Vor drei Jahren ist -als Resultat einer friedlichen Revolution -die Mauer gefallen; seit gut zwei Jahren ist Deutschland vereinigt. Mit dem gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes erklärten Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland gehören seither die neuentstandenen Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der Bundesrepublik an. Gleichzeitig bilden die westlichen und östlichen Bezirke Berlins das Land Berlin. Nach über 40 Jahren Teilung und Trennung können nun die Deutschen aus Ost und West wieder gemeinsam ihre Zukunft gestalten. Auch für Wissenschaft und Forschung haben sich damit neue Perspektiven ergeben. Soweit Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen -aufgrund der Vereinigung und der damit gegebenen föderalen Rahmenbedingungen -einer Neustrukturierung bedurften, hat sich der Wissenschaftsrat -ein Gremium, dessen Aufgabe u. a. darin besteht, Empfehlungen zur inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung sowie gutachterliche Stellungnahmen zu diesen Fragen auf Anforderung eines Landes oder des Bundes zu erarbeiten -dieser Aufgabe angenommen. Vor gut einem Jahr konnte er die Arbeit an den Empfehlungen zur Neuordnung der außeruniversitären Einrichtungen abschließen; bis auf einzelne Aspekte der Neustrukturierung der Hochschullandschaft in Berlin und Brandenburg liegen seit dem Sommer 1992 auch für nahezu alle Bereiche der Universitäten und Fachhochschulen Empfehlungen vor.
Bereits im Januar 1990 hatte der Wissenschaftsrat eine erste Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich zunächst mit den (damals noch) deutsch-deutschen Wissenschaftsbeziehungen befassen sollte. Unter Beteiligung von sechs Wissenschaftlern aus der DDR und ab April 1990 auch von Vertretern der ersten frei gewählten Regierung der DDR wurden Empfehlungen vorbereitet, die Perspektiven für Wissenschaft und Forschung auf dem Weg zur deutschen Einheit aufzuzeigen versuchten. Nach nur einem knappen halben Jahr intensiver Arbeit konnten die „Zwölf Empfehlungen“ Anfang Juli 1990 vom Wissenschaftsrat verabschiedet werden Auf Bitten der Regierung der DDR sowie der Bundesregierung und der (damals noch) elf Länder übernahm der Wissenschaftsrat Anfang Juli 1990 die Aufgabe, Empfehlungen zur Neustrukturierung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen und zur Neuordnung der Hochschullandschaft vorzubereiten.
I. Erneuerung versus Einpassung
Als sich der Wissenschaftsrat im Juli 1990 bereit erklärte, Empfehlungen zur Neustrukturierung von Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der damaligen DDR vorzubereiten, war bereits absehbar, daß das künftig vereinigte Deutschland ein Bundesstaat sein würde, in dem die Kulturhoheit -und damit die Verantwortung für die Hochschulen und weite Bereiche des Forschungssystems -bei den Ländern liegt. Mit der Einführung eines föderal strukturierten, in den wesentlichen Leitlinien überregional koordinierten Wissenschaftssystems sollte sich auch für die Menschen in den neuen Ländern und in Berlin (Ost) die Möglichkeit eröffnen, schon bald über ein ähnlich vielgestaltiges und leistungsfähiges Bildungs-und Forschungssystem zu verfügen, wie es sich in den alten Ländern herausgebildet hatte. Das Ziel bestand darin, im Prozeß der Vereinigung der beiden deutschen Staaten -orientiert an einer pluralistischen Struktur von Wissenschaft und Forschung, an dem Prinzip der Subsidiarität direkter staatlicher Forschungsförderung und an einer institutionell zu verankernden Autonomie der Grundlagenforschung -die Voraussetzungen für einen Entwicklungsprozeß zu schaffen, der möglichst bald die Freiheit von Forschung und Lehre gewährleisten sollte. Als der Wissenschaftsrat die Aufgabe übernahm, Empfehlungen zur Neustrukturierung von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen der damaligen DDR vorzubereiten, war es aus seiner Sicht unerläßlich, einen angemessenen Zeitraum für die Vorbereitung der Stellungnahmen einzuräumen. Mit Artikel 38 des Einigungsvertrages haben die politisch Verantwortlichen schließlich für einen erheblichen Teil der außeruniversitären Forschungseinrichtungen diese Voraussetzungen geschaffen. Die Übergangsfinanzierung der Institute und auch das Fortbestehen der Arbeitsverhältnisse wurde bis zum 31. Dezember 1991 sichergestellt Der Wissenschaftsrat hat bedauert, daß eine ähnliche Regelung für die Hochschulen nicht realisierbar war. Für diese sah der Einigungsvertrag lediglich eine dreimonatige Frist vor, in der die sich neu konstituierenden Länder über Fortbestand oder Schließung („Abwicklung“) einer ganzen Hochschule oder einzelner Sektionen entscheiden konnten
Bei der Umwandlung zentralistischer in föderale Strukturen der Wissenschaftsförderung mußte es dem Wissenschaftsrat vor allem darum gehen, Vorschläge für die Neuordnung der Hochschulen, der Institute der ehemaligen Akademie der Wissenschaften, der Bauakademie, der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften und weiterer Ressortforschungseinrichtungen aus dem Bereich der Landwirtschaft und der Gesundheitspolitik zu unterbreiten und sie in die Gestaltung einer einheitlichen gesamtdeutschen Hochschul-und Forschungslandschaft einzubringen. Wie in Artikel 38 des Einigungsvertrages, der im Zusammenhang mit der Begutachtung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen der ehemaligen DDR einerseits von der „notwendigen Erneuerung von Wissenschaft und Forschung“, andererseits aber auch von der „Einpassung“ in die gemeinsame Forschungsstruktur der Bundesrepublik Deutschland spricht ergab sich auch für den Wissenschaftsrat ein besonderes Spannungsverhältnis. So konnte für ihn das Kriterium der „Einpassung“ bei der Neustrukturierung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen lediglich mit Blick auf das organisatorische und institutionelle Gerüst Geltung beanspruchen, nicht jedoch für die inhaltliche Ausgestaltung der Forschungseinrichtungen.
Der Wissenschaftsrat hat sich frühzeitig darum bemüht, leistungsfähige Strukturelemente der Wissenschaft in den neuen Ländern zu identifizieren und Wege für ihre Fortführung zu suchen. Dies ist auch in Anerkennung der Tatsache geschehen, daß einzelne Bereiche der Wissenschaften in den alten Ländern -neben zahlreichen Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten -ungelöste Probleme, Defizite, organisatorische Mängel und innere Widersprüchlichkeiten aufweisen, die der Bearbeitung und Lösung bedürfen. Daher schien es nur konsequent, mit der Vereinigung der beiden Wissenschaftssysteme die Hoffnung zu verbinden, die strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen für die Forschung in Deutschland mit dem Ziel gesteigerter Leistungsfähigkeit weiterzuentwikkeln, wie dies bereits in den „Zwölf Empfehlungen“ vom Wissenschaftsrat gefordert worden war: „Insgesamt gesehen kann es nicht einfach darum gehen, das bundesdeutsche Wissenschaftssystem auf die DDR zu übertragen. Vielmehr bietet der Prozeß der Vereinigung auch der Bundesrepublik Deutschland die Chance, selbstkritisch zu prüfen, inwieweit Teile ihres Bildungs-und Forschungssystems der Neuordnung bedürfen.“
II. Aufgaben und Arbeitsweise des Wissenschaftsrates
Um die Empfehlungen für die Neuordnung des Hochschulwesens und der außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vorbereiten zu können, hat der Wissenschaftsrat zwei Ausschüsse und insgesamt 25 fächergruppenspezifische Arbeitsgruppen gebildet. In diesen Arbeitsgruppen haben insgesamt rund 500 Sachverständige aus dem In-und Ausland mitgewirkt. 1. Aufgaben des Wissenschaftsrates bei der Neuordnung des außeruniversitären Bereichs Im außeruniversitären Bereich hatte der Evaluationsausschuß, dem jeweils zwei Wissenschaftler aus den einzelnen Arbeitsgruppen sowie Vertreter der Wissenschaftsorganisationen und der zuständigen Bundes-und Länderministerien angehörten, vor allem die Aufgabe, die Ergebnisse der verschiedenen Institutsbegutachtungen zu koordinieren und die Vorschläge für die Neustrukturierung auf ihre Praktikabilität zu überprüfen. Den einzel-nen Arbeitsgruppen oblag die Aufgabe, die Institute zu besuchen, die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit zu bewerten sowie organisatorische und strukturelle Vorschläge für die Weiterführung der als förderungswürdig erachteten Forschungsarbeiten zu unterbreiten. Eine Querschnittsarbeitsgruppe zur Umweltforschung diente im außer-universitären Bereich vor allem dazu, die Ergebnisse zwischen den einzelnen natur-und biowissenschaftlichen Arbeitsgruppen abzustimmen, damit ein entsprechendes Konzept für die Neuordnung dieses wichtigen Forschungsgebiets aus übergreifender Perspektive entwickelt werden konnte.
