A grundlagen mitzuwirken haben („... durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung geschützt. Sie bekräftigt zum anderen die in Art. 20 Abs. 3 GG ohnehin enthaltene Aussage, daß die zweite und dritte Gewalt an Recht und Gesetz gebunden, also insoweit insbesondere gegenüber formellen Gesetzen und gegenüber anderen Rechtsnormen nachgeordnet sind. Das steht der Berücksichtigung des Staatsziels beispielsweise bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen und der Ausübung des Ermessens nicht entgegen, erfordert sie vielmehr. -Mit der Anknüpfung des Vorschlags an die Umschreibung des Gewaltenteilungsprinzips und die differenzierte Rechtsbindung der drei Gewalten in Art. 20 Abs. 3 GG wird das verfassungspolitische Signal gesetzt, daß die neue Staatszielbestimmung sich in die bestehenden Grundstrukturen des Grundgesetzes einfügt.
VII. Weitere Vorschläge im Zusammenhang mit dem Umweltschutz
Im Rahmen der Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission ist noch die Frage aufgeworfen worden, ob nicht die ökologische Inpflichtnahme des Staates um eine ökologische Inpflichtnahme des einzelnen ergänzt werden müsse. So hat das Land Bremen vorgeschlagen, den Katalog der in Art. 2 Abs. 1 GG erwähnten Grundrechtsschranken um eine ökologische Grundrechtsschranke zu erweitern. Die menschliche Entfaltungsfreiheit solle künftig ihre Grenzen auch dort finden, wo sie die natürlichen Lebensgrundlagen beschädige. „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die natürlichen Lebensgrundlagen beschädigt, die Rechte anderer verletzt und gegen die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz verstößt.“
Des weiteren ist der Vorschlag in die Diskussion gebracht worden, in Art. 14 GG zu den sozialen Schranken auch eine ökologische Schranke hinzuzufügen: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen, das den Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens umfaßt. “
Beide Vorschläge erwiesen sich schon unter den Berichterstattern als nicht mehrheitsfähig. Sie sind denn auch nicht mehr zu offiziellen Anträgen erhoben worden.
I.
Gegenstand der Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission waren auch militärische Fragen im weitesten Sinne mit ihren verfassungsrechtlichen Auswirkungen. Mit diesen hat sich die Kommission unter dem Themenkomplex „Bundeswehreinsätze, Rüstung, Wehrdienst, Kriegsdienstverweigerung“ -ursprünglich „Staatliche Souveränität und militärische Verteidigung“ -befaßt. Die Kommissionsberatungen verliefen parallel zu einem hinsichtlich der Bundeswehreinsätze sachgleichen Gesetzgebungsverfahren. Diesem liegen Gesetzentwürfe der Fraktionen der CDU und der F. D. P. (BT-Drucksachen 12/4107 und 12/4135) der SPD (BT-Drucksachen 12/2895 und 12/4534), der Gruppe PDS/LL (BT-Druck27 Sache 12/3055) sowie ein Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drucksache 12/3014) zugrunde. Die ersten Beratungen dieser Vorlagen endeten mit deren Überweisung federführend an den Rechtsausschuß. Wann dieses Novellierungsverfahren abgeschlossen sein wird, kann -trotz der politischen Aktualität -nicht gesagt werden.
