Der Verkehrssektor wurde lange Zeit als Ausnahmebereich vom Wettbewerb behandelt. Die zur Begründung vorgebrachten „Besonderheiten“ dieses Sektors vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Mit dem europäischen Binnenmarktprojekt sind erste Schritte zur Liberalisierung der Transportmärkte auch in der Bundesrepublik erfolgt. Andererseits steht dem eine neue, vorwiegend umweltpolitisch motivierte Tendenz zu staatlichen Eingriffen in die Verkehrsmärkte gegenüber. Für die kommenden 20 Jahre ist noch mit deutlich zunehmenden Verkehrsleistungen sowohl im Güter-als auch im Personenverkehr zu rechnen. Einer Umlenkung dieser Verkehrsströme von der Straße auf Schiene und Binnenschiff stehen die systembedingten Grenzen der Massenverkehrsmittel entgegen. Allenfalls ein geringer Teil des Verkehrszuwachses wird von diesen Verkehrsmitteln zu bewältigen sein. Um so dringlicher stellt sich die Frage nach der Umweltverträglichkeit des Straßenverkehrs bzw. nach seinen externen Kosten. Hier stehen sich mit dem ordnungsrechtlichen und dem ökonomischen Ansatz zwei grundsätzlich verschiedene Lösungsvorschläge gegenüber. Dem ökonomischen Ansatz gebührt aufgrund seiner Effizienzvorteile i. d. R.der Vorzug, wenngleich auf das Ordnungsrecht nicht völlig verzichtet werden kann. Auch unter gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten weisen ökonomische Anreizsysteme wesentliche Vorzüge gegenüber Ge-und Verboten auf. Notwendig ist aber in jedem Falle eine soziale Flankierung von Maßnahmen, die den Verkehr verteuern. Diese sollte vorzugsweise auf dem Wege der subjektbezogenen Sozialpolitik (direkte Steuern und Transfers) erfolgen, nicht aber durch subventionierte Verkehrspreise, da sonst die erwünschten Anreizwirkungen wieder verlorengehen würden.
I. Verkehr im Spannungsfeld von Ökonomie und Politik
Die Verkehrspolitik hat lange Zeit ein Schattendasein im Bewußtsein nicht nur der Politiker, sondern auch der Ökonomen geführt. Zwar ist die Verkehrsinfrastruktur -Straßen, Schienen, Wasserstraßen -schon immer auch unter Beachtung staatswirtschaftlicher Gesichtspunkte angelegt worden: Im 19. Jahrhundert standen vor allem militärische, später dagegen eher raumwirtschaftliche Ziele im Vordergrund. Gleichwohl ist der Verkehrssektor bis in die jüngste Zeit überwiegend als sog. Ausnahmebereich der allgemeinen Wirtschaftspolitik betrachtet und beispielsweise im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 1957 auch so behandelt worden. Folgende Besonderheiten wurden hierfür als Begründung vorgetragen -Zum einen stellt die Infrastruktur nach weithin vertretener Auffassung ein sog. öffentliches Gut dar, welches nicht durch Markt und Wettbewerb bereitgestellt werden kann. So wäre es offensichtlich unsinnig, mehrere konkurrierende Straßen-oder Schienennetze nebeneinander zu betreiben, wenn die gesamte Verkehrsnachfrage ebensogut über ein einziges Netz für jeden Verkehrsträger abgewickelt werden kann. Die ausgeprägten Größen-und Verbundvorteile, die ein einziges, integriertes Netz bietet, machen die Verkehrsinfrastruktur quasi zu einem „natürlichen Monopol“, welches konsequenterweise zumindest unter staatliche Aufsicht zu stellen ist
-Zum zweiten werden für den eigentlichen Transport von Personen und Gütern ebenfalls bestimmte Besonderheiten geltend gemacht, die einer rein wettbewerblichen Bereitstellung dieser Leistungen im Wege stehen. So arbeitet etwa die Binnenschiffahrt mit einem hohen An-teil fixer Kosten, die nicht unmittelbar mit der transportierten Gütermenge variieren: Die Abschreibungen und Personalkosten des Binnen-schiffes fallen unabhängig davon an, ob es mit halber oder voller Ladung fährt. Dies, so die weitere Argumentation, führe insbesondere in nachfrageschwachen Zeiten zu „ruinöser Konkurrenz“.
Gemeint ist damit, daß die Binnenschiffer Fahrten zu fast jedem Preis annehmen und sich in volkswirtschaftlich funktionslosen Preiskämpfen gegenseitig ruinieren. Ähnlich wurde lange Zeit für den Straßengüterverkehr argumentiert; er wurde folglich vergleichbar der Binnenschiffahrt zahlreichen staatlichen Reglementierungen und Kapazitätsbeschränkungen unterworfen.
-Eine dritte Argumentationslinie hebt auf die besondere soziale und raumwirtschaftliche Verantwortung des Verkehrssektors ab. So gilt beispielsweise für die Deutsche Bundesbahn bis heute das Prinzip der „Tarifgleichheit im Raum“, d. h. jedermann soll unabhängig von seinem Wohnort den gleichen Fahrpreis pro Entfernungskilometer zahlen. Es liegt auf der Hand, daß dieses Prinzip nur durch Subventionierung der entlegenen und der dünn besiedelten Regionen verwirklicht werden kann, denn dort muß mit geringer Auslastung und daher mit überdurchschnittlich hohen Kosten pro Fahrgast gefahren werden.
-In der jüngeren Diskussion tritt eine vierte Argumentationslinie in den Vordergrund, die auf die sog. externen Kosten des Verkehrs abzielt.
