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An der Schwelle zu einer neuen Epoche Die Vision der Verantwortungsgesellschaft. Orientierung auf dem Weg zur inneren Einheit Deutschlands und Europas | APuZ 31/1993 | bpb.de

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APuZ 31/1993 Wege in die und Wege aus der Politik(er) verdrossenheit. Von der Zuschauerdemokratie zur demokratischen Bürgergesellschaft Die Kritik der Politischen Klasse und die Bürgergesellschaft. Muß die Bundesrepublik neugegründet werden? Parteien im eigenen Saft? Von der Krise zur Reform Politik-und Parteienverdrossenheit: Modeworte behindern berechtigte Kritik. Zur Notwendigkeit gesellschaftspolitischer Reformen An der Schwelle zu einer neuen Epoche Die Vision der Verantwortungsgesellschaft. Orientierung auf dem Weg zur inneren Einheit Deutschlands und Europas Die Krise der Politik als Krise des Menschen

An der Schwelle zu einer neuen Epoche Die Vision der Verantwortungsgesellschaft. Orientierung auf dem Weg zur inneren Einheit Deutschlands und Europas

Christoph Böhr

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Erst allmählich werden uns die Folgen des Jahres 1989 bewußt. Europa steht an der Schwelle zu einer neuen Epoche. Die Revolution, die 1989 begann, ist noch längst nicht abgeschlossen. Seit Beginn der Revolution ist das Schicksal unseres Landes auf Gedeih und Verderb mit der Entwicklung in Mittel-und Osteuropa verwoben. Eine tatkräftige Hilfe für unsere östlichen Nachbarn liegt im originären Interesse Westeuropas, vor allem der Bundesrepublik Deutschland. Die Herausforderung des europäischen Umbruchs ist jedoch nicht nur eine finanzielle und materielle, sondern auch eine geistige: In einer Zeit, in der alles im Fluß zu sein scheint, suchen West-und Osteuropäer gleichermaßen nach neuer Orientierung. In beiden Teilen Europas stehen die Menschen fassungslos vor der neuen Freiheit. Die Herausforderung, wieder zu lernen, was es heißt, in Freiheit und Verantwortung zu leben, stellt sich hier wie dort. Die Revolution, die 1989 begann, hat die Freiheit nach Europa zurückkehren lassen und eine Erneuerung des politischen Denkens in beiden Teilen des Kontinents notwendig gemacht. Denn Westeuropa ist längst in den revolutionären Prozeß einbezogen. Gemeinsam müssen West-, Mittel-und Osteuropäer zu den Prinzipien einer Verantwortungsgesellschaft zurückfinden und ein Verständnis von Freiheit entwickeln, das dem persönlichen Leben der Menschen . Sinn und Orientierung gibt. Hier setzt die Vision der Verantwortungsgesellschaft ein. Sie weist den Weg zur Bewältigung der ökonomischen und moralischen Folgen des europäischen Umbruchs.

I. Vorbemerkungen

Allmählich erst werden uns die Folgen des Jahres 1989 bewußt. Damals schienen die Ereignisse der Novemberwochen fast unwirklich; wir konnten kaum glauben, was geschah, und wir mochten es einfach nicht fassen: Das „Unmögliche verwandelte sich in das Mögliche und der Traum in Wirklichkeit“ Der Fall der Mauer, die Befreiung Mittel-und Osteuropas und die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes faszinierten uns, und doch erlebten wir Westdeutsche das Geschehen wie die Zuschauer eines großen Schauspiels: Wir litten, hofften und ängstigten uns mit den Akteuren, aber wir waren -distanzierte -Zuschauer.

Viele glaubten, daß dies auch so bleiben würde. Sie sprachen zwar im Hochgefühl von der Revolution des Jahres 1989, machten sich aber nicht klar, daß Revolutionen komplizierte Prozesse sind, die in Phasen verlaufen und über lange Zeit andauern. Erst nach und nach rückt uns diese Tatsache ins Bewußtsein. Plötzlich stellen wir fest: Die Revolution, die 1989 begann, ist noch längst nicht abgeschlossen, ja sie hat offenbar gerade erst begonnen.

II. Der Epochenumbruch wirft neue Fragen auf

Mehr und mehr Menschen spüren: Wir stehen in Europa an der Schwelle zu einer neuen Epoche und damit drängen sich neue Fragen auf: Ist der schreckliche Krieg im ehemaligen Jugoslawien der Beginn einer Kette kriegerischer Auseinandersetzungen in Mittel-und Osteuropa, oder wird es uns gelingen, neue Ordnungsstrukturen zu schaffen, die Stabilität und Frieden gewährleisten können? Und noch eine andere Frage steht plötzlich vor uns: Wollen wir dort, wo bis vor kurzem eine Mauer aus Beton und Stacheldraht den Kontinent teilte, eine neue Mauer bauen, eine Wohlstands-grenze zementieren, die erneut den Kontinent spaltet und das Europa der Reichen von dem Europa der Armen abschottet? Über Nacht hat es die deutsche Politik erstmals seit langer Zeit wieder mit wirklichen Problemen zu tun. Wir stehen vor wahrhaft gewaltigen Herausforderungen. Die Deutschen tun sich schwer in dieser Situation. Verwöhnt von einem über vierzig Jahre geschenkten Frieden und einem über vier Jahrzehnte genossenen Wohlstand, möchten viele von uns am liebsten die Augen verschließen vor so vielen neuen Problemen -nicht nur, weil niemand von seinem Wohlstand etwas abgeben möchte: Die Deutschen fühlen sich in jeder Hinsicht überfordert von der neuen Rolle, die unserem Land gleichsam von heute auf morgen zugewachsen ist. Über mindestens zwei Jahrzehnte beschäftigte sich die deutsche Politik vorrangig damit, ein in allen Bereichen erzieltes hohes Niveau zu überbieten. Zuwächse konnten verteilt, Probleme in der Regel mit Geldscheinen zugedeckt werden. Was als politische Leistung zu würdigen war, definierte sich über den Wert und die Höhe finanzieller Zuwendungen. Wer als Politiker Zuschüsse nach Hause brachte, war anerkannt und sich der Zustimmung sicher. Das Programm der deutschen Politik hieß: Luxusmodernisierungen in allen Bereichen. Kein noch so hohes Niveau stellte uns zufrieden; wo viel war, wurde mehr erwartet. Diese Einstellung ging nicht selten mit einer gewissen Attitüde der Weinerlichkeit und des Weltschmerzes einher.