Die Aufnahme dieses Beratungsgegenstandes in die Agenda der Gemeinsamen Verfassungskommission war Ausdruck ihres Selbstverständnisses, auch bereits eingeleitete Verfahren der Grundgesetznovellierung inhaltlich zum Beratungsgegenstand mit dem Ziel eines Kommissionsvotums zu machen. Den Kommissionsberatungen lagen Anträge der Mitglieder der CDU/CSU (Kommissionsdrucksache Nr. 33), der SPD (Kommissionsdrucksachen Nrn. 8, 87, 90, und 91) sowie der Gruppe PDS/LL (Kommissionsdrucksache Nr. 64) zugrunde. Bei der Abstimmung am
Bei allen Kontroversen im einzelnen konnte sich die Gemeinsame Verfassungskommission einvernehmlich auf folgende außenpolitische und sicherheitspolitische Lageeinschätzung verständigen: „Die grundlegenden weltpolitischen Veränderungen der letzten Jahre stellen die Bundesrepublik Deutschland vor neue Herausforderungen. Die Beendigung des Ost-West-Konflikts hat einerseits zur Folge, daß die Weltlage insgesamt durch eine Phase wachsender Instabilität, vor allem durch sich verstärkende ethnische und religiöse Konflikte sowie ökonomische und soziale Auseinandersetzungen geprägt wird. Andererseits hat durch die globale Konfliktbeendigung im Ost-West-Verhältnis die Weltorganisation der Vereinten Nationen eine größere Bedeutung und Handlungsfähigkeit erreicht, so daß sie -entsprechend den Zielen ihrer Charta -den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wirksamer wahren kann. Die Vereinten Nationen können nunmehr ihre Kompetenz und Legitimation zur internationalen Konfliktregelung besser ausüben. Hierzu steht ihnen ein weitgefächertes Instrumentarium politischer Möglichkeiten, wirtschaftlicher Sanktionen und äußerstenfalls auch militärischer Maßnahmen zur Verfügung. Mit den militärischen Maßnahmen der Vereinten Nationen zur Friedenserhaltung und -auf der Grundlage der Kapitel VII und VIII der Charta -zur Friedensherstellung rücken auch mögliche Einsätze der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen in den Blickpunkt des nationalen und internationalen Interesses. Damit stellt sich die Frage, ob und inwieweit die jetzt in vollem Umfang souveräne Bundesrepublik Deutschland außenpolitisch und auch sicherheitspolitisch herausgefordert ist, ihren auch militärischen Beitrag zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu-leisten, zumal sie nunmehr gegenüber der Staatengemeinschaft in der Welt eine gewachsene politische Verantwortung hat.“
Die aus dieser einvernehmlichen Einschätzung resultierende Lösung der verfassungsrechtlichen Fragen für die Einsätze der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen stellte die Hauptkontroverse in der Gemeinsamen Verfassungskommission zu diesem Beratungsgegenstand dar. Der Streit geht im Kern darum, ob Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen sowie im Rahmen vertraglich vereinbarter Beistands-und Bündnisverpflichtungen zulässig sind, so daß es allenfalls einer „klarstellenden Ergänzung“ des Grundgesetzes bedarf, oder ob hierfür eine ausdrückliche Ermächtigung in der Verfassung -und damit eine entsprechende Ergänzung des Grundgesetzes notwendig ist. Diese Kontroverse hat 1992 und 1993 zu drei Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geführt -„Adria“, „AWACS“ und „Somalia“ -, das in zwei einstweiligen Anordnungen die jeweiligen Bundeswehreinsätze vorbehaltlich der Entscheidungen in der Hauptsache nicht als offensichtlich verfassungswidrig erachtet hat.
Dieser jahrelange Streit geht quer durch die politischen und auch wissenschaftlichen Lager. Die Staatsrechtslehre hält überwiegend eine Verfassungsergänzung aus rechtlichen Gründen nicht für erforderlich. Sie folgert dies zum einen aus dem 1973 erfolgten vorbehaltlosen Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Vereinten Nationen, der Mitgliedschaftspflichten in vollem Umfang begründet hat. Diese dürfen sich nicht nur auf finanzielle Leistungen beschränken, sondern fordern gegebenenfalls auch ein militärisches Engagement -soll die Effektivität der Vereinten Nationen als System der kollektiven Sicherheit gewahrt bleiben. Zudem hat die mit der Einigung Deutschlands erlangte volle Souveränität die deutsche Verantwortung für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung des Friedens in der Welt geschärft. Schließlich kann das Grundgesetz nicht in Art. 24 Abs. 2 GG den Beitritt zu den Vereinten Nationen als einem internationalen Friedenssicherungssystem mit vollen Mitgliedschaftspflichten ermöglichen und hinterher deren Erfüllung in einem wesentlichen Teil versagen.
Zum anderen wird darauf hingewiesen, daß den Vereinten Nationen nach den Intentionen ihrer Gründer und ihrer Charta zunächst die Aufgabe der Streitschlichtung und Friedenssicherung zufällt. Damit greift das den Staaten zugestandene Recht der individuellen und kollektiven Selbstverteidigung -gewissermaßen subsidiär -erst Platz, wenn die Friedenssicherung der Vereinten Nationen versagt. Da diese Friedenssicherung im Vorfeld der völkerrechtlich zulässigen Selbstverteidigung liegt, liegt sie auch im Vorfeld des staatsrechtlichen Verteidigungsbegriffs des Art. 87a Abs. 2 GG. Damit werden UN-Einsätze der Bundeswehr bei bestehender Verfassungslage als rechtlich zulässig angesehen.
