Begegnungen mit unserer eigenen Geschichte Zur Eröffnung des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn am 14. Juni 1994 | APuZ 23/1994 | bpb.de
Begegnungen mit unserer eigenen Geschichte Zur Eröffnung des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn am 14. Juni 1994
Hermann Schäfer
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Zusammenfassung
Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist „der Geschichte unseres Staates und der geteilten Nation“ gewidmet (Bundeskanzler Helmut Kohl). Die Nation ist nicht mehr geteilt, der Staat besteht weiter und entwickelt sich fort. Das Bonner Haus der Geschichte begleitet als zeitgeschichtliches Museum für ganz Deutschland diese historische Entwicklung. Es will für die Menschen in Ost und West Anstöße geben, sich mit Fragen und Problemen deutscher Zeitgeschichte aktiv auseinanderzusetzen. Das Haus, der Geschichte wurde auch gegründet, um der Geschichtsvergessenheit entgegenzuwirken, die von Historikern und Pädagogen ebenso wie von Politikern in den siebziger und achtziger Jahren zunehmend als Gefahr für den Bestand des Pluralismus und der parlamentarischen Demokratie erkannt wurde. Kernziel des neuen Museums ist es, die deutsche Nachkriegsgeschichte erfahrbar und die Funktionsmechanismen der pluralistischen Demokratie nachvollziehbar zu machen. Die Dauerausstellung zur deutschen Geschichte seit 1945 ist von einem neuen strukturgeschichtlichen Ansatz geprägt, der die Politikgeschichte ebenso darstellt wie Aspekte der Alltags-, Wirtschafts-, Gesellschafts-, Kultur-und Mentalitätsgeschichte Ost-und Westdeutschlands. Ein breitgefächertes Ausstellungs-und Veranstaltungsprogramm bietet gleichermaßen Information und Unterhaltung. In Ausstellungsgestaltung und Besucherorientierung wurden neue Wege gegangen, die richtungsweisend für historische Museen sein können.
1. Geschichte und Museen
Die Frage, ob Geschichte ausstellbar sei, ob sie in ihrer Vielschichtigkeit durch eine Ausstellung auch nur annähernd nachvollziehbar gemacht werden könne, wird immer wieder aufgeworfen. Napoleon soll der Ansicht gewesen sein, die Geschichte sei eine Fabel, auf die man sich geeinigt habe. Die Prozeßhaftigkeit der Geschichte, ihr Charakter als intellektuelles Konstrukt, auch die Annahme, historische Ausstellungen könnten zu einer Schau nicht nachvollziehbarer Tatsachen gerinnen, sprechen nicht unbedingt für das historische Museum als Medium der Vermittlung und des öffentlichen Diskurses. Diese skeptische Einstellung steht jedoch in deutlichem Gegensatz zum offensichtlichen Erfolg historischer Ausstellungen.
Als Leopold von Ranke 1853 die Sammlungsbemühungen des Gründers des Germanischen Nationalmuseums, Freiherrn von Aufseß, abfällig kritisierte und feststellte, sie hätten wohl ihren Wert „für allerlei Merkwürdigkeiten und Kuriosa“, seien für „lebendiges Wissen“ jedoch „tödlich“, war der Grundstein für ein schwieriges Verhältnis gelegt, das über lange Zeit von der Geringschätzung des Museums seitens der universitären Geschichtswissenschaft geprägt war. Das historische Museum bezog seine Frageansätze und Beurteilungsmaßstäbe aus dem diskursiven Zusammenhang der akademischen historischen Forschung; aufgrund seiner Sammlungsaufgaben verfuhr es methodisch jedoch anders als die akademische Forschung und wurde daher von dieser gern lediglich als Reservoir zwei-und dreidimensionaler Belegstücke eines längst gesicherten Wissensstandes betrachtet. So verwundert es kaum, daß das Museum eher als „Musentempel“, weniger als „Lernort“ gesehen wurde.