Jetzt ist die Welt eine völlig andere geworden. Spätestens seit 1989 ist das Schicksal Deutschlands und Westeuropas auf Gedeih und Verderb mit der Entwicklung in Mittel-und Osteuropa verwoben. Die tatkräftige Hilfe beim Aufbau der ökonomisch -und allzuoft auch moralisch -zerrütteten mittel-und osteuropäischen Länder liegt im originären Interesse Westeuropas, vor allem der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist zu einer existentiellen und unmittelbaren Herausforderung für uns Deutsche geworden. Die Politik der Bundesrepublik kennt auf absehbare Zeit keine wichtigere Priorität, als ihren Beitrag zu leisten auf dem Weg zur inneren Einheit Deutschlands und Europas. Alles andere hat demgegenüber zurückzustehen.

Die Bewältigung dieser Herausforderung ist fürwahr nicht nur eine moralische Pflicht. Zunächst und vor allem ist die Herstellung der inneren Einheit Deutschlands und Europas geboten in unserem eigenen, elementaren deutschen Interesse. Wer sich dieser Aufgabe verweigert und statt dessen mit der Errichtung einer neuen Wohlstands-grenze quer durch den Kontinent liebäugelt, muß sich die Folgen vor Augen führen: Er provoziert gewaltige Wanderungsbewegungen, Flüchtlings-ströme und eine unübersehbare Migration. Kein Asylgesetz, keine Verfassungsänderung und keine Grundgesetzerweiterung werden geeignet sein, angesichts der gewaltigen Dimension solcher Flüchtlingsströme regulierend zu wirken. Und mehr noch: Wenn den Menschen in Mittel-und Osteuropa versagt bleibt, eine auf westeuropäische Anschubhilfe gründende erträgliche Zukunftsperspektive zu entwickeln, werden Destabilisierung und Krieg die unmittelbare Folge sein. Unweigerlich würde Deutschland, das von Nord nach Süd eine gemeinsame Grenze mit mitteleuropäischen Ländern hat, in solche krisenhafte Entwicklungen hineingezogen.

III. Die mitteleuropäische Revolution von 1989 hat Westdeutschland erreicht

Wir stehen an der Schwelle einer neuen Epoche. Schon jetzt zeigt sich, daß die großen Herausforderungen der nächsten Jahre -vielleicht der nächsten Jahrzehnte -ohne eine Revolution in unserem eigenen politischen Denken nicht zu bewältigen sein werden. Wir dürfen uns nicht länger als Unbeteiligte fühlen. Die europäische Revolution, die 1989 begonnen hat, unterscheidet nicht zwischen Akteuren und Zuschauern. Auch wir, die Westdeutschen, gehören zu den Akteuren. Und die westdeutsche Gesellschaft wird von den revolutionären Umbrüchen ebenso erfaßt, wie die Gesellschaften in den ehemaligen sozialistischen Diktaturen in den Sog des Umbruchs geraten sind

So wenig wir bis heute die geistige Herausforderung dieses Epochenumbruchs verstanden haben, so sehr scheuen wir uns, in aller Nüchternheit die von uns zu Recht erwartete wirtschaftliche und finanzielle Hilfe in den Blick zu nehmen. Die finanzpolitische Dimension der Herstellung der inneren Einheit Deutschlands, so weit sie heute überhaupt schon abzusehen ist, wird zu einer namhaften Umschichtung führen und erhebliche Finanzströme zu Lasten der alten Bundesländer in die jungen Länder lenken. Um ein vielfaches größer ist die finanzpolitische Dimension der von Deutschland erwarteten und von Deutschland im eigenen Interesse zu erbringenden Anschubhilfe zugunsten der Länder Mittel-und Osteuropas.

Die allererste, wichtigste und in jeder Hinsicht unabdingbare Priorität der deutschen Politik muß deshalb sein, Mittel-und Osteuropa vor einem Scheitern von Demokratie und Marktwirtschaft bewahren zu helfen. Bis heute verkennen wir häufig, wie groß angesichts des Umbruchs in ganz Europa die Verführung ist, den rechten Umgang mit der neu gewonnenen Freiheit zu verfehlen: Viele Menschen in den ehemaligen kommunistischen Diktaturen sehnen sich nach der alten Ordnung der Unfreiheit zurück, andere neigen dazu, Freiheit zu radikalisieren und damit den Weg in eine neue Unfreiheit zu ebnen. Die lang ersehnte Freiheit gerät ihnen jetzt zu einer fast erdrückenden Last.

