I. Anlaß der Beratungen
Das erste Thema, mit dem sich die Gemeinsame Verfassungskommission befaßte, war der Fragenkomplex „Grundgesetz und Europa“. Den Grund dafür bildeten das für den
Zur Einführung eines kommunalen Wahlrechts für EG-Bürger (Artikel 28 Abs. 1 Satz 4 GG) und einer Europäischen Zentralbank (Artikel 88 GG) sowie als Folgeänderungen zu Artikel 23 GG (Artikel 45, 50, 52 Abs. 3a, 115e Abs.
Da die Mehrzahl der von der Verfassungskommission empfohlenen Änderungen des Grundgesetzes tatbestandlich an die Existenz der Europäischen Union gebunden ist, hat der „Sonderausschuß Europäische Union“ deren Anwendbarkeit mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Entstehens der Union verknüpft. Dies ist nach der Abweisung der Maastricht-Klage durch das Bundesverfassungsgericht
II. Neuregelung des Art. 23 GG
1. Staatszielbestimmung und Struktursicherungsklausel: Art. 23 Abs. 1 Satz 1
Der erste Absatz enthält die Staatszielbestimmung eines vereinten Europas, zu dessen Verwirklichung die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mitwirkt, und ist damit Ausdruck der Integrationsoffenheit des Gesamtstaates. Die Vorschrift eröffnet den bereits durch die Präambel gewiesenen Weg zur politischen Einigung Europas und sichert jeden Schritt der Bundesrepublik Deutschland auf diesem Weg verfassungsrechtlich ab. Damit trägt sie dem qualitativen Sprung Rechnung, den die Europäische Union durch den Vertrag von Maastricht getan hat. Die Bundesrepublik Deutschland wird nicht nur ermächtigt, an der Entwicklung der Europäischen Union mitzuwirken und ihr hierzu weitere Hoheitsrechte zu übertragen. Die Verwirklichung des vereinten Europas erhält darüber hinaus den Rang eines Staatsziels, auf das hinzuwirken der Bundesstaat in seiner Gesamtheit -also Bund und Länder -verpflichtet ist.
Damit verbunden ist eine Struktursicherungsklausel, nach der die europäische Integrationsgemeinschaft demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen sowie dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet sein und einen dem Grundgesetz vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleisten muß. Durch diese Klausel werden alle Verfassungsorgane -namentlich Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung -darauf verpflichtet, sich für die Verwirklichung dieser Strukturmerkmale in der Europäischen Union einzusetzen; fortschreitende Integration erfordert entsprechende Fortschritte bei der Umsetzung der in der Strukturklausel enthaltenen Prinzipien
Die in der Struktursicherungsklausel hervorgehobenen Merkmale entsprechen im wesentlichen den in Artikel 79 Abs. 3 GG besonders geschützten grundlegenden Strukturprinzipien. Sie umfaßt als weiteren tragenden Grundsatz das Subsidiaritätsprinzip, dem in dem insoweit ergänzten EG-Vertrag (Artikel 3b) eine tragende Bedeutung zugewiesen worden ist. 2. Rahmenbedingungen für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union: Art. 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GG
Absatz 1 Satz 2 stellt klar, daß künftig jedwede Übertragung von Hoheitsrechten auf die europäische Ebene der Zustimmung des Bundesrates bedarf, und zwar unabhängig davon, ob es um die Übertragung von Hoheitsrechten des Bundes oder der Länder geht. Maßgebend für diesen Regelungsvorschlag war die Erwägung, daß sich weitere Übertragungen von Hoheitsrechten angesichts des erreichten hohen Integrationsniveaus unmittelbar auf die innerstaatlichen Verfassungsstrukturen und damit auch auf die Stellung der Länder im Bundesstaat auswirken. Die Europäische Union kann nicht mehr als „zwischenstaatliche Einrichtung“ i. S.des Art. 24 Abs. 1 GG verstanden werden, da sie einen inhaltlichen Qualitätssprung der europäischen Einigung eingeleitet hat, der eine besondere grundgesetzliche Ermächtigung erfordert.
