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Nation im vereinigten Deutschland | APuZ 42/1994 | bpb.de

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APuZ 42/1994 Nation im vereinigten Deutschland Nationalismus -ein Alptraum? Die ungeliebte Nation. Gedanken zu einer immer noch aktuellen Diskussion Europa beginnt in Sarajevo. Gegen den Skeptizismus in der europäischen Wiedervereinigung Frankreich und Europa

Nation im vereinigten Deutschland

Brigitte Seebacher-Brandt

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Deutschen tun sich schwer mit der Nation, dabei ist sie eine Selbstverständlichkeit. Wegen des starken intellektuellen Widerspruchs meiden die führenden Politiker den Begriff wie der Teufel das Weihwasser. Die Autorin zeigt die vielfältigen Widerstände und die Unentschlossenheit der politischen Führung des Landes auf, sich zur deutschen Nation zu bekennen. Ist ein solcher orientierungsloser Nationalstaat ein zuverlässiger und stabiler Partner in der angestrebten europäischen politischen Union? Die Deutschen müssen sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß die Nation der natürliche Bezugsrahmen der Menschen ist, in den sie hineingeboren werden. Deutschland muß in die Normalität hineinfinden und sich bewußt werden, was neu ist und neu sein soll seit 1989. Die Nation ist keine statische Größe. Fünf Jahre nach dem Mauerfall ist die Frage nach der deutschen Nation nicht mehr die nach dem „Wieder“, sondern die nach dem Erneuerungswillen.

I.

Die Definitionen sind zahlreich und zeit-wie ortsgebunden. Über die Nationen der europäischen Gegenwart sagen sie wenig und über die deutsche Nation nichts. Geblieben von all den Deutungen ist der Name -Nation. Und sonst? Welcher Inhalt? Aber wer fragt nach Inhalt, wenn die Form nicht feststeht und auch nicht feststehen soll. Über die deutsche Nation wird immer noch einmal nachgedacht. Ob sie sein müsse oder nicht sein dürfe, ob sie normal sei oder etwas Besonderes, ob das Unheil ihr anhänge und sie besser in Europa aufgehe; auch fi^nf Jahre nach dem Mauerfall ist der Fragen kein Ende. Die Nation wird gerechtfertigt, und sie wird bestritten. Nur eines widerfährt ihr nicht -ein selbstverständlicher Umgang. Politiker meiden, mit wenigen Ausnahmen, den Begriff. Und mit dem Begriff die Sache? Von der Nation zu reden ziemt sich nicht. Es ziemt sich solange nicht, wie ihr Klang künstlich ist und es niemand unternimmt, die Nation auch in Deutschland zur natürlichsten Sache der Welt zu machen. Es sei gleichgültig, welche Namen in Umlauf seien? Nein, was ist, muß benannt werden. Alles andere ist Flucht vor der Gegebenheit. Und Flucht hat noch nie zu Gutem geführt

Die Selbstverständlichkeit, mit der im Jahr 1990 die nationale Einheit ins Werk gesetzt wurde, hat sich verflüchtigt. Es wird doch nicht Einbildung gewesen sein, was damals Tatsache war? Die überwältigende Mehrheit der Deutschen in Ost und auch in West wünschte, daß die sich bietende Gelegenheit genutzt und die Einheit hergestellt werde. Was geschah, geschah wie von selbst. Die Bedenkenträger und die Konstrukteure, die, wenn überhaupt, langsam machen und Übergänge schaffen wollten, hatten keine Chance. Der Vorgang aber hat sich nicht eingeprägt als einer, der sein mußte und der, so wie er war, gilt war. Oder ist alles Rhetorik und ohne Substanz, was sich derzeit festsetzt?

Als nach dem Zusammenbruch 1945 die Sowjets darangingen, ihre Besatzungszone dem Imperium einzuverleiben und den Bewohnern ihr Herrschaftssystem aufzunötigen, glaubte man im Westen, der Spuk werde früher oder später vorübergehen, und sprach von „Wieder“ -Vereinigung. Das Wort kam in Gebrauch und behauptete sich über die Zeitläufe hinweg. 1989 und 1990, als der Ernstfall eintrat, sehr verspätet und allseits überraschend, war es in fast aller Munde. Gewohnheit oder auch die Illusion, daß sich ohne Not zusammenfügen lasse, was schon einmal da war? Die Bequemlichkeit, die zumal im Wohlstand der achtziger Jahre gewachsen war, auch die Überheblichkeit, alles kaufen zu können, wog nicht wenig, als es galt, zwei ungleiche Teile zusammenzuführen. Den westlichen Neigungen zur „Wiedervereinigung entsprachen die östlichen Vorstellungen von der „Wende“. Der Wunderglaube, es werde alles „wieder“ gut und nirgends brauche es einen Durchgriff, nährte sich aus der Vergangenheit und der Unlust, sich auf nationales Neuland zu wagen

