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Alte und neue Wachstumspolitik | APuZ 18/1993 | bpb.de

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APuZ 18/1993 Alte und neue Wachstumspolitik In welchem Umfang darf sich ein Staat verschulden? Subventionsabbau -ein finanzpolitischer Evergreen Die Formulierung geht auf einen Aufsatz des Autors aus dem Jahre 1973 zurück; siehe dazu Karl-Heinrich Hans-meyer, Abbau von Subventionen -ein finanzpolitischer Evergreen, in: Wirtschaftsdienst, 53 (1973), S. 125ff. Der Haushalt der Europäischen Gemeinschaften

Alte und neue Wachstumspolitik

Klaus Mackscheidt

/ 25 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Lange Zeit schien es so, als sei die moderne Wachstumstheorie ein theoretisch zwar schwieriges, aber in sich abgeschlossenes Gebilde -ein Gegenstand für Theorieesoteriker, aber kein Gebrauchsgegenstand für die Wirtschaftspolitik. Jedenfalls hat sie keine zu ihr passende Wachstumspolitik entwickelt. Wenn man mit dem klassisch-neoklassischen Gedankengut nach wachstumspolitischen Empfehlungen suchte, so wurde man gewahr, daß die beste Wachstumspolitik ein möglichst perfekter Wettbewerb ist. Der Markt bringt dann das beste Ergebnis an Gütern und Dienstleistungen zustande -und mehr kann man darüber hinaus nicht tun. Das änderte sich Mitte der achtziger Jahre schlagartig, als mehrere Ideen zu einer Neuen Wachstumstheorie vornehmlich in den USA vorgetragen wurden. Und zu dieser Wachstumstheorie gehörte auch eine ausgesprochen aktive Wachstumspolitik, die darauf gerichtet ist, den Umgang mit dem technischen Fortschritt zu wecken und zu fördern. Wie immer entstehen neue Ideen in der Auseinandersetzung mit dem herkömmlichen Wissen. Deshalb ist es zweckmäßig, die Neue Wachstumspolitik mit der alten zu vergleichen -oder noch besser: zu beschreiben, was die alte Wachstumspolitik leisten konnte, wie weit sie ging und wo die Neue Wachstumspolitik dann ’ fortfährt und wo sie hinführen wird, sofern sie sich empirisch bewährt.

I. Einführung: Wachstumstheorie und Wachstumspolitik

X. Spannungsverhältnisse Am Anfang der ökonomischen Theorie stand die Erkenntnis, daß man mehr wirtschaftliches Wachstum nur durch den vermehrten Einsatz der volkswirtschaftlichen Leistungskräfte bekommen kann. Danach entdeckte man, daß durch die Arbeitsteilung und durch den marktwirtschaftlichen Wettbewerb der Wohlstand der Nation entscheidend zu verbessern ist. Noch später kam die Erkenntnis, daß es nicht nur auf den betrieblich und wettbewerblich optimalen Einsatz von Arbeit und Kapital ankommt, wenn man hohes Wachstum haben will, sondern daß die Nutzung des technischen Fortschritts besonders zu beachten ist. In der Weiterentwicklung der neoklassischen Wachstumstheorie wird der technische Fortschritt als einer der entscheidenden Wachstumsfaktoren beachtet -aber damit war noch kein Handlungskonzept für die Wirtschaftspolitik gewonnen. So blieb die modellhaft hervorragend ausgebaute Wachstumstheorie ohne ihr Pendant: die zur politischen Anwendung geeignete Wachstumspolitik.

Als Ersatz für diesen Politikmangel griff man eine Zeitlang (insbesondere in den sechziger Jahren) zu konjunktur-und wachstumspolitischen Empfehlungen aus der keynesianischen Makroökonomik. In Deutschland war das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG von 1967) eine typische Realisierung dieser Ausweichlösung, obwohl Kritiker diesem Gesetz schon frühzeitig Etikettenschwindel vorgeworfen hatten, da es ja eigentlich außer dem Subventionsbericht des § 12 StWG keine wachstumspolitischen Maßnahmen (wobei der Subventionsbericht kaum vermeiden konnte, daß die Zahl der wachstumsschwächenden Erhaltungssubventionen weit größer als die Zahl der wachstumsfreundlichen Förderungssubventionen geworden ist), sondern ausschließlich konjunkturpolitische Instrumente enthalte.

Nach diesem Gesetz war also Wachstumspolitik nicht mehr als eine gut gelungene Konjunkturpolitik. Als sich dann später das theoretische und praktische Konzept der fiscal policy als mehr oder weniger brüchig erwies, verschwand auch diese Restgröße von Wachstumspolitik. So schien man am Ende nicht weiter gekommen zu sein als die Klassiker: Wachstumspolitik war im wesentlichen Wettbewerbspolitik.

Vor diesem Hintergrund scheint es schon fast eine Revolution zu sein, wenn plötzlich Wachstumstheorien auftauchen, in denen nicht nur neue wachstumstheoretische Erkenntnisse formuliert werden, sondern auch eine neue Wachstumspolitik gefordert wird. Die Grundidee ist noch relativ einfach klarzumachen, im Detail wird es aber dann doch kompliziert und bleibt vorläufig noch mit Risiken oder Fragen besetzt. Der neoklassischen Wachstumstheorie war die entscheidende Entdekkung der wichtigen Rolle des technischen Fortschritts zu verdanken. Für den Ökonomen war dieser Fortschritt aber außerhalb seines Systems entstanden; er nahm ihn gegebenenfalls zwar dankbar entgegen, konnte ihn aber selbst nicht schaffen. Es waren Techniker mit ihren Erfindungen und Unternehmer mit Marktgespür, die das Neue in Gang setzten, aber nicht der Ökonom mit seiner Wachstumspolitik.

Die neuen Wachstumstheorien halten an dem ho-hen Rang des technischen Fortschritts fest, aber sie behaupten -^und versuchen es empirisch zu beweisen -, daß man die Einstellung, den vorhandenen technischen Fortschritt wirtschaftlich zu nutzen, durchaus wirtschaftspolitisch beeinflussen kann. Das ist nach ihrer Einschätzung nicht nur eine Frage des Könnens und Wollens, der Ausbildung und einer gewissen Aufgeschlossenheit in der Bevölkerung, sondern auch eine Frage der Technikverstärkung durch Synergieeffekte. Alles in allem scheint es darauf anzukommen, daß seitens der Wirtschaftspolitik die Ausgangspositionen für ein dem Wachstum eher ungünstiges oder günstiges Verhalten beeinflußt werden können. Das wäre dann in der Tat ein Neubeginn der Wachstumspolitik.

