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1945: Ein Fragment namens Deutschland. Prägekräfte im Grenzraum zwischen Katastrophe und Neubeginn | APuZ 1-2/1995 | bpb.de

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APuZ 1-2/1995 1945: Die Befreiung von der NS-Gewaltherrschaft 1945: Ein Fragment namens Deutschland. Prägekräfte im Grenzraum zwischen Katastrophe und Neubeginn Historische Orte sichtbar machen Gedenkstätten für NS-Opfer in Deutschland Was bedeutet „Aufarbeitung der Vergangenheit“? Kann man aus der „Vergangenheitsbewältigung“ nach 1945 für die „Aufarbeitung“ nach 1989 Lehren ziehen?

1945: Ein Fragment namens Deutschland. Prägekräfte im Grenzraum zwischen Katastrophe und Neubeginn

Manfred Funke

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Summe der materiellen Zerstörung und moralischen Verwüstung schob nach der Kapitulation neue Entwicklungen eher durch den Trümmerberg hindurch, als daß die Befreiung von der Diktatur zu einem gründlichen strukturellen Neubeginn -einheitlich und ohne unterschiedliches Entwicklungstempo -insgesamt hätte genutzt werden können. Die Zögerlichkeit hatte ihren Grund nicht im mangelnden Mut der neuen politischen Führung in den Ländern. Vielmehr staute sich die Vielfalt der Aufgaben (Nahrungssicherung, Verkehrsausbau, Wohnungsnot) an der Ungewißheit über die Deutschlandpläne der Alliierten -und dies parallel zu jener Brisanz, die aus dem Gegensatz zwischen der UdSSR und den Westmächten erwuchs und die meisten Lösungsansätze für die nun beginnende „deutsche Frage“ rasch überlagerte. Die Formierung der eigenen Besatzungszonen als Vorfeld der ideologischen Konfliktgestaltung führte im Westen zu einem steigenden Desinteresse der Besatzungsmächte an einer systematischen Entnazifizierung. Dies wiederum begünstigte eine Tendenz zur selektiven Aufarbeitung der „deutschen Katastrophe“ (Friedrich Meinecke). Begriffe wie Kollektivschuld, Kollektivscham und kollektive Veranwortung als zentrale Gestaltungsimpulse für eine neue deutsche Zukunft führten zu scharfen geistigen Auseinandersetzungen. Dem Alten noch teilweise verhaftet und dem Neuen schon zugewandt, gewann die unmittelbare Nachkriegszeit den Charakter eines Epochenbruchs, aber zugleich auch eines Wandlungsraumes, der den Austritt Deutschlands aus nationalistischen Großmachttraditionen mit eher gleitenden Zäsuren versah. Erst 1947 sorgte die definitive Verschlechterung der Ost-West-Beziehungen für eine Schubwirkung, die das geteilte Deutschland einer jeweiligen Blockbindung zuführte. Während dieser Entscheidungsphase gewann in der Trizone durch eine Konvergenz der politischen Wertsysteme und durch den neuen Ausbau demokratischer Institutionen die Option für den Westen ihr prägendes Profil für die folgenden Jahre und Jahrzehnte.

Beckmann: „Ich soll leben, sagst du! Dieses Leben leben? Dann sag mir auch: Wozu? Für wen? Für was? Der Andere: Für dich! Für das Leben! Deine Straße wartet. Und hin und wieder kommen Laternen. Bist du so feige, daß du Angst hast vor der Finsternis zwischen zwei Laternen?“

Wolfgang Borchert, Draußen vor der Tür (946) 1

I. Orientierungssuche und Ost-West-Konflikt

Als die Waffen schwiegen, war der Krieg für die Deutschen nicht zu Ende. Er setzte sich fort in den Herzen und Köpfen. Aus Angst vor sich selbst, in der Hoffnung auf Obdach und Nahrung hetzten die Menschen durch die hochgetürmten Trümmerhaufen und Reste dessen, was einst Vaterland, Reich, Größe, Weltgeltung, Zuversicht, Selbstachtung hieß. „Die Ruinen unseres geliebten Deutschlands“, schrieb Arnold Brecht an Heinrich Brüning zu dessen 60. Geburtstag (26. November 1945), „und das Elend der Toten -welche verehrungsvolle große Liste allein die Hinrichtungen nach dem 20. Juli -und die herzens-und vernunftslose Wüste der Politik bedrücken uns im Wachen und im Traum.“ Da den Deutschen der Umgang mit der Macht zum blinden Selbstzweck und zur „Endkatastrophe“ geraten sei, klagte Friedrich Meinecke, „sind wir in die jammervolle Lage gebracht worden, daß unsere physische Existenz allein von der Einsicht und Weisheit der Sieger abhängt“

Diese waren nicht als Befreier, sondern als Besatzer eines besiegten Feindstaates gekommen. Es bestand Fraternisierungsverbot. Deutschland auf immer als in Europa Unruhestifter auszuschalten war das gemeinsame Ziel der Alliierten. Über das Wie der Entnazifizierung, der Demontagen, Dekartellisierung, Entmilitarisierung, über Einflußverteilung und über die Umerziehung der Deutschen gab es bei den Siegern erhebliche Differenzen. Bereits in einem Telegramm an US-Präsident Truman vom 12. Mai 1945 verwandte Churchill den Begriff des „Eisernen Vorhangs“ zwischen Ost-und Westeuropa, den er dann öffentlich als Demarkationslinie zwischen Stettin im Norden und Triest im Süden anläßlich seiner Rede in Fulton/Missouri am 5. März 1946 bezeichnete. Stalin stellte daraufhin Churchill ins Lager der künftigen Brandstifter. Das wechselseitige Mißtrauen wuchs Entsprechend war eine wirksame Gesamtstrategie gegen das Chaos in Deutschland nicht mehr zu erwarten, so daß die vier Besatzungsmächte ihre jeweiligen Zonen nach eigenem Gutdünken, vor allem aber unter dem Zwang der unmittelbaren Not einrichteten.

