I. Zur Aktualität des umweltpolitischen Verteilungsthemas
Zu den zentralen Erkenntnissen der politikwissenschaftlichen Umweltforschung gehört, daß Art und Ergebnisse der Umweltpolitik mit den technisch-ökonomischen Handlungsmöglichkeiten einer Gesellschaft in engem Zusammenhang stehen. In dieser kapazitätstheoretischen Erklärung des Umweltschutzes sind zwei wesentliche Feststellungen enthalten: Zum einen wird davon ausgegangen, daß auf lange Sicht mit zunehmendem sozioökonomischen Entwicklungsniveau die Wahrscheinlichkeit einer Bewältigung auftretender Umweltprobleme und -gefahren ebenfalls zunimmt Nichts anderes bezeichnet das Leitbild der nachhaltigen oder dauerhaften Entwicklung einen Prozeß, bei dem materielles Wachstum von seinen sozialen und ökologischen Folgelasten soweit entkoppelt ist, daß die Überlebensfähigkeit der Menschheit gesichert und gleichzeitig -in der Gegenwart -ein Optimum an erreichbarer Lebensqualität realisiert werden kann.
Die kurzfristige Perspektive hebt sich hiervon ab. Auf kurze Sicht kann es sehr wohl zu trade offs zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltschutzanstrengungen kommen, wenn konjunkturelle Schwankungen die materiellen Verteilungsspielräume sinken lassen. Der Grund dafür liegt in den ökonomischen Folgewirkungen umweltpolitischer Eingriffe, die in aller Regel mit Kostenbelastungen für Hersteller und Konsumenten verbunden sind. Weil und soweit diese als restriktiv empfunden werden, steht zu erwarten, daß bei einer ungünstigen Wirtschaftslage die Bereitschaft, Eingriffe hinzunehmen, seitens der Adressaten schwindet, während umgekehrt -bei einer positiven Entwicklung -die Chancen für ökologische Reformpolitik insgesamt steigen müßten
Programmatische und sonstige Einlassungen zur Ökologiefrage im „Superwahljahr“ 1994 lieferten für die Wirksamkeit des umweltpolitischen Konjunkturzyklus deutliche Belege. So wurde der Präsident des Umweltbundesamtes, Heinrich Freiherr von Lersner, nachdem er im April 1994 -vergleichsweise moderat -eine Anhebung der Benzinpreise auf rund 2, 50 DM innerhalb der nächsten zehn Jahre (!) vorgeschlagen hatte, vom Regierungssprecher Vogel beschieden, er sei ein „in dieser Frage absolut inkompetenter und unzuständiger Beamter“ Auch Umweltminister Töpfer distanzierte sich von Lersners Äußerungen, obwohl er selbst in einem Zeitungsinterview wenige Wochen vorher bereits von einem weit höheren Benzinpreis als realistischer Möglichkeit in Zukunft ausgegangen war Kurz darauf machte die SPD-Opposition just in derselben Frage Schlagzeilen, als sie ihren eigenen Vorschlag einer Mineralölsteuererhöhung (im Rahmen einer umfassenden ökologischen Steuerreform) in aller Öffentlichkeit zur Disposition stellte. Sogar die Minimalforderung nach einem allgemeinen Tempolimit auf Autobahnen wurde dabei fallen-gelassen bzw. als unverbindlich relativiert, was das zuständige Präsidiumsmitglied Christoph Zöpel veranlaßte, seine Mitarbeit in der SPD-Wahlprogrammkommission unter Protest aufzukündigen, was auch an der Parteibasis für Unmut sorgte
Der Tribut an die vermeintliche Priorität der Ökonomie wirkt in diesen und ähnlichen Äußerungen der letzten Zeit mißlich, wenn man dem die anerkannte Bedeutung des Umweltthemas in der heutigen Gesellschaft gegenüberstellt. Nicht nur, daß der Sachverständigenrat für Umweltfragen -immerhin das wichtigste Beratungsgremium der Bundesregierung in diesem Bereich -den Grundsatz der ökologischen Kostenwahrheit in seinem kürzlich erschienenen Gutachten noch einmal ausdrücklich hervorgehoben hat auch zwischen den Parteien besteht über die notwendige Ökologisierung der Industriegesellschaft heute weitgehend Übereinstimmung Der nachrangige Stellenwert des Umweltschutzes in Rezessionsphasen erweist sich von daher -im Unterschied zu den Voraussetzungen, deren es zur ökologischen Problem-bewältigung auf lange Sicht bedarf -als eine genuin politische Frage, bei der die sozialen und Wohlstandswirkungen des angestrebten „Umbaus“ im Vordergrund stehen. „Soweit ein um-weltpolitischer Dissens zu bestehen scheint, ist dies bei näherem Hinsehen zumeist auf einen verteilungspolitischen Dissens zurückzuführen. Nicht um die Vernünftigkeit umweltschonender Maßnahmen, sondern um die Verteilung der damit verbundenen Lasten wird die eigentliche Auseinandersetzung geführt.“
II. Policy-theoretische Vorklärungen
Angesichts dieses Umstands ist es bemerkenswert, daß Verteilungsfolgen der Umweltpolitik in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion nur wenig, in der politikwissenschaftlichen Diskussion praktisch keine Beachtung gefunden haben.
Wenn das Verteilungsproblem im Rahmen der Forschung weitgehend „außen vor“ geblieben ist, so liegt ein wichtiger Grund hierfür zweifellos in den theoretischen „Vorbelastungen“ der Policy-Analyse. Diese hat sich, was die typologischen Bemühungen betrifft, von Beginn an stark auf die Unterscheidung von regulativem, distributivem und redistributivem Policy-Typus kapriziert, die Theodore Lowi 1964 in die Diskussion eingeführt hatte Die Folge war, daß im Rahmen der Policy-Analyse der Umweltschutz bis heute fast ausschließlich als regulatives Politikfeld adressiert worden ist.