Die wichtigsten Etappen der Wachstumspolitik mit ihrer schließlichen Entdeckung der neuen Wachstumspolitik sollen vor dem Hintergrund der letzten vierzig Jahre aufgezeichnet werden: Die Situation der westlichen Industrieländer nach dem Zweiten Weltkrieg war gekennzeichnet durch hohe Wachstumsraten der Sozialprodukte. Seit Mitte der siebziger Jahre ist jedoch eine nachhaltige Verringerung des Wachstums in den Industrieländern festzustellen Von einem Teil der Ökonomen, die einem schnellen Wachsen der Wirtschaft skeptisch gegenüberstehen, wurde diese Verlangsamung des Wachstums sogar begrüßt. Ihre Kritik an hohen Wachstumsraten bezog sich in erster Linie auf die mit einer wachsenden Wirtschaft einhergehende zunehmende Beeinträchtigung der Umwelt. Je stärker die Belastung der Umwelt durch die Wirtschaft eingeschätzt wurde, desto eindringlicher wurde die Forderung, auf Wachstum ganz zu verzichten (Null-Wachstum).

Nach einer seit Beginn der achtziger Jahre geführten Diskussion um quantitatives versus qualitatives Wachstum und der Frage, ob eine Wirtschaft überhaupt wachsen solle, kehrt nun aufgrund der Veränderungen der politischen und ökonomischen Situation -vor allem in Mittel-und Osteuropa -die Sorge um ein zu niedriges Wachstum in das Zentrum der Diskussionen zurück. Für die zur Zeit regierenden Politiker ist die Förderung des Wirtschaftswachstums ein vorrangiges Ziel ihres Handelns. Nicht nur die Ziele der deutschen Politik, die durch die wirtschaftliche und soziale Integration West-und Ostdeutschlands geprägt ist, sondern auch die neue amerikanische Administration, die Politik der Europäischen Gemeinschaft und die Politik der osteuropäischen Staaten sind gekennzeichnet durch die zentrale Aufgabe der Förderung des wirtschaftlichen Wachstums.

Wieder einmal werden die Ökonomen um Auskunft gebeten, welche Möglichkeiten im Rahmen der Wirtschaftspolitik bestehen, wirtschaftliches Wachstum zu fördern, und wo die Grenzen einer solchen Einflußnahme liegen. Um das systematisch tun zu können, wird zunächst erläutert, auf welche Größen üblicherweise Bezug genommen wird, wenn von Wirtschaftswachstum gesprochen wird, und wie die Begriffe Wachstum und Konjunktur unterschieden werden. Die unterschiedlichen Varianten der Wachstumspolitik werden hinsichtlich ihrer Möglichkeiten zur Einflußnahme auf die -zu bestimmenden -Determinanten des Wachstumsprozesses untersucht. Indikatoren des Wirtschaftswachstums Spricht man von Wirtschaftswachstum, so soll da-mit eine Zunahme der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft ausgedrückt werden. Als Indikator einer solchen Leistungsfähigkeit wird üblicherweise die Größe des realen Bruttosozialprodukts (BSP) oder des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP), jeweils zu Marktpreisen, verwendet 2. Wirtschaftswachstum bedeutet bei beiden Indikatoren eine Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Eine exakte begriffliche Festlegung erfordert die Betrachtung zweier grundsätzlicher Möglichkeiten, die Produktion zu erhöhen: Eine Steigerung kann aufgrund einer verbesserten Auslastung der vorhandenen Produktionskapazitäten bei unveränderter Auslastung der Produktionsfaktoren erfolgen. Der erste Fall wird als Auslastungseffekt bezeichnet. Eine Produktionssteigerung wird durch eine Erhöhung des Auslastungsgrades der Faktorbestände ermöglicht. Dieser Expansionsprozeß stößt an seine Grenzen, wenn die Kapazitäten vollständig ausgelastet sind. Produktionssteigerungen sind dann nur noch durch den zweiten Fall, den Kapazitätseffekt, möglich.

Nur wenn die Kapazitäten selbst erhöht werden, scheint es sinnvoll, von Wachstum zu sprechen Dies begründet die Unterscheidung von konjunktureller Anpassung im Sinne des Hineinwachsens in bereits vorhandene Kapazitäten und Wachstum als Ausweitung der Kapazitäten Zumindest theoretisch kann man so eine Keynesianische Konjunkturpolitik, die kurzfristige Unterauslastungen der Kapazitäten zu verhindern suchen soll, von einer Wachstumspolitik unterscheiden. Freilich, wenn die Rezessionsphasen häufig eintreten und jeweils sehr lange dauern würden, dann sähe eine gut gelungene expansive Konjunkturpolitik beinahe wie eine tatsächliche Wachstumspolitik aus. Das war die Idee von Ökonomen, die für ein (permanentes) staatliches deficit spending zugunsten zusätzlicher Staatsausgaben eingetreten sind. Die Voraussetzungen für ein derartiges deficit spending hat es aber in der Praxis nie gegeben. 3. Das Produktionspotential Im Blickpunkt des Interesses steht nun die Ausweitung der volkswirtschaftlichen Produktionskapazitäten. Sie sind durch das einem Land zur Verfügung stehende Produktionspotential definiert. Als Produktionspotential wird dasjenige Produktionsvolumen bezeichnet, das in einer Periode maximal erzeugt werden könnte, wenn alle Produktionsfaktoren vollständig ausgelastet wären. Es kennzeichnet also die Summe der betrieblichen Produktionskapazitäten, die wiederum durch die Summe und das Leistungsvermögen der bereitstehenden Produktionsfaktoren bestimmt sind.

Wirtschaftswachstum wird im folgenden als Wachstum des Produktionspotentials interpretiert. Die Aufgabe der Wachstumspolitik besteht in einer langfristig orientierten Realisierung eines „angemessenen“ (§ 1 StWG) Wachstums der volkswirtschaftlichen Produktionskapzitäten. Da im Trend Wachstum des Produktionspotentials und Wachstum des tatsächlich erzeugten realen Bruttosozialprodukts übereinstimmen ist es gerechtfertigt, Wachstumsraten beider Indikatoren als Grundlage der weiteren Betrachtung zu verwenden. Im folgenden gilt die Konzentration den kapazitätsbeschränkenden bzw. -erweiternden Faktoren und damit der Produktionskapazität.

II. Möglichkeiten der alten Wachstumspolitik

Für die potentielle gesamtwirtschaftliche Produktion sind in einer groben Einteilung bestimmend: -die Ausstattung mit Sachkapital, -das vorhandene Arbeitskräftevolumen, -die Bestände an natürlichen Ressourcen, -das vorhandene technische und organisatorische Wissen (Humankapital) sowie -die Effizienz, mit der die genannten Faktoren in der Produktion eingesetzt werden

Für diese Determinanten gilt es, jeweils Möglichkeiten der politischen Einflußnahme auf ihren quantitativen Bestand und auf ihre effiziente Verwendung zu analysieren. Dabei sind die zugeord-neten Politikvarianten in ihren möglichen Wirkungen kaum exakt abzugrenzen. Die Einteilung ist vielmehr als Setzung von Schwerpunkten zu verstehen. Wirtschaftspolitische Maßnahmen, die auf eine Erhöhung des vorhandenen Potentials an Arbeitskräften gerichtet sind, können langfristig nur darin bestehen, die Bevölkerung des Landes zu erhöhen. Ein wachsendes Sozialprodukt (Produktionspotential) muß dann allerdings auch zu einer größeren Bevölkerung in Relation gesetzt werden. Ein Wachstum des Pro-Kopf-Wohlstands findet nur dann statt, wenn das Sozialprodukt mit einer höheren Rate wächst als die Bevölkerung. Im folgenden wird -ganz im Sinne von Adam Smith -eine Ausrichtung auf Determinanten vorgenommen, die sich auf das Wachstum der Pro-Kopf-Größen beziehen.