Gemeint sind vor allem Umweltschäden, die der Verkehr verursacht und die nicht von den Verkehrsteilnehmern getragen werden, sondern der Allgemeinheit zur Last fallen. Speziell im Falle des motorisierten Straßenverkehrs (Pkw und Lastkraftwagen) wird in diesem Zusammenhang ferner auf die Zunahme von Staus sowie auf die besondere Unfallträchtigkeit dieser Verkehrsmittel verwiesen. Gerade mit der Umwelt-und Unfallproblematik kommen damit Gesichtspunkte in die Diskussion, die einer rein ökonomischen Betrachtungsweise des Verkehrs und damit einer rein marktwirtschaftlichen Organisation dieses Sektors entgegenzustehen scheinen. Nimmt man alle diese Argumente zusammen, so verwundert es kaum, daß der Verkehrssektor in praktisch allen Staaten einer mehr oder weniger rigiden staatlichen Einflußnahme und Kontrolle unterliegt oder zumindest lange Zeit unterlag. So wurden in Deutschland bereits im Zuge der Gründerkrise zwischen 1875 und 1885 praktisch alle privaten Eisenbahnlinien vom Staat aufgekauft; 1920 wurden sie in einer staatlichen Monopoleisenbahn, der Deutschen Reichsbahn, zusammengefaßt. Auch die ursprünglich privat betriebenen Unternehmen des Personennahverkehrs wurden schon bald in staatliches, meist kommunales Eigentum überführt. Neben den erwähnten staatswirtschaftlichen Zielen standen dabei allerdings auch rein fiskalische Erwägungen im Vordergrund, denn sowohl die Eisenbahn als auch der kommunale Nahverkehr warfen bis in die dreißiger Jahre hinein noch beträchtliche Gewinne ab. So diente z. B. die Deutsche Reichsbahn noch bis zum Jahre 1932 als wichtige Quelle für die Aufbringung der Reparationszahlungen des Deutschen Reiches an die Siegermächte des Ersten Weltkrieges.
Für die beiden anderen großen Binnenverkehrsträger wurden in den dreißiger Jahren sogenannte Marktordnungen geschaffen, welche sowohl Angebotsbeschränkungen im Wege staatlicher Kontingente als auch strenge Preisvorschriften beinhalteten. Unmittelbarer Anlaß waren die Jahre der Weltwirtschaftskrise (ab 1929), die dem Verkehrs-sektor -allerdings nicht nur diesem -Überkapazitäten und ruinöse Preiskämpfe bescherten. Mindestens ebenso gewichtig war aber schon damals der Schutz der Eisenbahn, die zunehmend unter den Konkurrenzdruck des Straßenverkehrs geriet und zudem ihrerseits durch die staatlichen Preis-und Fahrplanvorschriften daran gehindert war, den Wettbewerb mit dem neuen Konkurrenten erfolgreich zu bestehen.
So entstand ein dichtes Geflecht staatlicher Monopole und Reglementierungen, welches ungeachtet zaghafter Liberalisierungsansätze Anfang der sechziger Jahre bis heute Bestand hat. Erst in jüngster Zeit ist es im Zuge der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes zu einem verkehrspolitischen Umdenken auch in der Bundesrepublik gekommen. Angestoßen durch beherzte Liberalisierungsschritte im Ausland, insbesondere in den USA und in Großbritannien hat sich inzwischen die EG-Kommission an die Spitze einer entsprechenden Liberalisierungsbewegung in Europa gesetzt und damit die Mitgliedstaaten der EG zu einer Auflockerung ihrer nationalen Verkehrsmarktordnungen gezwungen
Inzwischen hat das Binnenmarktprojekt in dieser Hinsicht eine starke Eigendynamik entwickelt. Beispielsweise wird die ursprünglich als Schutzmaßnahme gedachte Kontingentierung des deutschen Güterstraßenfernverkehrs zunehmend zu einer Benachteiligung dieses Gewerbes gegenüber den ausländischen Konkurrenten, da diesen durch die Liberalisierung des grenzüberschreitenden Verkehrs immer größere Wettbewerbsvorteile erwachsen. Diese sog. „Umkehrdiskriminierung“ beginnt inzwischen selbst die Interessenlage der deutschen Güterkraftverkehrswirtschaft zu verändern, so daß sogar von dieser Seite der Druck auf eine Deregulierung der Verkehrsmärkte zunimmt. Am Ende dürfte zweifellos die Aufhebung der inländischen Kontingente sowie die Verwirklichung des sog. Kabotagerechts stehen, d. h., die ausländischen Güterkraftverkehrsunternehmen werden mit den inländischen Anbietern um Transporte innerhalb Deutschlands konkurrieren können, von denen sie bisher noch weitgehend ausgeschlossen sind
Allerdings wird es in diesem Zusammenhang unumgänglich sein, die teilweise erheblichen Unterschiede in den Wettbewerbsbedingungen der Güterkraftverkehrsunternehmen in den Mitglieds-ländern der EG zu beseitigen, zumindest aber abzumildem. So ist die deutsche Kraftverkehrswirtschaft im Gegensatz zu ihren Konkurrenten etwa aus Frankreich oder aus Südeuropa strengen Kontrollen von Fahrzeugen und Lenkzeiten ihrer Fahrer unterworfen, wobei die Unterschiede nicht nur in den nationalen Verordnungen, sondern vor allem in deren Überwachung liegen. Noch gravierendere Differenzen sind hinsichtlich der Steuerbelastung feststellbar: Ein deutscher Spediteur zahlt für seinen 38t-Lastzug 9364 DM Kfz-Steuern pro Jahr, während sein niederländischer Konkurrent mit umgerechnet 2028 DM davonkommt; in Frankreich beträgt der entsprechende Steuerbetrag gar nur umgerechnet 118 DM Auch die Mi-neralölsteuer differiert in den einzelnen EG-Ländern noch erheblich und zudem müssen z. B. in Frankreich oder Italien Straßenbenutzungsgebühren gezahlt werden, während die in diesen Ländern stationierten Lkw ihrerseits das deutsche Straßennetz kostenlos benutzen.
Inzwischen hat die Bundesregierung zwar auch für die deutschen Autobahnen eine per Vignette zu erhebende Straßenbenutzungsgebühr beschlossen, um diesem Mißstand abzuhelfen. Aber selbst wenn diese -von In-und Ausländem gleichermaßen zu entrichtende -Gebühr von der EG genehmigt werden sollte, bleibt noch Harmonisierungsbedarf, um vergleichbare Wettbewerbsbedingungen auf den europäischen Transportmärkten zu schaffen.
