Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Die Situation in den zwölf Ländern der EG
Marlene Lohkamp-Himmighofen
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Zusammenfassung
Seit die außerhäusliche Erwerbstätigkeit der Frauen ein gesellschaftlich relevantes Ausmaß erreicht hat, sind Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in allen Staaten der Europäischen Gemeinschaft initiiert worden. Sie reichen von Hilfen bei Schwangerschaft und Mutterschaft und der Erziehung von Kleinkindern über Angebote zur Entlastung bei der Betreuung von jüngeren Kindern und Schulkindern bis hin zu Maßnahmen zur familienfreundlichen Gestaltung der Arbeitswelt. Eine genauere Analyse der Verfügbarkeit und Ausgestaltung der Maßnahmen läßt jedoch erkennen, daß innerhalb der EG verschiedene familienpolitische Konzepte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf verfolgt werden, die die vielbeschworene Wahlfreiheit der Eltern nicht unwesentlich beeinflussen: Das sind erstens ein zeitliches Nebeneinander von Familie und Beruf mit weitreichenden egalitären Ansätzen (Dänemark); zweitens ein zeitliches Nebeneinander von Familie und Beruf mit Schwergewicht auf Vollzeiterwerbstätigkeit beider Eltemteile (Frankreich, Belgien); drittens ein zeitliches Nacheinander von Familie und Beruf bzw. Förderung von Halbtagsarbeit (Deutschland, Luxemburg, Niederlande). Außerdem gibt es innerhalb der EG viertens Länder, in denen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor allem dem Unternehmensbereich und der Privatinitiative überlassen wird (Vereinigtes Königreich, Irland), und fünftens Länder, in denen entsprechende staatliche Aktivitäten erst im Aufbau begriffen sind (Portugal, Spanien, Italien, Griechenland).
I. Einleitung
Seit die außerhäusliche Erwerbstätigkeit von Frauen ein gesellschaftlich relevantes Ausmaß erreicht hat, sind die Schwierigkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Gegenstand vielfältiger wissenschaftlicher Untersuchungen und politischer Überlegungen -auch zwischenstaatlicher Vergleiche -geworden So findet man heute in allen Ländern der Europäischen Union (EU) -zum Teil bereits vielfältige -Angebote zur Minderung der Konflikte zwischen Berufs-und Familienleben.
Sie werden zum einen bereitgestellt von seiten der Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik sowie von seiten der Wirtschaft. Hintergründe dieser Bemühungen sind zumeist Volks-und betriebswirtschaftliche Überlegungen. Es geht um die Ausschöpfung des vorhandenen Arbeitskräftepotentials, um die Steigerung der Arbeitszufriedenheit und um die Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Auch von seiten der Frauenpolitik werden Maßnahmen zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf initiiert. Sie verfolgt dabei primär das Ziel, die Chancen der Frauen im Bereich der Arbeitswelt zu vergrößern, denn in der nach wie vor mangelnden Integration der Frauen in das Erwerbsleben wird der Dreh-und Angelpunkt fast aller Diskriminierungen gesehen. Bei diesen Bemühungen zeichnen sich in den letzten Jahren in den meisten Ländern Entwicklungen ab, neben einem gleichberechtigten Zugang der Frauen zur Arbeitswelt auch die Notwendigkeit einer gleichzeitigen Veränderung der innerfamiliären Rollenverteilung zu unterstreichen. An dieser Stelle treffen sich die Ziele der Frauen-und Familienpolitik, denn eine Gleichberechtigung der Geschlechter in Beruf und Familie kann nur durch die Auflockerung der starren geschlechtsspezifischen Rollenzuweisungen in beiden Lebensbereichen erfolgen
Die Familienpolitik schließlich -also der Politikbereich, der hier im Vordergrund steht -verfolgt bei ihren Bemühungen das Ziel, die heute bestehenden Gegensätze zwischen den Anforderungen der Arbeitswelt und den Bedürfnissen aller Familien-mitglieder zu überwinden. Die Interessen der Mütter und Väter, und nicht zuletzt das Wohl des Kindes sind ihre Anliegen. Da das Kind der schwächste Teil der Familie ist, bedarf es des besonderen Schutzes, auch gegenüber den Emanzipationsforderungen der Eltern. Wichtig erscheint aus dieser Perspektive daher vor allem, daß -wie auch immer die beruflichen und familiären Aufgaben innerhalb der Familien verteilt werden -genügend elterliche Zeit und Zuwendung für die Kinder gewährleistet bleibt.
II. Vereinbarkeit von Familie und Beruf -ein Handlungsproblem
Abbildung 2
Tabelle 2: Elternuralub in den EG-Ländern 1992 Quellen: Erika Neubauer/Christiane Dienel/Marlene Lohkamp-Himmighofen, Zwölf Wege der Familienpolitik in der Europäischen Gemeinschaft -Eigenständige Systeme und vergleichbare Qualitäten?, Stuttgart -Berlin -Köln 1993, Kap. 8, sowie European Observatory on national family policies (Anm. 1), S. 150-159.
