Das Vertragswerk von Maastricht sieht für das Jahr 1996 die Einberufung einer Revisionskonferenz vor. Man spricht von Maastricht II. Die bereits festgelegte Tagesordnung enthält einige in Maastricht I unerledigt gebliebene Punkte. Zu ihnen gehören so „bedeutsame“ Gegenstände wie die Begründung einer Zuständigkeit der Europäischen Union in den Bereichen Katastrophenschutz und Fremdenverkehr. Daneben soll die in Maastricht I intergouvernemental organisierte Zusammenarbeit in den Sektoren Außen-und Sicherheitspolitik sowie Innen-und Justizpolitik überprüft werden. Diesbezüglich hatte es an jeder Integrationsbereitschaft gefehlt. Deshalb waren diese Bereiche nicht in das bestehende Gemeinschaftssystem einbezogen, sondern als etwas blutleere „Säulen“ einer neu-geschaffenen Europäischen Union überantwortet worden. Ein Ausbau der Europäischen Union (EU) zu einer Politischen Union steht in Maastricht II nicht auf der Tagesordnung. Doch bleiben ergänzende Themenvorschläge seitens der Mitgliedstaaten möglich. Über eine Aufnahme auf die Tagesordnung befindet der Rat mit einfacher Mehrheit. Die Revisionskonferenz erweitert sich dann zur Folgekonferenz von Maastricht.
In diesem Sinne hat das Schäuble/Lamers-Papier der CDU-Bundestagsfraktion vom September 1994 eine institutionelle Weiterentwicklung der Europäischen Union vorgeschlagen, orientiert am „Modell föderaler Bundesstaat“: Das Europaparlament solle sich schrittweise zu einem neben dem Rat gleichberechtigten Gesetzgeber entwickeln, dieser solle die Aufgabe einer Staatenkammer übernehmen, und die Kommission solle Züge einer europäischen Regierung annehmen. Der frühere französische Verteidigungsminister Chevenement hat dazu gemeint, ein solcher Gedanke rufe in Frankreich „schallendes Gelächter“ hervor. Er zeige einmal mehr, wie tief der kulturelle Graben sei, der Deutschland noch von Frankreich trenne. Maastricht II steht vor der Notwendigkeit, die europäischen Institutionen an die Norderweiterung der Gemeinschaft anzupassen sowie Veränderungen ins Blickfeld zu nehmen, die sich aus einer möglichen Osterweiterung ergeben. Ein Europa der Fünfzehn oder gar der Vierundzwanzig kann sich nicht mehr ohne weiteres an das überkommene Modell der ursprünglichen Sechser-Gemeinschaftanlehnen. Erkenntnisleitend sollten die mit einer europäischen Integration verfolgten Zwecke sein.
I. Integrationszwecke
Einzelne Integrationszwecke haben sich im historischen Zeitablauf verflüchtigt, so etwa das Bemühen, eine politisch-ideologische Bedrohung aus der früheren Sowjetunion gemeinsam abzuwehren. Andere sind auf die spezielle Interessenlage einzelner Mitgliedstaaten begrenzt. Dennoch gibt es zentrale Konstanten. 1. Friedensargument Mit Friedensargument ist die Überlegung bezeichnet, eine Integration von Nationalstaaten schließe das Risiko kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen ihnen endgültig aus. Das Argument mag aus deutscher Sicht im Hinblick auf die EU-Mitgliedstaaten etwas bemüht erscheinen. Aus anderem Blickwinkel ist dies nicht notwendig so. Denn der potentiell „böse Bube’, den man dabei im Auge hat, pflegt Deutschland zu sein. Dies rekurriert nicht auf Befindlichkeiten, wie sie jüngst etwa aus Meinungsbefragungen holländischer Jugendlicher erkennbar wurden. 46 Prozent von ihnen halten danach die deutsche Bevölkerung für „kriegslüstern“. Es zielt vielmehr auf ein nüchternes Kalkül der politischen Klassen in Europa, welche die Außenpolitik in ihren jeweiligen Ländern bestimmen: Auf lange Sicht sollte man keine Möglichkeit von vornherein ausschließen und sich vorbeugend dagegen wappnen. So war es z. B. von jeher eine Facette der französischen Atomrüstung gewesen, gegenüber dem größeren Nachbarn “ d'outre Rhin“ über eine Art „lender of last resort“ zu verfügen.
Deutlicher greifbar wird das Friedensargument bei einer Erweiterung der EU in Richtung Osten. Es finden sich dort nahezu durchgängig Minderheitenprobleme und entsprechende Konfliktpotentiale. Was die Pariser Vorortverträge von 1919 nicht bewältigten, in den vergangenen 50 Jahren unter der sowjetischen Diktatur ruhiggestellt war, erhielte innerhalb einer erweiterten EU dieChance zu einem allseits akzeptierten Ausgleich und die sichere Gewähr, daß sich ein solcher mit friedlichen Mitteln vollzöge.