Grundlage für die Institutsbesuche bildeten die Antworten der jeweiligen Einrichtungen auf 23 Fragen eines Kataloges, den der Wissenschaftsrat -einem bei zahlreichen Institutsgutachten in den alten Ländern erprobten Muster folgend -im Laufe des Sommers/Herbstes 1990 an die Einrichtungen verschickt hatte. Zwischen Ende September 1990 und Ende Juni 1991 wurden insgesamt über 130 Einrichtungen mit ca. 30000 Beschäftigten besucht. Die Institutsbesuche sind wiederum in Anlehnung an bewährte Abläufe bei ähnlichen Begutachtungen in der alten Bundesrepublik organisiert worden (Gespräche mit den leitenden Wissenschaftlern, mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern an ihren Arbeitsplätzen, mit den Mitarbeitern ohne die leitenden Wissenschaftler, abschließende Gespräche mit den leitenden Wissenschaftlern, Gutachterklausur). Über die Institutsbesuche hinaus mußten die Arbeitsgruppen jedoch in weiteren Sitzungen konzeptionelle Arbeit leisten; denn die Kompatibilität der bisherigen, in erster Linie nach Wissenschaftsgebieten (z. B. Molekularbiologie, Anorganische Chemie, Organische Chemie) gegliederten außer-universitären Einrichtungen mit dem föderalen Wissenschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland war nur in den seltensten Fällen gegeben. Da sie zumeist nicht über eine klare Aufgabenstellung verfügten, die ihre Existenz als außeruniversitäre Einrichtung ohne weiteres hätte rechtfertigen können, mußte -wenngleich häufig Anregungen und Ideen aus den bisherigen Instituten aufgegriffen werden konnten -die Erarbeitung von Vorschlägen für die Neustrukturierung vor allem von den Sachverständigen in den Arbeitsgruppen des Wissenschaftsrates geleistet werden.
Die Qualitätsbewertung war damit von vornherein noch stärker mit strukturellen und organisatorischen Aspekten verknüpft, als dies bei ähnlichen Begutachtungen des Wissenschaftsrates in den alten Ländern der Fall war. Neben einer Bewertung der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit nach internationalen Qualitätsmaßstäben stand dabei auch eine an den üblichen internationalen Standards orientierte Beurteilung der künftigen personellen und apparativen Ausstattung im Mittelpunkt.
2. Aufgaben des Wissenschaftsrates bei der Neuordnung des Hochschulwesens
Im Unterschied zu den außeruniversitären Einrichtungen wurden -nicht zuletzt aufgrund der anders-gearteten Regelung im Einigungsvertrag -die Hochschulen in den neuen Ländern vom Wissenschaftsrat nicht evaluiert. Hier bestand die Aufgabe des Wissenschaftsrates vorrangig in einer überregionalen Koordination und in der fachspezifischen Begleitung des Um-und Ausbaus der Hochschulen. Als Koordinierungsgremium für die Beratungstätigkeit im Hochschulbereich hat der Wissenschaftsrat einen Strukturausschuß eingerichtet, dem jeweils zwei Mitglieder der einzelnen Arbeitsgruppen, Vertreter von Bund und Ländern sowie der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) angehörten. Außerdem haben im Strukturausschuß Rektoren und Wissenschaftler aus den neuen Ländern mitgewirkt. Für die Vorbereitung der Empfehlungen zum Hochschulbereich gab es Arbeitsgruppen zu den juristischen Fakultäten, den wirtschafts-und sozialwissenschaftlichen Fakultäten, den medizinischen Fakultäten, zur Lehrerbildung, zu den Ingenieurwissenschaften, Fachhochschulen, Agrarwissenschaften und zur Veterinärmedizin, zu den Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften sowie zu den Kunst-und Musikhochschulen. Die Arbeitsgruppen haben die Hochschulen besucht und dort jeweils mit der Leitung, den Professoren der betreffenden Fakultäten, den wissenschaftlichen Mitarbeitern und den Studenten Gespräche geführt, sich im Rundgang durch die Institute und Bibliotheken über Forschungsvorhaben und Ausstattung informiert und in weiteren Sitzungen über die strukturellen Empfehlungen beraten.
3. Arbeitsweise des Wissenschaftsrates
Die Beurteilung der Qualität und die Erarbeitung von Konzepten für die Neustrukturierung der Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen war primär Aufgabe der Wissenschaftler; die Realisierung oder „Umsetzung“ lag in der Hand der Politiker und der verantwortlichen Mitarbeiter in den Ministerien. Mit Blick auf die organisatorischen Rahmenbedingungen war es daher von entscheidender Bedeutung, für den Transformationsprozeß eine enge Verzahnung von Wissenschaft und Politik sicherzustellen. Dieses ist im Wissenschaftsrat bereits seit seiner Gründung im Jahre 1957 gewährleistet; denn er setzt sich zum einen aus einer Wissenschaftlichen Kommission zusammen, in der mittlerweile -bedingt durch die deutsche Einigung -32 Wissenschaftler, darunter acht aus den neuen Ländern, vertreten sind, zum anderen aus einer Verwaltungskommission, in der die Minister und Staatssekretäre der Länder und des Bundes vertreten sind (mit zusammen ebenfalls 32 Stimmen). Beide Kommissionen müssen in der Vollversammlung mit einer Zweidrittelmehrheit die Empfehlungen und Stellungnahmen, die von Wissenschaftlern in einzelnen Arbeitsgruppen vorbereitet worden sind, verabschieden. Der Wissenschaftsrat stellt also bereits eine Verbindung von Wissenschaft und Politik dar. Er ist selbst ein Produkt der Notwendigkeit des föderalen Zusammenwirkens von Bund, Ländern und Wissenschaft in nahezu allen Fragen der Bildungs-und Forschungspolitik. Für den Wissenschaftsrat gab es im Hinblick auf die Neuordnung von Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der ehemaligen DDR eine Reihe von ordnungspolitischen Maximen sowie strukturellen und förderungspolitischen Maßnahmen, deren Beachtung für die Gestaltung einer demokratischen und effektiven Wissenschaftsorganisation aus seiner Sicht unerläßlich war. Dabei ging es vor allem um das Verhältnis der außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu den Hochschulen, die Verbesserung der Forschungsmöglichkeiten in den Hochschulen, den Vorrang der Erneuerung bzw. Konsolidierung bestehender Einrichtungen vor der Gründung neuer Universitäten, den notwendigen Neuaufbau einzelner Disziplinen, wie er insbesondere für die Rechts-, Sozial-und Wirtschaftswissenschaften sowie einige Geisteswissenschaften erforderlich war und ist, um die Integration der bisherigen Spezialhochschulen in universitäre Arbeitszusammenhänge und um die De-Spezialisierung der Studiengänge, um die Gründung leistungsfähiger Fachhochschulen, um die erforderlichen Maßnahmen für eine leistungsorientierte und transparente Einstellung des wissenschaftlichen Personals und um die Verbesserung der apparativen Ausstattung.