Das Verhältnis zwischen Geschichtswissenschaft und historischem Museum hat sich inzwischen spürbar verbessert -und zwar eindeutig zum Vorteil des Museums. Daran haben die vor allem seit den siebziger Jahren gezeigten historischen Großausstellungen wesentlichen Anteil. Ihre Erfolge gaben zugleich dem historischen Museum selbst neue Impulse und führten zu einem regelrechten Geschichts-und Ausstellungsboom. Die Idee eines „Hauses der Geschichte“ hat von dieser Entwicklung wesentlich profitiert. Die Geschichtsvergessenheit wurde von Historikern ebenso wie von Politikern zunehmend als Gefahr für den Bestand des Pluralismus und der parlamentarischen Demokratie erkannt. „Wir sind in Gefahr, ein geschichtsloses Volk zu werden“, konstatierte Bundespräsident Walter Scheel in einer vehementen Rede vor dem Deutschen Historikertag 1976 in Mannheim. „Unsere Jugend wird den Sinn des freiheitlichen Staates nur verstehen, wenn sie die deutsche Geschichte kennt.“
II. Initiative
Abbildung 2
Abb. 2: Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Abb. 2: Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
In diesem Sinne war es nur folgerichtig, wenn Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner ersten Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 ankündigte: „Unsere Republik, die Bundesrepublik Deutschland, entstand im Schatten der Katastrophe. Wir wollen darauf hinwirken, daß möglichst bald in der Bundeshauptstadt Bonn eine Sammlung zur deutschen Geschichte seit 1945 entsteht, gewidmet der Geschichte unseres Staates und der geteilten Nation.“ Die Nation ist heute nicht mehr geteilt; der Staat besteht fort und entwikkelt sich weiter. Das Haus der Geschichte begleitet als zeitgeschichtliches Museum nunmehr für ganz Deutschland diese historische Entwicklung. Zugleich macht es Ausstellungs-und Veranstaltungsangebote, die Anstöße geben für die Menschen in Ost und West, die sich mit Fragen und Problemen deutscher Zeitgeschichte auseinander-setzen wollen. Das Haus der Geschichte wird darum auch Verständnis für Prinzipien und Funktionsmechanismen des demokratischen Staates wecken. Es will Informationen über die Grundzüge der deutschen Nach-kriegsgeschichte vermitteln und zur eigenständigen Auseinandersetzung mit der Geschichte unseres Landes anregen. Dabei sollen unterschiedliche Informationsebenen eine adäquate Kommunikation ermöglichen; sie sollen dem eiligen Besucher ebenso gerecht werden wie jenem, der Zeit mitbringt, dem historisch Gebildeten ebenso wie dem weniger Kundigen, dem jungen wie dem älteren Besucher. Denn nur, „wer die unserem Staat zugrundeliegenden Wertvorstellungen, wer die Geschichte unserer Republik kennt, gewinnt einen Blick dafür, was unverzichtbare Voraussetzung der Freiheit ist“, wie Bundeskanzler Helmut Kohl am 16. Februar 1989 im Deutschen Bundestag anläßlich der Beratung des Stiftungsgesetzes formulierte.
III. Aufbau
Abbildung 3
Abb. 3: Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Abb. 3: Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Der konzeptionelle und organisatorische Aufbau des Hauses der Geschichte seit 1983 war eine gemeinsame Angelegenheit von Fachhistorikem, der Kulturverwaltung des Bundes, der politischen Kräfte und parlamentarischen Gremien. Das den Planungen zugrundeliegende Sachverständigengutachten der Professoren Lothar Gall, Klaus Hilde-brandt, Horst Möller und des Museumsdirektors Ulrich Löber wurde über hundert öffentlichen Institutionen, Verbänden, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Persönlichkeiten zur Begutachtung vorgelegt, deren Vorschläge und Anregungen in die zweite Fassung einflossen. „Entscheidend für die demokratische Öffnung des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu allen Schichten der Bevölkerung“, so die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, „ist nicht nur die Offenheit und Pluralität, sondern ebenso die Anschaulichkeit und Lebendigkeit der Museumsdidaktik und -Organisation“.
Auch die Länder wurden von Anfang an in die konzeptionellen Vorbereitungen einbezogen. In mehreren Gesprächen zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten, aber auch zwischen Vertretern des Bundeskanzleramts und der Staats-kanzleien wurden Fragen der Kulturhoheit und die besonderen Interessen der Länder an diesem Projekt erörtert und in die Arbeit am Haus der Geschichte einbezogen.
In der Phase der öffentlichen Diskussion der Konzeption des Hauses der Geschichte Mitte der achtziger Jahre, die zugleich in die Zeit des „Historikerstreits“ fiel, gab es -wie in einer pluralistischen Demokratie nicht anders zu erwarten -auch Kritik. F. D. P. und CDU/CSU signalisierten grundsätzliche Zustimmung bei Anregungen und Hinweisen im Detail. Grundsätzliche Kritik sowohl am Verfahren der Vorbereitung als auch am Inhalt des Konzepts übte vor allem die SPD-Bundestagsfraktion, die den Grad der öffentlichen Diskussion für nicht ausreichend hielt und aus diesem Grund im Mai 1984 eine öffentliche Anhörung mit rund 150 Wissenschaftlern, Politikern, Instituts-und Verbandsvertretern durchführte. Zwar wurden auf dieser Veranstaltung auch Zweifel laut, ob es überhaupt einen ausstellbaren Konsens über die Geschichte der Bundesrepublik gebe. Die Mehrzahl der Teilnehmer unterbreitete jedoch konstruktive Vorschläge, z. B. für den Umgang mit der Vorgeschichte der Bundesrepublik, mit „schwarzen“ und „weißen“ Traditionslinien der deutschen Zeitgeschichte. Nach eingehender Erörterung der inhaltlichen Schwerpunkte betonte z. B. Richard Löwenthal: „Ich glaube, wir brauchen es (das Haus der Geschichte; d. Verf.), und zwar weil wir in einer Phase sind, in der sehr viele Bürger der Bundesrepublik, insbesondere auch die Jüngeren, das Bedürfnis nach einem gesicherten Selbstbewußtsein haben und fühlen, daß zu einem sicheren Selbstbewußtsein ein begründetes Geschichtsbewußtsein gehört. Geschichtsbewußtsein ist ein Faktor, der in Deutschland seit der Katastrophe und aufgrund der Katastrophe in besonderem Maße unterentwickelt ist.“
Die parlamentarischen Diskussionen kamen -von Kleinen Anfragen im Bundestag sowie im Hessischen Landtag abgesehen -vor allem 1985/86 mit der erstmaligen Einbringung des Entwurfs eines Bundesgesetzes zur Gründung einer selbständigen Stiftung Haus der Geschichte in Gang. Nachdem das Bundeskabinett die Grundkonzeption des Hauses im Juli 1985 verabschiedet hatte, war im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums inzwischen eine unselbständige Stiftung Haus der Geschichte gegründet worden.