Tabelle 2: Elternuralub in den EG-Ländern 1992 Quellen: Erika Neubauer/Christiane Dienel/Marlene Lohkamp-Himmighofen, Zwölf Wege der Familienpolitik in der Europäischen Gemeinschaft -Eigenständige Systeme und vergleichbare Qualitäten?, Stuttgart -Berlin -Köln 1993, Kap. 8, sowie European Observatory on national family policies (Anm. 1), S. 150-159.
Bei allen Überlegungen zur Förderung der Familien kann nicht von der Familie im Singular ausgegangen " werden. Bereits innerhalb ein und desselben Landes stellen sich daher die Probleme der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf sehr verschiedene Weise (z. B. je nach Familienstruktur, Alter der Kinder oder ökonomischer Situation). Erst recht bestehen zwischen den EG-Staaten erhebliche Unterschiede hinsichtlich der vorherrschenden familiären Wert-und Verhaltensorientierungen, der Familienstrukturen, des Niveaus der Frauenerwerbsbeteiligung und der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Trotz dieser Unterschiede sind aber ebenso eindeutig einheitliche Tendenzen des familiären Wandels innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu beobachten, die den Handlungsbedarf der Familienpolitik im Spannungsfeld Familie -Beruf erhöht haben. Hierzu zählen insbesondere -der Geburtenrückgang, -der Trend zur Kleinfamilie und damit zu weniger innerfamiliären Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder, -die wachsende Zahl von Alleinerziehenden und -die Zunahme der Frauenerwerbsbeteiligung auch beim Vorhandensein von Kindern
Der dadurch gewandelten Lebensrealität der Familien stehen auf der anderen Seite Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsstrukturen gegenüber, die trotz der enormen wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung immer noch wenig auf die familiären Erfordernisse zugeschnitten sind. Zwar existieren gerade im Bereich der Arbeitswelt große Unterschiede zwischen den EG-Staaten, aber auch hier lassen sich allgemeingültige Tendenzen ausmachen, die das Spannungsverhältnis von Familie und Beruf charakterisieren. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, daß Familie und Beruf zwei Lebensbereiche darstellen, deren Strukturen durch jeweils ganz andere Bedingungskonstellationen geprägt werden, was vielfältige Konfliktfelder entstehen läßt. So führt z. B. die fehlende Koordination beruflicher und familiärer Zeitplanungen und Verpflichtungen dazu, daß sich der Tagesablauf der Familien in starkem Maße an den Arbeitszeiten orientiert. Gleichzeitig ist die Arbeitswelt aber auch auf die Familie als Ort der Regeneration angewiesen. Die Liste der aktuellen Belastungen, die sich aus diesem Spannungsverhältnis ergeben, ist lang und kann nur in Umrissen dargelegt werden. Zu den wichtigsten zählen -unterschiedliche, also nicht miteinander korrespondierende Arbeitszeiten und Öffnungszeiten von Betreuungseinrichtungen und Schulen, -ein weitgehend mangelndes Angebot insbesondere an qualifizierten Teilzeitarbeitsplätzen, -wachsende Mobilitätsanforderungen hinsicht'lieh des Arbeitsstandortes bei gleichzeitig zunehmenden Mobilitätshemmnissen, -unzureichende Freistellungsregelungen beim Vorliegen familiärer Gründe und -eine Arbeitsmarkt-und Beschäftigungsstruktur, die insgesamt eine stärker partnerschaftlich ausgerichtete Arbeits-und Aufgabenteilung behindert.
Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Wohle aller Familienmitglieder spannungsärmer zu gestalten, kann nun die Familienpolitik im wesentlichen in drei sich ergänzenden Bereichen aktiv werden: Sie kann Hilfen bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie bei der Erziehung von Kleinkindern anbieten, Angebote zur Entlastung bei der Betreuung von jüngeren Kindern und Schulkindern bereitstellen und Maßnahmen zur familienfreundlichen Gestaltung der Arbeitswelt initiieren. Die Einflußmöglichkeiten des Staates sind bei diesen drei Maßnahmenbereichen unterschiedlich groß. Generell können im folgenden aber nur solche dargestellt werden, die als Rahmenbedingungen von seiten der EG-Staaten geschaffen wurden.
III. Maßnahmen der Familienpolitik
Abbildung 3
Tabelle 3: Versorgungsquote mit öffentlich finanzierten Kinderbetreuungseinrichtungen in den EG Ländern Quellen: Erika Neubauer/Christiane Dienel/Marlene Lohkamp-Himmighofen, Zwölf Wege der Familienpolitik in der Europäischen Gemeinschaft -Eigenständige Systeme und vergleichbare Qualitäten?, Stuttgart-Berlin-Köln 1993, Kap. 8, sowie Europäische Gemeinschaften (Anm. 6), S. 12 und 15-67.
