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Die Gesetzgebung im Bundesstaat | APuZ 52-53/1993 | bpb.de

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Die Gesetzgebung im Bundesstaat

Hans-Werner Klotz

/ 12 Minuten zu lesen

menarbeit bei Rechtsakten nach Art. 235 EG-Vertrag beziehen und bereits angewendet werden sollten 16.

Nach der Ablehnung der Klage gegen die Maastrichter Verträge und dem Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union am November 1993 ist die vollständige Rechtsgeltung aller Vorschriften eingetreten. Die Karlsruher Entscheidung beruht in wesent

Nach der Ablehnung der Klage gegen die Maastrichter Verträge und dem Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union am 1. November 1993 ist die vollständige Rechtsgeltung aller Vorschriften eingetreten. Die Karlsruher Entscheidung beruht in wesentlichen Begründungen auf den von der Kommission empfohlenen und vom Bundesgesetzgeber beschlossenen Verfassungsänderungen Nun wird sich die Praktikabilität der Verfassungsänderungen und Ausführungsgesetze zu erweisen haben. Oberstes Ziel muß dabei die Entscheidungsfreiheit und Handlungsfähigkeit Deutschlands in den europäischen Organen sein. Es kann nicht im Sinne der Neuregelungen sein, daß die Länder auf europäischer Ebene an die Stelle des Bundes treten. Vielmehr geht es um eine enge Zusammenarbeit, um ein echtes „Kooperationsverhältnis“. Die Europäische Union, für die das Bundesverfassungsgericht den Begriff „Staatenverbund“ gebraucht hat, wird einen föderativen Aufbau haben. Den Ausführungsgesetzen wird die entscheidende Rolle zufallen, ob der Grundsatz des kooperativen Föderalismus sowie der gegenseitigen Bundes-und Organtreue im politischen Alltagsgeschäft zwischen Bund und Ländern verwirklicht wird.

i.

Die Gesetzgebung des Bundes ist im 7. Abschnitt des Grundgesetzes geregelt. Dabei sind zwei verschiedene Problemkreise zusammengefaßt; einerseits die Abgrenzung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern und andererseits das Verfahren für das Zustandekommen der Bundesgesetze. Der Abschnitt hat -vor allem im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen -eine zentrale Bedeutung für die Verteilung der Gewichte zwischen Bund und Ländern. Der Föderalismus kann seine (vertikal) gewaltenteilende Wirkung nur entfalten, wenn Bund und Länder gleichermaßen über substantielle Zuständigkeiten verfügen. Dabei ging das Grundgesetz ursprünglich nicht von einem Übergewicht des Bundes aus. In den letzten 40 Jahren hat sich das Schwergewicht jedoch deutlich zu Lasten der Länder verschoben 1. Diese Entwicklung wird auch zunehmend kritisiert 2.

Die Ministerpräsidenten der Länder haben daher im Vorfeld der Wiedervereinigung in ihrem Eckwertebeschluß vom 5. Juli 1990 eine Stärkung der Länder gefordert, und zwar durch -höhere Ausübungsschranken für den Bund bei der konkurrierenden Gesetzgebung;

-eine Neuabgrenzung der Kompetenzkataloge zwischen Bund und Ländern; -erweiterte Zustimmungsbefugnisse des Bundes-rates, insbesondere bei Bundesgesetzen mit finanziellen Auswirkungen für die Länder, und -längere Behandlungsfristen im Bundesrat.

Art. 5 des Einigungsvertrages hat auf diesen Eckwertebeschluß Bezug genommen.

Aus diesem Grunde hat sich die Gemeinsame Verfassungskommission (GVK des Einigungsvertrages hat auf diesen Eckwertebeschluß Bezug genommen.

Aus diesem Grunde hat sich die Gemeinsame Verfassungskommission (GVK) mit der Thematik intensiv befaßt. Ausgangspunkt waren dabei die Vorschläge der Kommission Verfassungsreform des Bundesrates 3. Bei den Beratungen der GVK zeigte sich von Anfang an, daß es hier nicht die üblichen Parteiengegensätze gab, sondern daß die Länder parteiübergreifend gemeinsam agierten, während andererseits alle Bundestagsabgeordneten im wesentlichen gleiche Interessen vertraten. Nach langen Diskussionen einigte man sich schließlich mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit darauf, eine Reihe von Grundgesetzänderungen zu empfehlen, die sowohl den Bereich der Gesetzgebungszuständigkeit als auch den des Gesetzgebungsverfahrens betreffen. Der politische Schwerpunkt der Vorschläge liegt allerdings im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen, der daher ausführlicher dargestellt werden soll.