Gabriele Burmester greift in ihrer Abhandlung auf das durch Friedenssicherung und internationale Zusammenarbeit geprägte Staatsbild des Grundgesetzgebers zurück: Dies bedeute insbesondere auch umfassende internationale Zusammenarbeit zur aktiven Sicherung des Friedens. Aus dieser materiellen Wertentscheidung in Verbindung mit der formellen verfassungsrechtlichen Grundnorm der Verhältnismäßigkeit folgert sie: „Zur Vermeidung des Eintritts oder der Erweiterung einer internationalen Verteidigungssituation als intensivsten Fall einer potentiellen Abwehrkooperation sind die vor-bzw. nachgelagerten gemeinschaftlichen Friedenssicherungsmaßnahmen als mildere Eingriffsfälle in der jeweils erforderlichen Abstufung durchzuführen. Diese unterschiedlichen Formen militärischer Zusammenarbeit der Streitkräfte erweisen sich insoweit als Teile eines einheitlichen kollektiven Defensivsystems, dessen äußerstes Ende die bewaffnete kollektive Selbstverteidigung im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG innerhalb eines militärischen Bündnisses bildet und dessen verhältnismäßig mildere Abwehrformen der vorbeugenden bzw. nachsorgenden Friedenssicherung lediglich logisch-teleologische Zwischenstufen einer verteidigungspolitischen Sinneinheit sind.“
Diese Verfassungsnorm, nach der die Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden dürfen, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt, ist andererseits die verfassungsrechtliche Hauptbasis jener, die aus politischen und rechtlichen Gründen eine verfassungsrechtliche Ermächtigung für UN-Einsätze der Bundeswehr für notwendig halten: Derartige Einsätze könnten weder unter den Begriff der Verteidigung des Art. 87a Abs. 2 GG subsumiert werden, noch lasse sie das Grundgesetz an anderer Stelle ausdrücklich zu. Im übrigen enthalte Art. 24 Abs. 2 GG keine Ermächtigung zum Einsatz der Streitkräfte außerhalb des Verteidigungsfalles und der Erfüllung vertraglich vereinbarter Beistands-und Bündnis-pflichten. Der Parlamentarische Rat habe seinerzeit bei der Schaffung dieser Vorschrift nicht an militärische Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte denken können. Auch die Wehrverfassung von 1956 und die NotstandsVerfassung von 1968, bei deren Beratungen eine mögliche Ergänzung von Art. 24 Abs. 2 GG denkbar gewesen wäre, hätten eine Änderung dieser Vorschrift nicht einmal in Erwägung gezogen. Deshalb bedürfe diese Verfassungslücke in Art. 24 und 87a GG einer normativen Ausfüllung.
II.
Vor diesem Hintergrund spielten sich die -gleichfalls kontroversen -Beratungen in der Gemeinsamen Verfassungskommission über die Auslands-einsätze der Bundeswehr ab. Der Antrag der Mitglieder der SPD „Einsatz der Bundeswehr out of area/Blauhelme" (Kommissionsdrucksache Nr. 8 = Gesetzentwurf BT-Drucksache 12/2895) sieht in einem neuen Absatz 3 für Art. 24 GG die Ermächtigung an den Bund vor, den Vereinten Nationen Angehörige der Streitkräfte „nurfürfriedenserhaltende Maßnahmen ohne Kampfauftrag (zu) unterstellen“ und den Vereinten Nationen oder betroffenen Staaten „auf Anforderung unbewaffnete Angehörige der Streitkräfte zur Bekämpfung von Umweltschäden, für humanitäre Hilfe-leistungen und Maßnahmen der Katastrophenhilfe“ zur Verfügung zu stellen. Die Modalitäten der UN-Unterstellung sind in einem neuen Absatz 2 Satz 2 für Art. 87a GG geregelt: Ersuchen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Vorliegen eines Beschlusses des Sicherheitsrates und Zustimmung der am Konflikt beteiligten Staaten. Die mit diesem Antrag beabsichtigte Begrenzung der Auslandseinsätze der Bundeswehr auf „Blauhelm-Einsätze“ hat zur Folge, daß sich hierzu nur Berufs-und Zeitsoldaten freiwillig melden können, die zudem „nur mit leichten Waffen zum Selbstschutz ausgerüstet sind“. Das Zustimmungserfordernis des Bundestages für die Entscheidung der Bundesregierung Zu derartigen Maßnahmen ist ausdrücklich vorgesehen.