IV. Unabhängigkeit
Abbildung 4
Abbildung 4
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Als Kulturinstitute, die Teil öffentlicher Aufgaben sind, stehen Museen in jeweils spezifischen politischen Zusammenhängen. Wie jedes Heimat-oder Stadtmuseum in ein kommunalpolitisches, jedes Landes-oder Regionalmuseum in ein landespolitisches Umfeld eingebunden ist, so sieht sich das Haus der Geschichte den besonderen Interessen der Politik des Bundes und der Länder gegenüber.
Das Haus der Geschichte ist eine selbständige Stiftung öffentlichen Rechts. Die politische Zusammensetzung des Kuratoriums der Stiftung aus Vertretern des Bundestages, der Bundesregierung und der Länder, der wissenschaftliche Sachverstand und die Unabhängigkeit der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats sowie nicht zuletzt der Pluralismus der im Arbeitskreis vertretenen gesellschaftlichen Gruppen schützen das Haus der Geschichte vor der Gefahr einseitiger politischer Einflußnahme. Bestrebungen dieser Art hat es in der Tat bislang von keiner Seite gegeben. Es erweist sich daher als ausgesprochen positiv, daß das Haus der Geschichte in der öffentlichen Diskussion und unter Kontrolle der politischen und wissenschaftlichen Gremien steht. Je größer das öffentliche Interesse an den Ausstellungen und Veranstaltungen des Hauses der Geschichte ist, desto eher ist die Unabhängigkeit dieses Museums gewahrt. Befürchtungen und Unterstellungen in der frühen Aufbauphase, das Haus der Geschichte werde gewissermaßen ein „regierungsamtliches“ Geschichtsbild verbreiten, werden heute nicht mehr wiederholt.
Das Haus der Geschichte muß den Lauf der Geschichte korrekt und so objektiv wie möglich herausarbeiten. Es muß nach den Maßstäben wissenschaftlicher Seriosität informieren. Es muß zu Fragen anregen und Antworten anbieten. Es muß die Aufklärung zu leisten versuchen, die für ein fundiertes Wissen und für ein kritisch-selbständiges Verstehen erforderlich ist. Dies wäre allerdings nicht zu erreichen, wenn gewissermaßen die Summe der Interessen der verschiedensten Gruppen und Richtungen unserer Gesellschaft in eine für jeden leicht bekömmliche Bilderwand umgesetzt würde -schön bunt, ohne Kanten, sozusagen „stromlinienförmig“.
V. Konzeptionelle Grundlinien
Das im November 1983 der Öffentlichkeit vorgestellte Sachverständigengutachten sah die Aufgabe des Hauses der Geschichte darin, das „historische Selbstverständnis einerseits zu festigen, es andererseits in dem Rahmen der nationalen und internationalen Bezüge und Bindungen zu verankern, in denen die Bundesrepublik steht und von denen ihr politisches Leben aufs stärkste bestimmt wird.“ Zugleich muß sichergestellt sein, daß nicht nur die Politikgeschichte, sondern auch die Wirtschafts-und Gesellschaftsgeschichte sowie Aspekte der Alltags-, Kultur-und Mentalitätsgeschichte der Nachkriegszeit zur Geltung kommen: Keine Präsentation erfolgreichen Regierungshandelns, sondern eine umfassende Darstellung aller Lebensbereiche, die zugleich unterschiedlichen Interpretationen einzelner Vorgänge und Prozesse breiten Raum gewährt und unterschiedliche Auffassungen zu Wort kommen läßt.
Den „roten Faden“ des Ausstellungsrundgangs bildet die Chronologie. Sie bewahrt den Besucher davor, in der Fülle des Dargestellten und der unterschiedlichen Zusammenhänge unterzugehen, und erlaubt ihm, einzelne Zeitabschnitte aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Das Nebeneinander und die Wechselbeziehungen der verschiedenen Elemente ermöglichen es dem Besucher, seinen persönlichen Interessen zu folgen. Er soll für seine Informationswünsche vielfältige Angebote erhalten.
Eine der großen inhaltlichen wie museumsdidaktischen Herausforderungen an das Projekt sieht schon das Gutachten in der notwendigen Verknüpfung von politik-und strukturgeschichtlichen Elementen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Alltägliche Lebensformen und Lebensbedingungen „präsent und anschaulich zu machen und den Besucher nicht nur mit vergangener Politik, sondern stets zugleich mit vergangener Lebenswelt zu konfrontieren“ sind seither wesentliche Forderungen an dieses Museum für Zeitgeschichte.