III. Subsidiarität außeruniversitärer Forschung
In den „Empfehlungen zu den Perspektiven der Hochschulen in den neunziger Jahren“ hat der Wissenschaftsrat ausgeführt, daß die weitgehende Einheit von Forschung und Lehre das Fundament eines leistungsfähigen Wissenschaftssystems ist und die Hochschulen deshalb die wichtigsten Stätten der Forschung sind Sie verfügen über eine Forschungskapazität, die in ihrer Breite und Interdisziplinarität einzigartig ist und vor allem in weiten Teilen der Geistes-und Sozialwissenschaften kaum ein Pendant in der außeruniversitären Forschung findet. Zugleich sind jedoch in den expandierenden anwendungsnahen Fachgebieten verstärkt Tendenzen zu beobachten, neue Forschungseinrichtungen außerhalb der Hochschulen anzusiedeln. In den „Empfehlungen zur Zusammenarbeit von Großforschungseinrichtungen und Hochschulen“ heißt es dazu: „Dadurch wird die für die deutsche Universität charakteristische Verbindung von Forschung und Lehre noch weiter aufgeweicht, weil auf Forschung spezialisierte Institute außerhalb der Hochschulen arbeiten und innerhalb der Hochschulen die Ressourcen fehlen, um den dort tätigen Wissenschaftlern konkurrenzfähige Forschungsbedingungen zu ermöglichen.“ Diese in den alten Ländern seit einigen Jahren zu beobachtende Entwicklung ist für die ehemalige DDR spätestens seit der Hochschulreform von 1968 charakteristisch gewesen.
Insbesondere in den Hochschulen der DDR war das Verhältnis von Forschung und Lehre nicht ausgewogen. Über weite Strecken wurde aufgrund politischer Entscheidungen die Forschung in Institute außerhalb der Hochschulen verlegt. Heute läßt sich feststellen, daß dies der Leistungsfähigkeit des Forschungssystems im großen und ganzen nicht gedient hat.
Um einen Wettbewerb zwischen den Hochschulen sowie zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Pluralität der organisatorischen Trägerschaft von Forschungseinrichtungen und Vielfalt der Finanzierung und Förderung der Forschung zu erreichen, ist es daher nach Auffassung des Wissenschaftsrates unerläßlich gewesen, auch bei der Neustrukturierung der außer-universitären Forschungseinrichtungen das Ziel im Blick zu behalten, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ein vielgestaltiges und leistungsfähiges Hochschulsystem zu schaffen.
Mit der Entscheidung der beiden deutschen Regierungen für ein föderativ vereintes Deutschland war die Vorstellung verbunden, daß die außeruniversitäre Forschung primär ihre Aufgabe in einer ergänzenden Förderung der Grundlagenforschung auf solchen Gebieten sehen muß, die nicht oder noch nicht geeignet sind, von den Universitäten aufgegriffen zu werden: in der Wahrnehmung überregionaler und gesamtstaatlicher Aufgaben sowie in der ressort-oder industriebezogenen Auftragsforschung.
Mit der Vorbereitung von Stellungnahmen zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen war daher dem Wissenschaftsrat zugleich die Aufgabe gestellt, zu einer Verbesserung der personellen und materiellen Voraussetzungen für die Forschung in den Hochschulen der ehemaligen DDR beizutragen. Dennoch hat der Wissenschaftsrat in vielen Fällen die Einrichtung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen empfohlen, die mit einer klar umschriebenen Aufgabenstellung in dieser Form auch nicht in einer Hochschule realisiert werden könnten.
IV. Zusammenarbeit von außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen
Für die Leistungsfähigkeit außeruniversitärer Forschungseinrichtungen bildet die enge Kooperation mit Hochschulen eine wichtige Voraussetzung. Dabei ist es unverzichtbar, daß das gesamte Spektrum -von gemeinsamen Forschungsprojekten über die Nutzung der Infrastruktur außeruniversitärer Einrichtungen durch Wissenschaftler aus Hochschulen bis hin zur gegenseitigen Mitwirkung in Gremien und an Begutachtungen von Forschungsanträgen oder Instituten -genutzt wird, um eine enge Verflechtung zwischen beiden Bereichen zu gewährleisten
Ein wesentliches Element der Zusammenarbeit von außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen ergibt sich im personellen Bereich durch die gemeinsame Berufung von leitenden Wissenschaftlern, die nach bisherigen Erfahrungen am effektivsten durch die Einsetzung gemeinsamer Berufungskommissionen realisiert werden kann. Damit verbunden ist auch die Lehrtätigkeit dieser Wissenschaftler (und bisweilen auch eines Teils ihrer Mitarbeiter) sowie die Betreuung von Diplom-und Doktorarbeiten und die Förderung und weitere Qualifizierung des wissenschaftlich-technischen Nachwuchses nach Abschluß eines Hochschulstudiums. Gemeinsame Berufungen von außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen haben sich bewährt, da sie die Attraktivität der Leitungspositionen in außeruniversitären Forschungseinrichtungen erhöhen und so die Chancen dieser Einrichtungen vergrößern, hochqualifizierte Wissenschaftler zu gewinnen. Gefördert wird damit auch der Zugang junger Wissenschaftler zu außeruniversitären Forschungseinrichtungen, vor allem im Rahmen ihrer Ausbildung als Diplomanden und Doktoranden. Gemeinsame Berufungen bilden ferner auch eine gute Grundlage für die Kooperation zwischen außeruniversitären Einrichtungen und Hochschulen bei der Mitarbeit in Forschungsprojekten und beim Zugang zu Großgeräten sowie bei der Beteiligung von Wissenschaftlern der außeruniversitären Forschungseinrichtungen an Lehraufgaben in den benachbarten Hochschulen.
Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind gerade bei der Nachwuchsförderung auf die Kooperationsbereitschaft der Hochschulen und ihrer Fakultäten angewiesen. Für gemeinsame Berufungen sollten daher nach Ansicht des Wissenschaftsrates Lösungen vereinbart werden, bei denen die beurlaubten Professoren, insbesondere hinsichtlich ihrer Prüfungsberechtigung, entsprechenden Hochschulmitgliedern gleichgestellt werden. Mit diesen Berufungen wird einerseits den außeruniversitären Forschungseinrichtungen die Möglichkeit gegeben, ihre Hochschulanbindung zu verbessern, andererseits gewinnen dadurch auch die Hochschulen zusätzliche, hochqualifizierte Mitglieder ihres Lehrkörpers, die das Lehrangebot inhaltlich bereichern und insbesondere für den wissenschaftlichen Nachwuchs attraktiver gestalten können. Dabei sollte von außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die mehrere Hochschulen in ihrem regionalen Umfeld haben, die Möglichkeit der gemeinsamen Berufung mit jeder dieser Hochschulen genutzt werden, so daß optimale Arbeitszusammenhänge entstehen können.
Wissenschaftler aus außeruniversitären Forschungseinrichtungen, soweit sie zugleich berufene Professoren an Hochschulen oder habilitierte Privatdozenten sind, beteiligen sich bisher in der Regel mit zwei Semesterwochenstunden an den herkömmlichen Formen der Lehre: Vorlesungen, Praktika, Übungen und Seminare in ihren Hochschulen sowie an der Betreuung von Diplomanden und Doktoranden. Es gibtjedoch auch in den alten Ländern einzelne Forschungseinrichtungen, z. B. das Institut für Meereskunde an der Christian-Albrecht-Universität Kiel, die in sehr viel stärkerem Maße als sonst üblich in die Ausbildung von Studenten und Nachwuchswissenschaftlern einbezogen sind. Der Wissenschaftsrat hat den neu zu gründenden außeruniversitären Forschungseinrichtungen empfohlen, sich an diesem Modell zu orientieren und anzustreben, daß die leitenden Wissenschaftler der außeruniversitären Einrichtungen sich mit vier Semesterwochenstunden am Lehrbetrieb der jeweiligen Universität beteiligen. Dabei sollte darauf hingewirkt werden, daß nicht nur Spezialvorlesungen und Doktorandenseminare im Vordergrund stehen, sondern auch die Wahrnehmung von Aufgaben der akademischen Lehre in Pflicht-und Wahlpflichtveranstaltungen durch entsprechend qualifizierte Wissenschaftler aus außeruniversitären Forschungseinrichtungen verstärkt wird.