In einer zum Teil durchaus vergleichbaren Situation des Übergangs befinden sich inzwischen auch die Westdeutschen. Auch unsere traditionellen Verhaltensorientierungen verlieren an Bedeutung, scheinen wertlos zu werden, und wir tun uns sehr schwer, ein neues Koordinatensystem zu finden, wo alles im Fluß zu sein scheint. Mit dem Tag der Vereinigung ist eine Welt zerbrochen, in der sich für Westdeutsche gut leben ließ. Die Zeit der Ost-West-Polarisierung machte es einfach, die Welt zu verstehen; alles schien klar. Jetzt kippt die europäische Politik in Konstellationen des 19. Jahrhunderts, Konstellationen, die niemand mehr kennt, weil sie zu lehren und zu lernen seit langem für überflüssig gehalten wurde. Was weiß die heutige Generation der Vierzigjährigen schon über die historischen Belastungen des Verhältnisses zwischen Serben und Kroaten? Was wissen wir über die deutsche Minderheit in Polen, die ungarische Minderheit in Rumänien und die geschichtliche Belastung des Verhältnisses zwischen Bulgaren und Türken? Darüber zu sprechen galt uns viele Jahrzehnte als Zeitvergeudung, als Anachronismus. Das Zeitalter der Nationalstaaten sei vorbei, hieß es. Jetzt reiben wir uns die Augen und stellen fest, daß es offenbar eine Illusion war zu glauben, man könne Völkern ihre nationale Identität nehmen. Damit aber ist des Wunderns noch nicht genug: Nicht nur Nationalstaaten konstituieren sich neu, sondern auch Regionen beginnen -zum Teil grenzübergreifend -, Autonomie zu beanspruchen. Auch im Inneren unseres Landes ist eine neue Situation entstanden: Wir begegnen anderen Mentalitäten, anderen kulturellen Traditionen, anderen Gebräuchen, Gewohnheiten und Dialekten. Der lange verschlossene Teil Europas hat sich uns geöffnet. Tabus sind gefallen. In diese Offenheit gestellt, weiß niemand so recht, wie mit der neuen Freiheit umzugehen ist Eine Gesellschaft, die sich weithin selbst im Besitzstandsdenken vermauert hat, tut sich schwer, eine so fundamental veränderte Perspektive von Politik anzunehmen. So verständlich die ablehnende Reaktion gegenüber den „Folgen einer unerhörten Begebenheit“ der Vereinigung, ist, so nachvollziehbar die Skepsis gegenüber den Vorboten der in den Maastrichter Verträgen angepeilten europäischen politischen Union sein mag -wenn man beides als Ausdruck einer Orientierungskrise versteht, die sich als Folge einer notwendig gewordenen Neuorientierung ergibt -, so sehr bleibt doch ein Unbehagen angesichts einer weit um sich greifenden Mentalität, die -vor allem in Westdeutschland -nahezu ausschließlich auf die Wahrung des eigenen Besitz-standes abzielt.

Hierin zeigt sich auch die Folge maßloser Wohlstandsverwöhnung, die oft mit provinziellem Denken und kleinbürgerlicher Verantwortungsscheu einhergeht. Natürlich war für viele Westdeutsche der Kalte Krieg -und vor allem dann die Epoche der siebziger und achtziger Jahre -die Zeit einer politischen Idylle, in der man weitgehend davon entbunden war, über die Bewältigung außenpolitischer Risiken und Krisen nachdenken zu müssen. Die Welt war nicht nur geordnet, übersichtlich und verstehbar, es war auch klar, wer im Falle einer Krise geradezustehen hatte. Die Westdeutschen gefielen sich vorzugsweise in der -etwa von Hermann Lübbe wiederholt scharf kritisierten -Attitüde des politischen Moralisten, der den Großmächten sagte, was sie gefälligst zu tun und zu lassen hatten. Deutsche Verantwortung war die des Kolumnisten, des Kommentators, des Rezensenten. Andere schrieben das Drehbuch, wir gefielen uns in der Rolle des Zuschauers, der die Qualität des Stückes beurteilt. So kann es nicht verwundern, daß verantwortungsethische Einstellungen bei uns nicht gerade günstige Aufnahme fanden. Was es bedeutet -innen-wie außenpolitisch Verantwortung in einer Risikogesellschaft wahrzunehmen, drang in den vergangenen Jahren wenig in das öffentliche Bewußtsein. Vereinzelte Appelle, Risikokompetenz und Verantwortungsfähig­ keit des Bürgers durch ordnungspolitisches Handeln zu stärken verhallten weitgehend ungehört. Beschaulichkeit war statt dessen angesagt, eine Beschaulichkeit, die auf höchstem Wohlstands-niveau aufbaute. Die Jugendprotestbewegungen der sechziger und achtziger Jahre in Westdeutschland erklären sich zu einem erheblichen Teil als Reflex auf die Befindlichkeiten der Wohlstandsgesellschaft.