Und in der Tat wurde bei der Ausformulierung des Konzeptes für die Dauerausstellung bis hin zu den Belegungsplänen und der Gestaltung der Einbauten größter Wert darauf gelegt, daß diese struktur-geschichtliche Darstellung realisiert wird. Dieses Konzept basiert auf einer thematisch-chronologischen Abfolge von Ausstellungsinseln, -wegen und -räumen, die -jeweils gestalterisch, visuell und inhaltlich aufeinander bezogen -Zusammenhänge aufgreifen und in west-, ost-oder gesamtdeutscher Perspektive erläutern. Je nach Sichtweise, nach ihren Interessen und Neigungen, werden die Besucher diese „Inseln“, Wege und Räume während eines Rundganges ansteuern. Es ist jedoch auch möglich, daß die Besucher in ihrem Rundgang die Abfolge ihrer Ausstellungseindrücke gezielt nach thematischen, chronologischen oder deutsch-deutschen Gesichtspunkten auswählen.
VI. Gesamtdeutscher Ansatz.
Mit der Widerherstellung der deutschen Einheit veränderte sich die Perspektive, aus der die vierzigjährige Geschichte der Bundesrepublik betrachtet wurde. Die Teilung war bis dahin eine zwar aufgezwungene, aber für das politisch-historische Selbstverständnis in West und Ost bestimmende Tatsache gewesen. Mit ihrer Aufhebung ging ein Bezugspunkt verloren, der Politik und Alltag bisher wesentlich mitbestimmt hatte -ein neuer Zeitabschnitt war angebrochen. Es gab Stimmen, die forderten, das Haus der Geschichte solle sich auf die Darstellung des abgeschlossenen Zeitraumes von 40 Jahren bundesrepublikanischer Geschichte beschränken. Nicht nur in den Gremien der Stiftung, auch in der politischen Öffentlichkeit fand sich jedoch kein Konsens für ein Museum, das die Geschichte der DDR als wesentlichen Bestandteil der deutschen Nachkriegsgeschichte ausblendet: „Denn gerade im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen“, so der Bremer CDU-Bundestagsabgeordnete Bernd Neumann in der Debatte zur abschließenden Lesung des Stiftungsgesetzes im Februar 1990, „erhält dieses Haus der Geschichte eine besondere Dimension. Wer wird sich in einigen Jahren möglicherweise noch an die Zeit vor dem 9. November 1989 erinnern?“
Das Ende der deutschen Teilung brachte für das Haus der Geschichte weniger einen grundsätzlichen konzeptionellen Wandel als vielmehr eine Konzeptionserweiterung und -akzentuierung. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, die von Museen und Projektgruppen in den neuen Ländern signalisiert wurde, eröffnete jene Möglichkeiten zur Kooperation bei Sammlungen und Ausstellungen, die bis dahin unterbunden waren. Die Praxis der Museumsarbeit hat inzwischen bewiesen, daß die Entscheidung zugunsten einer integrierten Darstellung der deutschen Nachkriegsgeschichte in West-und Ostdeutschland richtig ist. Die Konzeption der Dauerausstellung wurde fortentwickelt im Hinblick auf eine breitere Berücksichtigung der DDR-Geschichte, so daß etwa 40 Prozent der Ausstellungsfläche gesamtdeutschen beziehungsweise DDR-Themen gewidmet sind.
Eine zeitgeschichtliche Ausstellung bedarf generell einer regelmäßigen Überarbeitung, welche die neuesten Forschungsergebnisse umsetzt und die historische Perspektive der fortschreitenden Zeit anpaßt. Das Haus der Geschichte erhebt nicht den Anspruch, schon jetzt mit einer langfristig gültigen musealen Sichtweise besonders der DDR-Geschichte aufwarten zu können. Zu unsicher sind manche Kenntnisse über weite Bereiche der staatlichen und gesellschaftlichen Geschichte vor allem der DDR. Die Zeitgeschichtsforschung, an deren Erträgen sich ein Museum für Zeitgeschichte orientieren muß, kommt zu vielen Themen -auf neuer, verbesserter Quellengrundlage -gerade erst in Gang. Andererseits sind die Erwartungen der Menschen in den neuen Bundesländern sowohl aus lebensweltlicher als auch aus politischer Perspektive groß. Die Bürger der ehemaligen DDR formulieren zu Recht den Anspruch, sich im Haus der Geschichte gewissermaßen „wiederzufinden“. Zugleich kann und darf aber die Entwicklung in Ost und West nicht wertgleich nebeneinander gestellt werden, wie es hier und da gefordert wird -eine Gratwanderung, die intensiv mit Wissenschaftlern und Politikern auch aus den neuen Ländern besprochen wird. Auch in dieser Frage steht das Haus der Geschichte in einem offenen Dialog.
Seine Kompetenz in Ausstellungsfragen im deutsch-deutschen Zusammenhang hat das Haus der Geschichte 1990 mit der Ausstellung „TschüSSED -4. 11. 89“ unter Beweis gestellt, einer ersten Gemeinschaftsausstellung von Partnern aus Westund Ostdeutschland. Transparente, Plakate, Schilder und Dokumente -von den Initiatoren der größten Demonstration während der Wende der DDR auf dem Berliner Alexanderplatz am 4. November 1989 eingesammelt -wurden zunächst im Berliner Zeughaus und später in Bonn ausgestellt; zugleich gab das Haus der Geschichte ein Magazin zu dieser Ausstellung heraus, das eine vollständige Dokumentation der Veranstaltung enthält. Die Ausstellung war ein Experiment und brachte die Exponate sozusagen von der Straße ins Museum.