Lowis Unterscheidung läßt sich freilich dahingehend kritisieren, daß sie -hinsichtlich der zu gründe gelegten Kriterien -die genannten Policy-Typen nicht hinreichend deutlich voneinander abgrenzt Während die Gegenüberstellung von distributiver und redistributiver Politik unmittelbar auf die Kosten-Nutzen-Verteilung abhebt, die sich infolge politischer Entscheidungen einstellt, bezeichnet der regulative Typus zunächst nur eine bestimmte Form oder Struktur der policy, die in der Wirkung genausogut distributiven oder redistributiven Charakter annehmen kann. Soweit der Umweltschutz als regulative policy betrachtet wird, sind solche Verteilungsfolgen -z. B. im Blick auf mögliche Selektivitäten der Interessendurchsetzung -in der Analyse zwar präsent; sie werden jedoch als solche in der Regel nicht eigens thematisiert bzw. fallen zurück hinter die funktionelle Betrachtung der eigentlichen Policy-Struktur. Die nachfolgende -Analyse versucht demgegenüber, der Differenz von Struktur-und Wirkungsaspekten des Umweltschutzes ausdrücklich Rechnung zu tragen. Auf diesem Wege lassen sich nicht nur die maßgebliche Bedeutung seiner Verteilungsfolgen (unter Regierungsgesichtspunkten) besser heraussteilen, sondern auch die Ursachen und Wirkungsmechanismen, die einer Gleich-oder Ungleichverteilung jeweils zugrunde liegen. Diese unterscheiden sich im Blick auf materielle Problembereiche, normative und instrumentelle Prinzipien, Policy-Eigenschaften und -Phasen des Umweltschutzes zum Teil beträchtlich und müßten darum die Vielschichtigkeit umweltpolitischer Regierungsprobleme schon in sich verkörpern.
III. Ökologische und ökonomische Verteilung
Im Blick auf die ökologischen Lasten und Gefahren steht zu erwarten, daß sie in den Industriestaaten zwischen „Reich“ und „Arm“ ungleich verteilt sind, also regressiv wirken: „Allgemein läßt sich feststellen, daß sich die vorhandene Umweltverschmutzung zu Lasten der einkommensmäßig schlechter gestellten unteren Schichten auswirkt. Ursache sind die Unterschiede zwischen Besser-und Schlechter-gestellten hinsichtlich der public bads am Wohnort, Differenzen im Freizeitverhalten sowie die Unterschiede in den Arbeitsplätzen. Umgekehrt ist die Nutzenverteilung der Umweltgüter positiv korreliert mit der Höhe des Einkommens.“ Ein weniger eindeutiges Bild ergibt sich, wenn man die Unterschiede im eigentlichen Umweltverhalten betrachtet. Volker v. Prittwitz hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die diesbezügliche Interessenstruktur „nicht nach einem einfachen Herrschaftsmuster verstanden werden kann. Nicht nur die jeweils Herrschenden, sondern auch die Beherrschten und sozial Benachteiligten haben um-weltpolitische Verursacherinteressen. Umgekehrt sind, aufgrund ihrer größeren Handlungskapazitäten, gerade materiell Bevorzugte in der Lage, Um-weltprobleme wahrzunehmen und zu bewältigen. Dies wiederum führt dazu, daß Helferinteressen zunächst und vor allem bei sozial Privilegierten entstehen.“ Anhand von empirischen Untersuchungen kann man in der Tat belegen, daß die Präferenz für mehr Lebensqualität, wie sie sich in der Nachfrage und Nutzung von Umwehgütern bzw. überhaupt in umweltgerechtem Verhalten ausdrückt, immer auch eine Frage des sozialen Status ist; insbesondere steht sie mit dem Bildungsniveau in engem Zusammenhang Über die Auswirkungen auf den tatsächlichen Umweltzustand besagt dies gleichwohl nicht viel. Eine eindeutige Beziehung zwischen sozialer und Umweltperformanz läßt sich schon deshalb ausschließen, weil die Kapazitäten, die umweltgerechtes Handeln ermöglichen sollen, von den kapazitativen Voraussetzungen der Umweltnutzung und -Zerstörung nicht weit entfernt sind. Selbst wenn man nur das Konsumentenverhalten nimmt, zeigt sich ein differenziertes Bild: Das höhere Qualitätsinteresse, das mit steigendem Einkommen einhergeht und sich in entsprechend umweltbewußtcrem Kaufverhalten niederschlägt, könnte hier unter Umständen durch Größen-oder Mengeneffekte wieder aufgehoben werden
Daß darüber hinaus Umverteilungen von Umweltqualität zu Lasten der ohnehin Schlechter-gestellten gelegentlich auch bewußt herbeigeführt werden, hat Joseph Huber am Beispiel der Wohnumfeldpolitik deutlich gemacht, wie sie heute in zahlreichen Großstädten Praxis ist
Gerade dies verweist auf den Kern des umweltpolitischen Verteilungsproblems: daß ökologische Ungleichheiten nur dann gerechtfertigt werden können, wenn sich infolge politischer Entscheidungen das Niveau der Umweltqualität insgesamt verbessert Wo Umweltbelastungen in der Verteilung regressiv wirken, also die ärmeren Bevölkerungsgruppen stärker betreffen, stellt die Vereinbarkeit von ökologischen und sozialen Gerechtigkeitszielen folglich ein großes Problem dar. In den übrigen Fällen tritt jedoch die Verteilungsfrage hinter das eigentliche Allokationsproblem zurück, geht es jedenfalls weniger um Gleichheit oder Ungleichheit als um die Ermöglichung ökologischer Problemlösungen überhaupt.