Besitzstandsdenken und Anspruchsspirale sind in unserer Gesellschaft seit langem eine unselige Verquickung eingegangen. Allenthalben führt dies zum Immobilismus: Bürgergruppen blockieren sich wechselseitig, wenn es um die Durchsetzung wichtiger Projekte der Stadtplanung oder Stadtentwicklung geht. Die Ausweisung eines neuen Kinderspielplatzes ist wegen der damit verbundenen Lärmbelästigung nur noch in einem kommunal-politischen Kraftakt möglich. Unsere Innenstädte sollen lebendig, attraktiv und voller Leben sein -bis in die späten Abendstunden -, aber in den Straßen und auf den Plätzen muß ab acht Uhr abends Totenstille herrschen, damit kein Anlieger in seiner Ruhe gestört wird. Zahlreiche Bürgerinitiativen fordern einen verbesserten Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, verhindern aber mit aller Macht, daß der Bus durch die eigene Straße fährt. Von Vorhaben wie dem der Gesundheitsreform oder des Länderfinanzausgleichs sei hier gar nicht gesprochen.

Abhilfe tut not, doch es herrscht Ratlosigkeit: Die Steuerung des politischen Systems durch die dafür vorgesehenen Institutionen, die Parteien, funktioniert zunehmend schlechter. Diese innere Erstarrung ist die Folge einer moralischen Krise, in der sich die westdeutsche Wohlstandsdemokratie seit geraumer Zeit befindet. Um so mehr bedarf es heute klarer Kriterien und Prinzipien, die politische Entscheidungen nachvollziehbar machen. Je dramatischer sich die finanziellen Probleme der kommenden Jahre zuspitzen werden, um so dringlicher wird allenthalben die Suche nach einem gerechten Maß.

Für die westdeutsche Gesellschaft heißt dies: Angesichts der neuen, heute in ihrem Umfang noch nicht genau zu bestimmenden Herausforderungen sind die alten Muster wohlfahrtsstaatlichen und verteilungspolitischen Denkens bestenfalls zum Anachronismus geworden; schlimmstenfalls sind sie eine Sackgasse, in die wir mit hoher Geschwindigkeit hineinfahren. Wir brauchen ein radikal neues, das Wurzelwerk unserer politischen Vorstellungen berührendes Umdenken, wenn die deutsche Politik angesichts der neuen Herausforderungen nicht versagen soll.

IV. Orientierung im Umbruch: Die Maxime der Verantwortung

In dieser Situation der notwendig gewordenen Erneuerung unseres politischen Denkens verspricht vor allem die Maxime der Verantwortung verläßliche Orientierung: Verantwortung als Selbstverantwortung in der Innenpolitik und als Mitverantwortung in der Außenpolitik.

1. Mitverantwortung in der Außenpolitik

Ein für allemal sind die Zeiten vorbei, in denen wir in der internationalen Gemeinschaft andere Völker die Dinge für uns richten lassen, uns in der Außenpolitik vornehm zurückhalten und erwarten können, daß unsere Nachbarn bei der Lösung von Konflikten für uns mit einstehen. Vorbei ist die Zeit, in der die mächtige Industriegesellschaft Bundesrepublik Deutschland als politischer Zwerg alle schwierigen Aufgaben auf dieser Welt anderen Staaten überläßt und dankend abwinkt, wenn Mit-verantwortung gefordert wird.

Seit 1989 ist uns Deutschen eine neue Rolle zugewachsen, unsere Verantwortung definiert sich neu. Da wirkt es eher lächerlich, wenn jemand dieser Einsicht ausweichen will und die Lösung in langwierigen Verfassungsstreitigkeiten sucht. Es geht um eine neue Mitverantwortung Deutschlands, eine neue Rolle in der Völkergemeinschaft: Gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn sind wir aufgefordert, friedensfördernde Aktivitäten zu entwickeln, also auch die Bundeswehr einzusetzen, wenn das dazu dient, dieses Ziel zu erreichen.

2. Selbstverantwortung in der Innenpolitik

In der Innenpolitik geht es darum, daß wir wieder lernen, was es heißt, Selbstverantwortung wahrzunehmen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es sehr beliebt ist, Verantwortung zu delegieren, ja abzuschieben, und zwar vorzugsweise an den Staat. Ob es um die Sicherung unserer persönlichen Lebensrisiken, um Krankheit und Tod, ob es um Naturkatastrophen, unser finanzielles Wohlergehen oder -in einem umfassenden Sinn -um unser eigenes Lebensglück geht: Verantwortlich gemacht werden in erster Linie der Staat und die Solidargemeinschaft. Unser Sozialsystem sichert nicht nur die Grundrisiken ab; es geht weit darüber hinaus: Mehr und mehr scheinen sich die Bürger an eine umfassende Daseinsvorsorge und -fürsorge zu gewöhnen. Die sozialen Sicherungssysteme übernehmen in unserer westdeutschen Selbstbedienungsgesellschaft Aufgaben, die sie gar nicht mehr lösen können, sie sehen sich Erwartungen gegenübergestellt, die niemand erfüllen kann

Inzwischen erkennen wir, daß die Solidargemeinschaft bei der Absicherung von Lebensrisiken an Grenzen stößt. Eine Solidargemeinschaft funktioniert nicht mehr, wenn sie nicht auf einer Moral der Selbstverantwortung aufbauen kann. Heute gehört das Bemühen, von der Risikogemeinschaft aller Versicherten nach Möglichkeit mehr Leistungen zu erhalten, als durch eigene Beiträge abgegolten werden, zu einem der beliebtesten Gesellschaftsspiele. Auf diese Weise pervertiert die ursprünglich erfolgreiche Konzeption der Solidargemeinschaft. Irgendwann ist dann der Zeitpunkt gekommen, an dem die Mehrheit der Mitglieder einer Solidargemeinschaft rebelliert, weil sie dem Mißbrauch hilflos gegenübersteht. Sie hat nur die Wahl, entweder der ökonomische Verlierer zu sein oder sich ebenfalls am Mißbrauch zu beteiligen. Selbstverantwortung in diesem Zusammenhang müßte also heißen: Wir brauchen eine spürbare Selbstbeteiligung an den Gesundheitskosten; diese muß einkommensabhängig gestaltet werden und bestimmte Obergrenzen berücksichtigen.