Das Friedensargument läßt sich weiter in der Spielart verstehen, es gelte eine Rückkehr zu den Rivalitäten der Nationalstaaten, zu Gleichgewichtspolitik und Allianzbildung nach dem Muster des 19. Jahrhunderts zu verhindern. Dieses Muster hat bekanntlich den Ausbruch des Ersten Weltkriegs als der Urkatastrophe Europas in diesem Jahrhundert (G. F. Kennan) nicht verhindern können. Integration mit ihrer Idee der „Kontrolle aller durch alle“ ist demgegenüber das vorzugswürdige Paradigma. Gewiß sind die traditionellen Instrumente nicht vollständig verschwunden. Doch haben sie nicht das dominante Grundmuster der Integration ersetzt.
Das Friedensargument in diesem Verständnis erscheint heute wichtiger denn je. Die zentrifugalen Tendenzen innerhalb der Union könnten zunehmen: Der Kitt des Zusammenhalts, der sich aus der gemeinsamen Bedrohung zur Zeit des Ost-West-Konflikts ergab, ist zerbröselt. Der damit zusammenhängende Stabilisierungsfaktor NATO hat an Kraft verloren. Die Verteidigungsorganisation hat ein schlüssiges Zukunftskonzept noch nicht entwickeln können. Ungewißheiten zeichnen sich ab, was eine dauerhafte militärische Präsenz der USA in Europa anbelangt. Fundamentale innenpolitische Probleme in den Mitgliedstaaten der EU können einen Impuls zur „beggar-my-neighbourpolicy“ nach dem unseligen Vorgang der zwanziger Jahre auslösen. So haben die europäischen Industrieländer im weltwirtschaftlichen Strukturwandel die früher eher als selbstverständlich wahrgenommene technische Überlegenheit weitgehend eingebüßt. Die unmittelbare Folge davon ist ein gravierendes Arbeitslosenproblem. Weiter zeichnet sich innerhalb der EU eine Überalterung der Bevölkerung ab mit allen Konsequenzen für die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme. Es wird unausweichlich sein, sie auf einen reformatorischen Prüfstand zu nehmen. Die Versuchung, einen Teil dieser Problematik durch Protektion und als Industriepolitik kaschierte Subvention auf Kosten Dritter zu lösen, kann übermächtig werden. All dies wäre nicht integrationsbefördernd. Hinzu tritt das Phänomen der Migration aus den Armutsregionen der Welt nach Europa. Auch hier entsteht ein Anreiz, sich zu Lasten anderer zu salvieren. Ein Beispiel ist die Behandlung der Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Innerhalb der EG bestand ein schneidender U: l-Konsens dahingehend, daß es völlig in Ordnung sei, wenn diese Flüchtlingswelle überwiegend nach Deutschland schwappe -das mit Asylbewerbern aus aller Welt ohnehin schon völlig überlastet ist. Eine Lastenteilung innerhalb der Gemeinschaft wurde unter dem Vorwand zurückgewiesen, Kriegsflüchtlinge sollten möglichst in der Nähe ihrer Heimat gehalten werden.
Die hier angedeuteten Ungewißheiten und Egoismen könnten innerhalb der EU zu einer Lähmung führen mit der Perspektive einer Rückbildung, gar eines Zerfalls. Von daher erscheint die Entschiedenheit, mit der etwa Helmut Kohl der europäischen Integrationspolitik Priorität einräumt, gut begründet im Gegensatz zu der reißerischen Manier von jenen Teilen der englischen Presse, die den Kanzler unter dem Aspekt einer „obsessiven“ Zielverfolgung schon einmal in die Nähe Adolf Hitlers rückten. 2. Das Binnenmarktargument Im Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung steht eine Überlegung ökonomischer Effizienz. Man kann vom Binnenmarktargument sprechen. Es ist unstreitig, daß die Errichtung eines Binnenmarkts in dem Sinne, daß Hindernisse für die freie Bewegung von Gütern und Produktionsfaktoren beseitigt werden, handelsschaffende und in diesem Ausmaß wohlfahrtssteigernde Wirkungen hat. Die handelsumlenkenden Wirkungen, namentlich zu Lasten der Außenstehenden, werden hingenommen. Doch sind zwei Warntafeln zu errichten: Zum einen kann solche Markterweiterung nicht grenzenlos sein, im Extremfall den gesamten Globus umfassen. Es gibt einen Punkt, an dem die Koordinierungskosten so groß werden, daß Quantität in negative Qualität umschlägt. Aus dieser Einsicht erwächst das stärkste Argument, die EU bei einer nachhaltigen Erweiterung als eine Art gehobene Freihandelszone zu konzipieren, jedenfalls nicht über den gegenwärtig erreichten Integrationsstand wesentlich hinauszugehen. Zum anderen hängt alles davon ab, welche Ordnungspolitik für einen erweiterten Binnenmarkt konkret betrieben wird. Behält man bei einer Aufnahme der mittel-und der osteuropäischen Staaten in die EU z. B. die gegenwärtige gemeinsame Agrarpolitik bei, so müßte dies die Gemeinschaft endgültig in ein finanzielles Desaster treiben.