II. Neue Herausforderungen durch Binnenmarkt und Osteuropa
Was die von wissenschaftlicher Seite seit Jahrzehnten vorgetragene Kritik an den Besonderheiten des Verkehrssektors und den daraus entstandenen Wettbewerbsbeschränkungen nicht bewirken konnte, scheint sich nunmehr als Folge des Binnenmarktprojektes in wenigen Jahren fast von selbst zu vollziehen. Überall in Europa werden derzeit die „Marktordnungen“ im Güterkraftverkehr und in der Binnenschiffahrt gelockert; es sind sogar Bestrebungen im Gange, die Eisenbahnen und die öffentlichen Nahverkehrsunternehmen wieder näher an Markt und Wettbewerb heranzuführen. Dabei spielen allerdings -ähnlich wie seinerzeit bei der Verstaatlichung dieser Unternehmen -erneut fiskalische Erwägungen eine wichtige Rolle, nur diesmal mit gleichsam umgekehrten Vorzeichen. Denn die staatlichen Verkehrsbetriebe haben sich im Laufe der Zeit zu stark defizitären Unternehmen gewandelt, die inzwischen eine ernsthafte haushaltspolitische Belastung darstellen. So hat die von der Bundesregierung eingesetzte Bahnkommission in ihrem jüngst vorgelegten Gutachten errechnet, daß der kumulierte Zuschußbedarf für die beiden deutschen Eisenbahnen (Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn) bis zum Jahre 2000 insgesamt 417 Mrd. DM erreichen wird, sofern keine tiefgreifenden Reformmaßnahmen ergriffen werden. Allein im Jahre 1991 betrug der Zuschußbedarf 27 Mrd. DM, mit weiter steigender Tendenz
Für diese bedenkliche Entwicklung waren mehrere Faktoren ausschlaggebend. Zum einen hat die Konkurrenz des Straßenverkehrs, teilweise auch des Luftverkehrs, den staatlichen Massenverkehrsuntemehmen stark zugesetzt. Zunehmender Wohlstand der Bevölkerung mit der Folge eines hohen Motorisierungsgrades, ein Wandel in der Produktionsstruktur zu Lasten der sog. eisenbahnaffinen Massengüter (Kohle, Stahl, Getreide, Zement etc.) sowie die abnehmende Bedeutung des Berufsverkehrs zugunsten des Freizeitverkehrs sind wichtige strukturelle Einflußfaktoren, die das Automobil begünstigt haben und in Zukunft weiter begünstigen werden. Zum anderen hat die behördenähnliche Unternehmensstruktur der Eisenbahn und der kommunalen Nahverkehrsbetriebe zusammen mit der Abschottung dieser Unternehmen vom Wettbewerb bewirkt, daß kaum Anreize zu wirtschaftlichem Verhalten bestanden und vorhandene Marktchancen nicht konsequent genutzt wurden. Hinzu kamen vielfältige politische Einflußnahmen, von der Strecken-und Fahrplangestaltung bis hin zur Tarifstruktur, durch welche die öffentlichen Verkehrsunternehmen daran gehindert wurden, sich wettbewerbsgerecht zu verhalten. Ihre Zwitterstellung als gemeinwirtschaftliche, auch sozialen Anliegen verpflichtete Staatsbetriebe einerseits, Marktteilnehmer auf hart umkämpften Transport-märkten andererseits, mußte zwangsläufig zu hohen Defiziten und ordnungspolitischen Widersprüchen führen. Ein weiteres Handicap war und ist die indirekte Begünstigung des Straßenverkehrs durch mangelnde Anlastung seiner sozialen Kosten, wenngleich die hierzu vorgelegten Berechnungen schwierige methodische Probleme aufwerfen und in der Wissenschaft umstritten sind.
All dies hat dazu geführt, daß beispielsweise der Marktanteil der Bundesbahn zwischen 1960 und 1991 im Personenverkehr von 16, 1 auf 6, 4 Prozent und im Güterverkehr von 37, 4 auf 19, 8 Prozent gesunken ist. Dagegen nahm der Anteil der Straße an der gesamten binnenländischen Güterverkehrsleistung von 32 Prozent im Jahre 1960 auf inzwischen 58, 8 Prozent zu. Im Personenverkehr ist der Anteil des motorisierten Individualverkehrs an der Verkehrsleistung seit 1960 von 63, 8 auf 81, 8 Prozent gestiegen. Dagegen hat der entsprechende Anteil des öffentlichen Straßenpersonenverkehrs (Bus-verkehr) im gleichen Zeitraum von 1 2 auf 9, 2 Prozent abgenommen 9.
All dies ist vor dem Hintergrund einer insgesamt ständig steigenden Verkehrsnachfrage zu sehen, die sich im Personenverkehr seit 1960 fast verdreifacht und im Güterverkehr im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt hat. Insbesondere im Straßenverkehr sind inzwischen vielerorts die Infrastrukturkapazitäten überlastet; die tägliche Stauprognose steht z. B. im besonders stark belasteten Ruhrgebiet längst gleichberechtigt neben der Wettervorhersage. Vor allem aber hat die ökologische Problematik dieser Entwicklung zu einer Renaissance staatlicher Lenkungsansätze im Verkehrs-sektor geführt, die den oben angesprochenen Liberalisierungstendenzen entgegengerichtet sind.
Die deutsche Vereinigung und die Öffnung der Märkte Osteuropas tragen neben dem Zusammenwachsen Westeuropas zu einer weiteren Verschärfung der Problemlage bei. So wird eine verstärkte Arbeitsteilung im künftigen Europäischen Wirtschaftsraum, der außer den EG-Ländem die EFTA-Länder umfassen wird, nicht ohne zusätzliches Verkehrsaufkommen zu erreichen sein, und der größte Teil dieses Zuwachses wird zweifellos auf der Straße zu verzeichnen sein. In den dem jüngsten Bundesverkehrswegeplan zugrundegelegten Prognosen wird für Gesamtdeutschland mit einer Zunahme des Individualverkehrs um 29 Prozent und mit einer Zunahme des Straßengüterfernverkehrs um 95 Prozent bis zum Jahr 2010 gegenüber dem Basisjahr 1988 gerechnet (Szenario „H") 10. Eisenbahn und Binnenschiffahrt werden dieser Prognose zufolge zwar anteilsmäßig etwas aufholen können, die größten absoluten Zuwächse sind jedoch auf der Straße zu erwarten. An dieser Grundaussage ändert sich auch dann nichts, wenn man das in der Prognose zusätzlich berechnete Alternativszenario „G“ betrachtet, in dem erhebliche Verteuerungen und Beschränkungen des Straßenverkehrs unterstellt werden. Selbst in diesem Szenario sind im Straßenpersonenverkehr noch Zuwächse um 18 Prozent bzw. im Straßengüterfemverkehr um 32 Prozent bis zum Jahre 2010 zu erwarten.
Diese Zahlen mögen angesichts der schon heute erreichten ökologischen Belastungen durch den Straßenverkehr und der teilweise bereits bis an die Kapazitätsgrenze ausgelasteten Infrastruktur erschrecken. Gleichwohl wäre es voreilig, die gerade erst in Gang gekommene Liberalisierung der Verkehrsmärkte rückgängig machen zu wollen oder gar die Öffnung der europäischen Märkte in Frage zu stellen. Eine sorgfältige Analyse zeigt vielmehr, daß gerade im Verkehrssektor ökonomische und ökologische Erfordernisse durchaus Hand in Hand gehen können, wenn die Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden.
