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Die USA und Japan | APuZ 9/1994 | bpb.de

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APuZ 9/1994 Clintons Weltpolitik. Eine Bilanz des ersten Amtsjahres USA und Europa: Die neue strategische Partnerschaft Die USA und Japan Die Rußlandpolitik der USA

Die USA und Japan

Reinhard Rode

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das Ende des Ost-West-Konflikts hat auch im amerikanisch-japanischen Verhältnis eine neue Lage geschaffen. Die alte Arbeitsteilung -Sicherheit und Geschäft für Japan gegen Hegemonie für die USA -ist destabilisiert, ein neues und wahrscheinlich konfliktreicheres Verhältnis bildet sich heraus. Japan sind neue Optionen zugewachsen, es hat an Handlungsspielraum gewonnen. Die USA haben hingegen an Gewicht verloren, ihre Hegemonie erodiert. Dies gilt vor allem auf dem Sicherheitssektor. Ohne sowjetische Bedrohung sind die Gefahren für die japanische Sicherheit erheblich verringert. Jetzt hat Japan erstmals die Möglichkeit, eigene Antworten zu suchen und zu finden, ohne die USA fragen zu müssen. Es gibt fünf Hauptoptionen für die japanische Weltpolitik: erstens eine eher militärische Option als normale Supermacht, zweitens die Fortführung der wirtschaftlichen Wachstumsoption (Ökonomismus), drittens Regionalismus als Reasiatisierung, viertens die Option einer globalen Zivilmacht und fünftens ein Durch-wursteln nach dem Motto „Von allem etwas“. Die Zivilmachtoption wäre den USA am liebsten, weil der damit verbundene nur politische, nicht aber militärische Statusgewinn die amerikanische Weltrolle am wenigsten schmälern würde und Japan sich noch mehr an den Kosten weltweiter Ordnungspolitik zu beteiligen hätte.

I. Sicherheit und Geschäft für Japan, Hegemonie für die USA

Das amerikanisch-japanische Verhältnis wurde durch das Ende des Ost-West-Konflikts zwar weniger tangiert als das amerikanisch-deutsche, dennoch zeichnet sich auch hier ein tiefgehender Wandel ab. Die deutsche Teilung hatte in der Bundesrepublik und in der DDR nur halbsouveräne Staaten entstehen lassen, die an der Nahtstelle des systemantagonistischen Konflikts zwischen Ost und West nur geringe Handlungsfreiheit besaßen. Japan war durch seine Insellage ein solches Schicksal erspart geblieben. Dennoch boten allein die USA auch Japan eine Sicherheitsgarantie vor der Sowjetunion. Wie im deutschen Falle hatte diese Sicherheitsgarantie einen doppelten Aspekt. Es ging immer um Sicherheit für Japan, aber auch für die Region um Sicherheit vor Japan. Der Hegemonialkrieg, den Japan in der pazifischen Region geführt und verloren hatte, spielte bei jeglichem strategischen Kalkül zumindest eine unausgesprochene Rolle.

In Japan selbst war das Thema noch mehr verdrängt und tabuisiert als in der Bundesrepublik Deutschland, wo der Doppelaspekt der NATO-Mitgliedschaft (Sicherheit für und vor Deutschland) auch kein Thema war. Bis zum Ende der achtziger Jahre mußte die japanische Sicherheitspolitik auch kein großes Thema sein, weil das alte Verhältnis mit den Vereinigten Staaten eine stabile Lösung des regionalen Sicherheitsdilemmas beinhaltete. Dieses Verhältnis war nicht konfliktfrei, aber es enthielt doch eine stabile Arbeitsteilung. Japan war ein militärischer Zwerg unter dem Schutz einer wohlwollenden amerikanischen Hegemonie. Unter diesem Schutzschirm konnte es seine wirtschaftlichen Interessen voll entfalten und auf diesem Feld eine Spitzenstellung in der Welt erringen. Die USA als Weltmacht waren von ihrer militärischen Hegemonialrolle so eingenommen, daß sie wirtschaftliche Konflikte mit Japan auf möglichst niedrigem Niveau austrugen. Davon profitierte Japan, weil selbst die schrillsten Töne von „Handelskriegen“ aus Washington meist nicht zu großen Taten führten. Das stabile Bündnis mit Japan sollte nicht gefährdet werden.

Die Japan-Debatte in den Vereinigten Staaten der letzten Jahre hatte deshalb auch in hohem Maße rituellen Charakter. Die Probleme für die USA waren durchaus substantiell, keine Administration wollte aber die Hebel, die sie gegenüber Japan in der Hand hatte, wirksam nutzen. Die wirtschaftlichen Probleme für die USA im Verhältnis zu Japan drücken sich im Ungleichgewicht der Handelsbilanz exemplarisch deutlich aus. Gut die Hälfte des amerikanischen Handelsbilanzdefizits der achtziger und frühen neunziger Jahre war ein Japandefizit. Zuletzt belief es sich auf ca. 50 Mrd.

US-Dollar. Reziprok betrachtet war die japanische Abhängigkeit vom amerikanischen Absatzmarkt immer so stark, daß jegliche Bewegung dort direkt auf die japanische Binnenwirtschaft durchschlagen mußte. Diese Konstellation gab der amerikanischen Seite eigentlich alle Trümpfe in die Hand.