Maastricht I hat darüber hinaus trotz einiger verbaler Referenzen gegenüber einer „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ bei allen konkreten Regelungsdetails die Spielräume zu diskretionären, d. h. inhaltlich unbestimmten Entscheidungen nachhaltig erweitert. Welchen Stellenwert etwa die Ermächtigung zu einer gemeinschaftlichen Industriepolitik nach Art. 130 EG-Vertrag erhalten wird, ist nicht verläßlich prognostizierbar. Die Äußerung noch der alten Kommission vom 14. September 1994 über einePolitik der industriellen Wettbewerbsfähigkeit für die Europäische Union enthält Vorschläge über einzurichtende „Gesprächsrunden der Industrie“ und Unterstützungsmaßnahmen nach Art „partieller Investitionsgarantien“. Einem Wirtschaftsliberalen muß sich dabei jedes Haar einzeln sträuben. Kurz: Dem Binnenmarktargument für die europäische Integration kommt wesentliches Gewicht zu. Doch ist Wachsamkeit geboten, daß es sich in der Praxis nicht nachhaltig relativiert. 3. Das imperiale Argument In den letzten Jahren hat ein weiteres Argument Konturen erlangt: Europa solle seine Kräfte bündeln, um die globalen Herausforderungen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert bestehen zu können. Es müsse, so der einflußreiche französische Senator Francois-Poncet, „den Willen haben, eine Weltmacht zu werden“. Man kann ein solches Ziel das imperiale Argument nennen. Es hat namentlich eine sicherheits-und eine außenhandelspolitische Komponente. Erstrebte Einflußnahme auf die Lösung globaler Umweltprobleme tritt hinzu. Unter ersterem Aspekt sind vier Entwicklungen in Erinnerung zu rufen: das zunehmende Risiko einer unkontrollierten Proliferation von Nuklearwaffen; der Ausbruch von ethnischen Konflikten, die auf dem Balkan und in der früheren Sowjetunion bereits virulent sind, aber auch den afrikanischen Kontinent erfassen könnten; der islamische Gürtel im Süden Europas mit all den Ungewißheiten, die sich aus dem Vorhandensein fundamentalistischer Strömungen ergeben, und schließlich der bereits erwähnte Migrationsdruck aus den weniger entwickelten Regionen dieser Welt. Eine gemeinsame europäische Antwort auf solche Gefährdungen setzt eine einheitliche sicherheitspolitische Ziel-definition voraus. Eine solche ist aber selbst in schemenhaften Umrissen nicht erkennbar.
Im übrigen zöge europäische Machtprojektion entsprechende Verantwortung nach sich. Wer Soldaten schickt, bekommt Särge zurück. Eine Nischenmentalität, wie sie nicht nur in Deutschland verbreitet ist, wird dieser Verantwortung nicht gerecht. Außenhandelspolitisch könnte ein europäischer Gigant die sich ohnehin abzeichnende Triadisierung zwischen den USA, Japan und der EU weiter befördern. Ein solches enges Oligopol könnte zu Lasten der Außenseiter gehen und die Philosophie des GATT mit ihren Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Meistbegünstigung eher untergraben als stützen. Es muß jedenfalls mißtrauisch stimmen, wenn die Anhänger dieses imperialen Arguments in ihrer Mehrzahl aus einem sich merkantilistisch-protektionistisch definierenden Lager kommen. 4. Das Deutschen-Argument Schließlich besteht ein Zusammenhang zwischen der europäischen Integration und der deutschen Frage, in der Formulierung de Gaulles „la question europeenne par excellence". Das Argument weist vier Facetten auf: Die erste besteht darin, über eine europäische Integration Deutschland einzubinden, es in eine Art Käfig zu nehmen, wie dies der Politologe Alfred Grosser einmal genannt hat. Dies ist eine Konstante in der gesamten Nachkriegsentwicklung. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands hat sie an Gewicht noch gewonnen. Die Hast, mit welcher die Maastricht-Verträge -parallel zur sich vollziehenden deutschen Einigung -ausgearbeitet wurden, findet darin ihre Ursache.
Eine zweite Facette ist ein in Deutschland manchmal anzutreffendes mangelndes Vertrauen in die eigene Politikfähigkeit, jedenfalls ein Interesse an einer Art Selbstversicherung durch Einbindung. Von daher ist der Schritt in eine freiwillig übernommene Teilunmündigkeit nicht fern. Der bekannteste Vertreter dieser Richtung dürfte der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt sein.
