I. Einleitung
Die notwendige Diskussion über das Verkehrssystem des 21. Jahrhunderts leidet allzu oft unter verfestigten Positionen. Entwürfe greifen entweder zu kurz, weil sie sich lediglich im dominanten „technologischen Paradigma“ bewegen, oder sie greifen zu weit -in der zeitlichen Perspektive weil sie die fundamentalen Entstehungsgründe für die derzeitige und absehbare Verkehrsentwicklung in unserer Gesellschaft ignorieren. Insbesondere pauschalierende Forderungen nach umfassender „Verkehrsvermeidung“ als verkehrspolitischer Leitkonzeption berücksichtigen nicht hinreichend die Realisierungsvoraussetzungen und -folgen eines solchen Ansatzes
Im vorliegenden Beitrag wird für „Systeminnovationen mittlerer Reichweite“ plädiert. Die Überlegungen knüpfen damit zum einen -auf der gesellschaftlichen Ebene -an den existierenden Produktions-und Konsumtionsweisen sowie den damit ursächlich verbundenen Austauschvorgängen und Transportströmen an. Das Verkehrsgeschehen und die allgemeine Mobilitätsentwicklung sind eingebettet in die industriegesellschaftliche Entwicklung. Das bedeutet aber nicht, daß sie lediglich als deren Reflex aufgefaßt werden können. Umgekehrt haben natürlich auch die Entwicklung der Verkehrstechnologien und des Verkehrssystems elementare Auswirkungen auf Art und Anzahl der gesellschaftlichen Tauschvorgänge. Der Terminus „mittlere Reichweite“ geht zum anderen -auf der technologischen Ebene -von Innovationspotentialen aus, für die die jeweiligen Basistechnologien bereits vorhanden sind. Mit ihrer neuartigen Zusammenführung ergeben sich jedoch Gestaltungsmöglichkeiten, die nicht mehr allein als lineare Fortschreibung bisheriger verkehrstechnologischer Entwicklung (als „Trajektorie“ oder technische Flugbahn im Sinne von Dosi interpretiert werden können.
In der nachfolgenden Darstellung sollen die Chancen ausgelotet werden, inwieweit die verkehrsbedingten Umweltbelastungen in den Industriegesell-schäften sich deutlich reduzieren lassen, ohne die Funktionsfähigkeit eines differenzierten Verkehrs-systems zu gefährden. Mit dem Ziel, die Ausgangslage zu präzisieren, werden zunächst (Abschnitt II) die Gründe für das wahrscheinlich weitere Anwachsen der Verkehrsströme sowohl im Personenais auch im Güterverkehr dargelegt. Eine differenzierte Sicht dieser Trends gibt auch erste Hinweise auf die Erfordernisse eines zukünftigen Verkehrs-systems, das als eine einfache Fortschreibung der heutigen Strukturen nicht überlebensfähig sein wird. Es geht daher im dritten Abschnitt um die Notwendigkeit und Fähigkeit zu Systeminnovationen für eine umweltverträglichere Mobilität. Systeminnovationen erschöpfen sich nicht allein in der technischen Dimension der Neugestaltung der Verkehrsmittel und der entsprechenden Verkehrs-infrastruktur; zu ihrer Verwirklichung bedarf es insbesondere auch eines angemessenen verkehrspolitischen Rahmens, der in einem letzten Abschnitt skizziert werden soll.
