um die Kräfte der Europäer zu bündeln und -nicht zuletzt -um eine „beggar-my-neighbour-policy“ zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern Neben regulierenden Eingriffen in einzelnen Branchen und Sektoren und neben punktuellen Wettbewerbs-und handelspolitischen Maßnahmen kam aber eine umfassende gemeinschaftliche Politik nicht zustande; die Mitgliedstaaten haben die Wahrung ihrer nationalen Identität immer dann in den Vordergrund gerückt, wenn entscheidende Beschlüsse auf supranationaler Ebene anstanden.
Gleichzeitig mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurde quasi als zweiter Anlauf für eine gemeinschaftliche Forschungs-und Technologiepolitik 1957 die Europäische Atomgemeinschaft (EAG) ins Leben gerufen: Über gemeinschaftliche Forschung und Steuerung der Versorgung mit dem Rohstoff Uran sollten entsprechende Reaktortypen entwickelt und eine international wettbewerbsfähige und autonome Kernenergieindustrie aufgebaut werden; dazu wurden die vier Forschungsanstalten der „Gemeinsamen Forschungsstelle“ (GFS) und die Euratom-Versorgungsagentur eingerichtet. Die gemeinsame Arbeit in der GFS scheiterte jedoch schon bald an einem noch heute oft beklagten Problem: Nationale Egoismen und konzeptionelle Differenzen in Verbindung mit komplizierten Entscheidungsverfahren, aber auch die Maxime des „juste retour“ bremsten die gemeinsame Arbeit so stark, daß die beiden führenden Nationen, Frankreich und die Bundesrepublik, parallel zur GFS eigene Reaktortypen entwickelten und das gemeinschaftliche Vorgehen fallengelassen wurde.
Beim dritten „Versuch“ Mitte der sechziger Jahre hatten es sich die Mitglieder der Gemeinschaft zum Ziel gesetzt, den technologischen Vorsprung der USA aufzuholen. Die Ursache für diesen Vorsprung sahen sie hauptsächlich in dem großen amerikanischen Binnenmarkt und der -verglichen mit der aufgesplitterten Forschung nationaler Unternehmen in der Gemeinschaft -konzentrierten Forschung der großen US-Konzerne Das entsprechende politische Rezept für die Gemeinschaft war offensichtlich: Schaffung einer für den Gemeinsamen Markt geeigneten Unternehmens-und Branchenstruktur, d. h. großer, dynamischer und innovativer Konzerne in ausgewählten, zukunftsträchtigen Branchen sowie Forcierung und Koordinierung der Forschungs-und Entwicklungs(F & E) -Anstrengungen bei Staat und den Privaten Schon damals wurde die Schaffung eines Einheitlichen Marktes in engem Zusammenhang mit einer industriepolitischen Umstrukturierung gesehen. Nach den leidigen Erfahrungen bei der Atomenergie war aber von einer gemeinschaftlichen Politik zunächst nicht die Rede; vielmehr sollten die nationalen Forschungsprogramme in Konsultationen vor ihrer Verabschiedung verbindlich koordiniert werden
Eine in sich durchaus schlüssige Konzeption legte die Kommission im Jahre 1970 vor Sie zielte auf eine industriepolitische Vorwärtsstrategie auf EG-Ebene; Forschungs-und Technologiepolitik rückten dabei in den Mittelpunkt. Forschungsinstitute, die am besten bei der Kommission als oberster Koordinierungsinstanz anzusiedeln seien, sollten zukünftig technologische Entwicklungen und potentielle Absatzmärkte prognostizieren Folgerichtig war als erstes ein Programm zur „Voraus schau und Bewertung von Forschung und Technologie“ vorgesehen, das die Grundlagen für derartige Prognosen liefern sollte. Die Kommission hatte die Chance für eine erhebliche Ausweitung ihrer Aufgaben und Befugnisse erkannt; außerdem sollten die leidigen Streitthemen in der Gemeinschaft (Landwirtschaft, Montanindustrie, Euratomkrise etc.) einem neuen zugkräftigen Thema weichen, das die europäische Einigung vorantreiben könnte. Ihre Initiative paßte zeitlich zum Anlauf für eine Wirtschafts-und Währungsunion, die mit der Vorlage des Werner-Berichts in Angriff genommen wurde. Der umfassende industriepolitische Ansatz der Kommission reduzierte sich jedoch aufgrund der verschiedenen nationalen Grundauffassungen bezüglich Industriepolitik auf ein Programm zur Koordinierung der einzelstaatlichen Forschungsanstrengungen in der Grundlagenforschung (COST) Ferner einigte man sich auf eine Wiederbelebung der Gemeinsamen Forschungsstelle, die mit Forschungsaufgaben in der gesamten Energieversorgung, im Umweltschutz und in der Entwicklung neuer Rohstoffe betraut wurde. 1974 wurden auf der Grundlage des Art. 235 EWG-Vertrag die ersten Forschungsprogramme auf „Kostenteilungsbasis“ in den Bereichen Energie, Werk-und Rohstoffe, Informationstechnologie und Medizin aufgelegt. Hinzu kamen strukturpolitische Aktionen in krisengeschüttelten Branchen (Kohle, Stahl, Atomenergie, Chemie/Erdöl, Textil). Diese Programme waren sektor-spezifisch und wurden getrennt voneinander abgewickelt. Von einer europäischen technologiepolitischen Gesamtstrategie kann deshalb noch nicht gesprochen werden, auch wenn auf das Grundsatz-dokument von 1970 Bezug genommen wird. Die Folgen der Erdölkrise veranlaßten jedoch die Mitgliedstaaten, ihre nationale Wirtschaftspolitik verstärkt in den Vordergrund zu rücken und die Gemeinschaftspolitik mehr oder weniger einzufrieren. Dies änderte sich erst, nachdem sich die Wirtschaft von der ersten Ölkrise erholt hatte. 1978 lief das erwähnte europäische Programm zur Voraus-schau und Bewertung der technologischen Entwicklung (FAST) an, das als Prognoseinstrument der Kommission bei der Sondierung der zukunftsträchtigen Bereiche in Wirtschaft und Wissenschaft dienen sollte Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Japans trat ein zweiter Konkurrent auf die internationale Bild-fläche. Nun sah die Kommission die zentrale -auch technologiepolitische -Lenkung des japanischen „Ministry for International Trade and Industry“ (MITI), die überlegenen Management-fähigkeiten und die aggressiven japanischen Markteroberungsstrategien als Ursache für die europäische Unterlegenheit an. Eine gemeinschaftliche Technologiepolitik -gemäß dem Vorbild des MITI -sollte Abhilfe verschaffen: Der Kommission sollte die Aufgabe zukommen, die europäischen Forschungsanstrengungen zu koordinieren und in die technologischen Zukunftsbereiche des nächsten Jahrhunderts zu steuern.
Ein Meilenstein bei der Umsetzung dieser Absichtserklärungen in praktische Technologiepolitik war die Verabschiedung des Programmes ESPRIT (European Strategie Programme for Research and Development in Information Technology) Anfang 1984. ESPRIT war das erste große Programm, das die Kommission nach einem bis heute gültigen Muster durchgesetzt hat: In einer Gesprächsrunde („round table“) mit Spitzenleuten führender Elektro-Konzerne wurde das Programm entworfen und mit Hilfe des Drucks der Unternehmer und beteiligten Forscher auf ihre jeweiligen Regierungen gegen erheblichen Widerstand einzelner Mitgliedstaaten im Rat durchgesetzt Dieses bis dahin größte F& E-Programm der Gemeinschaft (neben der Kernforschung) mit ca. 750 Millionen ECU für den Zeitraum von 1984 bis 1988 war der endgültige Durchbruch für eine zielorientierte europäische Forschungs-und Technologiepolitik.