II. Gesetzgebungskompetenzen

1. Allgemeines Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung kann der Bund Gesetze erlassen, wenn der betreffende Bereich in den Kompetenzkatalog der Art. 74, 74a oder 105 Abs. 2 GG fällt und darüber hinaus ein Bedürfnis für eine bundeseinheitliche Regelung im Sinn des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegt. Der Grund für das zunehmende Übergewicht des Bundes hegt zum einen darin, daß der Kompetenz-katalog -vor allem der des Art. 74 GG -im Lauf der Jahre immer mehr ausgeweitet wurde, und zum anderen darin, daß die Bedürfnisklausel des Art. 72 Abs. 2 GG sehr weit gefaßt ist und vom Bundesverfassungsgericht als eine Frage pflichtgemäßen Ermessens des Bundesgesetzgebers beurteilt wurde, die ihrer Natur nach nicht justitiabel ist 4.

Anliegen der Länder war es, sowohl den Kompetenzkatalog des Art. 74 GG zu verkleinern, als auch die Bedürfnisklausel des Art. 72 Abs. 2 GG zu präzisieren und enger zu fassen.

Vergleichbar mit der Lage bei der konkurrierenden Gesetzgebung ist die bei der Rahmengesetzgebung. Auch hier hat die Regelungsdichte des Bundes überhand genommen. Dies rührt vor allem daher, daß sich der Bund nicht auf Richtliniengesetze beschränkt, sondern immer mehr den Bürger unmittelbar bindendes Recht gesetzt hat. Diese Entwicklung wurde vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsrechtlich zulässig erachtet 5. 2. Die „Stammnormen" derArt. 72 und 75 GG a) Art. 72 GG Die Bedürfnisklausel des Art. 72 Abs. 2 GG war nach Meinung der Länder in doppelter Hinsicht zu beschränken: -Zunächst sollte der Regelungsumfang der Vorschrift eingeengt werden, da der geltende Art. 72 Abs. 2 GG vor allem durch die weite Fassung des Abs. 2 Nr. 3 GG einem Tätigwerden des Bundes nur geringe Schranken entgegengesetzt hat. Die GVK einigte sich nach langen Verhandlungen auf eine neue Formulierung des Art. 72 Abs. 2 GG: „Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. “

Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der konkurrierenden Bundesgesetzgebungskompetenz wurden damit auf zwei Alternativen reduziert, die Anlaß und Umfang der Regelung begrenzen („wenn und soweit“). Die erste bezieht sich auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet; die Ablösung des bisherigen Begriffs („einheitliche Lebensverhältnisse“) schien auch im Blick auf Maßnahmen zur Herstellung der inneren Einheit geboten. Die zweite Alternative beseitigt die vielfach als Tautologie empfundene Regelung des Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG, weil die Wahrung der Rechtseinheit nicht per se, sondern nur dann, wenn sie im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht, eine entsprechende Bundeskompetenz begründet. -Die unzureichende Justitiabilität der Bedürfnis-klausel durch das Bundesverfassungsgericht sollte nach dem Vorschlag der Kommission Verfassungsreform des Bundesrates dadurch ersetzt werden, daß die Feststellung eines Bedürfnisses gemäß Art. 72 Abs. 2 GG an die Zustimmung des Bundes-rates gebunden wird. Dieser Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit; man einigte sich vielmehr darauf, die Justitiabilität der Bedürfnisklausel durch die verfassungsrechtliche Verankerung einer neuen Verfahrensart vor dem Bundesverfassungsgericht zu verbessern. Es soll folgender Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG eingefügt werden: „bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes“.