II. Die Prognose: Weiteres Anwachsen der Verkehrsströme
Verkehr ist kein Selbstzweck Er ist zunächst Voraussetzung wie Folge unseres arbeitsteiligen Wirtschaftens. Es kommt daher darauf an, die Entstehungsgründe für das starke Anwachsen der Verkehrsströme in der Vergangenheit zu analysieren, um daraus auch Hinweise auf die weitere Entwicklung und ihre mögliche Beeinflussung zu erhalten. Erst ein solches Verständnis der Verkehrsentwicklung schützt gleichermaßen vor vordergründigen Irrtümern bloß voluntaristischer Vermeidungskonzepte wie auch umgekehrt vor der Kapitulation vor scheinbar ehernen Wachstumsraten. Es lassen sich zwei zunächst stabile Trends erkennen: a) Verkehrswachstum als Folge wirtschaftlichen Strukturwandels Der Strukturwandel von einer standortabhängigen Schwerindustrie . zur standortunabhängigeren »Leichtindustrie 6 sowie die damit verbundene steigende nationale wie internationale Arbeitsteilung haben zu einem starken Anwachsen der Transportströme geführt, wobei zugleich die Transportkosten in Relation zu den Produktionskosten stark gesunken sind. Insgesamt hat sich so eine transportintensive Produktionsweise mit den • entsprechenden Raumwirtschaftsstrukturen herausgebildet. b) Verkehrswachstum als Folge räumlicher und soziodemographischer Prozesse Es gibt einen in allen Industriegesellschaften zu beobachtenden Trend zur Agglomeration von Industrie und Bevölkerung und einen gleichzeitigen Trend zur Suburbanisierung. Diese Entwicklung hat zu Raumstrukturen geführt (zu erinnern ist hier nur an das bekannte stadtplanerische Leitbild der „Charta von Athen“ mit seiner Funktionstrennung von Arbeits-, Wohn-, Einkaufs-und Ausbildungsstätten), die in ihrer spezifischen Kombination von Streuung und Verdichtung bis dato nicht gekannte Verkehrsströme entstehen ließen. Dadurch wurden die individuellen Verkehrsträger gefördert, die in der Flächenerschließung den Massenverkehrsträgern zunächst überlegen sind.
Aus Analysen der Vergangenheit lassen sich noch weitere recht zuverlässige Einflußfaktoren identifizieren, die das Verkehrsaufkommen steuern. Dazu zählen insbesondere eine positive Einkommens-entwicklung und dabei eine relative Verbilligung der Anschaffungs-und Nutzungskosten des Automobils sowie soziodemographische Prozesse, die die PKW-Verfügbarkeit erhöhen. So haben immer mehr „alte“ Menschen eine Fahrerlaubnis; die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen bringt entsprechende Mobilitätserfordernisse mit sich; die Verkleinerung der Haushalte führt zu entsprechenden Auswirkungen auf PKW-Besitz und/oder -Verfügbarkeit.
Hinzu kommen Verschiebungen bei den Fahrten-zwecken -die Anteile von Berufs-, Ausbildungsund Geschäftsverkehr nehmen ab zugunsten von Freizeit-und Urlaubsverkehr -sowie eine deutliche Zunahme der Fahrtentfernungen (mit grenzüberschreitendem Verkehr).
Auch im Güterverkehr lassen sich entsprechende strukturelle Gründe für ein starkes Anwachsen der Transportleistungen identifizieren, wobei diese Zuwächse fast ausschließlich dem straßengeführten Verkehr zugute kommen. Während der Anteil der Branchen mit bahnaffinen Gütern (v. a. Kohle, Erze und Eisen) an der industriellen Wertschöpfung signifikant gesunken ist, erhöhte sich die Bedeutung der Branchen, die hochwertige Produkte anbieten, für deren Transporterfordernisse aber .der straßengeführte Gütertransport bislang über systemische Vorteile verfügt. Ist dieser Güterstruktureffekt, d. h. die deutliche Verringerung des Massengüteranteils am Transportaufkommen, auch der wichtigste Grund für den Rückgang der Bahn-anteile, so kommen als weitere Erklärungsmomente noch ein Güterwerteffekt, d. h. die Wertsteigerung je Gewichts-oder Volumeneinheit des Transportgutes, und eine Zunahme der Transport-leistung je produzierter Wareneinheit (Transport-intensität)hinzu
Für die weitere Entwicklung des Güterverkehrs ist von den folgenden stabilen Trends auszugehen. Der Strukturwandel der Industriegesellschaften wird sich fortsetzen, vor allem mikroelektronisch gestützte Produktionskonzepte und entsprechende Produkte sowie neue Informations-und Kommunikationstechnologien bestimmen zunehmend den wirtschaftlichen Prozeß. Im Güterverkehr wird sich daher der Güterstruktureffekt weiter verstärken. Mit dieser Entwicklung auf volkswirtschaftlicher Ebene korrespondiert ein Wandel der logistischen Anforderungsprofile der einzelnen Unternehmen. So wird sich der Anteil der Artikel und Lieferungen nach dem „just-in-time-Konzept“ wohl zunächst noch erhöhen, die Umschlaghäufigkeit der Produkte wird steigen; dadurch wird auch der Anteil von Fremdunternehmen durchgeführter Transportleistungen zunehmen und überhaupt werden mehr logistische Dienstleistungen von Unternehmen auf Externe übertragen. Der Transport wird zunehmend als Teilfunktion in einer logistischen Gesamtaufgabe zu verstehen sein.