Weite Kreise hatten die „Wiedervereinigung“ aus ihrem Wortschatz gestrichen. Es waren jene Kreise, die in der De-facto-Anerkennung der DDR deren höhere Weihe sahen und sich für überhaupt keine Einigung mehr erwärmen mochten. In der Regierungserklärung von 1969, dem Gründungsdokument der Deutschland-und Ostpolitik, wurde die Wiedervereinigung nicht erwähnt, die Nation und ihr Zusammenhalt dafür um so mehr Diese Politik aber hatte von Anbeginn an viele Gesichter. Wo der nationale Bezug sich, unter dem Einfluß der Studentenbewegung und auch sonst, verloren hatte, erwies sich, als die Mauer fiel. In der Linken, auch im linken Liberalismus war eine auf Bewegung angelegte Politik in der Verabsolutierung des Status quo erstarrt und ein sozialisti­ scher Separatismus zu Ehren gekommen. Insoweit lag 1989 die linke Negation nationaler Einheit in der Logik zweier vorangegangener Jahrzehnte. Daß seither kein Kurswechsel eingeleitet worden ist, daß das Ja immer noch nicht vor dem Aber steht und die Rechthaberei triumphiert, entzieht sich allerdings der rationalen Erwägung. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums, dort, wo die Deutschlandpolitik erst prinzipiell bekämpft und sodann pragmatisch weitergeführt wurde, überlebte das Wort von der Wiedervereinigung den Wandel der Zeiten. Ein revolutionäres Ereignis erhielt ein konservatives Attribut.

Tatsächlich konnte nichts werden, wie es war, und gerade Willy Brandt, die Einheit der Nation im Blick, sagte schon am Tag nach dem Mauerfall, dem 10. November 1989: „Nichts wird wieder so, wie es einmal war.“ Die Herausforderung, einen totalitär verfaßten und materiell heruntergekommenen Teilstaat zum integralen Bestandteil eines freiheitlichen und reichen Landes zu machen, war ohne Beispiel in der Geschichte und ohne Beispiel sonstwo in der Welt. Alles, was benötigt wurde, um der Aufgabe gerecht zu werden, war neu -ob man es wahrhaben wollte oder nicht. Aber auch drei historische Gründe ließen es geboten erscheinen, dem „Wieder“ in der Vereinigung abzwchwören. Erstens ist das Territorium, das die alte Bundesrepublik und die ehemalige DDR bilden, um ein Drittel kleiner als das einstige Deutschland; die Ostgebiete sind unwiederbringlich verloren. Zweitens lebt die parlamentarische Demokratie, und daß sie die Staatsform des vereinten Landes bleibt, ist so sicher, wie etwas sicher sein kann in dieser Welt; die marktwirtschaftliche Ordnung steht nicht in Frage. Drittens hat die europäische Integration unverrückbare Zeichen gesetzt. An ihr teilhaben heißt, Souveränität einschränken. Und wer wollte nicht an ihr teilhaben? Auch Deutschlands östliche Nachbarn, die insoweit die Konstanten der Mittel-lage aufheben. Die weltwirtschaftliche Verflochtenheit und die Internationalität auch deutscher Konzerne tun ein übriges, um die alte Frage nach der Nation neu zu stellen. Deutschland ist klein geworden. Doch die Rede geht ständig vom Gegenteil und ist Anlaß, das Rätsel der deutschen Identität weiterzuspielen. Aus Gewohnheit und Furcht vor dem Neuen? Aus Spaß? Welchem Spaß? Nietzsche sei in Erinnerung gerufen, der wußte: „Es gibt einen Grad von Schlaflosigkeit, von Wiederkäuen, von historischem Sinn, bei dem das Lebendige zu Schaden kommt und zuletzt zugrundegeht.“

II.

Sich zu quälen kann lustvoll sein. Und lustvoll ist, was wir immer und immer wieder mit der eigenen Nation anstellen, auch anstellen lassen. Kein Deutscher verfiele auf die Idee, einen Franzosen zu fragen, wie er es mit der Nation halte. Umgekehrt sind wir jederzeit bereit, in uns zu gehen und Antwort zu suchen auf diese eine Frage; dabei wird sich noch entschuldigt -für die Größe und die Stärke des Landes, die Lage, die Geschichte, die Einheit und überhaupt. Fünf Jahre nachdem die innere Grenze fiel und vier Jahre nachdem die staatliche Einheit vollzogen wurde, ist das Spiel mit der deutschen Nation beliebter denn je und ein Ende nicht abzusehen. Aber werden ihm irgendwelche neuen Seiten abgewonnen? Nation und Nationalismus werden munter durcheinandergeworfen; der Nation wohne, so die Unterstellung, die Katastrophe immer schon inne. Aber wenn das Pendel zu lange ^n einem Extrem verharrt, ist der Umschlag ins andere Extrem früher oder später gewiß. Intellektuelle Versuche, die Nation aus Zeit und Raum herauszulösen und zu einer statischen Größe zu machen, sind bislang in kümmerlichen Ansätzen steckengeblieben. Stilisiert wurden sie, weil die linken Klischees nur mit Hilfe der rechten Gespenster gedeihen. Und sind sie nicht leibhaftig, so muß man sie erfinden. Was die Klischees angeht: Eigene Kraft steckt nicht darin, wohl aber jede Menge konservativen -rückwärtsgewandten -Gedankenguts. Die Zeiten, in denen Restauration rechts war, sind spätestens seit dem Vollzug der deutschen Einheit vorbei.