Doch sie wurden nicht ausgespielt, lediglich zyklisch angedroht. In Anbetracht der japanischen Exporterfolge auf dem amerikanischen Markt, die mit vielfältiger staatlicher japanischer Hilfe erzielt wurden, pflegte die amerikanische Seite nur einen äußerst gemäßigten Protektionismus. Weder wurde der Marktzugang für amerikanische Waren in Japan erzwungen noch japanische Güter vom amerikanischen Markt in größerem Umfang ausgesperrt. Der angesichts der japanischen Exporterfolge nur gemäßigte amerikanische Protektionismus ist erklärungsbedürftig. Einmal stand der amerikanischen Seite ihr eigenes wirtschaftliches Werte-system entgegen. Offener, harter Protektionismus gilt als wirtschaftlich unsinnig und für die amerikanischen Verbraucher als preistreibend und schädlich. Diese Grundhaltung ist zwar in den letzten beiden Jahrzehnten ins Wanken geraten -der Begriffswandel vom Freihandel zum fairen Handel zeigt es an -, die Einstellungsänderung in der amerikanischen Gesellschaft erfolgte aber langsam und stieß auf erheblichen Widerstand. Für härtere Schutzmaßnahmen trat regelmäßig der Kongreß ein, die verschiedenen Administrationen gaben sich dann in der Praxis wieder eher zurückhaltend und vermieden die harten Bandagen gegenüber Japan.

Die außenwirtschaftlich orientierten Entscheidungseliten in den USA hatten aber noch andere Verhaltensprobleme als nur die Wahl zwischen Freihandel und Protektionismus. Im Grunde blie ben sie von der eigenen Überlegenheit überzeugt. Die japanischen Erfolge wurden nur allzugern als temporär und auf der Basis von kurzfristig unfairen Verhaltensweisen interpretiert. Die eigene Überlegenheitsvorstellung gründete auf der Über-zeugung, daß die USA das richtige und bessere Wirtschaftssystem hätten und praktizierten. Der japanische Staatsinterventionismus wurde als falsch und längerfristig zum Mißerfolg verurteilt wahrgenommen. Die in amerikanischen Augen ketzerische Einschätzung, daß Japan mit seiner Mischung zwischen Staat und Markt womöglich ein überlegenes Kapitalismusmodell entwickelt habe, war für die Amerikaner zu provokant, um mehr als in kleinen akademischen Zirkeln debattiert zu werden.

Die Grundstimmung der meisten Amerikaner favorisierte das Japan-Bild der liberalen Denkschule der Makroökonomen Letztere sahen in amerikanischen binnenwirtschaftlichen Problemen die eigentliche Ursache für die japanische außen-wirtschaftliche Überlegenheit. Die Lösungsstrategie, es zu Hause besser machen zu wollen, reduzierte die japanische Industriepolitik und Exportförderung auf nahezu vernachlässigbare sekundäre Effekte. Mit dieser Einstellung ging die Einschätzung einher, daß sich in Japan selbst ein Modernisierungs-und Liberalisierungsprozeß abspiele, der Japan auf den amerikanischen und nicht Amerika auf den japanischen Weg bringe. Die in der Lockeschen Tradition erzogene amerikanische Elite, die den Antietatismus mit der Muttermilch aufgesogen hat, weigerte sich, in dem japanischen wirtschaftlichen Interventionismus mehr als nur teure Fehlallokationen zu sehen.

Die revisionistische Schule die mit einem völlig anderen Japan-Bild aufwartete, hatte lange Zeit große Mühe, Breschen in die Phalanx der liberalen Makroökonomen zu schlagen. Anfangs eher als exotisches Japan-Bild verspottet, konnte die revisionistische Betrachtungsweise in den letzten Jahren Boden gutmachen. Das stabile Handelsbilanzdefizit der USA mit Japan, die Deindustrialisierungsdebatte in den USA, die Probleme der amerikanischen Hochtechnologieindustrie und das Scheitern des Reaganschen Experiments, die USA wieder zur Nummer eins in der Weltwirtschaft zu machen, steigerte die Attraktivität der revisionistischen Betrachtungsweise. Die Revisionisten sahen in Japan einen anderen, spezifisch japanischen Kapitalismus am Werk, der sich außenwirtschaftlich neo-merkantilistisch zu Lasten der USA verhielt. Nicht liberales Urvertrauen in die weltweite Arbeitsteilung, sondern reziprok ausgehandelte Handelsbeziehungen seien für den Umgang mit Japan angebracht. Japan verhalte sich außenwirtschaftlich strategisch, das treffe auf den japanischen Staat wie auf die japanischen Firmen zu. Die adäquate Antwort sei reziprok amerikanisches strategisches Verhalten. Nur so seien die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen in eine faire Balance zu bringen. Das Vertrauen auf die Weisheiten von Adam Smith und David Ricardo versage im Umgang mit Japan, das sich völlig pragmatisch wirtschaftsnationalistisch verhalte.

Da revisionistisches Gedankengut im Wahlkampf von Bill Clinton eine Rolle spielte, wurde angenommen, daß die Außenwirtschaftspolitik seiner Administration im Umgang mit Japan den Wendepunkt brächte. Bislang freilich blieb es bei harscher Rhetorik und weichen Taten. Ob sich der Kurs noch ändert bzw. verschärft, wird sich noch herausstellen müssen. Der Änderungsprozeß in der amerikanischen Japanphilosophie ist freilich unübersehbar. Das Interesse der demokratischen Clinton-Administration an der Reindustrialisierung der USA, dem Stopp des Verlusts von Arbeitsplätzen in Amerika und an ausgeglicheneren Handelsbeziehungen ist unübersehbar. Das Ende des Ost-West-Konflikts hat auch in Asien eine neue Lage geschaffen. Die alte Arbeitsteilung: Sicherheit und Geschäft für Japan gegen Hegemonie für die USA ist destabilisiert; ein neues, offeneres und wahrscheinlich konflikt-reicheres Verhältnis wird sich herauszubilden haben.