Um Lebensmittel heranzuschaffen, mußten die Verkehrswege freigeräumt werden. Baracken, Keller, Ställe wurden für Ausgebombte sowie für ca. 14 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene als Unterkunft hergerichtet. Diese Menschenströme aus dem Osten schoben sich mit 8, 5 Millionen Displaced Persons und versprengten Kriegsheimkehrern durch ein Wüstenfeld aus Hunger, Obdachlosigkeit, Verzweiflung. Die Eisenbahn und der Wartesaal wurden zur Heimat der Deutschen. Hamsterfahrten, Schiebergeschäfte, Schwarzmarkt, Tauschzentralen und Zigarettenwährung prägten das Gesicht der unmittelbaren Nachkriegszeit.

Um „Normalität“ herzustellen, d. h. die Deutschen unter Aufsicht der Besatzungsbehörden zu befähigen, wieder für ihren eigenen Lebensbedarf zu sorgen, die Infrastruktur wieder aufzubauen, mußten deutsche Fachkräfte herangezogen werden, die sich vor allem auf die Kunst der Improvisation verstanden und gute Beziehungen zu heimischen Wirtschaftskreisen hatten. In die höheren Ämter zur Verwaltung des Mangels wurden Persönlichkeiten delegiert, die den Besatzern politisch unbedenklich waren, sich in der Weimarer Republik demokratisch betätigt oder unter der Diktatur nicht kompromittiert hatten. Die späteren Bundespolitiker Theodor Heuss, Konrad Adenauer, Kurt Schumacher, Fritz Erler, Ludwig Erhard, Thomas Dehler, Jakob Kaiser, im Länderbereich etwa Fritz Schäffer, Josef Müller, Wilhelm Kaisen, Alois Hundhammer, Rudolf Amelunxen, Arthur Sträter, Karl Arnold, Theodor Steltzer, Hinrich Kopf, Alex Möller, Adolf Süsterhenn, Peter Alt-meier, Reinhold Maier, Max Brauer oder Ernst Reuter stehen repräsentativ für die damaligen Garanten der Abwehr einer Restauration des autoritär-nationalistischen Obrigkeitsstaates.

Indessen gestalteten sich die meisten der eigenen deutschen Gehversuche vor dem Horizont der neuen Zeit zwar moralisch hochgemut, aber in der Praxis eher tastend und experimentell. So etwa, wenn sich Teile der CDU einen „umwegigen Sozialismus“ (Walter Dirks) konzipierten 5. Die Wegweiser zum Neuen gerieten zudem bald gegeneinander, als sich im Zuge einer unterschiedlichen Entnazifizierungspraxis Spannungen zwischen den Alliierten und den Deutschen sowie unter den Deutschen selbst aufbauten, die Massenverhaftungen von Fabrikdirektoren und sogar von unteren Ämterchargen zur Lähmung der Verwaltung sowie die Beschlagnahme von Werken der Eisen-, Kohle-und Stahlindustrie auch noch zu Ausfällen der notwendigen Mindestproduktion führten. Strittig blieb zudem das Verhältnis zur sowjetischen Zone, zur Frage der nationalen Einheit, um die besonders leidenschaftlich Kurt Schumacher rang. Er warf den bürgerlichen Parteien im Westen vor, „die 17 Millionen Deutsche im Osten einfach zu ignorieren“. Bezeichnend war bereits zuvor im Westen das rasche Verschwinden von antifaschistischen Arbeiterinitiativen 6.

Ein gründlicher und umfassender Abbau der alten Eliten fand im Gegensatz zur Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) innerhalb der westdeutschen Wirtschaft, Verwaltung und Politik jedenfalls nicht statt. Dies war nicht zuletzt auch Indiz für einen sich anbahnenden Kurswechsel der Westalliierten. Sie zeigten sich bald mehr an der wirtschaftlichen Integration ihrer Besatzungszonen und deren Anbindung an den Westen interessiert als an revolutionären ordnungspolitischen Weichenstellungen wie in der künftigen DDR, wie sie dort etwa im systematischen Ausbau der kommunistischen Führung und der Verteilung von 3, 3 Millionen Hektar „Junkerland“ als „Bauernland“ zum Ausdruck kamen. In Westdeutschland wurde die neue Option mit der Stuttgarter Rede des US-Außenministers James F. Byrnes am 6. September 1946 eingeleitet, in der er das Tor aufstieß zu neuen Wegen der Verständigung und Annäherung zwischen Siegern und Besiegten. Das Fraternisierungsverbot erledigte sich langsam von selbst. Im Oktober 1946 erfolgte die erste Eheschließung zwischen einem US-Soldaten und seinem deutschen „Frollein".

Am 1 September 1946 eingeleitet, in der er das Tor aufstieß zu neuen Wegen der Verständigung und Annäherung zwischen Siegern und Besiegten. Das Fraternisierungsverbot erledigte sich langsam von selbst. Im Oktober 1946 erfolgte die erste Eheschließung zwischen einem US-Soldaten und seinem deutschen „Frollein".

Am 12. März 1947 eröffnete US-Präsident Truman die Phase der Containment policy, indem er die Welt teilte in die der Freiheit und jene des Totalitarismus. Der Marshall-Plan zum ökonomischen Aufbau eines faktisch antisowjetischen Blocks der freien Völker folgte alsbald. Am 5. Juni, als der US-Außenminister und Nachfolger von Byrnes in Harvard sein Hilfsangebot der Welt unterbreitete, platzte die erste und zugleich letzte Interzonen-konferenz aller deutschen Ministerpräsidenten in München. Statt über wechselseitige Hilfe für den Fall einer Wiederholung der Winterkatastrophe 1946/47 zu beraten, erhob die SBZ-Delegation ultimative Forderungen nach Herstellung eines Einheitsstaats mit zentraler Regierung. Den westdeutschen Politikern wiederum war die Unterlassung einer Diskussion dieses Themas vor ihrer Abreise nach München von den Besatzungsmächten direkt (Frankreich) bzw. indirekt (England/USA) angeraten worden. Das zerteilte Deutschland zeigte sich hier bereits in die Konfrontationsstrategie der beiden Supermächte eingebunden.