Neben Bundesrat und Länderregierungen wird auch den Länderparlamenten, deren Befugnisse durch die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund besonders betroffen sind, insoweit erstmals ein Recht zur Anrufung des Bundesverfassungsgerichts eingeräumt. -Durch die Einschränkung des Art. 72 Abs. 2 GG soll dem Abfluß weiterer Landeskompetenzen an den Bund entgegengewirkt werden. Daneben wurde aber auch der Vorschlag gemacht, darüber hinaus eine Wiedereröffnung der Landeszuständigkeit im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz vorzusehen, wenn die Voraussetzungen der Bedürfnisklausel des Abs. 2 für bestimmte bundesgesetzliche Regelungen nicht mehr vorliegen. Die von der Länderseite zunächst vorgeschlagene Lösung, den Ländern eine eigenständige, von der Mitwirkung des Bundes unabhängige Ergänzungs-oder Ersetzungsbefugnis einzuräumen, wurde von der Bundesseite als zu weitgehend abgelehnt. Die GVK einigte sich schließlich auf eine deutlich abgeschwächte Form der Rückholklausel, die es aus Gründen der Rechtssicherheit und der Konfliktvermeidung dem Bund überläßt zu bestimmen, daß eine bundesgesetzliche Regelung durch Landesrecht ersetzt werden kann, wenn ein Bedürfnis im Sinn von Art. 72 Abs. 2 nicht mehr besteht. Dies soll durch einen neuen Art. 72 Abs. 3 GG geschehen: „Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinn von Abs. 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann. “ -Schließlich einigte man sich auch darauf, Art. 72 Abs. 1 GG zeitlich und inhaltlich leicht zu modifizieren. Zum einen sollte die Sperrwirkung nicht schon beim bloßen „Gebrauchmachen“ des Bundes im Sinn der Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens eintreten, sondern erst nach Abschluß der Bundesgesetzgebung, d. h., wenn der Bund „Gebrauch gemacht hat“. Zum anderen sollen die Länder in Zukunft das Recht zur eigenen Gesetzgebung noch haben, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Dies hat zur Folge, daß nur bei entsprechenden Anhaltspunkten in der bundesgesetzlichen Regelung der Schluß zulässig ist, der Bundesgesetzgeber habe abschließend von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. -Vor allem von Seiten der Landtagspräsidenten wurde die Anregung vorgebracht, die Länderparlamente in Form einer sogenannten Ratifikationslösung in das Verfassungsänderungsverfahren einzubeziehen, wenn Zuständigkeiten der Länder zur Gesetzgebung an den Bund übertragen werden. Ein entsprechender Vorschlag für einen neuen Art. 79 Abs. 2 a GG erhielt jedoch nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit, da er eine Annäherung an das bereits im parlamentarischen Rat abgelehnte Senatsmodell bedeutet hätte. b) Art. 75GG Die Art und Weise der Wahrnehmung der Rahmengesetzgebungskompetenz durch den Bund hat den Ländern oft keinen oder nur wenig Raum zur Ausfüllung mit Regelungen von substantiellem Gewicht gelassen. Der Bund hat vielfach ins einzelne gehende oder sogar erschöpfende Regelungen getroffen und sich dabei nicht auf eine Adressierung an den Landesgesetzgeber beschränkt, sondern unmittelbar bindendes Recht gesetzt (z. B. im Beamtenrechtsrahmengesetz). Daß hier eine gewisse Einschränkung geboten war, war in der GVK grundsätzlich nicht umstritten. Allerdings bestand auch Einigkeit, daß es nicht um die Abschaffung der Rahmenkompetenz, sondern nur um die schärfere Konkretisierung und nachhaltige Sicherung ihres Rahmencharakters, etwa in Anlehnung an die EG-Richtlinienkompetenz, gehen konnte.

Der weitreichende Vorschlag der Länderseite, dem Bund Detailvorschriften, Vollregelungen und die Setzung unmittelbar geltenden Rechts zu untersagen, konnte sich nicht durchsetzen. Man war sich aber einig, deutlich herauszustellen, daß sich solche Durchbrechungen des Rahmencharakters nur auf Ausnahmefälle beschränken dürften. Dies soll dadurch geschehen, daß Rahmenvorschriften grundsätzlich nur noch an die Gesetzgebung der Länder adressiert werden und nicht mehr unmittelbar den Bürger bindendes Recht setzen dürfen; nur in -der Justitiabilität unterliegenden -Ausnahmefällen sind Durchbrechungen zugelassen, die den Erlaß von Detailvorschriften und das Setzen unmittelbar geltenden Rechts betreffen.Aufgrund der Verschärfung des Rahmencharakters bedarf die Umsetzung der Rahmengesetzgebung in Zukunft wesentlich mehr als früher der Mitwirkung der Länder. Um dies zu verdeutlichen, soll nach Auffassung der GVK in die Verfassung eine Verpflichtung der Länder zum Erlaß entsprechender Vorschriften in einer im Gesetz festzulegenden Frist aufgenommen werden. Art. 75 GG soll nach der Empfehlung der GVK folgende Fassung erhalten: „Abs. 1 Der Bund hat das Recht, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen über Abs. 2 Rahmenvorschriften dürfen nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten.