Die Bevölkerung des Landes mit der höchsten Zahl von Feiertagen, Urlaubstagen und krankheitsbedingten Fehltagen muß jetzt zu der Einsicht finden, daß die fetten Jahre -als es vorrangig darum ging, einen jährlichen Wohlstandszuwachs zu verteilen -vorbei sind. In der politischen Umsetzung dieser Einsicht werden die Deutschen nicht umhin können, wieder zu lernen, was es bedeutet, sein Leben weitgehend selbstverantwortlich zu führen. Nur so wird eine deutliche Entlastung des Staates möglich, nur so auch ein Abbau bürokratischer Regelungsdichte realistisch.

V. Nach der Rückkehr der Freiheit: Die Vision der Verantwortungsgesellschaft

Die Lehre, die wir aus der November-Revolution von 1989 ziehen können, ist zugleich so etwas wie eine Vision für Deutschland: Es geht darum, wieder zu lernen, was es bedeutet, in einer Verantwortungsgesellschaft zu leben. Es könnte ja sein, daß nicht nur für die Deutschen in den jungen Bundesländern und die Mitteleuropäer in den untergegangenen kommunistischen Diktaturen, sondern auch für die Westdeutschen -in einem anderen, eigenen Sinn -Freiheit in die Gesellschaft zurückgekehrt ist: Dann müßten auch die Bürger der alten Bundesrepublik wieder lernen, was es heißt, frei und selbstverantwortlich ihr Leben zu gestalten Natürlich soll hier nicht bestritten werden, daß die alte Bundesrepublik Deutschland ein freies Land war. Aber hat nicht die Mentalität, Verantwortung abzugeben, tendenziell dazu geführt, daß Bequemlichkeit und Risikoscheu sich ähnlicher Beliebtheit erfreuten, wie das in den kommunistischen Diktaturen der Fall war?

Wir werden der Verantwortung gegenüber unseren Nachbarn besonders in Mittel-und Osteuropa, den strukturellen Verwerfungen in unserer eigenen Gesellschaft, aber auch unserer Mitverantwortung in Fragen der Außenpolitik nicht gerecht, wenn wir nicht Verantwortung im Inneren, also für uns selbst, neu definieren. Väclav Havel hat dieses Ziel beschrieben als eine neue Ordnung: eine Ordnung der frei akzeptierten Verantwortung gegenüber dem Ganzen und für das Ganze. Er nennt dieses Bemühen den Versuch, in der Wahrheit zu leben, bezeichnet ihn als das Bestreben, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Dieser Versuch ist ein moralischer Akt Und so, wie sich die Aufgabe, ein Leben in Selbstverantwortung und in Wahrheit neu zu lernen, sowohl für die Menschen in den freien Ländern Westeuropas als auch für die Menschen in den zusammengebrochenen ehemaligen kommunistischen Diktaturen stellt, wird sichtbar, daß es nicht nur eine moralische Krise der postkommunistischen Systeme gibt, sondern in durchaus vergleichbarer Weise auch eine moralische Krise der Wohlstandsdemokratie.

Aus gutem Grund hat Max Weber die Maxime der Verantwortungsethik definiert als eine Einstellung, nach der ein Mensch für die (voraussehbaren) Folgen des eigenen Handelns aufzukommen bereit ist Damit Selbstverantwortung praktiziert werden kann, muß der Bürger jedoch eine Chance haben, die Folgen seines Handelns und Entscheiden kennenzulernen, um dann für sie einzustehen. Welcher Bürger aber hat schon die Möglich­ keit, sich beispielsweise über die Kosten seiner Gesundheitsvorsorge zu informieren, über die Folgen, die entstehen, wenn Einzelinteressen ein wichtiges öffentliches Projekt blockieren, über die Konsequenzen des Mißbrauchs sozialer Sicherungssysteme, über die zwangsläufige Destruktion institutioneller Autorität, wenn Gesetzesverstöße -und sei es nur vor sich selbst -gerechtfertigt werden, sofern die eigenen Interessen als legitim gelten und mit staatlichen Regeln kollidieren? Wo und von wem ist in den letzten Jahren darüber öffentlich nachgedacht worden?