Am 20. September 1947 äußerte auf dem zweiten Parteitag der SED Oberst Sergei I. Tulpanow, Leiter der Informationsabteilung der Sowjetischen Militärregierung in der Ostzone: „Das eine Deutschland ist das Land aller fortgeschrittenen Kräfte der Arbeiterklasse, der Bauernschaft und der Intellektuellenschicht. Das zweite Deutschland ... ist das Land jener Leute, die mit Unterstützung des ausländischen und besonders des amerikanischen Kapitals das deutsche Volk wieder in das Gemetzel des imperialistischen Krieges jagen wollen. Die Einheit Deutschlands ... erfordert dieUnterwerfung dieses zweiten Deutschlands unter das Deutschland der fortgeschrittenen Kräfte.“ Sieben Tage später wurde von den KP-Vertretern der UdSSR, Polens, Ungarns, Rumäniens, Bulgariens, Jugoslawiens, Frankreichs, Italiens und der Tschechoslowakei in Szklarska Poreba (Schreiberhau) der Beschluß zur Gründung des Komintern-Büros (Belgrad) gefaßt, um die Aktivitäten wirksam zu koordinieren. Zugleich wurde in einer gemeinsamen Erklärung den USA vorgeworfen, sie hätten im Krieg nur Japan und Deutschland als Marktkonkurrenten ausschalten wollen. Nun begänne Washington mit den Geldern des Marshall-Plans darüber hinaus die Versklavung Europas. Entsprechend teilte der KPdSU-Ideologe Andrei A. Schdanow bei seinem Auftritt in Szklarska Poreba die Welt in zwei Lager Im selben Jahr erschien Walter Lippmanns Buch „The cold war“. Es gab der neuen Epoche ihren Namen, in deren Frühphase sich in den drei Westzonen das Überleben organisierte und dessen äußere Sicherung bald eine Option für den Westen empfahl.

II. Ermutigung und Neubeginn

Unter dem Dach einer erneut verhärteten Weltpolitik schien der westliche Teil des besetzten Deutschland gleichwohl das bessere Los gezogen zu haben. Die Besatzer halfen mit Nahrungsgütern (CARE) über das Allerschlimmste hinweg und boten den Deutschen genügend Freizügigkeit, um die Kunst der Improvisation als neue Stilrichtung zu kreieren. Not machte erfinderisch, das Lachen über manche Produkte (z. B. neue Kochsiebe aus alten Stahlhelmen, Damenkostüme aus Militär-mänteln) bewies vor allem, wie sehr trotz allem Elend das bloße eigene Überleben als Kostbarkeit empfunden wurde. Thornton Wilders „Wir sind noch einmal davongekommen“ (deutsche Erstaufführung im April 1946) wurde zur Chiffre der Zeit. War oft auch der Magen leer, sp stärkte sich wiedererwachter Lebensmut am neuen Theater, am neuen Film, an neuer Musik, an neuem Kabarett, an neuer Kunst und an einer reichen Literatur, die den Horizont zur Welt hin öffnete, aber zugleich auch Rechenschaft einforderte. Albrecht Haushofers zurückgelassene „Moabiter Sonette“ und Eugen Kogons „Der SS-Staat“ erschienen 1946. Hermann Kasacks „Die Stadt hinterm Strom“, Günter Weisenborns „Die Illegalen“, Werner Bergengrüns „Dies Irae“, die Namen von Rudolf Hagelstange, Walter Kolbenhoff, Elisabeth Langgässer, Georg Kaiser, Erich Kästner und Hans Fallada bildeten mit denen der Schriftsteller der freien Welt von George Orwell, Andre Malraux, Jean Paul Sartre, Upton Sinclair, Jean Giraudoux, John Steinbeck bis zu Max Frisch oder Carlo Levi eine tiefe geistige Erlebnisachse im kulturhungrigen Deutschland. Zu den ersten Autoren der auf Zeitungspapier gedruckten Rotationsromane (rororo) des Verlegers Heinrich Maria Ledig-Rowohlt zählten Ernest Hemingway, Kurt Tucholsky, Joseph Conrad, Alain Fournier. Neue Zeitschriften kämpften für geistige Erneuerung und demokratische Verantwortung: „Der Ruf“ (Alfred Andersch/Hans W. Richter), „Frankfurter Hefte“ (Walter Dirks/Eugen Kogon), „Die Wandlung“ (Dolf Sternberger/Karl Jaspers), „Die Gegenwart“ (Benno Reifenberg/Bernhard Guttmann). Das Verbot des „Rufes“ wegen seiner europäisch-humanistisch-sozialistischen Tendenz führte am 10. September 1947 die Gruppe „Junge Literatur“ (später „Gruppe 47“) zusammen. Im Juni desselben Jahres durften deutsche Autoren wieder in den PEN-Club zurückkehren.

Seit August 1945 wurde nach und nach die Bildung neuer Parteien zugelassen, die besonders von der neuen „vierten Gewalt“, der Presse, ins Visier genommen wurden. Die „Frankfurter Rundschau“ erhielt am 1. August 1945 ihre Lizenz. Am 6. Oktober folgten die „Süddeutsche Zeitung“, danach „Die Zeit“ (21. Februar 1946), „Die Welt“ (2. April 1946) und „Der Spiegel“ (4. Januar 1947).