II. Ungezügelter Wettbewerb und US-Sicherheitsschirm

Wie kann das neue amerikanisch-japanische Verhältnis aussehen? Auf diese Frage gibt es so viele Antworten wie japanische Optionen angesichts einer neuen Lage. Darin drückt sich die grundsätzliche Veränderung dieser neuen Lage schon aus. Japan sind neue Optionen zugewachsen, es hat an Handlungsspielraum gewonnen. Die USA haben an Gewicht verloren, ihre Hegemonie erodiert. Dies gilt vor allem auf dem Sicherheitssektor. Ohne sowjetische Bedrohung sind die Gefahrenfür die japanische Sicherheit erheblich minimiert. Es gibt nur viele kleine Bedrohungen (z. B. die VR China, Nordkorea usw.), keine überwältigende große mehr. Jetzt hat Japan erstmals die Möglichkeit, eigene Antworten zu suchen und zu finden, ohne die USA fragen zu müssen.

Joseph Nye hat kürzlich vier Hauptoptionen für die japanische Weltpolitik formuliert: erstens eine eher militärische Option als normale Supermacht, zweitens die Fortführung der eher wirtschaftlichen Wachstumsoption (Ökonomismus), drittens Regionalismus als Reasiatisierung und viertens die Option einer globalen Zivilmacht. Letzteres wäre den USA verständlicherweise am liebsten, weil der damit verbundene nur politische, nicht aber militärische Statusgewinn die amerikanische Weltrolle am wenigsten schmälern würde und Japan sich noch mehr an den Kosten weltweiter Ordnungspolitik zu beteiligen hätte. Zu diesem Modell des politischen Statusgewinns gehörte die Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat, ständig aber ohne Vetorecht.

Das amerikanische Wunschdenken geht bis zur Vision einer „Pazifischen Gemeinschaft“ Vorläufer dieser Gemeinschaftsidee in Form einer pazifischen Freihandelszone werden schon seit Ende der achtziger Jahre diskutiert 5. Hintergrund dieser amerikanischen Überlegungen ist das Ziel, japanische und asiatische Wirtschaftsstärke mit der amerikanischen Militärmacht zusammenzubringen und vor allem an der wirtschaftlichen Dynamik im asiatischen Raum teilzuhaben.

Ein Instrument im Dienst dieses amerikanischen Ziels soll die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (APEC) sein. Diese sehr lose Gruppierung von 17 Mitgliedstaaten (Australien, Brunei, China, Hongkong, Indonesien, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Papua-Neuguinea, Philippinen, Singapur, Südkorea, Taiwan, Thailand und die USA) wurde 1989 gegründet. Singapur ist seit 1992 Sitz der APEC. Anfänglich nur als Konsultationsforum gedacht, brachte das Gipfeltreffen in Seattle vom 18. bis 20. November 1993 auf amerikanische Initiative Elemente einer lockeren Wirtschaftsgemeinschaft auf den Weg. Die US-Seite, voran die unter Federführung von Fred Bersten, dem Direktor des Institute for International Economics in Washington, stehende Eminent Persons Group, favorisiert eine Freihandelszone bis 1996

Die Begeisterung in Asien hält sich allerdings in Grenzen. Japan hielt sich bei der großen Schau der Amerikaner in Seattle sehr zurück. Das Land hat seine eigene asiatische wirtschaftliche Vision mit Japan und nicht den USA als Zentrum. Die meisten asiatischen Länder wollen keine Europäische-Union-(EU) -ähnliche Lösung und vor allem keine schnelle Handelsliberalisierung, weil sie sich den großen Ökonomien der USA und Japans noch nicht gewachsen fühlen. Das amerikanische Gegengewicht gegen Japan ist jedoch durchaus willkommen. Ziele und Wünsche der Mitglieder differieren erheblich; eine Gemeinschaft ist das noch lange nicht, wenn es überhaupt je eine werden wird

Aus amerikanischer Perspektive wäre das allerdings keine egalitäre Veranstaltung, sondern eine der neuen Lage angepaßtere kontrollierende freundliche Umarmung Japans. Sie ist nötig geworden, weil Japan jetzt tatsächlich nein sagen könnte, wie der vielzitierte Vorschlag des neonationalistischen Autors Shintaro Ishihara lautet. Sein gleichnamiges Buch (Japan kann nein sagen) aus dem Jahr 1989 wurde ein Bestseller in Japan. Japan ist nach dem Ende des Ost-West-Konflikts mächtiger als vorher, weil es im Sinne der Macht-definition von Karl Deutsch als „Fähigkeit, nicht lernen zu müssen“, nicht länger von den USA lernen, also auch nicht mehr parieren muß. Nicht die antiquierte Machtidee der „Realisten“, für die Macht die Fähigkeit ist, anderen den Willen aufzuzwingen, sondern die kommunikationstheoretische Perspektive beleuchtet den Veränderungsprozeß im amerikanisch-japanischen Verhältnis.

Was Japan daraus machen wird, ist die große Frage. Seine Optionen sind größer als die Deutschlands, das sich im europäischen Konzert zu verhalten hat, weil es sich bereits in hohem Maß auf einen integrativen Weg eingelassen hat. Der deutsche Machtzuwachs bleibt also nicht nur durch die Vereinigungsprobleme, sondern auch durch die Rahmen der EU und der NATO relativ gering. Darüber täuschen auch die übersteigerten Aufgeregtheiten bei einigen Nachbarn nicht hinweg. Japans neue größere Handlungsfreiheit ist freilich nicht nur ein Gewinn für das Land, sondern auch eine enorme Herausforderung, weil die Gewässer um die Insel alles andere als ruhig sind. Abrüstung in Europa, Aufrüstung in Asien kennzeichnen die Sicherheitslage Anfang der neunziger Jahre. Die Schlagzeilen der Welt sind voll mit zweit-und drittrangigen Konflikten auf dem Balkan und in Somalia, wo sich arme Ethnien und Klans befehden und in den völligen Ruin schießen. Derweil findet in Asien der nächste große Aufrüstungsschub statt Das wirtschaftliche und technologische Wachstum der Region, deshalb die Voraussage, das nächste Jahrhundert werde ein pazifisches sein, hat eine militärische Begleiterscheinung. Schon in der Dekade zwischen 1979 und 1989 wuchsen die Militärausgaben in Japan und in den sechs Schwellenländern Indonesien, Malaysia, Singapur, Südkorea, Taiwan und Thailand von 31, 7 auf 51, 4 Mrd. US-Dollar, also um 62 Prozent, Tendenz steigend. Die Volksrepublik China hat ihre Militäraufwendungen seit 1989 um jährlich zehn bis 15 Prozent gesteigert Südkoreas Militärhaushalt ist von 1990 bis 1992 um 17 Prozent auf 12, 4 Mrd. US-Dollar angestiegen. Nicht nur Konventionelles wird entwickelt und gebaut. China, Taiwan und die beiden Koreas entwickeln chemische Waffen und Raketen. Nordkoreas Nuklearambitionen sind notorisch.