Die Revolution des Jahres 1989, die vor allem und zunächst eine moralische Revolution war, konfrontiert den Bürger in Westdeutschland nicht nur mit finanziellen Folgen. Vielmehr sehen wir uns ganz unerwartet mit uns selbst, unserer eigenen Mentalität und unserer Bequemlichkeit konfrontiert. Die mitteleuropäische Revolution mit ihrer moralischen Herausforderung ist unvermittelt in die westdeutsche Gesellschaft eingebrochen. Auf einmal wird uns der Spiegel vorgehalten, wir blikken in unser eigenes Gesicht -und sollten eigentlich sehr nachdenklich werden. Bisher konnten wir uns als Unbeteiligte fühlen, die revolutionären Ereignisse hatten uns nicht weiter behelligt: Weder hatten wir einen nennenswerten Anteil daran, daß die Revolution ausbrach -unser Interesse am Schicksal der Menschen in den ehemaligen Diktaturen war außerordentlich begrenzt -, noch haben uns die Folgen dieser Revolution bisher unmittelbar betroffen (gemacht). Wir sollten nun die Chance nicht verpassen, uns von der moralischen Revolution und dem Prozeß der politischen Umgestaltung in Europa selbst erfassen zu lassen, den Umbau unseres eigenen Gemeinwesens zu einer freiheitlichen Verantwortungsgesellschaft als eine Herausforderung des Umbruchs zu erkennen und als Aufgabe anzunehmen. Nur so werden wir der großen Chance unserer Zeit, die Fundamente einer dauerhaften, stabilen Friedensordnung für ganz Europa zu legen, gerecht werden.

VI. Die Chance des Umbruchs: Bausteine einer Verantwortungsgesellschaft

Das in den letzten Jahren empfundene Glück über die Befreiung von Millionen von Menschen im Osten ist ein geschichtliches Ereignis, das allmählich zu verblassen beginnt. Jetzt wartet ein neues Glück auf uns: das Glück, die Zeit des Umbruchs als eine Gestaltungsaufgabe anzunehmen, die überfällige innenpolitische Korrekturen und Wei­ chenstellungen ermöglicht. Die zugespitzte Lage der öffentlichen Finanzen, die Krise unserer sozialen Sicherungssysteme, die sich abschwächende Konjunktur und die erlahmende wirtschaftliche Entwicklung sind ja keineswegs durch die Wiedervereinigung ausgelöst worden. Im Gegenteil: Die Wiedervereinigung hat über fast drei Jahre hinweg in Deutschland den Aufschwung verlängert. Nun aber brechen Schwierigkeiten auf, die vor allem strukturell bedingt und bislang durch die gute Konjunktur überdeckt worden sind. Sie zu lösen ist jetzt die Aufgabe. Ohne die Rückbesinnung auf die Fundamente einer Verantwortungsgesellschaft wird Deutschland weder im Inneren noch nach außen seinen Aufgaben gerecht werden können.

Die Mißstände sind inzwischen sattsam bekannt: -Ein Arbeitnehmer mit vierköpfiger Familie verdient in den jungen Bundesländern im Durchschnitt netto 2113 DM; der Sozialhilfeempfänger mit vierköpfiger Familie erhält netto 2279 DM In den alten Bundesländern verfügt eine achtköpfige Familie, wenn der Vater und ein weiteres Familienmitglied arbeiten, über ein Monatseinkommen von 4129 DM. Würde in der Familie niemand arbeiten, erhielte sie Sozialhilfe und genau 254 DM weniger. So gering ist der Vorteil der Erwerbstätigkeit, so groß die Verführung, die Sozialhilfe -gegebenenfalls kombiniert mit Schwarz-arbeit -als Daueranspruch mißzuverstehen. -Es gab einmal Zeiten, da galten „Setzrisse“ in einer Neubauwohnung als durchaus normal. Heute sieht die Rechtsprechung in solchen Rissen einen Mietminderungsgrund. Also bemüht man sich, Häuser und Wohnungen so zu bauen, daß Setzrisse nach menschlichem Ermessen nicht mehr auftreten können. Das kostet mehr Geld: Planungen werden dreimal, viermal überarbeitet, mehrfach geprüft, das Material entsprechend ausgewählt -und das alles schlägt sich in hohen Mieten nieder. -Ein mittelständischer Betrieb des Bauhauptgewerbes, der Ende November 1992 die Dezemberlöhne und das Weihnachtsgeld für rund 90 Beschäftigte auszahlte, mußte dafür eine Bruttosumme von 822591 DM aufbringen. Nach Abzug der Steuern und Abgaben wurden den Arbeitnehmern sage und schreibe 383802 DM ausgezahlt. Die Differenz von 438789 DM fließt an die Versicherungsträger und -zum geringeren Teil -an den Staat. Inzwischen ist es so, daß ein Facharbeiter heute mehr als vier Zeitstunden arbeiten müßte, um mit seinem verdienten Nettoeinkommen eine einzige Zeit-stunde Arbeit von sich selbst zurückkaufen zu können.

Die Beispiele zeigen: Wir brauchen eine radikale staatliche Aufgabenkritik ein Programm der De-regulierung und der Stärkung von Selbstverantwortung.