1. Sachkapitalausstattung (Kapitalbildung)

Die historische Erfahrung zeigt, daß Länder immer dann hohe Wachstumsraten des Bruttosozialproduktes vorweisen konnten, wenn sie kräftig Kapital akkumuliert hatten. Westdeutschland, dessen Kapitalstock durch den Krieg zum Teil zerstört war, erzielte in den fünfziger Jahren im Durchschnitt eine reale Wachstumsrate von 5 Prozent. Im gleichen Zeitraum hatten Länder mit intaktem Kapitalstock niedrigere Zuwachsraten, so z. B. die USA 3, 2 Prozent und Großbritannien 2, 6 Prozent 7. Die Kapitalbildung einer Periode ist dabei immer das Resultat der getätigten Investitionen. Da diese in einer Volkswirtschaft aus den akkumulierten Ersparnissen resultieren, besteht eine positive Korrelation zwischen der Spar-und der Kapitalbildung Auf kurze und mittlere Sicht führt Kapitalbildung zu einem (gleichgewichtigen) Wachstum des Produktionspotentials, das durch den Quotienten aus Spar-und Investitionsquote und dem marginalen Kapitalkoeffizenten bestimmt wird. Bei gleichbleibendem Kapitalkoeffizient ist die W^chstumsrate dann um so höher, je größer die Spar-und Investitionsquote ist.

Eine die Investitionstätigkeit fördernde Wirtschaftspolitik kann demnach auf kurze und mittlere Sicht das Wachstum des Sozialprodukts begünstigen *D*ie von der Neoklassik geprägte traditionelle Wachstumstheorie sah diese Möglichkeit jedoch auf die kurze und mittlere Sicht beschränkt. Langfristig sieht sie das Wachstum des Pro-Kopf-Sozialprodukts allein durch die Rate des Bevölkerungswachstums und den technischen Fortschritt bestimmt. Ein Anstieg des Kapital-stocks sorgt demnach langfristig zwar für eine Erhöhung des Niveaus des Pro-Kopf-Sozialprodukts, beeinflußt auf die Dauer jedoch nicht die Wachstumsrate des Sozialprodukts

Um ein Beispiel zu geben: Wenn jetzt und in den folgenden Jahren die Sachkapitalausstattung in den neuen Bundesländern ganz erheblich verbessert wird, dann wird dort auch das Niveau des Pro-Kopf-Sozialprodukts zunehmen. Lediglich am Anfang darf man von diesem Investitionsschub auch überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten erwarten. Aus neoklassischer Sicht müssen diese Wachstumsraten aber bald wieder zurückfallen, wenn es nicht gelingt, immer wieder neue Schübe von technischem Fortschritt zu erzeugen. Innovationswille und Investitionsstreben dürfen nicht erlahmen. Daher gilt es zu untersuchen, welche Möglichkeiten die Wirtschaftspolitik besitzt, auf eine Steigerung der Investitionstätigkeit der privaten Wirtschaftssubjekte einzuwirken. Drei Politikbereiche werden auf diese Möglichkeiten hin untersucht: Wettbewerbspolitik, Stabilisierungspolitik (womit in erster Linie Geld-und Finanzpolitik gemeint sind) und Strukturpolitik. a) Wettbewerbspolitik Wettbewerbspolitik wird von manchen Autoren als die klassische Form der Wachstumspolitik bezeichnet oder auch als Leitbild einer nach vorne gerichteten Wirtschaftspolitik für Wachstum und Beschäftigung Dabei stehen nicht direkte Eingriffe des Staates im Vordergrund, sondern vielmehr die vom Staat zu setzenden Rahmenbedingungen, die eine optimale Kapitalbildung ermöglichen sollen. Die heutige Konzeption der Wettbewerbspolitik geht zurück auf die Arbeit Euckens sowie auf Schumpeters Vorstellungen vom dynamischen Unternehmer. Nach Eucken zielt die Wirtschaftspolitik der Wettbewerbsordnung darauf, „den Märkten eine solche Ordnung zu geben, daß alle Teile des Wirtschaftsprozesses sinnvoll integriert werden“ In dieser Ordnung suchen die Wirtschaftenden „selbst diejenige Verwendung ihrer eigenen Arbeitskraft, ihrer Produktionsmittel und ihres Geldes, die ihnen die beste erscheint“

Aufgabe der Wettbewerbspolitik ist es also, eine optimale Effizienz der eingesetzten Produktionsfaktoren zu ermöglichen. Die notwendige Voraussetzung, um diese Aufgabe zu erfüllen, ist ein funktionsfähiger Preismechanismus. Dieser funktionsfähige Preismechanismus übernimmt die entscheidenden Aufgaben in einer Marktwirtschaft: Er informiert Investoren über die Knappheit auf Märkten und zeigt somit die gewinnträchtigen Investitionsfelder auf. Des weiteren leistet der Preismechanismus die Koordination von Angebotsausweitung und Nachfrageverhalten. Zudem bestimmt der Preiswettbewerb, welche der konkurrierenden Anbieter sich auf den Märkten behaupten können; denn er zwingt die Unternehmen in einem permanenten Ausleseprozeß ständig zu einer effizienten Produktion, die in Qualität und Quantität die Bedürfnisse der Konsumenten befriedigen kann. Da Investitionen in die Zukunft gerichtet sind, werden die in Zukunft erwarteten Preise zur Grundlage für die unternehmerischen Entscheidungen. Für die Investoren gilt es also, alle verfügbaren Informationen über zukünftige Entwicklungen zu nutzen Die von Eucken als Grundprinzip der Wirtschaftspolitik geforderte Konstanz der Wirtschaftspolitik wirkt investitionsfördernd, da sie dem Investor Planungssicherheit bietet.