Die Veränderungen in der politischen Landschaft Europas, sowohl die Vollendung des europäischen Binnenmarktes als auch die Öffnung der osteuropäischen Länder und Märkte, werden die oben dargelegten Entwicklungstendenzen noch einmal nachhaltig verstärken, so daß hls Zwischenfazit festzuhalten bleibt: Alle bislang genannten Faktoren -sowohl den Personen-als auch den Güterverkehr betreffend -wirken für sich und in ihrer wechselseitigen Beeinflussung eher verkehrserzeugend denn verkehrsmindernd. Darüber hinaus können die daraus entstehenden Anforderungsprofile für die Verkehrsmittel von individuellen Verkehrsträgern besser bedient werden als von kollektiven.
So werden die Mobilitätsstandards, die von Personen und Unternehmen akzeptiert werden, weiterhin durch die individuellen Verkehrsträger PKW und LKW bestimmt. Die anderen Transportmittel müssen sich in ihrer Dienstleistungsqualität so verbessern, daß sie damit konkurrieren können. Erst dann wird ihre zur Zeit größere Umweltverträglichkeit auch entscheidungsund marktrelevant werden. Hinzu kommt, daß insbesondere der scharfe globale Wettbewerb in der Automobilindustrie die europäischen Hersteller zu einer rasanten Produktivitätsentwicklung zwingen wird, wodurch Qualität, Komfort, Sicherheit und Zuverlässigkeit noch einmal gesteigert und die Wartungskosten gesenkt werden können. Zudem ist von der Realisierung effektiver Verbrauchssenkungen auszugehen. Im straßengeführten Güterverkehr wird die europäische Deregulierung für einen Kostensenkungsdruck und perfekte logistische Dienstleistungen sorgen Alles in allem bedeutet dies, daß in der weiteren Entwicklung der Verkehrssysteme nicht von einem statischen Verhältnis der Verkehrsträger in bezug auf ihre technischen, ökonomi-sehen und ökologischen Ausprägungen auszugehen ist, sondern daß die Dynamik des Wettbewerbs hier einen enormen Veränderungsdruck erzeugen wird.
Die Entwicklung unseres Verkehrssystems und der sie forcierenden ökonomischen, politischen und sozialen Veränderungsprozesse ist zudem eingebunden in einen übergreifenden zivilisatorischen Evolutionsprozeß, bei dem sich insgesamt die Tendenz einer permanenten Beschleunigung erkennen läßt. Mit dem Feststellen des „Beschleunigungscharakters zivilisatorischer Evolution“ aus der Analyse vergangener Entwicklung soll diese hier nicht zu einem quasi naturgesetzlichen Vorgang hypostasiert werden. Aber alle Konzepte einer „Entschleunigung“ der Gesellschaft 1u 1nd der daraus abgeleiteten Vorstellungen umfassender Verkehrsvermeidung sind in einem weit stärkeren Maße auf Belastbarkeit im Sinne einer Handlungsorientierung zu überprüfen, als dies bisher geschehen ist, wenn es nicht bei so wohlmeinenden wie wirkungslosen Postulaten bleiben soll.
Mit der Dynamik industriegesellschaftlicher Entwicklung und dem damit verbundenen Wachstum der Verkehrsströme sind bislang auch die unerwünschten Nebenfolgen dieser „Verkehrsgesellschaften“, insbesondere in Form negativer Umwelteinwirkungen, gestiegen Der Verkehr ist heute sowohl an den lokalen (Schadstoffemissionen, Lärmemissionen, Flächenversiegelung) als auch globalen (Treibhauseffekt, Ressourcenverzehr) Umweltbelastungen mit einem signifikanten und noch wachsenden Anteil beteiligt. Diese zunehmende Diskrepanz zwischen ansteigenden Verkehrsströmen einerseits und abnehmender Akzeptanz seiner negativen Umweltwirkungen andererseits ist die Herausforderung sowohl für alle Produzenten und Anbieter von Verkehrstechnologien als auch für die politischen Akteure. Ihr wird ohne grundlegende Innovationen, ohne eine Effizienzrevolution im Verkehrswesen nicht beizukommen sein.