In Schweden hat eine große, parteiübergreifende Koalition dem Wohlfahrtsstaat eine Entschlakkungskur verordnet, die von der Einsicht getragen wird, daß der Wohlfahrtsstaat -ohne die Finanz-probleme einer Wiedervereinigung zu haben -an seine Grenzen gestoßen ist: „Renten werden gekürzt. Das Ruhestandsalter steigt auf 66 Jahre. Wer krank wird, bekommt am ersten Tag kein Gehalt, am zweiten 65 und am dritten 80 Prozent. Wohnungsbeihilfen fallen weg. Das lange versprochene Erziehungsgeld wird auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Benzin wird pro Liter eine Krone (0, 25 Mark) teurer, Zigaretten je Packung drei Kronen. Vom Jahresurlaub werden zwei Tage abgeknappst. Und das bisher vom Staat getragene Renten-und Krankenversicherungssystem wird Schritt für Schritt privatisiert. Leistungskürzungen sind abzusehen.“

Die Deutschen werden zu ähnlichen Einsichten finden müssen. Abschließend seien einige Stichworte genannt, die Orientierung geben können für die noch ausstehende, tiefgreifende Umgestaltung unserer Gesellschaft: -Wir werden in Zukunft nicht weniger, sondern mehr arbeiten müssen. Wochen-und Lebens-arbeitszeit werden steigen. -Eine unbesehene und umfassende staatliche Kostenübernahme im Bereich der sozialen Sicherung und der Gesundheitsvorsorge wird es nicht mehr geben. Notwendig sind Kostentransparenz, eine einkommensabhängige Selbstbeteiligung und eine Unterscheidung zwischen Grundversorgung und darüber hinausgehenden Wahlleistungen. -Mißbrauchstatbestände vor allem bei der Sozialhilfe und der Arbeitslosenversicherung werden nicht mehr bezahlbar sein. Allein die Tatsache, daß jeder Arbeitslose sich einmal wöchentlich persönlich beim Arbeitsamt melden muß, hat in der Schweiz dazu geführt, daß der Anteil der Scheinarbeitslosen außerordentlich gering geblieben ist. -Lohnzuwächse werden auf längere Zeit allenfalls in Höhe der Inflationsrate zu bezahlen sein. Darüber hinaus sind Formen des Investivlohns zu überlegen. -Neue Leistungsgesetze werden auf mittlere Sicht nicht mehr verabschiedet werden können. Dort, wo entsprechende Vereinbarungen getroffen sind -wie beispielsweise zugunsten der Pflegeversicherung darf das nicht zu einer weiteren Verteuerung der Arbeit führen. -Da eine Überprüfung von Subventionen erfahrungsgemäß nicht zu deren Abbau führt, wird nichts anderes übrigbleiben, als alle Subventionen degressiv zu gestalten.

In unserer Gesellschaft sind die Proportionen zwischen Umverteilungsmasse und Ümverteilungskosten längst aus den Fugen geraten. Bedürftigkeit und Begünstigung müssen wieder in ein rechtes Verhältnis zueinander gebracht werden. Begründete Absichten der Umverteilung müssen zu geringeren Kosten mit erhöhter Treffsicherheit umgesetzt werden. Kernstück einer solchen Reform wäre die Einführung einer Einkommensteuer mit negativem Tarifast. Dies bedeutet: Bei entsprechend niedrigem Einkommen wird die Steuerpflicht automatisch zum Unterstützungsanspruch. In einem einzigen Instrument -der Einkommensteuer mit negativem Tarifast -werden alle direkten Steuern und sämtliche persönlichen Subventionen zusammengefaßt. Wer nicht genügend Einkommen erzielt, um sein Leben selbstverantwortlich zu gestalten, erhält demnach eine unmittelbare finanzielle Zuwendung, die so hoch bemessen sein muß, daß er eigenverantwortlich leben kann. Der Wohlfahrtsstaat muß seine Bürger aus der Unmündigkeit entlassen. Die Balance zwischen den menschlichen Grundbedürfnissen nach Freiheit und nach Sicherheit ist heute nachhaltig gestört. Die Verantwortungsgesellschaft eröffnet die Chance, ein neues Gleichgewicht zwischen sozialer Sicherheit und freiheitlicher Lebensgestaltung zu finden

VII. Die Aufgaben der deutschen und der europäischen Politik im Einklang

Die Revolution des Jahres 1989 bietet die Chance einer neuen, gesamteuropäischen Ordnung -und sie eröffnet die Möglichkeit, zu den Prinzipien und Fundamenten einer Verantwortungsgesellschaft zurückzufinden. Die neue Epoche, vor der wir stehen, hat sowohl innen-als auch außenpolitische Implikationen, die sich -wie zu zeigen versucht wurde -nicht voneinander trennen lassen: Wir werden die gesamteuropäische Aufgabe nur lösen können, wenn wir jetzt aufbrechen und begreifen lernen, wie sich unser Leben in einer Verantwortungsgesellschaft verändern muß.

Nur so werden wir der in die Gesellschaften Ostwid Westeuropas zurückgekehrten Freiheit eine wirkliche Heimat bieten können Hier wie dort werden wir uns an die neue Freiheit gewöhnen müssen. Nicht nur die Osteuropäer sind überrascht, daß die Freiheit kam, wo sie doch oft nur einen verständnisvolleren Betreuer und einen besseren Verwalter erwartet haben Dieses Lebensgefühl prägt inzwischen auch viele Menschen in Westeuropa. Hier wie dort ist offenbar die wechselseitige Verwiesenheit von Freiheit und Verantwortung in Vergessenheit geraten. Die moralische und ökonomische Krise Westdeutschlands korrespondiert mit der moralischen und ökonomischen Krise in Ostdeutschland und Osteuropa. Hier wie dort sehen sich Menschen vor die Aufgabe gestellt, ein Verständnis von Freiheit zu entwickeln, das dem persönlichen Leben Sinn und Orientierung gibt. Eine Ordnung der frei akzeptierten Verantwortung des einzelnen gegenüber dem Ganzen und für das Ganze weist den Weg in eine Verantwortungsgesellschaft, die den Menschen Orientierung und der Freiheit Heimat gibt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Väclav Havel, Angst vor der Freiheit. Reden des Staats-präsidenten, Reinbek 1991, S. 60.