Tabelle 3: Versorgungsquote mit öffentlich finanzierten Kinderbetreuungseinrichtungen in den EG Ländern Quellen: Erika Neubauer/Christiane Dienel/Marlene Lohkamp-Himmighofen, Zwölf Wege der Familienpolitik in der Europäischen Gemeinschaft -Eigenständige Systeme und vergleichbare Qualitäten?, Stuttgart-Berlin-Köln 1993, Kap. 8, sowie Europäische Gemeinschaften (Anm. 6), S. 12 und 15-67.
1. Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie bei der Erziehung von Kleinkindern
Zu den wichtigsten und ältesten Maßnahmen der Familienpolitik gehören die Regelungen des Schwangerschafts-und Mutterschutzes. Diese arbeitsrechtlichen Bestimmungen dienen einerseits dem gesundheitlichen Schutz von Mutter und Kind, andererseits können sie durch ihre Ausgestaltung aber auch dazu beitragen, daß Schwangerschaft und Mutterschaft keinen Anlaß zur Ausgrenzung oder beruflichen Dequalifizierung der Frauen bieten. 1991 wurde vom EG-Ministerrat eine Richtlinie zum Mutterschutz erlassen, die die zwölf Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen mußten. Einen Kern-bestand dieser Richtlinie bildet der Mutterschaftsurlaub, für den der EG-Ministerrat eine Mindestdauer von 14 Wochen und eine dem Krankheitsfall entsprechende Bezahlung empfiehlt.
Mutterschaftsurlaub und -geld Mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und Irlands, wo die Anspruchsberechtigung für den Mutterschaftsurlaub und ein entsprechendes Mut-terschaftsgeld von der Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht werden steht den Arbeitnehmerinnen in allen anderen Ländern der Gemeinschaft ein gesetzlich garantierter Mutterschaftsurlaub zu (vgl. Tabelle 1). Die Dauer schwankt dabei zwischen 13 Wochen in Portugal und 28 Wochen in Dänemark. Während dieser Zeit wird in der Regel ein Mutterschaftsgeld in Höhe des vollen Arbeitsentgeltes gewährt. Ausnahmen bilden hierbei die Länder Belgien, Spanien, Irland und das Vereinigte Königreich.
Während der Einbezug der Väter in diesen Mutterschaftsurlaub in den meisten Ländern nur in ausgesprochenen Sondersituationen (z. B. Tod der Mutter) möglich ist, können in Dänemark die letzten zehn Wochen des Mutterschaftsurlaubs und in Spanien die letzten vier Wochen wahlweise auch von den Vätern in Anspruch genommen werden. Im Rahmen des Mutterschaftsurlaubs wird in diesen Ländern also bereits ein Elternurlaub ungebeten. Hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist zusätzlich eine weitere Regelung bedeutsam; sie betrifft den Kündigungsschutz der Mütter. Auch hierbei stellt das Vereinigte Königreich eine Ausnahme dar, weil der Kündigungsschutz nur beschränkt gilt und bei Kleinbetrieben wegfällt. In allen anderen Ländern der Gemeinschaft steht den Müttern jedoch eine Arbeitsplatz-garantie und ein über die Dauer des Mutterschaftsurlaubs hinausgehender Kündigungsschutz zu. Dessen Länge schwankt zwischen einem zusätzlichen Monat in Belgien und insgesamt zwölf Monaten nach der Entbindung in Griechenland und Italien.
Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß der Mutterschaftsurlaub den Bereich familienpolitischer Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf darstellt, der bislang in allen EG-Ländern am weitesten entwickelt ist. Auch den gesundheitlichen Bedürfnissen der Arbeitnehmerinnen und der Neugeborenen dürften die vorhandenen Regelungen trotz einiger Schwachstellen (z. B. fehlende verbindliche Urlaubszeiten vor der Entbindung) weitgehend gerecht werden.
Vaterschaftsurlaub Ein besonderer Vaterschaftsurlaub, also ein Urlaub, der anläßlich der Geburt eines Kindes nur dem Vater Vorbehalten ist, wird innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bislang nur von Dänemark gewährt. Zwar können in vielen Ländern der EG die Väter bei der Geburt eines Kindes eine Arbeitsbefreiung beanspruchen, die Länge dieses Sonderurlaubs ist in diesen Fällen jedoch auf zwei bis drei Tage begrenzt. In Dänemark hingegen umfaßt der voll vergütete Vaterschaftsurlaub immerhin zwei Wochen.