Die Reaktionen der Besucher zeigten, daß auch hochaktuelle Themen im Museum für Zeitgeschichte akzeptiert, ja geradezu erwartet werden. In gewisser Weise war dieses Projekt auch Teil eines „deutsch-deutschen Lernprozesses“ mit vielen bislang unbekannten Möglichkeiten, die historische Sichtweise des jeweils anderen kennen und akzeptieren zu lernen: Wichtige Erkenntnisse und Voraussetzungen für künftige Kooperationen.
Diese Ausstellung war auch Anlaß für eine parlamentarische Anfrage der CSU, die von der Bundesregierung wissen wollte, warum gerade dieser Demonstration eine Ausstellung gewidmet werde, nicht aber den Montagsdemonstrationen in Leipzig. Schließlich hätten in Berlin Schriftsteller und Künstler -Privilegierte des Systems -für eine Reform der DDR demonstriert. In ihrer Antwort machte die Bundesregierung deutlich, daß in diesem Falle die Überlieferung des Ausstellungsmaterials, d. h.der Exponate, ausschlaggebend für die Präsentation gewesen war sowie zugleich die Bemühungen um eine differenzierte Sichtweise der politischen Zusammenhänge.
VII. Werkstattausstellungen und Veranstaltungsprogramm
Die große Aufmerksamkeit, mit der das Haus der Geschichte von Anfang an in der Öffentlichkeit, der Fachwelt und in der Politik beobachtet wurde, wird sich auch künftig auf die Ausstellungs-und Veranstaltungstätigkeit des Hauses richten. In mehreren Werkstattausstellungen wurden seit 1988 Teile der zunehmend wachsenden, umfangreichen Sammlungen an verschiedenen Orten in Bonn präsentiert. Sie waren einerseits „Proben“ und eine gewisse Vorschau auf die Dauerausstellung des Museums; die Besucher erhielten einen ersten Eindruck über die Arbeit des Hauses der Geschichte. Gleichzeitig war es für den Aufbau-stab eine Zeit des Experimentierens, in der bei Diskussionen mit Historikern, Museumsfachleuten und Besuchern -bis hin zu umfangreichen Evaluationsprojekten -wertvolle Erfahrungen gesammelt wurden, die in die Arbeit an der Dauerausstellung einflossen.
Not, Erfindungsgabe und Überlebenswille der Menschen in der Nachkriegszeit wurden in der ersten Ausstellung „Notbehelfe -Alltagsbewältigung in der Nachkriegszeit“ erfahrbar gemacht, die im Frühjahr 1988 gezeigt wurde. Objekte wie ein von einem Kriegsgefangenen geschnitztes Würfelspiel aus Rattenknochen oder aus militärischen Ausrüstungen hergestellte Haushaltsgeräte waren für jüngere Ausstellungsbesucher eine Begegnung mit einer für sie völlig fremden Welt und boten den älteren Anlaß zur Erinnerung an jene Jahre des notdürftigen Überlebens, aber auch der Hoffnung. Die Ausstellung „Medien vor 40 Jahren“ beleuchtete im Herbst 1988 den Neubeginn von Rundfunk und Presse, die Etablierung demokratischer Meinungsvielfalt und der Freiheit des Wortes mit Nachrichten, Zeitungen und Rundfunkbeiträgen von vorgestern. Materielle Not, mangelhafte technische Ausrüstung und die Medienpolitik der Alliierten Besatzungsmächte bildeten einen der Schwerpunkte. Eine Woche vor dem ersten Spatenstich im September 1989 zeigte die Ausstellung „Sammlerfreude“ einen Querschnitt durch die mittlerweile beträchtlich gewachsenen Sammlungen des Museums im Aufbau.
An den staatlichen Neubeginn erinnerte im Herbst 1989 die Ausstellung „ 1949 -Gründungsjahr der Bundesrepublik Deutschland“. Entsprechend dem thematischen Konzept der künftigen Dauerausstellung wurden nicht nur die politischen Probleme und Weichenstellungen, sondern auch Alltag und kultureller Neuanfang gezeigt. Ergänzend zur Ausstellung präsentierte das Haus der Geschichte ein umfangreiches Begleitprogramm, das auch Pilotfunktion für den Veranstaltungskalender des Hauses nach der Eröffnung hatte: beispielsweise eine Filmretrospektive sowie ein Programm der Kabarettgruppe „Duo Vital“ unter dem Titel „Trümmer, Träume und Rosinen“.
An die schwierigen Bedingungen am Ende des Krieges erinnerte die Ausstellung „Kindheit in der Nachkriegszeit“, die im Juni 1991 gezeigt wurde. Besonders lebendig wurde diese Präsentation durch die Mitwirkung von Mitgliedern des Kinder-und Jugendensembles beim Düsseldorfer Schauspielhaus, die mit darstellerischen Mitteln an die Situation der Kinder in diesen Jahren erinnerten. Ein für diese Ausstellung vom Haus der Geschichte produziertes Puzzle unterstreicht die Absicht, Zeitgeschichte zielgruppenspezifisch zu präsentieren und angemessen aufzubereiten. Darüber hinaus ist es ein weiterer Baustein auf dem Weg zu Konzept und Angebot des Museumsshops.
Da nicht nur Ausstellungen, sondern auch Sonderveranstaltungen zum künftigen Programmangebot zählen, hat das Haus der Geschichte auch auf diesem Sektor bereits praktische Erfahrungen sammeln wollen. Im April 1992 veranstaltete das Museum auf dem Petersberg bei Bonn aus Anlaß des 25. Todestages von Konrad Adenauer ein internationales Symposion mit den Wissenschaftlern Jacques Bariety, Arnulf Baring, Gordon Craig, John Lukacz und Hans-Peter Schwarz sowie den Zeitzeugen Elisabeth Noelle-Neumann, Maurice Couve de Murville, Wilhelm G. Grewe, Erich Mende und Sir Frank Roberts. Der Tagungsband mit dem Titel „Nach-Denken über Konrad Adenauer und seine Politik“ erschien im Frühjahr 1993. Das Haus der Geschichte bietet sich als Kooperationspartner an für vergleichbare Veranstaltungen aus besonderen Anlässen, z. B. zum 100. Geburtstag Kurt Schumachers 1995.
Mit der Eröffnung des Hauses der Geschichte wird ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm konzipiert und vorbereitet, das die Ausstellungen ergänzt, neue Akzente setzt, aktuelle Fragen und Probleme erörtert. Zu nennen sind beispielsweise der internationale Museumskongreß ICOM/AVI-COM zum Thema „Fotografie und Museum“ im September dieses Jahres und ein Symposion in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Gedenken an den 20. Juli 1944. Außerdem unterstützt das Haus der Geschichte eine Ausstellung zur friedlichen Revolution im Herbst 1989, die -von einer Projektgruppe von Bürgerrechtlern, Wissenschaftlern und Künstlern aus Leipzig organisiert -dort von September bis November 1994 im Zentrum der Stadt zu sehen sein wird.
Die erste Wechselausstellung unter dem Titel „Deutschlandbilder -Das vereinigte Deutschland im Spiegel der Karikatur des Auslands“ erweitert die Perspektive der Dauerausstellung und zeigt das vereinigte Deutschland seit 1989 im Spiegel ausländischer Karikaturen. Innerhalb weniger Monate wurden mit Hilfe vieler Partner-Agenturen, Auslandsvertretungen, Museen, Karikaturisten -und vor allem durch intensive Auswertung ausländischer Zeitungen und Zeitschriften -weltweit annähernd 1000 Karikaturen aus 65 Ländern zusammengetragen. Aus dieser großen Sammlung wurden 250 Karikaturen für die Ausstellung ausgewählt, von denen viele auch im Ausstellungskatalog abgebildet sein werden. Eine ergänzende Film-reihe ist vorgesehen.
VIII. Architektur
Das Haus der Geschichte versteht sich als Forum für die pluralistische und demokratische Freizügigkeit von Staat und Gesellschaft. Es ist darum kein abgeschiedener Musentempel für eine elitäre Minderheit, sondern ein Ort historisch-demokratischer Reflexion und Bestandteil unserer öffentlichen politischen Kultur. Diese Zielsetzung hat die Architekten Ingeborg und Hartmut Rüdiger aus Braunschweig bewogen, ein helles, transparentes und durchlässiges Gebäude zu schaffen (s. Abbildungen S. 19-21).
Vielfalt und Lebendigkeit des Angebotes sollen sich leicht erschließen und die Besucher nicht überfordern. Die Architektur spielt hierbei eine bedeutende Rolle. Museen, die dem Anspruch der Besucherorientierung gerecht werden wollen, müssen durchlässig sein, sowohl hinsichtlich ihrer Einbindung in das äußere städtebauliche Umfeld als auch hinsichtlich ihrer inneren Transparenz. Das Gebäude muß einladend wirken, der Besucher soll keine Hemmschwelle überwinden müssen: Er soll sich vielmehr schon durch die Architektur eingeladen fühlen, ein Museum muß eine seinem Inhalt angemessene Atmosphäre vermitteln. Die Erwartung einer Harmonie, eines sich ergänzenden Miteinanders von Inhalt und äußerer Form, richtet sich allgemein an jede Architektur. Doch richtet die Öffentlichkeit an die Museums-architektur besondere Erwartungen, stellt höchste Anforderungen. Museen -ob kunst-oder kulturhistorische, ob Alt-oder Neubauten, sei es, daß sie in eigens für sie errichteten oder in umgebauten Häusern untergebracht sind -, sie treten immer als Gesamtkonzept an die Öffentlichkeit. Die Architektur des Gebäudes, das Konzept der Ausstellungspräsentation, der Charakter der Veranstaltungen und selbstverständlich die Sammlungen müssen als wesentliche Faktoren zusammenspielen. Harmonieren sie, so erscheint das Museum in sich stimmig, konkurrieren sie, finden sie nicht zusammen, so entsteht Disharmonie. Im Idealfall bietet die Architektur des Gebäudes den passenden Rahmen für die an der inhaltlichen Konzeption orientierte Ausstellungsgestaltung. Ziel ist nicht die von manchen Ausstellungsgestaltern gewünschte „black box“, d. h.der architektonisch neutrale Raum, in dem frei von äußeren Vorgaben gestaltet werden kann. Vielmehr sollte Museums-architektur ein Gleichgewicht herstellen zwischen ihrem ästhetischen Eigengewicht und den thematischen Gestaltungsmöglichkeiten. Nichts ist für ein Museum schädlicher, als in der Gestaltung seiner Ausstellungen mit einer allzu dominanten Architektur konkurrieren zu müssen, nichts ist demgegenüber für Besucher irritierender als eine ambitionierte Ausstellung in einer unangemessenen räumlichen Umgebung.
Die Frage des rechten Verhältnisses von Museumsinhalt und Museumshülle ist keineswegs neu und doch immer wieder aktuell. Jede Eröffnung verleiht dieser Frage neue Aktualität. Als 1985 der Architektenwettbewerb für das Haus der Geschichte ausgeschrieben wurde, gab es zwar noch keine Sammlungen, wohl aber ein klares inhaltliches Konzept, dessen architektonische Umsetzung zum wichtigsten Kriterium für die Entscheidung des Preisgerichts wurde. „Das Erscheinungsbild des Gebäudes“, so urteilte es damals, „entspricht der Aufgabe, die Geschichte unseres Landes auszustellen.“
Das arkadenähnlich in den öffentlichen Verkehrs-bereich hineinragende Foyer lädt zum geplanten Besuch ebenso ein wie zum beiläufigen Eintreten. Die offene, von der Adenauerallee her einsehbare Glasfassade macht aus dem Geschehen im Mu-B seum kein Geheimnis, macht es vielmehr zum Teil des öffentlichen Raumes. Das Programm der großen Video-Panoramawand, die Besucherwege über die Rampen in der äußeren Fassade, das Leben im Foyer, Wechsel-und Dauerausstellung: all dies findet im Innern statt und doch zugleich in der Öffentlichkeit.
Durch einen eigenen U-Bahn-Eingang, der ohne Umwege über zwei Rolltreppen in das Foyer führt, ist das Haus der Geschichte optimal an das Verkehrsnetz angebunden; vom Bonner Hauptbahnhof ist es in fünf Minuten zu erreichen. Mit der Bahn erschließt sich in sechzig Minuten Fahrzeit ein Ballungsraum, in dem 16 bis 18 Millionen Menschen leben. Schneller, bequemer und umweltverträglicher geht es nicht: Mit der U-Bahn in die Zeitgeschichte.
Die klare Gliederung des Gebäudes erleichtert dem Besucher nach dem Eintreten schon von der Mitte des Foyers aus die Orientierung: geradeaus zur Information, zur Garderobe und in die Dauer-ausstellung, nach rechts in die Wechselausstellung, nach links zum Museumsshop und in den Saal oder nach oben zum Informationszentrum, in das Museumscafe oder zum Seminarraum, nach unten zum römischen Bodendenkmal -Überrest einer 2000 Jahre alten Besiedlung, Ergebnis der archäologischen Grabungen auf dem Bauplatz.
Die Dauerausstellung ist architektonisch durch großzügige, vielfältige, räumlich interessante und gut gegliederte Ausstellungsräume gekennzeichnet. Durch Ausnutzung der Topographie des Baugeländes befinden sie sich auf vier verschiedenen Niveaus und haben unterschiedliche Raumhöhen. Die Ausstellungen nutzen diese Zuordnungen: Epochen der deutschen Nachkriegsgeschichte werden nicht voneinander abgegrenzt, sondern einander zugeordnet, Durchblicke werden möglich, Öffnungen für die Ausstellung genutzt, manchmal zusätzlich geschaffen. Einzelne Zeitabschnitte sind rückblickend noch einmal zu überschauen, gelegentlich auch vorausschauend in den Blick zu nehmen. Die Offenheit der architektonischen Konzeption in den Räumen der Dauerausstellung -kaum Rückwände nach klassischem Museumsmuster -zwingt zu einer hier erwünschten besucherorientierten Ausstellungsgestaltung: Großeinbauten und Inszenierungen vermitteln dem Besucher Themen und Ausstellungsinhalte. Darüber hinaus bieten sie die Möglichkeit, Exponate als Ensembles wie auch als Einzelstücke „in Szene zu setzen“. So entstehen vielfältige visuelle Beziehungen, vergleichbar den historisch-gedanklichen Assoziationen im Gedächtnis.
Die charakteristischen Glasdächer, die das Gebäude Überspannen, vermitteln dem Besucher das Gefühl, sich gewissermaßen im öffentlichen Raum zu bewegen, sie steigern den Raumeindruck, wie das Preisgericht schon 1986 mit Blick auf diesen Wettbewerbsentwurf lobend hervorhob. Die Schaffung einer Tageslichtdecke mit direkter Beleuchtung ist ebenso kühn wie faszinierend. Das Haus der Geschichte ist ein Tageslichtmuseum, auch dies entspricht dem erlebnisorientierten Charakter des Gesamtkonzeptes. Nach allen Kriterien der Wahrnehmungspsychologie unterstützt die Lichtführung den Rundgang, den Ausstellungsbesuchern soll schauen, lesen und betrachten leicht-fallen. Zudem wird der Besucher nicht von der Außenwelt abgeschottet, die Architektur bezieht vielmehr die Umgebung des Hauses in die Ausstellung ein. Alle am Bau Beteiligten, vom Bundes-bauministerium über die Bauverwaltung bis zu den Ausstellungsgestaltern -vor allem die Stiftung selbst -haben von Anfang an größten Wert darauf gelegt, daß die technische Ausführung des Glasdachs konservatorischen Anforderungen genügt. Die konzeptionellen Untersuchungen und alle Messungen vor Ort stellen nach Aussagen der Fachleute sicher, daß die natürliche und die künstliche Lichtsituation unter musealen Gesichtspunkten unbedenklich sind.
Für ein vielfältiges und abwechslungsreiches Angebot bietet das neue Museumsgebäude zahlreiche Möglichkeiten: In dem mit modernster Technik ausgestatteten Saal mit 300 Plätzen sind unterschiedliche Veranstaltungen -vom Vortrag mit Diskussion, vom wissenschaftlichen Symposion über Film-und Musikpräsentationen bis hin zur Kleinkunst -möglich. Gruppendiskussionen, Unterricht im Museum, Fortbildungsveranstaltungen und museumspädagogische Aktivitäten finden im Konferenz-und Seminarraum statt. Der Multivisionsraum, nahe bei den Eingängen und leicht erreichbar vom Foyer, zeigt mit der Präsentation „Ein Tag in Deutschland“ markante Bilder aus Gegenwart und Vergangenheit in einer bislang noch nirgendwo gesehenen Zusammenstellung -Spuren der Geschichte, eingewoben in den Ablauf eines Tages der Gegenwart. Die Panoramawand -von den Architekten verstanden als Zitat der historischen Panoramamalerei mit den Mitteln modernster Medientechnologie -am Ende des Besucherrundganges durch die Dauerausstellung bietet besondere Attraktionen, von Zukunftsperspektiven bis zur Videokunst.
Der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Haus der Geschichte, Oscar Schneider, in dessen Amtszeit als Bundesbauminister der Neubau kon17 zipiert wurde, sagte: „Es gibt keine demokratische Architektur. Zu fordern ist aber ein schöpferisches Bemühen, der Demokratie in der Sprache der Architektur einen maßvollen und würdigen, einen klaren und repräsentativen Ausdruck zu verleihen. Niemals kann schlechte Architektur für demokratisch gelten; niemals kann ein monotones Einerlei dem demokratischen Gleichheitsprinzip seinen Ausdruck verleihen.“ Die Architekten Ingeborg und Hartmut Rüdiger wollten diesem Anspruch gerecht werden. Ob das architektonische Konzept langfristig tragfähig sein wird, entscheiden nach der Eröffnung am 14. Juni 1994 die Besucherinnen und Besucher.
IX. Ausblick
„Keine Zukunft ohne Vergangenheit“ -so lautete die Aufschrift eines Transparentes, das bei der Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz am 4. November 1989 getragen wurde. Dies könnte auch das Motto des Hauses der Geschichte sein, das mit seinem umfassenden Informations-und Unterhaltungsangebot zur aktiven Auseinandersetzung mit der Geschichte ebenso anregen will wie zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Zukunft.
Wer 1994 durch die Dauerausstellung des Hauses der Geschichte geht, nimmt einen Weg durch vier Jahre zonal geteiltes Deutschland, durch vierzig Jahre Spaltung und durch bald fünf Jahre vereinigtes Deutschland. In Wechselausstellungen werden aktuelle Themen präsentiert, Fragen und Probleme ergänzend dargestellt. Diskussions-und Vortragsveranstaltungen, Kongresse, Symposien, Filme, Musik, Kabarett und Theater machen aus dem Haus der Geschichte mehr als ein Museum: Es wird ein öffentlicher Ort sein, ein Forum der Begegnung und Diskussion ebenso wie ein Ort der Unterhaltung. Aus zahlreichen Gesprächen in der Phase vor der Eröffnung läßt sich bereits heute die Erwartung ableiten, daß der Besuch des Hauses auch Impulse dafür liefert, den Geschichtsunterricht über die jüngste Vergangenheit ernster zu nehmen und ihn hinsichtlich der dramatischen Epochenumbrüche unseres Jahrhunderts angemessener zu gestalten, als es leider allzu häufig auch heute noch geschieht.
Als Museum für Zeitgeschichte begleitet das Haus der Geschichte die Entwicklung unseres Staates in allen seinen Lebensbereichen. Dies erfordert Aktualität nicht nur in technischer und gestalterischer Hinsicht. Die Dauerausstellung soll in einem Rhythmus von etwa drei bis fünf Jahren aktualisiert werden und auf neue Themen und Fragen an die Geschichte einer sich wandelnden Gesellschaft eingehen; sie wird neue Probleme und Perspektiven aufgreifen, neue Akzente setzen. Das Haus der Geschichte ist daher auch ein Museum zum Wiederkommen.
Hinweis: Öfftzungszeiten des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ab 15. Juni: Di-So, 9-19 Uhr. -Besuchergruppen: Anmeldungen Mo-Fr, 9-16 Uhr, Tel.: 0228/9165-212. Allgemeine Führungen, Themenführungen, individuelles Besucherführungssystem. -Museumsshop, Museumscafe, Multivision, Informationszentrum/Mediathek, Saal, Seminarraum.
Hermann Schäfer, Prof. Dr. phil., geb. 1942; seit 1987 Direktor der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn; Privatdozent für Wirtschafts-und Sozialgeschichte an der Universität Freiburg; zuvor u. a. Abteilungsleiter am Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Themen der Wirtschafts-und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie zu Museumsfragen.
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