Vorherrschend ist in Deutschland wohl eine dritte Facette: die Furcht vor der Gefahr einer Einkreisung, einer Isolierung des Landes und einer Allianzbildung gegen seine Interessen, wenn diese außerhalb des europäischen Rahmens artikuliert werden. „Deutsche Außenpolitik ist nicht möglich außerhalb von Allianzen“ (Michael Stürmer). Aus dieser Einsicht erwächst die Dominanz der Europapolitik innerhalb der deutschen Außenpolitik, in ihr wurzelt eine gelegentlich an Entsagung reichende Kompromißbereitschaft.
Eine solche Haltung ist gut begründet, doch nicht ohne Risiko. In der Substanz läuft sie auf einen Sonderstatus der deutschen Politik hinaus in der Nachbarschaft eines „Sonderweges“, vor dem man sich ansonsten fürchtet. Auch wird dieser Sonderstatus im Bedarfsfälle naturgemäß instrumentalisiert und gegen deutsche Interessen eingesetzt. Ein ehemaliger deutscher Bundesminister faßte seine Brüsseler Erfahrungen einmal in der bedrückenden Feststellung zusammen: „Wenn die Deutschen Schwierigkeiten machten, fiel das Stichwort Auschwitz.“ Es ist eine Überlegung wert, ob „une Allemagne dcomplexe" in der Summe nicht einen wirkungsvolleren Beitrag zur europäischen Integration zu leisten vermöchte.
Eine vierte Facette begründet aus der deutschen Frage gerade umgekehrt einen Vorbehalt gegenüber einer stärkeren Integration. In einem so verfaßten Europa müßte sich auf Dauer die wirtschaftliche Kraft Deutschlands durchsetzen. Das Argument ist namentlich in der englischen Diskussion verbreitet, weniger in Frankreich. Die dortige Diplomatie traut sich in meiner Bewertung eher mühelos zu, den leicht naiven Wirtschaftsriesen jenseits des Rheins an der Hand zu führen. 5. Spezifische Interessenlagen Aus der Fülle spezifischer Interessenlagen seien drei herausgegriffen. Sie sind struktureller Art: -Für die weniger entwickelten Mitgliedstaaten, namentlich im Süden der Union, spielt das Interesse, Transfers aus den Kassen der Gemeinschaft zu erhalten, eine ausschlaggebende Rolle. Die Brüsseler Leistungen an Griechenland z. B. erreichen dort über ein Drittel des gesamten Steueraufkommens. -Für die Gruppe der kleineren Länder bildet die EU eine Plattform, welche ihnen weitaus größere Möglichkeiten der Mitwirkung und der Einflußnahme bietet, als dies in der Isolierung der Fall wäre. Der Gedanke ist bei allen Erweiterungen der EG bzw.der EU auch in der Spielart präsent gewesen: Wenn man sich schon den tatsächlichen Auswirkungen der Gemeinschaft nicht entziehen könne, dann sei es besser, über eine Mitgliedschaft darauf direkt Einfluß zu nehmen.
-Bezüglich der französischen Europapolitik darf man nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, daß die Gemeinschaft primär als Vehikel benutzt wird, um die frühere Weltmachtrolle des Landes überzuführen in eine Art Hegemonialstellung innerhalb und zugleich mittels der EU. Für Frankreich -gestützt auf einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat, mit dem Status einer Nuklear-macht versehen, unbefangen beim Einsatz militärischer Machtmittel und zugleich über eine traditionell leistungsfähige Diplomatie verfügend -liefert die EU sozusagen das wirtschaftliche „backing“, erlaubt dabei auch den Zugriff auf Ressourcen Dritter. Seinen reinsten Ausdruck fand diese Politik am Ende der Uruguay-Runde auf der Ebene des GATT: Der eher bescheidene Einfluß Frankreichs als Außenhandelsnation wurde umgeformt in die Rolle eines exklusiven Gegenspielers der dominierenden USA. Das Mittel war die Drohung mit einem französischen Veto bei der internen Willensbildung der EU. Auf diese Weise gelang es, das gesamte welthandelspolitische Gewicht der EU vor den Karren eines protektionistischen nationalen Interesses zu spannen. Dies ist ein roter Faden in der französischen Europapolitik von der Frühzeit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) bis auf den heutigen Tag.
Das deutsch-französische Eurocorps würde in dieser Sicht dann seine Vollendung finden, wenn es sich faktisch als eine zweite „legion trangre" darstellen ließe.
II. Die institutionellen Optionen
1. Das bundesstaatliche Modell Die romantische Antwort auf dieses Bündel teils übereinstimmender, teils konfligierender Interessenlagen ist der in Deutschland propagierte Vorschlag, die EU in Richtung eines Bundesstaates fortzuentwickeln. Dabei geht es nicht um Begriffe. Zwei Elemente bilden den harten Kern dieser Idee: Zum einen würde das europäische Gemeinwohl im Willensbildungsprozeß eines europäischen Parlaments, im Powerplay der dort vertretenen gesellschaftlichen Gruppen und Kräfte gefunden. Die Politikergebnisse wären trotz eines ggf. vorhandenen Verfassungsrahmens prinzipiell unbekannt. Zum anderen ginge die politische Primär-verantwortung in der EU, welche gegenwärtig eindeutig bei den Mitgliedstaaten liegt, auf die europäische Ebene über.