Man darf das als Bild ruhig so akzeptieren: Der Markt ist in permanenter Unruhe und fordert die ganze Aufmerksamkeit des Unternehmers; da sollten die Vorgaben aus der staatlichen Wirtschaftspolitik schon Sicherheit und Stetigkeit bieten. Das Pendant zur Marktbeweglichkeit ist daher die staatliche Planungssicherheit. Sie ermöglicht den Unternehmern, nach der Schumpeterschen Vorstellung die wirtschaftliche Entwicklung in einem dynamischen Prozeß voranzutreiben. Ausgehend von einem wirtschaftlichen Gleichgewicht setzt der dynamische Unternehmer Innovationen am Markt durch. Dieser Prozeß führt die Wirtschaft, nach zwischenzeitlich stattfindenden Nachahmungen der Innovationen durch Konkurrenten, zu einem höheren Niveau. Die Gewinne der Innovatoren schwinden und veranlassen den dynamischen Unternehmer zu neuen Aktivitäten In einer Volkswirtschaft handeln auf der Angebots-seite Unternehmungen als selbständige Wirtschaftseinheiten, bei denen die Chancen und Risiken von getätigten Investitionen liegen. Die Möglichkeiten der Wettbewerbspolitik, ein weitgehend störungsfreies unternehmerisches Handeln zu gewährleisten und somit die Investitionstätigkeit der Unternehmen zu fördern, liegen einerseits im Schutz und andererseits in der Förderung des Wettbewerbs. Der Schutz des Wettbewerbs -auf der Grundlage des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen -zielt darauf ab, die Entstehung und die mißbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht zu verhindern. Die Förderung des Wettbewerbs ist also auf eine Erhöhung der Wettbewerbsintensität ausgerichtet Instrumente sind etwa das Kartell-verbot, die Fusionskontrolle, der Abbau von Marktzutrittsschranken und eine konsequente Deregulierung. b) Stabilisierungspolitik in Form einer potentialorientierten Geld-und Finanzpolitk Zu einem wesentlichen Element einer Wachstumspolitik, die auf eine Erhöhung des Kapitalstocks einer Volkswirtschaft zielt, gehört die Stabilisierungspolitik. Probleme einer antizyklischen Stabilisierungspolitik, die eher in den Bereich der Konjunkturpolitik gehören, werden hier nicht diskutiert. Im Vordergrund der Betrachtung steht eine Stabilisierungspolitik, die auf eine Verstetigung der Wirtschaftsentwicklung und hier vor allem auf eine Stabilisierung der Erwartungen der Unternehmer und eine Minderung der Risiken bei den Investitionsentscheidungen ausgerichtet ist. Die Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik liegen hierbei in einer stetigen, am Produktionspotential orientierten Geld-und Finanzpolitik

Wesentliches Kennzeichen der potentialorientierten Geldpolitik ist ihre Konjunktumeutralität Sie soll weder expansive noch kontraktive Wirkungen entfalten und somit den Auslastungsgrad des Produktionspotentials nicht verändern. Ziel ist vielmehr, durch eine konsequent der Preisniveaustabilität verpflichtete Geldpolitik die Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Preismechanismus zu schaffen. Das Wachstum der Geldmenge einer Volkswirtschaft ist dabei am Trend des Wachstums des Produktionspotentials auszurichten

Ebenso wie im Konzept der potentialorientierten Geldpolitik erfordert eine konjunktumeutrale Finanzpolitik die Ausrichtung der öffentlichen Haushalte am Wachstumstrend des Produktionspotentials. Das primäre Ziel der Finanzpolitik besteht nach dieser Auffassung darin, den privaten Wirtschaftssubjekten eine optimale Allokation der ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen zu ermöglichen Für das Steuersystem ist eine leistungs-und investitionsfördernde Ausgestaltung anzustreben. Elemente eines solchen Steuersystems sind eine steuerliche Belastung der Unternehmen, die deren internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Möglichkeiten einer investitonsfördernden Finanzpolitik liegen hier in einer Senkung der ertragsabhängigen Steuern, einer Vermeidung von ertragsunabhängigen Steuern sowie in einer Verbesserung der Abschreibungsbedingungen. Für den Bereich der Lohn-und Einkommensbesteuerung gilt es, leistungshemmende, Wirkungen durch überhöhte Steuersätze zu vermeiden

Auf der Ausgabenseite sollte der Staat bestrebt sein, nur einen geringen Teil der einer Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Ressourcen zu absorbieren. Im Lichte der Wachstumsbeeinflussung sind staatliche Ausgaben im Bereich der öffentlichen Investitionen, sofern diese nicht von Privaten getätigt werden können, sowie im Bereich von Investitionen, die positive Auswirkungen auf private Investitionen haben, gerechtfertigt. Man darf an dieser Stelle aber nicht vergessen, daß auch eine auf den Markt gut abgestimmte Politik der Sozialen Sicherung die Produktivkraft einer Volkswirtschaft erhöht. Dem Ordnungspolitiker ist das sehr bewußt, der Wachstumspolitiker hingegen übersieht das manchmal. c) Strukturpolitik Die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ist durch den ständigen Wandel des relativen Beitrags der Sektoren zum Sozialprodukt gekennzeichnet. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung werden dabei Gewicht und Wachstum der einzelnen Sektoren durch Entscheidungen von Unternehmen und Haushalten bestimmt Sieht der Staat Notwendigkeiten, die so entstehende Struktur zu beeinflussen, so gilt es, Rechtfertigungen dafür zu nennen. Aus den möglichen Rechtfertigungsversuchen werden hier solche behandelt, die auf eine Veränderung des unternehmerischen Investitionsverhaltens gerichtet sind. Die Argumente stammen aus den Bereichen Infrastrukturpolitik sowie regionale und sektorale Strukturpolitik.

Im Rahmen der Infrastrukturpolitik steht die sogenannte materielle Infrastruktur, zu der das Verkehrs-und Kommunikationswesen sowie die Energieversorgung zählen, im Vordergrund. Im Hinblick auf Investitions-und damit Wachstumsförderung sind Infrastrukturleistungen des Staates als Vorleistungen zu betrachten, die private Investitionen stimulieren (Initialzündungen). Der Staat stellt dabei die Güter und Dienste, sofern diese durch die Kennzeichnung „öffentliche Güter“ charakterisiert sind, unentgeltlich zur Verfügung. Oder aber er bietet die Leistungen, etwa die Überlassung von Gewerbegebieten oder die Entschließungsaufwendungen im kommunalen Bereich, zu Vorzugspreisen an

Mit Blick auf den Aufbau des Kapitalstocks in Ostdeutschland bestehen z. B. die primären wirtschaftspolitischen Maßnahmen in der Beseitigung der Investitionshemmnisse, die in einer mangelhaften Infrastruktur begündet sind. Siebert nennt als wachstumslimitierende Engpaßfaktoren die nur langsam in Gang kommende Verwaltung, fehlende Gewerbeflächen, Engpässe im Straßen-und Schienenverkehr, erhebliche Mängel im Kommunikationsbereich, zu geringe Kapazitäten im Entsorgungsbereich, eine unzureichende Wasser-und Stromversorgung sowie die vorhandenen ökologischen Altlasten.