Zur Begründung wurde ergänzend vorgetragen, die Beteiligung der Bundeswehr an „BlauhelmEinsätzen“ -einschließlich der Sicherung von humanitären Hilfsaktionen und Schutzzonen sowie der Überwachung von Embargo-und Blockade-maßnahmen -befähige die Vereinten Nationen zu militärischen Maßnahmen unter deutscher Beteiligung als Antwort auf massive Völkerrechts-und Menschenrechtsverletzungen. Die verfassungsrechtliche Ermächtigung zu dieser begrenzten Einsatz-Intensität friedenserhaltendef Maßnahmen, die auch die Selbstverteidigung in Kampfhandlungen umfasse, sei ausreichend, da die Vereinten Nationen zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit auch zukünftig selber keine Kampfeinsätze durchführen würden. Der Ausschluß der Wehrpflichtigen von Blauhelm-Einsätzen folge daraus, daß die Wehrpflicht nur zum militärischen Dienst für die Landesverteidigung legitimiere.
Der Antrag der Mitglieder der CDU/CSU „Art. 24 Abs. 2 a GG -neu“ (Kommissionsdrucksache Nr. 33 = Gesetzentwurf BT-Drucksache 12/4107, der von der Koalition eingebracht wurde) „zur klarstellenden Ergänzung des Grundgesetzes“ sieht in einem neuen Absatz 2a für Art. 24 GG den Einsatz der Streitkräfte des Bundes vor 1. bei friedenserhaltenden Maßnahmen gemäß Beschluß des Sicherheitsrates oder im Rahmen von regionalen Abmachungen im Sinne der Charta der Vereinten Nationen, 2. bei friedensherstellenden Maßnahmen aufgrund der Kapitel VII und VIII der Charta der Vereinten Nationen ebenfalls gemäß Beschluß des Sicherheitsrates und 3. zur kollektiven Selbstverteidigung gemeinsam mit anderen Staaten im Rahmen von Bündnissen und regionalen Abmachungen. In den ersten beiden Fällen sei die Zustimmung der Mehrheit, im dritten Fall die von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages notwendig.
Die Antragsteller betonen, ihrer Ansicht nach erfordere die derzeitige Verfassungsrechtslage keine Ergänzung für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Sie teilen damit die in der Wissenschaft überwiegend geäußerte Rechtsauffassung. Aus der Begründung ihres im Bundestag eingebrachten Gesetzentwurfs (BT-Drucksache 12/4135) ergibt sich das erkenntnisleitende Interesse für den „klarstellenden“ Hinweis: Angesichts der Tatsache, daß die Anforderungen der Vereinten Nationen auch militärische Einsätze der Bundeswehr einschließen können, möchte die Koalition gerade im Hinblick auf die Soldaten der Bundeswehr die verfassungsrechtlichen Grundlagen für etwaige Einsätze bei friedenserhaltenden und friedensherstellenden Maßnahmen sowie bei der Ausübung des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung außer Streit stellen.
Hinsichtlich der sich aus dem Beitritt zu den Vereinten Nationen ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtungen wiesen die Antragsteller auf die durch diesen und den Beitritt der ehemaligen DDR bedingte zwischenzeitliche deutsche „Doppelmitgliedschaft“ in der Weltorganisation und auf die durch alliierte Vorbehalte eingeschränkte deutsche Souveränität hin. Dies hätte zu einer Zurückhaltung aller Bundesregierungen geführt, die deutschen Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen auch militärisch zu erfüllen. Für die Antragsteller sind diese Gründe nunmehr mit der Einigung Deutschlands und der Erlangung der vollen nationalen Souveränität entfallen. Ihr Ziel ist es, die Bundesrepublik Deutschland verfassungsrechtlich in die Lage zu versetzen, alle völkerrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Erst dann werde sie dem Auftrag der Präambel des Grundgesetzes gerecht, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen. Deshalb dürfe sich die „klarstellende“ Grundgesetzergänzung nicht auf die verfassungsrechtliche Legitimation nur von „BlauhelmEinsätzen“ beschränken.