Was sie berichten mußten, ließ Vergangenheit nicht vergehen. Die Prozesse gegen die Kriegsverbrecher in Nürnberg, gegen die Schergen von Bergen-Belsen, Dachau oder Mauthausen offenbarten ein Ausmaß an Unmenschlichkeit, das einem den Atem verschlug. Der Dokumentarfilm „Todesmühlen“ (Januar 1946) oder der DEFA-Spielfilm „Die Mörder sind unter uns“ (Oktober 1946) machten stumm, verzweifelt, trieb viele in verstockten Trotz. Beim Eintritt ins Jahr 1946 hatte der Kabarettist Werner Finck resümiert: „Können wir diesem fünfundvierzigsten Produkt des zwanzigsten Jahrhunderts eine Träne nachweinen? Nein, denn wir haben keine mehr.“ 8

Und dennoch: Nachdem'der Terror die Menschen vereinzelt hatte taten sie sich mit anderen lebens-gierig dort zusammen, wo im Gefühl der neuen Freiheit alle Bedrängnis wenigstens für Stunden vergessen werden konnte -bei Jazzmusik, Modeschauen, Radrennen, Boxkämpfen oder Tanz. Wie sich Lebenslust durch alle Zeitbrüche stiehlt, bewies besonders der Fußballsport: Am 30. April 1945 besetzten amerikanische Truppen München. Noch zwei Tage zuvor liefen acht Meisterschaftsspiele über den bayrischen Rasen Am 20. Mai 1945 verfolgten in Berlin-Lichtenberg 10000 Zuschauer ein Fußballmatch Das Verlangen nach Brot und Spielen schien nach wie vor ehern wie der Lauf der Jahreszeiten, und wo das Drohende der Politik und Weltpolitik unerträglich schien, bog man es um zu bösem Witz

Eher abseits solcher Dinge verlangte eine geistige Elite die Überwindung dieser Lebenswelt fragmentierter Gewißheiten durch Analysen des Scheiterns und der Sicherung der wiedergeschenkten Freiheit durch wechselseitige Unterstützung von Macht und Geist. Erich von Kahler gab dieser Tendenz Ausdruck mit der Forderung, „der geistige Mensch wird militant werden, sich sogar mit seinesgleichen zusammentun müssen, wenn er seine Stimme vernehmbar machen will, er wird mehr und mehr politisch werden müssen“

Doch der geistig-politische Neubeginn verhedderte sich im Schlinggewächs seiner eigenen Vorgeschichte. Die Menschen standen zwischen Alt und Neu über der Zeitgrenze von 1945 wie in einem Spagat. Unterwegs zu sich selbst, geriet Richtungssuche zur Ratlosigkeit. Der geforderte Austritt aus der bisherigen Geschichte erschien als unzumutbare Selbstpreisgabe vor Richtern, deren Autorität man bezweifelte, weil sie dem Verfall der Deutschen an die Dämonie der Macht im nachhinein allein mit Verstand und Vernunft beizukommen versuchten und solches Trachten von vornherein verfehlt erschien. Hatte nicht selbst Thomas Mann in seiner aufrüttelnden Rede über „Deutschland und die Deutschen“ eine tiefe Tragik im deutschen Wesen entschlüsselt, die am Ende so etwas wie ein Anrecht auf Gnade verhieß?

Einsicht und Bekenntnis, Selbstmitleid und Trotz blockierten einander, je mehr sich die Jahre 1945/46 bei den gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Weichenstellungen in Westdeutschland als letztlich eher gleitende Zäsuren gestalteten, vor allem dann, wenn man diesen Prozeß mit dem radikalen und zugleich brutalen Systemumbau in der SBZ verglich

Gerade der westliche Schulterschluß gegen die rote Diktatur verleitete nicht wenige Deutsche dazu, die braune Diktatur nur selektiv aufzuarbeiten. Deutsche Verbrechen wurden gegen die Greueltaten der Roten Armee, deutsche Vernichtungsaktionen gegen die Bombardierung Hiroshimas und Nagasakis oder Dresdens und Hamburgs gestellt. Abrechnungen wurden zu Aufrechnungen, die Begegnung mit der Schuld führte oft zu den vielfältigsten Formen eines eigentümlich gespaltenen Bewußtseins.

III. Zwischen Selbstbehauptung und Schuldbekenntnis

„Wir sind alle schmutzig geworden“, bekannte Theodor Heuss im Namen vieler Menschen, die sich in die totalitären Lebensbedingungen hatten einkrümmen lassen Doch Inbegriff des Verwerflichen wollte man auch nicht sein. Erst recht nicht bloßes Exekutionsorgan einer „deutschen Daseins-verfehlung“, deren angebliche Logik Ernst Niekisch vom Luthertum über die Romantik und den Pangermanismus bis zum Bestialismus eines „Reichs der niederen Dämonen“ zur fundamentalen Anklage erhob während Karl Jaspers eine Kollektivschuld des deutschen Volkes verneinte

Laut und heftig vervielfältigte sich der Streit über das Verhalten und Fehlverhalten derjenigen deutschen Dichter und Schriftsteller, die geblieben bzw. die in die Emigration gegangen waren (Thomas Mann/Walter von Molo/Frank Thieß). Diese weit mehr rechtende als „liebende Kommunikation“ (Karl Jaspers) offenbarte der Brief Hermann Hesses zu diesem Thema, den die Baseler „National-Zeitung" veröffentlichte und in welchem der deutsche Wahl-Schweizer bitter von den vielen sprach, die ihn um Entlastung angeschrieben hätten. Um Schlimmeres zu verhüten, hätten sie bei den Nazis mitgemacht, offiziell zwar mit einem Bein in der NSDAP, aber mit dem anderen fast schon im KZ stehend Schwäche, Irrtum, Verzweiflung und Selbstbehauptung regten sich gegen das, was Werner Bergengrün in seinem Zyklus „Dies Irae“ andeutete. Dort heißt es: „Die Zeit ist reif, das Messer steche In die verhüllte Schwäre ein, Die feige Sehnsucht unserer Schwäche: Zugleich zwei Herren dienstbar sein.“