Mit regionaler Strukturpolitik werden alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Stimulierung und Lenkung der ökonomischen Aktivitäten unter räumlichen Aspekten bezeichnet. Unter der Zielsetzung der Wachstumsförderung sollen diese Maßnahmen eine Lenkung des Einsatzes der Produktionsfaktoren in Regionen, in denen sie die vermeintlich höchste Grenzproduktivität besitzen, bewirken Dabei ist bei den staatlichen Aktivitäten zur Verbesserung der regionalen Produktionseffizienz, die über die schon erwähnten Infrastrukturmaßnahmen hinausgehen, jeweils zu prüfen, warum nicht schon Private den Einsatz der Ressourcen in der unterstützten Region vorgenommen haben. Die regionale Strukturpolitik wird zuvör­ derst mit verteilungspolitischen Argumenten, die aus dem im Grundgesetz verankerten Gebot der regionalen Angleichung der Lebensverhältnisse folgen, begründet.

Zur sektoralen Strukturpolitik gehören spezifische wirtschaftspolitische Maßnahmen, die auf Beeinflussung des Verhältnisses der verschiedenen Branchen zueinander gerichtet sind Unter dem Begriff „Industriepolitik“ sind diese staatlichen Aktivitäten zur Zeit Gegenstand heftiger Kontroversen. Die Politik ist dabei entweder auf Strukturerhaltung oder auf Strukturanpassung ausgerichtet. Strukturerhaltung bedeutet im wesentlichen eine Verzögerung des aus der wirtschaftlichen Entwicklung folgenden Strukturwandels. Mit den Zielen Arbeitsplatz-und somit Versorgungs-und Einkommenssicherung soll versucht werden, den vom Wandel betroffenen Menschen eine friktionslose Anpassung zu ermöglichen

Unter wachstumspolitischen Aspekten hat die strukturerhaltende Politik negative Auswirkungen auf die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials. Positive Wirkungen können hingegen von strukturverändemden Maßnahmen ausgehen. Strukturpolitik verfolgt hier das Ziel, partielles Marktversagen zu beseitigen. Die Ursachen dafür werden zum einen in der Existenz von positiven und negativen externen Effekten gesehen, deren Berücksichtigung durch den Marktmechanismus nicht gelingt. Zum anderen werden auf bestimmte Sektoren der Volkswirtschaft gerichtete wirtschaftspolitische Maßnahmen mit dort festgestellten extrem hohen unternehmerischen Risiken, die eine gewünschte Bereitstellung von Gütern aus diesem Bereich verhindern, begründet Solche Bereiche werden im Rahmen der Technologieförderung erörtert.

2. Natürliche Ressourcen

In einem weit gefaßten Begriff werden unter natürlichen Ressourcen alle von der Natur bereitgestellten Güter zur direkten und indirekten Erfüllung menschlicher Wünsche verstanden. Die Natur ist dabei „Quelle des Reichtums -und zugleich eine Senke. Sie liefert uns Erdöl, Kohle und andere mineralische Rohstoffe; sie stellt Güter des Konsums -auch öffentliche Güter wie Sauerstoff und die Erdatmosphäre -bereit; und sie nimmt als Senke Materialien des Naturkreislaufs wie Kohlendioxid, das in Meeren gebunden wird, wieder auf -aber ebenso die unerwünschten Kuppelprodukte aus Konsum und Produktion, etwa die Schwermetalle am Ende des Materialkreislaufs.“

Natürliche Ressourcen lassen sich in einer groben Einteilung durch drei Kriterien kennzeichnen erstens durch ihre Regenerierbarkeit, zweitens durch die Möglichkeit, Menschen von ihrer Nutzung auszuschließen, und drittens durch ihre Verwendung als Konsumgüter oder Produktionsmittel. Vor dem wachstumspolitischen Hintergrund steht die Analyse der natürlichen Ressourcen als Produktionsfaktoren im Mittelpunkt. Zunächst wird der Produktionsfaktor Natürliche Ressource -unabhängig von den Klassifizierungsmöglichkeiten -als knappes Gut betrachtet. Da wachstumspolitische Problemstellungen immer im Zeitablauf analysiert werden müssen, gilt es, die konkurrierenden Verwendungsmöglichkeiten der knappen natürlichen Ressourcen im Zeitablauf zu betrachten. Die zukünftigen Generationen sind in zweifacher Weise betroffen: zum einen entzieht der gegenwärtige Verbrauch von nicht regenerierbaren Ressourcen den in der Zukunft lebenden Menschen definitiv deren Nutzungsmöglichkeit, und zum anderen bestimmt jede Nutzung der Umwelt die Startbedingungen für die zukünftigen Generationen.

Im folgenden werden zunächst wirtschaftspolitische Maßnahmen betrachtet, die eine „optimale“ Inanspruchnahme der Ressourcen gewährleisten sollen, und sodann Maßnahmen, die auf eine „optimale“ Nutzung der Umwelt gerichtet sind. Die angestrebte Optimalität bedeutet dabei, daß die vorhandenen Mittel -bei den gegebenen Knappheiten -so eingesetzt werden, daß sie den Nutzen der gegenwärtig und zukünftig lebenden Menschen maximieren. a) Ressourcenpolitik Zunächst, wird die Inanspruchnahme von natürlichen Ressourcen betrachtet. Die Klassiker (Ricardo, Malthus, Mill) waren der Auffassung, daß die Knappheit der natürlichen Ressourcen (des Bodens) eines Tages das Wachstum zum Erliegen bringen würde. Technischer Fortschritt, der sich wie eine Vermehrung der Ressourcen auswirkt, hat jedoch bisher die Grenze des Wachstums ständig hinausgeschoben Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit eines marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystems ist in der optima-len Allokation knapper Produktionsfaktoren begründet. Der marktliche Allokationsmechanismus sorgt bei einer Verknappung einer Ressource für einen Anstieg des Preises. Dies induziert ein unternehmerisches Interesse an der Angebotsausweitung und eine Reduzierung der Nachfrage Zu fragen ist hier, ob Märkte auch intertemporal für eine optimale Allokation knapper Produktionsfaktoren -und hier im besonderen der natürlichen Ressourcen -sorgen. Künftige Generationen sind von den gegenwärtigen Entscheidungen -und besonders vom Verbrauch erschöpfbarer Ressourcen -betroffen. Das Dilemma für diese Menschen besteht jedoch darin, daß sie selbst keine Eigentumsrechte an diesen erschöpfbaren Ressourcen durchsetzen können, um damit ihre Präferenzen zum Ausdruck zu bringen. Die volkswirtschaftlichen Kosten der Nutzung erschöpfbarer Ressourcen müßten daher neben den Explorations-und Extraktionskosten auch den Verzicht späterer Generationen auf die heute verbrauchten Ressourcen enthalten

Der Einsatz ressourcensparender Instrumente wird entscheidend von der Frage beeinflußt, ob Märkte eine -auch im Sinne zukünftiger Generationen -effiziente Verwendung der natürlichen Ressourcen ermöglichen. Zusätzlich werden die Maßnahmen vom vorhandenen Reichtum an natürlichen Ressourcen bestimmt. Ressourcenanbietende Länder haben andere Zielsetzungen (etwa Einnahmemaximierung) als ressourcennachfragende Länder (etwa niedrige Preise, Unabhängigkeit vom Ressourcengeber, Absicherung gegen Versorgungsengpässe und Entwicklung von Substitutionsmöglichkeiten).