Ein Beispiel dafür ist das sog. Leerfahrtenproblem im Güterkraftverkehr. Solche Leerfahrten werden durch die Verkehrsmarktordnung der Bundesrepublik geradezu erzwungen, denn dem Werkverkehr (also dem Lkw-Verkehr großer Unternehmen zum Transport ihrer eigenen Produkte) ist es untersagt, Frachten Dritter zu befördern. Würde er dies tun, so läge gewerblicher Güterkraftverkehr vor, und dieser ist, wie erwähnt, konzessionspflichtig und im Falle des Fernverkehrs außerdem kontingentiert. Folglich müssen die im Werkverkehr eingesetzten Lkw meist ohne Rückfracht an ihren Standort zurückfahren, was volkswirtschaftlich und ökologisch unsinnig ist. Durch eine Aufhebung der künstlichen Marktspaltung wäre dieses Problem zu lösen. Ähnlich verhält es sich mit dem bereits weitgehend liberalisierten grenzüberschreitenden Verkehr: Einem französischen Lkw, der beispielsweise Fracht von Paris nach Hamburg transportiert, ist es untersagt, anschließend z. B. eine Ladung von Hamburg nach Frankfurt zu befördern, da dies unter den Kabotage-Vorbehalt fiele. Kann er nicht zufällig eine Fracht von Hamburg nach Frankreich finden, muß er leer zurückfahren. Vor diesem Hintergrund ist es wenig erstaunlich, daß die Zahl der Leerfahrten mit der Aufstockung der Kontingente im grenzüberschreitenden Verkehr zugenommen hat, was oft als Argument gegen die Liberalisierung angeführt wird. In Wirklichkeit zeigt dieses Beispiel jedoch, daß die Liberalisierung einzelner Teilmärkte zu kurz greift; notwendig wäre eine Aufhebung auch des Kabotage-Vorbehalts. Man kann ja, um ein vielzitiertes Bild zu verwenden, auch den Rechtsverkehr in England nicht schrittweise einführen, ohne damit kontraproduktive Effekte hervorzurufen. Eine weitgehende Liberalisierung des Güterkraftverkehrs würde es dagegen ermöglichen, über eine bessere Fahrzeugauslastung die ökonomischen und ökologischen Kosten pro transportierter Einheit zu senken. Das Auslastungsproblem muß ferner bedacht werden bei der Frage, welche Rolle Eisenbahn und öffentlicher Personennahverkehr bei der Bewältigung der künftigen Verkehrsströme spielen können. Niemandem wäre damit gedient, hohe Milliardenbeträge in ein verbessertes Angebot dieser Verkehrsmittel zu investieren, wenn diese von der Nachfrage nicht angenommen würden. Auch ökologisch wäre damit nichts gewonnen: Die Bahnkommission hat errechnet, daß das Flaggschiff der Deutschen Bundesbahn, der Intercity Express (ICE), bei der heutigen Auslastung kaum weniger Energie pro Personenkilometer verbraucht als der Pkw, und nicht mehr sehr viel weniger als neuere Flugzeuggenerationen Der Grund liegt in der hohen Geschwindigkeit und in der Schwerbauweise dieses Zuges. Der ICE bewegt bei der derzeitigen Auslastung immerhin vier Tonnen rollendes Material pro Fahrgast.
Damit ist ein grundsätzlicher Zielkonflikt verbunden: Um für die Kunden attraktiv zu bleiben, muß die Eisenbahn schnelle Züge einsetzen und kurze Taktzeiten anbieten. Hohe Geschwindigkeit bedeutet aber hohen Energieverbrauch und kurze Taktzeiten bedeuten tendenziell geringe Auslastungsgrade des einzelnen Zuges. Letzteres gilt erst recht, wenn auch entlegenere Gebiete und verkehrsschwache Zeiten bedient werden sollen, was andererseits wiederum notwendig wäre, um den Kunden eine Netzdichte anbieten zu können, die sie auf den Pkw verzichten läßt.
Man erkennt aus diesen einfachen Überlegungen, daß selbst unter ökologischen Gesichtspunkten die sinnvollen Einsatzmöglichkeiten der Massenverkehrsmittel begrenzt sind, nämlich auf diejenigen Verkehrsrelationen, in denen eine starke Bündelung der Verkehrsströme gelingt. Dies sind aber grundsätzlich die gleichen Verkehrsrelationen, in denen ein Einsatz von Massenverkehrsmitteln am ehesten wirtschaftlich ist, womit sich erneut zeigt, daß Ökonomie und Ökologie im Verkehrssektor keineswegs widersprüchliche Ziele zu sein brauchen. Man kann sogar noch einen Schritt weitergehen und die Frage stellen, ob nicht gerade hohe Subventionen die öffentlichen Verkehrsunternehmen dazu verleiten, eine ökologisch problematische Ausweitung ihres Angebots zu betreiben. Dies gilt um so mehr, als ja die staatlichen Finanzmittel keineswegs unbegrenzt sind. Möglicherweise 11 wäre ihr Einsatz an anderer Stelle -etwa für die Sanierung der umweltpolitisch höchst problematischen Wohnungen in Ostdeutschland -unter ökologischen Gesichtspunkten sinnvoller als die Subventionierung eines flächendeckenden Angebots an öffentlichen Verkehrsmitteln, welches von der Nachfrage nur unzureichend angenommen wird. Vor diesem Hintergrund erscheint die Betonung wirtschaftlicher Gesichtspunkte bei Bussen und Bahnen in einem anderen Licht, als es vordergründige Forderungen nach einem bedingungslosen Ausbau dieser Verkehrsmittel nahelegen.