Das wäre eine vollständige Umgestaltung der EU. Diese legitimiert sich von den Gemeinschaftsverträgen und damit von den nationalen Parlamenten her. Strukturbestimmend innerhalb der EU ist nicht ein unmittelbares Demokratieprinzip, welches sich im Europaparlament bündelte, sondern ein Ausgleich zwischen einem Gemeinschaftsinteresse einerseits und den Interessen von Mitgliedstaaten andererseits -darin wurzelt die besondere Rolle der Kommission -und ein wiederum anders gearteter Ausgleich zwischen den Interessen der größeren und der kleineren Mitgliedstaaten.
Romantisch wirkt dieses föderale Grundmodell deshalb, weil ihm gegenwärtig und auf absehbare Zeit sämtliche Funktionsvoraussetzungen fehlen. Es bleibt wirklichkeitsfremd. Es gibt kein europäisches Volk, welches Quelle einer demokratischen Legitimation sein könnte. Europa ist keine Erfahrungsgemeinschaft. Es wurzelt in durchaus unterschiedlichen nationalen Identitäten und Kulturen. Es ist auch keine Kommunikationsgemeinschaft. Allein in der Zwölfer-Gemeinschaft wurden neun verschiedene Sprachen gesprochen -bei ausgeprägter Dominanz der französischen Sprache. Eine europäische öffentliche Meinung hat sich nicht herausbilden können. Ein gemeinschaftsweiter Diskurs, der die Gesetzgebung kritisch begleitet und in eine Art „volonte generale“ münden könnte, findet nicht statt.
Ein Staatsvolk setzt mehr voraus als die Gleichheit eines abstrakten staatsbürgerlichen Status. Es bedingt eine meist geschichtlich gewachsene innere Verbundenheit der Staatsbürger, welche für Minderheiten eine Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen überhaupt erst erträglich macht. DieseDefizite lassen sich nicht durch das Konzept einer Willensgemeinschaft überspielen. Es ist für die Sonderverhältnisse der Schweiz leistungsfähig, auf Europa insgesamt läßt es sich nicht übertragen. All dies ist nicht aus der Perspektive der ursprünglichen Sechser-Gemeinschaft einzuschätzen, sondern aus der Sicht einer Europäischen Union, die in absehbarer Zeit wohl mehr als 20 Mitgliedstaaten umfassen könnte.
Das größte Hindernis gegen eine Verwirklichung bundesstaatlicher Vorstellungen dürfte aus unverändert gravierenden Interessengegensätzen zwischen Mitgliedstaaten der EU erwachsen. Sie schließen Versuche der Schwächung und der Gegenmachtbildung zu Lasten von „Partnern“ ein. Aus der Fülle der Sachverhalte seien zwei in Erinnerung gerufen: Ein Beispiel für Schwächung war das Bemühen der französischen und der britischen Politik, die deutsche Wiedervereinigung zu hintertreiben. Es scheiterte am Widerstand der USA und an dem von der deutschen Regierung vorgelegten Tempo. Ein Beispiel für Gegenmachtbildung ist die von den genannten Mitgliedsländern verfolgte Jugoslawienpolitik. Viele Beobachter erklären sie dahingehend, daß sie die serbische Eroberungsstrategie gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft diplomatisch abschirmen soll. Als ein wesentlicher Beweggrund innerhalb einer gewiß komplexen Motivationslage gilt das Bemühen, die Entstehung einer „German influence zone“ in Süd-osteuropa zu verhindern und -darüber hinausgehend -mit Großserbien eine antihabsburgisch/-deutsche Regionalmacht zu stabilisieren. Sollte diese Analyse zutreffen, so heißt dies im Klartext: Zwei EU-Mitgliedstaaten leisten Beihilfe zu einem barbarischen Krieg, um -in einer langen Perspektive -ein drittes EU-Mitgliedsland besser am Zügel halten zu können.
Dies ist nicht Ausdruck einer antideutschen Obsession der dortigen politischen Klassen, wie man gelegentlich vernehmen kann. Das wäre harmlos, da durch Aufklärung änderbar. Es ist vielmehr Folge objektiver Interessenlagen. Diese lassen sich nicht verändern, sondern nur angemessen in Rechnung stellen. Sie gründen in einer sympathischen Werthaltung: Die eigene Handlungsfreiheit wird als oberster Wert gesetzt. Dies legt nahe, den Einfluß der 80 Mio. Deutschen in Europa zu begrenzen, eine Abhängigkeit davon möglichst auszuschließen. Mitterand hat diese Priorität für nationale Letztverantwortung in einer Rede beim Stapellauf des atombetriebenen Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“, dessen Bau mehr als fünf Mrd. DM kosten wird, in die Wendung gefaßt: .. damit Frankreich Herr seines Schicksals bleibt“. In einem wirklich föderalen Konzept von Europa wäre dies nicht mehr gewährleistet.