Der ökonomische Verteilungsaspekt hebt sich hiervon prinzipiell ab. Obwohl es sich bei den wirtschaftlichen Folgen des Umweltschutzes -gemessen an seinen ursprünglichen Zielen -nur um „unechte“ oder Sekundärfolgen handelt, weisen diese über die ökologische Regierungsproblematik gleich an mehreren Stellen hinaus: -Zunächst vermögen die Anstrengungen der Umweltpolitik an der Dominanz industrieller Erwerbsinteressen im ökonomischen und politischen System wenig zu ändern; diese dürfte sich dabei nicht nur in speziellen Organisation-und Mobilisierungsvorteilen niederschlagen, sondern auch in einer generellen Höhereinstufung von materiellen gegenüber immateriellen gesellschaftlichen Zielen -Zum zweiten wird von der Umweltpolitik erwartet, daß ihre ökologischen Hauptwirkungen typischerweise als Nutzen, ihre ökonomischen Nebenwirkungen hingegen vornehmlich als Kosten anfallen. Unter Regierungsgesichtspunkten gewinnt dies deshalb Bedeutung, weil Nutzenverluste (infolge Kostenbelastungen) von Betroffenen in der Regel stärker empfunden werden als korrespondierende Nutzengewinne, mithin tatsächliche oder vermeintliche Bedrohungen des Vorhandenen eher handlungsmobilisierend wirken als neue Chancen oder Gelegenheiten -Schließlich stellt sich die Frage der tatsächlichen Verteilung; hier wäre zu vermuten, daß die ökonomischen Kosten der Umweltpolitik -anders als ihre ökologischen Nutzen -vor allem konzentriert auftreten. Aus diesem Umstand ergeben sich entsprechende Bedarfe und Konsequenzen der materiellen Umverteilung, mit denen die Konfliktträchtigkeit des Umweltschutzes insgesamt ansteigen rnüßte
Bei aller Plausibilität geben diese Überlegungen jedoch nur eine ungefähre (und unvollständige) Vorstellung von dem, was als Verteilungsproblem der Umweltpolitik charakterisiert werden kann. 1. Nimmt man zuerst die Frage der Konfliktfähigkeit, so kann die Charakterisierung des Umweltschutzes als Allgemeininteresse allein noch kein hinreichender Grund sein für Politik-und Regierungsversagen. Die demokratische Praxis hat gezeigt, daß allgemeine Interessen sich in Gruppen und Verbänden durchaus organisieren und mithin in gesellschaftliche Gegenmacht übersetzen lassen; vor allem aber verweisen sie auf den Staat (in Gestalt der Regierung), der die Bindung und Integration der Einzelinteressen zu seiner Angelegenheit macht und dabei auf das Wohlwollen einer breiteren Wähleröffentlichkeit angewiesen bleibt. Je größer dieses Wohlwollen ist und je aufgeschlossener sich die Öffentlichkeit bestimmten „public issues“ gegenüber erweist, desto stärker geraten auch die ökonomischen Partikularinteressen unter Druck, entsprechende Gemeinwohlgesichtspunkte in ihren Handlungen zu berücksichtigen. Der gestiegene Stellenwert des Umweltschutzes im gesellschaftlich-politischen Bewußtsein deutet insoweit darauf hin, daß sich die Legitimitätsvorteile ökonomischer Werte und Ziele heute abschwächen, Erwerbs-und Nicht-Erwerbsinteressen zumindest nicht mehr ohne weiteres gegeneinander ausgespielt werden können. 2. Ein nicht weniger beachtlicher Anknüpfungspunkt umweltpolitischen Handelns resultiert aus dem Umstand, daß Umweltschutzmaßnahmen -ökonomisch -keineswegs nur als Kostenfaktor von Belang sind, sondern durchaus auch materielle Nutzen und Gewinne versprechen. Dies gilt zum einen für längerfristig erreichbare Markt-und Wettbewerbsvorteile (durch Innovationseffekte), zum zweiten für die -von Prittwitz so bezeichneten -„Helferinteressen“ der Umweltschutzindustrie die sich im Wirtschaftssystem in Reaktion auf die Umweltprobleme herausbilden, zum dritten schließlich in bezug auf das Auftreten realer Interessendivergenzen zwischen (Schadens-) Verursacher-und (Schadens-) Betroffenen-bereichen; letztere befinden sich dort, wo die Natur selbst als unmittelbarer Produktionsfaktor benötigt wird. Durch solche Diskrepanzen und Widersprüche eröffnen sich vermeintliche Handlungsmöglichkeiten des Staates, die zugunsten des Umweltschutzes ausgespielt werden können. Wieweit die Politik dabei ein in der Folge redistributives Muster annimmt, hängt insbesondere davon ab, ob die jeweiligen ökonomischen Interessen und Ziele tatsächlich miteinander unvereinbar sind. Im Falle der „Helferinteressen“ verhält es sich beispielsweise so, daß sie den Verursacher-interessen gerade nicht entgegenstehen, weil sie ja auf die Verursachung von Umweltschäden für sich selber angewiesen bleiben. Für den Staat heißt das, daß er -um solche Konflikte zu vermeiden -komplementäre Interessenkonstellationen wo immer ermöglichen und unterstützen müßte; die Präferenz einer distributiven Nachsorgepolitik liegt von daher auf der Hand. 3. Damit wendet sich der Blick hin zu den Kosten des Umweltschutzes, von denen zu Recht gesagt wird, daß sie gegenüber den Nutzen in aller Regel das stärkere „Argument“ darstellen. Die Feststellung, wonach diese Kosten vor allem bei bestimmten Personen und Gruppen anfallen, trifft die Situation der Umweltpolitik gleichwohl nur zum Teil und täuscht insofern über deren eigentliche Regierungsprobleme in gewisser Weise hinweg. Zwar ist es richtig, daß Maßnahmen des Umweltschutzes in allen Fällen auf die industriellen Produktionsbereiche bezogen bleiben (müssen), doch lassen sich die damit verbundenen Kostenbelastungen keinesfalls auf diese konzentrieren oder gar begrenzen, wie es unter Allokationsgesichtspunkten zu fordern wäre. Die Praxis des Verursacherprinzips beweist eher das Gegenteil: Zunächst liegt es in der Logik marktwirtschaftlichen Unternehmertums, daß zusätzliche Produktionskosten über den Preis auf die Allgemeinheit der Konsumenten abgewälzt werden können; diesen bleibt in der Folge die Möglichkeit, sich den Angeboten zu verweigern oder -durch Abwanderung -zu entziehen. Zum zweiten kann der Staat sich jene „Macht“ der Nachfrager zunutze machen, indem er seine Maßnahmen direkt bei den Konsumenten ansetzt (z. B. durch Erhebung umweltbezogener Verbrauchssteuern); deren Reaktion müßte dann auf das Verhalten der Produzenten zurückwirken. Drittens schließlich gilt für einen bestimmten (Rest-) Bedarf an Nachsorge und Gefahrenabwehr, daß er unmittelbar durch den Staat befriedigt, d. h. in den Kosten von allen getragen werden muß (sog. Gemeinlastprinzip); in diesen Fällen gibt es für den einzelnen keine Chance mehr, Belastungen auszuweichen oder zu entkommen
Die Tendenz der Kostengeneralisierung kommt den strategischen Bedürfnissen der Umweltpolitik insoweit entgegen, als gleichförmige Belastungen einer größeren Öffentlichkeit im Regelfall leichter durchsetzbar sind als die massive Belastung einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe. Aus Regierungssicht kann es also gerade rational sein, auf eine Streuung der Kosten hinzuwirken, selbst wenn damit ein Verlust an allokativer Effizienz und -in der Folge -an Problemlösungsfähigkeit verbunden wäre. Aufs Ganze gesehen entspricht die Tendenz der Kostengeneralisierung freilich eher einer Problemverschärfung, weil der allokative Zwang einer unmittelbar verursacherbezogenen Kostenanlastung durch sie ja nicht aufgehoben wird. Die notwendige Ausrichtung der Umweltpolitik auf den industriellen Produktionsbereich führt statt dessen dazu, daß Belastungen sowohl konzentriert -bei bestimmten Unternehmen oder Branchen -als auch diffus -bei der Masse der Verbraucher -anfallen, eine Regierung es also nicht allein mit der organisierten Vetomacht der Industrie zu tun hat, sondern auch und zusätzlich mit dem möglichen Unwillen der Bevölkerung ihren Maßnahmen gegenüber; hieraus ergeben sich entsprechende Rückwirkungen auf die „elektorale“ Politik.