Die Kommission hat sich darauf verständigt, die Anwendung von Artikel 79 Absätze 2 und 3 GG sowohl für die Begründung der Europäischen Union als auch für alle Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen vorzusehen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen und Ergänzungen ermöglicht werden. Mit dieser Formulierung wird einerseits klargestellt, daß das in Artikel 79 Abs. 1 GG enthaltene Zitiergebot für Änderungen des Grundgesetzes im Zusammenhang mit Hoheitsrechtsübertragungen auf die europäische Ebene keine Anwendung findet; dies mit Rücksicht auf die damit verbundenen erheblichen rechtstechnischen Probleme. Andererseits erfaßt der Verweis auf Artikel 79 Absätze 2 und 3 GG alle Hoheitsrechtsübertragungen, und zwar unab-hängig davon, ob sie sich auf „wesentliche Strukturen“ des Grundgesetzes auswirken oder nicht, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts letztlich jede Hoheitsrechtsübertragung eine materielle Änderung mit sich bringt, indem sie zumindest in die verfassungsrechtlich festgelegte Zuständigkeitsordnung eingreift
Im Ergebnis bewirkt der Regelungsvorschlag zu den Sätzen 2 und 3 damit, daß die mit der Ratifizierung des Unions-Vertrages verbundenen und alle weiteren „europäischen“ Hoheitsrechtsübertragungen der verfassungsändernden Mehrheiten des Artikels 79 Abs. 2 GG bedürfen und den in Artikel 79 Abs. 3 GG genannten, vor Verfassungsänderungen festen Kern des Grundgesetzes nicht tangieren dürfen
Dabei lehnte man sich inhaltlich und begrifflich eng an die für den Bundesrat gefundene Lösung an. Das äußerte sich zunächst darin, daß der Bundestag -wie der Bundesrat -Gelegenheit zur Stellungnahme erhält, und zum anderen auch darin, daß die Bundesregierung verpflichtet wird, diese Stellungnahme „zu berücksichtigen“. Die Bundesregierung hat folglich die Argumente des Bundestages -wie die des Bundesrates -zur Kenntnis zu nehmen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und sie in ihre Entscheidung einzubeziehen; sie ist jedoch nicht an sie gebunden. Damit ist den Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat grundsätzlich die gleiche Bedeutung zuzumessen
Allerdings läßt der Willensbildungsmechanismus innerhalb der Europäischen Union eine bruchlose Projektion der innerstaatlichen Kompetenzordnung auf die Willensbildung in Angelegenheiten der Europäischen Union nicht zu. Dem trägt Absatz 5 Rechnung, indem er ein System differenzierter Beteiligungsformen vorsieht. Dabei werden die Anwendungsgebiete der unterschiedlichen Mitwirkungsrechte der Länder unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen durch das Grundgesetz umschrieben. b) Die erste, in Absatz 5 Satz 1 definierte (schwächere) Mitwirkungsstufe des Bundesrates, in der die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates (lediglich) „berücksichtigt“, umfaßt zum einen den Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundes, sofern Interessen der Länder berührt sind. In diesen Bereich fallen alle Zuständigkeiten des Bundes, für die das Grundgesetz -auch unter Berücksichtigung der Artikel 30 und 70 GG -keine Kompetenztitel der Länder enthält. Das in Absatz 2 verankerte generelle Mitwirkungsrecht des Bundesrates an allen Angelegenheiten der Europäischen Union wird davon nicht berührt. Zum anderen erfaßt die erste Mitwirkungsstufe des Bundesrates den Bereich, für den der Bund „im übrigen... das Recht zur Gesetzgebung hat“. Dies bedeutet, daß die Bundesregierung in beiden Fällen dem Bundesrat rechtzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme in angemessener Frist gibt, eine Bindung der Bundesregierung an diese Stellungnahme des Bundesrates jedoch nicht besteht. Mit der Formulierung „berücksichtigen“ ist gemeint, daß die Bundesregierung die Argumente des Bundesrates zur Kenntnis zu nehmen, in ihre Entscheidung einzubeziehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen hat
Der Inhalt der gesteigerten Mitwirkungsform nach Satz 2 besteht darin, daß die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrates „maßgeblich zu berücksichtigen“ hat. Mit diesem Passus ist gemeint, daß sich die Ländermeinung im Streitfall durchsetzt, d. h. für die Haltung des Bundes letztlich bestimmend ist -vom Sonderfall des Satzes 3 beiAusgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen abgesehen