Diese Aktivitäten sind nicht unbedingt gegen Japan gerichtet, im Grunde stecken alle Staaten der Region in einem Sicherheitsdilemma. Ein regionales kollektives Sicherheitssystem ist Zukunftsmusik Ringsum, einschließlich in den USA, wird befürchtet, daß Japan in dieser Unsicherheitslage eigenständige Kapazitäten für Machtprojektion aufbauen könnte. Die USA suchen dies durch die Einbindung Japans in einen multilateralen Kontext zu verhindern. Dazu soll der bestehende bilaterale Sicherheitspakt weiterentwickelt werden Wie diese erneuerte Bündnis-version aussehen soll, ist noch unklar. An einer Aufwertung Japans in der Rollenteilung bestehen keine Zweifel. Ob Japan sich freilich damit zufrieden geben wird, potentielle amerikanische Aktionen in der Region und in der Welt mitzutragen, bleibt eine berechtigte Frage.

Die oben genannten vier Optionen für Japan sind Idealtypen aus der Studierstube. Sie haben also eher heuristischen als prognostischen Wert. Dennoch kann nach ihrer Plausibilität gefragt werden. Das legt nahe, neben potentiellen Unterfällen zumindest eine fünfte Option zu nennen, nämlich die des Durchwurstelns. Dies ist für Übergangsphasen ziemlich plausibel, weil die Anpassung im Innern Japans wie im Umfeld eher langsam vonstatten geht. Diese Durchwursteloption läßt auch Mischverhalten zu; Japan kann also das eine tun, ohne das andere zu lassen. Der bekannte japanische Pragmatismus spricht auch dafür.

Ein eher vorsichtiges Herantasten Japans an die neue Lage hätte erhebliche Vorteile. Auf dem Feld der Sicherheit könnte der Pakt mit den USA erhalten und zugunsten Japans ausgebaut und der eifersüchtige alte Hegemon der Region so beruhigt werden. Das liefe kurz-und mittelfristig auf etwas weniger Supermacht für die USA und etwas mehr Großmacht für Japan hinaus. Die zukünftige Rollenteilung und das Verhältnis beider zueinander könnte so ohne hektische Entscheidungen der Entwicklung überlassen werden. Auf dem Feld der Wirtschaft könnte der Wachstumskurs mit leichten Korrekturen fortgesetzt werden. Daß Japan nach dem Ende des Ost-West-Konflikts mehr die asiatische, regionale Karte ausspielt, versteht sich von selbst. Dies ist nun mal die Wachstumszone, und hier werden fundamentale japanische Interessen berührt. Das heißt aber keineswegs, daß in Asien der natürliche Ersatzmarkt für die USA und Europa vorhanden wäre. Die japanische Strategie des Exportwachstums dürfte kaum exklusiv, sondern eher inklusiv vorgehen.

Die Option der Zivilmacht ist Japan als Handels-staat durch die Nachkriegstradition genauso vorgegeben wie Deutschland. Eine Reorientierung auf die Militärmacht ist unwahrscheinlich. Das haben weder Japan noch Deutschland nötig. Ihr außen-politischer Einfluß kann über die wirtschaftliche Stärke vermittelt bleiben. Dabei handelt es sich aber im Vergleich mit den USA um Akzente und Vorlieben bei den außenpolitischen Instrumenten und wiederum nicht um Exklusivität bei der Wahl der Mittel. Japan ist schon längst und nicht zuletzt auf amerikanische Anregung und Druck hin über die Lebenslüge der bloßen Selbstverteidigungsstreitkräfte hinausgelangt (243000 Mann: Stand 1991). Die Fähigkeiten des japanischen Militärs reichen weiter Immerhin verfügt Japan trotz seines geringen Anteils der Militärausgaben am Gesamtbudget wegen seiner Wirtschaftskraft nominal über den drittgrößten Militärhaushalt der Welt. Noch für längere Zeit wird sich Japan jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit zurückhalten, in Asienauch an regionalen militärischen Befriedungsmaßnahmen teilzunehmen. Selbst bei UNO-Aktionen gibt es Vorbehalte in Japan und bei seinen Nachbarn. Das Beispiel des UN-Einsatzes in Kambodscha mit japanischer Beteiligung hat dies gezeigt. Die Schatten des Zweiten Weltkrieges sind noch lang.

Da es keine unmittelbare Bedrohung mehr gibt, nur Unsicherheiten, kann sich Japan im Sicherheitsbereich eigentlich Zeit lassen. Für die USA dürften die Tage der bequemen Hegemonialzeiten und der Lastenteilung nach dem Muster des Abkommens von 1978 gezählt sein. Danach zahlte Japan jährlich 3 Mrd. US-Dollar, was rund 75 Prozent der amerikanischen nicht-personalgebundenen Kosten seiner Truppenstationierung in Japan ausmachte. Für den Zeitraum 1991 bis 1995 erwarten die USA 17 Mrd. US-Dollar von Japan für ihre Militärbasen Auch die Beteiligung an den Kriegskosten wie im Golfkrieg (13 Mrd. US-Dollar aus Japan) dürfte im japanischen wie im deutschen Fall eine Ausnahme bleiben. Mittelfristig und langfristig dürften wohl auch die amerikanischen Stützpunkte zur Disposition stehen. Klugerweise wird Japan deren Aufgabe nicht fordern, sondern warten, bis den USA selbst die Kosten zu hoch sein werden, wenn es überhaupt am Abzug der Amerikaner interessiert ist. Unter dem US-Schirm lebte Japan schließlich bequem und kostengünstig.