Nimmt man die generalisierende Wirkung ökologischer Lasten auf der anderen Seite hinzu, heißt das zugleich, daß es eine gesellschaftliche Trennlinie zwischen (industriellen) Verursacher-und (ökologischen) Betroffeneninteressen der Umweltpolitik gerechterweise nicht geben kann. So, wie die industriellen Produzenten -als Personen -mit Leidtragende der Umweltprobleme sind, die sie selbst hervorgerufen haben, sind die Betroffenen -als Mit-Verursacher -gefragt, sich an der Lösung dieser Probleme mit eigenen Lasten zu beteiligen!
Das bisher Gesagte steht dem nicht entgegen. Obschon -wie gezeigt -ökologische und ökonomische Wirkungen des Umweltschutzes zwischen gesellschaftlichen Gruppen auseinanderfallen können, bleibt es ein bezeichnendes Charakteristikum der Umweltpolitik, daß sich der Konflikt zwischen Betroffenen-und Verursacherinteressen hier auch und bereits innerhalb einzelner Akteure abspielt. Die Konsequenzen unter Regierungsgesichtspunk-ten sind zweischneidig: Einerseits müßten sich Handlungschancen und -anreize des Staates in dem Maße ergeben, in dem ökologische Lasten und Gefahren auf ihre Erzeuger zurückfallen, Betroffenen-und Verursacherinteressen der Umweltpolitik also zusammenrücken, andererseits bleibt die Politik bei der Abwägung zwischen diesen auf eine moralische Selbstverbesserung der Gesellschaft angewiesen, kann erst die Aufwertung des ökologischen Interesses im Bewußtsein jedes einzelnen jene Veränderungen herbeiführen, deren es zur Ökologisierung des industriellen Systems bedarf.
IV. Ursachen-und Problembereiche
Nachdem bislang von Verteilungswirkungen der Umweltprobleme und -politik im ganzen die Rede war, stellt sich nun die Frage nach solchen Wirkungen in einzelnen Ursachen-und Problembereichen. Eine Betrachtung der verschiedenen Aufgabenfelder des Umweltschutzes -Chemie-politik, Abfallwirtschaft, Natur-und Landschaftsschutz, Verkehrs-und Energiepolitik, um nur die wichtigsten zu nennen -macht deutlich, daß Um-weltprobleme sich unter strukturellen und Wirkungsgesichtspunkten nicht über einen Kamm scheren lassen. Ihre Eigenschaften sind im Blick auf Komplexität, Spürbarkeit, Reichweite und Einwirkung höchst unterschiedlich und in der Spannbreite offenkundig größer als Eigenschaften von Problemen in anderen Politikfeldern Die Betrachtung der Verteilungsfolgen fügt sich in dieses Bild: Das Spektrum möglicher Wirkungen reicht hier -wenn man nur die ökologischen Folgen nimmt -von starker Regression bis hin zur vollständigen Gleichverteilung und -gelegentlich sogar -geringfügigen Progression.
Regressive Wirkungen dürften vor allem dort auftreten, wo Umweltprobleme auf „menschliche“ Werte und Schutzgüter bezogen, in ihrer räumlichen und zeitlichen Reichweite begrenzt und dabei vergleichsweise gut wahrnehmbar sind; solche Probleme zeichnen sich in der Regel dadurch aus, daß sie unmittelbar in Lebensbedingungen und -umstände des einzelnen eingreifen. Dies gilt z. B. für Lärmbelästigungen, ästhetische Beeinträchtigungen sowie Schadstoff-und Risikohäufungen, die jeweils aus der örtlichen Nähe zu Industriebetrieben, Verkehrseinrichtungen, Kraftwerken, Deponien u. ä. herrühren. Diesen und vergleichbaren Folgeerscheinungen (Symptomen) der Umweltzerstörung ist gemein, daß man ihnen mit zunehmendem Einkommen besser ausweichen bzw. sich davor schützen kann, das soziale dem räumlichen Verteilungsmuster also recht nahe kommen müßte
Die eigentliche Brisanz der heutigen Umweltprobleme wird durch solche Erscheinungen freilich -worauf J. Huber in ironisierender Form hingewiesen hat -auch in verteilungspolitischer Hinsicht nur am Rande erfaßt: „Gewiß ist Umweltqualität, im Sinne einer anspruchsvollen Lebensqualität, etwas für kultiviertere Geschmäcker, etwas, das wohlhabende Mittelschichten sich viel eher leisten können als randständige Arme. Aber mehr noch erweist sich die ökologische Modernisierung der Produktions-und Konsumkreisläufe als ein beinharter Sachzwang. Es geht nicht nur um Flußschnecken und grüne Wiesen, es geht um Bestand oder Nichtbestand der modernen Zivilisation.“
Die Mehrzahl der heutigen Umweltprobleme entspricht einer modernisierten und -gemessen an ihren Vorläufern -verschärften Gefahren-uhd Belastungssituation; sie sind auf weite Strecken unmerklich und in der Wirkungsbreite zwischen Verursacher-und Betroffenenbereichen zunehmend entkoppelt. Verteilungspolitisch heißt das aber, daß die von dort aus entstehenden Lasten immer weniger marginalisiert, d. h. innerhalb der Gesellschaft auf nur bestimmte Bevölkerungsschichten abgewälzt werden können. Die Risikogesellschaft verändert insoweit ihre sozialen Vorzeichen und überwindet die klassischen Muster der (Um-) Verteilungspolitik: „Auf eine Formel gebracht: Not ist hierarchisch, Smog ist demokratisch. Mit der Ausdehnung von Modernisierungsrisiken -mit der Gefährdung der Natur, der Gesundheit, der Ernährung etc. -relativieren sich die sozialen Unterschiede und Grenzen. Daraus werden immer noch sehr verschiedene Konsequenzen gezogen. Objektiv entfalten jedoch Risiken innerhalb ihrer Reichweite und unter den von ihnen Betroffenen eine egalisierende Wirkung. Darin liegt gerade ihre neuartige politische Kraft. In diesem Sinne sind . Risikogesellschaften gerade keine Klassengesellschaften; ihre Gefährdungslagen lassen sich nicht als Klassenlagen begreifen, ihre Konflikte nicht als Klassenkonflikte.“
Die von U. Beck als „Bumerang-Effekt“ apostrophierte Tendenz einer kollektiven Selbstgefährdung der Gesellschaft im Zuge ihrer Risikoproduktion müßte unter Regierungsgesichtspunkten eigentlich positiv wirken, bedeutet sie doch im Umkehrschluß, daß eine problemlösende oder -reduzierende Politik allen zum vergleichbaren Vorteil gereichte. In der Realität wird allerdings das egalisierende Moment der Risiken durch anderweitige Verteilungsmuster soweit überlagert und verdrängt, daß die Selbstgefährdung (in der Wahrnehmung) immer noch nicht ausreicht, ein umfassendes Interesse am Umweltschutz zu erzeugen. -So zeigt sich z. B. bei den meisten Auswirkungen der Luftverschmutzung (etwa an Lungen-und Atemwegserkrankungen), daß sie zwar zwischen Verursacher-und Betroffenenbereichen entgrenzt sind, dafür aber bei den Betroffenen zu neuen Ungleichheiten führen, indem bestimmte, ohnedies benachteiligte Bevölkerungsgruppen (Kinder, Ältere, Kranke) stärker belastet werden als andere die Marginalisierung wiederholt sich hier also unter veränderten Vorzeichen. -Noch deutlicher ist der redistributive Effekt im Bereich der globalen Umweltgefahren (u. a. ablesbar am Ozonloch-und Treibhausproblem) oder in der Frage des irreversiblen Ressourcenverbrauchs, deren Folgen von der Gesellschaft insgesamt -auf andere Regionen/Länder sowie spätere Generationen -abgewälzt werden können, ohne daß ein unmittelbarer Selbstgefährdungseffekt zu fürchten wäre: Im inter-regionalen/-nationalen Kontext bestehen nur geringe, im inter-generationellen Kontext überhaupt keine Chancen der Rückwälzung. -Schließlich gilt es, die ökonomischen Verteilungsfolgen im Blick zu behalten, von denen oben gesagt wurde, daß sie zwischen gesellschaftlichen Verursacher-und Betroffenenbereichen typischerweise stärker auseinanderfallen als die korrespondierenden Umweltfolgen; ökologische Umverteilungswirkungen werden damit zwar nicht irrelevant, treten aber in ihrer Bedeutung (als Regierungsproblem) hinter dem materiellen Aspekt deutlich zurück.