Die Reden und die Schriften reichen nicht? Anlässe werden auch sonst gesucht und gefunden, wenn nachzuweisen ist, daß die Geister der Vergangenheit wieder umgehen und die Nation nichts nutzt. Aber Neonazis sind eine quantitä negligeable und eine Angelegenheit für die staatlichen Ordnungskräfte, vorausgesetzt, diese werden geführt und eingesetzt, wie es der Ordnung entspricht. Nichts steht hinter ihnen, keine Idee, keine Bewegung, keine Partei, die auf Zuspruch rechnen könnte. Die Lust an der totalen Provokation nährt eine Gesellschaft, in der die braune Vergangenheit immer aufs neue in die Gegenwart verlängert wird. Auch insoweit wäre der Verzicht auf das „Wieder“ in der Vereinigung geboten gewesen. Das „Wieder“ legt Kontinuitäten nahe, die keine sind und keine sein dürfen. Das Wechselspiel um die antinationalen Klischees zu beenden und die Nation hinzunehmen als das, was sie ist, nämlich selbstverständlich, und darüber zur Tagesordnung überzugehen, kommt auch dem Bundeskanzler nicht in den Sinn. Anläßlich der fünfzigsten Wiederkehr des 20. Juli, des Tages, an dem das Attentat auf Hitler scheiterte, hütete er sich, das Wort zu verwenden. Weder sprach er von dem nationalen Verrat, gegen den die Verschwörer sich wandten, noch von der nationalen Ehre, die sie retten wollten. In dem Streben, „zu ethischen Werten und Maßstäben“ zurückzukehren, und einem „Akt sittlicher Selbstbehauptung“ aber ging der Widerstand nicht auf, weder der kleine noch der große, weder der der Arbeiter noch der des Adels oder des Militärs. Dem nichtkommunistischen Widerstand war ein nationales Bild von Deutschland eigen. Wer davon nicht reden will, bezieht seine Gründe nicht aus der Geschichte, sondern aus der Gegenwart. Helmut Kohl hatte 1989/90 die Gunst der Stunde erkannt und die nationale Einheit ins Werk gesetzt; von eben dieser sprach er am 19. Dezember 1989 in Dresden. Hätte er Skrupel gehabt und gezögert, wer weiß, wann die Gelegenheit wiedergekehrt wäre. Doch nicht alles, was geschieht, wird auch auf den Begriff gebracht. Und nicht jeder, der das Richtige tut, ist willens und fähig, es zu erklären, schon gar nicht dann, wenn die Gegenwehr groß ist. Und die Gegenwehr ist groß, nicht unbedingt der Zahl nach, aber in den intellektuellen Milieus und den meinungsmachenden Medien. Es ist nicht leicht, gegen sie zu regieren. Aber Regieren ist nie leicht gewesen und hat immer mit Führen zu tun. Durch die Auferstehung der Kommunisten hat sich das anti-nationale Klima noch verstärkt. Ein Vakuum füllt immer der, der es füllen will.

Was den 20. Juli angeht und den deutschen Widerstand, für den dieser Tag steht, sein Bild von der Nation war unbefleckt geblieben. Es war das Bild von dem einen und freien Deutschland. Wie sonst hätten die, die überlebten, ihre Kraft in den demokratischen Aufbau gesteckt und in die Überwindung der Teilung? Die Zuordnung des Wortes Nation im Nachkriegsdeutschland, hüben wie drüben, lohnte einmal eine eigene Betrachtung. Wer irgend dem Widerstand verhaftet gewesen war, nutzte es. Auch die drei ersten Vorsitzenden der Nachkriegs-SPD nutzten es; aus ihrem Sprachgebrauch ist es nicht wegzudenken. Sie alle haben sich und ihresgleichen auch nie als Antifaschisten begriffen, sondern als Antinazis. Aber lebendig ist nicht das Erbe des Widerstandes, sondern das des Antifaschismus. In seinem Namen wurde in Ost und in West die Teilung erst hochgehalten und dann über ihr Ende hinaus verlängert. In seinem Namen wurde die DDR erst heilig und dann selig gesprochen. Die Nutznießer des östlichen Herrschaftssystems und die, die es hätten werden können, die Ideologen und die Schwärmer und die ewig Unzufriedenen bilden einen um so mächtigeren Bund, als sie in Ost und West beheimatet sind und wie kommunizierende Röhren wirken. Ein antifaschistischer Konsens ist heute die Klammer, die besteht zwischen Demokraten und Anhängern der alten Herrschaft, den offenen wie verkappten. Die Parteinahme für die Demokratie wird gemieden und nur negativ gegen den Faschismus gekehrt Das antifaschistische Signum enthebt der Anstrengung des Begriffs und des positiven Bekenntnisses. Auf diesem Humus gedeiht die PDS. Stimmen bekommt sie nur im Osten, aber gemacht werden sie, stimmungsmäßig, auch im Westen.