Aber war es tatsächlich nur böser Trotz, als bei einer Umfrage 1951 rund 40 Prozent der Deutschen behaupteten, die Jahre von 1933 bis 1938 seien Deutschlands beste Zeit gewesen? Entschieden den Krieg und die Vernichtung der Juden ablehnend, wurden zugleich für die einstige Bejahung Hitlers der Aufstieg aus dem Weimarer Elend, die Befreiung vom Versailler Friedensdiktat, die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, der nationale Aufbruch, der Respekt des Auslands und dessen Sympathie („Olympische Spiele 1936“) für die Erneuerung des Reiches vehement geltend gemacht. Die Beseitigung der „Linken“, der Terror und die öffentliche Kontrolle erschienen im Gegensatz dazu als tolerable Tribute. Daß man nach der Casablanca-Einforderung der bedingungslosen deutschen Kapitulation nicht mehr auf, aber an Hitlers Seite weiterkämpfen mußte, bildete ebenso ein Entlastungsargument wie wohl jenes, das exemplarisch der von den Nazis wegen seiner Bekanntschaft mit Gördeler inhaftierte Historiker Gerhard Ritter in der Rückschau formulierte: „Was die Masse Hitler zutrieb, war nicht nur ein wirtschaftlicher Notstand größten Ausmaßes, auch nicht nur die doppelt schwere Enttäuschung zuerst durch die Monarchie, dann durch die Republik, sondern hinter allem der tiefverletzte Stolz eines großen, starken und selbstbewußten Volkes, das sich weigerte, den Schüldspruch von Versailles und die dort geschaffene Machtverteilung als endgültig hinzunehmen. So war der Glaube (ob berechtigt oder unberechtigt), dieses Kriegsende hätten wir nach vier Jahren gewaltiger soldatischer Leistungen und unerhörter Opfer einfach nicht verdient.“

Entsprechend trieben die Rückfragen an die Geschichte viele und vieles in flirrende Ambivalenzen. Selbst das Stuttgarter Schuldbekenntnis der evangelischen Kirchen blieb vom Vorwurf des Opportunismus und der Anbiederei bedrängt. Einerseits wurden ferner etwa die Nürnberger Prozesse von manchen Deutschen als Siegerjustiz denunziert, andererseits reagierte man in der Öffentlichkeit mit Hohn auf die nichtpauschalen, differenzierenden Urteile zwischen verhängten Todesstrafen und drei Freisprüchen. Der Ankläger Robert M. W. Kempner mokierte sich noch später über die ihm zur Vernehmung vorgeführten „süßsauren Personen“ aus der NS-Elite, während Wilhelm Grewe in einer brillanten Analyse angesichts einer fehlenden internationalen Exekutive und Legislative die Strafgerichtsbarkeit Nürnberger Stils als bedenklich kritisierte. Das Janusköpfige des Prozesses, sorgte sich der Völkerrechtler Grewe, könne wegen der politisierten Justizmaschinerie „gewisse Figuren“ zu Märtyrern machen, „die sich das selbst nicht haben träumen lassen“

Aus der wachsenden Zerspaltung der Auffassungen, der vielfach eifernden Miteinanderlosigkeit, organisierte sich allerdings auch keine gemeinsame Front der Rache seitens der vielen Verfolgten und Geschlagenen. „Gewiß, die Besatzungsmächte waren gerüstet, Unruhen zu verhindern, doch einen allgemeinen anti-nationalsozialistischen Volkszorn brauchten sie in Deutschland nicht zu ersticken, denn es gab ihn 1944/45 nicht; gewaltsame Abrechnungen mit den Trägern des untergehenden Systems waren selten.“

Was einer offenen, umfassenden Konfrontation von Gut und Böse entgegenwirkte, sie obstruierte oder „bremste“, waren die präsenten Millionen von Mitläufernaturen. Sie personifizierten den„Terror der Anständigen“ (Rudolf Krämer), die einst mit der Akklamierung Hitlers Freiheit für Ordnung gegeben hatten, um sich etwas kaufen zu können. Und die nun klare Bekenntnisse ebenso scheuten wie unmittelbare Verantwortung, die in ihrem Mißtrauen gegen alles und in ihrer Vorsicht vor jedem die Kunst des einträglichen Durchwurstelns übten. Die Erziehung vom Untertanen zum aktiven und kritischen Staatsbürger fomulierte Rudolf Krämer deshalb als zentralen Auftrag: „Die einzige Möglichkeit, solche Menschen wie die, mit denen wir nun einmal rechnen müssen, zur Tätigkeit zu bringen, ist: ihnen moralisch das Gefühl von Anständigkeit und politisch das Gefühl von Sicherheit zu geben, und dann? Sie die Entdeckung machen zu lassen, daß ihre Stimme gehört wird, in den Parteien, in der Presse, in jeder Einrichtung öffentlichen Gedankenaustausches. Daß gerade heute die zur Sprache gebrachten Nöte, wenn einmal Vertrauen gewonnen ist (Sicherheit!), praktischer Natur sind, gibt uns die Chance, die Politik endlich aus dem Bereich von Phrasen und pharisäerhaftem Doktrinarismus zu lösen und in die ihr zugehörige Bahn zu lenken. Hier bleibt dann freilich das meiste noch zu tun.“

In der Tat fanden die Deutschen durch die Fragmente ihres Reiches, durch die äußeren und inneren Trümmergebirge, durch die vor Erschöpfung müde Zeit nur schwer hindurch zu einem kollektiven Neubeginn Neue Offenheit staute sich an alten Ressentiments. Erst Marshallplan, Kalter Krieg, Währungsreform und Ludwig Erhard sorgten für eine wirkliche Systemveränderung, die „die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen brachte“ Es wuchs das Vertrauen zur Demokratie. Und Demokratie, so Gustav Radbruch, „hieß nicht: Warten auf den großen Mann. Demokratie ist vielmehr eine Staatsform, die auch ohne Genies, mit guten Durchschnittsmenschen als Führern, funktioniert. Große Männer sind oft zum geschichtlichen Unglück ihres Volkes geworden, weil sie den Staatsapparat so einrichteten, daß er ohne ihre Führung nicht mehr funktionieren konnte.“