III. Die Herausforderung: Systeminnovationen für eine umweltverträgliche Mobilität
Die bestimmenden technologischen Paradigmata im Verkehrswesen haben bislang dazu geführt, daß die jeweiligen Verkehrsmittel und die dazugehörenden Infrastrukturen nur im Sinne ihrer je eigenen Funktionalität optimiert wurden. Obwohl auch hier noch erhebliche Verbesserungspotentiale bestehen, werden diese jedoch für sich genommen nicht ausreichen, um das Ziel einer deutlichen Reduktion der verkehrsbedingten Umweltbelastungen zu erreichen.
Es ergeben sich daher drei zentrale Gestaltungsaufgaben für die Bewältigung der zukünftigen Verkehrsströme: -Erstens die Optimierung der Einzelkomponenten, d. h.der jeweiligen Verkehrsmittel, in bezug auf ihren Energie-und Ressourcenverbrauch insbesondere in der Nutzungsphase, aber auch in der Herstellung. Hier sind die Automobilunternehmen als Produzenten des dominanten Verkehrsmittels sicherlich in einer besonderen Weise gefordert. -Zweitens ist die „Verknüpfungseffizienz der Verkehrsträger“ durch geeignete Produkte und Dienste erheblich zu steigern. Auch hier liegt -stärker als das in der Vergangenheit der Fall war -eine primäre Aufgabe bei den Unternehmen, die Verkehrsprodukte und -dienste anbieten. -Drittens sind dazu die infrastrukturellen Verknüpfungseinrichtungen zwischen den Verkehrsträgern zu schaffen. Hier sind auch neuartige Formen der Kooperation zwischen öffentlichen und privaten Investoren notwendig, was die Finanzierung, die Erstellung und den Betrieb solcher qualitativ hochwertiger Infrastruktureinrichtungen betrifft. Den Infrastrukturinvestitionen kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu, denn die Infrastruktur-politik von heute bestimmt in einem ganz wesentlichen Maß die Ausgestaltung der Verkehre von morgen.
In der Vergangenheit waren multimodale Transporte (Einsatz mehrerer Verkehrsmittel für einen Transportvorgang) sowohl im Personen-als auch im Güterverkehr technisch und ökonomisch uninteressant. Aber mit den Informations-und Kommunikationstechniken sind neuartige technische Voraussetzungen für eine Kooperation und Integration der Verkehrsträger vorhanden. Durch dieses technische Innovationspotential ergeben sich bessere Voraussetzungen, die systemischen Stärken der jeweiligen Verkehrsträger zusammenzuführen, um damit die Schwächen des Gesamtverkehrssystems -insbesondere die vom Verkehr ausgehenden Umweltbelastungen -zu verringern. Zusätzlich bedarf es aber eines Bündels ökonomischer und politischer Maßnahmen im Verkehrswesen (effiziente Anreiz-und Lenkungsinstrumente), um das technische Innovationspotential wirkungsvoll einzusetzen.
Die Kritiker solcher Verkehrsmanagementkonzepte reduzieren diese oft auf ein rein technisches System Allerdings waren die entsprechenden Projekte -zum Beispiel das PROMETHEUS-Projekt der europäischen Automobilindustrie -in ihrem ursprünglichen Zielkatalog auch so ausgelegt, und erst im Prozeß ihrer Entwicklung hat sich eine konzeptionelle Erweiterung unter Einbeziehung insbesondere auch ökonomischer, die Verkehrsnachfrage beeinflussende Instrumente vollzogen, jedoch muß der Nachweis der Praxis-tauglichkeit und Wirksamkeit der Konzepte noch eingelöst werden
Wenngleich die Wirkungen des breiten Einsatzes von Informations-und Kommunikationstechnologien auf die Verkehrsentwicklung heute noch nicht zuverlässig abgeschätzt werden können, lassen sich doch zumindest zwei Aspekte benennen: -Zum einen stehen die neuen Informations-und Kommunikationsmittel zu den traditionellen Verkehrsmitteln eher in einer komplementären denn substitutiven Beziehung. Physischen Transport von Personen und Gütern durch den Transport von Informationen zu ersetzen, mag zwar in bestimmten Fällen möglich sein, aber hierin einen wesentlichen Ansatz für eine deut liehe Reduktion des Verkehrsaufkommens zu sehen, dürfte sich als Irrtum erweisen. Die raumüberwindenden Tauschvorgänge bedürfen -einmal abgesehen von den Finanzmärkten -sowohl der traditionellen Verkehrsmittel als auch der begleitenden Information und Kommunikation. -Zum anderen können die komplementären Wirkungen von Informations-und Kommunikationstechnologien im Gesamtverkehrssystem erheblich sein. Durch die informationsund kommunikationsgesteuerte logistische Aufbereitung der Verkehrsvorgänge lassen sich vermutlich große Effizienzpotentiale realisieren. Dieses gilt in erster Linie natürlich für Verkehre, in denen das ökonomische Eigeninteresse an Effizienzgewinnen dominiert. Dabei ist noch zusätzlich in Betracht zu ziehen, daß ein solcher „Wirtschaftsverkehr“ im weiten Sinne (neben dem Güterverkehr sind dazu auch noch die Personenverkehre zu zählen, die mit wirtschaftlichen tivitäten verbunden sind) gerade in den umweltbelasteten Ballungsräumen die stärkste und stetigste Wachstumsdynamik aufweist
Mithin sind hier Rationalisierungseffekte sowohl hinsichtlich ihres Eigengewichts als auch ihrer prospektiven Beispielwirkung von Bedeutung.