Was dies mit der Nation zu tun hat? Die PDS trägt mit der kommunistischen Erbschaft auch die der Spaltung in sich. Weit über die unmittelbare Anhängerschaft hinaus werden beide Erbschaften gepflegt, ununterscheidbar. Wer sie abtragen -delegitimieren -will, muß den Mut aufbringen, nicht nur von der Demokratie zu reden, sondern auch von der Nation und dem Neuen, das sie mit sich bringt. Die Repräsentanten jenes mit Schimpf untergegangenen Staates konnten überhaupt nur wieder zu Ehren kommen, weil viel zuviel zurückgeblickt und die Vergangenheit viel zu weit in die Gegenwart verlängert wurde. Oder sollte genauer von den Vergangenheiten gesprochen werden? In gleichem Maße, in dem man meinte, die braune Diktatur in Gestalt von rechtem Extremismus verlebendigen zu müssen, wurde die rote Diktatur in den Schein des Bewahrenswerten gerückt. Die Redensarten, daß die DDR doch nicht so schlecht gewesen sein könne und die Teilung, Folge des verfehlten Ansatzes, sich nicht abschwäche, sondern eher noch vertiefe, spiegeln das Wunschdenken wieder. Es wird hauptsächlich dort verbreitet, wo zuvor die Einheit wenig oder nichts galt. Das Bild von der Mauer in den Köpfen hat sich festgesetzt. Eine Sinnestäuschung? Der Wille, die nationale Einheit zu vollenden, ist vielleicht vorhanden. Aber an welche Vorstellung ist er gebunden? An die von gestern und von vorgestern? Ein in sich einiges und modernes Land, seiner selbst gewiß und deshalb weltoffen, macht sich nicht von selbst und erst recht nicht dadurch, daß west-östliche Angewohnheiten summiert werden.

III.

Was die Sache von 1989 angeht, die soviel Stoff für immer die gleiche Erörterung liefert, die deutsche Einheit ist das Ergebnis von Selbstbestimmung gewesen. Die große, die überwältigend große Mehrheit der Deutschen in der DDR hat, unter dem Beifall der Welt, von diesem Recht Gebrauch gemacht, als die Umstände und die Sowjets es zuließen. Die Westdeutschen waren, ebenfalls in ihrer großen Mehrheit, vollkommen einverstanden. Und dann hätten sie hinterher nicht wissen sollen, was damit anzufangen ist? Das Gedächtnis ist kurz, und in der Mediengesellschaft, deren Gesetze längst auch im Osten in Gültigkeit sind, zählt der Augenblick. Aber sich treiben lassen vom Augenblick, von einem zum nächsten? Art und Tempo der Vereinigung waren aus dem Volk heraus bestimmt worden. Lange Übergänge oder gar eine gespaltene Wirtschaft innerhalb eines Staates blieben Hirngespinste und ohne realen Bezug. Die Einheit, die sich vollzog, war eine Einheit von unten, ihr Gestalt gegeben zu haben das Verdienst der politischen Führung. Daran darf erinnert werden, wenn immer noch einmal unterstellt wird, es sei alles falsch gemacht und alles falsch versprochen worden. Aber diese Mahnung verlangt Mut und Meinung. Den Mut zu sagen, daß es, so wie es war, gut war, und die Meinung, daß damals der Grund gelegt wurde und es nun nie mehr um das Ob geht, sondern um das Wie; wie sich die demokratische Nation findet und zurechtfindet. Das Geschehen der Einheit geht über in die Zukunft. Auf diesem Übergang sind große und kleine Fehler gemacht worden, solche aus Leichtsinn und Unwissenheit, auch solche aus gutem Glauben, aus Hochmut und Bequemlichkeit. Wie hätte es anders sein können in der Folge eines einmaligen Umbruchs? Aber Fehler sind dazu da, daß sie korrigiert werden oder zumindest in ihren Auswirkungen abgemildert -den politischen Willen vorausgesetzt, den Über-gang so kurz wie möglich zu halten und der Erneuerung des Ganzen Raum zu geben.

Fehler haben sich von Anfang an eingestellt. Weder der Wechselkurs, der der Währungsunion zugrunde lag, noch die Eigentumsregelung waren der Inbegriff ökonomischer Weisheit. Daß westdeutsche Alteigentümer die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs rückgängig machen und eine Heerschar von Anwälten und Agenten in Lohn setzen konnten, ist kein Zeichen von Erneuerungswillen gewesen; den Schnitt zu machen, hätte die Verfassung erlaubt, dies hätte den Aufbau erleichtert und üble Machenschaften nicht mehr begünstigt als die Rückgabe. Daß alle Rechts-, Verwaltungs-und Verfahrensvorschriften des Westens übertragen wurden und nun auch der Osten überreguliert ist, fällt in die Rubrik Fehler aus Bequemlichkeit. Die Einheit zum Anlaß einer eigenen Entschlackungskur zu nehmen und sie damit zu beschleunigen, fand der Westen bisher nicht angezeigt. Die Abneigung gegen den Wandel war groß und die Angleichung der Lohn-, Sozial-und Subventionsniveaus Ausfluß der Eigensucht. Neues im Osten hätte, Einheit verpflichtet so oder so, Rückübertragungen nach Westen zur Folge gehabt.