Die wirtschaftspolitischen Möglichkeiten bestehen in mengen-und preispolitischen Maßnahmen Hierzu zählen z. B. ordnungspolitische Instrumente wie die gesetzliche Zuteilung von Entnahme-und Nutzungsrechten oder die Einrichtung von Terminmärkten; steuerpolitische Instrumente wie Abbau-, Verbrauchs-oder Gewinnsteuern, die die Rahmenbedingungen sowohl für die Anbieter als auch für die Nachfrager der Ressourcen verändern sollen, sowie direkte staatliche Eingriffe mittels Produktionsquoten oder Rationierungen. Für die ressourcenarmen Länder -zu denen überwiegend die Industrieländer zählen -spielt die Förderung von Alternativtechnologien eine große Rolle. b) Umweltpolitik Der zweite Aspekt im Zusammenhang von natürlichen Ressourcen und Wirtschaftswachstum umfaßt die Nutzung der Umwelt durch Konsum-und Produktionsaktivitäten. Die Umwelt dient als Auffangbecken (als Senke, wie es Siebert ausdrückt) für Abfallstoffe. Das Problem besteht darin, daß die Umweltqualität mit steigenden Schadstoffmengen, die durch menschliches Handeln verursacht werden, sinkt. Die Erhaltung der Umwelt ist in langfristiger Betrachtung eine notwendige Voraussetzung für Wirtschaftswachstum. Auf kurze Sicht bindet der Umweltschutz jedoch Produktionsfaktoren, die somit nicht mehr für eine wachstumswirksame Verwendung zur Herstellung von Gütern zur Verfügung stehen. Gleichzeitig tragen die Anforderungen im Umweltschutz jedoch wiederum zur Schaffung neuer Industrien und somit neuer Wachstumspotentiale bei. Über die Gewichtung dieser Argumente bestehen unterschiedliche Bewertungen.

Ausgangspunkt für die Betrachtung von umweltpolitischen Handlungsmöglichkeiten ist die Feststellung, daß negative externe Effekte und die Eigenschaft öffentlicher Güter eine effiziente Nutzung der Umwelt verhindern. Welche Möglichkeiten bleiben dem Staat, durch eine aktive Umweltpolitik dieses Problem zu lösen? Im Grunde sind dies die mengen-und preispolitischen Maßnahmen, die schon im Bereich der Ressourcenpolitik genannt wurden

Die wichtigste Aufgabe der Umweltpolitik ist in der Erzielung von Anreizwirkungen zu sehen. Diese sollen einen Verursacher von Umweltschäden veranlassen, Produktionsverfahren zu entwikkeln und einzusetzen, die die Umweltbeeinträchtigung durch den Produktionsprozeß vermindern. Die Schwerpunkte einer erfolgreichen Umweltpolitik liegen in der Förderung des technischen Fortschritts, der die gewünschten Produktionsergebnisse mit einem geringeren Ressourcenverbrauch und einer geringeren Beeinträchtigung der Umwelt ermöglicht.

III. Chancen einer Neuen Wachstumspolitik

1. Die Weckung des technischen Fortschritts

Man kann die herkömmliche Wachstumspolitik mit einem Schlüsselbegriff bezeichnen: das Unvollständige vollständig machen. Nichts anderes war es, wenn man in der älteren Theorie die Arbeitsteilung und den Wettbewerbsmechanismus anpries; es ging um den effizienten Einsatz der volkswirtschaftlichen Leistungskräfte. Ist aber der Perfektionszustand einmal erreicht -was natürlich auf Grund ständiger Marktänderungen nie gelingt -, dann ist das Ziel der Wachstumspolitik erreicht. Solow hatte die geniale Idee, daß das doch nicht alles ist, weil wir Wachstum auch dem technischen Fortschritt verdanken. Das Problem war allerdings, daß wir den technischen Fortschritt nicht steuern können; denn Techniker bescheren ihn uns kraft ihrer Talente, ihrer Einfallskraft und ihrer Erfindungen. So ist der technische Fortschritt wie ein Geschenk der Natur. Ein Kundiger kann ihn für uns erschließen, sein Gebieter sind wir aber nicht.

Aber können wir den technischen Fortschritt wirklich auf keine Weise beeinflussen? Die Theoretiker der Neuen Wachstumstheorie bezweifeln das und versuchen, mit plausiblen Argumenten und ersten empirischen Hinweisen zu belegen, daß der technische Fortschritt nicht außerhalb des ökonomischen Kreislaufes steht, sondern durch die Ökonomie eines Landes zum guten wie zum schlechten Gedeihen beeinflußt werden kann.

Die entscheidenden Neuerungen in diesen Theorien sind nämlich die folgenden Behauptungen: Erstens wird festgestellt, daß der Anreiz zu Forschung und Entwicklung nicht mit dem Bestand an Technologie abnimmt -gleichsam eine Sättigung erreicht, wie man früher dachte -, sondern gleichbleibt. Zweitens können durch den Einsatz von Technologie und Humankapital zunehmende Skalenerträge (eine Verdopplung aller Produktions­ faktoren führt nunmehr zu mehr als einer Verdopplung des Produktionsergebnisses) realisiert werden. Diese beiden Kernaussagen werden im wesentlichen mit der Entstehung von externen Effekten begründet. Demnach erhöhen Investitionen in die Entwicklung neuer Technologien und in die Bildung von Humankapital nicht nur die Produktionseffizienz der Investoren, sondern auch die Effizienz anderer Produzenten in der gleichen Branche. Gegebenenfalls ist die Wirkung branchenübergreifend, und es kann von einer Art „gesamtwirtschaftlicher Synergie“ gesprochen werden

Die Neue Wachstumstheorie lenkt also in der Tat die Analyse auf die Tatsache, daß Länder die effiziente Verwendung der wichtigen Produktionsfaktoren Technologie und Humankapital selbst beeinflussen können. Wenn man die Bestrebungen der Neuen Wachstumspolitik ebenfalls, wie die der al-ten, auf eine Kurzformel bringen will, so könnte man vielleicht sagen, ihr Ziel ist es, das Unentdeckte entdeckbar zu machen.