Die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes -insbesondere in außen-, verteidigungs-und integrationspolitisch zu bewertenden Fragen -ist auch in dem Bereich, -der dem gesteigerten Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, zu wahren. Dies geschieht durch den Bundesrat, der als Bundesverfassungsorgan originärer Mitträger der gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes ist. Dies entspricht der gemeinsamen Verpflichtung von Bund und Ländern im Bundesstaat auf das Wohl des Gesamtstaates und korrespondiert mit ihrer gemeinsamen Unterordnung unter die Staatszielbestimmung in Absatz 1. Für den Fall, daß die Bundesregierung die Bewertung des Bundesrates darüber nicht teilt, sieht das Ausführungsgesetz in Absatz 7 einen Konfliktlösungsmechanismus vor
Die Ausübung der Rechte durch den Vetreter der Länder erfolgt nach Absatz 6 Satz 2 unter Beteiligung von und in Abstimmung mit der Bundesregierung bzw. ihrem Vertreter. Die „Abstimmung“ bezieht sich auch auf das Vorgehen bei den Verhandlungen; sie bedeutet weniger als Einvernehmen und mehr als Benehmen. Hinsichtlich der sich ändernden Verhandlungslage erfolgt die laufende Meinungsbildung nach den für die interne Willensbildung (Absatz 5) geltenden Regeln und Kriterien. Inhaltlich bleibt aber sowohl für Bundes-als auch für Ländervertreter das Ergebnis der nach Absatz 5 herbeigeführten Willensbildung maßgebend. Die in Absatz 6 Satz 2, 2. Halbsatz vorgesehene Wahrung der „gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes“ erfolgt im Rahmen seiner jeweiligen Wahrnehmungsbefugnis durch den Vertreter der Bundesregierung oder den Ländervertreter in eigener Verantwortung. 7. „Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union“ als Ausführungsgesetz nach Art. 23 Abs. 7 GG Die näheren Details zu den Absätzen 4 bis 6 des Artikel 23 sind durch ein zustimmungsbedürftiges Ausführungsgesetz zu regeln. Die Verfassungskommission einigte sich bereits auf dessen wesentliche Eckpunkte. Dazu zählt auch die Verpflichtung der Bundesregierung, auf Verlangen des Bundesrates vor dem Europäischen Gerichtshof Klage zu erheben, soweit die Länder in ihren Gesetzgebungsbefugnissen betroffen sind; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren.
Ferner wird in das Ausführungsgesetz eine Regelung aufgenommen, daß die Länder unmittelbar zu Einrichtungen der Europäischen Union ständige Verbindungen unterhalten können, soweit dies der Erfüllung ihrer staatlichen Befugnisse und Aufgaben nach dem Grundgesetz dient. Die Länder-büros erhalten keinen diplomatischen Status. Stel- lung und Aufgaben der Ständigen Vertretung in Brüssel als offizielle Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Europäischen Gemeinschaften gelten uneingeschränkt auch in den Fällen, in denen die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, auf einen Vertreter der Länder zu übertragen ist.
III. Kommunalwahlrecht für EG-Bürger, Europäische Zentralbank und Folgeänderungen zu Art. 23 GG
1. Kommunales Wahlrecht für EG-Bürger gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 4 GG Nach Artikel 8b Abs. 1 des EG-Vertrages in der Fassung des Unions-Vertrages (Artikel G Nr. 9) hat jeder Unions-Bürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen. Für die Wahrnehmung des Wahlrechts durch Unions-Bürger gelten dieselben Bedingungen wie für die Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaates. Die Ratifizierung dieser Vertragsbestimmung erforderte eine Änderung des Grundgesetzes, da Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 GG der geltenden Fassung die Teilnahme an den Wahlen in den Kreisen und Gemeinden auf Deutsche im Sinne des Artikel 116 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 83, 37, 50 ff.) beschränkt.
Die Gemeinsame Verfassungskommission verständigte sich darauf, durch die zitierte Ergänzung von Artikel 28 Abs. 1 GG die Voraussetzungen für die Teilnahme von Unions-Bürgern an Kommunalwahlen und damit für die Ratifizierung des Unions-Vertrages zu schaffen. Die darüber hinausgehenden Anträge zur Einführung eines allgemeinen Kommunalwahlrechts für Ausländer erhielten nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. 2. Ermächtigung zur Einrichtung einer Europäischen Zentralbank nach Art. 88 Satz 2 GG Die Europäische Union ist eine Wirtschafts-und Währungsunion, wie sich aus Artikel G Nrn. 7 und 25 des Unions-Vertrages ergibt. Die dort vorgenommenen Ergänzungen des EG-Vertrages zur Wirtschafts-und Währungspolitik sehen u. a. die Errichtung eines Europäischen Systems der Zentralbanken sowie einer Europäischen Zentralbank vor. Dadurch wird sich die Stellung der nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten in entscheidendem Maße verändern: Nicht mehr sie betreiben Geldpolitik in den Mitgliedstaaten der Währungsunion, sondern das Europäische System der Zentralbanken, dessen Aufgabe es ist, die Geldpolitik in der Wirtschafts-und Währungsunion festzulegen und durchzuführen.