Aber weder die großen Sünden noch die kleinen Fehler, die ein so umwälzendes Ereignis nach sich ziehen muß, stellen das Prinzip in Frage oder heben es gar auf. Die nationale Einheit herzustellen war das Gebot jener Augenblicke 1989 und 1990. Zum erstenmal wuchs zusammen, was auch in Deutschland zusammengehört -Demokratie, Staat und Nation. Deshalb bleibt von vergiftender Wirkung, wenn immer wieder das Prinzip geprüft, das Wesentliche mit dem Unwesentlichen vermengt wird und es schick ist, das Ganze zu hintertreiben. Nichts, was in der Folge eines Ereignisses geschieht, ist unumkehrbar oder wenigstens unabwendbar. Die normative Kraft des Faktischen ist stark. Ist sie stark genug, die vielen zentrifugalen Kräfte zu bannen? Wirkung entfaltet sie ohnehin nur, wenn der Wille zu der einen Nation bekundet wird. Nationale Selbstgewißheit aber ist kein Ruhekissen und schließt Modernität nicht ohne weiteres ein. Aber ohne sie? Was geht ohne sie?

Die Einheit von 1870/71, jene, die von oben vollzogen wurde, legt keinerlei Parallele nahe. Oder? Die Sache mit dem Pendelschlag bleibt sich immer gleich, und deshalb muß bedacht werden, daß ein inneres Gleichgewicht sich nie von selbst ergibt. Zwanzig Jahre nach der Reichsgründung, 1891, schrieb Georg von Vollmar, den man den königlich-bayerischen Sozialdemokraten nannte, seiner Partei ins Stammbuch: „Bei freier Wahl hätten wir die deutsche Einheit sicherlich ganz anders gestaltet. Aber nun sie einmal so und nicht anders geworden, sollen wir nicht unsere Kraft in unablässigen, unfruchtbaren Erörterungen des Vergangenen vergeuden, sondern uns auf den Boden der Tatsachen stellen und unser Bestreben darauf richten, die Mängel jenes Werkes nach Kräften zu bessern.“ Und er fügte hinzu: „Vermeiden wir ebenso die nationale Überhebung wie das Zerrbild, die Verneinung der Nation und die Selbstbeschimp­fung.“ Alles war anders damals. Und für unfruchtbare Erörterungen mochte es Grund gegeben haben. Aber heute?

Das Land zwischen Elbe und Oder hat sich gewandelt, und zwar zum Guten, und den meisten Bewohnern geht es besser, weit besser, als es ihnen in der Zeit der Teilung je gegangen ist. Die innere Grenze bleibt sichtbar, wie anders nach nur vier Jahren. Aber daß sie schwindet und mancherorts im Osten das modernere Deutschland entsteht, kann jeder sehen, der Augen hat zu sehen, und jeder hören, der Ohren hat zu hören. Will aber jeder sehen und hören? Und wer hat den Mut, die Maßstäbe zu benennen? Auch nur davon zu reden, daß eine Nation nicht erst dann eine ist, wenn alle Ungleichheiten beseitigt und alle nett zueinander sind, ist schon Verrat am herrschenden Geist. Die Nation, die eine ist und sein Will, hält innere Spannungen aus. Aber vielleicht wird innere Uneinheit, ob tatsächlich vorhanden oder eingebildet, auch nur hochstilisiert, um das Ressentiment und die Rechthaberei pflegen zu können? Der Wille zur Nation schließt den Willen zum inneren Wandel ein. Und an dem scheint es hauptsächlich zu fehlen. Gemessen an der Größe der Aufgabe ist die Einheit auf den richtigen Weg gebracht. Ob er zu Ende gegangen wird, bleibt eine offene Frage. Der Schlüssel zum Verständnis der Nation ist ihr innerer Zustand. Die Nation ist kein abstraktes Wesen und an sich weder zum Guten noch zum Bösen gemacht. Hitler ist 1933 nicht an die Macht gekommen, weil Deutschland ein Nationalstaat war und die Geschichte es so vorgesehen hatte, sondern weil der Grund, in dem die Demokratie ruhte, brüchig war.