Elternurlaub Eine noch relativ neue familienpolitische Maßnahme stellt der Elternurlaub dar, der erwerbstätigen Müttern oder Vätern die Möglichkeit eröffnen soll, eine Zeitlang aus dem Beruf auszuscheiden oder die Arbeitszeit zu reduzieren und sich hauptsächlich der Betreuung des Kleinkindes zu widmen. Mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und Irlands, die keinen gesetzlichen Elternurlaub vorsehen, und von Belgien und Griechenland, die entsprechende Möglichkeiten nur für einen begrenzten Personenkreis bieten (in Italien ähnlich), wird in allen anderen Ländern der Gemeinschaft mittlerweile ein Elternurlaub angeboten (vgl. Tabelle 2). Die Dauer schwankt hierbei zwischen zehn Wochen in Dänemark (Elternurlaub im Rahmen des Mutterschaftsurlaubs) und drei Jahren in Deutschland und Spanien. Dieser Elternurlaub kann zumeist wahlweise von der Mutter oder dem Vater oder auch von beiden Elternteilen je zur Hälfte (Dänemark) oder sogar in einem dreimaligen Wechsel zwischen den beiden Elternteilen (Deutschland) genommen werden.
Insgesamt zwei Länder (Griechenland und Portugal) sehen dabei keinerlei monetäre Leistungen in Form eines Erziehungsgeldes vor. Auch in Frankreich, den Niederlanden und Spanien wird nur in Sonderfällen eine Kompensation des Einkommensausfalls geboten. Dagegen wird in Deutschland und Luxemburg auch Erziehungsgeld an die Eltern gezahlt, die vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig waren. Das Erziehungsgeld dient also hier nicht nur dem Zweck der Kompensation eines Einkommensausfalls, mit ihm wird darüber hinaus eine grundsätzliche finanzielle Anerkennung der Erziehungsleistung innerhalb der Familie geboten. Die Möglichkeit, neben dem Elternurlaub gleichzeitig einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen, ist in Frankreich und Deutschland vorgesehen. In Luxemburg ist sie auf einkommensschwache Familien begrenzt, und in den Niederlanden kann der Elternurlaub grundsätzlich nur in Teilzeitform genommen werden.
Nicht zuletzt ist unter dem Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf die mit dem Eltern-urlaub verbundene Möglichkeit der Wiedereinstellung bedeutsam. Eine Wiedereinstellungsgarantiewird von Dänemark, Deutschland, den Niederlanden und Portugal geboten. In Spanien gilt sie nur für das erste Jahr des Elternurlaubs, danach ist lediglich eine bevorzugte Einstellung vorgesehen. In Frankreich beschränkt sich die Wiedereinstellungsgarantie auf Eltern mit drei und mehr Kindern, und in Luxemburg wird eine Wiedereinstellung nur im Bereich des öffentlichen Dienstes gewährleistet.
Anrechnung von Erziehungszeiten in der Altersversorgung Die Anrechnung von Erziehungszeiten in der Altersversorgung stellt eine den Elternurlaub ergänzende Maßnahme dar. In fast allen Ländern sind mittlerweile entsprechende Regelungen vorgesehen, Ausnahmen bilden lediglich Irland, Italien und Luxemburg. In Griechenland sind die entsprechenden Bestimmungen auf Mütter mit vier und mehr Kindern beschränkt, und in Dänemark und den Niederlanden wird die Altersversorgung grundsätzlich über die staatliche Volksrente bzw. Volksversicherung gewährleistet, so daß zusätzliche Anrechnungen von Erziehungszeiten zumindest für den Anspruch auf eine Mindestrente nicht notwendig sind.
2. Maßnahmen zur Entlastung bei der Betreuung von jüngeren Kindern und Schulkindern
Ein wesentliches familienpolitisches Steuerungsinstrument zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist das Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Die Bedeutung familienergänzender Betreuung hat aber nicht nur deshalb zugenommen, weil die Eltern aufgrund ihrer Berufstätigkeit entsprechende Angebote brauchen, auch die Kinder benötigen heute mehr als in der Vergangenheit familienübergreifende Erfahrungswelten. Denn ihre Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen, mit Gleichaltrigen zu spielen und dabei die notwendigen Erfahrungen zu sammeln, haben sich im Zuge des Trends zur Kernfamilie nicht unwesentlich verkleinert
Versorgungsquote mit öffentlich finanzierten Kinderbetreuungseinrichtungen Umfassende Untersuchungen zum Themenkreis „Kinderbetreuung in der Europäischen Gemeinschaft“ wurden in den letzten Jahren vom EG-Netzwerk Kinderbetreuung vorgelegt Diese Studien liefern zu den meisten in diesem Zusammenhang wichtigen Aspekten -so auch zur wesentlichen Frage der Qualität der Betreuungseinrichtungen -vielfältige Informationen Die folgenden Ausführungen beschränken sich hingegen auf die Aspekte, die im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besondere Relevanz besitzen. Dazu zählen im wesentlichen -die Versorgungsquote mit öffentlich finanzierten Kinderbetreuungseinrichtungen, die eine kontinuierliche Betreuung der Kinder gewährleisten, und -die Öffnungszeiten dieser Einrichtungen (vgl. Tabelle 3).
Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren Die Versorgungsquote mit öffentlich finanzierten Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren liegt in nahezu allen EG-Ländern weit unterhalb der Zahl der Kinder dieser Altersklasse. Lediglich in Dänemark werden für 48 Prozent und in Frankreich und Belgien für 20 bzw. 25 Prozent der Kinder dieser Altersgruppe Plätze angeboten. Die außerhäusliche Betreuung der Kleinkinder wird in diesen Ländern vorwiegend durch kommunal angestellte oder einem kommunalen Dienst angeschlossene Tagesmütter übernommen, die eine Ganztagsbetreuung ermöglichen. Die Vorteile einer individuellen Betreuung, einer öffentlichen Organisation und arbeitsrechtlichen Absicherung der Tagesmütter werden in diesen Ländern demnach verknüpft. Durch die Tagesmütterdienste können zudem die Kosten, die der öffentlichen Hand im Falle einer institutioneilen Betreuung entstehen, erheblich reduziert werden.
In den restlichen Ländern der EG liegt die Versorgungsquote mit öffentlichen Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren unter sechs Prozent und erfolgt zum Teil auf der Basis eines halben Tages, so daß die Kleinkinder zur weit überwiegenden Mehrheit durch die Mutter oder, falls diese erwerbstätig ist, durch Verwandte oder private Tagesmütter bzw. Institutionen betreut werden. Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zwischen drei Jahren und dem Schulalter Eindeutig besser ist hingegen EG-weit die Versorgungslage mit Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zwischen drei Jahren und dem gesetzlich vorgeschriebenen Schulalter. Der Bedarfsdeckungsgrad mit öffentlich finanzierten Einrichtungen schwankt hier zwischen 40 Prozent (in Portugal und dem Vereinigten Königreich) und nahezu 100Prozent in Frankreich und Belgien. Insgesamt überwiegt bei dieser Altersklasse die institutionalisierte gegenüber der individuellen Betreuungsform durch Tagesmütter. Problematisch ist allerdings, daß in einigen Ländern Kinder mangels geeigneter Einrichtungen (z. B. Kindergärten und Vorschulen) bereits sehr früh zur Schule gehen: so in den Niederlanden, in Irland und im Vereinigten Königreich. Auch hinsichtlich der Öffnungszeiten weisen die Länder große Unterschiede auf. So wird eine mehrheitliche Ganztagsbetreuung in Kindertagesstätten oder vorschulischen Einrichtungen nur in Belgien, Dänemark, Frankreich und Italien (Nord) angeboten.
Betreuungsmöglichkeiten für Kinder im Grundschulalter Für Kinder im Grundschulalter ist ein durchgehender Schultag -inklusive eines Aufenthaltes in der Schule während der Mittagspause -in Belgien, Dänemark, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und Irland die Regel. Die Dauer des Schultages schwankt dabei jedoch erheblich. Sie umfaßt maximal sechseinhalb Stunden in Irland und acht Stunden in Belgien und Frankreich. Ein langer Schultag bedeutet für die Grundschulkinder dabei nicht, daß sie während der gesamten Zeit Unterricht haben. So ist die Unterrichtszeit z. B. in Dänemark altersabhängig und liegt bei der Altersklasse von sieben bis zehn Jahren bei vier Stunden täglich. Über die eigentliche Unterrichtszeit hinaus werden die Kinder jedoch betreut und erhalten zumeist eine Mittagsmahlzeit. Umfangreiche Betreuungsangebote außerhalb der Schulstunden werden in den genannten fünf Ländern nur von Frankreich und Dänemark geboten, in den Ländern mit eher kurzer Ganztagsschuldauer (Irland und Vereinigtes Königreich) bestehen hingegen keine Hort-angebote.
Einen ganztägigen Schultag mit einer dabei allerdings vielfach zu Hause zu verbringenden Mittagspause haben die Grundschulkinder in den Niederlanden, in Spanien und Luxemburg. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf rufen diese Schulsysteme daher ähnliche Konsequenzen hervor wie die kurzen, auf den Vormittag begrenzten Schultage in Deutschland und Italien.
Schließlich muß aufgrund des ungenügenden Angebots an schulischer Infrastruktur in weiten Teilen Griechenlands und Portugals sogar ein Schicht-unterricht praktiziert werden, so daß die Kinder im Wechsel entweder vormittags oder nachmittags zur Schule gehen Betreuungsangebote über die eigentlichen Schulstunden hinaus existieren für Grundschulkinder in allen diesen Ländern (NL, SP, L, D, I, G, P) in erwähnenswertem Umfang nur in Portugal (sechs Prozent) und Deutschland (vier Prozent).
3. Maßnahmen zur familienfreundlichen Gestaltung der Arbeitswelt
Maßnahmen zur familienfreundlichen Gestaltung der Arbeitswelt fallen in erster Linie in den Aufgabenbereich der Tarifvertragsparteien. Der Staat kann durch die Vorgabe arbeits-und sozialrechtlicher Rahmenbedingungen, durch seine Arbeitgeberfunktion im öffentlichen Dienst und durch direkte Hilfsangebote (z. B. zur Wiedereingliederung in das Berufsleben) aber auch hier fördernd einwirken.