IV. Zur Gegenwart von Geschichte in unserer Zukunft

Einerseits am stützenden Spalier der westlichen Besatzungsmächte entlang, andererseits aus eigenem Wollen lernte Westdeutschland, mit der Demokratie nicht allein nur im technischen Sinne umzugehen. Wandelten wir uns aber so, daß Demokratie „unser praktisch seelischer Ausdruck“ wurde, wie es Alfred Weber mit der Forderung nach einer neuen ethisch-politischen „Grunderziehung“ verlangte? Die Antwort lautet wohl Ja. Der rechte und linke Extremismus konnten juristisch auf Distanz, politisch unter Quarantäne gehalten werden. Der Prozeß von checks and balances funktioniert. Außenpolitisch verzichtete die Bundesrepublik auf Sonderwege. Die Integration in UNO, EU, NATO, WEU schuf ein Welt-vertrauen zu Deutschland, ohne das die Vereinigung der beiden Teile Deutschlands nicht zustande gekommen wäre. Seine humanitären Leistungen für bedürftige Regionen wie auch die großzügige Aufnahme von Menschen aus Krisengebieten werden gegenwärtig von keinem anderen Land Europas erreicht. Es gibt keinen auf deutsche Macht-politik gerichteten Revisionismus. Im Inneren wurde die Vergötzung des Staats, die Anbetung seiner Omnipotenz überwunden und die „einzigartige Würde der menschlichen Person“ zum Grund für vielfache Abwehrrechte des Individuums gegen staatliche Anspruchsgewalt

Mit der Vereinigung scheint sich indessen die „deutsche Frage“ nicht erledigt, sondern eher entriegelt zu haben. Nun muß eine doppelte „Vergangenheitsbewältigung“ geleistet werden. „Geschichte ohne Tragik gibt es nicht, und das Wissen ist besser und heilsamer als die Unkenntnis“ (H. G. Adler) Das Wissen zu ordnen und zu ertragen, um es zu rechnen nach Schwarz oder Weiß, wäre verfehlt. Gabe und Verlangen gehen in sich selbst nicht auf. „Aus Schwarz und Weiß“, zitiert Gerhart Hauptmann in seiner Tintoretto-Studie den Satz Ernst Bertrams, „baut sich das ernsteste und (einstweilen) wahrste Bild der Welt.“ Ernst von Weizsäcker, einst Staatssekretär im Auswärtigen Amt und Mitarbeiter von Ribbentrops, schrieb im Gefängnis am 19. Oktober 1947, seine Anklageschrift erwartend, die Worte nieder: „Gut und Böse, Licht und Schatten, Position und Negation, diese Duplizität steht doch am Anfang. Es ist mit dem Geist aufzunehmen, der stets verneint, damit er das Gute schaffe, das ist doch eigentlich der Sinn des Lebens.“

Fünfzig Jahre nach Kriegsende zeigt sich die Bundesrepublik eher als Gestaltungswille denn als Requiem. Aber dazwischen sind unsichtbare Fäden eingewirkt. Sie werden spürbar in einer Vereinbarung totalitärer Erfahrung mit belohnender lebenstüchtiger Hoffnung: „Indessen, was die Kraft unseres Wollens übersteigt, bewegt sich vielleicht auf dem Weg des Leidens zu seinem Ziel. Auch die Tragödie der modernen Kultur findet vielleicht irgendwo, wohin wir nicht mehr reichen, ihre Versöhnung.“ Wenn 1945 einen lebendigen Sinn haben, 1989 eine Verpflichtung bleiben soll, dann gilt es, die Wege füreinander offenzuhalten. Auf jene Versöhnbarkeit hin.

Unser Denken und Tun an dieses Ziel fest zu binden fordert ein sehr ernsthaftes Bemühen. Es beweist sich dauerhaft nicht zuletzt darin, daß umgekehrt proportional zum zeitlichen Abstand vom Dritten Reich dessen Erforschung und öffentliche Diskussion an Intensität zugenommen haben. Dabei ergaben sich nicht nur verbesserte Einsichten in die weitreichenden Ambivalenzen und Bewußtseinspaltungen, welche sich in der Haltung der Deutschen zur NS-Herrschaft ausprägten. Es gab dank eingehender Untersuchungen auch eine ausgewogenere Verständigung über das „Andere Deutschland“, über seinen Mut, über sein Leiden, seine Verweigerung, seinen Widerstand und dessen Grenzen. Dieses moralisch ehrfurchtgebietende, indessen politisch ohnmächtige „Andere Deutschland“ verhinderte, daß sich die Bundesrepublik auf Unehre gründen mußte.

Einen Absturz in Unehre würde es wohl heute nicht bedeuten, wenn nach Jahrzehnten eine Sühne verpflichtend bliebe, welche auch das öffentliche Gedenken an deutsche Kriegstote, Verschleppte, Vertriebene, Vergewaltigte, Verkrüppelte und Geschändete zuließe und die Trauer um sie dem kollektiven Gedächtnis der Nation nicht entrückte. Denn wird man allen Opfern gerecht, indem man deutsche Schuld totalisiert? Stehen alle Lebenden und Toten, die Mordmaschinisten und die Flakhelfer, unter derselben Anklage? Unter derselben etwa auch alle Frauen und Kinder, alle jene Mitmacher, Hinnehmer, die sich aus falschem Gehorsam, aus Verblendung, aus persönlicher Ausweglosigkeit verstrickten? Mit dem vielstrapazierten Begriff „Verstrickung“ soll keineswegs die Preisgabe des Prinzips der persönlichen Schuld angeregt, aber doch dessen Erweiterung um die Dimension menschlicher Tragik duldbarer werden. Dies wäre gewiß kein Vorspiel zur eigenmächtigen Selbstbegnadigung. Auf sie besteht kein Anrecht. Aus der Geschichte ist es nicht einklagbar. Dieses Bewußtsein historisch-menschlicher Tragik ist abzuleiten aus dem Wissen über uns selbst, aus unserem Gewissen und verknüpft mit universeller, leidverbundener Hoffnung.