Es ist bisher objektiv gutgegangen, und dennoch bleibt das Gerede, daß es gerade nicht gutgehe, mächtig. Es wird weiter herumgestochert in der inneren Einheit und der Schwierigkeit, diese zu vollenden. Was sie sein und wohin sie führen soll? Daß sie sich in der Angleichung gegenwärtiger Verhältnisse nicht erschöpft, wird jetzt, nach der Wahl, ans Licht kommen. Und dann wird sich rächen, daß die Einheit in der bloßen Verteidigung des Guten und der Fortschreibung des Status quo steckengeblieben ist. Die anhaltende Verweigerung aller, denen die Richtung nie gepaßt hat und denen sie weiterhin nicht gefällt, ist nur die eine Seite der Einheit, jene Seite, die bisher im Mittelpunkt gestanden und die Debatte geprägt hat. Daher kommt es auf die andere Seite künftig mehr denn je an. Über den Fortgang der Dinge wird dort entschieden, wo diese gewollt waren und werden. Der Fortgang aber ereignet sich nicht von selbst. Und Schulterklopfen ist selten ein Zeichen von Stärke, Selbstvertrauen und Zukunftswillen. Die stündlichen Wetterberichte werden seit kurzem mit den Hinweisen angereichert, daß diese oder jene Regenwolke rheumatische Beschwerden und dieser oder jener Kälteeinbruch Kopfschmerzen verursachen könne und dieser oder jener Ozon-wert es geraten sein lasse, jedwede Betätigung einzustellen. Über eine Nation, die keine sein will, sagt die Lust am Leid ebensoviel aus wie die Abwehr gegen eine Hauptstadt und einen Umzug. Sich zu bewegen, und sei es von einem Ort zum anderen, ist immer noch nicht als Selbstverständlichkeit an der Tagesordnung. Zeichen von Dekadenz sind unübersehbar, in allen Teilen des Landes und auf mehr als einer Ebene. Östliche Klagen, die laut und larmoyant vorgetragen werden, haben mit westlichen Selbstgefälligkeiten etwas gemeinsam: Das Risiko ist gering. Ressentiments kultiviert, wer sie sich leisten kann. Sie entstammen der Gewißheit, daß erstens der Weg zurück doch nicht eingeschlagen werde und zweitens der Westen für alles aufkomme. Dieser entspricht der Erwartungshaltung. Die Bereitschaft, sich jederzeit ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen, ist ungebrochen. Daß man nicht genügend Rücksicht -darin steckt der ewige Blick zurück -nehme und nicht genügend Nachsicht übe, ist auch eine gängige Redensart, die ins allgemeine Bild paßt. Der Glaube, daß die Reserven unerschöpflich seien und man lange von der Substanz leben und geben könne und man im übrigen nur nett sein müsse, herrscht noch immer vor. Gutgegangen ist es bisher, weil die Reserven soviel hergegeben haben und niemandem, nicht einmal den Übeltätern von einst, wirklich wehgetan wurde. Die anti-demokratischen Strukturen zu zerschlagen und ihren Wiederaufbau zu verhindern, genügt eine Aktenbehörde nicht. Die Einheit wird vollzogen, wie die Revolution es vorgegeben hat -sanft und weich und voller Nachsicht. Insoweit erinnert der Umgang mit der Vergangenheit weit eher an die Frühzeit der Weimarer Republik als an das Jahr 1945. Damals, nach dem Ersten Weltkrieg, war Absicht im Spiel, und die demokratische Gegenwehr blieb stecken. Nach dem Ende der Nazidiktatur wollte niemand zurück, und Aussöhnung auf demokratischem Grund war leicht. Und heute, nach dem Ende einer anderen Diktatur? 1990 war man aus gutem Grund guten Glaubens. Wie hätte man sich vorstellen sollen, daß in einer Demokratie, die sich bewährt hatte und in der die große Mehrheit leben wollte, das diktatori­sehe SED-Erbe verklärt und benutzt wird, um Macht zu retten und sie sogar wieder aufzubauen? Eine Angelegenheit der Nation? Ein in sich gespaltenes Haus, so sagte Abraham Lincoln vor dem Bürgerkrieg, könne keinen Bestand haben. Aussöhnung ist alles, vorausgesetzt, der Grund, in dem das Haus -die demokratisch verfaßte Nation -ruht, ist fest. Aussöhnen mögen sich die, die auf diesem Grund stehen.

IV.

Die deutsche Nation lebt, und sie lebt weiter wie andere Nationen auch. Die Nation bleibt der natürliche und normale, der selbstverständliche Bezugsrahmen der Menschen, die in sie hinein-geboren werden. Nach allem, was es sich und der Welt angetan hat, ist Deutschland in die Normalität eingekehrt. Eine Normalität, in die andere Nationen auf ihre je eigene Weise haben finden müssen. Noch niemand hat gesagt, was sein soll ohne solche Normalität. Vielleicht etwas Besonderes? Und wie soll Europa gedeihen, wenn seinen Nationen Normalität zugesprochen wird und nur der einen nicht?

Von Europa und dem Westen ist viel die Rede, wenn die deutsche Nation und deren Normalität negiert werden. Die Schwüre, die auf Europa getan werden, sind ebenso leer und langweilig geworden wie die Absagen an die deutsche Nation. Warum einen solchen Gegensatz konstruieren? Weil der Ausflüchte noch nicht genug sind? Nur um den Preis sofortigen Niedergangs könnte auf den Fortgang der europäischen Integration verzichtet werden. Aber Stillstand hieße Rückschritt, und ein Binnenmarkt ohne die Perspektive der gemeinsamen Währung wäre Rückschritt. Nationale Identität ist keine feste Größe in ewig unwandelbarer Form und ein Geldstück niemals unveräußerlich.