III. Externe Kosten des Straßenverkehrs*
Unter externen Kosten versteht man diejenigen Kosten, die nicht von ihrem Verursacher getragen werden, sondern Dritten oder der Allgemeinheit zur Last fallen. In bezug auf den Straßenverkehr werden solche externen Kosten in dreierlei Hinsicht reklamiert: hinsichtlich der Wegekosten, der Umweltbelastung und der Unfallkosten. 1. Wegekosten Zunächst gilt es auch hier, sich von einigen oft vertretenen, indessen leicht zu widerlegenden Fehlurteilen freizumachen. Vielfach wird z. B. die Ansicht vertreten, die Infrastrukturpolitik habe in der Vergangenheit das Automobil einseitig bevorzugt und damit seinen Siegeszug gegenüber der Eisenbahn überhaupt erst ermöglicht. Zutreffend ist, daß bis in die achtziger Jahre hinein vorwiegend Straßen gebaut wurden, während es bei der Bundesbahn zu Streckenstillegungen kam. Eine auf die reine Netzlänge reduzierte Betrachtungsweise greift jedoch zu kurz, denn auch die Eisenbahn erhielt erhebliche öffentliche Investitionsmittel zur Elektrifizierung ihres Netzes und für die Modernisierung von Bahnhöfen, Stellwerken und rollendem Material. Bezieht man diese Mittel in die Analyse ein, so hat die Eisenbahn, gemessen an ihrer Verkehrsleistung, seit Mitte der sechziger Jahre sogar mehr öffentliche Investitionsmittel erhalten als das Automobil. Es trifft zwar zu, daß in absoluten Zahlen gerechnet der Straßenbau stets im Vordergrund gestanden hat, jedoch hinkte er der Nachfrage stets hinterher, während die Investitionen in die Eisenbahn ständig gesteigert wurden, obwohl die Nachfrage nach Eisenbahnleistungen permanent rückläufig war Eine Benachteiligung im Wettbewerb kann aber sinnvollerweise nur dann diagnostiziert werden, wenn ein Verkehrsträger relativ zu seiner Verkehrsleistung weniger Investitionsmittel erhält als seine Konkurrenten; dies war seit Mitte der sechziger Jahre in bezug auf den Straßenverkehr der Fall, nicht aber in bezug auf die Eisenbahn, die in dieser Beziehung zunehmend begünstigt wurde. Im jüngsten Bundesverkehrswegeplan erhält sie sogar absolut mehr Mittel zugewiesen als der Straßenverkehr, obwohl sie inzwischen nur noch einen Bruchteil von dessen Verkehrsleistung erbringt. Die laufenden Zuschüsse zum eigentlichen Betrieb sind dabei noch nicht eingerechnet.
Irreführend ist auch die oft vertretene These, die Eisenbahn müsse ihr Wegenetz selbst finanzieren, während der Straßenverkehr es kostenlos vom Staat zur Verfügung gestellt bekomme. Dies ist nur formal der Fall, faktisch verhält es sich eher umgekehrt: Die eigenen Einnahmen der Eisenbahn reichen nicht einmal aus, um ihre Personalkosten zu decken, während der Straßenverkehr seine Wegekosten über die Mineralöl-und Kfz-Steuer zu 98 Prozent selbst trägt. Sogar in der für die Bahn günstigsten Rechnungsvariante, bei der ihr ein Teil der Staatszuschüsse als Einnahmen angerechnet und der verbleibende Verlust anteilig auf Betriebs-und Fahrweg aufgeteilt wird, erreicht sie nur einen Wegekostendeckungsgrad von etwa 65 Prozent Von einer Benachteiligung der Bahn bei der Infrastrukturpolitik kann demnach kaum gesprochen werden. 2. Umweltkosten Es bleibt allerdings die Problematik der Umwelt-kosten, insbesondere der Luftverschmutzung, bei der der Straßenverkehr in der Tat schlecht abschneidet. Es läßt sich kaum leugnen, daß der Straßenverkehr maßgeblich an der Belastung der Umwelt beteiligt ist und daß sein Anteil an der Gesamtbelastung ständig steigt (vgl. Abbildung). Fortschritte bei der Fahrzeugtechnik wie Katalysator und Verbrauchsoptimierung der Motoren sind in der Vergangenheit weitgehend überkompensiert worden durch steigende Motorleistungen und durch die zunehmende Zahl der Fahrzeuge. Wohl ist dadurch dem Wunsch der Bevölkerung nach Mobilität und Komfort mit immer geringeren spezifischen Energieverbräuchen und Umweltbelastungen Rechnung getragen worden, was einen nicht zu unterschätzenden Wohlstandsgewinn ermöglicht hat. Wenn aber die größten Verkehrsströme auch künftig auf der Straße zu erwarten sind und wenn den Einsatzmöglichkeiten öffentlicher Verkehrsmittel systembedingte Grenzen gesetzt sind, so stellt sich um so mehr die Frage, wie der Straßenverkehr in einer ökologisch verträglicheren Weise gestaltet werden kann als bisher. Hier stehen sich zwei grundsätzlich verschiedene Denkansätze gegenüber: -Der ordnungsrechtliche Ansatz setzt auf bindende Vorgaben bezüglich Energie-und Schadstoffintensität des Straßenverkehrs. Emissionsgrenzwerte für das einzelne Fahrzeug, Vorgaben hinsichtlich des höchstzulässigen Flottenverbrauchs für die Hersteller und ökologisch motivierte Vorschriften wie „Tempo 100“
auf Autobahnen oder „Tempo 30“ innerorts gehören in diese Kategorie. Grundsätzlich versucht dieser Ansatz, die ingenieurtechnischen Möglichkeiten auszuloten und nach Zumutbarkeitskriterien und/oder verteilungspolitischen Gesichtspunkten ordnungsrechtlich umzusetzen.
-Der ökonomische Ansatz setzt dagegen auf allgemeine Anreize wie Preise oder Subventionen, die ein umweltbewußteres Verhalten von Herstellern und Konsumenten bewirken sollen, ohne ihnen direkte Einzelvorschriften zu machen. Beispiele sind nach Schadstoffintensität gestaffelte Kfz-Steuern, höhere Mineralölsteuem, Straßenbenutzungsabgaben oder hohe Parkpreise zur Reduzierung des innerstädtischen Verkehrs. Dieser Ansatz überläßt es also den Marktteilnehmern, nach neuen technischen Lösungen zwecks Verminderung der Emissionen und damit auch der fiskalischen Belastung zu suchen, und er überläßt es der individuellen Abwägung, ob man z. B. lieber langsamer oder weniger fährt oder aber auf ein kleineres Fahrzeug umsteigt, um die Emissionsmenge und damit die Abgabenlast zu verringern.
Auf den ersten Blick scheint der ordnungsrechtliche Ansatz wesentliche Vorzüge zu bieten: Man kann offenbar stets den neuesten Stand der Technik verordnen, ohne auf die unsicheren Marktreaktionen vertrauen zu müssen, und man kann im politischen Entscheidungsprozeß einigermaßen zuverlässig steuern, wer wie stark mit Auflagen belastet wird und für wen -aus welchen Gründen auch immer -Ausnahmeregelungen getroffen werden sollen.