Aus diesem um Realismus bemühten Befund ergeben sich zwei weitere Folgerungen: Überlegungen, durch eine Veränderung der Institutionen die fehlenden Funktionsvoraussetzungen für ein bundesstaatlich verfaßtes Europa herbeizuzwingen, etwa dem Europäischen Parlament substantielle Kompetenzen zu übertragen in der Erwartung, auf diese Weise das politische Interesse der Bevölkerungen daran zu befördern, sind nicht zu befürworten. Ein europäisches Staatsvolk läßt sich nicht von oben herab dekretieren. Es kann nur behutsam von unten entwickelt werden. Solange eine direkte demokratische Legitimation auf europäischer Ebene nicht herstellbar ist, der Wähler europäische Entscheidungsträger mithin nicht durch Abwahl zur Rechenschaft ziehen kann, sollten der EU keine Entscheidungsgegenstände überantwortet werden, die einer solchen direkten Legitimation bedürfen. In diesem Ausmaß muß es trotz aller Friktionen bei Formen der intergouvernementalen Zusammenarbeit verbleiben. 2. Variable Geometrie Aus ähnlichen Gründen heraus müssen Vorschläge, die EU nach einem Konzept variabler Geometrie oder verschiedener Geschwindigkeiten fortzuentwickeln, auf Skepsis stoßen. Sie stehen im Zentrum des erwähnten Schäuble/Lamers-Papiers. Mehrere Geschwindigkeiten werden nicht mehr nur übergangsweise oder als Notbehelf in eng definierten Ausnahmesektoren akzeptiert. Sie sind positiv als neues gestalterisches Strukturmerkmal für die Union angelegt. Der Charakter der EU als Verfassungsgemeinschaft mit dem Anspruch allüberall gleichmäßig geltenden Rechts wird damit in Frage gestellt. Die europäischen Entscheidungsorgane, von der Kommission über den Ministerrat bis hin zum Europäischen Parlament reichend, müßten in jeweils wechselnder Zusammensetzung entscheiden. In der Substanz wäre dies die Ablösung der bisherigen Gemeinschaft durch ein Novum. Dies ins Auge zu fassen, lohnte sich erst dann, wenn damit eine entscheidende qualitative Veränderung der Gemeinschaft in Richtung eines Bundesstaates erreichbar wäre. Genau darauf gründet sich denn auch das Schäuble/Lamers-Konzept. Hält man diese Veränderungen bis auf weiteres für irreal, so verlieren solche Vorstellungen ihre Basis.
Ein anderes sollte nicht übersehen werden. Das Konzept eines Europa der konzentrischen Kreise stammte ursprünglich aus Paris. Es diente dazu, den inneren Kern der EU zu schließen, die früheren EFTA-Staaten im Europäischen Wirtschaftsraum und potentielle Aufnahmeinteressenten namentlich aus dem Osten mittels der Assoziierungsabkommen auf Distanz zu halten. Noch istdie Osterweiterung der EU lediglich verbal konsentiert, nicht durch praktische Schritte entscheidend nähergebracht. Diese französische Reserve, die unter de Gaulle schon gegen den Beitritt Großbritanniens zur EWG aktiviert worden war, erklärt sich aus dem Hegemonialinteresse des Landes: Je größer die EU, desto schwerer läßt es sich durchsetzen. Aus deutscher Sicht ist es nicht schützenswert. Überdies richtet sich ein säkulares Interesse Deutschlands auf eine Zone der Prosperität und des Friedens bei seinen östlichen Nachbarn. Es ist ähnlich wie beim Konzept der sicheren Drittstaaten innerhalb der Asylpolitik. 3. Europa der Regionen Die Idee eines Europa der Regionen ist eine Variante des bundesstaatlichen Modells. Zwischen Brüssel einerseits und den Regionen andererseits sind es die Nationalstaaten, welche nachhaltig Kompetenzen abzugeben hätten. Es verbindet sich damit die Erwartung größerer Bürgernähe. Auch Ungleichheiten in den Lebensbedingungen ließen sich in einer Vielzahl kleinerer Regionen eher ertragen als innerhalb größerer Einheiten. Ökonomen denken an einen effizienteren Zuschnitt von Wirtschaftsräumen. Maastricht I hat mit der Einrichtung eines beratenden Ausschusses der Regionen solcher Idee ersten bescheidenen Tribut gezollt. Doch auch hier ist vor Träumereien zu warnen. Außerhalb der drei deutschsprachigen Länder Europas haben föderale Strukturen keine verwurzelte Tradition. Die Vorstellung, quer durch Europa Regionen als Bausteine einführen zu können, welche einen Bundesstaat konstituieren sollen, erscheint unter diesen Umständen überaus kühn. Ein Bedenken in der Sache tritt hinzu. Regionen dürften innerhalb eines europäischen Bundes-staates auf Dauer keine Chance haben, sich gegenüber den auf Zentralisierung drängenden Kräften zu behaupten. Dafür sprechen jedenfalls die Erfahrungen, die man weltweit -den Sonderfall Kanada ausgenommen -mit Bundesstaaten gemacht hat. 4. Fortentwicklung des Status quo mit Augenmaß Was für Maastricht II bleibt, ist die Aufgabe, den europäischen Status quo mit Augenmaß und Behutsamkeit fortzuentwickeln. Leitgedanke könnte ein Subsidiaritätsprinzip sein, wie es Maastricht I in Art. 3 b Abs. 2 EG-Vertrag verankert hat. Als stringentes Rechtsprinzip wird es schwerlich Wirkung entfalten, als politische Orientierung macht es Sinn: Die Mitgliedstaaten, die überkommenen Nationalstaaten, bleiben die Herren der europäischen Integrationsentwicklung. Was man allein in Brüssel erledigen oder dort jedenfalls besser ins Werk setzen kann, gehört tendenziell auf die Gemeinschaftsebene.