Deutsche Identität schließt heute den europäischen Bezug ein, aber darin aufgehen wird sie so-wenig wie die einer anderen Nation. Die Chance einer neuen ökonomischen, auch technologischen Dynamik verstreichen zu lassen fällt stets nur dem ein, dem es zu gut geht. Geht es uns und unseren Nachbarn zu gut? Es hat bisweilen den Anschein, und tatsächlich ist die Frage des Niedergangs längst keine nationale mehr, sondern eine europäische. Was heute in Europa normal ist, reicht nicht, damit seine nationalen Teile, seien sie nun deutsch, französisch oder sonstwas, in dieser Welt bestehen. Die Zeichen des Niedergangs sind diesseits und jenseits des Rheins einander ähnlich. Vieles ist alt geworden, mit und ohne die Herausforderung einer nationalen Einheit, und hier wie dort werden große Anstrengungen gemacht, das Alte zu bewahren. Eine Garantie gegen den Niedergang ist Europa, so wie die Welt geworden ist, längst nicht mehr. Aber die europäische Einigung eröffnet, ökonomisch, schließlich auch politisch und zumal unter den Kernländern, viele Möglichkeiten, so viele wie keine Nation, auf sich allein gestellt, je hätte. Allerdings steht Deutschland, herausgefordert durch die Einheit, unter dem ideellen und materiellen Zwang zur Erneuerung, der weit stärker ist als in irgendeinem anderen europäischen Land. Wenn wir uns diesem Zwang endlich beugen, werden viele mitgezogen werden. Europa hätte den Nutzen -und umgekehrt. Ein großes Land hat immer, ob es ihm und anderen gefällt oder nicht, eine große Verantwortung. Dämonen zu beschwören lohnt auch deshalb nicht mehr. Insoweit ist die Renaissance nationalen Denkens, ob eingebildet oder gegeben, ebenso rückwärtsgewandt wie die Flucht aus jenem Denken. Der Unterschied liegt einzig in der Zahl der Jahre und Jahrzehnte, die zurückgedacht wird.

Dieses Europa wird auf dem Weg der Einigung nur fortschreiten und sich in der Welt behaupten, wenn das größte, stärkste, mittendrin liegende Land sein Gewicht einbringt und sich nicht länger entschuldigt für seine Größe, Stärke und Lage. Um sein Gewicht einbringen zu können, muß man sich dessen bewußt sein. Sind aber die rhetorischen Bemühungen, Deutschland einen Platz im Kreis der Weltmächte zu sichern und einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu erhalten, nun Zeichen der Besserung? Was aussieht wie Selbstgewißheit ist in Wahrheit Selbsttäuschung und Ausdruck eines peinlichen, von Unsicherheit zeugenden Provinzialismus. Fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs gibt es keine Siegermächte mehr. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist ein Anachronismus, der aber nicht dadurch behoben wird, daß die Besiegten von damals aufschließen. Wenn die UN Gutes bewirken sollen in der Welt, muß ihr höchstes Gremium diese widerspiegeln. Die Reform ist überfällig, aber ausrichten wird sie sich nicht am Prinzip von einstigem Sieg oder einstiger Niederlage, sondern an dem gegenwärtiger Regionalisierung. Nicht nur Deutschland ist klein geworden. Die Regionen der Welt werden, in welcher Form auch immer, repräsentiert sein. Europa ist eine von ihnen. Ihm eine Stimme zu verleihen, wäre jede, auch jede deutsche Anstrengung wert, wenn nötig gegen dieeuropäischen Mächte, die sich aus der Vergangenheit so gar nicht lösen mögen. Die Politische Union fordern und sie zugleich hintertreiben, steht einer Nation, die eine sein will, nicht gut an. Und überhaupt, wenn Europa sich nicht einmal über eine gemeinsame Vertretung nach außen verständigen kann, worüber denn dann?

Was für die europäische Bestimmung gilt und die abgestandenen Redensarten, die darum gemacht werden, gilt erst recht für das Verhältnis zum Westen. Es wird strapaziert, als sei die Welt die von 1914 oder die sonst einer untergegangenen Epoche. Der Westen ist dort, wo Demokratie ist, und im übrigen eine geographische Größe. In seine Organisation streben Nationen, die im Osten liegen. Wer sonst wenn nicht Deutschland, geographisch hier wie dort zugehörig, soll diesen Drang befördern helfen? Der deutsche Kleinmut nutzt niemandem, nicht dem Land und seiner Demokratie, nicht dem einen Europa, nicht der westlichen Gemeinschaft, die ihre eigenen Grundsätze in dem Maße verrät, wie sie Völker hindert, sich diese zu eigen zu machen. Und was den Kleinmut anbelangt -wenn die Selbsteinschätzung nicht stimmt, kann er jederzeit in Hochmut Umschlagen; das Beispiel der Vereinten Nationen ist lehrreich.