Außerdem sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um gemeinsame Studiengänge einzurichten, wie dies in den alten Ländern vielfach der Fall ist. Die Hochschulen sollten zusammen mit außer-universitären Einrichtungen in ihrem Umfeld prüfen, welche Möglichkeiten für die Gründung von Graduiertenkollegs bestehen, um sich auf diese Weise in der forschungsbezogenen Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu engagieren.
V. Transparenz, Wettbewerb und soziale Aspekte der personellen Erneuerung
1. Ausschreibung von Professuren und Leitungspositionen
Um zu gewährleisten, daß in den neuen Ländern international konkurrenzfähige Hochschulen und Forschungseinrichtungen entstehen, war es nach Auffassung des Wissenschaftsrates unerläßlich, daß die Professuren und Leitungspositionen international ausgeschrieben und nach einem transparenten Verfahren besetzt würden. An Berufungskommissionen in den Hochschulen sollten daher in hohem Maße auch externe Wissenschaftler beteiligt werden. Für die außeruniversitären Einrichtungen, für die der Wissenschaftsrat in seiner jeweiligen Stellungnahme den strukturellen, organisatorischen und finanziellen Rahmen abgesteckt hat, hat er selbst vorgeschlagen, daß die Umsetzung seiner Empfehlungen durch ein Gremium anerkannter Wissenschaftler des In-und Auslandes vorzunehmen sei. Einem solchen „Gründungskomitee“ hätten etwa fünf bis sieben Wissenschaftler anzugehören, darunter möglichst zwei ausländische Experten. Ein Vertreter des Wissenschaftlichen Rates der bisherigen Einrichtung soll mit beratender Stimme an den Sitzungen des Gründungskomitees teilnehmen. Zu den Aufgaben des Gründungskomitees soll es gehören, die Schwerpunktbildung der Forschung weiter voranzutreiben und insbesondere die leistungsbezogene Besetzung der Wissenschaftlerstellen zu gewährleisten.
Um sicherzustellen, daß die Leitungspositionen auch für international ausgewiesene Wissenschaftler attraktiv sein würden, hatte der Wissenschaftsrat sich frühzeitig dafür ausgesprochen, die neuen Forschungseinrichtungen mit gut dotierten Stellen auszustatten und in den Hochschulen ein spezielles Programm mit „Gründungsprofessuren“ vorzusehen, damit Professuren und Leitungsstellen adäquat besetzt werden können.
2. Finanzierung zeitlich befristeter Stellen aus Drittmitteln
Um den Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den neuen Ländern die notwendige Flexibilität und damit zugleich günstige Voraussetzungen für Kreativität und Vitalität zu verschaffen, hat der Wissenschaftsrat empfohlen, daß ein hoher Anteil der Stellen zeitlich befristet besetzt wird; denn nur so läßt sich -flankiert durch Auslandsstipendien-Programme und vielfältige andere Förderungsmaßnahmen -die Mobilität gewährleisten, die für international konkurrenzfähige Wissenschaft unverzichtbar geworden ist. Dies bedeutet zugleich, daß die Projekt-und Stipendienmittel der großen Drittmittelgeber angemessen erhöht werden müssen. Da gerade jüngere Wissenschaftler und in der Vergangenheit benachteiligte Forscher aufgrund der eingeschränkten oder völlig fehlenden Auslandskontakte, des begrenzten Zugangs zur westlichen Literatur und der vielfach schlechten apparativen Ausstattung in ihrer wissenschaftlichen Arbeit benachteiligt waren, sollte ihnen Gelegenheit gegeben werden, durch Auslandsaufenthalte den mehr oder weniger großen Rückstand gegenüber dem internationalen Forschungsstand aufzuholen
Der Wissenschaftsrat hat bereits im Januar 1991 ein Sofortprogramm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses empfohlen, dessen vor rangiges Ziel darin bestehen sollte, jüngere Wissenschaftler und in der Vergangenheit benachteiligte Forscher in intensiven Kontakt mit der internationalen Forschung zu bringen und ihnen anschließend die Möglichkeit zu geben, eine größere Forschungsarbeit weiterzuführen und abzuschließen In Analogie zum „Stipendienprogramm zur Verstärkung der AIDS-Forschung“, das aus Mitteln des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) finanziert wird, hat der Wissenschaftsrat ein Stipendienprogramm vorgeschlagen, das aus zwei Teilen bestehen sollte: der Förderung eines Forschungsaufenthaltes an einem renommierten Hochschul-oder Forschungsinstitut in den alten Ländern oder im Ausland und einer Anschlußförderung in einem Hochschul-oder Forschungsinstitut in den neuen Ländern.
3. Soziale Aspekte der personellen Erneuerung
Zu einem erheblichen Teil waren in den bisherigen Instituten Ingenieur-und Fachschulabsolventen auf Wissenschaftlerstellen beschäftigt. Zumindest in der angewandten Forschung und Entwicklung (z. B. in der Informationstechnik) konnte in bezug auf diesen Personenkreis bei den Institutsbesuchen kein Qualitätsgefälle ausgemacht werden. Da zu befürchten ist, daß bei den anstehenden Ausschreibungen die Ingenieur-und Fachschulabsolventen -trotz ihrer langjährigen, erfolgreichen Tätigkeit in Forschung und Entwicklung -auf Schwierigkeiten stoßen werden, ihren früheren Beschäftigungsverhältnissen entsprechende Stellen zu erhalten, hat sich der Wissenschaftsrat nachdrücklich dafür ausgesprochen, bei der Besetzung von Wissenschaftlerstellen diesen Personenkreis nicht aufgrund fehlender formaler Qualifikationen auszuschließen.
Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten endete für die Akademien der DDR und ihre Institute auch das Promotions-und Habilitationsrecht. Da es nunmehr ausschließlich den Universitäten Vorbehalten ist, müssen Wege gefunden werden, um den Nachwuchswissenschaftlern einen geordneten Übergang für den Abschluß ihrer jeweiligen Arbeit zu ermöglichen. Der Wissenschaftsrat hat den neuen Ländern empfohlen, eine gemeinsame Kommission aus Wissenschaftlern der Hochschu len und außeruniversitären Forschungseinrichtungen einzusetzen, die sich mit der Klärung solcher Übergangsprobleme befaßt.
Der Wissenschaftsrat war frühzeitig der Überzeugung, daß bei der Neustrukturierung der außer-universitären Einrichtungen die Chance genutzt werden sollte, unter zukunftsgerichteten Gesichtspunkten Forschungsgebiete neu zu ordnen, umzugestalten und zu ergänzen. Diese an den Kriterien der Effizienz und der internationalen Konkurrenzfähigkeit orientierte Neuordnung der bisherigen Einrichtungen -verbunden mit der Tatsache, daß die Nachentwicklung westlicher Technologien, mit der in der Vergangenheit in allen experimentell arbeitenden Wissenschaften ein erheblicher Teil des Personals beschäftigt war, nunmehr entfällt -hat dazu geführt, daß künftig nur etwa 40 Prozent des bisherigen Personals aus etatmäßigen Stellen finanziert werden können. Wie bereits ausgeführt, wird jedoch -dies ist in den alten Ländern seit langem üblich -ein erheblicher Teil des wissenschaftlichen und technischen Personals aus Projekt-und Stipendienmitteln der großen Drittmittelgeber, bezahlt werden können. Außerdem ergeben sich durch die Ausgliederung von Entwicklungs-und Serviceleistungen in die Wirtschaft zusätzliche Beschäftigungschancen. Dennoch ist es für ein Gelingen der Neustrukturierung von Wissenschaft und Forschung unerläßlich, daß komplementäre Maßnahmen zur Weiterbildung, Umschulung oder auch für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen genutzt werden.