V. Normative und instrumentelle Prinzipien
Die Existenz des umweltpolitischen Konjunkturzyklus weist darauf hin, daß die Schwierigkeiten einer UmweltVorsorgepolitik vor allem im materiell-ökonomischen Bereich zu suchen sind. Restriktionen ergeben sich dabei zum einen aus den Konsequenzen einer Vorsorgepolitik für die gesellschaftliche Wohlfahrt im allgemeinen -diese werden weiter unten als indirekte Verteilungswirkungen behandelt zum anderen aus ihren speziellen Auswirkungen unter distributiven Gesichtspunkten.
Im Kern handelt es sich bei dem als immanenten Verteilungskonflikt apostrophierten Regierungsproblem des Umweltschutzes um einen Konflikt zwischen allokativer Effizienz und (ökologischer) Verursachergerechtigkeit auf der einen, distributiver Effizienz und sozialer Gerechtigkeit auf der anderen Seite. Das normative Problem der Umweltpolitik besteht darin, beide Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen, was u. a. auch dadurch erschwert wird, daß ökologische und soziale Problemlösungen in sich verschiedenen Bewertungskriterien unterliegen: Während der soziale Konflikt um das wünschbare Maß an materieller Gleichheit in einer Gesellschaft geführt wird, geht es im ökologischen Streit darum, wer als Verursacher von Umweltschäden in welcher Form verantwortlich gemacht werden soll.
Programmatisch herrscht heute weitgehend Übereinstimmung darüber, daß der instrumentelle Schlüssel einer Vorsorgepolitik in der bestmöglichen Durchsetzung des Verursachergrundsatzes und hier wiederum in der Projektierung von Abgaben-und Haftungslösungen liegt; diese sind dem traditionellen Auflageninstrument eindeutig vorzuziehen und werden darum als Bestandteile einer Ökologisierungspolitik zu Recht propagiert. Die konkrete Effizienz von Abgaben-und Haftungslösungen bestimmt sich u. a. danach, an welcher Stelle des Verursachungszusammenhangs von Umweltproblemen sie ansetzen. Die vergleichsweise größere Wirkung verspricht es, wenn Maßnahmen schon auf der Herstellerseite -im Inputbereich der Produktion -greifen, indem problematische Produktionseinsatzstoffe und -rückstände qua Abgabe (Steuer) oder Versicherungsprämie mit einem Preis belegt werden (der Typ der Emissionssteuer); in diesem Fall würden die Unternehmen unmittelbar angehalten, umweltbelastende Tätigkeiten zu unterlassen oder einzuschränken. Im Bereich der Abgaben besteht andererseits die klassische Möglichkeit, Produkte auf der Verbrauchs-bzw. Outputseite zu besteuern, um eine Reduzierung oder Substitution der entsprechenden Nachfrage herbeizuführen. Die Rückwirkung auf die Produktion wäre hier eine mittelbare, die Effizienz insofern -gemessen an der Input-Lösung -vermindert; Anreize für den Umweltschutz könnten nur entstehen, falls damit höhere Absatzerwartungen verbunden sind
Die distributiven Wirkungen dürften demgegenüber beiderseits gleich lauten, nur daß in dem einen Fall (der Verbrauchssteuer) die Konsumenten durch Preiserhöhungen direkt betroffen sind, im Fall der Input-Besteuerung dagegen die höheren Produktionskosten von den Unternehmen -qua Überwälzung auf die Produktpreise -an diese erst weitergegeben werden müssen, der Wirkungsmechanismus hier also gerade umgekehrt ist. Die Problematik der umweltpolitischen Steuer-und Abgabenlösungen rührt nun -in beiden Fällen -daher, daß sie vermutlich regressiv wirken, d. h. die Bezieher niedriger Einkommen stärker belasten als die Bezieher hoher Einkommen, wofür im wesentlichen zwei Gründe ausschlaggebend sind: Zum einen dürften die schlechter Verdienenden einen (insgesamt) größeren Anteil ihres Geldes auf den Verbrauch verwenden, diese Gruppe weist also eine -gemessen am Einkommen -höhere Konsumquote auf (das generelle Problem der Verbrauchssteuern); zum anderen handelt es sich speziell bei den umweltrelevanten Besteuerungstatbeständen überwiegend um Güter/Dienstleistungen des einfachen Bedarfs (Energie, Wasser, industrielle Grundstoffe u. ä.), bei denen die Nachfrage in nur geringem Maße preiselastisch reagiert, so daß die unteren Einkommensgruppen gerade hier relativ stärker in Anspruch genommen werden
Die Plausibilität dieser Feststellungen im allgemeinen sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei der Implementierung von Lenkungsabgaben auch gegenläufige Effekte auftreten können, die das Argument der unsozialen Verteilungsfolgen zumindest voreilig erscheinen lassen. Schon bei einer einfachen Differenzierung deutet sich an, wie kompliziert und schwierig die Ermittlung solcher Effekte in Wahrheit ist: 1. So haben Untersuchungen zum Mineralölsteuerverbrauch erwiesen, daß die Auswirkungen eines Preisanstiegs weit weniger regressiv sind, als nach dem Gesagten anzunehmen wäre, weil sowohl die Größe des Fahrzeugtyps als auch , das Ausmaß der Fahrleistungen ab einer bestimmten Grenze zur Einkommenshöhe in positiver Beziehung stehen. Ein ähnlicher Zusammenhang läßt sich beim Heizölverbrauch vermuten; hier ergeben sich einkommensbezogene Mengeneffekte u. a. in Abhängigkeit von der Wohnungsgröße 2. Das Bild relativiert sich weiter, wenn man die Substitutionsmöglichkeiten betrachtet, die dem einzelnen nach einer Preiserhöhung jeweils zur Verfügung stehen. Im Falle der Mineralöl-steuer ergibt sich einerseits die Option, ein neues, verbrauchsärmeres Auto anzuschaffen -die Substitution wäre hier unmittelbar einkommensabhängig. Zum anderen könnte ein Anreiz entstehen, auf alternative Verkehrsträger umzusteigen, also z. B.den öffentlichen Personennahverkehr zu benutzen. In diesem Fall würde -da eine solche Alternative nicht für jedermann realisierbar sein könnte -das soziale durch ein regionales Verteilungsproblem überlagert: Benachteiligt wären vor allem die Bewohner ländlicher Gebiete, soweit sie als Arbeitnehmer auf das eigene Fahrzeug angewiesen bleiben