Deutschland oder Europa? Das eine nicht wollen heißt, das andere verfehlen und umgekehrt. Ohne die europäische Perspektive ist Deutschland nichts mehr. In einem der vielleicht nachdenklichsten Bücher über die deutsche Einheit hat der Philosoph Manfred Riedel das Selbstverständliche der deutschen und zugleich der europäischen Einheit in eins gefaßt: „Wir bewohnen wieder ein Land, das uns aufgegebene Deutschland, das uns so , gegeben ist, wie es für die Italiener ein Italien, für die Polen ein Polen, für die Franzosen ein Frankreich, für die Norweger ein Norwegen gibt; Dinge, die sich unseren Nachbarn im Süden und Norden, im Westen und Osten von selbst verstehen, während sie uns ungewöhnlich erscheinen. Wider unsere Gewohnheit und Vorliebe für die Ausnahme, gegen unser Verliebtsein ins Scheitern und den leidigen Hang zum Besonderen, Unnormalen haben sich die strittigen Dinge in der Mitte Europas zum Guten gewendet, so daß wir nichts mehr zu haben scheinen, was uns von den anderen Völkern abheben könnte. Endlich sind wir dabei, aus unserer gewohnten Sonderrolle herauszufinden und zu einem europäischen Mitvolk zu werden. Nachdem wir ein Vaterland haben, gilt es wieder zu erkennen, was unsere großen Denker von Kant über Fichte bis hin zu Nietzsche erkannt haben: daß die Europäer im Wesen alle nur ein Volk sind.“

Die Schwierigkeiten, in unserer nach-industriellen Mediengesellschaft eine Aufgabe zu lösen, die klare Vorgaben und harte Entscheidungen erfordert, sind groß. Der Vorrat an Geld und gutem Willen ist nicht unerschöpflich. Wenn er erschöpft ist, was dann? Die Frage bleibt offen und das Urteil, daß die Dinge in der Mitte Europas sich „zum Guten gewendet“ haben, vorläufig. Die Reden und die Schriften über die Nation bewegen einen kleinen Kreis von Eingeweihten. Einem breiten Bedürfnis entstammen sie nicht, weder wenn ein Hoch ausgebracht noch wenn das „Nieder“ geschrien wird. Der Eindruck des Bemühten verwischt sich weiterhin nicht. Und so mag es denn sein, daß der Lärm längst nicht mehr den Gegebenheiten entspricht, daß auch die deutsche Nation den Charakter des Selbstverständlichen angenommen hat und lediglich das Artikulationsvermögen fehlt. Doch was nicht benannt wird, kann sich auf Dauer auch nicht von selbst verstehen. Ein Begriff, der vorhanden ist, bedarf der Bestimmung, andernfalls er auf einen alten Boden fallen wird, einen Boden, auf den er nicht fallen soll. Die Frage nach der deutschen Nation ist, fünf Jahre nach dem Mauerfall, die Frage, wie neu das neue Deutschland geworden ist und wie neu es sein will.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zu den Ausnahmen zählt Wolfgang Schäuble, auch wenn die Bestimmungen, die er der Nation gibt, sehr konstruiert sind und parteipolitisch eingefärbt. Vgl. Wolfgang Schäuble, Und der Zukunft zugewandt, Berlin 1994.

  2. In einem Vortrag am 4. Juli 1994 in Berlin hat der sächsische Justizminister, Steffen Heitmann, festgestellt: „Maßgebliche Kräfte des Ostens wollten überleiten und nicht erneuern. Und -in anderem Sinne -maßgebliche Kräfte des Westens wollten einfügen und nicht erneuern. Beiden Kräften konnte eine selbstkritische Besinnung nur hinderlich erscheinen.“ Vgl. Steffen Heitmann, Die Revolution verkommt zur „Wende“, in: FAZ vom 2. September 1994.

  3. Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969, in: Bundeskanzler Brandt. Reden und Interviews, hrsg. vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung, Bonn 1971, S. 13-30.

  4. Willy Brandt,... und Berlin wird leben, in: Willy Brandt, „... was zusammengehört“. Über Deutschland, Bonn 1993, S. 38. Den Satz variierte Willy Brandt 1990 viele Male.

  5. Vgl. bes. das Kapitel „Lebenslüge Antifaschismus“, in: Klaus Rainer Röhl, Linke Lebenslügen. Eine überfällige Abrechnung. Berlin 1994.

  6. Zit. nach Reinhard Jansen, Georg von Vollmar. Eine politische Biographie/Düsseldorf o. J. (1958), S. 40.

  7. Manfred Riedel, Zeitkehre in Deutschland. Wege in das vergessene Land, Berlin 1991, S. 210.

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Brigitte Seebacher-Brandt, Dr. phil., geh. 1946; Studium der Germanistik und Geschichte an der FU Berlin; journalistische Arbeit für Rundfunkanstalten und die Wochenzeitung „Berliner Stimme“, deren Chefredakteurin von 1972 bis 1977; Tätigkeit in der Pressestelle beim Parteivorstand der SPD; zur Zeit als Publizistin tätig. Veröffentlichungen u. a.: Ollenhauer, Berlin 1984; Bebel, Bonn 1988; Die Linke und die Einheit, Berlin 1991; zahlreiche Zeitungs-und Zeitschriftenbeiträge zu historischen und aktuellen Themen.