Als ein weiterer Komplementäreffekt kommt hinzu, daß durch den Einsatz von Informationsund Kommunikationstechnologien die Übergänge zwischen resp. die Wahl des jeweils angemessenen Verkehrsmittels für den entsprechenden Fahrtenzweck optimiert werden können. Dieses trifft sowohl für den Personen-als auch für den Güterverkehr zu. Hierdurch lassen sich eher die Substitutionspotentiale zwischen den einzelnen Verkehrsträgern erschließen und somit ein Verkehrssystem entwickeln, bei dem das jeweils umweltbelastendste Verkehrsmittel ersetzt werden kann. Ein solcher Weg ökonomischer und technischer Steuerung der Verkehrsströme ist langfristig effizienter als gezielte Defavorisierungsstrategien in bezug auf einzelne Verkehrsträger. Er setzt allerdings auch die Realisierung tragfähiger wettbewerblicher Strukturen der einzelnen Verkehrsträger als eine Aufgabe der Gestaltung angemessener politischer Rahmenbedingungen voraus. Neben den zuvor dargelegten Innovationsfeldern zur Realisierung eines ökonomisch und ökologisch effizienten Verkehrssystems bleibt die Aufgabe der Optimierung der Einzelkomponenten. Dabei wird das Automobil als individueller Verkehrsträger -jenseits seiner je konkreten Ausprägung -auf absehbare Zeit eine wesentliche Rolle im Verkehrssystem spielen. Das „klassische“ Feld der fahrzeugtechnischen Entwicklung ist hier noch nicht erschöpft, vielmehr gibt es noch ein erhebliches Umweltentlastungspotential durch technische Weiterentwicklung im Bereich Motor und Antrieb. Allerdings wird das Ziel einer drastischen Verbrauchsreduktion alleine mit solchen Maßnahmen nicht zu erreichen sein. Ergänzende Potentiale können insbesondere durch neue Materialien zur Gewichtsreduktion erschlossen werden
Neben der Weiterentwicklung auf dem Technologiepfad „Universalfahrzeug“ sind jedoch stärker als in der Vergangenheit auch neue, auf spezifische Bedarfszwecke ausgerichtete Fahrzeugkonzepte zu entwerfen und zu realisieren. Gerade die Vorzüge des Automobils als ein „Universalmobilitätskonzept“ haben zu seinem Erfolg und seiner breiten Akzeptanz geführt. Modifizierte Fahrzeugkonzepte, die auf die differenzierten Mobilitätserfordernisse abgestellt sind, erscheinen aus der „Problemanalyse Verkehr“ zwingend, aber sie sind eine nicht einfach -und nicht nur ingenieurtechnisch -zu lösende Aufgabe. Man will nach Möglichkeit alle Vorteile des Universalkonzeptes -ohne dessen Nachteile in Form von relativ hohen Energie-und Ressourcenverbräuchen. Alleine aufgrund der sich absehbar noch verschärfenden Verkehrssituation in den Ballungsräumen wird die Zukunft neue Fahrzeugkonzepte erforderlich machen. Dabei wird es nicht nur technische Innovationen geben müssen, sondern im Sinne einer besseren Integration in ein Gesamtverkehrssystem sind insbesondere auch „Nutzungsinnovationen“ erforderlich
Die vorhergehende Skizze der Entwicklung eines Verkehrssystems „mittlerer Reichweite“ sollte auch zeigen, daß es heute weniger einen Innovationsstau im (verkehrs) technischen Bereich gibt als vielmehr einen Anwendungsstau. Ihn zu überwinden, bedarf es vor allem des Zusammenwirkens aller Akteure aus der Verkehrswirtschaft.