Das Mehrheitserfordernis der auch in diesem Antrag vorgesehenen parlamentarischen Zustimmung zu der Entscheidung der Bundesregierung orientiert sich an der Intensität der jeweiligen Bundeswehreinsätze: friedenserhaltende Maßnahmen („Blauhelm-Einsätze“) -absolute Mehrheit („Kanzlermehrheit“); friedensherstellende Maßnahmen („Kampfeinsätze“) -Zweidrittelmehrheit („Große Koalition“). Das Erfordernis der parlamentarischen Zustimmung werde der Bedeutung des Bundestages als Kontrollorgan im militärischen Bereich gerecht. In der Entwurfsbegründung (BT-Drucksache 12/4135) wird klargestellt, daß es keinen allgemeinen Parlamentsvorbehalt für den Streitkräfteeinsatz gibt und daß nicht jede militärische Aktion parlamentarischer Legitimation bedarf: Beim Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung gemäß Art. 87a Abs. 2 GG und im Bündnisfall im Rahmen des NATO-Vertrages ist entsprechend der geltenden Rechtslage eine Zustimmung zur Feststellung des Bündnisfalles und zum Einsatz deutscher Streitkräfte nicht erforderlich.
Die Unterschiede zwischen den Anträgen der SPD und der Koalition sind deutlich: Die SPD will die Auslandseinsätze der Bundeswehr auf friedenserhaltende Maßnahmen ohne Kampfauftrag beschränken, an denen sich zudem keine Wehrpflichtigen beteiligen dürfen. Der Antrag der Koalition kennt beide Beschränkungen nicht.
Nachdem die Gemeinsame Verfassungskommission keinen Kompromiß in dieser Frage hat erzielen können, bleibt abzuwarten, ob dies im eingeleiteten Gesetzgebungsverfahren im letzten Jahr dieser Wahlperiode gelingen wird.
III.
Ein weiteres Feld dieses Beratungsgegenstandes war die Parlamentarisierung der Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfe im Bündnisfall des Art. 80a Abs. 3 GG. In ihrem Antrag „Bünd-nisfall" (Kommissionsdrucksache Nr. 90) wollten die Kommissionsmitglieder der SPD die Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung im Rahmen vertraglich vereinbarter Beistandspflichten dem Bundestag zuordnen. Diese Entscheidung sollte auf Antrag der Bundesregierung erfolgen sowie der Zustimmung des Bundesrates und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages bedürfen.
Die Begründung ging von einer Parallelität parlamentarischer Kompetenzen bei der Feststellung des Verteidigungsfalles aus, die auf den Einsatz der Streitkräfte im Bündnisfall erstreckt werden sollten: Wenn schon für die Verteidigung des eigenen Territoriums qualifizierte parlamentarische Mehrheiten notwendig seien, müsse dies erst recht für militärische Einsätze im Bündnisfall -mithin außerhalb des eigenen Territoriums -gelten. Damit wäre der Bündnisfall nicht mehr wie bisher eine verfassungsfeste Prärogative der Bundesregierung gewesen.
Die Koalition hielt im Interesse der außenpolitischen Handlungsfähigkeit und militärischen Reaktionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Bündnispartnern die erstrebte Parlamentarisierung des Bündnisfalles weder aus rechtlichen Erwägungen für notwendig noch aus politischen Gründen für wünschenswert. Sie will die Vorrangstellung der Bundesregierung in der derzeitigen Rechtslage erhalten.
Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, daß der Antrag nicht die Zustimmung der Bundesregierung gemäß Art. 80 a Abs. 3 GG zu dem Beschluß des NATO-Rates oder des Verteidigungsausschusses der NATO über die Feststellung des Bündnisfalles formal an eine parlamentarische Billigung bindet. Diese gilt allein für die inhaltlichen Folgen: die Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr im Bündnisfall. In dieser sicherheitspolitisch wichtigen Frage soll die Bundesregierung parlamentarisch eingebunden werden.
Vor diesem Hintergrund sei daran erinnert, daß das parlamentarische Defizit bei der Feststellung des Bündnisfalles seinerzeit bei den Beratungen von Art. 80a Abs. 3 GG im Rahmen der Notstandsverfassung im 'Bundestag 1968 erkannt worden war. Dem Verfassungsgeber schien die Zustimmung der Bundesregierung zum Bündnis-fall der NATO ausreichend zur Wahrung nationaler Interessen: „Nach Auffassung der Mehrheit des Rechtsausschusses kann die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland, die durch Beschlüsse eines von den Bündnispartnern konstituierten internationalen Organs begründet werden, nicht noch zusätzlich von der Zustimmung des deutschen Parlaments abhängig gemacht werden. Eine derartige innerstaatliche Bindung der Bundesregierung könnte zu starken zeitlichen Verzögerungen führen und die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik beeinträchtigen.“
Die seit 1968 unverändert bestehende Rechtslage bedeutet nicht, daß sich die Entscheidungen und Maßnahmen des Bündnisfalles im parlaments-fernen Zweibund von Bundesregierung und NATO vollzögen. Dem Bundestag steht auch im Bündnisfall das gesamte Instrumentarium der parlamentarischen Kontrolle gegenüber der Bundesregierung zur Verfügung. Dies verstärkt sich um die Sonderbefugnis des Art. 80a Abs. 3 Satz 2 GG, wonach der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Aufhebung von Maßnahmen im Bündnisfall verlangen kann.