  2. Vgl. Christoph Böhr, Scheitelpunkte der Geschichte. „Cette terre est libre“: Epochenschwellen 1792 und 1992, in: Luxemburger Wort vom 14. Januar 1993.

  3. Vgl. Christian Hacke, Deutschland und die neue Weltordnung. Zwischen innenpolitischer Überforderung und außenpolitischen Krisen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 46/92, S. 3ff..

  4. Vgl. Alexander Kabakow, Hoffnungsloser Neid. Deutschland aus der Sicht des zerfallenden Rußland, in: Die Welt vom 2. Dezember 1992, S. 7.

  5. Wolf Lepenies, Folgen einer unerhörten Begebenheit. Die Deutschen nach der Vereinigung, Berlin 1992.

  6. Vgl. Hans-Martin Sass, Verantwortung unter Risiko. Vom Ethos ordnungspolitischen Risikomanagements, Alfter-Oedekoven 1985.

  7. Beispielhaft sei erinnert an die -damals wie heute gültige -Kritik des Ordo-und Neoliberalismus am modernen Wohlfahrtsstaat. Vgl. Wilhelm Röpke, Jenseits von Angebot und Nachfrage, Erfenbach-Zürich 19613.

  8. Vgl. dazu Alexander Schwan, Die philosophische Begründbarkeit freiheitlicher Politik, in: Günter Abel/Jörg Salaquarda (Hrsg.), Krisis der Metaphysik. Wolfgang Müller-Lauter zum 65. Geburtstag, Berlin-New York 1989, S. 448 ff.

  9. Vgl. Väclav Havel, Versuch, in der Wahrheit zu leben, Reinbek 1989, insbes. S. 32ff.

  10. Vgl. Max Weber, Politik als Beruf, in: Johannes Winckelmann (Hrsg.), Gesammelte politische Schriften, Tübingen 19713, S. 505ff., hier bes. S. 552f.

  11. Vgl. Peter Gillies, Wildwuchs in der Tat, in: Die Weltvom 11. Januar 1993, S. 4.

  12. Vgl. die Rede des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Roman Herzog anläßlich der Einweihung des neuen Plenarsaales am 30. Oktober 1992 im Deutschen Bundestag, Protokoll Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, S. 9846 ff.

  13. Vgl. dazu Juergen B. Dönges, Über den Beitrag des Staates zur Standortsicherung: Mehr Flexibilität durch Deregulierung. Vortrag auf dem Symposium des Instituts der deutschen Wirtschaft über „Standortfaktor Bewegungsfreiheit“ am 19. Januar 1993 in Bonn, Mschr. Mskrpt.

  14. Fredy Gsteiger, Im Volksheim wird es ungemütlich, in: Die Zeit vom 16. Oktober 1992. Radikale Sparprogramme haben im Jahr 1992 eine Vielzahl westeuropäischer Staaten aufgelegt, ohne daß sie vereinigungsbedingte Finanzierungsprobleme zu bewältigen hatten. Beispielhaft sei an die Maßnahmen in Belgien erinnert, wo Einsparungen im Sozialbereich für das Jahr 1993 in Höhe von rund 3, 5 Milliarden Mark beschlossen wurden. Diese Zahl entspricht -hochgerechnet am Bruttosozialprodukt -einer Einsparung in Deutschland von rund 30 Milliarden Mark. Vergleichbare Maßnahmen wurden in Italien, in den Niederlanden, in Spanien, Portugal, Griechenland, Frankreich, Dänemark, Irland und Finnland getroffen.

  15. Weiterführend zum Thema vgl. Christoph Böhr, Liberalismus und Minimalismus. Kritische Anmerkungen zur philosophischen und politischen Entfaltung einer zeitgenössischen Minimalstaatskonzeption, Heidelberg 1985, bes. S. 133ff.

  16. Vgl. Christoph Böhr, Nach der Revolution in Mitteleuropa: Geistige Orientierung auf dem Weg zur Einheit, in: Peter Haungs/Karl Martin Graß/Hans Maier/Hans-Joachim Veen (Hrsg.), Civitas. Widmungen für Bernhard Vogel zum 60. Geburtstag, Paderborn u. a. 1992, S. 371 ff.

  17. Vgl. das Interview mit Milan Uhde, Der Nationalismus ist eine Krankheit, in: Rheinischer Merkur vom 16. Oktober 1992.

  18. In diesem Sinne plädiert Väclav Havel, Politik als praktizierte Sittlichkeit, in: Sommermeditationen, Berlin 1992, S. 125ff., hier S. 126.

Weitere Inhalte

Christoph Böhr, geb. 1954; Abgeordneter im Landtag von Rheinland-Pfalz. Veröffentlichungen u. a.: (Koautor) Politischer Protest und parlamentarische Bewältigung. Zu den Beratungen und Ergebnissen der Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat“, Baden-Baden, 19862; Liberalismus und Minimalismus. Kritische Anmerkungen zur philosophischen und politischen Entfaltung einer zeitgenössischen Minimalstaatskonzeption, Heidelberg 1985; (Hrsg.) Leben mit der Technik, Krefeld 1985; (Hrsg.) Jugend bewegt Politik, Krefeld 1988; zahlreiche Aufsätze zur Philosophie und Theorie der Politik.