Beispiele für einsatz-und marktreife Techniken gibt es in allen zuvor genannten Feldern, die für eine umweltwirksame Effizienzsteigerung des Gesamtverkehrssystems von Belang sind: im Bereich der Schnittstellen (z. B. System-Park & Ride), des Personenverkehrs (z. B. bedarfsgesteuerte Zubringersysteme), des Wirtschaftsverkehrs (z. B. CityLogistik) Die genannten Ansätze weisen insgesamt auf eine Neuausrichtung des Verkehrs-systems hin, in der die bisherige „Arbeitsteilung“ zwischen individuellen und kollektiven Verkehrs-trägern zunehmend obsolet wird. Es entstehen „Mischformen“ und insgesamt ergibt sich die Chance eines in sich differenzierten, auf die je spezifischen Bedürfnisse der Nachfrager abgestellten, aber dennoch einheitlicher), integrierten Verkehrs-systems, das die Kooperation der Verkehrsträger verwirklicht, ohne die Dynamik des Wettbewerbs aufzugeben. Ein solches „integriertes Gesamtverkehrskonzept“ bedarf eines entsprechenden verkehrspolitischen Rahmens. Bevor dieser knapp skizziert werden soll, ist noch auf einen weiteren Aspekt hinzuweisen, der durch die vordergründige Kontroverse über einzelne verkehrspolitische Themen nicht die notwendige Aufmerksamkeit aller Akteure findet: die industriepolitische Dimension dieser Thematik.
Wie bereits ausgeführt, besteht ein wesentliches Element verkehrlicher Zukunftsfähigkeit in der „Elektronisierung“ aller verkehrstechnischen Abläufe: Vom Verbrauchs-und emissionsoptimierten Motormanagement bis zur intelligenten Steuerung der Verkehrsangebote und -nachfrage wird das Verkehrswesen insgesamt zu einem Großverbraucher an Informations-und Kommunikationstechnologie. Dem Staat kommt hier nicht nur eine bedeutende Rolle als Nachfrager für die entsprechend benötigte moderne Infrastruktur zu, sondern er muß auch die Standards definieren. Ein europäisches Verkehrssystem könnte sich hier noch einer vorhandenen industriellen Basis bedienen, aber die Wettbewerbsvorsprünge schmelzen in einem immer schärfer werdenden globalen Wettbewerb schnell dahin. Dabei ist die Schaffung eines zukunftsfähigen Verkehrssystems eine der wenigen, aber großen Chancen, ein hohes Maß an Umweltverträglichkeit mit industrieller Modernisierung in einem volkswirtschaftlichen relevanten Sektor zu verbinden, was nicht zuletzt eine erhebliche Ausstrahlung auch auf andere industrielle Kembereiche haben könnte.
IV. Ansatzpunkte für einen angemessenen verkehrspolitischen Rahmen
Jenseits jeweils heftigster tagespolitischer Kontroversen über Einzelfragen hat sich in der verkehrspolitischen Diskussion der letzten Jahre doch ein Trend durchgesetzt, im Verkehrswesen mehr marktwirtschaftliche Elemente zur Geltung zu bringen. Dieses betrifft nicht nur die Deregulierung der vormals stark regulierten Transportmärkte im Rahmen des europäischen Binnenmarktes, sondern insbesondere auch -die Möglichkeiten privater Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur auf Leasingbasis, -die Einführung von Straßenbenutzungsgebühren (road pricing, Vignetten), -die Erhebung von besonderen Abgaben zur Reduzierung der verkehrsbedingten Umweltbelastung (z. B. C 02-Abgabe)
Steuern und Abgaben haben seit jeher eine wichtige Finanzierungs-, aber zum Teil auch Lenkungsfunktion im Verkehrswesen. Zum Beispiel hat die Mineralölsteuer, die ursprünglich als Finanzierungsbasis für die Verkehrswegeinvestitionen eingeführt wurde, als ein direkt fahrleistungsabhängiges Instrument zunehmend auch eine Lenkungsfunktion.