Abs. 3 Erläßt der Bund Rahmenvorschriften, so sind die Länder verpflichtet, innerhalb einer durch das Gesetz bestimmten angemessenen Frist die erforderlichen Landesgesetze zu erlassen. “

3. Der Katalog der Art. 74 und 75 GG a) Art. 74 GG Nach den Vorschlägen der GVK sollen im Katalog des Art. 74 GG nur wenige Bereiche zugunsten der Länder gestrichen werden. Weiterhin sollen sogar noch zusätzliche Bereiche aufgenommen werden, in denen dem Bund zukünftig die Kompetenz zustehen soll: -Die Kompetenz zum Schutz deutschen Kultur-gutes gegen die Abwanderung in das Ausland soll von der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit in die Rahmenkompetenz des Bundes überführt werden (Streichung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 5 GG und Schaffung eines neuen Art. 75 Abs. lNr. 6GG). -Die Kompetenz des Bundes für die Regelung der Staatsangehörigkeit in den Ländern soll gestrichen werden. Damit werden in Zukunft allein die Länder zuständig sein (Streichung des Art. 74 Abs. lNr. 8GG). -Gemäß Art. 74 Abs. 2 Nr. 18 GG hat der Bund u. a. die konkurrierende Gesetzgebung für das Bodenrecht. Darunter fällt auch das Recht der Erschließungsbeiträge. Wegen der engen Verbindung dieser Materie zum kommunalen Abgaben-recht soll sich nach Meinung der GVK die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes künftig nicht mehr hierauf beziehen. Die Regelung soll in Zukunft dem Landesgesetzgeber überlassen bleiben. -Weitergehende Vorschläge zur Streichung von Bereichen aus dem Katalog des Art. 74 fanden keine Mehrheit. Besonders diskutiert wurde dabei der Vorschlag, das Versammlungsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG), bei dem es sich nach Auffassung der Länder der Sache nach um Polizeirecht handelt, in die Rahmengesetzgebung des Bundes zu überführen

Die GVK schlug weiterhin vor, dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz in zwei Bereichen neu zu übertragen: -Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Staatshaftungsgesetz fehlt es dem Bund an einer Kompetenz zur Regelung eines einheitlichen Staatshaftungsrechts. Dem seit langem geäußerten Wunsch, die Diskussion um eine bundeseinheitliche Staatshaltung durch die Schaffung einer eindeutigen Kompetenzgrundlage endlich zu beenden, wollte sich die GVK nicht verschließen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 neu GG). -Für den Beireich der Fortpflanzungsmedizin und der Gentechnologie besteht keine ausdrückliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Wegen der Bedeutung dieser Angelegenheit und des allseits anerkannten Bedürfnisses für eine bundeseinheitliche Regelung kam man überein, dem Bund die Kompetenz für „die künstliche Befruchtung beim Menschen, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen und Geweben“ zu übertragen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 neu GG). b) Art. 75 GG Im Bereich des Katalogs des Art. 75 GG kam die Gemeinsame Verfassungskommission überein, die Rahmenkompetenz des Bundes für die Materie „Film“ (Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 alt GG) zu streichen, da es sich hier im Grunde um eine kulturelle Angelegenheit handelt, für deren Regelung in erster Linie die Länder zuständig sind. Dagegen gab es keine Mehrheit für den Vorschlag, Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG insgesamt (also auch die Materie „Presse“) zu streichen und hierdurch die „Medienzuständigkeit“ der Länder zu vervollständigen.

Intensiv diskutiert wurde der Vorschlag der Länderseite, Art. 75 Abs. 1 Nr. la GG („Die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens“) zu streichen. Zwar wurde von der Bundesseite der Wunsch der Länder respektiert, ihren Gestaltungsspielraum im Bereich des Hochschulwesens wieder zu vergrößern, da dies im Grunde zum Kulturbereich und damit zum Kompetenzbereich der Länder gehört. Jedoch stand einer völligen Streichung das Interesse der Gewährleistung von Freizügigkeit und Mobilität im Zuge einer weiteren europäischen Integration entgegen. Man einigte sich schließlich darauf, den Bereich der „allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens“ zu präzisieren und auf die Bereiche „Zulassung zum Studium, Studiengänge, Prüfungen, Hochschulgrade sowie wissenschaftliches und künstlerisches Personal“ zu beschränken. Die Fragen der Hochschulstruktur werden damit in Zukunft allein der Regelung der Länder obliegen. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, daß es unter den Ländern wieder zu einem verstärkten Wettbewerb im Hochschulbereich kommt, was gerade im Hinblick auf die künftigen Herausforderungen Deutschlands zu positiven Ergebnissen führen dürfte.