Ein solches fragendes Erhoffen kann seine Verbindlichkeit nur im tätigen, bekennenden Streben ausweisen. Es würde den Verdacht Karl Löwiths weiter beseitigen, daß die Deutschen „keinen Sinn für die vernünftige Verwendung der Freiheit in den Grenzen des Menschlichen“ hätten Zugleich wäre es eine mutige Infragestellung der bitteren Ironie Veit Valentins, der am Ende seiner „Geschichte der Deutschen“ (1946) bemerkte: „Wenn man durch Schaden klug werden kann, dann werden die Deutschen binnen kurzem die weiseste Nation der Welt sein.“

Krieg und Nachkriegszeit bleiben wohl auf Dauer Themen deutscher Selbstbegegnung, und dieses in einem Bestimmungsrahmen, den geradezu exemplarisch das erste Heft der „Neuen Rundschau“ vom Oktober 1945 mit seinen drei Beiträgen von Thomas Mann, Lise Meitner und Carl Zuckmayer dem künftigen Deutschland vorgab: Lise Meitners Aufsatz über das „Atom“ bildete die Metapher für das neue, bedrohliche Zeitalter, welches den Aufstieg der USA zur Weltmacht einerseits und andererseits den Status Westdeutschlands als Juniorpartner des Westens bedeutete In Zuckmayers Stück „Des Teufels General“ entfaltete sich die Spannungsvielfalt zwischen Bosheit, Buße, Last und Läuterung -Leitworte anhaltender Selbstprüfung. Aus Thomas Manns Versuch über die deutsche Unfähigkeit zur Politik des rechten Maßes bildete sich in Jahrzehnten jene praktische Besonnenheit, die die Chance zum Gegenbeweis zwischen Zuversicht und Sorge bislang wohl nicht vertan hat.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Wolfgang Borchert, Draußen vor der Tür. Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will, in: ders., Das Gesamtwerk (Sonderausgabe), Hamburg 1959, S. 145.

  2. Claire Nix (Hrsg.), Heinrich Brüning, Briefe 1946-1960, Stuttgart 1974, S. 22.

  3. Friedrich Meinecke, Die deutsche Katastrophe. Betrachtungen und Erinnerungen, Wiesbaden 1946, S. 160 f.

  4. „Ein eiserner Vorhang ist vor der russischen Front niedergegangen. Was dahinter vorgeht, wissen wir nicht.“ Churchills Telegramm vom Mai 1945 an 12. Präsident Truman, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, II. Reihe/Bd. 1, Die Konferenz von Potsdam, Erster Drittelband, bearb. von Gisela Biewer, Bonn 1992, S. 10. Der sowjetische Botschafter in Washington, Nikolai Novikov, telegraphierte am 27. September 1946 nach Moskau, daß die US-Politik bestimmt sei „by a striving for world supremacy“. Vgl. Kenneth M. Jensen (Hrsg.), Origins of the Cold War. The Novikov, Kennan, and Roberts „Long Telegrams“ of 1946, Washington 1991, S. 3ff.

  5. Vgl. die Rundfunkrede des SPD-Parteivorsitzenden Kurt Schumacher am 31. Mai 1947, in: Peter Longerich (Hrsg.), Was ist des Deutschen Vaterland? Dokumente zur Frage der Deutschen Einheit, 1800-1990, München 1990, S. 159; Lutz Niethammer/Ulrich Borsdorf/Peter Brandt (Hrsg.), Arbeiterinitiative 1945. Antifaschistische Ausschüsse und Reorganisation der Arbeiterbewegung in Deutschland, Wuppertal 1976, S. 13 f.

  6. Vgl. Martin Steinhage/Peter Strunk, Chronik 1947. Tag für Tag in Wort und Bild, Dortmund 1991, S. 148 f.

  7. Vgl. Günther Anders, Nihilismus und Existenz, in: Die Stockholmer Neue Rundschau. Auswahl. Berlin-Frankfurt a. M. 1949, S. 96.

  8. Vgl. Helmut Heiber (Hrsg.), Goebbels-Reden. Bd. 2: 1939-1945, Düsseldorf 1972, S. 402, Fußnote 78.

  9. Vgl. Thomas Flemming/Axel Steinhage/Peter Strunk, Chronik 1945, Dortmund 1988, S. 121, linke Spalte.

  10. So wurde etwa der zweiteilige (gespaltene!) Damenbadeanzug Bikini nach dem Atoll genannt, auf dem die Atombombenversuche stattfanden. In Frankreich zeigte das Werbeplakat für diesen Anzug eine wohlgeformte Eva in einer Explosionswolke mit der Unterschrift „Chaleur AT(H) OME“.

  11. Erich (von) Kahler, Die Verantwortung des Geistes, in: Die Neue Rundschau. Sonderausgabe zu Thomas Manns 70. Geburtstag, 6. Juni 1945, S. 58.

  12. Vgl. Thomas Mann, Deutschland und die Deutschen, in: Die Neue Rundschau, (1945/46), S. 21.

  13. Vgl. zu diesem Komplex Ludwig Erhard, Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung. Faksimile-Druck der Denkschrift von 1943/44. Mit Vorbemerkungen von Ludwig Erhard, Theodor Eschenburg und Günter Schmölders, Frankfurt a. M. 1977; Heinrich August Winkler (Hrsg.), Politische Weichenstellungen im Nachkriegsdeutschland 1945-1953, Göttingen 1979 (Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 5); Hermann Weber, Die DDR 1945-1986, München 1988.

  14. Zit. nach Klaus-Dietmar Henke, Die Grenzen der politischen Säuberung in Deutschland nach 1945, in: Ludolf Herbst (Hrsg.), Westdeutschland 1945-1955. Unterwerfung, Kontrolle, Integration, München 1986, S. 128.