Arbeitszeitsysteme und Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen Verkürzungen der Wochen-oder Jahresarbeitszeit haben in den letzten zehn Jahren in fast allen EG-Ländern stattgefunden. Merkwürdigerweise werden solche allgemeinen Arbeitszeitverkürzungen nur selten im Zusammenhang mit dem Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf diskutiert.
Dabei spielt gerade die Verkürzung der wöchentlichen und insbesondere der täglichen Arbeitszeit für die Familien eine bedeutende Rolle; denn Familienpflichten fallen eben nicht nur am Wochenende oder im Urlaub an, sondern sind täglich zu erfüllen. Betrachtet man die tarifliche Arbeitszeit EG-weit, so weisen lange Arbeitszeiten mit 40 und mehr Stunden pro Woche die südlichen Länder der Europäischen Gemeinschaft und Luxemburg, kurze hingegen Dänemark, Deutschland und Belgien auf
Einen im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebenfalls sehr wichtigen Sachverhalt stellt das Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen dar. In nahezu allen Ländern der Gemeinschaft ist dieses Angebot in der Vergangenheit gestiegen. In den Niederlanden, Dänemark und dem Vereinigten Königreich umfaßt es heute 20 bis 30 Prozent der Gesamtbeschäftigung; in den südlichen Ländern und in Luxemburg liegt es bei fünf bis sechs Prozent Neben den Niveauunterschieden ist wesentlich, daß diese Beschäftigungsform in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft fast ausschließliche eine Domäne der Frauen ist (Anteil der Männer unter den Teilzeitbeschäftigten 18, 2 Prozent, der Frauen 81, 8 Prozent
Teilzeitarbeit wird offenbar vor allem für Frauen angeboten bzw. von ihnen wahrgenommen. Obwohl ein umfangreiches Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen zweifelsohne die Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf wesentlich erweitern kann, sind mit den geschlechtsspezifischen Unterschieden der Teilzeitarbeit erhebliche Gefahren verbunden. Denn auch dies soll nicht verschwiegen werden: Mit Teilzeitarbeit sind in vielen Fällen wenig attraktive Tätigkeiten, geringe Aufstiegschancen, eine schlechte Entlohnung und ein höheres Beschäftigungsrisiko verknüpft. Es geht also nicht nur um die Bereitstellung eines quantitativ hohen Angebotes, sondern ebenso um die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Teilzeitarbeitsplätze; nicht zuletzt deshalb, weil dadurch auch für die Männer die Attraktivität dieser Beschäftigungsform erhöht werden kann. Neben diesen klassischen Beschäftigungsformen wurden in den letzten Jahren in vielen Ländern der EG neue Arbeitszeitmodelle (z. B. Gleitzeit, Zeitguthaben) entwickelt, wobei zumeist der öffentliche Dienst, die Metallindustrie und Großunternehmen eine Vorreiterrolle spielten. All diese Entwicklungen -auf die hier nicht näher eingegangen werden kann -haben zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beigetragen, sie besitzen aus Arbeitnehmersicht zum Teil aber auch spezifische Nachteile.
Möglichkeiten zur Freistellung bei Krankheit eines Kindes Eine immer wiederkehrende Konfliktsituation entsteht für erwerbstätige Eltern im Falle der Erkrankung eines Kindes. In Tabelle 4 sind die derzeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gültigen Regelungen dargestellt. Sehr weitreichende Möglichkeiten sowohl hinsichtlich des Kreises der Anspruchsberechtigten als auch in bezug auf die Dauer der Freistellung sowie die Höhe der Bezahlung besitzen demnach die Arbeitnehmer/innen in der Bundesrepublik Deutschland. Auch in Griechenland können erwerbstätige Eltern mit kranken Kindern eine in Dauer und Höhe der Bezahlung großzügige Freistellungsregelung in Anspruch nehmen. Ähnliches gilt für Frankreich.Die ungünstigsten Regelungen bestehen hingegen in Italien und Portugal. Zwar können sich abhängig beschäftigte Eltern (in Italien nur Arbeitnehmerinnen) in diesen Ländern zur Pflege kranker Kinder sehr lange freisteilen lassen, während dieser Zeit wird jedoch keine bzw. nur einkommensschwachen Familien eine finanzielle Kompensation für das ausgefallene Arbeitsentgelt geboten. Schließlich existieren in Irland, Luxemburg, den Niederlanden und im Vereinigten Königreich gar keine oder nur betriebliche Freistellungsregelungen.