III. Gesetzgebungsverfahren

Im Gesetzgebungsverfahren sieht das Grundgesetz beim Zusammenwirken von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung des öfteren Fristen zur Äußerung, Stellungnahme oder Weiterleitung vor. Diese Fristen sollen nach Auffassung der GVK in einigen Fällen verändert werden: -Die Beratungsfrist des Bundesrates zu Regierungsvorlagen (Art. 76 Abs. 2 GG) soll, auf Verlangen des Bundesrates, von sechs auf neun Wochen verlängert werden. Bezeichnet die Bundesregierung eine Vorlage als besonders eilbedürftig, so beträgt die Frist in diesem Falle sechs Wochen. -Gemäß Art. 76 Abs. 3 GG hat die Bundesregierung Vorlagen des Bundesrates dem Bundestag innerhalb von drei Monaten zuzuleiten. Die GVK war der Auffassung, daß diese Vorlagefrist mit der dem Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zustehenden Frist des Art. 76 Äbs. 2 GG harmonisiert werden sollte. Dies bedeutet, daß die Bundesregierung die Vorlagen des Bundesrates innerhalb von sechs Wochen dem Bundestag zuzuleiten hat, mit der Möglichkeit, eine Fristverlängerung auf neun Wochen zu verlangen. -Durch die Einfügung eines neuen Art. 76 Abs. 3 Satz 6 GG soll die Verpflichtung des Bundestages begründet werden, in angemessener Frist über Vorlagen des Bundesrates zu entscheiden. Zwar gibt das Gesetzesinitiativrecht dem Bundesrat schon nach geltender Verfassungsrechtslage ein Recht auf eine Beschlußfassung des Bundestages binnen angemessener Zeit durch eine ausdrückliche Normierung soll diese Pflicht aber noch verdeutlicht werden. -Wenn der Bundestag ausdrücklich von Verfassungs wegen verpflichtet werden soll, in angemessener Frist über die Gesetzesvorlagen des Bundes-rates Beschluß zu fassen, so soll aus Gründen der „Waffengleichheit“ der Bundesrat umgekehrt dazu verpflichtet werden, sich bei Zustimmungsgesetzen in angemessener Zeit zum Gesetzesbeschluß des Bundestages zu erklären. Die GVK hat daher einen entsprechenden Art. 77 Abs. 2a GG vorgeschlagen. -Keine Mehrheit fand der Vorschlag, die Fristen für die Anrufung des Vermittlungsausschusses bzw. die Einlegung eines Widerspruchs, die derzeit drei bzw. zwei Wochen betragen, zu verdoppeln.

Art. 80 GG befaßt sich mit dem Erlaß von Rechtsverordnungen. Die GVK hat beschlossen, zu diesem Komplex zwei Ergänzungen vorzunehmen: -In einem neuen Art. 80 Abs. 3 GG soll festgelegt werden, daß dem Bundesrat ein Initiativrecht für zustimmungsbedürftige Rechtsverordnungen zustehen soll. -Daneben soll in einem neuen Art. 80 Abs. 4 GG bestimmt werden, daß in den Fällen, in denen die Landesregierungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt sind, auch die Länder zu einer Regelung durch Gesetz befugt sind. Damit sollen die Handlungsmöglichkeiten der Länderparlamente gestärkt werden. Über die mit Zweidrittelmehrheit angenommenen Vorschläge hinaus wurde noch eine Reihe weiterer

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Josef Isensee/Paul Kirchhoff, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, Heidelberg 1990, S. 630ff.

  2. Hier deuten sich Differenzen über die Auslegung von Art. 235 EG-Vertrag zwischen der Bundesregierung und einigen Bundesländern an.

  3. Urteil vom 12. Oktober 1993, 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92, S. 26, 36, 41.

  4. Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 4, 115, 128f.

  5. Diskutiert wurden daneben noch Vorschläge zur Änderung von Art. 74 Nr. 1 GG („Das Notariat“), Art. 74 Nr. 13 GG (Ersetzung der Worte „Förderung der wissenschaftlichen Forschung“ durch die Worte „Förderung überregionaler Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung“), Art. 74 Nr. 18 GG („Grundstücksverkehr“, „Bodenrecht“ und „Wohnungswesen“), Art. 74 Nr. 19 a GG („Die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser“ und „Die Regelung der Krankenhauspflegesätze“) und Art. 74 Nr. 24 GG („Abfallbeseitigung“, „Luftreinhaltung“ und „Lärmbekämpfung“).

  6. Vgl. BVerfGE 61, 149.

  7. Vgl. BVerfGE 1, 144.

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Hans-Werner Klotz, geb. 1949; Ministerialdirigent; Leiter der Rechtsabteilung der Bayerischen Staats-kanzlei.