  15. Vgl. Emst Niekisch, Deutsche Daseinsverfehlung, Berlin 1946; ders., Das Reich der niederen Dämonen, Hamburg 1953.

  16. Vgl. im Zusammenhang Erwin Wickert, Mut und Über-mut. Geschichten aus meinem Leben, Stuttgart 1991, S. 257.

  17. Nachdruck des Briefes in: Die Neue Rundschau, (1945/46), S. 486 ff. Andererseits irritiert noch heute der hohe Ton der Mann-Kritiker; so schrieben die Herausgeber der „Gegenwart“, 1 (1945), S. 26: „Aber wer einmal in die Fremde gegangen ist, der vermag nach einem eigentümlich unerbittlichen Gesetz die Dinge der Heimat nicht mehr für seine Person ins reine zu bringen. Er bleibt Zuschauer, und es ist im Grunde gleichgültig, ob er es wohl hat in einer Loge oder bitter auf einem Stehplatz.“

  18. Zit. nach: Die Neue Rundschau, (1945/46), S. 443.

  19. Vgl. Martin und Sylvia Greiffenhagen, Ein schwieriges Vaterland. Zur politischen Kultur Deutschlands, München 1979, S. 34.

  20. Gerhard Ritter, Das deutsche Problem. Grundfragen deutschen Staatslebens gestern und heute, München 1962, S. 195f. Vgl. besonders Thomas Nipperdey, 1933 und die Kontinuität der deutschen Geschichte, in: ders., Nachdenken über die deutsche Geschichte. Essays, München 1986, S. 186 ff.

  21. Robert M. W. Kempner, Ankläger einer Epoche. Lebenserinnerungen, Frankfurt a. M. 1983, S. 437; Wilhelm Grewe, Strafbarkeit des Angriffskriegs? Zwischen „klassischem“ Völkerrecht und „Weltrecht“, in: Die Gegenwart, 15. Januar 1949, S. 13ff. Vgl. im Kontext Christa Hoffmann, Stunden Null? Vergangenheitsbewältigung in Deutschland 1945 und 1989, Bonn-Berlin 1992, S. 59 ff.

  22. K. -D. Henke (Anm. 16), S. 129.

  23. Rudolf Krämer, Terror der Anständigen?, in: Die Wandlung, 5. Juni 1947, S. 384.

  24. Vgl. Hermann Glaser, Kleine Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1989, Bonn 1991, S. 19 ff. Exemplarisch wohl Rudolf Pechei: „Denn erst in jahrzehntelanger mühseliger Kleinarbeit werden sich wohl jene Worte wegwischen lassen, die heute für das Empfinden vieler Deutschen und vieler ausländischer Betrachter über dem Bau der zweiten deutschen Republik zu stehen scheinen: Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate“, in: Deutsche Rundschau, März 1947, S. 171 („Von draußen gesehen“). (Dem Sinn nach: „Laßt fahren alle Hoffnung, wenn ihr hier eintretet.“)

  25. Hans Maier, Die Deutschen und die Freiheit. Perspektiven der Nachkriegszeit, München 1987, S. 18 f.

  26. Gustav Radbruch, Politische Aphorismen, in: Die Wandlung, Juni 1947, S. 394.

  27. Alfred Weber, Haben wir Deutschen nach 1945 versagt? Politische Schriften, München 1979, S. 243.

  28. Vgl. die programmatische Rede Konrad Adenauers in der Kölner Universität am 24. März 1946, in: Manfred Overesch, Deutschland 1945-1949. Vorgeschichte und Gründung der Bundesrepublik in Darstellung und Dokumenten, Düsseldorf 1979, S. 201 f.

  29. Zitiert nach Raul Hilberg, Unerbetene Erinnerung. Der Weg eines Holocaustforschers, Frankfurt a. M. 1994, S. 7.

  30. Zitiert nach: Deutscher Geist. Ein Lesebuch aus zwei Jahrhunderten, Bd. 2, Kempten 1959, S. 589.

  31. Leonidas E. Hill (Hrsg.), Die Weizsäcker-Papiere 1933-1950, Berlin 1974, S. 416.

  32. Hans-Georg Gadamer, Prometheus und die Tragödie der Kultur, in: Die Wandlung, 1 (1945), S. 611.

  33. Vgl. zur Spannungslage etwa Rolf Schörken, Jugend 1945. Politisches Denken und Lebensgeschichte, Frankfurt a. M. 1994, S. 28 ff.

  34. Karl Löwith, Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933. Ein Bericht, Frankfurt a. M. 1989, S. 41.

  35. Veit Valentin, Geschichte der Deutschen, erw. Ausgabe, Köln 1979, S. 642.

  36. Vgl. hierzu den anschaulichen Bericht von Theodor Heuss über die Annäherung in der Praxis, in: Martin Vogt/Ralf Dahrendorf, Theodor Heuss. Politiker und Publizist. Aufsätze und Reden, Tübingen 1984, S. 526 f.

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Manfred Funke, Dr. phil., geb. 1939; Professor am Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn. Veröffentlichungen zu den Bereichen Weimarer Republik, Drittes Reich, Totalitarismus, Faschismus, Extremismus, Terrorismus, Friedensforschung, Sicherheitspolitik; zuletzt: Starker oder schwacher Diktator? Hitlers Herrschaft und die Deutschen, Düsseldorf 1989; (Hrsg. zus. mit Karl Dietrich Bracher und Hans-Peter Schwarz) Deutschland zwischen Krieg und Frieden, Bonn-Düsseldorf 1991; (Hrsg. zus. mit Karl Dietrich Bracher und Hans-Adolf Jacobsen) Deutschland 1933-1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft, Bonn-Düsseldorf 1992. Von der Spaltung zur Einheit 1945-1990. Eine Deutsche Chronik in Texten und Bildern, Bonn 1992 (hrsg. vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung).