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Übergänge in die Vollbeschäftigung. Perspektiven einer zukunftsgerechten Arbeitsmarktpolitik | APuZ 12-13/1994 | bpb.de

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APuZ 12-13/1994 Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland Ansatzpunkte zur Behebung der Arbeitsmarktprobleme Übergänge in die Vollbeschäftigung. Perspektiven einer zukunftsgerechten Arbeitsmarktpolitik Kürzer oder länger arbeiten? Ökologie und Arbeitslosigkeit

Übergänge in die Vollbeschäftigung. Perspektiven einer zukunftsgerechten Arbeitsmarktpolitik

Günther Schmid

/ 35 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Aus traditioneller Perspektive erscheint Vollbeschäftigung als utopisches Ziel. Einhellig prognostizieren die Wirtschaftsforschungsinstitute für die Bundesrepublik Deutschland mittelfristig eine Beschäftigungslücke von 6, 5 Millionen, stille Reserve und versteckte Arbeitslosigkeit noch nicht einbezogen. Dieses Ziel einer vollbeschäftigten Gesellschaft entspricht jedoch nicht mehr den Wünschen vieler Menschen und schon gar nicht den Vorstellungen der jüngeren Generation. Schon heute unterstützen Arbeitsmarkt-und Sozialpolitik eine Vielfalt institutioneller Alternativen zur „regulären Erwerbstätigkeit“. Diese Alternativen -z. B. Fortbildung und Umschulung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Eltemurlaub und vorzeitige Verrentung -entsprechen einem Beschäftigungspotential (Vollzeitäquivalent) von 2, 5 Millionen und tragen in entsprechendem Umfang zu einer Annäherung an das Ziel der Vollbeschäftigung im modernen Sinne bei. Durch eine gezielte Strategie der „Übergangsarbeitsmärkte“ ließen sich diese schon bestehenden Alternativen zur regulären Beschäftigung erweitern, wodurch sich das Beschäftigungspotential in Ost-und Westdeutschland um weitere 1, 5 bis 2 Millionen erhöhen würde. So könnten Übergangsarbeitsmärkte einen effizienten Elastizitätspuffer schaffen, der in Rezessionsphasen expandiert und in Expansionsphasen kontrahiert. Sie wären eine realistische und moderne Alternative zur Zweidrittelgesellschaft, in der die einen zuviel und die anderen zuwenig an Arbeit haben.

I. Ist Vollbeschäftigung noch möglich?

Schaubild 1: Arbeitsmarktpolitik als Strategie von Übergangsarbeitsmärkten Quelle: Eigene Darstellung.

Ja, Vollbeschäftigung ist möglich, wenn das Ziel eine neue Qualität erhält.

Aus traditioneller Perspektive ist eine Gesellschaft vollbeschäftigt, wenn keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit herrscht. Unfreiwillig arbeitslos ist, wer zum herrschenden Lohnsatz kein reguläres Beschäftigungsverhältnis erhält; und als reguläre Beschäftigung gilt gemeinhin noch die kontinuierliche Vollzeitbeschäftigung. Aus dieser Sicht erscheint Vollbeschäftigung als utopisches Ziel. Einhellig prognostizieren die Wirtschaftsforschungsinstitute für die Bundesrepublik Deutschland mittelfristig eine Beschäftigungslücke von 6, 5 Millionen, „stille Reserve“ und „versteckte Arbeitslosigkeit“ noch nicht einbezogen.

Dieses Ziel einer vollbeschäftigten Gesellschaft entspricht jedoch nicht mehr den Wünschen vieler Menschen und schon gar nicht den Vorstellungen der jüngeren Generation. Schon heute unterstützen Arbeitsmarkt-und Sozialpolitik eine Vielfalt institutioneller Alternativen zur „regulären Erwerbstätigkeit“. Diese Alternativen -z. B. Fortbildung und Umschulung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Elternurlaub und vorzeitige Verrentung -entsprechen einem Beschäftigungspotential (Vollzeitäquivalent) von 2, 5 Millionen und tragen in entsprechendem Umfang zu einer Annäherung an das Ziel der Vollbeschäftigung im modernen Sinne bei.

Ja, Vollbeschäftigung ist möglich, wenn Massenarbeitslosigkeit rechtzeitig bekämpft wird.

Heutzutage ist sogar strittig geworden, ob es sinnvoll ist, Vollbeschäftigung auch zu wollen. 5 Millionen und tragen in entsprechendem Umfang zu einer Annäherung an das Ziel der Vollbeschäftigung im modernen Sinne bei.

Ja, Vollbeschäftigung ist möglich, wenn Massenarbeitslosigkeit rechtzeitig bekämpft wird.

Heutzutage ist sogar strittig geworden, ob es sinnvoll ist, Vollbeschäftigung auch zu wollen. Die jährlich steigende Arbeitslosigkeit mobilisiert ungeahnte Gewöhnungseffekte und Rechtfertigungen. Die Gewöhnungseffekte sind u. a. daran erkenntlich, daß Regierungen -bisher zumindest -nicht zu befürchten hatte, Wahlen wegen steigender Arbeitslosigkeit zu verlieren. Politisch zahlte sich Inflationsbekämpfung, selbst wenn sie eindeutig auf Kosten der Arbeitslosigkeit ging, bisher immer mehr aus als die-Bekämpfung von Arbeitslosigkeit 1.

Rechtfertigungen lieferte in den letzten zwanzig Jahren vor allem die Theorie der „natürlichen Arbeitslosenquote“ 2. Sie besagt im Kern, daß globale Beschäftigungspolitik -z. B. eine expansive monetäre Politik durch Zinssenkungen oder eine expansive Fiskalpolitik durch antizyklische Staatsverschuldung -gegen ein gewisses Niveau von Arbeitslosigkeit nichts ausrichten kann. So konnte es geschehen, daß dieses gewisse Niveau, eben die „natürliche Arbeitslosenquote“, nicht nur den Gegebenheiten entsprechend nach oben angepaßt wurde, sondern daß die vorherrschende ökonomische Doktrin den Politikern ein Argument an die Hand gab, hohe Arbeitslosigkeit mit einer Geste der Resignation zu akzeptieren, so als ob sie von blinden Naturkräften und nicht von Menschen-kräften entstanden sei.

Dabei ist theoretisch wie empirisch klar: Das Phänomen Arbeitslosigkeit verhält sich wie Feuer. Es ernährt sich selbst. Je höher die Arbeitslosenquote, desto höher die Dauer der Arbeitslosigkeit und desto schwieriger, sie zu bekämpfen. OECD-Länder, die schon vor 10 Jahren eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit hatten, haben auch heute eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, freilich auf noch höherem Niveau.Ja, Vollbeschäftigung ist möglich, wenn „Übergangsarbeitsmärkte" anstelle eines „zweiten Arbeitsmarkts“ gefördert werden.

Eine Strategie flexibler Arbeitsmarktübergänge könnte diese schon bestehenden Alternativen zur regulären Beschäftigung erweitern und ihr Beschäftigungspotential in Ost-und Westdeutschland um weitere 1,5 bis 2 Millionen erhöhen. Anstatt einen „zweiten Arbeitsmarkt“ zu errichten, der absehbar vom „ersten Arbeitsmarkt“ abgeschottet wird und dessen Funktionsweise beeinträchtigt, kombinieren „Übergangsarbeitsmärkte“ reguläre Erwerbsarbeit mit anderen gesellschaftlich oder persönlich nützlichen Aktivitäten wie Lernen, Erziehen, kulturelles Gestalten, politische Beteiligung und soziales Engagement.

Die Strategie der Förderung von Arbeitsmarktübergängen integriert zwar einige Innovationen, die derzeit unter dem Stichwort „zweiter Arbeitsmarkt“ gehandelt werden Sie wendet sich aber gegen die Etablierung eines „zweiten Lohnarbeitsmarkts“, also die Förderung von Beschäftigung unterhalb tariflicher Sätze oder Mindestlöhne, und sie zielt eindeutiger auf die Flexibilisierung des regulären Arbeitsmarkts und somit auf die Integration aller Erwerbspersonen. Im Gegensatz zur Strategie des „zweiten Arbeitsmarkts“ werden die „Brückenköpfe“ im regulären Arbeitsmarkt verstärkt, so daß der „Verkehr“ in beide Richtungen fließen kann. Während die Brücken dauerhaft institutionalisiert sind, stellen sie für einzelne und Betriebe befristete Optionen dar, die bedingt durch lebensbiographische Phasen oder wirtschaftliche Umstände genutzt werden. Übergangsarbeitsmärkte können auf diese Weise einen effizienten Elastizitätspuffer schaffen, der in Rezessionsphasen expandiert und in Expansionsphasen kontrahiert. Übergangsarbeitsmärkte sind nicht nur eine sozial akzeptablere, sondern auch eine ökonomisch effizientere Alternative zur „Zweidrittelgesellschaft“, in der die einen zuviel und die anderen zuwenig an Arbeit haben

II. Formen und Beschäftigungspotentiale flexibler Arbeitsmarktübergänge

Tabelle 1: Zur Zeit realisierte und zusätzlich mögliche Beschäftigung in Übergangsarbeitsmärkten (zum Teil grobe Schätzungen in Vollzeit-Beschäftigungsäquivalenten; voraussichtlicher Jahres-durchschnitt 1993) Quelle: Eigene Berechnungen auf der Basis diverser Quellen (Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit; IAB-Werkstattberichte; Ostdeutschland Nr. 8; u. a.).

Es geht also um die Stabilisierung und Erweiterung von Beschäftigungsbrücken, und es geht um die Innovation solcher Brücken. Systemisch lassen sich dabei fünf Arbeitsmarktübergänge unterscheiden, die durch Beschäftigungsbrücken zu fördern sind; sie werden im folgenden Schaubild dargestellt: 1. Übergänge zwischen verkürzter und vollzeitiger Beschäftigung bzw. zwischen Lernen und Arbeiten(1) Die wetterabhängige Bauwirtschaft bietet ein klassisches Beispiel für einen geregelten Übergang zwischen verkürzter und vollzeitiger Beschäftigung. Schlechtwettergeld und Wintergeld sind die tragenden Pfeiler der „Brücke“. Sie stabilisieren die Beschäftigung und vermeiden einen Großteil offener Arbeitslosigkeit. Die Brücke ermöglicht eine sozial verträgliche und wirtschaftlich effiziente Abfederung von Schwankungen der Arbeitskräftenachfrage. Im Lichte der Strategie flexibler Übergangsmärkte ist der von der gegenwärtigen Koalitionsregierung geplante Abbau von Schlechtwettergeld zweifellos ein strategischer Rückschritt. Während der Beschäftigungseffekt des Wintergeldes schwer zu schätzen ist entsprechen die Ausfallstunden des Schlechtwettergeldes gegenwärtig etwa knapp 60000 Arbeitsplätzen. Durch eine Erweiterung dieser Instrumente in Westdeutschland (Steigerung um 10 Prozent) und die zu erwartende Expansion des Baugewerbes in Ostdeutschland könnte mittelfristig ein zusätzliches Potential von rund 19000 Arbeitsplätzen geschaffen werden (vgl. Tabelle 1).

(2) Das Kurzarbeitergeld ist, von einzelnen Mängeln auch hier abgesehen, ein weiteres bewährtes klassisches Instrument aktiver Arbeitsmarktpolitik. Es gleicht zyklische Nachfrageschwankungen aus, indem es das verringerte Arbeitsvolumen (und die damit erforderliche Reduzierung der Lohnkosten) auf mehrere Schultern verteilt; durch Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses wird jedoch das betriebliche Humankapital bewahrt, so daß im Aufschwung Transaktionskosten gespart werden. In den letzten „Vollbeschäftigungsländern" Japan und Schweiz spielt Kurz-arbeit übrigens eine zentrale Rolle, auch die USA orientieren sich zunehmend am deutschen Modell.

Das Kurzarbeitergeld hat bisher die Männer begünstigt, da diese in den konjunktursensitiven Branchen und in den großen internen Arbeitsmärkten des verarbeitenden Gewerbes dominieren. Die „Männersektoren“ Bergbau, Stahl und Werften profitierten darüber hinaus noch von Verlängerungen der Regelbezugsfrist durch den Arbeitsminister, während die stark von Frauen besetzten und von der Krise geschüttelten Industriezweige Textil, Bekleidung und Elektroindustrie nicht dieselbe politische Aufmerksamkeit gewinnen konnten. Diese Benachteiligung ist nicht gerechtfertigt und deutet auf ein noch nicht ausgeschöpftes Handlungspotential, vor allem, wenn man an die mögliche Beschäftigungskrise in stark von Frauen besetzten Dienstleistungsbereichen denkt, etwa im Banken-oder Versicherungsbereich. Wenn Rezessionen durch Strukturkrisen verschärft werden, ist Kurzarbeit allein jedoch ein ökonomisch bedenkliches Instrument. Ohne Flankierung mit Qualifizierung und intensiver Arbeitsvermittlung bremst Kurzarbeit den Strukturwandel und trägt nichts zur aktiven Umstrukturierung bei. Das Instrument des Kurzarbeitergeldes (Kug) muß dann mit der Qualifizierungsbrücke verbunden werden, wie es neuerdings das AFG auch fordert (§ 63 [4]). Die Potentiale auch dieser Brücke sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft

Ein extensiverer Einsatz des Kurzarbeitergeldes, insbesondere in Verbindung mit Qualifizierung, enthält schätzungsweise ein zusätzliches Potential von 200000 erhaltenen Arbeitsplätzen (vgl. Tabelle 1). (3) Kurzarbeit im öffentlichen Dienst war bisher ausgeschlossen, da hier konjunkturelle, d. h. von Betrieben unbeeinflußbare Nachfrageschwankungen nicht vorausgesetzt werden können. Denkbar wäre dennoch, das Prinzip des Kurzarbeitergeldes auch im öffentlichen Sektor einzuführen, da die Finanzen des Staates von den wirtschaftlichen Konjunkturen abhängen. Bisher übliche Strategien der Personalkostenreduktion waren der (vor allem für Jugendliche schädliche) Einstellungsstopp, Stellenstreichungen oder gar Arbeitszeiterhöhung ohne entsprechenden Lohnausgleich. Statt dessen könnten befristet beschäftigungserhaltende Brükken der solidarischen Personalkosteneinsparung geschaffen werden: also Arbeitszeitverkürzung bei nur partiellem Lohnausgleich wie im Falle der Kurzarbeit anstelle von Einstellungsstopp, gegebenenfalls sogar verbunden mit Zusatzeinstellungen.

Warum wird von den „Blaukragen-Arbeitern“ in der Industrie ganz selbstverständlich erwartet, die Kosten des Strukturwandels mit (solidarisch verteilten) Einkommenseinbußen mitzutragen, während man den „Weißkragen-Arbeitern“ in Banken, Versicherungen oder im öffentlichen Dienst allenfalls eine lohnpolitische „Nullrunde“ zumutet? Dabei könnte man, wie bei der Kurzarbeit, den durch die befristete Arbeitszeitverkürzung entgangenen Lohn partiell durch die entfallenden Kosten der Arbeitslosigkeit und durch Ausschöpfung von Produktivitätsreserven finanzieren. Eine solche Personalkosteneinsparung wäre gerechter als eine, die durch Arbeitszeitverlängerung erzwungen wird, denn sie verteilt die Lasten auf mehrere Schultern. Sie wäre vermutlich auch effizienter, weil das Know-how qualifizierter Beschäftigter erhalten bleibt und weil es nicht gerade plausibel erscheint, daß eine zusätzliche Arbeitsstunde im öffentlichen Dienst von hoher Grenzproduktivität gekennzeichnet ist

Bei Beamten, die keine Ansprüche auf Arbeitsförderung haben, da sie (noch) keine Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit leisten, könnte die befristete Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich auf mittlere und höhere Einkommensklassen beschränkt bleiben, gegebenenfalls noch andere soziale Belange berücksichtigen und verschiedene Formen annehmen: z. B. Einstellungen im gehobenen und höheren Dienst bei zwei Drittel Arbeitszeit und Gehalt, aber Anspruch auf eine Vollzeitstelle im Anschluß daran; Übergang in Pension im letzten Jahr bei zwei Drittel Arbeitszeit und Gehalt; auf freiwilliger Basis Einführung eines Sabbamöglicherweise ticals (befristete Unterbrechung eines Beschäftigungsverhältnisses) von beispielsweise drei Monaten nach zwei Jahren „Ansparzeit“

Eine analoge Anwendung des Kurzarbeitprinzips im öffentlichen Dienst wie im Angestellten-bereich (insbesondere des Banken-und Versicherungsgewerbes) erbrächte rechnerisch -bei einer zwischenzeitlichen und durchschnittlich zehnprozentigen Arbeitszeitverkürzung und einem fünfzigprozentigen Lohnausgleich -etwa 300000 (Westdeutschland) und 100000 (Ostdeutschland) Arbeitsplätze (vgl. Tabelle 1). (4) Die Beschäftigungsmöglichkeiten können schließlich durch Förderung genereller Arbeitszeit-flexibilität wesentlich erweitert werden. Dadurch lassen sich ökonomisch positive Effekte erzielen, indem Arbeits-und Betriebszeiten stärker entkoppelt werden. Für die Erwerbstätigen werden darüber hinaus die Optionsmöglichkeiten erhöht. Das Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB) verweist auf das Potential dieses Übergangsmarktes: Die nicht erfüllten Wünsche nach (zeitweiser) verkürzter Arbeitszeit machen etwa acht Prozent des gesamten Arbeitsvolumens aus, im Vergleich zu derzeit etwa zehn Prozent Arbeitslosigkeit

Zur Realisierung dieses Beschäftigungspotentials gibt es viele Möglichkeiten: diverse Job-sharing-Modelle, Jahresarbeitszeitverträge oder Freizeit-ausgleich von Überstunden. Es liegt vor allem an der Phantasie der Tarifparteien, diese Möglichkeiten besser auszuschöpfen. Nach dem neuen Verständnis von Arbeitsmarktpolitik könnten Staat und Bundesanstalt für Arbeit jedoch Schützen-oder „Hebammenhilfe“ gewähren.

Das von VW eingeführte Modell der 4-Tage-Woche, beispielsweise, ist nur eine unter einer großen Vielfalt von Varianten bereits praktizierter Jahresteilzeitarbeit und für die meisten Unternehmen nicht praktizierbar. Auch volkswirtschaftlich betrachtet ist es kein allgemein übertragbares Modell, weil die Realeinkommensicherung gesamtwirtschaftlich nur dann gewährleistet ist, wenn sich die Arbeitszeitverkürzung im Rahmen des Produktivitätsfortschritts hält. In Unternehmen, in denen (wie bei VW) drastischer Beschäftigungsabbau notwendig ist, könnten die Einkommenseinbußen der die Arbeitszeit verkürzenden Beschäftigten gemindert werden, indem beispielsweise die Beitragssätze an die Bundesanstalt für Arbeit temporär und degressiv gestaffelt abgesenkt, die Ansprüche an Arbeitslosengeld jedoch zeitweise gemessen an den bisherigen Löhnen beibehalten werden. Dies wäre ein fairer Ausgleich für die ansonsten zu zahlenden Arbeitslosengelder

Andere Möglichkeiten der Unterstützung beschäftigungsfördemder Arbeitszeitflexibilität sind die steuerliche Begünstigung verkürzter Arbeitszeiten und die stärkere steuerliche Belastung von Über-stunden. Eine Umstellung der Arbeitgeberbeiträge an die Bundesanstalt für Arbeit von der individuellen Lohnhöhe auf die gesamte betriebliche Lohnsumme, die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze sowie arbeitszeitbezogene progressive Sozialabgaben, die vor allem Überstunden stärker belasten, wären konkrete Schritte in diese Richtung Eine konsequente Förderung der Arbeitszeitflexibilität (Job-sharing, Freizeitausgleich oder Überstundenverteuerung etc) könnte -nach spekulativer Schätzung -noch einmal ein Potential von 200000 Beschäftigungsmöglichkeiten einbringen (vgl. Tabelle 1). 2. Übergänge zwischen Arbeitslosigkeit und Beschäftigung In einer dynamischen Marktwirtschaft wird sich Arbeitslosigkeit nie ganz vermeiden lassen. Man kann sogar noch weiter gehen: Je mehr Dynamik erforderlich oder gewünscht wird, desto mehr Fluktuationsarbeitslosigkeit muß einkalkuliert werden, und um so notwendiger wird die Etablierung von Brücken zurück zum regulären Arbeitsmarkt. Beide bedingen sich wechselseitig: ohne Brücken keine Arbeitsmarktdynamik, ohne Arbeitsmarktdynamik keine Fluktuationsarbeitslosigkeit. Je mehr die Beschäftigten Erwartungssicherheit bzw. Vertrauen in solche Brücken haben, desto mehr akzeptieren sie die Risiken der Zukunft; ohne dieses Vertrauen werden sie die Sicherheit in der Gegenwart oder Vergangenheit suchen -keine gute Voraussetzung für eine offene und dynamische Gesellschaft.

Die Konstruktionsprinzipien der Brücken zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit sind längst bekannt: Lohnsubventionen (eventuell unterstützt durch Sachkostenzuschüsse) in verschiedener Abstufung, für verschiedene Zielgruppen und Aufgabenbereiche. In der Ausgestaltung dieser Prinzipien sind jedoch erhebliche Ausbesserungen oder Erneuerungen erforderlich. Im folgenden werden die praktizierten und möglichen „Beschäftigungsbrücken“ (vgl. die Nummern 5 bis 9 in Tabelle 1), entsprechend dem Grad der Subventionierung und der Nähe zum regulären Arbeitsmarkt“ aufsteigend angeordnet, kurz aufgeführt: (5) Eine traditionelle Brücke zwischen Arbeitslosigkeit und Beschäftigung ist die zeitlich befristete Förderung von Arbeitsplätzen im gemeinnützigen Sektor. Sie werden bis zu 100 Prozent gefördert, wenn die ausgeführten Arbeiten zusätzlich und im öffentlichen Interesse sind. Diese sogenannten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) gaben 1993 im Durchschnitt etwa 50 000 Menschen in Westdeutschland (also nur 0, 2 Prozent der Erwerbspersonen) und 260000 in Ostdeutschland (2, 9 Prozent) eine Verdienstmöglichkeit. Allerdings sind die Teilnehmerzahlen in Ostdeutschland durch die Stop-and-go-Politik sowie durch den Sparkurs der Bundesregierung inzwischen drastisch reduziert worden (Teilnehmerzahl im ersten Halbjahr 1992 etwa 400 000).

An der Umsetzung der ABM in Ostdeutschland sind maßgeblich Gesellschaften zur Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklungen („ABS-Gesellschaften“) beteiligt. Neben Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen übernehmen diese auch die Koordination von Maßnahmen der Fortbildung und Umschulung (FuU), die Überführung in dauerhafte Beschäftigung sowie die Unterstützung von Existenzgründungen Zur Zeit dürften etwa 400 solcher Gesellschaften existieren und eine Teilneh-merzahl von rund 100000 selbst betreuen. Aus einer Untersuchung geht hervor, daß etwa ein Drittel nach Ausscheiden eine abhängige Beschäftigung gefunden hat, ein Viertel wurde wieder arbeitslos, und zehn Prozent gingen in FuU-Maßnahmen über

Nicht zu unterschätzen sind auch die indirekten Entlastungseffekte, d. h. die Auslösung von regulärer Beschäftigung durch ABM, die in der Größenordnung von 40 Prozent eingeschätzt werden. Diese Entlastungseffekte sind um so höher, je investiver der Charakter der ABM-Projekte ist. Nach Untersuchungen des IAB aus dem Jahre 1991 waren rund 50 Prozent der geförderten ABM in Ostdeutschland im engeren Sinne investiv, d. h. in Bereichen der wirtschaftsnahen Infrastruktur, der baulichen Instandsetzung und Planung sowie der Umweltverbesserung angesiedelt. Immerhin 32 Prozent der ABM entfielen auf die Bereiche Landwirtschaft, Energie, Bergbau und Produzierendes Gewerbe, nur 38 Prozent auf den Staatssektor. Bei den sogenannten Mega-Maßnahmen (ABM, die ein Gesamtförderungsvolumen von drei Millionen DM bei der BA überschreiten und jeweils über 150 Personen beschäftigen), die 1991 und 1992 ca 11, 5 Prozent der ABM-Beschäftigten ausmachten, lag die investive Komponente sogar zwischen 80 und 90 Prozent

Die derzeitige Forderung, ABM-Arbeiten unter Tarif zu bezahlen zum einen, um den Anreiz zur Rückkehr in den „ersten Arbeitsmarkt“ zu erhöhen, zum anderen, um mehr ABM-Plätze zu schaffen, wäre sozial ungerecht und ökonomisch auch nicht wirkungsvoll. Vom Prinzip „gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ abzugehen, würde die schwache Situation der Arbeitslosen ungerechtfertigt ausnutzen und zu sozialen Spannungen führen; im übrigen sind Lohnspannen kein wirkungsvoller Anreiz zur Mobilität. Entscheidend für Mobilität sind Attraktivität und überhaupt Verfügbarkeit stabiler Arbeitsplätze; auch die grundsätzliche Befristung von ABM ist ein Anreiz, sich um eine dauerhafte Stellung zu bemühen. Soll der Anspruch der Brückenfunktion und die Vermeidung zweitklassiger Arbeitsplätze nicht aufgegeben werden, dürfte das zusätzliche Potential in West-wie in Ostdeutschland jeweils maximal 50000 betragen (vgl. Tabelle 1). Dieses Ziel läßt sich jedoch nur realisieren, wenn die ABM-Brücke mit anderen Brücken verbunden wird, insbesondere der Qualifizierungsbrücke. Deshalb sind die Erfahrungen der ABS-Gesell-schäften nun auch in der Beschäftigungskrise in Westdeutschland zu nutzen. Darüber hinaus sollte die Organisation von ABM-Projekten stärker auf private „Existenz-und Unternehmensausgründungen“ ausgerichtet werden. Der an die Projektförderung anschließende Übergang in reguläre Beschäftigung könnte dann durch Anwendung des § 249 h (AFG) oder durch eine Kapitalisierung des Arbeitslosengeldes in Verbindung mit sonstigen Existenzfördermitteln unterstützt werden. Solche Finanzhilfen scheinen bei Neugründungen erheblich weniger problematisch als bei Altunternehmen, weil die Gefahr der Konservierung nicht lebensfähiger Strukturen geringer ist. (6) Die Konzeption der Sozial-oder Arbeitsförderbetriebe entspricht vollkommen der Strategie von Übergangsarbeitsmärkten. Denn diese Betriebe sollen Güter und Dienstleistungen für den Markt produzieren und langfristig auf eigenen Beinen stehen. Da sie überwiegend schwer zu integrierende Arbeitslose (Ältere, Leistungsgeminderte, wenig Qualifizierte) einstellen, müssen sie jedoch in einer mittelfristigen Aufbauphase (ca. fünf Jahre) institutionell und individuell gefördert werden. Niedersachsen bietet zur Zeit in 48 Sozialbetrieben knapp 1000 Arbeitslosen Lohn und Brot; geplant sind jährlich 20 weitere Betriebe Aufgrund der Orientierung auf benachteiligte Gruppen ist das Ziel der völligen Selbständigkeit in den meisten Fällen wohl zu hoch gesetzt. Realistisch ist für die Mehrzahl der Sozial-oder Arbeitsförderungsbetriebe eine dauerhafte gemischtwirtschaftliche Konzeption; vorstellbar wäre etwa eine durchschnittlich 25-bis 50prozentige öffentlich erbrachte Grundfinanzierung (inklusive von beispielsweise Mitteln aus dem EG-Sozial-fonds) und eine 50-bis 75prozentige erwerbs-wirtschaftliche Basis.

So richtig und wichtig diese Innovation ist, das Beschäftigungspotential insgesamt muß als bescheiden eingeschätzt werden. Innerhalb der nächsten drei Jahre könnten in der gesamten Bundesrepublik auf diesem Wege etwa 30 bis 40 Tausend Arbeitsplätze geschaffen werden; das sind gerade 0, 1 Prozent der Erwerbspersonen (vgl. Tabelle 1). (7) Die Arbeitsmarktpolitik praktiziert gegenwärtig vier Formen von Lohnsubventionen: Einarbeitungszuschüsse zur betrieblichen Nachqualifizierung sowie Eingliederungsbeihilfen für schwervermittelbare Arbeitslose (EB), Lohnkostenzuschüsse für Ältere, von der Bundesregierung finanzierte Sonderprogramme für Langzeit-arbeitslose und neuerdings die Lohnsubventionen nach § 249 h des AFG.

Während die drei erstgenannten Formen Beschäftigung im regulären Arbeitsmarkt fördern, sind die -gegenwärtig nur in Ostdeutschland praktizierten -Lohnkostenzuschüsse nach § 249h AFG zwischen den Polen der öffentlich vollständig und öffentlich überhaupt nicht geförderten Beschäftigungsverhältnisse anzusiedeln. Die Bundesanstalt in strukturpolitisch für Arbeit fördert drei präferierten Bereichen (Umweltschutz, Soziale Dienste und Jugendhilfe) die Einstellung von Arbeitslosen bis zu drei Jahren mit einem Pauschalbetrag von ca. 15 000 DM im Jahr, dies entspricht in etwa den durchschnittlich bezahlten Lohnersatzraten. Der Zuschuß, der auf Ostdeutschland beschränkt ist, wird nur gewährt, wenn die zugewiesenen Arbeitslosen oder ehemaligen ABM-Empfänger niedrigere Arbeitsentgelte erhalten als vergleichbare nicht zugewiesene Arbeitnehmer (höchstens 90 Prozent) oder wenn sie nur bis zu 80 Prozent der üblichen Arbeitszeit eingestellt werden.

In der Umweltsanierung werden allerdings die jährlichen Personal-und Sachkosten je Arbeitnehmer auf mindestens 50000 DM veranschlagt, in den sozialen Diensten und der Jugendhilfe auf etwa 35 000 DM. Der Lohnkostenzuschuß kommt folglich nur für einen relativ geringen Teil der Gesamtkosten (25 Prozent bis 40 Prozent) auf. Anders als bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, deren Kosten im Durchschnitt zu rund 90 Prozent von der Bundesanstalt für Arbeit und vom Bund gedeckt werden, muß hier die Hauptfinanzierung von dritter Seite sichergestellt werden. In Betracht kommen dafür u. a. Eigenmittel der Maßnahme-träger (Arbeitgeber) sowie Fördermittel der Länder, der Kommunen, des Bundes und der Europäischen Union (EU-Sozialfond).

Land, Kommunen oder Betriebe müssen sich also zu einer Ko-Finanzierung zusammenraufen, umentsprechende Arbeitsplätze zu kreieren, die sich später einmal wirtschaftlich selbst tragen sollen. Dies hat sich -wen wundert’s -als ein schwieriger Prozeß erwiesen, der für die einen „zuviel Bürokratie“, für die anderen aber den Garant für zukunftsfähige Arbeitsplätze darstellt. Trotz Anlaufschwierigkeiten wurde jedoch das Ziel, bis zu 70000 Arbeitsplätze im Jahr 1993 zu schaffen, knapp erreicht. Ende 1993 wurden 63388 Personen durch Lohnkostenzuschüsse nach Paragraph 249 h AFG gefördert. Da 1993 kaum Abgänge erfolgt sein dürften, ist der durchschnittliche Bestand geförderter Teilnehmer im Jahre 1993 mit ca. 30000 anzusetzen.

Ob dieses neue Instrument tatsächlich eine Innovation sein kann, ist nach einem Jahr Förderpraxis skeptisch zu beurteilen. In der Umsetzung äußert sich die potentielle Qualität noch wenig: Es dominieren traditionelle Projekte (insbesondere Altlastensanierung), und die längerfristige Ko-Finanzierung ist vor allem im sozialen Bereich selten sichergestellt. Deshalb hat das Instrument bisher sowohl die Frauen benachteiligt (Anteil 37 Prozent gegenüber einem Anteil an Arbeitslosen von 65 Prozent) als auch regional einseitige Schwerpunkte gesetzt, d. h. es profitierten vor allem Brandenburg und Sachsen-Anhalt

Solange „marktfähige“ Produkt-oder Dienstleistungsbereiche ausgeschlossen sind, besteht die Gefahr, daß die „Lohnkostenzuschüsse Ost“ ein ABM-Ersatz bleiben. Es erscheint daher sinnvoll, die strukturpolitischen Kriterien zu erweitern und das Instrument auch in krisengeschüttelten Regionen Westdeutschlands einzusetzen. Dabei sollte die Entscheidung der Förderungswürdigkeit den Landesregierungen und Landesarbeitsämtern überlassen werden; zumindest sollten sie ein stärkeres Mitspracherecht erhalten, da sie nicht nur die ausschlaggebenden Ko-Finanziers sind, sondern auch besser wissen, was dem Land gut tut. Mit diesen Änderungen könnte vermutlich ein zusätzliches Beschäftigungspotential von insgesamt 150000 Arbeitsplätzen in den nächsten zwei bis drei Jahren ausgeschöpft werden (8) Die Eingliederungsbeihilfen nach § 54 AFG (EB) und das vom Bund finanzierte Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose bringen zur Zeit jährlich etwa 40000 Arbeitslose wieder in Lohn und Brot. Bei diesen wie anderen Lohnsubventionen steuert die Arbeitsverwaltung zwischen der Skylla von Mitnahmeeffekten und der Charybdis zu schwacher Anreize Rückblickend erweist sich dabei Skylla eindeutig abschreckender als Charybdis. Deshalb werden, im Vergleich zu Anfang der achtziger Jahre, wenig Arbeitslose von der Arbeitsverwaltung auf dem schmalen Brückenpfad der Lohnsubventionen in reguläre Arbeit zurück-geschleust. Die seit längerem rückläufige Tendenz wurde mit der 10. AFG-Novelle noch verschärft, und das Sonderprogramm der Bundesregierung wird 1993 auslaufen

Nach dem Vorbild des in Japan praktizierten Wiederbeschäftigungsbonus könnte dieser Brücken-pfad zu einer Brückenstraße werden: Findet eine arbeitslose Person durch Eigeninitiative einen Arbeitsplatz, erhält sie einen Teil ihrer nicht ausgeschöpften Arbeitslosengeldansprüche als Bonus. Voraussetzung ist, daß die Stelle beim Arbeitsamt als offene Stelle gemeldet war, was für die Arbeitsvermittlung wiederum größere Transparenz schafft. Ergänzend könnten Eingliederungsbeihilfen durch strukturpolitische Vorgaben wieder an Bedeutung gewinnen: Mitnahmeeffekte sind voraussichtlich geringer, wenn erfolgreiche Existenz-gründer beginnen, sich zu Kleinunternehmern zu mausern und erste Mitarbeiter einstellen. Diese Einstellungen könnten durch längerfristige Lohn-subventionen gefördert werden. Diese Verbesserungen zusammengenommen dürften das Beschäftigungspotential dieses Instruments verdoppeln (vgl. Tabelle 1). (9) Seit 1986 fördert die Bundesanstalt Existenz-gründungen von Arbeitslosen, indem sie den Leistungsanspruch bis zu sechs Monaten weiter-bezahlt (§ 55 a AFG). Ergänzend werden pauschalisierbare Zuschüsse zur Sozialversicherung gewährleistet. 1988 wurden 17985 Existenzgründer gefördert, 13142 im Jahre 1992. In Ostdeutschland wurden 1992 18445 Fälle gefördert, eine ähnliche Größenordnung ist für 1993 zu erwarten. Während die selektiven Förderungskriterien in der Bundesrepublik vorbildhaft sind (die Tragfähigkeit der Existenzgründung muß begutachtet werden), ermutigen Erfahrungen aus Frankreich das Überbrückungsgeld kapitalisierbar zu machen. Dadurch werden auch Teilnehmer erreicht, die sich üblicherweise nicht selbständig machen Diese Verbesserung und ein verstärkter Einsatz des Instruments in Ostdeutschland könnte das Beschäftigungspotential mittelfristig mindestens verdoppeln (vgl. Tabelle 1). 3. Übergänge zwischen Bildungs-und Beschäftigungssystem Die durch das AFG geförderte betriebliche Weiterbildung in Form von Einarbeitungszuschüssen (EZ) sowie die Fortbildung oder Umschulung (FuU) entsprechen im Jahr 1993 voraussichtlich einem (Vollzeit-) Beschäftigungsäquivalent von 625000 Personen. Viele Experten halten diesen Förderungsumfang für weit über das Ziel hinausgeschossen. Es werde oft am Bedarf vorbei oder über den Bedarf hinaus qualifiziert. Andere halten die Finanzierung von „Bildung auf Vorrat“ in der gegenwärtigen Situation immer noch für besser als die kaum weniger kostspielige Finanzierung von Arbeitslosigkeit. Dafür sprechen viele Gründe: der rasante technologische Wandel, der sich verstärkende Wettbewerbsdruck, das immer älter werdende Erwerbspotential, die Diskrepanzen zwischen angebotenen und nachgefragten Qualifikationen sowie die fortlaufenden Ausleseprozesse zuungunsten gering Qualifizierter. Dafür spricht vor allem auch die Erfahrung, daß Qualifizierung aus der Beschäftigungssituation heraus effektiver ist als Qualifizierung, wenn „das Kind schon in den Brunnen gefallen“, also arbeitslos ist. Der „Brükkenkopf“ muß deshalb von der Beschäftigungsseite aus verstärkt und erweitert werden. Dazu gibt es schon eine ganze Reihe innovativer Ansätze. Durch deren konsequente Beachtung und Umsetzung ließe sich die Brücke zwischen Bildungs-und Beschäftigungssystem gewiß noch erheblich erweitern und verbessern. Einige ‘Ansätze dazu seien im folgenden im Anschluß an die existierenden Beschäftigungsbrücken kurz umrissen (10) Die Bedeutung der Einarbeitungszuschüsse (§ 49 AFG), d. h. die Vermittlung in Dauerbeschäftigung mittels betriebsnaher Qualifizierung, ist mit der 10. AFG-Novelle stark herabgesetzt worden. Während der Teilnehmerbestand im Bundesgebiet West 1990 noch 18179 betrug (Eintritte 67886), sind 1993 jahresdurchschnittlich nur noch etwa 2200 zu erwarten. Mitnahmeeffekte waren ausschlaggebend für die restriktivere Handhabung (Minderung des Forderungsbetrags) dieses Instruments. Damit wurde jedoch ein strategisch effektiver Ansatzpunkt verschenkt.

Die Erfahrungen lehren, daß die Qualifizierungsmaßnahmen für gering qualifizierte oder nach längerer Unterbrechung in den Arbeitsmarkt erneut eintretende Arbeitslose betriebsnäher zu gestalten sind. Dadurch lassen sich in den Bildungsprozeß Betriebsabläufe einbeziehen, die eine frühzeitige Bindung an die Arbeitsstelle ermöglichen. Die damit verbundene klare Berufsperspektive erhöht die Motivation. Mit Hilfe modularer Curricula könnte der Einarbeitungszuschuß wieder zum Leben erweckt werden. Modulare und abschlußorientierte Curricula würden Mindeststandards der Qualität betrieblicher Einarbeitung gewährleisten und darüber hinaus Qualifikationsspiralen in Gang setzen. Das gilt besonders für die Zielgruppen der benachteiligten Jugendlichen, ausländischen Arbeitslosen ohne beruflichen Abschluß und für die nach längerer Abwesenheit in den Arbeitsmarkt zurückkehrenden Frauen. Nach dem Prinzip des Lehrlingssystems (drei bis vier Tage Arbeit, ein bis zwei Tage weiterbildende Schule) könnten dadurch kleine und mittlere Betriebe mit Qualifikationsengpässen profitieren. Das Beschäftigungspotential (für das Bundesgebiet West) ließe sich mittelfristig daher mindestens auf den Stand von 1990 erhöhen (Tabelle 1), längerfristig steckt vermutlich ein weit größerer Handlungsspielraum dahinter. (11) Die gegenwärtigen Fortbildungen und Umschulungen nach den §§ 41-47 AFG entsprechen einem (Vollzeit-) Beschäftigungsäquivalent von 240000 im Westen und 370000 im Osten. Bei diesen etablierten Instrumenten geht es -das gilt vor allem für die neuen Bundesländer -um Konsolidierung und qualitative Verbesserung des erreichten Standes. Ein zusätzliches Beschäftigungspotential erscheint im Rahmen der gegebenen regulativen und operativen Infrastruktur weder realistisch noch empfehlenswert. (12) Die Weiterbildung von Beschäftigten eröffnet jedoch noch ungenutzten Spielraum zukunftsgerechter Arbeitsmarktpolitik. Es gibt einen erheblichen Qualifizierungsbedarf, der nur deswegen nicht zum Zuge kommt, weil er entweder nicht entdeckt oder weil andere Prioritäten gesetzt werden. Nur durch institutionalisierte Aufmerksamkeit und durch beträchtliche Koordinationsleistungen läßt sich dieser latente Bedarf ausschöpfen. Damit kann der weitere Zustrom in Arbeitslosig keit gebremst werden; verstärkte betriebliche Weiterbildung kommt schließlich direkt oder indirekt auch den Arbeitslosen zugute. Im folgenden werden dazu einige Anregungen aus nationalen und internationalen Erfahrungen skizziert:

Ausschöpfung des latenten Qualifizierungsbedarfs durch Koordinationsleistungen Durch die Arbeit der im Juli 1990 gegründeten Koordinierungsstelle Weiterbildung in Hamburg - ein Beratungsverbund aus Vertretern der Landes-vereinigung der Arbeitgeberverbände, der Behörde für Schule, Jugend und Berufsausbildung und dem Hamburger Arbeitsamt -werden Unternehmen dazu bewegt, ihren Fachkräftebedarf in stärkerem Umfang als bislang selbst durch Qualifizierung von un-und angelernten Beschäftigten zu decken. Neben der Bedarfsanalyse setzt sich die Koordinierungsstelle vor allem die Erarbeitung der organisatorischen Bedingungen für langfristige Nachqualifizierungsprogramme zum Ziel.

Die Unterstützung regionaler Arbeitsgemeinschaften von Weiterbildungsträgern und von Verbünden betrieblicher Weiterbildung sind weitere Möglichkeiten der Verwirklichung virtueller Qualifizierungsbedarfe. Vielversprechend ist auch das „Bildungsmarketing“ im Zusammenhang mit der Einführung neuer Technologien in Klein-und Mittelbetrieben; dabei besteht die Aufgabe des entsprechenden Weiterbildungsträgers nicht darin, externe Qualifizierungsmaßnahmen, sondern fachliche und organisatorische Kompetenz für „maßgeschneiderte“ betriebliche Qualifizierungsprozesse anzubieten.

Weiterbilden und Einstellen Gelingt es, durch Koordinationsleistungen das Potential zukunftsgerechter Qualifizierung zu erweitern, lassen sich in einem zweiten Schritt Prozesse anstoßen, den Arbeitsmarkt unmittelbar zu entlasten. Ein vielversprechendes Modell ist die Koordination der Weiterbildung von Beschäftigten und der Reintegration von Arbeitslosen. Seit 1987 fördert beispielsweise die schwedische Arbeitsmarktbehörde die Weiterbildung von gering qualifizierten Beschäftigten, wenn Betriebe die während der Weiterbildung frei werdenden

Arbeitsplätze befristet durch Arbeitslose besetzen. Für die Beschäftigung der Arbeitslosen erhält der Betrieb außerdem einen Lohnkostenzuschuß. Seit der im Sommer 1991 eingeleiteten Modifizierung des Modells (finanziell stärkere Anreize, Werbe-kampagnen) werden monatlich zwischen 5 000 und 10000 gering qualifizierte Beschäftigte weitergebildet und gleichzeitig eben soviele in befristete Stellvertreter-Beschäftigungen vermittelt

Nutzung betrieblicher Weiterbildungskapazitäten Gute Qualifizierung ist meist kapitalintensiv. Oft scheitert die Realisierung eines entdeckten Qualifizierungsbedarfs an der entsprechenden Infrastruktur. Durch bessere Nutzung vorhandener Kapazitäten oder durch gezielte Erweiterung derselben ließen sich solche Engpässe beseitigen. Ein Beispiel dafür ist das 1988 eingeführte Programm der Landesregierung Saarland. Es fördert bis zu 75 Prozent der Investitionen in die Modernisierung und Erweiterung betrieblicher und überbetrieblicher Weiterbildungseinrichtungen, wenn diese sich verpflichten, die zusätzlichen Kapazitäten während eines Zeitraums von zehn Jahren mindestens zur Hälfte für die berufliche Weiterbildung externer Erwerbspersonen -d. h. Arbeitsloser oder von Arbeitnehmern anderer Betriebe -bereitzustellen und zu nutzen. Damit wird im Erfolgsfall ein doppelter Struktur-und arbeitsmarktpolitischer Effekt erzielt: raschere Diffusion neuer Technologien (Beschäftigte aus externen Betrieben erfahren so den neuesten Stand der Produktionstechnologie) und Aufbrechen verkrusteter interner Arbeitsmärkte (die anbietenden Betriebe können so Arbeitskräfte aus anderen Betrieben kennenlernen und gegebenenfalls abwerben).

Weiterbildungsfonds undgemischte Weiterbildungsmärkte Dänemark und die Niederlande waren in den letzten Jahren besonders innovativ im Bereich der beruflichen Weiterbildung. Dabei spielen gesetzliche oder tarifliche Weiterbildungsfonds und gemischte Weiterbildungsmärkte eine große Rolle. In viel stärkerem Maße als in der Bundesrepublik sind z. B. in den Niederlanden die Unternehmen dazu übergegangen, Weiterbildung auf dem Markt oder gegen Gebühren bei öffentlichen Weiterbildungsträgern zu kaufen (z. B. Fachhochschulen); oft nimmt das Geschäft auch die Form von Realtausch an: Lieferung modernster Ausbildungsmaschinen an öffentliche oder private Bildungsträger gegen Ausbildungsleistungen von Seiten der Träger. Gerade die letztere Kooperationsform beschleunigt sehr wirkungsvoll die Diffusion neuer Technologien. Daneben übernehmen in den Niederlanden öffentliche Regionalbüros informatorische Koordinationsfunktionen.

In Dänemark sind vor allem die Modulsysteme für die systematische Nachqualifizierung von ungelernten Beschäftigten von Interesse. Jedes einzelne Modul sowie jede abgeschlossene Kursserie wird von paritätisch besetzten Branchenausschüssen geplant, und die landesweite Anerkennung garantiert die allgemeine Verwertbarkeit der Qualifikation und damit überbetriebliche Mobilität. Die Finanzierung erfolgt über einen von allen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gespeisten Fonds, was eine Umverteilung zwischen den weiterbildungsaktiven und -inaktiven Betrieben und Beschäftigten zur Folge hat. Wenn das dänische System mehr Beschäftigte ohne berufliche Qualifizierung erreicht als andere europäische Länder, dann hängt das nicht zuletzt damit zusammen, daß die Weiterbildungsmotivation von Beschäftigten bekanntlich wesentlich höher ist als von Arbeitslosen 4. Brücken zwischen privater Tätigkeit und Erwerbstätigkeit Das Problem, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, wird heute noch überwiegend durch den vollständigen oder teilweisen Rückzug der Frau aus dem Erwerbsleben gelöst. Die Teilzeitbeschäftigung von deutschen Männern aus familiären Gründen ist verschwindend gering, aber auch die Teilzeitbeschäftigung der deutschen Frauen ist geringer als der vergleichbare internationale Durchschnitt. (13) In der Regelung des Elternurlaubs, der in der Bundesrepublik relativ fortschrittlich ist (36 Monate für erwerbstätige Mütter oder Väter, dreimaliger Wechsel möglich), wird wohl kaum eine weitere Entlastungswirkung zu erzielen sein. Schwer zu schätzen ist, wie hoch überhaupt die Entlastungswirkung bzw.der Beschäftigungseffekt ist. Anhaltspunkte geben die Bezieher von Erziehungsgeld, die in abhängiger Beschäftigung waren und das Arbeitsverhältnis aufrechterhalten. In Westdeutschland war 1991 von 702000 fast exakt die Hälfte vorher abhängig beschäftigt, nur 2, 4 Prozent beendeten das Arbeitsverhältnis; in Ostdeutschland waren von 87 500 gut drei Viertel abhängig beschäftigt, nur 0, 7 Prozent gaben das Arbeitsverhältnis auf Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten unter den Erziehungsgeld-Empfängern (davon 98, 54 Prozent Frauen) hielt sich in ganz engen Grenzen. Unter der Annahme, daß etwa die Hälfte der Arbeitsplätze ersetzt wird, errechnet sich ein „Beschäftigungseffekt“ von ca. 175 000 (West) und ca. 34000 (Ost)

Denkbar ist allerdings eine andere Verteilung des Beschäftigungseffekts, wenn Männer durch eine konsequente Nutzung des Rechtsanspruchs stärker als bisher angeregt würden, den Elternurlaub zu nehmen. (14) Erhebliche Entlastungseffekte ließen sich durch eine stärkere Förderung familienbedingter und zwischenzeitlicher Teilzeitbeschäftigung erzielen. Verschiedene Maßnahmen müßten hier ineinandergreifen: finanzielle Anreize durch steuerliche Begünstigung des entsprechenden Teilzeiteinkommens, progressive Staffelung der Sozialversicherungsabgaben oder Subventionierung von Sozialabgaben, um den Erhalt von Vollzeitrentenansprüchen bei Teilzeitarbeit zu sichern; Recht der Rückkehr auf Vollzeitarbeitsplätze, Erhalt von Senioritätsrechten, zusätzliche Weiterbildungsmaßnahmen zur Vorbereitung der voll-zeitlichen Rückkehr in den Arbeitsmarkt. Eher als Ziel-denn als Schätzgröße erscheint hier ein Beschäftigungspotential von 150000 bis 200000 möglich. (15) Nicht nur familienorientierte Maßnahmen bieten ein noch erhebliches Potential für die Brükkenerweiterung zwischen privater Haushaltstätigkeit und Erwerbsarbeit. Der soziale Wandel geht weiter in Richtung Individualisierung, d. h. differenzierender Lebensformen. Der Wunsch, die Vielfalt von Lebensformen auch individuell zu erleben oder zu erproben, verbreitet sich. Dazu sind längere Orientierungsphasen -sogenannte Sabbaticals -notwendig, für die wiederum koordinierte Freiräume geschaffen werden müssen. So, wie der Staat das Bausparen subventioniert, könnte er beispielsweise auch Freizeitsparen steuerlich begünstigen, während in Tarifverträgen oder Betriebs-vereinbarungen längere individuelle Freizeiten langfristig einzuplanen wären, so daß die Arbeitsorganisation darauf ausgerichtet werden kann. Rein rechnerisch könnte ein einjähriger Anspruch auf Freistellungszeit während eines durchschnittlichen Erwerbslebens von etwa 30 Jahren die Beschäftigtenzahl in der Bundesrepublik um 1, 3 Millionen erhöhen

Ein Beispiel für eine großzügige Sabbatical-Regelung bietet Dänemark: Wer während der letzten fünf Jahre wenigstens drei Jahre regulär beschäftigt war, kann sich mit dem Arbeitgeber einigen und bis zu einem Jahr ein Sabbatical wahrnehmen; stellt die Firma eine Ersatzperson ein, besteht Anspruch auf 80 Prozent des Arbeitslosengeldes, umgerechnet zur Zeit höchstens 2 260 DM im Monat. 5. Brücken zwischen Erwerbsarbeit und Rente (16) Durch Stabilisierung und Ausbau der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie die Etablierung von Sozialbetrieben können Brücken vor allem auch für Ältere und Leistungsgeminderte vor ihrem endgültigen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben gebaut werden. Darüber hinaus ist auch an den erweiterten Einsatz von Lohnsubventionen für Ältere (vgl. §§ 97-99 AFG) zu denken. Gegenwärtig werden etwa 32000 Beschäftigungsverhältnisse gefördert, eine Zahl, die sich vermutlich um 50 Prozent erhöhen ließe Die Steigerung könnte dadurch erzielt werden, daß die vorausgesetzte Dauer der Arbeitslosigkeit („mindestens zwölf Monate“) erheblich gekürzt wird. Da die Arbeitsmarktaussichten für viele Ältere nahezu aussichtslos sind, andauernde Arbeitslosigkeit jedoch nicht nur demotiviert, sondern auch stigmatisiert, ist ein Abwarten der Vermittlungsbemühungen mit Unterstützung von Lohnsubventionen vermutlich kontraproduktiv. (17) Vorruhestands-oder Altersübergangsgeld haben den Arbeitsmarkt insbesondere in Ostdeutschland erheblich entlastet; ohne diese Instrumente wäre die Arbeitslosigkeit dort etwa um 860000 Personen höher (vgl. Tabelle 1). Der Prozeß des Abbaus der Beschäftigung Älterer, der in der ehemaligen DDR binnen weniger Monate „abgewikkelt" wurde, ist in Westdeutschland schon seit zwei Jahrzehnten im Gange: Verlängerung sowie Erleichterung des Arbeitslosengeldbezugs für Ältere (bis zu 832 Tagen bzw. 32 Monaten und Erlaß des „Verfügbarkeitskriteriums“) und vorgezogenes Altersruhegeld mit Vollendung des 60. Lebensjahres u. a. haben die Erwerbsquote jenseits dieser Altersgrenze (in Westdeutschland) im Jahr 1991 gegenüber 1970 in etwa halbiert! Nur jeder dritte Mann (32, 9 Prozent) und nur etwa jede zehnte Frau (11, 5 Prozent) dieser Altersgruppe stehen mittlerweile noch im Erwerbsleben

Während in den neuen Bundesländern ein weiterer Beschäftigungsabbau kaum denkbar ist und der Entlastungseffekt seit Auslaufen der Sonderregelungen (Ende 1992) zurückgeht, ist in den krisen-geschüttelten Branchen bzw. Regionen Westdeutschlands eine extensivere Inanspruchnahme der rechtlichen Möglichkeiten des Abbaus von Arbeitsplätzen für Ältere beschäftigungspolitisch kaum vermeidbar, auch wenn diese Politik nicht zukunftsweisend ist. (18) Während Vorruhestands-und Altersübergangsgelder krisenbezogene Maßnahmen sind, sollte eine zukunftsgerechte Arbeitsmarktpolitik die Begünstigung von Teilzeitarbeit für Ältere vor ihrem Anspruch auf Altersrente dauerhaft institutionalisieren. Ziel dieser Beschäftigungsbrücke wäre, für die individuellen Arbeitnehmer/innen schon früher als bisher die Optionen eines gleitenden Übergangs in die Rente zu erweitern und den Betrieben einen dauerhaften Erwartungshorizont für flexiblere Personalpolitik zu geben Veränderungen im Steuer-und Sozialversicherungsrecht zuzüglich der Förderung durch die Bundesanstalt für Arbeit -wenn dadurch zusätzliche Arbeitsplätze für Arbeitslose geschaffen werden -könnten hier mittelfristig ein Beschäftigungspotential von, spekulativ geschätzt, weiteren 100000 Arbeitsplätzen schaffen.

III. Bilanz

Tabelle 2: Synopse der Beschäftigungspotentiale von Übergangsarbeitsmärkten (in Tausend) Quelle: Eigene Berechnungen (Basis: Tabelle 1).

1. Das Beschäftigungspotential von Übergangsarbeitsmärkten (1) Der realisierte Umfang öffentlich geförderter Übergänge zwischen Kurz-und Vollzeitbeschäftigung (bzw. zwischen Lernen und Produzieren am Arbeitsplatz) beläuft sich derzeit -West-und Ostdeutschland zusammengenommen -schätzungsweise auf 400000 bis 500000. Der systematische Ausbau weiterer Brückenfunktionen enthält ein weiteres Potential von 800000 bis 900000 (vgl. Tabellen 1 und 2). Gewichtet man die Vollzeit-Beschäftigungsäquivalente mit dem Anteil der Teilzeitarbeit (zur Zeit ca. 15 Prozent), erhält man das tatsächliche Beschäftigungspotential (vgl. Tabelle 2). Das sind immerhin etwa 1, 5 Millionen Beschäftigungsverhältnisse bzw. 3, 8 Prozent der Erwerbspersonen, die durch öffentliche Förderung oder Koordination mittelfristig gesichert werden könnten; damit würde Arbeitslosigkeit im entsprechenden Umfang verhindert. In diesem Übergangsarbeitsmarkt ist mittelfristig einem erweiterten Einsatz von Kurzarbeit mit Qualifizierung oder Kurzarbeit in analoger Form im öffentlichen Sektor die größte Bedeutung beizumessen. (2) Der Übergangsarbeitsmarkt zwischen dem Status von Arbeitslosigkeit und Beschäftigung entspricht schon heute dem Äquivalent von ca. 400000 Vollzeitbeschäftigten, also etwa 1, 2 Prozent der Erwerbspersonen (teilzeitgewichtet) ganz Deutschlands. Würden alle hier vorgeschlagenen Verbesserungen und Innovationen zum Zuge kommen, ließe sich dieses Potential mittelfristig (also in den nächsten zwei bis drei Jahren) etwa um 300000 erhöhen. Insgesamt könnte der Arbeitsmarkt um rund 800000 Beschäftigte (d. h. 2, 1 Prozent der Erwerbspersonen) entlastet werden. Dabei ist der Beschäftigungs-oder Entlastungseffekt der traditionellen ABM nach wie vor am größten; dies gilt um so mehr, als die hier vorgelegten Zahlen (vgl. Tabellen 1 und 2) die indirekten Beschäftigungseffekte nicht berücksichtigen. Strukturpolitische Lohnsubventionen, Arbeitsförderbetriebe und Existenzgründungen dürften jedoch langfristig innovativer und wettbewerbswirksamer sein. (3) Bei Stabilisierung des erreichten Potentials (625 000) und bei konsequenter Umsetzung innovativer Ansätze erscheint eine relativ rasche Verbreiterung des Übergangsmarktes zwischen Bildung und Beschäftigung um etwa ein Drittel auf 800000 nicht unrealistisch. Damit würden die institutionalisierten Brücken in diesem Segment den Arbeitsmarkt um ca. 920000 Erwerbspersonen (d. h. 2, 4 Prozent der Erwerbspersonen) entlasten. Das gegenwärtig schon hohe Potential läßt sich jedoch nur halten, wenn die Qualifizierungsprozesse sowohl marktnäher als auch zielgruppenspezifischer organisiert werden. (4) Abgesehen vom Elternurlaub, dem möglicherweise jetzt schon ein Beschäftigungspotential von 200000 zuzuordnen ist, hat der Übergangsarbeitsmarkt zwischen privater Tätigkeit und Erwefbstätigkeit noch kaum feste Formen gesellschaftlicher Institutionalisierung bekommen Auch wenn die Schätzungen hierzu eher einer wünschenswerten Zielsetzung als einer empirischen Extrapolation entsprechen, könnte die öffentliche Inszenierung von Sabbaticals und zwischenzeitlicher familienbedingter Teilzeitbeschäftigung mittelfristig schon ein Potential von gut einer Viertelmillion Arbeitsplätzen schaffen. Das tatsächliche Beschäftigungspotential dieses Übergangs entspräche 1, 4 Prozent der Erwerbspersonen (540000). Die institutionalisierte Förderung von Teilzeit in der mittleren Lebensphase hätte auch den Vorteil, Akzeptanz wie organisatorische Voraussetzungen eines gleitenden Ruhestandes zu erhöhen. (5) Flexible Übergänge zwischen Beschäftigung und Rente sind noch wenig institutionalisiert. Bisher dominierten krisenbedingte Frühverrentungen, die zwar für die Betroffenen gegenüber der Alternative Arbeitslosigkeit vorteilhaft sein mögen, aber volkswirtschaftlich nicht nur sehr kostspielig sind, sondern auch die individuelle Wahlmöglichkeit stark einschränken und die betriebswirtschaftliche Flexibilität beengen. Derzeit sind Formen und Umfang dieses Übergangsarbeitsmarktes (ca. 900000 Vollzeit-Beschäftigungsäquivalente) für eine zukunftsgerechte Arbeitsmarktpolitik also nicht repräsentativ. Mittelfristig wird weiterhin bisher übliches Krisenmanagement notwendig sein. Darüber hinaus könnten aber die Weichen für eine innovative Arbeitsmarktpolitik durch Förderung von Teilzeitarbeit für Ältere gestellt werden, deren Potential mittelfristig jedoch noch als bescheiden eingeschätzt werden muß (100000 Vollzeit-Äquivalente). Insgesamt kann der Übergangsarbeitsmarkt für Ältere in den nächsten zwei bis drei Jahren etwa 2, 9 Prozent sonst mögliche Arbeitslosigkeit vermeiden. Öffentlich geförderte oder kollektiv organisierte Übergänge in die Vollbeschäftigung könnten also mittelfristig ein Potential von fünf Millionen Beschäftigungsverhältnissen (d. h. 12, 5 Prozent der derzeitigen Erwerbsbevölkerung) absorbieren. Ein Achtel des zukünftigen Arbeitsmarkts würde folglich eng mit der Tätigkeit in anderen gesellschaftlichen Teilsystemen verknüpft sein. Entsprechend müßte das Erwerbseinkommen mit öffentlichen oder angesparten Transferzahlungen gekoppelt werden. Das setzt jedoch voraus, daß mittelfristig neben der Könsolidierung und Modernisierung schon jetzt realisierter Übergänge zusätzlich noch rund zwei Millionen Beschäftigungsverhältnisse (1700 mal 1, 15) gefördert werden (vgl. Tabelle 2).

Damit fehlen im Vergleich mit den mittelfristigen Bedarfsschätzungen immer noch mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze (vgl. Tabelle 1). Würde die stille Reserve noch hinzugerechnet, wäre das Arbeitsplatzdefizit noch um ein bis zwei Millionen höher anzusetzen, je nach Ehrgeiz des Vollbeschäftigungsziels. In anderen Worten: Auch die Strategie der Übergangsarbeitsmärkte reicht nicht aus, um Vollbeschäftigung wiederherzustellen. Nach wie vor bedarf es also einer koordinierten Geld-, Finanz-und Lohnpolitik, um qualitatives Wachstum im öffentlichen und privaten Bereich zu stimulieren. Mehr noch: Eine solche Politik ist notwendige Voraussetzung für die Erweiterung von Übergangsarbeitsmärkten, ebenso wie letztere wiederum die erforderliche Flexibilität für qualitatives Wachstum schaffen. Insofern sind Beschäftigungsund Arbeitsmarktpolitik untrennbare Zwillinge 2. Schlußbetrachtung Mit dem § 249 h AFG wurde eine Idee in die 10. Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes eingeimpft, die vielleicht einmal die Kraft von Hefepilzen entfalten kann. Statt der starren zeitlichen und sachlichen Kopplung zweier Ereignisse oder Elemente, hier die feste Bindung des Arbeitslosengeldes an das vorausgehende Ereignis und den darauf folgenden Zustand der Arbeitslosigkeit, erfolgt nun eine flexible Koordination ähnlich der Logik einer Gliederkette: feste Bindung im Zug bzw. in der Beanspruchung, lockere Bindung bzw. Beweglichkeit in der Richtung.

Daß die in den Artikel 249 h gegossene Idee noch erhebliche Mängel hat, versteht sich von selbst. Doch mit gutem Willen läßt sich hinter dieser paragraphierten Krüppelgestalt noch die revolutionäre Idee im Sinne der paradoxen Fuzzy-Logik erken-nen: Auch reguläre Beschäftigung kann unter Umständen eine Bedingung der Zahlung von „Arbeitslosengeld“ sein. Freilich ist es nun höchste Zeit, ein neues Arbeitsförderungsgesetz aus einem Guß zu gießen, anstatt die elfte bis zwanzigste Novelle abzuwarten. Es gilt, den in der 10. Novelle erkennbaren richtigen politischen Instinkt in strategische Prinzipien zu gießen und kommunizierbare Spielregeln zu formulieren. Das neue Gebäude eines Arbeitsförderungs-und Struktur-gesetzes wird dabei noch deutlicher als bisher die Gestalt einer Beschäftigungsversicherung anstelle einer Arbeitslosenversicherung bekommen müssen

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. u. a. Edmund Phelps, Phillips Curves, Expectations of Inflation, and Optimal Unemployment Over time, in: Economica, 34 (1967), S. 254-281; Milton Friedman, The Role of Monetary Policy, in: American Economic Review, 58 (1968) 1, S. 1-17.

  2. Vgl. u. a. Friedrich Buttler, Ein zweiter Arbeitsmarkt ist unverzichtbar, in: Wirtschaftsdienst, (1993) 6, S. 238-289; Fritz Scharpf, Von der Finanzierung der Arbeitslosigkeit zur Subventionierung niedriger Erwerbseinkommen, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, (1993) 7, S. 433-443; s. a.den Beitrag von Axel Bust-Bartels in diesem Heft.

  3. Vgl. Marie Jahoda, Wieviel Arbeit braucht der Mensch? Arbeit und Arbeitslosigkeit im 20. Jahrhundert, Weinheim-Basel 1983; Burkhart Lutz, Notwendigkeit und Ansatzpunkte einer angebotsbezogenen Vollbeschäftigungspolitik, in: Lutz Reyher/Jürgen Kühl (Hrsg.), Resonanzen. Arbeitsmarkt und Berufsforschung und Politik. Festschrift für Dieter Mertens, Nürnberg 1988, S. 275-289.

  4. Vgl. die §§ 77-82 (Wintergeld) und 83-89 (Schlechtwettergeld) des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Die in Klammem gesetzten Zahlen 1-18 korrespondieren mit Spalte 2 in Tabelle 1.

  5. So wurden vom November 1992 bis Juni 1993 in West-und Ostdeutschland zusammengenommen immerhin 432205 000 Wintergeldstunden gefördert; das entspricht etwa 250000 Vollzeit-Beschäftigungsäquivalenten; dazu kommen noch Zuschüsse für die Beschaffung von Geräten und Mehrkostenaufwendungen, um die Produktion aufrechtzuerhalten.

  6. Vgl. §§ 63-73 des AFG.

  7. Vgl. Lothar Linke, Struktureller Wandel und Kurzarbeit, Discussion Paper FS I 93-206, Wissenschaftszentrum Berlin; Hartmut Seifert, Kurzarbeit und Qualifizierung -Ein neues Instrument zur Förderung des Strukturwandels?, in: Hubert Heinelt u. a. (Hrsg.), Arbeitsmarktpolitik nach der Vereinigung, Berlin 1994, S. 100-114. Eine zukunftsweisende Idee wird derzeit schon in Nordrhein-Westfalen in die Praxis umgesetzt: Von Arbeitslosigkeit bedrohte Stahlarbeiter und Bergleute können probehalber für drei bis sechs Monate in Handwerksbetriebe wechseln, während sie formal noch in sog. Einsatzbetrieben beschäftigt sind und dort „kurzarbeiten“. Damit sollen zwei Fliegen mit einem Streich getroffen werden: Den Montanbeschäftigten soll die Schwellenangst vor dem Handwerk genommen werden, während sich das Handwerk davon die Behebung des Facharbeitermangels erhofft.

  8. Dieser Satz ist mit und ohne Ironie gemeint. Mit Ironie betrifft er Fälle des „Karikatur-Bürokraten“, deren Zahl geringer ist als allgemein angenommen. Ohne Ironie gilt dieser Satz den vermutlich vielen Fällen, in denen die körperlichen und seelischen Arbeitsbelastungen (etwa bei engagierten Pflegern, Sozialarbeitern oder Lehrerinnen) schon jetzt so hoch sind, daß weitere Belastungen unerträglich werden oder bloß noch formal erfüllt werden.

  9. Vgl. dazu Andreas. Hoff, Möglichkeiten zur Arbeitsumverteilung auf der betrieblichen Ebene. Gutachten im Auftrag der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, Berlin 1993; der öffentliche Dienst könnte für dieses generell geltende Modell Vorreiterfunktion übernehmen.

  10. Vgl. Friedrich Buttler/Gerhard Kühlewind/Ulrich Möller, Für mehr Beschäftigung und Standortqualität, in: IAB-Kurzbericht, (1993) 7; zum Themenkomplex der Arbeitszeit-verkürzung s. a.den Beitrag von Hartmut Seifert in diesem Heft.

  11. Das DIW schätzte diese Einsparungen im Falle des VW-Modells auf 741 Millionen DM; vgl. Volker Meinhardt/Frank Stille/Rudolf Zwiener, Weitere Arbeitszeitverkürzungen erforderlich. Zum Stellenwert des VW-Modells, in: Wirtschaftsdienst, (1993) 12, S. 639-644; zu anderen Modellen betrieblicher Arbeitszeitflexibilisierung vgl. Karl Linnen-kohl u. a. (Hrsg.), Arbeitszeitflexibilisierung. 140 Unternehmen und ihre Modelle, Heidelberg 1992; zum VW-Modell vgl. auch die Ausführungen von Hartmut Seifert in diesem Heft, S. 29.

  12. Derzeit werden etwa 1, 6 Milharden Überstunden gearbeitet; das entspricht einem Beschäftigungsvolumen von 900 000 Arbeitsplätzen.

  13. Vgl. die §§ 91-96 AFG; mit der 10. Novelle des AFG wurde die Regelförderung drastisch reduziert auf 50 bis 75 Prozent; Arbeitsämter mit überdurchschnittlichen Arbeitslosenquoten können bis 90 Prozent gewähren; nur in Ausnahmefällen werden noch 100 Prozent bezuschußt.

  14. Vgl. Matthias Knuth, ABS-Gesellschaften: Struktur-politische Potentiale der Arbeitsmarktpolitik, in: Beschäftigungsobservatorium Ostdeutschland, (1993) 8, S. 3-6; Jürgen Kühl, ABS-Gesellschaften und Strukturfördergesellschaften, in: Arbeit und Beruf, (1992) 5, S. 137-139.