Es ist hauptsächlich das Zusammenspiel zwischen Sicherheit und Wirtschaft, das sich verändert. Gemeinsame, weitgehend übereinstimmende Sicherheitsinteressen wirken nicht mehr wie vormals als Stabilisator des Gesamtverhältnisses, indem sie wirtschaftliche Gegensätze mäßigen. Der Konkurrenzaspekt wird dadurch verstärkt, der Kooperationsdruck nimmt ab. Das kann nicht ohne Folgen für die Wirtschaftsbeziehungen bleiben. Die seit Jahren schwelenden Handelskonflikte erhalten so eine neue Dynamik. Japans Exportmaschine bei gleichzeitiger Verweigerung von industriellen Importen im großen Umfang setzt die USA unter Zugzwang. Das Problem ist nicht, daß Japan so viel exportiert, sondern daß es so wenig Fertigwaren importiert Diese Asymmetrie gilt für Japans gesamten Handel mit Industriestaaten. Die asiatischen Schwellenländer leiden darunter genauso wie die USA und Europa. Der Marktanteil von importierten Industriegütern beträgt in Japan z. B. immer noch weniger als die Hälfte dessen, was in den anderen Ländern der G-7, der sieben Staaten bei den Weltwirtschaftsgipfeln, üblich ist.

Japan selbst hat auf diese handelspolitisch brisante Situation in Erwartung auswärtiger Negativ-reaktionen längst reagiert, nämlich durch exorbitant gestiegene Direktinvestitionen zum Zwecke der Produktionsverlagerung in die fremden Märkte, um eventuelle Protektion zu unterlaufen. Die eigene Marktöffnung im großen Stil aber blieb aus, der Liberalisierungsprozeß in Japan krebst anstatt zu laufen. Japans binnenwirtschaftliche Anpassungsprobleme haben die Liberalisierungsbereitschaft keineswegs gefördert. Im September 1993 wurde bekannt, daß das japanische Bruttoinlandsprodukt im 2. Quartal um zwei Prozent geschrumpft war, der Handelsbilanzüberschuß Japans im August 1993 aber zugenommen hatte. Als Signal nach außen sind diese Indikatoren fatal. Doch „Japan, Incorporated“ ist längst nicht am Ende Die USA und Europa, besonders Deutschland mit seinen Modernisierungsproblemen im Osten, sind nämlich übler dran. Der Konsens und die alten Steuerungskonzepte durch den Staat sind allerdings ins Wanken geraten, was die Handlungsfähigkeit nach außen nicht erhöht hat.

Doch gerade Handlungsfähigkeit ist in den neunziger Jahren gefragt. Der Welthandel ist nach einer langen Wachstums-und Liberalisierungsphase nach dem Zweiten Weltkrieg in eine Stagnationsperiode geraten, die durch Regionalisierungstendenzen geprägt ist. Das globale GATT-Regime konnte nur in letzter Minute vor einem Zusammenbruch gerettet werden. Neben der EU haben sich die USA, Kanada und Mexiko zu einer Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) zusammengeschlossen. Im November 1993 stimmte der US-Kongreß zu; das Repräsentantenhaus mit 234 zu 200, der Senat mit 61 zu 38.

In Asien existiert seit Anfang 1992 die -wenngleich noch schwache -Freihandelszone der sechs ASEAN-Staaten Brunei, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailand (AFTA). Vage projektiert ist eine ostasiatische Handels-gruppe (EAEC) der sechs ASEAN-Staaten plus China, Hongkong, Japan, beiden Koreas, Taiwan und Vietnam. Japan als die unbestrittene Nummer 1 der Wirtschaftsregion wäre dabei. Könnte das also der von Japan geführte asiatische Handelsblock werden?

Theoretisch ja, praktisch ist das Zukunftsmusik. Die Region ist politisch wie wirtschaftlich sehrheterogen. Zwar wachsen dort Wirtschaft und Handel am stärksten in der Welt, aber wirklich integrative Tendenzen wie in der EU sind überaus schwach ausgeprägt. Die Gegensätze sind enorm. Die meisten Länder der Region haben versucht, den japanischen neo-merkantilistischen Wachstumsweg zu kopieren. Aus einer Gruppe von neomerkantilistischen Staaten ist schwer ein Handels-block zu schmieden, weil diese dann untereinander ihren Wirtschaftsnationalismus aufgeben müßten. Gerade die Vorbehalte aller gegen Japan sind enorm groß. Japan hat also wohl auf absehbare Zeit noch keinen regionalen Block im Umfeld wie die USA und Deutschland. Das ist ein Schwach-punkt, der allein Japan zum Einzelkämpfer macht. Harter Konfliktaustrag zwischen dem europäischen sowie dem amerikanischen Handelsblock und Japan wäre demnach für Japan am bedrohlichsten. Handelskriege kämen Japan teuer zu stehen Es ist auf die Märkte Amerikas und Europas dringend angewiesen.

Hauptakteur, weil Hauptabsatzmarkt, bleiben die USA. Wird die Administration Clinton also angesichts der seit Jahren stabilen Ungleichgewichte gegenüber Japan jetzt ernst machen und sich von der Politik harter Worte ohne große Taten lösen? Für Japan wäre das eine neue harte Lektion, denn es fuhr mit dem alten amerikanischen Verhalten allzu gut. Lächeln, aussitzen, still blockieren, während die japanischen Überschüsse wuchsen, erwies sich unter Reagan und Bush als erfolgreich. Wenn die Debatte härter wurde, genügte oft der Verweis auf die hausgemachte Schwäche der US-Wirtschaft, um die Gegenseite zu verunsichern. Ernsthaft wurde die amerikanische Seite nur punktuell bei speziellen Interessengruppen wie Mikroelektronik, Landwirtschaft, manchmal Autos usw. Die US-Handelspolitik gegenüber Japan blieb fragmentiert, eine Gesamtstrategie kam nie zustande.

Präsident Clinton möchte das ändern, er strebt eine ergebnisorientierte Handelspolitik an, was ihn in Japan nicht populär gemacht hat. Clintons neuer Botschafter in Tokio, Walter F. Mondale, kam angeblich mit einem Hauch von Vizekönig in Japan an Seine Ernennung hatte etwas von einer beschwichtigenden Symbolik, weil Mondale als ein politisches Schwergewicht gilt. 1977 unter dem Demokraten Carter war er Vizepräsident, 1984 war er der unterlegene Herausforderer von Ronald Reagan. Laut Präsident Clinton hat er Mondale mit diesem Posten betraut, weil es keine wichtigere bilaterale Beziehung auf der Welt gibt als die zwisehen den USA und Japan. Über die diplomatische Schmeichelei für Japan hinaus will Clinton in der Sache beim Handel aber Härte zeigen und wirkliche Ergebnisse sehen.

Der amerikanische Under-Secretary of the Treasury for International Affairs, Lawrence H. Summers, hatte am 25. Juni 1993 in Tokio bei einer Ansprache vor dem Keidanren, dem einflußreichsten japanischen Wirtschaftsverband, ohne diplomatische Schnörkel klare Worte gefunden. Er verwies auf das niedrige Niveau der japanischen industriellen Importe, verlangte Marktöffnung und machte klar, daß die USA auf meßbaren Mengen bestehen werden Am 10. Juli vereinbarten der japanische Premierminister und der amerikanische Präsident einen Rahmen für eine neue wirtschaftliche Partnerschaft 20. Die amerikanische Seite knüpft daran große Erwartungen. Der US-Handelsbeauftragte Mickey Kantor wertete es im gleichen Monat vor dem Handelsunterausschuß des Repräsentantenhauses als eine feste Verpflichtung Japans und forderte schnelle konkrete Vereinbarungen in sechs bis zwölf Monaten und objektiv meßbare Fortschritte beim japanischen Import, weil die Rahmenvereinbarung nur die Grundlage für bevorstehende Verhandlungen sei. Der harte Teil der Arbeit steht also noch bevor. Als Muster könnte das Halbleiterabkommen aus dem Jahr 1986 dienen, das 1991 erneuert wurde. Ursprünglich versprachen die Japaner einen ausländischen Anteil von Prozent an ihrem heimischen Halbleitermarkt, ca. 15 Prozent wurden mittlerweile erreicht

Schnell wurde deutlich, daß die Lesart des „neuen Rahmens“ in Washington und Tokio differierte. Der japanische stellvertretende Botschaftschef in Washington, Hiroshi Hirabayashi, machte auf einem Forum der Zeitschrift Atlantic Monthly am 14. Juli 1993 deutlich, daß Japan die angestrebten Kriterien nicht als verbindliche Ziffern und Mengenziele ansehe. Auf der gleichen Veranstaltung sprach Senator Max Baucus, der Vorsitzende des Unterausschusses für internationalen Handel des Senats, von der letzten gemeinsamen Chance, die amerikanisch-japanischen Handelsprobleme zu lösen. Der Handelsbeauftragte Kantor schwächte dies diplomatisch in eine „beste Gelegenheit“ ab

Die alte Arbeitsteilung zwischen „hartem“ Kongreß und „kooperationswilliger“ Exekutive wirdhier deutlich. Für die japanische Seite sollte die Botschaft aber deutlich werden. Wenn bei den bilateralen Verhandlungen keine vorzeigbaren Ergebnisse erzielt werden, wird die amerikanische Seite einseitige Maßnahmen ergreifen. Noch ist die Clinton-Administration also beim Vorspiel. Die Verhandlungsergebnisse und deren Aufnahme im Kongreß halten den Härtetest für die Japanpolitik Clintons bereit. Der ungezügelte Wettbewerb droht diesmal wirklich, weil der US-Sicherheitsschirm für Japan als Kitt weiter an Wert verliert.

III. Neue pazifische Partnerschaft oder Rivalität?

Das japanisch-amerikanische Verhältnis müßte also dringend eine solide neue Grundlage finden. Die Mißstimmungen im beiderseitigen Verhältnis lassen sich an Ergebnissen von Meinungsbefragungen ablesen. Nach Präsident Bushs Japanreise im Februar 1992 waren 65 Prozent aller befragten Amerikaner der Meinung, daß anti-japanische Einstellungen in den USA wüchsen, und 63 Prozent wollten sich bemühen, keine japanischen Waren zu kaufen Die Meinung der japanischen Bevölkerung zu den USA war bei einer Umfrage im November 1991 zu 59 positiv und 32 Prozent negativ Vom Nutzen des bilateralen Sicherheitspakts waren 1984 noch 71 Prozent der Japaner überzeugt, 1991 aber nur noch 63 Prozent. Der Anteil der Gegner des Bündnisses in Japan stieg im gleichen Zeitraum von 12 auf 18 Prozent. Im Oktober und November 1990 waren 60 Prozent der amerikanischen Öffentlichkeit und sogar 63 Prozent der Führungsschicht der Meinung, die japanische Wirtschaftsmacht sei eine kritische Bedrohung für die USA