Die Theorie des fiskalischen Föderalismus vermag dabei Hilfestellung zu geben. Eine Zentralisierung empfiehlt sich danach dann, wenn auf diese Weise erhebliche Größenerträge und damit Kostenvorteile anfallen oder wenn eine Maßnahme auf unterer Ebene, also bei einem Mitgliedstaat, grenzüberschreitende externe Effekte von Gewicht aufweist. Dies können negative externe Effekte sein wie bei der Belastung von Luft und Gewässern; dann entsteht das Risiko einer „beggar-my-neighbourpolicy“. Dies können positive externe Effekte sein, etwa bei der Gewährleistung militärischer Sicherheit. Hier besteht ein Anreiz zum Trittbrettfahrerverhalten. Der theoretische Ansatz orientiert sich am Maßstab der ökonomischen Effizienz für die Gemeinschaft als Ganzes.
Aus eben diesem Grunde ist der Ansatz für praktisch-politische Entscheidungen nur begrenzt tauglich. Die erste Einschränkung ergibt sich daraus, daß der Effizienzmaßstab nicht akzeptiert wird. So ließen sich bei einer vereinheitlichten Produktion einzelner Rüstungsgüter gewiß immense Größen-erträge für die Gemeinschaft insgesamt erzielen. Dies bleibt freilich für die Regierung eines Mitgliedstaates, welche aus regionalpolitischen Gründen oder auch um Vorsprünge beim Wettbewerb um Wählerstimmen zu erzielen die Finanzmittel im eigenen Lande halten will, völlig uninteressant. Die zweite Einschränkung ergibt sich aus konfligierenden Verfassungsprinzipien: Wenn Entscheidungsgegenstände, z. B. solche sicherheitspolitischer Art, einer direkten demokratischen Legitimation bedürfen, diese aber auf EU-Ebene nicht herstellbar ist, dann kann ein ökonomisches Rationalprinzip allein einen Kompetenztransfer nach Brüssel nicht zureichend begründen.
Verbindet man die Theorie mit einer gehörigen Portion Pragmatismus, so sind Fortentwicklungen in folgenden Bereichen vorstellbar: In der Asyl-und Einwanderungspolitik würde bei fallenden Grenzen im Inneren eine Harmonisierung nach außen Sinn ergeben. In der grenzüberschreitenden Kriminalität, namentlich beim Drogenhandel und sonstigen Ausprägungen organisierter Kriminalität, sprechen Effizienzargumente für eine stärkere Koordinierung auf Gemeinschaftsebene. Ähnliches gilt für grenzüberschreitende Verkehrsströme (Hochgeschwindigkeitsnetze, Telekommunikation). Die auf 1996 verschobene eventuelle Herabsetzung der quantitativen Aufgreifschwellen in der europäischen Fusionskontrolle und damit eine Ausdehnung der Brüsseler Zuständigkeit sollte dann realisiert werden, falls diese Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen bis dahin ein wettbewerbspolitisch akzeptables und zugleich stabiles Anwendungsprofil entwickelt hat. Aktivitäten unter dem Etikett „Sicherung des WirtschaftsStandortes Europa“ sollten auf der Ebene von Infrastrukturmaßnahmen bleiben. Das vorhandene Instrumentarium reicht aus.