Das letztgenannte Problem gewinnt an Brisanz, wenn man bedenkt, daß nach neueren Berechnungen in etwa eine Verdreifachung des Benzinpreises erforderlich wäre, um die sozialen und Umwelt-kosten des Individualverkehrs gemäß dem Verursacherprinzip über das Kraftfahrzeug-und Mineralölsteueraufkommen abzudecken Zwar lassen sich unbillige soziale Härten infolge eines solchen Preisanstiegs nachträglich abmildern, doch ändert dies nichts daran, daß die überwiegende Abwälzung der sozialen Kosten auf die Allgemeinheit, wie sie im Falle des Individualverkehrs gegeben ist, unter Verteilungsgesichtspunkten allemal attraktiver bleibt, weil hier die Finanzierung aus dem gesamten Steuertopf und d. h. insbesondere: aus der progressiv gestalteten Lohn-und Einkommensteuer bestritten werden kann
Die Begünstigung einer Nachsorgestrategie durch die distributiven Vorteile des Gemeinlastprinzips ist freilich -auch in anderen Bereichen des Umweltschutzes -fragwürdig. Einerseits dürfte sie -wie sich sogleich zeigen wird -nur in einer kurzfristigen Perspektive wirksam werden, zum anderen erweist sich gerade an den ökologischen und sonstigen Folgen des Verkehrs, daß Fragen der materiellen Verteilungsgerechtigkeit der Umweltpolitik nicht auf Kosten-oder Finanzierungsfragen reduzierbar sind. Eine stärkere Berücksich tigung des Verursachergedankens könnte hier nämlich auch in sozialer Hinsicht begrüßenswert sein, wenn das -bei reeller Kostenanlastung -erhöhte Mittelaufkommen der Kraftfahrzeug-und Mineralölsteuer in der Folge zugunsten des öffentlichen Guts „Personenverkehr“ zumindest mitverwandt würde; in diesem Fall wäre der zusätzliche Nutzen bei denen, die an den unmittelbaren „Segnungen“ des Individualverkehrs entweder nicht teilhaben könne#oder dürfen (Kinder, ältere Menschen u. a.) oder aber freiwillig darauf verzichten.
Eine vollständige Übernahme der ökologisch-sozialen Kosten des Straßenverkehrs durch die Fahrzeugnutzer dürfte allerdings auf lange Zeit Utopie bleiben und wäre unter dem Gesichtspunkt der Verursachergerechtigkeit auch keineswegs zwingend, weil in einem Wirtschaftssystem, dessen Funktionalität insgesamt in erheblichem Maße von der Funktionalität des Individualverkehrs abhängt, selbstverständlich auch Nicht-Autofahrer davon materiell profitieren, die sozialen Nutzenäquivalente des Verkehrs also nicht auf erzielbare Steuereinnahmen beschränkt bleiben Zumal diese allgemeinen Wohlstandswirkungen sind es ja, die von industrieller Seite als Argument gegen einen zu umfangreichen und teuren Umweltschutz mit Vorliebe ins Feld geführt werden und deren Bedeutung darum -unter Regierungsaspekten -mindestens so hoch sein müßte wie die der hier beschriebenen Direktfolgen.
VI. Direkte und indirekte Wirkungen
Direkte Verteilungswirkungen einer ökologischen Steuerpolitik manifestieren sich in kurzfristigen Kostenbelastungen (-erhöhungen) für Konsumenten und Unternehmen, die unmittelbar greifbar und somit auch vergleichsweise leicht zu ermitteln sind. Solche Kostenerhöhungen stoßen in der Regel postwendend auf Widerstand, weil sie von den Betroffenen als einschneidend und bedrohlich empfunden werden; Konsumenten fürchten um ihren materiellen Lebensstandard, Industrie-betriebe um Produktions-und Absatzchancen. Daß die tatsächlichen Auswirkungen solche Befürchtungen nicht in jedem Falle rechtfertigen, ändert zunächst nichts an deren Wirksamkeit. Dies gilt um so mehr, als sich die weiteren (mittelbaren) Konsequenzen einer umweltinduzierten Kosten-maßnahme oft nur schwer abschätzen lassen, dieVielfalt der fraglichen Einflüsse den Betroffenen also zugute kommt, wenn es darum geht, Kritik und Widerstand vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Aufgabe der politischen Entscheidungsträger wäre es in diesen Fällen, die Argumente zurechtzurücken und ein realistisches Bild der projektierten Maßnahmen zu zeichnen.
So müssen etwa in der Frage des materiellen Lebensstandards -auf der VerbraucherseitQ -die ökologischen Lenkungswirkungen einer Kostenerhöhung immer mitbedacht werden. Diese resultieren -wie gezeigt -aus einer Veränderung der relativen Produktpreise, bei der sich materielle Einbußen und Verzichte kurzfristig kaum vermeiden lassen (weil ökologische Alternativprodukte entweder nicht zur Verfügung stehen oder noch zu teuer sind), mittel-und langfristig hingegen die entsprechende Umstellung der Produktion dazu führen müßte, daß sich umweltbewußtes Kaufverhalten auch ökonomisch auszahlt (indem z. B. verbrauchsärmere oder längerlebige Konsumgüter auf den Markt gelangen).