Besonders die japanischen Einstellungen sind demnach überwiegend positiv. Tamamoto sieht sogar eine psychologische Abhängigkeit der Japaner von den USA und baut nicht zuletzt darauf seine These von Japan, das gemocht werden möchte, auf Die negativen Bilder überwiegen also in den USA, wo „Japan Prügeln (Bashing)“ in Politik und Medien seit Jahren eine beliebte Profilierungsmethode darstellt. Ein Teil der politischen Elite in den USA, besonders im Kongreß, sammelte Punkte mit antijapanischer Rhetorik. Über die Perzeption bzw. Fehlperzeptionen im wechselseitigen Verhältnis hinaus gibt es also unbestreitbar reale Interessengegensätze vornehmlich auf dem Feld der Wirtschaft. Weitere Konflikte sind vorprogrammiert, sie sind aber keinesfalls so gravierend, daß sie etwa gar kriegsträchtig wären. Solche überzogenen Prognosen wie die von George Friedman und Meredith LeBard, die in ihrem Buch „The Coming War with Japan“ behaupten, daß die Interessengegensätze Anfang des nächsten Jahrhunderts zum Krieg führen werden, sind vielmehr Ausdruck einer amerikanischen Stimmungslage, in der gehofft wird, mit Horror-szenarien Bücher besser verkaufen zu können.

Wirtschaftliche Rivalität gibt es z. B. auf dem High-Tech-Sektor 27. Das Gleichziehen der japanischen Industrie, in manchen Fällen ihr Überholen auf diesem Feld hat den amerikanischen Stolz tief verletzt und zu heftigen Debatten und Regierungsaktivitäten geführt 28. Früher eine quasi selbstverständliche feste Überschußgröße in der US-Handelsbilanz, war die High-Tech-Bilanz Mitte der achtziger Jahre sogar vorübergehend in die roten Zahlen gera Früher eine quasi selbstverständliche feste Überschußgröße in der US-Handelsbilanz, war die High-Tech-Bilanz Mitte der achtziger Jahre sogar vorübergehend in die roten Zahlen geraten.

Hier sehen die USA zu Recht ihre Weltmachtposition bedroht. Der Zusammenhang mit überlegenen Militärtechnologien ist evident. Ohne zivile Markterfolge kommt die Rüstung selbst die USA zu teuer. High-Tech-Märkte im In-und Ausland können deshalb nicht einfach, wie bei der Unterhaltungselektronik, der japanischen Konkurrenz überlassen werden. Neben der kommerziellen Seite gibt es die des Zugangs zu japanischer Hochtechnologie. Hier haben die USA durch politischen Druck Zugang zu verteidigungsrelevanter Technik erhalten, und die Zusammenarbeit der Rüstungsindustrien hat Fortschritte gemacht 29.

Das Bild von Wettbewerb und Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern ist also höchst komplex. Dies läßt sich besonders gut am Beispiel der Direktinvestitionen ablesen. Die japanischen Direktinvestitionen in den USA sind viermal so hoch wie die amerikanischen in Japan. 1980 entfielen 27 Prozent der japanischen Direktinvestitionen auf Nordamerika, 1989 waren es bereits 43 Prozent, in Europa erfolgte ein Anstieg von 12 auf 18 Prozent. In den achtziger Jahren wuchsen die japanischen Direktinvestitionen im Ausland jährlich um dieDirektinvestitionen des Auslands in Japan im gleichen Zeitraum nur um 12 Prozent

Während Alarmisten darin einen Aufkauf der US-Industrie durch japanische Firmen sehen ist damit auch Kooperation durch Unternehmensallianzen und Verflechtungen verbunden In einer Zeit, in der Investitionsströme zehn Prozent des Werts der Welthandelsströme ausmachen, aber Intra-Konzern-Handel im amerikanischen Fall 40 Prozent des amerikanischen Außenhandels bildet, folgen Handelsströme den Investitionen. Dieser Globalisierung genannte Prozeß, der de facto allerdings weitgehend auf das Dreieck USA, Europa, Japan konzentriert ist, unterläuft zum großen Teil nationale und regionale Protektion. Die Interpretation von nationalen Handelsbilanzen wird dadurch relativiert, aber sie wird nicht obsolet, weil die Arbeitsmärkte als sensible politische Bereiche national bleiben.

Allerdings gibt es auch bei den Unternehmensverflechtungen und Allianzen ein Asymmetrieproblem mit Japan. 1990 z. B. kauften japanische Unternehmen 464 Firmen im Ausland und 306 im Inland, es gab aber nur 17 Aufkäufe japanischer Firmen durch ausländische Unternehmen. Im Vergleich dazu wurden z. B. 1982 125Firmen in den USA von ausländischen Unternehmen erworben, 1987 sogar 264 Auf dem wirtschaftlichen Feld wächst die pazifische, amerikanisch-japanische Partnerschaft etwa im Unterschied zur transatlantischen stark ungleichgewichtig. Japan ist und bleibt schwer zugänglich. Das unterstreicht den Rivalitätsaspekt, relativiert die Partnerschaft und schafft Konflikte. Deren Management hält für beide Seiten große Aufgaben bereit und erfordert ein hohes Maß an Empathie im Umgang miteinander.

Für Europa und besonders für Deutschland ist dabei von Interesse, daß es keine pazifischen Sonderdeals auf Kosten Europas gibt. Nach Meinung vieler Amerikaner soll APEC genau das werden. Solche Ansätze und entsprechende europäische Befürchtungen gab es schon beim Halbleiterabkommen, aber auch für den Automobil-markt. Hondas aus Ohio, um das Japandefizit der USA mit einem Surplus durch Export nach Europa zu kurieren, oder Europa als Ersatzmarkt für japanische Waren, wenn die USA gegenüber Japan ernst machen, sind europäische Alpträume. Der japanische Alptraum wiederum wäre ein atlantischer Sonderdeal zwischen einer Festung Europa und den USA zu seinen Lasten. Auch hier gibt es also erheblichen Bedarf an Konfliktmanagement.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. C. Fred Bergsten/William R. Cline, The United States -Japan Economic Problem, Institute for International Economics, Policy Analysis in International Economics 13, Washington, D. C. 1985; Bela Balassa/Marcus Noland, Japan in the World Economy, Institute for International Economics, Washington, D. C. 1988; Clinton’s Trade Confusions, in: The Wall Street Journal Europe vom 20. 4. 1993, S. 6.