Bei näherem Hinsehen offenbaren sich aber die Schwächen dieses Ansatzes: Der neueste Stand der Technik muß nämlich stets erst behördlich festgestellt und politisch in entsprechende Vorschriften umgesetzt werden, was bei der Vielfalt technischer Möglichkeiten und Einzelprobleme immer nur bruchstückhaft und mit erheblichem Zeitverzug möglich ist. Darüber hinaus gibt dieser Ansatz der Industrie keinerlei Anreize, die technischen Möglichkeiten zur Schadstoffreduzierung zu verbessern; eher wird sie sie zu verschleiern versuchen, um neue Auflagen zu verhindern. Damit verlagert sich die Suche nach neuen Techniken und die Abschätzung ihrer Effizienz vom Markt auf staatliche Behörden, die dieser Aufgabe aber schon aufgrund der beinahe unendlichen Zahl von technischen Möglichkeiten gar nicht gewachsen sein können. Der technische Fortschritt wird durch diesen Ansatz mithin eher behindert als gefördert.
Noch gravierender ist ein anderer Mangel des ordnungsrechtlichen Ansatzes. Die ökonomische Theorie der Politik hat eindrucksvoll herausgearbeitet, daß politische Entscheidungen sehr stark von Interessengruppen und vom Wunsch der Politiker nach Wiederwahl beeinflußt werden und somit keinesfalls die Gewähr dafür bieten, daß letztlich die ökonomisch und ökologisch sinnvollsten Lösungen Gesetz werden. Verteilungspolitische Interessen spielen dabei ebenfalls eine große Rolle, wobei vor allem schlecht organisierte Minderheiten Gefahr laufen, an die Wand gedrückt zu werden. So würde ein umwelt-politisch begründetes Verbot der Produktion von Pkw mit über 250 PS möglicherweise breite Zustimmung bei der Mehrheit der Bevölkerung finden, eine -ökologisch viel durchschlagendere -Maßnahme wie die drastische Erhöhung der Mineralölsteuer dagegen wohl kaum. Der Phantasie bei der Erfindung neuer Umweltgesetze sind kaum Grenzen gesetzt -wer aber will auf welcher Grundlage wirklich objektiv entscheiden, welche Umweltbelastungen „unvermeidlich“ oder „hinnehmbar“ sind bzw. wem welche Einschränkungen „zugemutet“ werden können?
Bei dieser letztlich gesellschaftspolitischen Problematik setzt der ökonomische Ansatz an. Er sucht den permanenten politischen Streit um „Nutzen“ und „Zumutbarkeit“ einzelner Vorschriften zu vermeiden, indem er zwar starke finanzielle Anreize zu umweltgerechtem Verhalten im Verkehr setzt, ihre konkrete Umsetzung aber den einzelnen Verkehrsteilnehmern überläßt. Damit verlagert er gleichzeitig die Suche nach neuen Umwelttechniken wieder zurück in den Markt, während die Behörden lediglich zu überwachen haben, daß die Umweltabgaben in Abhängigkeit von den verbleibenden Belastungen gezahlt werden. Diese Aufgabenverteilung entspricht den jeweiligen Fähigkeiten von privaten Unternehmen und Behörden weitaus besser als diejenige des zuvor beschriebenen Ansatzes, und sie bedeutet einen permanenten Anreiz für jedes einzelne Unternehmen, nach neuen Umwelttechniken zu suchen. 3. Sozial-und verteilungspolitische Kosten Gegen den ökonomischen Ansatz werden vor allem zwei Einwände geltend gemacht. Zum einen ist gerade im Verkehrssektor die Preiselastizität der Nachfrage gering d. h., es wären sehr hohe Abgaben zu erheben, wenn ein durchschlagender umweltpolitischer Erfolg erzielt werden soll. Im Güterverkehr könnte dies die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten aus den anderen europäischen Ländern gefährden, und im Personenverkehr stehen soziale Erwägungen der Erhebung entsprechend hoher Abgaben entgegen.
Eng damit verbunden ist ein verteilungspolitisches Argument: Verbrauchsbezogene Umweltabgaben wie eine erhöhte Mineralölsteuer wirken regressiv, d. h. sie belasten die Bezieher niedriger Einkommen relativ stärker als die Bezieher hoher Einkommen. Der Grund liegt darin, daß die erstgenannte Gruppe eine höhere Konsumquote aufweist, d. h., sie braucht einen relativ hohen Anteil ihres Einkommens für den Lebensunterhalt, während die Bezieher hoher Einkommen vergleichsweise mehr sparen und insoweit von Verbrauchsabgaben weniger stark belastet werden.
Beiden Einwänden kann jedoch wirksam begegnet werden. Auf die Wünschbarkeit einer europäischen Harmonisierung der Verbrauchsteuem, speziell der Mineralöl-und Kfz-Steuern, ist bereits hingewiesen worden. Selbst wenn diese aber nicht zustandekäme, müßte der ökonomische Ansatz daran nicht scheitern. Da den Öko-Steuern ja entsprechende Einnahmen des Staates gegenüberstehen, bedeuten sie volkswirtschaftlich keine Nettobelastung; sie können z. B.den Unternehmen im Wege einer Senkung der Einkommen-und Körperschaftsteuern zurückerstattet werden, ohne daß der umweltpolitische Anreiz damit verlorenginge. Es würde zwar ein Struktureffekt zu Lasten der relativ umweltintensiven Güter und Dienstleistungen verbleiben, aber dieser ist ja gerade erwünscht.
Den sozialen bzw. verteilungspolitischen Problemen kann in ähnlicher Weise begegnet werden, indem zum Ausgleich etwa einer erhöhten Mineralölsteuer die unteren Einkommenschichten gezielt bei der Einkommensteuer entlastet werden. Auch Erhöhungen von Transfers wie Bafög oder Sozialhilfeleistungen stehen als Ausgleichsmaßnahmen zur Verfügung. Diese Maßnahmen der subjektbezogenen Sozialpolitik sind sogar gezielter einsetzbar als aus sozialen Gründen niedriggehaltene Preise, denn letztere kommen immer auch denjenigen zugute, die einer solchen Unterstützung gar nicht bedürfen.