Als schwieriger und -unter Regierungsgesichtspunkten -prekärer erweisen sich die Folgen einer zusätzlichen Kostenbelastung aus Sicht der Unternehmen, weil damit immer auch Fragen des allgemeinen Wachstums und der Beschäftigung verknüpft sind, d. h.der dominante Erwerbsaspekt ins Spiel kommt. Im Kern geht es dabei um das Problem der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit: Solange sie nicht im internationalen Kontext vereinheitlicht sind und den potentiellen Anbietern am Weltmarkt vergleichbare Kosten verursachen, könnten aus Umweltmaßnahmen für die betroffenen Industrien unmittelbare Nachteile (Absatz-schwierigkeiten und Umsatzeinbußen) erwachsen, weil die Produkte dann -gemessen an der Konkurrenz -zu teuer werden (das Problem des Unterbietungswettbewerbs). Den Unternehmen bleibt in diesen Fällen nach Ausschöpfung der Produktivitätsreserven oft nur die Möglichkeit, die Produktion entweder zurückzufahren oder ganz bzw. teilweise ins Ausland zu verlagern; bei beiden Alternativen ergeben sich Rückwirkungen im Inland in Gestalt von Arbeitslosigkeit
Das Argument der zu hohen Umweltkosten gilt es allerdings nicht zu überzeichnen. Zum einen erweisen sich -nimmt man etwa ein Land wie die Bundesrepublik -die möglichen Standortnachteile infolge Kostenbelastungen überwiegend als Problem der zu hohen Arbeitskosten, zum anderen ist auffällig, daß auf den Auslandsmärkten heute gerade diejenigen deutschen Produkte gut im Rennen liegen, die vergleichsweise umweltintensiv sind, d. h. mit hohen Umweltkosten produziert werden Der vermeintliche Schaden einer Ökologisierungspolitik dürfte sich von daher auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten mittel-und langfristig ins Gegenteil verkehren.
Werden der Industrie von Staats wegen hohe Umweltschutzanforderungen auferlegt, könnten sich gerade aus den dadurch bewirkten Innovationen Wettbewerbsvorteile ergeben, die Wachstum und Beschäftigung sichern helfen. Insbesondere im Kontext der fortgeschrittenen Industrienationen, wo sich der Kampf um die Zukunftsmärkte hauptsächlich abspielt, tritt entsprechend der Kosten-wettbewerb in seiner Bedeutung hinter den eigentlichen Produktwettbewerb zurück d. h., die Ökologisierung der Produktion wird also, selbst wenn sie zunächst dem ursprünglichen Umwelt-interesse entspringt, zu einem immer wichtigeren Wirtschaftsfaktor. Dies gilt um so mehr, als für die Zukunft ein verstärkter Bedarf an ökologischer Problemlösung bereits heute absehbar ist.
Die führende Rolle der Bundesrepublik beim Export von Umwelttechnologie (mit einem geschätzten Weltmarktanteil von 20 Prozent) zeugt freilich noch nicht von realer Problemlösungsfähigkeit, sondern entpuppt sich zunächst als Produkt einer dominanten Nachsorgeorientierung ihrer Umweltpolitik, die zugleich ablesbar ist am vergleichsweise großen und weiter wachsenden Gewicht des Umweltschutzsektors im Inland. Die ökonomische Brisanz einer solchen Orientierung^ (und ihre Ambivalenz unter Regierungsgesichtspunkten) besteht darin, daß einerseits durch den Hang zur nachträglichen und (nur) kompensatorischen Symptombekämpfung Folgeprobleme und -kosten hervorgerufen werden, die die Kosten einer ursachenbezogenen (präventiven) Problemlösung auf längere Sicht übersteigen, es aber andererseitsgerade die so erzeugten Handlungsbedarfe sind, die in der Folge neue Produktions-und Wachstumschancen eröffnen Die Rede von der ökonomischen Ineffizienz eines nachsorgelastigen Umweltschutzes ist von daher richtig und falsch zugleich: Zwar lassen sich solche Ineffizienzen im einzelnen nachweisen und zu einem Gesamtbild von sozialen oder Defensivkosten der Produktion zusammenfügen, doch bedingen diese Kosten eben keineswegs automatisch einen volkswirtschaftlichen Wohlstandsverlust, wenn man die weiteren Einkommens-und Erwerbseffekte einer Nachsorgestrategie mit einbezieht; deren Bedeutung dokumentiert allein schon die Größenordnung der umweltbezogenen Sozialkosten, die Christian Leipert für die Bundesrepublik mit 58, 1 Mrd. DM beziffert (Wert für 1988; entsprechend einem Anteil am Bruttosozialprodukt von 3, 4 Prozent).
Das heißt aber im Umkehrschluß, daß eine konsequente Vorsorgepolitik -sowohl was Notwendigkeit und Ausmaß des Nachsorgesektors anbelangt, als auch im Blick auf den eigentlichen Produktionsbereich -zu Einschränkungen und Wohlstandseinbußen (-verzichten) führen muß. Die Probleme betreffen dabei zum einen den materiellen Lebensstandard -dieser dürfte in Zukunft nur zu gewährleisten sein, falls sich Bedürfnisinhalte im qualitativen Sinne wandeln und ergänzen lassen -, zum anderen aber die drohenden Wachstums-und Arbeitsplatzverluste, bei denen es sich auch ohne die spezielle Herausforderung der Ökologie um das gesellschaftspolitische Thema der kommenden Jahre und Jahrzehnte handelt. Um so erstaunlicher ist es, daß die möglichen Konsequenzen einer Ökologisierungspolitik für Einkommen und Beschäftigung in der sozial-und wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion bislang kaum Beachtung gefunden haben. Obschon Ansätze einer Vereinbarung von ökologischen und Beschäftigungszielen in der Literatur durchaus entwickelt sind bleiben die konkreten Auswirkungen eines Umbaus auf einzelne Wirtschaftsbereiche und -regionen in diesen Konzepten noch weithin ungeklärt, lassen sich folglich von heute aus die genauen Konfliktlinien einer künftigen Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik erst erahnen.