  15. Vgl. Manfred Kaiser/Manfred Otto, Was ABS-Gesellschaften bisher geleistet haben, in: IAB-Werkstattbericht, (1993) 13, o. S.

  16. Vgl. Knut Emmerich, Mega-Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den neuen Bundesländern -Bestandsaufnahme und Perspektiven, in: H. Heinelt u. a. (Hrsg.) (Anm. 8), S. 115-136; Eugen Spitznagel, Allgemeine Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung (ABM). Neue Forschungsergebnisse, in: IAB-Werkstattbericht, (1992) 11; Alexandra Wagner, Innovationen in der Arbeitsförderung Ost. Der zweite Arbeitsmarkt braucht Mindeststandards, in: WSI-Kurzmitteilungen, (1993) 11, S. 1-3.

  17. Vgl. Dieter Kleine, Wenn der Sozialminister als Existenzgründer auftritt. Soziale Betriebe -ein neues Instrument der Politik In Niedersachsen, in: Frankfurter Rundschau vom 17. September 1993, S. 12; eine stärkere Sozial-orientierung haben die Berliner „Arbeitsförderbetriebe“, vgl. Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen, Initiative für einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (Zweiter Arbeitsmarkt), Berlin, 27. September 1993.

  18. Vgl. Alexandra Wagner, Der Paragraph 249 h AFG -Ein neues arbeitsmarktpolitisches Instrument in Ostdeutschland, in: WSI-Mitteilungen, (1993) 7, S. 464-466.

  19. Eine vermutlich sehr vorsichtige Schätzung; u. U. wird dieses Instrument ein „Renner“, wenn die Handlungsroutinen eingespielt und die Kriterien liberalisiert werden.

  20. Vgl. Birgitta Rabe, Lohnsubventionen in den neuen Bundesländern. Theoretische Grundlagen und Programm-entwürfe, Discussion Paper FS I 93-207, Wissenschaftszentrum Berlin.

  21. Die Bundesanstalt für Arbeit schlägt eine Verlängerung bzw. Verankerung im AFG vor.

  22. Dort wurden 1991 44100 Existenzgründer gefördert (die Höchstzahl wurde 1986 mit 71577 erreicht).

  23. Vgl. Nigel Meager, Self-Employment and Labour Market Policy in the European Community, Discussion Paper FS 193-201, Wissenschaftszentrum Berlin.

  24. Vgl. Bettina Bangel/Bemd Reissert/Wolfgang Jaedicke/David Weißert, Koordinierung der Arbeitsmarktpolitik in Hamburg, Discussion Paper FS I 92-7, Wissenschaftszentrum Berlin.

  25. Etwa wie in Baden-Württemberg, wo sich unter Federführung des Landesgewerbeamtes außerbetriebliche Weiterbildungsträger koordinieren.

  26. Beispielsweise der 1989 begonnene Modellversuch „Weiterbildung von an-und ungelernten Beschäftigten in kleinen und mittleren Betrieben in der Region Bergische Großstädte“.

  27. In Dänemark gibt es eine ähnliche Regelung im Rahmen des „Bildungsurlaubs“: Nach Absprache mit den Arbeitgebern können Beschäftigte sich bis zu einem Jahr für Weiterbildung freistellen lassen. Während dieser Zeit erhalten sie volles Arbeitslosengeld (zur Zeit umgerechnet bis zu 2830 DM); stellt die Firma während dieser Zeit einen Arbeitslosen ein, erhält sie einen Stundenlohnzuschuß von umgerechnet elf Mark.

  28. Vgl. Peter Auer, Fürther Education and Training for the Employed (FETE). European Diversity, Discussion Paper FS I 92-3, Wissenschaftszentrum Berlin; Peter Auer/Günther Schmid (Hrsg.), Challenges and Possible Responses: Fürther Education and Training for the Employed in Europe. A Reader, Discussion Paper FS I 93-202, Wissenschaftszentrum Berlin; Herrad Höcker, Berufliche Weiterbildung für Beschäftigte in Dänemark, Discussion Paper FS I 92-8, Wissenschaftszentrum Berlin.

  29. Vgl. Bundesministerium für Familie und Senioren (BMFuS), Statistik der Empfängerinnen und Empfänger von Erziehungsgeld 1991, 23. Juni 1992, mimeo.

  30. Statistisch ist dies möglicherweise nur ein scheinbarer Effekt: Wenn durch den Erziehungsurlaub Arbeitsverhältnisse aufrechterhalten werden, die früher von Arbeitnehmern aufgegeben wurden (die statistisch dementsprechend nicht mehr als Beschäftigte zählten), wird hier nur ein Artefakt gemessen. Der Vergleich mit früher wäre dann unzulässig; bei verändertem Rollenverständnis und für den Arbeitsmarkt der Zukunft ist der „Beschäftigungseffekt“ jedoch real. Zu den Arbeitsmarktwirkungen des Elternurlaubs vgl. Margarete Landenberger, Wirkungen des Erziehungsurlaubs auf Arbeitsmarktchancen und soziale Sicherung von Frauen, Discussion Paper FS I 90-7, Wissenschaftszentrum Berlin.

  31. Die Schätzung ergibt sich aus: 39 Millionen Erwerbspersonen mal 29 (30 Jahre Erwerbstätigkeit minus ein Jahr Sabbatical) dividiert durch 30 minus 39. Der tatsächliche Beschäftigungseffekt wird de facto geringer sein, weil die Freistellungszeiten vermutlich in Rezessionsphasen stärker in Anspruch genommen werden als im Boom; gleichzeitig reduzieren sich aber die volkswirtschaftlichen Kosten wegen der geringeren Belastung der Arbeitslosenversicherung.

  32. Eine Kosten-Nutzen-Analyse dieses Instruments ist mir nicht bekannt; die Schätzung des künftigen Beschäftigungspotentials ist darum spekulativ.

  33. Vgl. Gerhard Bäcker, Im Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Beschäftigungsperspektiven älterer Arbeitnehmer zwischen demographischem Wandel und anhaltender Arbeitslosigkeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/93, S. 17.

  34. Die Rentenreform 1992 ermöglicht nun die Kombination von Teilrenten und Arbeit; Voraussetzung der Inanspruchnahme ist jedoch der Anspruch auf eine Altersrente. Meine Überlegungen zur Teilrente beziehen sich auf die Phase vor dem rechtlichen Anspruch auf Altersrente; möglicherweise ist daher der Begriff „Teilzeit-Vorruhestand“ treffender. Im übrigen erwies sich das bisherige Teilrentenmodell als Flop. So liegen 18 Monate nach dem Inkrafttreten der Regelung bei der Bundesanstalt für Arbeit erst 1300 Anträge vor; vgl. G. Bäcker (Anm. 34), S. 25.

  35. Eine ergänzende Information aus dem Ausland: In Dänemark besteht zusätzlich zum Mutterschafts-oder Vaterschaftsurlaub Anspruch auf ein halbes Jahr Elternurlaub (für Kinder unter 9 Jahren), bei Absprache mit dem Arbeitgeber auf ein weiteres halbes Jahr, wobei 80 Prozent des Arbeitslosengeldes bezahlt werden; kommunale Arbeitgeber, deren Kindergartenplätze dadurch entlastet werden, stocken diesen Betrag noch auf. Schweden mit ähnlich großzügiger Regelung will seit 1994 dem problematischen Effekt auf die Gleichstellung der Geschlechter entgegenwirken: Während Männer Bildungsurlaub nehmen, hüten Frauen ihre Kinder. Deswegen soll der Elternurlaub individualisiert werden: 3 Monate des einjährigen Elternurlaubs müssen vom Vater wahrgenommen werden, sonst verfällt der Anspruch; Norwegen erwägt eine ähnliche Regelung.

  36. Vgl. Wolfgang Franz, Keynesianische Beschäftigungstheorie und Beschäftigungspolitik, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 12/92, S. 25-31; Jürgen Kromphardt, Zur Ausgestaltung einer zeitgemäßen Globalsteuerung, in: WSI-Mitteilungen, 46 (1993) 7, S. 409-415; Günther Schmid, Flexible Koordination: Instrumentarium erfolgreicher Beschäftigungspolitik aus internationaler Perspektive, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt-und Berufsforschung, 25 (1992) 3, S. 232-251.

  37. Mit Fuzzy-Logik kennzeichnet die (Chaos-) Theorie komplexer dynamischer Systeme den mehrdeutigen („fuzzy" = unklar) Zustand von Systemen, der erst unter bestimmten, schwer voraussehbaren Kontextbedingungen Eindeutigkeit gewinnt.

  38. Zu Fragen der Finanzierung dieser neuen Formen der Arbeitsmarktpolitik vgl. Günther Schmid, Übergänge in die Vollbeschäftigung. Formen und Finanzierung einer zukunftsgerechten Arbeitsmarktpolitik, Discussion Paper FS I 93-208, Wissenschaftszentrum Berlin; einen exzellenten Überblick über die Finanzierungsdiskussion bietet Klaus Mackscheidt, Finanzierung der Arbeitslosigkeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 34-35/91, S. 26-35; zum Stand der derzeitigen Debatte vgl. Bernd Reissert, Beitrags-oder Steuerfinanzierung der Arbeitsmarktpolitik? Rückblick und Ausblick auf eine Debatte, in: Hubert Heinelt u. a. (Hrsg.) (Anm. 8), S. 43-57.

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Günther Schmid, Diplompolitologe, Dr. phil, geb. 1942; Direktor der Abteilung Arbeitsmarktpolitik und Beschäftigung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professor für Ökonomische Theorie der Politik an der Freien Universität Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Funktionsanalyse und Politische Theorie, Düsseldorf 1973; (zus. mit Hubert Treiber) Bürokratie und Politik, München 1975; Strukturierte Arbeitslosigkeit und Arbeitsmarktpolitik, Königstein im Ts. 1980; (zus. mit Bernd Reissert und Gert Bruche) Arbeitslosenversicherung und aktive Arbeitsmarktpolitik, Berlin 1987 (englisch und aktualisiert: Detroit 1992); (Hrsg.) Labour Market Institutions in Europe, Armonk 1994.