Ein Sonderproblem stellen die Bewohner ländlicher Gebiete dar, die auf das Automobil angewiesen sind und daher kaum über Ausweichmöglichkeiten verfügen. Dennoch spricht wenig dagegen, selbst für diese Gruppe das Autofahren zu verteuern. Denn zum einen sind längst nicht alle Bewohner ländlicher Gebiete sozial bedürftig, und zum anderen ist es ein erwünschter Effekt, daß sich längerfristig auch die Siedlungsstruktur an die tatsächlichen Kosten des Verkehrs anpaßt. Es wird dann vermutlich eine Tendenz geben, näher an den Arbeitsplatz zu ziehen, zumindest aber in die Nähe einer S-Bahn-Station, und es werden sich umgekehrt Betriebe und Versorgungseinrichtungen wieder vermehrt in Wohnortnähe ansiedeln, da dies aufgrund der ersparten Transportkosten lohnend erscheint. Dies wird allerdings längere Anpassungszeiträume in Anspruch nehmen, so daß kurzfristige Anpassungs-und Überbrückungshilfen für die ländlichen Räume durchaus angebracht sein mögen.
Man erkennt aus diesen Überlegungen, welche Vielfalt von Anpassungsmaßnahmen die Marktkräfte in Gang zu setzen vermögen, wenn man nur die Anreize gezielt und stark genug setzt. Es sollte aber auch deutlich geworden sein, daß der ökonomische Ansatz einer umweltfreundlicheren Gestaltung des Straßenverkehrs nicht ohne flankierende soziale Maßnahmen auskommt. Im übrigen ist aber zu bedenken, daß die Bundesrepublik ein Land mit hohem Wohlstand ist, so daß ökologisch notwendige fiskalische Belastungen durchaus getragen werden können. Die Ausstattung der westB deutschen Haushalte mit Pkw liegt bei 95 Prozent, und die Kraftstoffkosten machen von den Gesamtkosten der Pkw-Haltung nur etwa 25 Prozent aus; ihr Anteil an den ausgabefähigen Nettoeinkommen lag 1991 im Durchschnitt je nach Haushaltstyp zwischen 2, 1 und 2, 7 Prozent Das ist weniger als noch im Jahre 1975; insofern dürfte eine sozialverträgliche Anlastung der externen Kosten des Straßenverkehrs durchaus zu bewältigen sein. 4. Problematik der Quantifizierung Es bleibt die Frage, wie hoch diese externen Kosten zu veranschlagen sind und was dies etwa bei einer Umlegung auf die Mineralölsteuer für den einzelnen Haushalt bedeuten würde. Zu dieser Frage liegt eine Vielzahl von Untersuchungen vor, die aber auf sehr angreifbaren methodischen Ansätzen beruhen.
So werden beispielsweise die volkswirtschaftlichen Kosten eines Unfalltoten i. d. R. danach berechnet, wieviel der Getötete noch zum Sozialprodukt hätte beitragen können, abzüglich seines eigenen Konsums während der theoretischen Restlebenszeit. Die Fragwürdigkeit eines solchen Ansatzes erkennt man leicht am Beispiel eines tödlich verunglückten Rentners: Sein Nettonutzen für die Gesellschaft wäre nach dieser Rechnung negativ, so daß strenggenommen geradezu Prämien für das Überfahren von Rentnern ausgesetzt werden müßten. Aber auch aus ethischen Gründen verbietet es sich, das Leben eines Menschen in Geldeinheiten bewerten zu wollen.
Nicht alle Komponenten von Sozialkostenrechnungen sind derart fragwürdig, aber von einer gesicherten methodischen Basis für diese Rechnungen kann gleichwohl keine Rede sein. Wie soll man z. B. die durch Luftverschmutzung verursachten Krebserkrankungen bewerten, wie die Schäden an unersetzlichen historischen Gebäuden oder Kunstwerken, wie das Verschwinden ganzer Tierarten oder die Vernichtung ökologisch wertvoller Natur-gebiete? Direkte monetäre Bewertungsansätze führen an dieser Stelle nicht weiter.
Statt dessen bietet sich ein Vorgehen an, wie es die Bundesregierung mit der Vorgabe eines Reduktionszieles von 25 Prozent für CO 2-Emissionen bis zum Jahre 2005 gewählt hat. Ist ein solches Mengenziel einmal festgelegt, dann ist es nur noch eine Frage der Nachfrageelastizitäten, welche Höhe eine entsprechende Angabe haben muß, um ihr Ziel zu erreichen
Dabei ist zu bedenken, daß z. B. CO 2 keineswegs nur vom Verkehr emittiert wird (sein Anteil lag 1990 bei knapp 23 Prozent), sondern bei jeder Art der Verbrennung fossiler Energieträger entsteht. Auch alle anderen Verursacher, etwa Industrie und private Heizungen, wären daher mit entsprechenden Abgaben zu belegen. Dabei könnte sich aufgrund der geringen Preiselastizität im Verkehrssektor durchaus eine geringere Reduktion als um 25 Prozent in diesem Bereich einstellen, während andere, anpassungsfähigere Emittenten entsprechend höhere Einsparungen aufweisen. Für das umweltpolitische Ziel spielt dies letztlich keine Rolle, aber ökonomisch würde dieser Ansatz bewirken, daß die wünschenswerten Einsparungen dort erfolgen, wo sie am leichtesten zu erzielen sind und wo sie die geringsten Kosten bzw. Nachteile verursachen.
Auch für die Unfallproblematik bietet sich ein ähnliches Vorgehen an. Da Verkehrsunfälle niemals gänzlich zu vermeiden sein werden, müßte man einen politisch festzulegenden Sicherheitsstandard anstreben, der beispielsweise für die Straße bei der Unfallwahrscheinlichkeit für einen durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer ansetzen könnte Damit wäre das unlösbare Problem der Bewertung von Menschenleben umgangen und ein einsichtiger Maßstab für die Verkehrssicherheit gefunden, nämlich das Risiko des einzelnen, im Verkehr zu verunglücken
Der kritische Punkt bei solchen Lösungsansätzen ist die Festlegung der Umwelt-bzw. Sicherheitsstandards selbst. Dieses Problem kann nur politisch, gegebenenfalls auf der Grundlage entsprechender naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, gelöst werden, wobei selbstverständlich immer noch ein hohes Maß von subjektiven Bewertungsspielräumen verbleibt. Dies läßt sich prinzipiell nicht vermeiden; hat man sich aber einmal auf entsprechende Standards bzw. Zielvorgaben geeinigt, so kann ein großer Teil ihrer Umsetzung in der Tat dezentral, d. h. auf der Basis entsprechender ökonomischer Anreize, erfolgen. Ein gewisses Maß von ordnungsrechtlichen Vorgaben wird sicher nicht zu umgehen sein, beispielsweise in der Frage der Verkehrssicherheit. Gleichwohl spricht vieles dafür, sie erst im zweiten Rang nach Ausschöpfung der ökonomischen Anreizmöglichkeiten einzusetzen.