In dem vorhergehenden Abschnitt wurden insbesondere die technischen Möglichkeiten herausgestellt, das Verkehrswesen auf der Basis der neuen Informations-und Kommunikationstechnologien grundlegend neu zu konzipieren, so daß seine Effizienz deutlich erhöht werden kann. Eine solche Effizienzrevolution im Verkehrswesen ist erforderlich, um zum einen den zu erwartenden Anstieg der Verkehrsströme zu bewältigen und zum anderen dabei die verkehrsbedingten Umweltbelastungen nicht weiter zu erhöhen, sondern im Gegenteil zu reduzieren. Welche Anforderungen sind an die Verkehrspolitik zu stellen, um diesen notwendigen Prozeß zu unterstützen?
Weil es sich sowohl bei den Ausprägungen der einzelnen Verkehrsträger als auch bei der Infrastruktur um Entscheidungen handelt, die in ihren Auswirkungen weit in die Zukunft hineinreichen, ist ein erstes Erfordernis eines angemessenen verkehrspolitischen Rahmens, daß er für alle betroffenen Akteure -die Anbieter wie die Nachfrager von Verkehrstechnologien -langfristige, stetige und berechenbare Vorgaben setzt. Die Verkehrspolitik der Vergangenheit hat diesem Kriterium nicht immer genügt und insofern ist bei dem notwendigen „ökologischen Umbau“ des Verkehrs-systems auch in einigen Bereichen wertvolle Zeit vertan worden.
Zu einem angemessenen verkehrspolitischen Rahmen gehört auch, daß die fundamentalen verkehrspolitischen Instrumente effizient eingesetzt werden und nicht anderen Zwecken untergeordnet werden. Danach beruht u. E. das verkehrspolitische Instrumentarium auf vier Säulen, die für unterschiedliche Ziele einzusetzen sind -Standards (zum Beispiel bei Emissionen) definieren die Ziele und überlassen es dem Wettbewerb, diese möglichst effizient zu erreichen. -Fahrleistungsunabhängige Steuern! Abgaben (zum Beispiel die Kfz-Steuer) sichern nicht nur die Stetigkeit von Einnahmen -dieser Aspekt ist unter den gegenwärtigen Gegebenheiten wohl eher zu vernachlässigen -, sondern ermöglichen bei vertretbaren Transaktionskosten insbesondere ein relativ kurzfristig wirksames „finetuning“, um nachfragewirksame Anreize etwa für den Einsatz neuer Technologien zu induzieren Die international positiv eingeschätzte Steuerbefreiung für Kat-Fahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland mag hier als ein Beispiel dienen -Fahrleistungsabhängige Steuern/Abgaben (v. a.
Mineralölsteuer) sind als marktwirtschaftliche Instrumente grundsätzlich das angemessene Mittel, Lenkungseffekte zu erzielen. Als preispolitische Maßnahme „mobilisieren (sie -die Verf.)... die gesamte dezentrale Intelligenz der am Verkehrsgeschehen beteiligten Akteure (Nachfrager wie Anbieter).. ,“ (ob als fahrleistungsabhängiges road pricing oder als fahrleistungsunabhängige Vignette fungieren als „Knappheitssignale“ bei der Nutzung einer tendenziell überlasteten Infrastruktur. Ihre prinzipiell mögliche lokale wie temporäre Flexibilität bietet im Kontext intelligenter Verkehrsmanagementkonzepte die Chance, die vorhandene Kapazität möglichst effizient zu nutzen. -Straßenbenutzungsgebühren Der im vorhergehenden knapp skizzierte Instrumentenmix bietet keinesfalls ein erschöpfendes verkehrspolitisches Panorama. Die Darstellung konzentriert sich insbesondere auf die Anforderungen an die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen für den motorisierten Individualverkehr. Dieses geschieht nicht aus Gründen der Geringschätzung anderer Verkehrsträger, insbesondere der schienengeführten Verkehre, des Öffentlichen Personen-und Nahverkehrs (ÖPNV) sowie des nichtmotorisierten Verkehrs. Vielmehr ist diese Focussierung zunächst einmal Ausdruck des real existierenden modal split. In der Bundesrepublik Deutschland werden über vier Fünftel der Verkehrsleistung im Personennahverkehr und über 60 Prozent