  2. Vgl. Chalmers Johnson, MITI and the Japanese Miracle, Stanford, Cal. 1982; Clyde V. Prestowitz, Trading Places. How we Allowed Japan to Take the Lead, New York 1988; Karel van Wolferen, The Enigma of Japanese Power. People and Politics in a Stateless Nation, London 1989.

  3. Vgl. Joseph Nye, Coping with Japan, in: Foreign Policy, 89 (1992/93), S. 107 ff.

  4. Rethinking Japan Policy, Carnegie Endowment, Washington D. C. 1993; Daniel Burstein, Turning the Tables, A Machiavellian Strategy for Dealing with Japan, New York 1993.

  5. Vgl. Jeffrey Schott (Hrsg.), Free Trade Areas and U. S. Trade Policy, Institute for International Economics, Washington D. C. 1989.

  6. Vgl. U. S. Policy Information and Texts, United States Information Service, Embassy of the United States of America, Bonn, Nr. 118 vom 23. 11. 1993, S. 14f.

  7. Vgl. Frank B. Gibney, Creating a Pacific Community, in: Foreign Affairs, 72 (1993) 5, S. 20-25; International Herald Tribune vom 23. 11. 1993, S. 8.

  8. Vgl. Michael T. Klare, The Next Great Arms Race, in: Foreign Affairs, 72 (1993) 3, S. 136-152.

  9. Vgl. ebd., S. 138f..

  10. Vgl. Kenneth B. Pyle, Japan and the Future of Collective Security, in: Danny Unger/Paul Blackburn (Hrsg.), Japan’s Emerging Global Role, Boulder, Col. 1993, S. 99-117.

  11. Vgl. Norman D. Levin, Prospects for U. S. -Japanese Security Cooperation, in: D. Unger/P. Blackburn (Anm. 10), S. 71-84.

  12. Vgl. Hanns W. Maull, Germany and Japan: The New Civilian Powers, in: Foreign Affairs, 69 (1990/91) 5, S. 91-106; Thomas U. Berger, From Sword to Chrysanthemum. Japan’s Culture of Antimilitarism, in: International Security, 17 (1993) 4, S. 119-150.

  13. Vgl. N. D. Levin (Anm. 11), S. 74f.

  14. Vgl. Richard J. Ellings/Edward A. Olsen, A New Pacific Profile, in: Foreign Policy, (1992/93) 89, S. 127.

  15. Vgl. Edward J. Lincoln, Japan’s Unequal Trade, Washington, D. C. 1990; ders., Japanese Trade and Investment Issues, in: D. Unger/P. Blackburn (Anm. 10), S. 133-154.

  16. Vgl. Peter F. Drucker, The End of Japan, Inc.? An Economic Monolith Fractures, in: Foreign Affairs, 72 (1993) 2, S. 10-15.

  17. Vgl. Krieg der Welten, in: manager magazin, 4 (1993), S. 93-108.

  18. Vgl. FAZ vom 15. 9. 1993, S. 14.

  19. Vgl. U. S. Policy Information and Texts, Nr. 68 vom 29. 6. 1993, S. 7-13.

  20. Vgl. U. S. Policy Information and Texts, Nr. 71 vom 12. 7. 1993, S. 29-33.

  21. Vgl. Peter F. Cowhey/Jonathan D. Aronson, A New Trade Order, in: Foreign Affairs, 72 (1992/93) 1, S. 187.

  22. Vgl. U. S. Policy Information and Texts, Nr. 72 vom 15. 7. 1993, S. 27-29.

  23. Vgl. Masaru Tamamoto, The Japan That Wants to Be Liked, in: D. Unger/P. Blackburn (Anm. 10), S. 40.

  24. Vgl. ebd., S. 39.

  25. Vgl. N. D. Levin (Anm. 11), S. 78f.

  26. Vgl. M. Tamamoto (Anm. 23), S. 39.

  27. Vgl. Technology for America’s Economic Growth. A New Direction to Build Economic Strength, Washington, D. C. 1993.

  28. Vgl. N. D. Levin (Anm. 11), S. 74; David C. Mowery, Japanese Technology and Global Influence, in: D. Unger/P. Blackburn (Anm. 10), S. 171-193.

  29. Vgl. Edward J. Lincoln, Japanese Trade and Investment Issues, in: D. Unger/P. Blackburn (Anm. 10), S. 134ff..

  30. Vgl. Robert L. Kearns, Zaibatsu America. How Japanese Firms Are Colonizing Vital U. S. Industries, New York 1992.

  31. Vgl. Peter F. Cowhey/Jonathan D. Aronson, Managing the World Economy: The Consequences of Corporate Alliances, Council on Foreign Relations, New York 1993.

  32. Vgl. E. J. Lincoln (Anm. 30), S. 144.

Weitere Inhalte

Reinhard Rode, Dr. phil., geb. 1947; seit Oktober 1992 Inhaber des Lehrstuhls für internationale Beziehungen und deutsche Außenpolitik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Veröffentlichungen zur amerikanischen Außenwirtschaftspolitik und Weltwirtschaftsbeziehungen. Zuletzt erschien: High Tech Wettstreit 2000. Strategische Handels-und Industriepolitik. Europa versucht’s, die USA fangen an, Japan macht’s vor, Frankfurt a. M. 1993.