2. Technologie-, Forschungs-und Innovationspolitik

Ansatzpunkt der politischen Einflußnahme sind zum einen Bestrebungen, positive und negative Externahtäten zu intemalisieren, und zum anderen Versuche, in bestimmten Bereichen das unternehmerische Risiko zu verringern Technisches Wis-sen beschränkt sich in vielen Fällen nicht nur auf den Bereich, in dem es durch Erfindungen und Innovation entsteht, sondern überträgt sich auf anderen Branchen. In diesen Fällen hat technisches Wissen den Charakter eines öffentlichen Gutes, und staatliche Förderung ist auf die Kompensation der externen (sozialen) Erträge ausgerichtet Die ordnungspolitische Orientierung wird zwar nach wie vor durch die Wettbewerbspolitik -und hier vor allem durch eine effiziente Ausgestaltung des Patentwesens -vorgegeben. Ein aktiveres Eingreifen in den Prozeß der Entdeckung von Neuem und dessen Anwendung in der Produktion findet aber durch eine Gemeinschaftsforschung oder durch Grundlagenforschung statt, die in staatlicher Regie durchgeführt wird. Dabei leistet der Staat Zu-Schüsse an Unternehmen, um deren Innovationsleistung zu fördern. In Abhängigkeit von Nutzungsmöglichkeiten der Innovation für andere Marktteilnehmer varriiert die Beteiligung der geförderten Unternehmen an den Gesamtkosten

3. Bildungspolitik als Humankapitalpolitik

Wesentlicher Bestandteil der Neuen Wachstumstheorie ist die Berücksichtigung von Humankapital als Determinante der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes. Kemaussage der Modelle ist die Feststellung, daß vom Humankapital positive externe Effekte ausgehen. Analysiert werden dabei die Wirkungen des Humankapitals auf den Be-stand des physischen Kapitalstocks einer Volkswirtschaft sowie auf die Effizienz des Faktors Arbeit. Als Indikator für das in einer Gesellschaft vorhandene Humankapital wird das jeweilige Bildungssystem -in erster Linie die Organisation und Dauer der Schul-und Berufsausbildung -herangezogen. Aufgrund der vom Humankapital ausgehenden positiven externen Effekte scheint eine Rechtfertigung für ein staatliches, steuerfinanziertes Bildungssystem zu bestehen. Zu prüfen ist jedoch, ob diese allgemeine Beschreibung der positiven externen Effekte einer genaueren Betrachtung standhält. Es besteht nämlich die Gefahr, die genannten externen Effekte mit der Wirkung des Tausches beziehungsweise der Arbeitsteilung des Marktes zu verwechseln Durch eine qualifizierte Ausbildung erzielt ein Wirtschaftssubjekt zwar eine hohe Grenzproduktivität im Produktionsprozeß, diese wird aber in einem marktwirtschaftlich organisierten System auch durch eine hohe Entlohnung entgolten. Insofern liegen gar keine externen Effekte vor, die es durch staatliche Maßnahmen zu internalisieren gilt. Allerdings hat ein hoher Bildungsgrad einzelner Wirtschaftssubjekte nicht nur Auswirkungen auf die Produktivität der betreffenden Person, sondern auch positive, produktivitätssteigernde Wirkungen auf die Arbeitskollegen in diesem Bereich. Eine effiziente Produktion aufgrund einer qualifizierten Ausbildung hat zusätzlich branchenübergreifende positive Wirkungen. Dabei ist diese übergreifende Wirkung um so stärker, je höher das durchschnittliche Bildungsniveau einer Gesell-Schaft ist. Bei einem im Durchschnitt hohen Bildungsniveau erfolgt eine schnelle Diffusion des technischen Wissens in der Produktion.

Die Mobilität des technischen Wissens ist noch aus einem weiteren Grund von Bedeutung: Bei der Erklärung von unterschiedlich raschen wirtschaftlichen Entwicklungen verschiedener Länder spielt die Fähigkeit der Menschen hinsichtlich der Aufnahme des international mobilen technischen Wissens eine große Rolle.

Abgesehen von diesen Wirkungen der Bildung, sind (wie erste empirische Studien nachweisen) weitere „außerökonomische“ Einflüsse der Bildung auf die Produktivität einer Gesellschaft von Bedeutung. Positive Wirkungen gehen hier in erster Linie von der Elementarbildung einer Gesellschaft aus. Durch diese wird etwa die Stabilität des politischen Systems (durch die Förderung eines demokratischen Bewußtseins) positiv beeinflußt, die Kriminalitätsrate in einer Gesellschaft verringert, das Problem des Verhungerns gemindert und die Kommunikation (etwa durch die Verbesserung der Sprachkenntnisse) verbessert.

Trotz unterschiedlicher Vorgehensweisen der Autoren der Neuen Wachstumstheorie bezüglich Definition und Einbeziehung des Humankapitals in die Erklärung des wirtschaftlichen Wachstums folgt aus ihren Arbeiten das eindeutige Ergebnis, daß Investitionen in Humankapital hochrentierliche Investitionen sind, die die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes nachhaltig positiv beeinflussen. In einer empirischen Überprüfung dieser Aussage stellt Barro fest, daß in 98 Ländern der Erde die Pro-Kopf-Einkommen (als Resultat der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) um so schneller wuchsen, je besser die Schulausbildung der Bevölkerung war

Die aktuelle politische Diskussion des Themas Bildungspolitik -vor allem in den USA -ist geprägt von der Erkenntnis des Zusammenhangs zwischen der Förderung des gesellschaftlichen Humankapitals durch bildungspolitische Maßnahmen und dem wirtschaftlichen Wachstum. Im Regierungsprogramm des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton spielt die Reform des Schul-und Ausbildungswesens eine wesentliche Rolle. Als Motive dieser Reform werden weniger Verteilungsziele genannt, sondern die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der USA und Impulse für das Wachstum der Güterversorgung Unterstützung für eine solche Akzentuierung der Politik erhält die Administration vom letztjährigen Nobelpreisträger Gary S. Becker, der rät, beim Versuch, das Wirtschaftswachstum zu stimulieren, vor allem drei Schwerpunkte zu setzen: „die Grundlagenforschung stärken, die Infrastruktur verbessern und mehr Geld für die Ausbildung der unteren 20 Prozent der Bevölkerung bereitstellen“

Der Verfasser bedankt sich bei Herrn Dipl. -Volkswirt Rainer Kambeckfiir die Mitarbeit.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Bernhard Heitger, Bestimmungsfaktoren internationaler Wachstumsdifferenzen, in: Die Weltwirtschaft, (1985), S. 49.

  2. Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR), Für Wachstumsorientierung -gegen lähmenden Verteilungsstreit, Jahresgutachten 1992/93, Anhang V, S. 269-272. Siehe zur Bewertung der beiden Indikatoren Wolfgang Strohm, Das BIP ist als Wachstumsindikator vorzuziehen, in: Handelsblatt vom 6. Z 7. 11. 1992.

  3. Vgl. Jürgen Pätzold, Stabilisierungspolitik, Grundlagen der nachfrage-und angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, Bern-Stuttgart 19914, S. 38.

  4. Vgl. Jürgen Kromphardt, Wachstum und Konjunktur, Grundlagen ihrer theoretischen Analyse und wirtschaftspolitischer Steuerung, Göttingen 19772, S. 121.