im Güterverkehr durch den Individualverkehr erbracht Auch unter Berücksichtigung der prognostizierten Zuwächse gerade in diesem Bereich gilt es, mit der (Neu-) Gestaltung des verkehrspolitischen Instrumentariums vorrangig hier anzusetzen, um die gewünschten Wirkungen zu erzielen. Das bedeutet allerdings nicht, den öffentlichen Verkehrsmitteln keinerlei Entwicklungsperspektive zuzutrauen. Im Gegenteil -wir sehen hier unter dem bereits erwähnten Stichwort der Optimierung der Einzelkomponenten ebenfalls noch ein erhebliches technisches Neuerungspotential sowohl bei den Verkehrsmit teln im Bereich des OPNV als auch zum Beispiel in dem europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahnen. Wirkungsvoll umgesetzt werden kann es nur unter stärkerem Einsatz von politisch-administrativer Phantasie auf allen Entscheidungsebenen. Dabei gibt es mittlerweile erfreulich zahlreiche Beispiele -siehe Karlsruhe, Freiburg, Zürich usw. -für die politisch existierenden Handlungs-und Gestaltungsspielräume etwa bei der Flexibilisierung der Tarifstrukturen und einer konsequenten Bedarfs-und Kundenorientierung der öffentlichen Verkehrsträger. Sie zeigen auch, daß die hier und insbesondere zukünftig nicht gering zu achtenden finanziellen Restriktionen von den Entscheidungsträgern nicht generell für eine (verkehrs-) politische Handlungsabstinenz reklamiert werden können.
Für die Güterverkehre kommt es darauf an, neben den Verlagerungsbemühungen für die längeren Distanzen auch neuartige Lösungen bei den spur-geführten Systemen für die Nah-und mittleren Transportentfernungen zu finden (zum Beispiel die „dezentrale Güterbahn“ mit selbststeuernden Schubwagen als Ergänzung zum Ganzzugprinzip für die Erschließung der Fläche). Es gilt hier ebenso, wie schon für den Personenverkehr ausgeführt, die technischen Innovationspotentiale von vornherein mit den ökonomischen und politischen Handlungsfeldern zu verknüpfen, um die Realisierungschancen zu erhöhen.
Insgesamt wird dabei u. E. die Region als „Mesoebene“ gerade auch für die Entwicklung und Umsetzung verkehrspolitischer Gesamtkonzepte zunehmend an Bedeutung gewinnen Die Region ist als Lebens-und Wirtschaftsraum eine geeignete Bezugsgröße für zukunftsweisende Verkehrskonzepte und der Anwendungsfall und Erfahrungsort für dann weitergreifende Lösungen der Verkehrs-probleme.
Jenseits noch jeweils zu leistender Konkretionen für integrierte Gesamtverkehrskonzepte auf regionaler Ebene, die sich an den Anforderungen nachhaltiger Entwicklung als Leitbild orientieren, ging es in dem vorliegenden Beitrag zunächst lediglich darum, den zuvor dargelegten technischen Möglichkeiten einer Neuausrichtung des Verkehrs-wesens eine wirkungsvolle Ergänzung durch ökonomische Anreize im Rahmen des allgemeinen verkehrspolitischen Instrumentariums -sowohl für die Anbieter wie die Nachfrager -zu geben. Das übergeordnete Ziel ist die Schaffung eines Verkehrssystems, welches eine deutlich geringere Umweltbelastung verursacht, ohne seine Funktionalität einzubüßen.
Als Fazit bleibt dabei festzuhalten: Durch den Einsatz neuer, angepaßter Technologien sowie die Ausgestaltung der ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen kann ein Verkehrssystem entwickelt werden, in dem Mobilitäts-und Umwelterfordernisse nicht in dauerhaftem Widerspruch liegen.
Durch das Aufbrechen überkommener Arbeitsteilungen zwischen individuellen und kollektiven Verkehrsmitteln kann insgesamt die Effizienz des Gesamtverkehrssystems deutlich gesteigert werden.
Durch eine informations-und kommunikationstechnisch gesteuerte logistische Aufbereitung der Verkehrsvorgänge kann personen-wie güterbezogener Verkehr vermieden werden, ohne daß die Funktionalität eines differenzierten Verkehrs-systems verloren geht.