IV.
Ein weiterer Antrag der Kommissionsmitglieder der SPD „Friedensstaatlichkeit“ (Kommissionsdrucksache Nr. 87) sah für Art. 26 Abs. 1 GG eine Neufassung vor, der zufolge die Bundesrepublik Deutschland sich verpflichtet, dem Frieden der Welt zu dienen und zur Abrüstung und zur Verhütung von Kriegen beizutragen. Zur Begründung wurde die Notwendigkeit betont, über die Präambel hinaus die Friedenspflicht der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern. Auch mit Blick auf das Ausland sei es geboten, die staatliche Verpflichtung zum Frieden an herausgehobener Stelle der Verfassung zu erwähnen. Von der Koalition wurde unter Hinweis auf die Präambel und auf die Art. 24 Abs. 2, 25 und 26 Abs. 1 GG der bereits jetzt mehrfach zum Ausdruck kommende Friedenswille der Bundesrepublik Deutschland für ausreichend gehalten. Eine darüber hinausgehende entsprechende Ergänzung des Grundgesetzes könnte zudem die Schlußfolgerung nahelegen, das deutsche Volk sei trotz der verfassungsrechtlichen Friedenspflicht nicht friedensgeneigt. Im übrigen widerspreche die beantragte Ergänzung des Grundgesetzes dem Grundsatz jeglicher Kodifikation, nur das zu regeln, was geregelt werden müsse und nicht schon geregelt sei.
Des weiteren sah der Antrag auf Kommissionsdrucksache Nr. 87 die Aufnahme neuer Absätze 3 und 4 in Art. 26 GG vor mit insgesamt restriktiven Bestimmungen über die Forschung und Entwicklung, über Herstellung und Beförderung sowie über Ausfuhr und Kenntnisweitergabe hinsichtlich zur Kriegführung geeigneter Waffen und sonstiger Rüstungsgüter. Die Änderung zielte auf eine Erweiterung der Genehmigungspflicht der Bundesregierung, eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle und die Sicherung des Endverbleibs nur in Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland ein Bündnis zur kollektiven Selbstverteidigung geschlossen hat. Unbeschadet bestehender Bündnisverpflichtungen sollte der Prozeß von der Entwicklung atomarer, bakteriologischer, chemischer und anderer Massenvemichtungswaffen über die Herstellung bis zur Drohung mit ihrer Anwendung und die Anwendung selbst unter Strafe gestellt werden.
Die Koalition hielt hingegen die geforderte Neu-fassung von Art. 26 GG für schädlich, da die bezweckten Änderungen in der Sache und im Verfahren den deutschen außen-und sicherheitspolitischen Interessen nicht gerecht würden. Zudem sei angesichts bestehender völkerrechtlicher Verträge ein zusätzlicher verfassungsrechtlicher Verzicht auf ABC-Waffen nicht erforderlich.
Schließlich beantragten die Kommissionsmitglieder der SPD mit ihrem Antrag „Kriegsdienstverweigerung“ (Kommissionsdrucksache Nr. 91) eine Neufassung von Art. 4 Abs. 3 Satzl GG, der zufolge jeder das Recht hat, unter Berufung auf sein Gewissen den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Mit diesem Antrag wurde mehr Gerechtigkeit bei der Ausübung der Gewissensentscheidung bezweckt.
Die Koalition befürchtete die Einführung einer Wahlfreiheit zwischen Wehrdienst und Ersatzdienst. Im übrigen genügten die verfassungsrechtlichen Grundlagen und die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung allen rechtsstaatlichen Anforderungen.
Auch die mit demselben Antrag durch eine Änderung von Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG von der SPD bezweckte gleiche Dauer von Wehrdienst und Ersatzdienst wurde abgelehnt im Hinblick auf die unterschiedlichen Belastungen zwischen Wehrdienst und Ersatzdienst sowie auf die durch die Einberufung zu Wehrübungen kaum voraussehbare und häufig schwankende Dauer des Wehrdienstes.