Nach und nach wurde ein erstes Rahmenprogramm mit konkreten Fördermaßnahmen vor allem auf Kostenteilungsbasis ausgefüllt. Vor dem Hintergrund der amerikanischen SDI-Initiative und der Absichtserklärungen für die Vollendung des Binnenmarktes bis hin zur Politischen Union wurde der Begriff einer „Europäischen Technologiegemeinschaft“ geprägt Mit der Ergänzung des EWG-Vertrages durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) wurde schließlich die rechtliche Grundlage für eine europäische Forschungs-und Technologiepolitik gelegt. In den neu eingefügten Artikeln 130f bis q sind die Ziele und die möglichen Formen der Umsetzung ungewöhnlich präzise ausformuliert worden; die Gemeinschaft hatte damit echte Handlungskompetenzen in diesem Politikfeld erhalten. Die nachfolgenden Rahmen-programme, 1987 bis 1991, 1990 bis 1994 und das laufende Rahmenprogramm 1994 bis 1998 haben infolgedessen verbindlichen Charakter. Hier wurden die Aktionslinien und die notwendigen Finanzmittel festgelegt und ausgewiesen. Die EEA legte auch ein neues Entscheidungsverfahren fest, das für einzelne Programme nur noch Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit erforderlich macht.
Die Kommission unternahm 1989 mit dem dritten Rahmenprogramm von 1990 bis 1994 den Versuch, die bisherige Programmvielfalt systematisch zu ordnen und sich zugleich einen größeren inhaltlichen Spielraum zu schaffen, um die Technologie-politik zu einem strategischen industriepolitischen Instrument auszubauen. Indes hat sich inhaltlich aber nur wenig geändert; die „bewährten“ Programme laufen teilweise unter anderen Bezeichnungen weiter; selbst die Kommission demonstriert nach außen hin Kontinuität. Das gleiche gilt für das nun anlaufende vierte Rahmenprogramm von 1994 bis 1998 das eher noch breiter streut.
Mit der Verabschiedung der EEA und der Reform der Finanzierung der Gemeinschaft auf dem Sondergipfel in Brüssel im Frühjahr 1988 gewann die gemeinschaftliche Forschungs-und Technologie-politik noch eine weitere Dimension: Die Technologiepolitik soll bei der regionalen Entwicklung (Kohäsion) der benachteiligten Gebiete neben der Wettbewerbspolitik tragendes Element werden. Im Maastricht-Vertrag von 1992 wurden schließlich die Forschungs-und Technologiepolitik und die Industriepolitik als gemeinschaftliche Aufgaben festgelegt (Art. 3 i. V. mit Art. 130 und 130f EG-Vertrag).
II. Technologiepolitischer Befund und Therapie
1. Der Befund: mangelnde technologische Wettbewerbsfähigkeit Anfang der achtziger Jahre befand sich Europa in einer schweren Rezession. Hinzu kamen die technologischen Erfolge der USA und Japans und eine schrumpfende Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Staaten, die sich in der zunehmenden Verdrängung europäischer Produkte äußerte. Nach den schlechten Erfahrungen, die man zuvor mit einer nachfrageorientierten Krisenpolitik gemacht hatte, suchte man die Ursachen jetzt auf der Angebotsseite. Die Diagnose der EU-Kommission lautete, das Fehlen eines offenen Binnenmarktes habe bisher zu einer ineffizienten Allokation von Produktionsfaktoren -Beispiel: zu breite Streuung in zu kleinen Einheiten -geführt; ferner komme es im F & E-Bereich einerseits zu Doppelforschung, andererseits würden viele Forschungsprojekte, die einen hohen Aufwand an Mitteln erforderten, wegen der fehlenden „kritischen Masse“ nicht in Angriff genommen, obwohl sie bei europäischer Dimension rentabel seien
An vorderster Stelle stand die Schaffung eines offenen Binnenmarktes. Ein offener Binnenmarkt wurde aber aufgrund der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit vieler europäischer Unternehmen auch als Gefahr betrachtet. Der verstärkte Wettbewerb innerhalb eines europäischen Binnenmarktes begünstige diejenigen, die bereits über internationale Wettbewerbsfähigkeit verfügten. Deshalb sollten zunächst politische Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen stärken, damit diese den durch die bisherigen Wettbewerbsbedingungen verursachten technologischen Rückstand aufholen und außerdem autonome Positionen in den Basis-und Schlüsseltechnologien erarbeiten können. 2. Die Therapie; der „Team-Ansatz“ der Kommission Als mitverantwortlich für die schwächer gewordene Wettbewerbsposition der europäischen Unternehmen im weltweiten Vergleich sah die Kommission auch Faktoren an wie Technikfeindlichkeit in bestimmten gesellschaftlichen Schichten sowie sozialstaatliche Hemmnisse bei der Einführung neuer Technologien (in der Bundesrepublik etwa Kündigungsschutzgesetz, Betriebsverfassungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz und Sozialplanbestimmungen). Häufig wurde auf das Fehlen risikofreudiger dynamischer Unternehmer und Bankiers hingewiesen. In Brüssel scheint man zudem die europäischen Unternehmer nicht für übermäßig fachlich qualifiziert und obendrein für wenig risikofreudig zu halten: Die Unternehmer orientierten sich nicht an der langfristigen Entwicklung globaler Märkte, sondern an kurzfristigen Gewinnchancen, deren Trend sie für längerfristige Investitionsentscheidungen lediglich fortschrieben. Sie erkennten nicht die neuen Anforderungen durch den Binnenmarkt, sondern führten den „übermäßigen“ Konkurrenzkampf gegeneinander fort, anstatt zu kooperieren, sie versuchten auf gesättigten Märkten durch Kapazitätserweiterungen (Kostendegression) des Preisdrucks Herr zu werden oder wichen in Nischen aus, anstatt Innovationen zu tätigen; sie verpaßten so den Anschluß an die technologische Entwicklung und die internationale Konkurrenz
Dies sei angesichts veränderter Anforderungen im Innovationsprozeß fatal: Der Wissensgehalt neuer Produkte und Verfahren wachse laufend, der Innovationsprozeß im Bereich der Spitzentechnologien mit Schlüsselcharakter werde immer langwieriger und kostspieliger; zusätzlich steige das unternehmerische Risiko wegen immer kürzer werdender Produktlebenszyklen. Den einzelnen klein-und mittleren Unternehmen (KMU), in vielen Fällen aber auch großen Unternehmen, fehle die „kritische Masse“ für den Durchbruch mit neuen Ideen; ihr Potential an personellen, materiellen und immateriellen Ressourcen reiche nicht aus, um den für Schlüsselinnovationen erforderlichen Aufwand zu tragen. Auch einzelstaatliche Institutionen und Forschungsinstitute orientierten sich zu wenig am Bedarf an industriellen Problemlösungen und bänden zu große Kapazitäten in der Grundlagenforschung, anstatt sie anwendungsorientiert und konkreten Nutzen stiftend einzusetzen. Hinzu komme, daß in Europa die Forschungsstrukturen genauso wie die Produktionskapazitäten überwiegend auf die nationale Ebene ausgerichtet seien; dadurch komme es zu einer starken Behinderung des transnationalen Wissenstransfers und ebensolcher Forschungskooperationen. Die Folge sei Ressourcenverschwendung durch Doppelforschung; Großprojekte, die von einem einzelnen Staat nicht finanziert werden könnten, würden meist unterbleiben
Die Auffassung der EG-Kommission orientiert sich weitgehend an den Gegebenheiten in den USA und Japan: Dort hätten angesichts der scharfen Konkurrenz auf großen, offenen Binnenmärkten zunehmende Konzentration und Kooperation zwischen Unternehmen untereinander, aber auch mit universitären Forschungseinrichtungen zu offensichtlichen Erfo lgen vor allem im Bereich der Spitzentechnologien geführt; nur so könnten die Märkte der Zukunft erschlossen werden. Da liegt der Schluß nahe: Di e Europäer müssen es ihnen gleichtun! Zudem müßten die Wettbewerbsnachteile europäischer Unternehmen durch die kostenlose Bereitstellung von Wissen und die Subventionierung von F & E durch staatliche Einrichtungen ausgeglichen werden. Als Rezept empfiehlt die Kommission auch hier eine EG-weite Bündelung materieller und intellektueller Ressourcen, um gegen die Haupt konkurrenten überhaupt eine Chance zu haben Der Team-Gedanke der Kommission ist unve rkennbar: „Gemeinsam sind auch die Schwachen mächtig.“
Dies ist der Hintergrund für die Schaffung einer „Europäischen Technologiegemeinschaft“, die mit der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte Eingang in den EWG-Vertrag als ausdrückliches Vertragsziel gefunden hat. Die Ziele wurden zuerst in Art. 130f EWG-Vertrag niedergelegt und dann auch als industriepolitische Basis in den V ertrag von Maastricht übernommen
Art. 130(1):
Die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß die notwendigen Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Gemeinschaft gewährleistet sind. Zu diesem Zweck zielt ihre Tätigkeit entsprechend einem System offener und wettbewerbsorientierter Märkte auf folgendes ab: -Erleichterung der Anpassung der Industrie an die strukturellen V eränderungen; -Förderung eines für die Initiative und Weiterentwicklung der Unternehmen in der gesamten Gemeinschaft, insbesondere der kleinen und mittleren Unterneh men, günstigen Umfeldes; -Förderung eines für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen günstigen Umfeldes; -Förderung einer besseren Nutzung des industriellen Potentials der Politik in den Bereichen Innovation, Forschung und technologische Entwicklung.