Die Europäische Zentralbank nimmt erst mit dem Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts-und Währungsunion ihre Befugnisse in vollem Umfang wahr (Artikel 109 1 Abs. 1 EG-Vertrag). Gleichwohl wird die im Hinblick auf das Vertragsgesetz zum Unions-Vertrag entscheidende Übertragung von Hoheitsrechten bereits mit Inkrafttreten des Unions-Vertrages vollzogen. Demnach muß der Übertragungsgesetzgeber bereits jetzt die grundgesetzliche Ermächtigung erhalten, auf dem Wege des Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 GG (neu) die währungs-und notenpolitischen Rechte auf die Europäische Union zu übertragen. Die Ergänzung von Artikel 88 GG trägt dem Rechnung. 3. Europa-Ausschuß des Bundestages in Art. 45 GG Um seine Informations-und Mitwirkungsrechte institutionell abzusichern, bestellt der Bundestag einen „Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union“. Dieser erhält ebenso wie der Auswärtige Ausschuß, der Verteidigungsausschuß und der Petitionsausschuß Verfassungsrang. Die Kommission wählte im Grundgesetz als Standort für den Unionsausschuß den freien Art. 45 GG, um auf diese Weise die besondere Bedeutung des Ausschusses für den weiteren europäischen Integrationsprozeß kenntlich zu machen.
Satz 2 bestimmt, daß der Bundestag den Unionsausschuß -widerruflich -ermächtigen kann, seine Rechte nach Artikel 23 GG gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen. Dem Bundestag wird folglich die Möglichkeit zur Delegation seiner Informations-und Mitwirkungsrechte eröffnet
Im Hinblick auf die Beteiligungsrechte des Bundesrates nach Artikel 23 GG war die Aufgabe des Bundesrates in Artikel 50 GG ausdrücklich zu erweitern: Durch ihn wirken die Länder nicht länger nur an der Gesetzgebung und der Verwaltung des Bundes mit, sondern auch in Angelegenheiten der Europäischen Union. Darüber hinaus wurde der Bundesrat in Artikel 52 Absatz 3 a GG ermächtigt, eine Europakammer zu bilden, „deren Beschlüsse als Beschlüsse des Bundes-rates gelten“. Diesen Beschlüssen, insbesondere den Stellungnahmen nach Artikel 23 GG, kann aber nur dann die gleiche Qualität wie solchen des Plenums zukommen, wenn sie nach denselben Regeln gefaßt werden. Der Verweis auf Artikel 51 Abs. 2 und 3 Satz 2 GG stellt sicher, daß die Stimmen der Länder in der Kammer in der gleichen Weise gewichtet werden wie im Bundesrat selbst. 5. Eigene Staatlichkeit der Länder bei der Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 Abs. la GG Mit dieser Ergänzung soll den Ländern die Möglichkeit eröffnet werden, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche . Einrichtungen zu übertragen. Nach überwiegender Auffassung war ihnen dies bisher verwehrt. Die Erfahrungen mit Projekten grenzüberschreitender Kooperation haben jedoch erkennen lassen, daß ein praktisches Bedürfnis für die Schaffung dauerhafter und fachübergreifender Verwaltungsstrukturen über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg besteht. Durch solche Einrichtungen, die im regionalen, grenznachbarschaftlichen Wirkungskreis zur Hoheitsrechtsausübung befugt sein sollen, kann beispielsweise die Zusammenarbeit benachbarter europäischer Regionen auf dem Gebiet des Schul-und Hoch-schulwesens oder im Bereich des Polizeirechts verbessert werden. In allen Fällen handelt es sich um regional begrenzte Einrichtungen unterhalb oder außerhalb der Ebene der Europäischen Union. Um dabei die gesamtstaatlichen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu wahren, ist eine solche Hoheitsrechtsübertragung an die Zustimmung der Bundesregierung gebunden.
IV. Inkrafttreten der Verfassungsänderungen und weitere Entwicklung
Die Änderungen des Grundgesetzes sind am 25. Dezember 1992 in Kraft getreten (BGB 1. I 1992, S. 2086). Da der Vertrag von Maastricht über die Europäische Union nicht -wie geplant -zum 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist, wurde im „Sonderausschuß Europäische Union“ eine Vereinbarung über die Anwendbarkeit der Verfassungsänderungen getroffen. Der Ausschuß hat festgestellt, daß die Grundgesetzänderungen, die tatbestandlich an die Existenz der Europäischen Union gebunden sind, auch erst dann anwendbar sind, wenn diese Europäische Union entstanden ist. Bis zum Zeitpunkt der Existenz der Europäischen Union änderte sich mithin an dem alten grundgesetzlichen Rahmen (mit Ausnahme von Artikel 23 Abs. 1 und Artikel 24 Abs. la GG) für die Beteiligung der gesetzgebenden Körperschaften in Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaft nichts.
Die Ausführungsgesetze (oben II. 3. und II. 7.) sind nach Behandlung im Vermittlungsausschuß am 19. März 1993 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 1993, S. 311f. u. 313f.) verkündet worden. Sie sollten aber erst am Tage der Gründung der Europäischen Union in Kraft treten. Eine Ausnahme betraf § 5 Abs. 3 und § 7 der jeweiligen Ausführungsgesetze, die sich auf die Zusam