Angebote zur Erleichterung der Wiedereingliederung in das Berufsleben Scheiden Mütter oder Väter aus familiären Gründen für eine Zeit aus dem Berufsleben aus und haben sie dabei keinen Anspruch auf Rückkehr an ihren alten Arbeitsplatz, so gestaltet sich in den meisten Fällen der Wiedereinstieg in das Berufsleben äußerst schwierig. Der Wiedereintritt in die Arbeitswelt nach einer erziehungsbedingten Unterbrechung kann jedoch auf vielfache Weise erleichtert werden. Eine Möglichkeit besteht darin, den Kontakt zum Arbeitsplatz durch familienphasenbegleitende Weiterbildung aufrechtzuerhalten und einen erneuten Einstieg durch berufliche Orientierungs-und Umschulungsmaßnahmen, durch Beratungsangebote und Einarbeitungsmaßnahmen zu fördern. In einigen wenigen Ländern der EG werden solche speziellen Wiedereingliederungshilfen angeboten. Am weitesten sind sie bislang in Deutschland ausgebaut (spezielle Beratungseinrichtungen, Einarbeitungszuschüsse an Arbeitgeber für die dauerhafte Einstellung von Berufsrückkehrerinnen). In Luxemburg und Frankreich bestehen ebenfalls einige Angebote (Beratungsangebote, Förderung von Umschulungsmaßnahmen). In allen anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft sind entsprechende Maßnahmen bislang jedoch unbekannt oder nur als Pilotprojekte (Belgien und Spanien) vorhanden.
IV. Beurteilung der Maßnahmenpakete
Abbildung 4
Tabelle 4: Möglichkeiten zur Freistellung bei Krankheit eines Kindes in den EG-Ländern 1992 Quelle: Erika/Neubauer/CHristiane Dienel/Marlene Lohkamp-Himmighofen, Zwölf Wege der Familienpolitik in der Europäischen Gemeinschaft - Eigenständige Systeme und vergleichbare Qualitäten?, Stuttgart - Berlin - Köln 1993 Kap. 8.
Tabelle 4: Möglichkeiten zur Freistellung bei Krankheit eines Kindes in den EG-Ländern 1992 Quelle: Erika/Neubauer/CHristiane Dienel/Marlene Lohkamp-Himmighofen, Zwölf Wege der Familienpolitik in der Europäischen Gemeinschaft - Eigenständige Systeme und vergleichbare Qualitäten?, Stuttgart - Berlin - Köln 1993 Kap. 8.
1. Systemvarianten der Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Versucht man alle hier dargestellten Maßnahmen zusammenfassend zu bewerten und dabei die Besonderheiten der nationalen Lösungsstrategien herauszuarbeiten, so lassen sich in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft (sehr vereinfacht) fünf Varianten Vereinbarkeit familienpolitischer von Familie und Ansätze zur Beruf unterscheiden
1. Dänemark als einziger Vertreter eines Konzeptes, das auf ein zeitliches Nebeneinander von Familie und Beruf ausgerichtet ist und dabei weitgehend egalitäre Strukturen verfolgt: Charakteristika sind ein kurzer, aber relativ hoch bezahlter Elternurlaub, ein eigenständiger Vaterschaftsurlaub, ein sehr hohes Angebot an Betreuungsmöglichkeiten für Kinder aller Altersklassen, kurze Arbeitszeiten und ein hohes Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen.
2. Frankreich und Belgien mit einem Konzept, das ebenfalls auf ein zeitliches Nebeneinander von Familie und Beruf, vor allem in Vollzeitform, ausgerichtet ist. Charakteristika sind ein nur im öffentlichen Dienst gewährter bzw. nur kinderreichen Familien bezahlter Elternurlaub, ein hohes Angebot an Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten, eine durchschnittliche Arbeitszeit bei gleichzeitig vorhandenen Freistellungsregelungen und ein eher geringes Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen.
3. Deutschland, Luxemburg und die Niederlande als Vertreter eines Konzeptes, das ein zeitliches Nacheinander von Familie und Beruf bzw.
Halbtagsarbeit favorisiert. Charakteristika sind ein langer und bezahlter Elternurlaub bzw. ein Elternurlaub in Teilzeitform (Niederlande), ein Erziehungsgeld auch für vorher nicht erwerbstätige Eltern (Deutschland, Luxemburg), wenige oder auf halbe Tage zugeschnittene Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulsysteme, ein hohes Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen (insb. Niederlande), günstige Freistellungsregelungen (Deutschland) und Hilfen zum beruflichen Wiedereinstieg (Deutschland, Luxemburg).
4. Das Vereinigte Königreich und Irland, wo die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weniger durch staatliche Aktivitäten gefördert als vielmehr dem Tarif-und Unternehmensbereich und der Privatinitiative überlassen wird. Charakteristika sind eine von der Dauer des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses abhängige Ausgestaltung des Mutterschaftsurlaubs, ein nur in einigen Tarifvereinbarungen geregelter Eltern-urlaub; Kinderbetreuungseinrichtungen, die vor allem sozial gefährdeten Kindern Vorbehalten sind, sowie geringe Freistellungsmöglichkeiten. 5. Portugal, Spanien, Italien und Griechenland, wo die Vereinbarkeit von Familie und Beruferst in letzter Zeit zu einem familienpolitischen Ziel geworden ist und entsprechende Maßnahmen erst im Aufbau sind. Charakteristika sind ein zwar möglicher, aber zumeist unbezahlter Elternurlaub, mit Ausnahme von Norditalien wenige und hauptsächlich auf halbe Tage begrenzte Betreuungsmöglichkeiten, lange Arbeitszeiten bei zum Teil vorhandenen Freistellungsmöglichkeiten und ein sehr geringes Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen.