Dieser Artikel fordert: Die Forschungsanstrengungen in „wichtigen“ Bereichen der Grundlagenforschung, die zu identifizieren sind, müssen verstärkt und effizienter gestaltet, also besser auf die Erfordernisse der Märkte ausgerichtet werden. Für den Innovationsprozeß gilt dasselbe. Konsequenterweise setzt die Forschungs-und Technologiepolitik der Gemeinschaft immer stärker an der Produktion, der Verbreitung und der Umsetzung von technologischem Wissen in vorher ausgewählten Gebieten an. Sie will dieser Aufgabe im einzelnen durch folgende Maßnahmen gerecht werden: 1. Ausbau und anwendungsorientierte Aufbereitung der wissenschaftlichen und technologischen Basis durch eigene Grundlagenforschung; 2. europaweite Stimulation und Koordination der Forschungsanstrengungen der öffentlichen und privaten Institute sowie deren Kooperation untereinander und mit der Industrie; 3.
Verbesserung des Wissepstransfers in allen Phasen des Innovationsprozesses inklusive technologischer „Entwicklungshilfe“ für die weniger fortgeschrittenen Regionen im Rahmen der „Kohäsion“. Heranführen der weniger stark entwickelten Mitgliedsländer auf ein gehobenes technologisches Niveau, unter anderem mittels kostenlosen Technologietransfers und Hilfen bei der Umsetzung traditionellen technologischen Wissens (hier liegt ein unmittelbarer Bezug zur Regionalpolitik vor); 4.
Verbesserung der ökonomischen Rahmenbedingungen für die europäische Industrie, insbesondere durch die Schaffung des Binnenmarktes mit allen damit verbundenen Aufgaben; dazu gehört beispielsweise auch der Aufbau eines leistungsfähigen Telekommunikationsnetzes (Bezug zur Binnenmarktpolitik); 5.
Modifikation der ordnungspolitischen Grundsätze gegenüber der ursprünglichen Intention der Art. 85, 86 und 92, 93 (Bezug zur Wettbewerbspolitik): -Lockerung des EG-Wettbewerbsrechts durch die „Gruppenfreistellungsverordnungen“ und Einzelfallentscheidungen im Rahmen einer „politischen“ Fusions-Kontrolle, -Stimulierung der europäischen Industrie: supranationale Kooperationen oder Zusammenschlüsse (zumindest) im „vorwettbewerblichen" Bereich von Forschung und Entwicklung, aber auch bei Produktion und Vertrieb, die den technologischen Erfordernissen und dem entstehenden Binnenmarkt angemessen sind, -Promotion der Verflechtung staatlicher und privater F & E-Potentiale und öffentlicher Monopole mit privaten Unternehmen (wie bei Telekommunikation und Energie), -Stimulierung unternehmerischer Innovationstätigkeit über ein gut gemischtes Bukett verschiedener Programme und über die Wahrnehmung einer Koordinatorenrolle im Bereich der neuen Technologien.
Was eine flächendeckende europäische Forschungsinfrastruktur (Bildungseinrichtungen, Forschungsstätten in Hochschulen und anderen Instituten) angeht, so kann sich die Kommission lediglich bemühen, die nationalen Regierungen durch Koordination und „moral suasion“ auf ihre strategische Linie zu bringen. In diesem Rahmen hat sich die Kommission auf folgende Aufgaben konzentriert: -Entwicklung wissenschaftlich fundierter Strategien für Europa; -Stimulation von Forschung und Forschungskooperation entlang des Innovationsprozesses mittels finanzieller Anreize und der Definition von „Schlüsseltechnologien“; -eigene Forschungsanstrengungen in geringem Umfang in besonderen Gebieten; -Koordination bei der Setzung von Standards und Normen; -Informationsfunktion als Clearingstelle für einen Technologie-und einen Kooperationsmarkt sowie für den Technologietransfer.
Die Implementierung dieser Handlungsmöglichkeiten soll großenteils in spezifischen Programmen für ausgewählte Problembereiche erfolgen. Diese Forschungsprogramme sind hauptsächlich als „cost-shared actions“ ausgebildet, wobei die Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die bereit sind, auf bestimmten Gebieten zu forschen und sich zu supranationaler Zusammenarbeit motivieren zu lassen, etwa Zuschüsse von 50 Prozent und teilweise darüber hinaus erhalten.
III. Das forschungs-und technologiepolitische Instrumentarium
Das erste Rahmenprogramm (1984-1987) war noch ein informelles Dokument zur Erfassung der bis dato bestehenden technologiepolitischen Aktivitäten der Gemeinschaft, ohne daß daraus rechtliche Verpflichtungen resultierten. Die nachfolgenden Programme haben dann eine institutioneile Basis erhalten; Technologiepolitik hat mit der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte Eingang in den EWGV gefunden. Die Art. 130i und k legten Vorgehensweise und Implementierung der Europäischen Technologiepolitik fest. Sie sind im Maastricht-Vertrag im Sinne einer Festigung gemeinschaftlicher Kompetenzen präzisiert und dann akzentuiert worden. 1. Die technologiepolitischien Optionen a) Nationales und gemeinschaftliches Instrumentarium Technologiepolitik auf nationalstaatlicher Ebene wird in der Regel nach dem staatlichen Interventionsgrad in direkte, indirekt-spezifische, indirekte und infrastrukturorientiert e eingeteilt: -direkte staatliche Beteiligung bei Realisierung bestimmter Forschungs-und Entwicklungsvorhaben oder Aufbau bestimmter Forschungseinrichtungen; -indirekt-spezifische staatliche Förderung über die Subventionierung von Forschungs-und Entwicklungsvorhaben in abgegrenzten Feldern; --indirekte staatliche Förderung über die Subventionierung von Forschungs-und Entwicklungsvorhaben allgemein; infrastrukturorientierte Technologiepolitik für Aufbau und Bereitstellung von Infrastruktur und Institutionen für Grundlagenforschung, Entwicklung und Transfer technischen Wissens zwischen Forschung und Unternehmen.