Die Währungsunion wird als legislatives Thema wohl nicht aufgegriffen werden. Man fürchtet, eine Büchse der Pandora zu öffnen, insbesondere die in Maastricht I vereinbarten Konvergenzkriterien weiter aufzuweichen. Vom hier eingenommenen Standpunkt aus empfiehlt sich auch keine Änderung der europäischen Finanzverfassung. Die EU sollte Kostgängerin der Mitgliedstaaten bleiben. Dies gewährleistet mehr als alles andere eine wünschenswerte Begrenzung von Ausgabenzuwächsen. In der Außen-und Sicherheitspolitik könnten die vorhandenen Verfahrensregelungen fortentwickelt werden. Änderungen in der materiellen Substanz dürften ausscheiden. Gesetzestechnische Bereinigungsarbeiten sind vorstellbar: Die komplexe Dreiteilung der Gemeinschaft in EG, EGKS und Euratom hat sich überlebt. Auch die Schutzklausel des Art. 115 EG-Vertrag hat angesichts der gemeinsamen Außenhandelspolitik der EU ihren Sinn weitgehend verloren. Restbestände an Vorbehaltsrechten und Schutzklauseln bei der Kapitalverkehrsfreiheit könnten gestrichen werden. Das Europäische Parlament schlägt die explizite Aufnahme eines europäischen Grundrechte-katalogs in die Gemeinschaftsverträge vor. Dies hätte angesichts des Verweises in Art. F Abs. 2 EU-Vertrag auf die Menschenrechtskonvention und angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes mehr dekorative Bedeutung. Anderes gälte für die verfahrensrechtliche Neuerung einer Grundrechts-und Verfassungsbeschwerde direkt beim Europäischen Gerichtshof. Bedeutsamer wäre es, wenn die Grundrechte der Gemeinschaft Bindungswirkungen nicht nur gegenüber den Organen der EU entfalten, sondern über die Ausnahme des Art. 119 EG-Vertrag hinaus (Gleichstellung von Mann und Frau im Berufsleben) auch die Mitgliedstaaten erfassen würden. Aus der Sicht eines Subsidiaritätsprinzips ergibt das nur begrenzt Sinn. Danach könnte es bei den jeweiligen mitgliedstaatlichen Traditionen verbleiben. In der Perspektive einer bundesstaatlichen Verfestigung der EU sähe das anders aus.
III. Reformen bei den Entscheidungsorganen der EU
Die vollzogenen Erweiterungen der EU tangieren die Arbeitsfähigkeit der europäischen Entscheidungsorgane. Die Zahl der Kommissionsmitglieder ließe sich verringern, indem die größeren Mitgliedstaaten auf den zweiten Kommissar verzichteten. Bei weiterer Ausdehnung der EU könnte auch daran gedacht werden, daß Gruppen kleinerer Mitgliedstaaten, z. B. die drei Benelux-Länder, in turnusmäßigem internen Wechsel insgesamt nur durch einen Kommissar vertreten sind.
Weitaus schwieriger wird die Aufgabe, das Verhältnis der größeren Mitgliedstaaten zu den an Zahl gewachsenen, bevölkerungsmäßig aber kleinen Mitgliedstaaten in ein allseits akzeptiertes Verhältnis zu bringen. Erwogen wird eine Veränderung der Stimmengewichtung im Rat. In Betracht kommt ferner ein Erfordernis doppelter Mehrheiten, nach Staaten und zugleich nach der Bevölkerungszahl gerechnet. Veränderungen dieser Art würden dann folgerichtig auf die Vertretung der Mitgliedstaaten und auf die Beschlußfassung im Europäischen Parlament durchschlagen. Diskutiert wird ferner eine Veränderung bei der Präsidentschaft im Europäischen Rat (Ausdehnung der Amtsperiode, Bestellung durch freie Entscheidung des Rats, nicht mehr nach einem automatischen Turnus). Für die ausschlaggebende verfassungspolitische Frage, wie der auf Gemeinschaftsebene unterentwickelten demokratischen Legitimation begegnet werden kann, zeichnet sich keine Antwort ab. Abwegig sind Ideen, den nationalen Parlamenten eine institutioneile Plattform auf EU-Ebene zu verschaffen. Dies würde die Arbeitsfähigkeit der EU nur weiter beeinträchtigen. Schlüssig wäre ein Versuch, die diskretionären Entscheidungsspielräume zurückzuschrauben, die Organe der Gemeinschaft wieder stärker auf die Konkretisierung eines in den Verträgen enthaltenen Verfassungsauftrages zurückzuführen, damit die fehlende Legitimation durch Wahlen zu ersetzen über eine Legitimation durch das Recht und die EU wieder eher als Ordnungsgemeinschaft zu begreifen denn als politische Entscheidungseinheit. Doch hat hier bereits Maastricht I die Weichen in eine genau gegenteilige Richtung gestellt. Die genannte Aporie dürfte fortdauern.
Aussichtslos ist wohl auch ein Unterfangen, das Sprachenregime der EU zu ändern und das Deutsche als die in der Gemeinschaft verbreitetste Sprache zur Arbeitssprache aufzuwerten. Dieser an sich selbstverständliche Wunsch läßt sich allein schon mit dem Stichwort „großdeutsch“ abwehren. Bei den berufsmäßigen Betroffenheitskreisen Deutschlands dürfte das begeisterte Resonanz auslösen.