In den bisherigen Instituten war der Anteil der Wissenschaftler, die älter als 50 Jahre sind, relativ hoch. Die Mehrzahl von ihnen gehört dem akademischen Mittelbau an, hatte in früheren Jahren vielfach keine oder nur eingeschränkte Reisemöglichkeiten und durfte -z. B. in weiten Teilen der Geowissenschaften und auch in vielen Bereichen der angewandten Forschung und Entwicklung -die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit nicht oder nur in zensierter Form veröffentlichen. Diese in der Vergangenheit benachteiligten Wissenschaftler konnten bei weitem nicht alle erfolgreich sein, wenn es galt, sich auf die Wissenschaftlerstellen in den neuen Einrichtungen zu bewerben und mit erheblich jüngeren Wissenschaftlern zu konkurrieren. Um eine erneute Benachteiligung dieses Personenkreises zu vermeiden, sollten speziell für ältere Wissenschaftler Stellen und Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden, die ihnen eine Fortsetzung ihrer Forschungstätigkeit erlauben.
VI. Umstrukturierung von Spezialhochschulen und Neugründung von Fachhochschulen
Die Hochschulen der DDR haben in vielerlei Hinsicht eine andere Entwicklung genommen als die Hochschulen in der Bundesrepublik. Die Universitäten der DDR wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nennenswert ausgebaut. Die Humboldt-Universität zu Berlin und die Universitäten in Rostock, Greifswald, Halle, Jena und Leipzig wurden zwar weitergeführt, aber es gab keine Neugründungen. An die Stelle einer am Konzept der Fächervielfalt orientierten Universität, wie sie in den alten Bundesländern sowie im übrigen Westeuropa anzutreffen ist, trat die arbeitsteilig gegliederte Spezialhochschule, vor allem im Bereich Technik und Wirtschaft.
Die -gemessen an bundesdeutschen Hochschulen-relativ kleinen Spezialhochschulen hatten ein schmales Fächerspektrum und orientierten sich vielfach direkt am Bedarf der Wirtschaft an qualifizierten Arbeitskräften sowie Forschungsund Entwicklungsleistungen. Entsprechend eng war die Qualifikation der Absolventen dieser Studiengänge, was selbstverständlich Auswirkungen auf die Breite ihrer beruflichen Verwendungsmöglichkeiten hatte. Hier mußte nach Auffassung des Wissenschaftsrates rasch umstrukturiert werden, damit die Vergleichbarkeit der Hochschulausbildung in beiden Teilen Deutschlands gewährleistet werden konnte. Daher hat sich der Wissenschaftsrat dafür ausgesprochen, aus den 54 öffentlichen Hochschulen (nichtöffentliche Hochschulen der Nationalen Volksarmee, der Grenztruppen, der Polizei und der Staatssicherheit, die sämtlich aufgelöst wurden, waren nicht Gegenstand der Stellungnahmen des Wissenschaftsrates) etwa 12 bis 15 Universitäten/Technische Universitäten und 20 Fachhochschulen mit 26 Standorten zu empfehlen.
Die Fachhochschulen, die der Wissenschaftsrat vorgeschlagen hat, sollen überwiegend aus bisherigen Ingenieurhochschulen, Spezialhochschulen und Technischen Hochschulen gebildet werden. In einigen Fällen sind jedoch völlige Neugründungen erforderlich, wobei z. T. Potentiale von Ingenieurschulen oder Fachschulen für den Aufbau der neuen Fachhochschulen genutzt werden sollen. Mit dem Aufbau der Fachhochschulen wird auch das Ziel verfolgt, die zumeist auf einzelne ingenieurwissenschaftliche Disziplinen beschränkten Einrichtungen durch fachlich erweiterte Hochschulen zu ersetzen. Als neue Fachhochschul-Studiengänge wurden z. B. Sozialwesen, Betriebs-Verwaltungswissenschaft und Design empfohlen.
Insgesamt zielen die Empfehlungen des Wissenschaftsrates darauf ab, die Studiengänge zu despezialisieren; denn für die künftigen Hochschulabsolventen kommt es darauf an, durch eine breite Ausbildung flexibel einsetzbar zu sein. Das Profil der Studiengänge, vor allem die methodischen Grundlagen, muß stärker betont und die für den jeweiligen Beruf erforderlichen Spezialkenntnisse vielfach in die erste Praxis-oder Berufsphase verlegt werden.
VII. Neuaufbau der Rechts-, Wirtschafts-und Sozialwissenschaften
Der Wissenschaftsrat hat bereits frühzeitig darauf hingewiesen, daß in vielen Studiengängen -dazu gehörten insbesondere die Rechts-, Wirtschafts-und Sozialwissenschaften, aber auch Teile der Philosophie, der Geschichtswissenschaften und der Pädagogik wie auch der gesamte Bereich der Lehrerbildung -ein grundlegender Neuaufbau erforderlich sein würde; denn die bestehenden Studiengänge waren einseitig auf die marxistisch-leninistische Gesellschaftstheorie, die realsozialistische Staatslehre und die staatsmonopolistische Zentralverwaltungswirtschaft ausgerichtet. Aufgrund langjähriger politischer Einflußnahmen und eng gesteuerter Selektionsprozesse fehlte es in diesen Fächern zudem häufig an der notwendigen Vielfalt und damit an einer wichtigen Bedingung wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit.
Dabei war von vornherein klar, daß der Neuaufbau, der für die ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung der neuen Länder außerordentlich wichtig sein würde, nur mit personeller Hilfe aus den Hochschulen und Forschungseinrichtungen der alten Länder ermöglicht werden könnte. Gastvorlesungen, Referate und der wissenschaftliche Austausch über Fachliteratur und Kongreßbesuche allein wären hierfür nicht ausreichend gewesen. In den „Zwölf Empfehlungen“ heißt es dazu: „Gastprofessuren, die über mehr als ein Semester hinausreichen, könnten zumindest an einigen Hochschulen Abhilfe schaffen. Optimal wäre es jedoch in dieser Situation, wenn die Hochschulen im östlichen Teil Deutschlands Hochschullehrerstellen mit qualifizierten Bewerbern aus der Bundesrepublik Deutschland besetzen könnten. Hier muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß auch die bundesdeutschen Universitäten und Fachhochschulen in einigen Fächern derzeit Schwierigkeiten haben, die im Rahmen des Überlastprogramms, z. B. für die Betriebswirtschaftslehre, zur Verfügung gestellten Hochschullehrerstellen adäquat zu besetzen.“
Angesichts dieses Personalengpasses und eingedenk der Tatsache, daß jeweils etwa zwölf bis vierzehn C 4-Professuren in Jura, Betriebswirtschaft oder Volkswirtschaft für notwendig erachtet werden, um eine qualifizierte Ausbildung der Studenten zu gewährleisten, hielt es der Wissenschaftsrat für erforderlich, den neuen Ländern im Interesse der Sicherung eines angemessenen Lehrangebots zu empfehlen, dem Aufbau leistungsfähiger Fach-bereiche an wenigen Hochschulorten Vorrang gegenüber einem parallelen Neuaufbau an vielen Universitäten einzuräumen.
1. Rechtswissenschaften
In den „Empfehlungen zu Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften in den neuen Ländern“ vom März 1991 hat der Wissenschaftsrat eingedenk der oben beschriebenen Situation den neuen Ländern empfohlen, zunächst nur sieben juristische Fakultäten, und zwar an den Universitäten in Halle, Jena, Leipzig und OstBerlin, an denen früher Rechtswissenschaft gelehrt wurde, an der Technischen Universität Dresden, an der Brandenburgischen Landeshochschule in Potsdam und an einer der beiden Universitäten in Mecklenburg-Vorpommern, aufzubauen. Für diese Neugründungen sollten als Mindestgröße 14 Professuren vorgesehen werden, und zwar fünf Professuren im Privatrecht, fünf im Öffentlichen Recht, zwei Professuren im Strafrecht und zwei Professuren aus den Grundlagenfächern Rechts-philosophie, Rechtsgeschichte und Rechtssoziologie. Um rasch qualifizierte Professoren berufen zu können, sollte ein Teil der Stellen als Gründungsprofessuren mit den im Westen üblichen Konditio nen ausgestattet werden. Der Aufbau weiterer juristischer Fakultäten ist für eine zweite Ausbau-phase ab Mitte/Ende der neunziger Jahre empfohlen worden.