VII. Folgerungen
Unter Vorbehalt stehen damit auch die Rezepturen einer Bewältigung des umweltpolitischen Verteilungsproblems, wie sie heute diskutiert werden. Dabei geht es zum einen um die Frage der staatlichen Diskriminierungsfähigkeit gesellschaftlichen Kräften gegenüber, zum anderen um die Möglichkeit einer institutionellen Separierung von Verteilungs-und (originären) Problemaspekten. 1. Was zunächst die Diskriminierungsfähigkeit des Staates betrifft, steht und fällt diese mit dem Vorhandensein realer Ungleichheiten und daraus folgenden Interessendivergenzen in einer Gesellschaft. Für die Umweltpolitik ist dieser Zusammenhang deshalb bedeutsam, weil sich Interessendivergenzen hier durch das Muster der ökologischen Schadensverteilung zunehmend auch innerhalb des eigentlich problemverursachenden gewerblich-industriellen Blocks bemerkbar machen müßten: „Das, was der eine, etwa die chemische Industrie, als Umwelt verpestet, ist das, was die anderen, etwa der Tourismus, die Landwirtschaft, die Lebensmittelindustrie, das Fischereigewerbe usw. am Markt anzubieten haben. Insofern schlagen Naturzerstörungen auch um in Produktzerstörung, in Zerstörung von Eigentum und Marktanteilen, und zwar als immanenter Widerspruch zwischen Wirtschaftsund Kapitalgruppen.“
Ob die Regierungschancen sich damit schon verbessern, muß nach dem Gesagten jedoch bezweifelt werden. Die erwarteten Verteilungsmuster einer Ökologisierungspolitik sprechen eher dagegen: -So hat sich gezeigt, daß potentielle Interessen-konflikte innerhalb des industriellen Systems im Wege einer Nachsorgestrategie durchaus entschärft werden können. Für deren Funktionalität ist bezeichnend, daß sie nicht nur Betroffenen-und Verursacherinteressen gleichzeitig Rechnung trägt, sondern darüber hinaus auch noch weitere „Helferinteressen“ generiert, die aus der Umweltpolitik Nutzen ziehen. Die verbleibenden Probleme werden unterdessen in größerem Rahmen auf andere Länder/Regionen und künftige Generationen abgewälzt. -Selbst wenn es innerhalb der Erwerbs-und Einkommensinteressen zu Gegensätzen kommt, müssen diese in der gesellschaftlichen und Regierungspraxis nicht zwangsläufig ausgetragen werden. Gerade hierin liegt ein generelles Problem der pluralistischen Interessenvermittlung, daß gesellschaftliche Interessen „nicht systematisch (miteinander konkurrieren) ... und sich deshalb auch nicht wechselseitig kontrollieren und beschränken (können)“ Statt dessen richten die Interessenten ihre Erwartungen -jeder für sich -an den Staat, der dann die ganze Last der (objektiven) Konfliktsituation zu tragen hat und dem entsprechend daran gelegen sein wird, solche Konflikte durch eine möglichst umfassende Interessenberücksichtigung nicht aufkommen zu lassen. -Das Problem der ungleichgewichtigen Interessenvermittlung besteht im Falle der Umweltpolitik auch darin, daß die typischen Verursacherbranchen -Energiewirtschaft, Chemie-und Autoindustrie -infolge ihrer größeren Interessiertheit die Betroffenenseite an Lobby-und Vetomacht weit übertreffen. Selbst wenn man nur den innerstaatlichen Kontext nimmt (die internationale Wettbewerbs-situation also zunächst unberücksichtigt läßt), müßte sich darum gerade die Selektivität der umweltpolitischen Eingriffe als Regierungshindemis erweisen; hier liegt ein bezeichnender Unterschied des Umweltschutzes zu anderen Interventionsbereichen (z. B.der Sozial-und Arbeitspolitik 2. Die Erfolgschancen ökologischer Politik bestimmen sich insbesondere nach der Möglichkeit, belastende Verteilungsfragen aus der ursprünglichen Umwelt-Problematik herauszuhalten. Der Verweis auf die notwendige Trennung von Problemlösungs-und Verteilungsfragen darf dabei nicht so verstanden werden, daß eine solche Trennung im Bewußtsein der handelnden Akteure tatsächlich möglich ist. Dem steht -im Falle des Umweltschutzes -nicht nur die offenkundige Bedeutsamkeit der Verteilungsaspekte entgegen, sondern auch der Umstand, daß eine Verbindung von Verteilungs-und Problemlösungsfragen mitunter von der Sache selbst her geboten sein kann (wenn es z. B. um die Finanzierbarkeit bestimmter Maßnahmen geht). Wenn gesagt wird, Problemlösungs-und Verteilungsfragen müßten getrennt behandelt werden, ist vielmehr gemeint, daß Verteilungsinteressen der eigentlichen Problemlösung nicht entgegenstehen sollten. Zurückkommend auf den angenommenen umweltpolitischen Konflikt zwischen allokativen und distributiven Gerechtigkeitszielen heißt das, daß letztere im Umwelthandeln nur soweit integriert sein dürfen, als erreichbare Lenkungswirkungen und -erfolge darüber nicht verlorengehen
Ansatzpunkte hierfür ergeben sich bei einer konsequenten Überantwortung der Verteilungsfragen in den eigentlich zuständigen Bereich der Sozialpolitik. Im Falle der Steuer-und Abgabenlösungen würde dies etwa darauf hinauslaufen, ihre Gestaltung auf der Einnahmen-und Ausgabenseite jeweils unterschiedlichen Zielvorstellungen zu unterwerfen: Während auf der Einnahmenseite das umweltpolitische Verursacherprinzip handlungsleitend sein müßte, die Steuer-und Abgabenerhebung von distributiven Erwägungen also freizuhalten wäre, könnte auf der Ausgabenseite das erzielte Steueraufkommen anschließend mit dazu dienen, unbillige soziale Härten einer Abgaben-belastung aufzufangen und auszugleichen (durch Transferleistungen u. ä.
Daß Belastungen und Entlastungen dabei nicht deckungsgleich sein können, ist mit Blick auf das anvisierte (ökologische) Lenkungsziel offensichtlich. Dieses würde ja verfehlt, falls es den Adressaten einer Abgabe infolge nachträglicher Verteilungskorrekturen möglich wäre, ihr umwelt-belastendes Tun fortzusetzen oder wiederaufzunehmen. Das heißt aber: Selbst wenn die Umweltschutzkosten den Empfängern -durch Subventionen und/oder kompensatorische Steuersenkungen -anderweitig zurückgegeben werden, wie es etwa dem Modell einer Versöhnung von „Arbeit und Umwelt“ entspricht, wäre damit das Selektivitätsproblem der Umweltpolitik noch nicht ausgeräumt, änderte es an der Konfliktträchtigkeit des Ökologisierungsprojekts nur wenig. Für die staatliche Politik folgt daraus, daß sie die Möglichkeit von „problemübergreifenden“ Koppelgeschäften und Paketlösungen im Verhältnis der umwelt-politischen Akteure nicht leichtfertig abtun sollte. Gerade weil sich Verteilungsaspekte aus der Umweltpolitik nicht letztgültig ausklammern lassen, muß es am Ende darauf ankommen, „den prinzipiell leistungsfähigen Mechanismus von monetären Ausgleichszahlungen soweit wie möglich für die Erleichterung der Konsensbildung nutzbar zu machen“