Das der Gemeinschaft für diese Form von Forschungs-und Technologiepolitik zur Disposition stehende Instrumentarium ist in Art. 130f festgelegt: Zur Erreichung dieser Ziele trifft die Gemeinschaft folgende Maßnahmen, welche die in den Mitgliedstaaten durchgeführten Aktionen ergänzen:a) Durchführung von Programmen für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration unter Förderung der Zusammenarbeit mit und zwischen Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen; b) Förderung der Zusammenarbeit mit Drittländern und internationalen Organisationen auf dem Gebiet der gemeinschaftlichen Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration; c) Verbreitung und Auswertung der Ergebnisse der Tätigkeiten auf dem Gebiet der gemeinschaftlichen Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration; d) Förderung der Ausbildung und der Mobilität der Forscher aus der Gemeinschaft.
Indirekte Fördermaßnahmen sind auf Gemeinschaftsebene nicht möglich, da allgemeine Steuererleichterungen sowie Subventionen für Investitionen in Forschung und Entwicklung generell wegen der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten und des in Relation geringen Haushaltsvolumens der Gemeinschaft nicht gewährt werden können. Da die Mitgliedstaaten solche Maßnahmen schon in erheblichem Umfang praktizieren, drängt sich jedoch eine Koordinationsfunktion der Gemeinschaft förmlich auf, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden. Auch der Ausbau der Forschungsinfrastruktur liegt traditionell bei nationalen Instanzen. Die Kommission kann Mitgliedsländer mit geringen oder fehlenden Forschungskapazitäten beim Aufbau unterstützen, insbesondere im Rahmen der Strukturfonds (Europäischer Fonds der regionalen Entwicklung [EFRE], Europäischer Sozialfonds [ESF], Europäischer Ausrichtungs-und Garantiefonds für die Landwirtschaft [EAGFL] Abt. Ausrichtung), die seit der Reform 1988 zu einem finanziell schlagkräftigen Instrument geworden sind.
Die Modalitäten für die Ausgestaltung der spezifischen Programme werden vom Rat auf Vorschlag der Kommission festgelegt. Dabei richten sich Kommission und Ministerrat an den Programm-formen aus, die sich im Laufe der Zeit als die aus ihrer Warte effizientesten herausgebildet haben. Das Spektrum umfaßt: -direkte Aktionen: Eigenforschung in den Gemeinsamen Forschungsstellen; hierzu zählt auch das Gemeinschaftsunternehmen JET (Joint European Torus), -indirekte Aktionen: Programme mit Forschungsverträgen auf Kostenteilungsbasis („cost-shared actions“), -konzertierte Aktionen: Versuche der Kommission, supranationale F & E-Aktivitäten anzustoßen und zu koordinieren, -horizontale Aktionen: (oder „ergänzende Programme“) als Beitrag zur Zukunftsforschung, Bewertung und Stimulierung von Forschungsaktivitäten allgemein, zum Bildungs-und Wissenschaftsaustausch und schließlich zum Technologietransfer.
Im Zentrum der gemeinschaftlichen Technologie-politik stehen Förderprogramme zur „Stärkung der wissenschaftlichen und technischen Grundlagen der europäischen Industrie“ (Art. 130L). Folglich dominieren Programme mit industrieller Ausrichtung und sektorspezifischen Themenstellungen. Alle anderen beziehen sich entweder auf Fragestellungen von öffentlichem Interesse (Gesundheit, Umwelt etc.), auf die Grundlagenforschung oder sollen ganz allgemein zur Verbesserung der wissenschaftlichen Basis in Europa und zu einer Effizienzsteigerung im Innovationsprozeß beitragen (Stimulation des Cooperations Internationales et des Behanges Necessaires aux Chercheurs Europeens [SCIENCE], Mensch und Mobilität). Dementsprechend wird auch das Instrumentarium der Gemeinschaft eingesetzt: Bei Themen von allgemeinem Interesse und bei Grundlagenforschung überwiegen konzertierte Aktionen und Eigenforschung in der GFS, während sie sich bei Aktionslinien mit Industrierelevanz -Informationstechnologien, Telekommunikation, industrielle Technologien, Biotechnologie, Agrarforschung -nahezu ausschließlich auf die Vertragsforschung stützt. Die „horizontalen Aktionen“ werden nach ähnlichem Muster wie die Vertragsforschung abgewickelt; die Adressaten sind jedoch eher öffentliche Bildungs-und Forschungseinrichtungen, die Drittmittel für zusätzliche Forschungsaktivitäten oder Kooperationsund Austauschprogramme erhalten. b) Direkte Aktionen: wenigflexible Projektorganisation Direkte Aktionen sind auch nach der oben aufgeführten deutschen Klassifikation als direkte Förderung einzuordnen. Diese Form der Technologie-politik wird wie folgt begründet: -Es handelt sich um Forschungsbereiche, deren Gegenstände den Charakter öffentlicher Güter haben: (Versorgungs-) Sicherheit, Umwelt u. a.;-die Ergebnisse der Forschung sind von supranationaler Bedeutung, weil beispielsweise die Energieversorgung in einem internationalen Verbund erfolgen soll, die Auswirkungen einer Nuklearanlage (Umwelteinflüsse, Unfallfolgen) nicht an Staatsgrenzen haltmachen und weil sich positive externe Effekte auf gemeinschaftlicher Ebene ergeben; -ferner werden Vermeidung überflüssiger Doppelforschung, hoher Kapitalbedarf und Notwendigkeit der Schaffung einheitlicher technischer Normen und Sicherheitsstandards genannt c) „Indirekte Aktionen “ als Vertragsforschung Unter indirekten Aktionen werden in der EG-Nomenklatur die Programme verstanden, in deren Rahmen vor allem Projekte mit Industriebeteiligung aus bestimmten Forschungsgebieten gefördert werden. Die Fördergebiete werden im Rahmenprogramm festgeschrieben und in den einzelnen Programmen spezifiziert. Unternehmen, aber auch Forschungsinstitutionen können dann transnationale Projekte Vorschlägen, die in das Programm hineinpassen. Die Auswahl unter den Projekten erfolgt nach ihrer Bedeutung für das jeweilige Gebiet (Qualität sowie strategische Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit Europas), der Einschätzung des europäischen „Mehrwerts“ und ihres Beitrages zu Kooperation und Koordination der nationalen Forschungstätigkeiten. Die im Rahmen eines solchen Programmes genehmigten Projekte werden in der Regel mit 50 Prozent der entstehenden Zusatzkosten gefördert. Öffentliche Forschungseinrichtungen können bis zu 100 Prozent der Zusatzkosten erhalten. Die Programme werden auch als „Aktionen auf Kostenteilungsbasis“ (cost-shared actions) bezeichnet. Diese Förderform entspricht keineswegs den indirekten Förderprogrammen des deutschen BMF oder des BMWi; es handelt sich vielmehr um die oben genannte „indirekt-spezifische“ Förderform. Die Gemeinschaft hat schon zu Beginn der achtziger Jahre die ihr aus industriepolitischer Sichtweise strategisch bedeutsam erscheinenden Technologiebereiche identifiziert und entsprechende Programme in Form von „cost-shared actions“ entworfen. Diese Programme haben trotz aller relativierenden Rhetorik und begrifflichen Änderungen bis heute Bestand und werden fortgeschrieben. Es sind dies: -die Informationstechnologien (Mikroelektronik und Peripheriegerätetechnologie, Informationsverarbeitungssysteme und Anwendungstechnologien); -die Telekommunikation und Telematiksysteme; -die industriellen und Werkstofftechnologien; -das breite Feld der Biotechnologie, der Biomedizin, der Nahrungsmitteltechnologie und der Landwirtschaftsforschung. d) Forschungskoordinierung über „konzertierte Aktionen “
Die Gemeinschaft leistet bei „konzertierten Aktionen“ keinen eigenen Beitrag zur Finanzierung der Projekte, sondern organisiert -allerdings mit Gemeinschaftsmitteln -die Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen und technischen Forschung über die nationalstaatlichen Grenzen hinweg. Kooperationspartner sind in der Regel öffentliche Forschungseinrichtungen; die Verträge werden auf Regierungsebene geschlossen, wobei sich die Kommission an einem Vorhaben wie ein Mitglied-staat beteiligen kann. Jede Vertragspartei führt ihre eigenen Forschungsvorhaben aus, trägt die entsprechenden Kosten und übernimmt damit auch die Verantwortung; über COST (Cooperation europeenne dans le domaine de la recherche scientifique et technique) werden lediglich Arbeitsteilung und gegenseitiger Zugang zu den Ergebnissen in einem Forschungsgebiet geregelt.
Zwar gibt es immer wieder Bestrebungen zwischen den Mitgliedsländern und mit der EU, die nationalen und gemeinschaftlichen Technologiepolitiken aufeinander abzustimmen -bei der Kommission gibt es sogar eine eigene Abteilung zu diesem Zweck -, doch kamen die bisherigen Ansätze nie über die empirische Erfassung der technologiepolitischen Aktivitäten in den einzelnen Mitgliedstaaten und über die Verabschiedung wohlklingender Absichtserklärungen hinaus S. Der Weg zu einer abgestimmten Politik auf diesem Feld führt wohl eher über eine Verlagerung von Kompetenzen nach Brüssel; die Uneinigkeit der Mitgliedstaaten hat zumindest bisher eine Koordinierung weitgehend verhindert. Ob hierzu die im Maastricht-Vertrag vorgenommene Ergänzung des Art. 130h, der nicht mehr nur die Koordination der einzelstaat-liehen Politiken fordert, sondern die Abstimmung explizit zur Gemeinschaftsaufgabe erhebt, wesentliche Verbesserungen bringen wird, bleibt abzuwarten. e) „Horizontale Aktionen“ als Abrundung des Kooperationsangebots „Horizontale Aktionen“ sollen das umfassende Kooperation-und Förderangebot der Gemeinschaft, das auf thematisch spezifizierte Forschungsprojekte abzielt, abrunden und ergänzen Als neues Feld für solche „ergänzenden“ Aktivitäten zeichnet sich die Nutzung der Strukturfonds zur technologischen Entwicklung der weniger entwikkelten (meist peripheren) Mitgliedstaaten ab („Integrierte Programme“, „Gemeinschaftsinitiativen“ u. a. m.), um diesen den Anschluß an die fortgeschrittenen Länder zu ermöglichen. Solche Aktionen werden hauptsächlich als „Vertragsforschung“ organisiert; die Gemeinschaft leistet einen prozentualen Beitrag zu den einzelnen Projekten. Bei Angelegenheiten, an deren Ergebnis die Kommission direktes Interesse hat (z. B. beim „Technology Assessment“), ist die Vergabe von Forschungsaufträgen oder eine einhundertprozentige Bezuschussung von Projekten vorgesehen. Ansonsten sollen die Zuschüsse der Gemeinschaft gerade so hoch sein, daß zusätzliche Leistungen -sei es konkrete Forschung oder Kooperation -angeregt werden. Auch die Beteiligung am Aufbau elektronischer Informationsdienste und Datenbanken, die über Marktdaten, technologische Neuerungen, Kooperationsmöglichkeiten, Normen und Standards in den Mitgliedstaaten und nicht zuletzt über die Programme der Gemeinschaft informieren sollen, gehört in diese Rubrik.
Diese „horizontalen“ Programme liefern die Basis für den effizienten Einsatz der anderen Programmkategorien, besonders für die thematisch spezifizierten „indirekten Aktionen“. Sie sind einerseits infrastrukturorientiert (Aufbau und Ausweitung der Forschungsinfrastruktur, Vernetzung der europäischen Forschungseinrichtungen über persönliche Kontakte, Informationsnetze), andererseits Dienstleistungsprogramme für die Kommission oder für die Durchführung anderer Aktionen (Prognose, Bewertung, Nutzung und Verbreitung von Ergebnissen). 2. Die Umsetzung in Rahmenprogramme Die technologiepolitischen Aktivitäten werden in Rahmenprogramme als Ausdruck einer kohärenten Konzeption eingebracht. Während im ersten Rahmenprogramm -vielleicht wegen seines noch unverbindlichen Charakters -durchaus eine solche Konzeption erkennbar war, können dies weder das zweite, das dritte oder das neu aufgelegte vierte Rahmenprogramm für sich in Anspruch nehmen (vgl. Tabelle). Sie sind vielmehr eine nicht immer vollständige Zusammenfassung der einzelnen technologiepolitischen Aktivitäten der Gemeinschaft. Die gemeinsame Klammer ist das für das Rahmenprogramm als Ganzes bewilligte Budget und dessen Aufteilung auf die einzelnen Programmteile.
Das vierte Rahmenprogramm für 1994 bis 1998 wurde in einer neuen Struktur präsentiert. Als Grundstruktur wurden die Maßnahmen a) bis d) von Artikel 130g mit der Maßgabe herangezogen, alle F & E-Aktivitäten der Gemeinschaft erstmals in das Rahmenprogramm zu integrieren. Vorgesehen sind dafür 13, 1 Milliarden ECU, damit bis 1997 -so das Ziel der Kommission -das jährliche Budget der Union für dieses Politikfeld auf über 4 Milliarden ECU ausgeweitet werden kann. 3. Entwicklungstrends Nachdem nun das zweite und das dritte Rahmenprogramm nahezu abgeschlossen sind, lassen sich einige Tendenzen -Förderformen, Inhalte und Marktnähe betreffend -nachzeichnen: -Wie bereits mehrfach angedeutet, gewinnen die „cost-shared actions“ immer mehr an Bedeutung. Das läßt sich recht einfach erklären: Programme, die mit finanzieller Förderung operieren, sind attraktiver als andere und ziehen Interessenten von denjenigen ab, die ohne Zuwendungen arbeiten. Zur Forschung gehört auch immer die Fähigkeit, Mittel für die eigene Arbeit zu akquirieren; man orientiert sich somit stark an den Geldgebern. Dies nutzt die Kommission aus: Über finanzielle Anreize hat sie direkten Zugang und Einfluß auf die Forschungslandschaft; dies ist viel einfacher als mühsame Versuche, durch gutes Zureden Forschungskooperationen im internationalen Rahmen stimulieren zu wollen. -Eigenforschung der Gemeinschaft in Form der GFS hat nach den vielen Problemen keinen Reiz mehr; es zeigt sich dort wie auch im nationalen Bereich, daß Großforschungseinrichtun-gen dann, wenn das Forschungsthema abgearbeitet oder überholt ist, nicht zu schließen sind und wegen der starren personellen Strukturen die Zuweisung neuer Aufgaben recht schwierig ist. Ein beamteter Kernforscher kann sich eben nicht mit Themen aus der Biotechnologie befassen. Dennoch lassen die im Vorschlag für das vierte Rahmenprogramm ausgewiesenen Mittel für die GFS keinen Rückschluß darauf zu, daß die Aktivitäten zurückgefahren werden sollen. Offensichtlich sind Kommission und Rat solche Maßnahmen wegen der nationalen Balance der vier Standorte und deren strukturpolitischer Bedeutung zu heikel.-Mit „cost-shared actions“, sei es in der „reinen“ Form der Förderung der industriellen Zusammenarbeit, sei es in Form von Zuschüssen im Forschungsbereich, versucht die Kommission Schwerpunkte zu setzen; sie gerät damit immer stärker in Versuchung, über eine Ausdehnung der Tätigkeitsfelder eine Art „Allkompetenz“ in der Technologiepolitik zu beanspruchen. Unterstützt wird sie hierbei von den Lobbies: Jede aus irgendwelchen Gründen nicht einbezogene Gruppe wird aus „Gerechtigkeitsgründen“ eine Gleichstellung solange fordern, bis auch für sie ein Forschungsprogramm aufgelegt wird. Dieser Effekt ist zumindest mitverantwortlich dafür, daß „cost-shared actions“ bereits flächendeckend bestehen. Ein wirksamer Entscheidungsmechanismus zur Beschränkung der Programmflut fehlt. Dies beklagt inzwischen auch die Kommission -Die Entwicklung der inhaltlichen Schwerpunkte ist eindeutig: Weg von der Kernenergie hin zu den industriellen Schlüsseltechnologien; zu diesen zählen immer mehr auch Biotechnologien und Umwelttechnologien. Im Mittelpunkt stehen nach wie vor die Informationsund Telekommunikationstechnologien. Aber auch die „horizontalen Aktionen“ haben deutlich an Bedeutung gewonnen. Weiter scheint die Kommission trotz gegenteiliger Beteuerung die Entstehung vieler kleiner Programme und „Progrämmchen“ als Einstieg in ein neues bzw. als Vertiefung eines schon bearbeiteten Gebiets zumindest nicht zu verhindern. Auf diesem Weg läßt sich die angestrebte Ausweitung des Gemeinschaftsbudgets für Technologiepolitik am einfachsten erreichen: Zunächst gilt es, den sachlichen Bedarf für eine neue Aktivität festzustellen und die Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion im Rat durchzusetzen. Dies geht wesentlich einfacher, wenn ein solches Programm etwa als Anhängsel eines anderen nur mit geringen Mitteln ausgestattet ist. Wird europaweit ausgeschrieben, wird es in der Regel mehrfach überzeichnet. Die Kommission wird dann entweder vom Rat finanziellen Nachschlag fordern oder bei einer Fortschreibung den Mittelansatz vervielfachen. Dem Rat sitzen für seine Entscheidung all die Unzufriedenen im Nacken, die wegen Geldmangels in einem vom Rat vorher als berechtigt anerkannten Anliegen zu kurz kamen. -Die Kommission propagiert und begünstigt wegen der großen und komplexen Aufgaben, die mit Hilfe ihrer Programme bewältigt werden sollen, eher große als kleine Projekte, die in ihren Augen die notwendige „kritische Masse“ nicht erreichen. Der wiederholten Feststellung, man müsse sich auf prioritäre Themen und Projekte konzentrieren und eine zu starke Streuung der Mittel vermeiden, steht freilich der ebenfalls immer wieder formulierte Anspruch, den Zugang zu Gemeinschaftsmitteln auch für klein-und mittelständische Unternehmen (KMUs) sicherzustellen, entgegen. -Die Ansicht der Kommission, sie agiere mit ihren Programmen nur im vorwettbewerblichen Bereich, ist bei näherer Betrachtung der Programme nicht zu halten -auch dann nicht, wenn spezifischen Programmen in jüngerer Zeit Bedeutung für mehr als eine Branche zugeschrieben wird, ohne daß die Programme wesentlich geändert wurden. Gerade die Programme mit großer Marktnähe sind diejenigen mit hohem Mittelansatz und industrieller Beteiligung. Die gemeinschaftliche Forschungs-und Technologiepolitik hat damit eine Richtung eingeschlagen, die vom vorwettbewerblichen Stadium zur Einflußnahme auf den Wettbewerb selbst geht.
IV. Zur Frage der Ordnungskonformität
Auch Befürworter gemeinschaftlicher Forschungsund Technologiepolitik geben in der Regel deren ordnungspolitische Problematik offen zu. Sie rechtfertigen deren Notwendigkeit immer stärker vor allem mit den marktwirtschaftlichen Spielregelverletzungen der USA und Japans und deren vermuteten aggressiven technologiepolitischen Praktiken
Aus dieser Perspektive wäre die Forschungs-und Technologiepolitik lediglich eine Form des Nachteilsausgleichs für EU-Unternehmen und eine offensive Korrektur vorliegender Wettbewerbsverfälschungen.
Langfristig ist jedoch entscheidend, ob ein bestimmter Politikansatz ein Wettbewerbsverhalten im Zeitverlauf gewährleistet. Hierunter ist eineOrientierung unternehmerischer Entscheidungen an den Marktsignalen zu verstehen: Änderungen der relativen (Markt-) Preise schlagen auf die Produktionsstruktur durch. Wenn dagegen die Wirtschaftssubjekte bei (relativem) Absatz-und Erlösrückgang die Umorientierung der Produktionsstruktur unterließen und statt dessen zunehmend potentielle staatliche Transfers ihre Investitionsentscheidungen bestimmten, wäre die betreffende Politik nicht mehr als marktkonform zu klassifizieren. Mit Hilfe eines solchen „dynamischen“ Marktkonformitätskriteriums sollen Verhaltensänderungen im Zeitverlauf geprüft und beurteilt werden 1. Anmaßung von Wissen (F. A. v. Hayek)?
Friedrich August von Hayek sieht den Wettbewerb als ein Verfahren zur Entdeckung von Wissen, das sonst entweder unbekannt bleiben oder zumindest doch nicht genützt würde. Seine Auffassung wurde empirisch durch die Innovationsträgheit der Betriebe im real existierenden Sozialismus bestätigt. Unternehmen im Wettbewerb präsentieren ein neues Produkt oder eine neue Produktlinie, um der Konkurrenz zu enteilen oder um ihr weiter überlegen zu sein; über das Schicksal des neuen Produkts wird freilich am Markt entschieden. Setzt es sich durch, so greifen andere Unternehmen diese Idee auf. Ebenso verhält es sich mit Prozeßinnovationen. Das Wissen einzelner wird über den Wettbewerbsprozeß „sozialisiert“. Folgt man v. Hayeks Interpretation, dann ist Forschungs-und Technologiepolitik überflüssig, ja sogar schädlich, weil die Ergebnisse des wettbewerblichen Entdeckungsprozesses nicht am grünen Tisch vorweggenommen werden können. Diese Skepsis wird in der Wirtschaftswissenschaft vielfach geteilt. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft hat diese Auffassung in seinem Gutachten „Strukturwandel für Wachstum und in der Beschäftigung“ (14. /15. Dezember 1984) in aller Deutlichkeit vertreten.
Als Gegenposition zu v. Hayeks Formel „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ und zu technologiepolitischer Abstinenz läßt sich Vorbringen, Unternehmen seien mit ihren Produkten und ihren Überlebenschancen am Markt so sehr beschäftigt, daß sie keine Gelegenheit fänden, sich von ihrem Alltagsgeschäft zu lösen und die Chancen für Produkt-und Prozeßinnovationen von höherer Warte aus zu prüfen. Gesamtwirtschaftlich ausgerichtete Informationssammel-und -auswertungsstellen könnten für mehr Markttransparenz sorgen, also die Risiken des Handelns unter Unsicherheit mindern. .
Freilich weiß auch die Kommission, daß nicht sie den Forschern und Unternehmern neue wichtige Erkenntnisse und Produktionsmethoden beibringen oder als übergeordnete Instanz durch Marktanalysen die strategisch wichtigen Forschungsgebiete für den späteren kommerziellen Erfolg festlegen kann. Eher umgekehrt können dies Unternehmer und Forscher wegen ihrer Position im Markt für die Kommission tun. Die Kommission sieht sich denn auch als Vollzugsorgan der von ihr einberufenen Gremien. Insofern gehen die Vorstellungen von Unternehmungen in die Planungen der Gemeinschaft ein; umgekehrt können diese sich von solchen Planungen und der peripheren Software -„technical days, proposer days“ -in ihren langfristigen unternehmerischen Entscheidungen inspirieren lassen. Man könnte am ehesten von einem Ineinandergreifen einzelwirtschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Informationsmengen sprechen. Daraus folgt: Die Dienststellen der Kommission gehen nicht von einem überlegenen Wissensstand aus; sie würden nicht behaupten wollen, es besser zu wissen als die im Markt operierenden Unternehmen; sie würden für sich ins Feld führen, Unternehmen über Informationsvernetzung zu einem besseren Kenntnisstand zu führen. Die entscheidende Frage lautet dann: Schlägt sich dieser vermutete bessere Kenntnisstand in einer höheren gesamtwirtschaftlichen Effizienz nieder?
Wenn Joseph A. Schumpeter als Innovation die Produktion neuer Dinge oder die Produktion traditioneller Dinge auf eine neue Art und Weise bezeichnet und das Spezifische darin sieht, daß man nicht durch „Ausziehen“ von Entwicklungstrends zu Innovationen gelangen könne, dann sind weder Ausschüsse -wie auch immer sie zusammengesetzt sind -noch Kommissionen in der Lage, Gewißheit über zukünftige Forschungs-und Produktlinien zu erhalten. Wesentliche Neuerungen sind dem Zufall oder verbohrten Tüftlern zu verdanken. Bei der Benennung von zu fördernden Spitzentechnologien und Wachstumsindustrien geht es eben nicht um ein Erkennen angelegter Trends, sondern des Trendbruchs oder des Strukturwandels. Da wir es hier nicht mit zyklischen, sondern mit einmalig auftretenden Phänomenen zu tun haben, fehlt die Basis für zuverlässige Prognosen
Die bei Technologiekommissionen vermutete Fähigkeit, einzelne Entwicklungslinien hinreichend exakt zu erfassen, bringt nicht ein Mehr an Sicherheit für die Unternehmungen. Können bestimmte Entwicklungen rational begründet werden, dann sind grundsätzlich alle Expertenteams, soweit sie professionell arbeiten, zu richtigen Prognosen in der Lage. Wenn aber die „TechnologieHitlisten“ aller Expertenkommissionen nahezu identisch sind, dann ist für den Unternehmer nichts gewonnen Glaubt er an die Richtigkeit einer Prognose und mit ihm viele andere Unternehmer, dann muß er damit rechnen, daß die Investition nicht ertragreich ist, weil zu viele dasselbe gedacht haben. Hält er sich zurück und mit ihm viele andere, weil sie ebenfalls mit übersetzten Märkten rechnen, dann wäre womöglich die Investition doch lukrativ gewesen. Ralf Zeppernick hat auf den Unterschied zwischen der Prognose von Zukunftstechnologien und Zukunftsmärkten hingewiesen.
Experten der Kommission entgegnen, daß sich bei ihrer Arbeit das Prognoseproblem weniger drama-tisch stelle, weil einige erfolgversprechende unternehmerische Tätigkeitsfelder abgesteckt und die darin operierenden Unternehmen zu Kooperation und erfolgversprechenden Projekten ermuntert würden. Da diese Unternehmen aber solche Projekte wohl unterließen, wenn keine staatlichen Gelder lockten -warum sollten sie sonst gewährt werden? -, liegt so etwas wie Investitionslenkung mit dem „goldenen Zügel“ vor. Dann aber besteht auch das Prognoserisiko, eben das Locken auf übersetzte Marktfelder. Um dieses Risiko zu vermindern, könnte sich die Kommission versucht sehen, ihre koordinierende Funktion von der „präkompetitiven“ Ebene in die kompetitive hinein zu verlängern -wie es ja auch tatsächlich geschieht. 2. Steigerung der Forschungseffizienz durch Zentralisation, Koordination und Kooperation? In Kommissionsdokumenten und auch in Interviews stößt man häufig auf Auffassungen und Formulierungen wie die folgende: Die intellektuellen und finanziellen Ressourcen müßten gebündelt, kostentreibende Doppelforschung müßte vermieden werden. Gemeint ist, daß die bisherige Forschungspraxis vergleichsweise ineffizient sei und statt dessen Zentralisation und Koordination angebracht seien. Damit übersieht die Kommission, daß auch der Wettbewerb zwischen Forschern stimulierend wirkt. Auf bestimmte Technologien ausgerichtete Programme, die zu 100 Prozent öffentlich -ob von der Gemeinschaft oder national -finanziert werden, bringen privates Engagement auf diesen Gebieten zum Erliegen; werden die Aktivitäten gar europaweit koordiniert oder auf ein einziges Projekt verdichtet, wird Wettbewerb unter Forschern ausgeschaltet; Forschungsgebiete werden aufgeteilt, und niemand muß damit rechnen, daß ein anderer schneller zum Erfolg kommt als er selbst. Die Anreize für ein hohes Innovationstempo schwinden. Solange die Forschungsergebnisse an der Spitze liegen und die Prognosen für ihre zukünftige Relevanz geglaubt werden, lenken sie außerdem die potentiellen Nutzer in eben diese Richtung. Andere Problemlösungen können oft gar nicht verfolgt werden, weil der Input aus der Grundlagenforschung fehlt.
Wenn die Kommission mit der Koordinierung dagegen lediglich die Transparenz in der Forschung erhöht, den Austausch von Ergebnissen und die gegenseitige Nutzung von speziellen Einrichtungen verbessert sowie bei arbeitsteiligen Kooperationen Wettbewerb weiterhin zuläßt, etwa indem nicht alle betroffenen Forscher „gepoolt“ werden, sind positive Effekte im Innovationsprozeß zu erwarten: Erhöhte Transparenz und besserer Zugang zu entsprechenden Einrichtungen werden den Wettbewerb zwischen den Forschern, die auf denselben Gebieten arbeiten, sogar verstärken und die Effizienz steigern. Auch ließen sich auf diese Weise die pluralistischen Denkansätze aus den unterschiedlichen Kulturen in der Gemeinschaft am besten nutzen.
In diesem Sinne darf die von der Kommission so häufig proklamierte „Vermeidung von Doppel-forschung“ nur heißen: Es soll nicht zu einer „Neuerfindung des Rades“ kommen; bekannte Sachverhalte müssen nicht weitere Male mühevoll erforscht werden. Mit zu vermeidender Doppelforschung darf nicht die konkurrierende Arbeit verschiedener Forschergruppen an ähnlichen Problemstellungen gemeint sein. In der Regel werden verschiedene Forschergruppen auch verschiedene Lösungsansätze für ein Problem entwickeln, wobei nicht von vornherein geklärt werden kann, welcher der bessere ist
Die Programme auf Kostenteilungsbasis (Vertragsforschung) sind von der Idee getragen, daß transnationale Kooperationen den Horizont bei Forschern und Unternehmern erweiterten und daß sie ein breites Potential für neue Ideen schüfen. Ein Kernargument für solche Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in horizontaler Richtung -also in der gleichen Phase des Innovationsprozesses -ist die Schaffung von „kritischer Masse“: Forschungsvorhaben, die eine bestimmte Komplexität aufweisen, sind sehr kostspielig und sehr zeitaufwendig, sie würden -so die Argumentation obwohl durchaus attraktiv und erfolgversprechend, häufig unterlassen, weil einzelne Forschungseinrichtungen oder Unternehmen ohne Partner nicht in der Lage wären, sie durchzuführen. Auch wird wieder die Doppelforschung einer möglichen effizienteren Arbeitsteilung gegenübergestellt.
Eine auf das Vorantreiben von Kooperationen und anderer Zusammenschlußformen ausgerichtete Politik mag eine „kritische Masse“ für riskante und kostenintensive Forschungsprojekte erzeugen und über „economies of scale“ die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber gebietsfremden Großkonzernen erhöhen; da die potentiellen Partner aber vorher Konkurrenten waren, sinken die Wettbewerbs-intensität und somit die Anreize zu besonderen Anstrengungen auf einem Forschungsgebiet. Noch problematischer ist der kostenlose Technologie-transfer in die Peripherie in Form solcher öffentlich finanzierter Kooperationen.
Im folgenden werden die Ergebnisse aufgelistet, die anhand von Evaluierungsberichten und vor allem aus Gesprächen mit der Kommission, nationalen Behörden und betroffenen Unternehmen gewonnen wurden. Die Schlußfolgerungen haben den fcharakter von Arbeitshypothesen: -Kooperationen kommen überwiegend deshalb zustande, weil die Gemeinschaft nur Kooperationsprojekte finanziell unterstützt. In den Bewertungsberichten der Kommission wird das so interpretiert, als ob Forschung in erwünschten Gebieten ohne ihre Hilfe unterblieben sei. Kooperationen werden bisweilen nur zum Schein eingegangen, um an die begehrten Mittel heranzukommen; de facto arbeitet dann jede Partei für sich. -Kein befragtes Unternehmen wendet wegen der finanziellen Anreize aus Brüssel selber mehr Mittel für F& E auf (eher weniger). Selbst Großunternehmen stellen für geförderte Projekte kein zusätzliches Personal ein. Kein Unternehmen betreibt wegen einer möglichen Förderung F& E in einem Feld, das nicht von vornherein hätte bearbeitet werden sollen. Dies zeigt auch ganz deutlich die Verteilung der Projekte auf die angebotenen Themenfelder: Einzelne Felder sind sehr stark besetzt, andere erwecken den Eindruck, als hätten die wenigen dort angesiedelten Projekte Alibifunktion. -KMUs haben strukturelle Nachteile bei Beschaffung von Informationen, Beteiligungen an Projekten und beim Zugang zu den Fördermitteln; typische Tüftler und Erfinder werden trotz ihrer auch von der Kommission betonten großen Bedeutung im Innovationsprozeß benachteiligt. Sie können bei einer strengen Auslegung der Kriterien nicht an den entsprechenden Programmen teilnehmen. Möglichkeiten bieten sich ihnen als „Subcontractors“ oder als Trabanten mit Spezialkenntnissen um einen großen „Prime contractor“. -Häufig führen Forschungskooperationen bei F& E zu Produkt-und Marktaufteilungen, um Differenzen über die Nutzungsrechte von Ergebnissen und „schädliche“ Konkurrenz zu vermeiden. Wichtiger -so ein weiteres Ergebnis -als finanzielle Hilfen (die gleichwohl gerne mitgenommen werden) sind oft wohldefinierte Rahmenbedingungen (z. B. Standards, Neuordnung des Telekommunikationsmarktes) und ein berechenbares, stetiges Verhalten der Träger der Wirtschaftspolitik wie der öffentlichen Auftraggeber. -Die Antragskosten liegen bei etwa zehn Prozent der beantragten Mittel; dabei wird bereits ein reibungslos verlaufendes Antragsverfahren unterstellt. Kann wegen einer etwaigen Über-zeichnung nur jeder zehnte Antrag gefördert werden, reicht das Fördervolumen gesamtwirtschaftlich betrachtet gerade aus, um die Antragskosten zu decken. Eine vom Bundesforschungsministeriuim in Auftrag gegebene Untersuchung des Kölner Beratungsunternehmens Scientific Consulting Dr. Schulte-Hillen ergab, daß der bürokratische Aufwand, der mit der Beantragung der EG-Forschungsgelder verbunden ist, in keinem Verhältnis zu den verteilten Geldern steht. Vor allem wurden die festen Ausschreibungstermine kritisiert. Insgesamt wurde auch hier eine Benachteiligung der mittleren und kleinen Unternehmen bei der Forschungsvergabe festgestellt
Wollte man diese Einzelergebnisse auf eine Formel bringen, so müßte sie lauten: Bei einzelwirtschaftlich rationalem Verhalten muß man annehmen, daß Kooperationsprojekte, die sinnvoll sind und sich ökonomisch re chnen, auch ohne Gemeinschaftsförderung zustande kommen; anders herum betrachtet wären also transnationale Forschungsprojekte mit Unternehmerbeteiligung, die nur zustande kommen, weil die Gemeinschaft die Kooperationskosten übernimmt und darüber hinaus Zuschüssse gewährt, gesamtwirtschaftlich ineffizient.
V. Zusammenfassende Beurteilung
Das technologiepolitische Angebot der drei Ebenen (Bundesländer -Bund -EU) hat ein so vielfältiges Ausmaß erreicht, daß sich sogar Kenner der Materie schwertun, die verschiedenen Programme und Maßnahmen noch zu überschauen. Für die Unternehmen und Forschungseinrichtungen als Adressaten dieser Progmmmflut steigen die Informationskosten erheblich. Die Gefahr von Überschneidungen mit erheblichen Effizienzverlusten nimmt zu. Der Verlust an Überschaubarkeit wiederum führt zu einem erhöhten Bedürfnis an Vereinheitlichung oder an Koordination durch die zentrale Instanz. So fällt der Kommission quasi automatisch die Rolle des Koordinators und immer mehr auch des Initiators in der Technologie-politik zu. Diese Kompetenzverlagerung wird bei der Umsetzung der Technologiepolitik deutlich: Die Gemeinschaft beweist in immer mehr Gebieten mit zunächst kleinen Programmen ihre fachliche Zuständigkeit; diese kleinen Programme werden später ausgedehnt und so miteinander verknüpft, daß ein komplettes Netzwerk an technologiepolitischen Aktivitäten entsteht, die den nationalen Programmen den Rang ablaufen. Gerade die großen Mitgliedstaaten, die es sich noch am ehesten leisten könnten, kürzen Fördermittel in den Bereichen, die die Gemeinschaft übernommen hat; nationale Mittel werden also durch gemeinschaftliche ersetzt. Die Verlagerung technologiepolitischer Aktivitäten auf die Gemeinschaft schlägt sich auch in den zunehmenden Finanzvolumina der gemeinschaftlichen Rahmenprogramme nieder (vgl. Tabelle S. 12). Die einzig wirksame Grenze für die Ausweitung der Brüsseler Aktivitäten scheinen die Administrierbarkeit von Programmen und die sichtbar abnehmende Effizienz bei der Zentralisierung bestimmter Aufgaben zu sein S.
Die gemeinschaftliche Forschungs-und Technologiepolitik ist ordnungspolitisch problematisch: Es ist zu vermuten, daß die Regelungsdichte zunimmt, wenn man sich einmal auf den Weg gemacht hat, industrieller Forschung und Entwicklung intellektuell und finanziell beizustehen. Die Förderung verlagert sich zwangsläufig von der präkompetitiven in die kompetitive Phase, die Aktionsfelder weiten sich aus und verdichten sich, der Bedarf an finanziellen Mitteln steigt. Daß sich die Gemeinschaft über den neuen Artikel 130 im Maastricht-Vertrag zusätzliche industriepolitische Kompetenzen verschafft hat, ist gewissermaßen eine offizielle Bestätigung dieser Folgerungen.
Joachim Starbatty, Dr. rer. pol., geb. 1940; seit 1983 Ordinarius für Wirtschaftspolitik an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Leiter des Projektbereichs „Europäische Technologiepolitik“ im Rahmen der DFG-Forschergruppe „Internationale Wirtschaftsordnung“ an der Universität Tübingen; z. Z. visiting professor an der University of Washington, Seattle, USA. Zahlreiche Veröffentlichungen in den Feldern Ordnungs-und Industriepolitik. Uwe Vetterlein, Dr. rer. pol., geb. 1960; 1986-1990 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der DFG-Forschergruppe „Internationale Wirtschaftsordnung“ an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen; seit 1991 Geschäftsführer der Industrie-und Handelskammer Karlsruhe. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Industrie-und Technologiepolitik.
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