2. Wirtschafts-und Sozialwissenschaften
Wie die Juristen, so hatten auch die Wirtschaftsund Sozialwissenschaftler durch die Wende ihren Erkenntnisgegenstand -die marxistisch-leninistische Gesellschaftsordnung und die staatsmonopolistische Zentralverwaltungswirtschaft -weitgehend verloren. Angesichts der rd. 17000 Studenten mußte der Umstieg in den Wirtschaftswissenschaften auf eine fachlich fundierte und konkurrenzfähige Ausbildung am schnellsten bewältigt werden. Ähnlich wie in den Rechtswissenschaften sollte in den Wirtschaftswissenschaften in einer ersten Phase in jedem Land je eine komplette wirtschaftswissenschaftliche Fakultät aufgebaut werden. Lediglich für Sachsen wurden in Anbetracht der starken Konzentration der Studententischen Nachfrage in Leipzig und Dresden zwei voll ausgebaute Fakultäten empfohlen. Für alle vorgesehenen Standorte sollten Gründungsprofessuren genutzt werden, um rasch Wissenschaftler aus den alten Ländern und aus dem übrigen Westeuropa gewinnen zu können.
In den sozialwissenschaftlichen Fächern -Soziologie und Politikwissenschaft -war die Notwendigkeit eines vollständigen Neubeginns mindestens so dringlich wie in den Wirtschaftswissenschaften. Soziologische Ausbildung hatte es an Hochschulen in der DDR nur in sehr geringem Umfang (jährliche Zulassung von 40 Studenten in Berlin, Halle und Leipzig), eine politikwissenschaftliche Ausbildung überhaupt nicht (sieht man von den der politischen Indoktrination dienenden Fächern wissenschaftlicher Sozialismus/Kommunismus ab) gegeben. Der Wissenschaftsrat hat empfohlen, Soziologie vor allem an den drei Universitäten wieder einzurichten, an denen bereits soziologische Studiengänge bestanden. An weiteren Hochschulen sollte das Fach im Hinblick auf Angebote für andere Studiengänge (z. B. Magister) ebenfalls etabliert werden. Die volle Vertretung des Faches wurde dabei mit vier Professuren angesetzt. Ähnliches gilt für die Politikwissenschaft, die -auch im Hinblick auf die Lehrerausbildung -an jeder Universität der neuen Länder eingerichtet werden sollte. Insgesamt hat der Wissenschaftsrat auch hier Wert darauf gelegt, eine zeitliche und finanzielle Flexibilität sowie Spielräume für erwünschte fachliche Schwerpunktbildungen zu sichern.
VIII. Konsolidierung bestehender Einrichtungen versus Gründung neuer Universitäten
Bereits Mitte 1990 hatte der Wissenschaftsrat überschlägig errechnet, daß sich für die Verbesserung der Infrastruktur von Forschung und Lehre in den neuen Ländern sowie für die gezielte Forschungs-und Nachwuchsförderung -ohne die Kosten für den laufenden Betrieb der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen -für die nächsten fünf Jahre insgesamt ein Finanz-bedarf von ca. 6, 5 Milliarden DM ergeben könnte Die damals für die einzelnen Maßnahmen geschätzten Beträge haben sich seither weitgehend als richtig erwiesen. Angesichts des riesigen Investitionsbedarfs, der vor allem deshalb entstanden ist, weil die Gebäude, Geräte und Bibliotheken bei weitem nicht den im Westen üblichen Standards entsprechen, und in Anbetracht des begrenzten Potentials an berufungsfähigen Wissenschaftlern hat sich der Wissenschaftsrat dafür ausgesprochen, der Erneuerung bzw. Konsolidierung bestehender Einrichtungen Vorrang vor der Gründung neuer Universitäten einzuräumen. Damit soll freilich nicht ausgeschlossen werden, daß einzelne mit Hochschulen unterversorgte Länder, wie z. B. Brandenburg, neue Universitäten gründen. Eine Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrates prüft derzeit die Pläne des Landes Brandenburg für die Gründung neuer Universitäten in Frankfurt/Oder und Cottbus.
Mit Blick auf einen anderen Hochschulstandort hat der Wissenschaftsrat bereits im Januar 1992 eine Stellungnahme abgegeben, in der er im einzelnen dargelegt hat, weshalb er es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für richtig hält, in Erfurt eine Universität zu gründen Für den Wissenschaftsrat, der allen Neugründungs-und Ausbauplänen für die Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland zustimmen muß, bevor die Bundesregierung Investitionen für Gebäude, Bauten und Großgeräte über das Hochschulbauförderungsgesetz mitfinanziert, war für eine Ablehnung der Neugründung in Erfurt entscheidend, daß nach seiner Auffassung das Land Thüringen die dem Hochschulsektor zur Verfügung stehenden Mittel gezielt für die Sanierung der bestehenden Hochschulen in Jena, Ilmenau und Weimar und den Aufbau der 1991 gegründeten Fachhochschulen in Erfurt, Jena und Schmalkalden verwenden sollte. Die Entwicklung der Nachfrage nach Studienplätzen ließ für die erste Hälfte der neunziger Jahre in Thüringen keinen Bedarf für eine neue Universität erkennen. Dies dürfte sich vermutlich erst gegen Ende dieses Jahrhunderts ändern. Dann sollten auch bessere Chancen bestehen, hervorragende Wissenschaftler für eine neu zu gründende Universität in Erfurt zu gewinnen.
IX.
Leistungsfähigkeit der Infrastruktur
Die Leistungsfähigkeit von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist in besonderem Maße verbunden mit der Verfügbarkeit der internationalen Fachliteratur und neuester Apparaturen. Gerade in dieser Hinsicht bestehen in den wissenschaftlichen Einrichtungen der ehemaligen DDR gravierende Defizite. Zwar konnte seit November 1989 in einzelnen Bereichen die apparative Ausstattung und Bibliothekenausstattung entscheidend verbessert werden; sie entspricht jedoch weitgehend immer noch nicht dem erforderlichen und mit den alten Ländern oder dem westeuropäischen Ausland vergleichbaren Standard.
Bund und Länder werden deshalb erhebliche Mittel für eine Verbesserung der Grundausstattung bereitstellen müssen, um die apparativen Voraussetzungen für eine wettbewerbsfähige Forschung zu schaffen. Wird dafür nicht von Anfang an Sorge getragen, so drohen die neuen Forschungseinrichtungen schon von ihrer Ausstattung her zu Instituten zweiter Wahl zu werden, ganz abgesehen davon, daß die Berufung von leitenden Wissenschaftlern angesichts der bisherigen Arbeitsbedingungen kaum gelingen wird.
X. Schwierigkeiten der Leistungsbewertung angesichts der DDR-Spezifika
1. Die Probleme der Gutachter bei der Leistungsbewertung Im Mittelpunkt der Bestandsaufnahme, Bewertung und Neustrukturierung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen stand die Beurtei-lung der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit. Es galt zu klären, wie leistungsfähig -wissenschaftliche Grundprinzipien respektierend verläßlich, umfassend, innovativ, effizient und entwicklungsfähig die wissenschaftliche Arbeit und ihre Ergebnisse in den Forschungsinstitutionen waren und ob sich deren Status, Struktur, Organisation und Zusammensetzung förderlich oder hinderlich auf die Zielsetzung ausgewirkt hatten. Beide Aspekte mußten in ihrem inneren Zusammenhang bewertet werden: die Qualität der vorgestellten Arbeitsvorhaben im einzelnen und die Kohärenz des jeweiligen Forschungsprogramms eines Instituts im ganzen. Dabei war die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit im Vergleich zu internationalen Standards je nach Fachgebiet differenziert und unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen zu beurteilen, unter denen Forscher in der DDR zu arbeiten hatten und von denen sie geprägt wurden.