2. Zusammenfassende Bewertung und Schlußfolgerungen
Als Fazit ergibt sich: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird von den Regierungen der einzelnen EG-Länder nach verschiedenen Mustern zu lösen versucht. Welche Entscheidung in der Familie im Hinblick auf die zeitliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf getroffen wird, hat sowohl mit den jeweiligen individuellen und familiären Wünschen und Bedürfnissen als auch -und nicht unwesentlich -mit den familienpolitischen Angeboten und sonstigen Rahmenbedingungen zu tun.
Insgesamt konnten Angebotslücken grundsätzlicher Natur bezüglich der Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den südlichen Ländern der EG, etwas anders gelagert auch im Vereinigten Königreich und Irland festgestellt werden. Eltern, die aus ökonomischer Notwendigkeit oder persönlicher Berufsorientierung in diesen Mitgliedsländern der EG einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder aus familiären Gründen für eine Zeit aus dem Beruf ausscheiden wollen, müssen hier vielfach auf individuelle Lösungsstrategien oder verwandtschaftliche Hilfestellungen zurückgreifen. Es erscheint daher angebracht, die Familienpolitik in diesen Staaten auf einen weiteren Ausbau gesetzlicher Regelungen bei den verschiedenen Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auszurichten.
In den Ländern Dänemark, Frankreich, Belgien, Deutschland, Niederlande und Luxemburg kann hingegen von Angebotslücken spezifischer Natur ausgegangen werden. Soll das Ziel einer freien Entscheidung für ein praktikables zeitliches Nebeneinander und ebenso für ein praktikables zeitliches Nacheinander von Familie und Beruf in diesen Ländern in Realität umgewandelt werden, dann müßten dort überall spezifische Angebote in die eine wie in die andere Richtung bereitgestellt werden. Die dafür notwendigen Maßnahmen lassen sich in fünf gleichberechtigten Kernforderungen zusammenfassen: 1. Anrechnung von Erziehungszeiten in der Altersversorgung, die die gesellschaftliche Aufwertung der innerfamiliären Erziehungsleistung fördert und einen angemessenen Rentenanspruch sichert. 2. Bereitstellung von Wiedereingliederungshilfen nach einer längeren Familienphase, die die Arbeitsmarktchancen der Betroffenen spürbar verbessern. 3. Elternurlaub mit Arbeitsplatzgarantie, der durch die Höhe des für die gesamte Dauer bereitzustellenden Erziehungsgeldes die Entscheidung für oder gegen dessen Inanspruchnahme von ökonomischen Zwängen befreit und dadurch auch genügend Anreiz zum Einbezug der Väter in die Familienarbeit bietet. 4
Ein dem quantitativen Bedarf und den kindlichen Bedürfnissen entsprechendes Angebot an Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersklassen, das hinsichtlich der Öffnungszeiten auch den Eltern genügend Spielraum läßt. 5. Veränderungen der Arbeitszeiten und Arbeitsorganisation mit den Schwerpunkten Verkürzung der Wochenarbeitszeit und Ausbau des Angebots insbesondere qualifizierter Teilzeitarbeitsplätze bei gleichzeitigem Abbau der beruflichen Benachteiligung bei Teilzeitarbeit.
Eine Europäische Union, die nach wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt und nach Gleich-behandlung aller in der Gemeinschaft lebenden Familien und Bürger -Frauen und Männer, Kinder und Erwachsene -strebt, kommt nicht umhin, sich diesen Herausforderungen zu stellen.
Marlene Lohkamp-Himmighofen, Diplom-Geographin, Dr. agr., geh. 1953; 1980-1987 u. a. wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wirtschaftssoziologie der Universität Bonn und in verschiedenen Bundesforschungseinrichtungen; seit 1987 freiberufliche Wissenschaftlerin, Forschungsschwerpunkte: Arbeitsmarkt-und Familienpolitik. Veröffentlichungen u. a.: Möglichkeiten zur Realisierung einer kontinuierlichen Sozialberichterstattung im Agrarbereich, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Reihe A: Angewandte Wissenschaft, H. 312, Münster-Hiltrup 1985; Erwerbschancen und Arbeitsbedingungen der ländlichen Bevölkerung, Schriftenreihe der Forschungsgesellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie e. V., Bd. 288, Bonn 1990; (zus. mit Erika Neubauer und Christiane Dienel) Zwölf Wege der Familienpolitik in der Europäischen Gemeinschaft -Eigenständige Systeme und vergleichbare Qualitäten?, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie und Senioren, Bd. 22, Teil 1 und 2, Stuttgart -Berlin -Köln 1993.
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