  5. Siehe hierzu die Grafik in: SVR, Vorrang für die Wachstumspolitik -Jahresgutachten 1987/88, Stuttgart-Mainz 1987, S. 66.

  6. Vgl. J. Pätzold (Anm. 3), S. 38f.

  7. Vgl. Horst Sichert, Das Wagnis der Einheit -eine wirtschaftspolitische Therapie, Stuttgart 1992, S. 45.

  8. Vgl. Bernhard Felderer/Stefan Homburg, Makroökonomik und neue Makroökonomik, Berlin u. a. 19915, S. 72 ff.

  9. Der marginale Kapitalkoeffizient gibt an, wieviel Kapital eine Volkswirtschaft einsetzen muß, um eine weitere Outputeinheit herzustellen.

  10. Vgl. Manfred Neumann, Wachstumstheorie, in: Willi Albers (Hrsg.), Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW), Bd. 8, Stuttgart-New York 1980, S. 464.

  11. Vgl. M. Neumann (Anm. 10), S. 464.

  12. Vgl. etwa Jürgen Heubes, Konjunktur und Wachstum, München 1991, S. 251.

  13. Vgl. SVR, Auf dem Weg zu mehr Beschäftigung. Jähresgutachten 1985/86, Stuttgart-Mainz 1985, S. 152.

  14. Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen-Zürich I 9603, S. 245f.

  15. Ebd., S. 246.

  16. Vgl. Ulrich Teichmann, Grundlagen der Wachstumspolitik, München 1987, S. 233.

  17. Vgl. W. Eucken (Anm. 14), S. 285-289.

  18. Vgl. Joseph A. Schumpeter, Konjunkturzyklen -eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses, Bd. 1, Göttingen 1961, S. 110-117. Zur Erläuterung der Konjunkturzyklen siehe Kap. IV, S. 139-202.

  19. Vgl. J. Heubes (Anm. 12), S. 253.

  20. Vgl. ebd., S. 255, und J. Pätzold (Anm. 3), S. 178ff.

  21. Vgl. SVR (Anm. 2), S. 197ff.

  22. Vgl. J. Pätzold (Anm. 3), S. 181 f.

  23. Vgl. ebd., S. 193ff.

  24. Vgl. ebd., S. 304ff.

  25. Vgl. Manfred Willms, Strukturpolitik, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Bd. 2, München 19925, S. 373.

  26. Siehe hierzu Werner Meißner/Wemer Fassing, Wirtschaftsstruktur und Strukturpolitik, München 1989, S. 134ff.

  27. Vgl. W. Meißner/W. Fassing (Anm. 26), S. 169.

  28. Vgl. H. Siebert (Anm. 7), S. 65ff.

  29. Vgl. J. Heubes (Anm. 12) S. 264ff.

  30. Vgl. ebd., S. 266.

  31. Zur Begründung einer Strukturerhaltungspolitik siehe M. Willms (Anm. 25), S. 396f.

  32. Vgl. J. Heubes (Anm. 12), S. 267.

  33. Horst Sichert, Natürliche Ressourcen und Weltwirtschaft, in: Weltwirtschaftliches Archiv, (1990), S. 1.

  34. Vgl.ders., Ökonomische Theorie der natürlichen Ressourcen, Tübingen 1983, S. 2ff.

  35. Vgl. M. Neumann (Anm. 10), S. 468.

  36. Vgl. J. Heubes (Anm. 12), S. 270f.

  37. Vgl. Dieter Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, Oldenburg 19926, S. 76.

  38. Siehe zu einer ausführlichen Darstellung der ressourcenpolitischen Instrumente: H. Sichert (Anm. 34), S. 295 ff.

  39. Siehe zu einer Analyse der umweltpolitischen Instrumente: Joachim Weimann, Umweltökonomik. Eine theoretische Einführung, Berlin u. a. 1990, S. 109 ff.

  40. Die zentralen Beiträge der Neuen Wachstumstheorie sind: Robert J. Barro, Economic Growth in a cross-section of countries, in: Journal of Economics, 106 (1991), S. 407-443; Gary S. Becker/Kevin M. Murphy/Robert Tamura, Human Capital, Fertility and Economic Growth, in: Journal of Political Economy, 98 (1990) 5, S. S 12-S 37; Robert E. Lucas Jr., On the Mechanics of Economic Development, in: Journal of Monetary Economics, 22 (1988), S. 3-42; Paul M. Römer, Increasing Returns and Long-Run Growth, in: Journal of Political Economy, 94 (1986) 5, S. 1002-1037.

  41. Vgl. Bert Hofmann/Michael J. Koop, Die „Neue“ Wachstumstheorie und ihre Bedeutung für die Wirtschaftspolitik, in: Die Weltwirtschaft, (1991) 2, S. 86-94, hier S. 90.

  42. Siehe zu den Begründungen etwa U. Teichmann (Anm. 16), S. 225ff., und Karl Heinrich Oppenländer, Wachstumstheorie und Wachstumspolitik: die Strukturdynamik als wesentlicher Erklärungsfaktor des wirtschaftlichen Wachstums und als Ansatzpunkt für eine innovationsbezogene Wachstumspolitik, München 1988, S. 229ff.

  43. Vgl. M. Willms (Anm. 25), S. 393f.

  44. Vgl. SVR (Anm. 13), S. 154f. Siehe zu einer ausführlichen Diskussion verschiedener Maßnahmen: Karl-Ludwig Gutberiet, Alternative Strategien der Forschungsförderung, Tübingen 1984, hier insb. die genannten Beispiele auf S. 50ff.

  45. Vgl. Ulrich van Lith, Der Markt als Ordnungsprinzip des Bildungsbereichs, München 1985, S. 18ff.

  46. Siehe zum Zusammenhang zwischen Humankapital, Geburtenrate und Wirtschaftswachstum G. S. Becker/K. M. Murphy/R. Tamura (Anm. 40).

  47. Vgl. R. J. Barro (Anm. 40), S. 407ff.

  48. Früher begründete man die staatliche Förderung des Bildungswesens mit dem Argument, daß man allen die gleichen Startchancen für Berufsausbildung und berufliches Einkommen gewährleisten wolle und somit einen Beitrag zur Verteilungsgerechtigkeit liefern könne.

  49. Vgl. Die Wirtschaftswoche, Nr. 2 vom 8. 1. 1993, S. 30-32.

  50. Gary S. Becker in einem Interview der Wirtschaftswoche, Nr. 7 vom 12. 2. 1993, S. 27.

Weitere Inhalte

Klaus Mackscheidt, Dr. rer. pol., geh. 1935; Universitätsprofessor; Direktor des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitutes an der Universität zu Köln. Veröffentlichungen u. a.: Zur Theorie des optimalen Budgets, Tübingen 1973; Finanzpolitik, Bd. 1 und Bd. 2, Tübingen 1973 und 1978; Budgetwirkungen und Budgetpolitik, Stuttgart 1977; Präferenzen für Staatsausgaben, Baden-Baden 1992.