Bei der Begutachtung von Forschungseinrichtungen der DDR konnten sich die Arbeitsgruppen des Wissenschaftsrates nur teilweise von den Bewertungskriterien leiten lassen, die der Wissenschaftsrat schon seit langem bei westdeutschen Instituten angewandt hatte. Aufgrund der Beschränkungen von Publikationsmöglichkeiten durfte u. a.dem Kriterium „Veröffentlichungsleistungen“ in den meisten Disziplinen nicht das übliche Gewicht beigemessen werden. Auch eingeworbene Drittmittel konnten wegen der anders gelagerten Auftragsforschung der DDR keinen aussagefähigen Indikator für wissenschaftliche Qualität darstellen. Dasselbe gilt für die Zuteilung von Mitteln im Rahmen des Staatshaushaltes, die zum Teil durch die Beiträge der Hauptforschungsrichtungen beeinflußt wurde.
2. Politische Fremdbestimmung der Forschungstätigkeit
Durch die seit Ende 1989 sprunghaft gestiegenen Möglichkeiten zum direkten persönlichen Kontakt mit ostdeutschen Wissenschaftlern und die Gespräche der Arbeitsgruppenmitglieder mit den Mitarbeitern an ihren Arbeitsplätzen und in den Plenarveranstaltungen gelang es den erfahrenen Gutachtern dennoch, sich ein Bild von den bisherigen Arbeiten zu machen. Mit Blick auf eine angemessene Einschätzung der künftigen Leistungsfähigkeit war es für die Gutachter freilich unerläßlich, sich mit den spezifischen Problemen, Mängeln und Behinderungen vertraut zu machen, denen eine Forschungstätigkeit in der DDR unterlag. Neben den bereits erwähnten baulichen und apparativen Defiziten gehörte dazu vor allem die politische, letztlich parteipolitische Steuerung des gesamten Wissenschaftsbereichs. Diese Steuerung konkretisierte sich -in der verbindlichen Vorgabe marxistisch-leninistischer Inhalte und Methoden als nicht hinterfragbare, letztlich nicht kritisierbare Prämissen wissenschaftlicher Arbeiten, vor allem in den Geistes-und SozialWissenschaften; -durch die oft bis ins einzelne gehende politische Aufsicht über die Personalpolitik, in der neben Kriterien der wissenschaftlichen Qualifikation solche der politischen Loyalität und des parteipolitischen Engagements eine große Rolle spielten und oft den Vorrang erhielten; -in der maßgebenden Teilnahme parteipolitischer Instanzen, z. B.der fachspezifischen Räte beim ZK der SED, an Prioritätensetzungen und Verbindlichkeitserklärungen in bezug auf die thematische und methodische Ausrichtung der einzelnen Wissenschaften; -im sehr ungleichgewichtigen Ausbau der verschiedenen Fächer und Teildisziplinen, je nach dem Grad ihrer gesellschaftlich-politischen oder wirtschaftlichen Nützlichkeit, Notwendigkeit oder Akzeptanz; -in Zensur, Maßregelungen, Publikationsverboten und Kommunikationsbeschränkungen der verschiedensten Art; -in der Unterentwicklung jener fachwissenschaftlichen und allgemeinen Öffentlichkeitsstrukturen, die für das Gedeihen der wissenschaftlichen Arbeit so wichtig sind, weil sie offen ausgetragenen Kontroversen, radikaler Kritik, systematischem Zweifel und individuellen Innovationen Anerkennung oder zumindest Aufmerksamkeit verschaffen. Die aus all dem erfolgende politische Bevormundung, Gängelung und Selbstzensur sowie der damit verbundene Autonomieverlust und Anpassungsdruck haben den Wissenschaften in der DDR insgesamt großen Schaden zugefügt und ihre Entwicklung nachhaltig behindert, wenngleich sich dies in den einzelnen Disziplinen sehr unterschiedlich ausgewirkt hat. Eine Folge dieser politischen Fremdbestimmung war jedoch, daß es in vielen Disziplinen an innerer Vielfalt von Forschungsansätzen und damit an einer wichtigen Bedingung wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit fehlte
XI. Neue Strukturen im außeruniversitären Bereich
Mit Blick auf die Ergebnisse der Bestandsaufnahme, Bewertung und Neustrukturierung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen der ehemaligen DDR gilt es zunächst einmal, ein negatives Faktum festzuhalten: Der Wissenschaftsrat hat für fast alle Einrichtungen empfohlen, sie in der bisherigen Form nicht fortzuführen. Dennoch handelt es sich dabei keineswegs um ein vernichtendes Urteil, im Gegenteil. Die verabschiedeten Empfehlungen müssen als ein Ganzes betrachtet werden. Die Vorschläge zur Auflösung von bisherigen institutionellen Strukturen können nicht getrennt von denen zur Gründung neuer Einrichtungen und zur Überführung von Wissenschaftlern und Arbeitsgruppen in bestehende Forschungszusammenhänge (Außenstellen westdeutscher Institute) betrachtet werden. Aus der Sicht des Wissenschaftsrates handelte es sich bei beiden Gruppen von Empfehlungen um konstitutive Bestandteile einer Gesamtkonzeption, die nur als Ganzes sinnvoll verwirklicht werden konnte.
In Zahlen zusammengefaßt hat der Wissenschaftsrat rund 13300 neue Stellen in Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen für die ehemaligen etwa 30000 Beschäftigten der rund 130 begutachteten Einrichtungen empfohlen. Davon werden rund 1200 Stellen allein vom Bund und rund 7 800 Stellen von Bund und Ländern gemeinsam finanziert. Rund 2000 Beschäftigte sollten zwecks Transfers in die Hochschulen über das „Wissenschaftier-Integrationsprogramm“ gefördert werden. In Mehr-Länder-Anstalten und Landesforschungsanstalten sollten rund 2100 Stellen geschaffen werden. Zu diesen Stellen kommen weitere Positionen, z. B. in Akademienvorhaben, hinzu. Mit all diesen Stellen ist jedoch noch nicht das gesamte Personal der neuen Einrichtungen beziffert; denn dieses kann erheblich größer sein, wenn es gelingt, Drittmittel für neue Projekte einzuwerben. Ein Drittmittelanteil von 30 bis 40 Prozent ist für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen keine Seltenheit.
Bei den empfohlenen Formen der institutionellen Forschungsförderung handelte es sich fast immer um organisatorische Instrumente, die sich im westlichen Teil Deutschlands herausgebildet und bewährt hatten. Insoweit ist es richtig, von „Einpassung“ der wissenschaftlichen Einrichtungen in die Forschungsstruktur der Bundesrepublik Deutschland zu sprechen. Aber es wurde auch die Chance genutzt, mit dem wissenschaftlichen Potential der ehemaligen DDR Neues zu gestalten: -In Müncheberg und Eberswalde (Brandenburg) wurde z. B. ein Forschungszentrum für Agrarlandschaftsforschung und -gestaltung eingerichtet. In den alten Ländern war die Umweltforschung früher fast allein auf Luft und Wasser konzentriert. Der Bereich Boden wurde erst 1982 im Zusammenhang mit der Waldschadensforschung stärker in die Forschung einbezogen, stellt aber weiterhin ein Forschungsdefizit dar. Das neue Institut wird hoffentlich dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. -In Jena wird ein Institut für molekulare Biotechnologie entstehen. Auch auf diesem Gebiet wurde früher in der Bundesrepublik zu wenig geforscht, obwohl in Zukunft gerade hier entscheidende Innovationen für die Biomedizin zu erwarten sind. -Im Bereich der Geisteswissenschaften sollen sieben Forschungszentren errichtet werden, von denen durch zukunftsorientierte Schwerpunktsetzungen neue Impulse für die geisteswissenschaftliche Forschung und die forschungsintensive Lehre ausgehen sollen.