IV. Verkehrspolitik im Problemstau
Die letzten Überlegungen haben bereits über den Verkehrssektor hinausgegriffen. In der Tat kann eine Lösung der Verkehrsprobleme nur erhofft werden, wenn sie in die allgemeine Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik eingebettet wird, statt wie bisher als Ausnahmebereich begriffen zu werden. Insbesondere sind die Gesetze von Angebot und Nachfrage im Verkehrssektor bisher zu wenig beachtet worden. So hat die Infrastrukturpolitik in den vergangenen Jahren vergeblich versucht, durch Umschichtung ihrer Prioritäten die Verkehrsnachfrage weg von der Straße und hin zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zu leiten. Dieses Vorhaben mußte notwendigerweise scheitern, da die Anreizstrukturen auf der Nachfrageseite in die andere Richtung drängten. Damit soll nicht gesagt werden, daß eine solche Umlenkung nicht in Grenzen möglich wäre; nur hat man auf der falschen Marktseite angesetzt. Der Stau hat sich als untaugliches Instrument zur Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl erwiesen; selbst wenn er einige zum Umsteigen auf Busse und Bahnen bewegt haben sollte, so hat er doch für Millionen von anderen Verkehrsteilnehmern erhöhte Zeit-und Kraftstoff-kosten mit sich gebracht und nicht zuletzt sinnlose Luftverschmutzungen zur Folge gehabt.
Bei diesen Kosten handelt es sich -im Gegensatz zu fiskalischen Belastungen -um volkswirtschaftliche Nettokosten, denen keinerlei Erträge gegenüberstehen. Wenn man also die Attraktivität des Individualverkehrs vermindern will, dann ist es volkswirtschaftlich und ökologisch zweckmäßiger, dies mit fiskalischen Mitteln zu tun, als den Straßenverkehr durch unterlassene Infrastrukturanpassungen oder durch rückgebaute Straßen gleichsam zu ersticken.
Das westdeutsche Straßennetz verfügt bereits über eine hohe Dichte und bedarf im Grunde nur vergleichsweise geringer Lückenschlüsse und Engpaßbeseitigungen, um die künftigen Verkehrsströme zu bewältigen. Daran wird aber nicht vorbeizukommen sein, soll der permanente Verkehrskollaps vermieden werden. Wenn man in Rechnung stellt, daß der Flächenbedarf des gesamten westdeutschen Straßennetzes lediglich etwa 1, 2 Prozent der Gesamtfläche des früheren Bundesgebietes ausmacht, wobei dieser Anteil für die Autobahnen nur 0, 08 Prozent beträgt 20, dann kann hier eigentlich kein wesentlicher Hinderungsgrund für die notwendigen Ausbaumaßnahmen liegen; sie würden mit kaum meßbaren Größenordnungen zu Buche schlagen, aber die Verkehrsströme erheblich verflüssigen und damit zum Abbau staubedingter Emissionen beitragen
Auch die öffentlichen Verkehrsmittel bedürfen des weiteren Ausbaus. Wenn man -wofür es gute Argumente gibt -die Innenstädte vor der Autolawine schützen, gleichzeitig aber ihre Attraktivität für den Einkaufs-und Freizeitverkehr erhalten will, dann muß eine attraktive Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gewährleistet werden. Diese aber sollte sich auf die verkehrsreichen Relationen und Zeiten konzentrieren, denn nur auf diesen Relationen sind öffentliche Massenverkehrsmittel ökonomisch und ökologisch vertretbar. Die Gewährleistung einer öffentlichen Verkehrsverbindung für jedermann an jedem Ort und zu jeder Zeit ist ohnehin eine Utopie, vor allem im ländlichen Raum. Verkehrspolitik kann zudem nicht gleichzeitig Sozial-und Umweltpolitik sein, denn die Sozialpolitik erzwingt niedrige Auslastungsgrade, welche dem umweltpolitischen Ziel diametral entgegenstehen und überdies auf Dauer unbezahlbar zu werden drohen.
Erneut zeigt sich somit, daß Verkehrspolitik nicht als ein von der allgemeinen Wirtschafts-und Sozialpolitik losgelöstes Problem behandelt werden kann. Sie bedarf der Einbettung in ein ordnungspolitisches Gesamtkonzept, welches neben ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten auch sozialpolitischen Zielen gerecht wird. Dabei sollten die jeweiligen Ziele jedoch denjenigen Politikbereichen zugeordnet werden, die für ihre Umsetzung am besten geeignet sind. Die Festlegung von Umweltstandards kann sinnvollerweise nur im politischen Entscheidungsprozeß erfolgen. Ihre konkrete Umsetzung -nicht nur im Verkehrssektor -läßt sich dagegen i. d. R. am besten mit Hilfe marktwirtschaftlicher Anreize bewerkstelligen. Die soziale Flankierung wiederum sollte vorzugsweise auf dem Wege der subjektbezogenen Steuer-und Transferpolitik erfolgen, nicht aber durch subventionierte Verkehrspreise, da sonst die Anreize zu umweit-und ressourcenschonendem Verhalten wieder zerstört werden würden. In einem solchen ordnungspolitischen Gesamtkonzept könnte sich auch die Verkehrsinfrastrukturpolitik wieder stärker an der Nachfrage ausrichten. Eine weiterhin durch mangelnde Anlastung der tatsächlichen Kosten künstlich angeheizte Verkehrsnachfrage bei gleichzeitiger Verweigerung der entsprechenden Infrastrukturkapazitäten würde dagegen den Problemstau in der Verkehrspolitik weiter erhöhen.
Ulrich van Suntum, Dr. rer. oec., geb. 1954; ordentlicher Professor und Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik und Konjunkturforschung an der Universität Witten/Herdecke; 1985-1990 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ruhr-Universität Bochum; 1987/88 Generalsekretär des Sachverständigen-rates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Veröffentlichungen u. a.: Regionalpolitik in der Marktwirtschaft, Baden-Baden 1981; Konsumentenrente und Verkehrssektor, Berlin 1986; Verkehrspolitik, München 1986; (Mithrsg.) Grundlagen und Erneuerung der Marktwirtschaft, Baden-Baden 1988; Hrsg, des Wittener Konjunktur-Archivs.
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