Gerade letztere könnten ein Beispiel dafür werden, daß nicht bloß westliche Strukturen auf den östlichen Teil Deutschlands übertragen wurden. Vielmehr war hier für die Arbeitsgruppe „Geistes-wissenschaften“ einer der Ausgangspunkte auch die kritische Bewertung der Situation der geisteswissenschaftlichen Forschung in der bisherigen Bundesrepublik. Sowohl in struktureller als auch in organisatorischer Hinsicht sollen diese Zentren ein innovatives Element im Wissenschaftssystem des vereinten Deutschlands darstellen
Der Wissenschaftsrat hatte sich dafür ausgesprochen, die Zentren als einen Verbund zu errichten und sie im Interesse einer wirkungsvollen, kombinierten organisatorischen Betreuung, die insbesondere in der Gründungsphase dringend erforderlich zu sein schien, für einen Zeitraum von zunächst drei Jahren an die Max-Planck-Gesellschaft anzugliedern. Während der dreijährigen Übergangszeit soll nunmehr die weitere konzeptionelle Ausgestaltung der Zentren und ihre institutionelle Entwicklungsperspektive von der Max-Planck-Gesellschaft erarbeitet werden. Der Wissenschaftsrat hat sich Vorbehalten, zu diesem Konzept Stellung zu nehmen. Insgesamt kann die Neustrukturierung der außer-universitären Forschungseinrichtungen als erfolgreich angesehen werden. Dies schließt freilich nicht aus, daß weiterhin noch viele Detailprobleme zu lösen sind und noch erhebliche Investitionen erforderlich sein werden, um zu einer ausgewogenen Forschungslandschaft im vereinten Deutschland zu gelangen.
XII. Evaluation der Evaluation-ein Fazit
1. Die Ergebnisse aus der Sicht der Betroffenen
Die Aktivitäten des Wissenschaftsrates in den neuen Ländern wurden sowohl von den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages als auch von einer breiten politischen Öffentlichkeit aufmerksam begleitet. Dabei war die Bestandsaufnahme, Bewertung und Neustrukturierung durch den Wissenschaftsrat keineswegs unumstritten. Als jedoch ab dem Frühjahr 1991 die Empfehlungen in ihren Umrissen sichtbar wurden, änderte sich sowohl die Einstellung der Betroffenen als auch die Bewertung in der Öffentlichkeit zum Positiven. Trotz der erheblichen Reduktion des Stellenbestandes (auf ca. 40 Prozent) haben die Beschäftigten der ehemaligen DDR-Institute sowohl die Vorgehensweise der Arbeitsgruppen des Wissenschaftsrates als auch die Ergebnisse im großen und ganzen als angemessen und richtig erachtet. Dies zeigt nicht zuletzt eine (freilich auf nur etwa ein Fünftel der Institute begrenzte) Umfrage, die einer der betroffenen Direktoren bei 26 natur-und agrarwissenschaftlichen Instituten durchgeführt hat Danach beurteilten 90 Prozent der Begutachteten die Atmosphäre während des Institutsbesuchs als gut, 10 Prozent betrachteten sie als zufriedenstellend, niemand als schlecht. Nur 4 Prozent der Befragten beurteilten die Bewertungen in den Stellungnahmen des Wissenschaftsrates als „überwiegend falsch“, und lediglich 5 Prozent fühlten sich insgesamt nicht gerecht beurteilt. 92 Prozent betrachteten demgegenüber die Bewertungen durch die Arbeitsgruppen des Wissenschaftsrates als zutreffend bzw. überwiegend zutreffend. Dieses Umfrageergebnis und auch die vielen Einzel-schreiben aus den Instituten waren für den Wissenschaftsrat eine eindrucksvolle Bestätigung dafür, daß seine Arbeit auch von den Betroffenen für notwendig und in den Konsequenzen für angemessen gehalten wurde.
2. Umsetzung der Empfehlungen des Wissenschaftsrates
Im Herbst 1992, zwei Jahre nach der Vereinigung und ein Jahr nach Abschluß der Bestandsaufnahme, Bewertung und Neustrukturierung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie der meisten hochschulbezogenen Empfehlungen, läßt sich feststellen, daß der Wissenschaftsrat in vielen Bereichen die Weichen für eine grundlegende Erneuerung des Hochschul-und Forschungssystems in den neuen Ländern stellen konnte. Zugleich steht jedoch die tatsächliche Umsetzung, vor allem hinsichtlich der personellen Erneuerung, vielfach noch am Anfang. Dies gilt insbesondere für die Hochschulen. Nach wie vor zeigt sich, daß sowohl die vergleichsweise schlechte Ausstattung der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen als auch der Mangel an geeignetem Wohnraum in den neuen Ländern gravierende Hemmnisse bei der Gewinnung qualifizierter Bewerber für die zu besetzenden Direktorenstellen und Professuren darstellen
3. Noch keine regional ausgewogene Forschungslandschaft in Ostdeutschland
In den Empfehlungen für die Neustrukturierung der Hochschul-und Forschungslandschaft sowie in ihrer möglichst genauen Umsetzung sieht der Wissenschaftsrat wichtige Schritte auf dem Weg zu dem Ziel, auch für die Menschen im östlichen Teil Deutschlands die Möglichkeit zu eröffnen, über ein vielgestaltiges und leistungsfähiges Hochschulund Forschungssystem zu verfügen, das zugleich die Möglichkeit zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Einrichtungen im Ausland eröffnet.
Es werden jedoch weitere Schritte notwendig sein, die nicht zuletzt dazu beitragen müssen, eine insgesamt ausgewogene Wissenschaftslandschaft im vereinten Deutschland zu schaffen. Dies wird u. a. auch die regionale Verteilung außeruniversitärer Forschungskapazitäten betreffen; denn vor dem Hintergrund langfristig gewachsener Strukturen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und der Notwendigkeit, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen strukturell und personell möglichst eng mit entsprechenden Schwerpunkten in Hochschulen zu verknüpfen, konnte das Ziel einer auch regional ausgewogenen Forschungslandschaft noch nicht in ausreichendem Umfang erreicht werden.
Der Anteil Berlins konnte zwar deutlich reduziert werden; nach wie vor weisen jedoch die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und insbesondere Thüringen -gemessen am Bevölkerungsanteil -eine niedrige Konzentration an Forschungskapazitäten auf. Der Wissenschaftsrat hat daher für sich selbst eine mittelfristige Aufgabe darin gesehen, dazu beizutragen, daß insbesondere in den genannten Ländern neue Forschungseinrichtungen geschaffen werden. Er hat zugleich den Bund gebeten, auch bei der Planung neuer Einrichtungen und Großgeräte bevorzugt Standorte in den neuen Ländern ins Auge zu fassen.
Wie der Wissenschaftsrat bereits in seinen „Zwölf Empfehlungen“ ausgeführt hat, muß eine hochentwickelte Industriegesellschaft, wie sie das vereinte Deutschland -trotz aller regionalen Unterschiede-darstellt, Investitionen in Wissenschaft und Forschung relativ zu anderen Aufgaben gleichgewichtig fördern. „Die wirtschaftliche Entwicklung -und damit die Sicherung des Wohlstandes und der sozialen Errungenschaften -wird in hohem Maße auf die ständige Weiterentwicklung der Wissenschaft, ihrer Methoden und Techniken sowie ihres Transfers in Produktionsverfahren, Güter und Dienstleistungen angewiesen sein.“ Da Wissenschaft und Forschung einen wesentlichen Bestandteil der öffentlich finanzierten Infrastruktur bilden, müssen sie auch in den neuen Ländern finanziell unterstützt und insgesamt zu einem föderalen Forschungsverbund weiterentwickelt werden. Für den Wissenschaftsrat wird es unerläßlich sein, aus einer gesamtstaatlichen Perspektive weitere Empfehlungen zu erarbeiten, die dazu beitragen, die Verhältnisse in den Forschungsinstituten und Hochschulen des vereinten Deutschlands in eine neue funktionelle Symmetrie zu bringen. Dazu gehört sowohl eine umfassende, an großen Forschungsfeldern ausgerichtete Bewertung und Neustrukturierung der wissenschaftlichen Einrichtungen, als auch eine an den Bedürfnissen von Massen-und Elitebildung orientierte Erneuerung des Hochschulsystems. In beiden Bereichen kann der Wissenschaftsrat jedoch nur erfolgreich sein, wenn zugleich die Politiker in allen Teilen Deutschlands weiterhin zu grundlegenden Reformen bereit sind.