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„Magere Zeiten“ Eine Bilanz der Wohlfahrtsentwicklung in Ostdeutschland aus der Sicht der Betroffenen | APuZ 29-30/1992 | bpb.de

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APuZ 29-30/1992 Die „objektive“ und die „subjektive“ Modernisierung. Der Wandel der westdeutschen Sozialstruktur und die Wiedervereinigung Die ostdeutsche Sozialstruktur unter Modemisierungsdruck „Magere Zeiten“ Eine Bilanz der Wohlfahrtsentwicklung in Ostdeutschland aus der Sicht der Betroffenen Ältere Menschen in den neuen Bundesländern Leben im Umbruch. Erste Ergebnisse einer regionalspezifischen Milieuerkundung

„Magere Zeiten“ Eine Bilanz der Wohlfahrtsentwicklung in Ostdeutschland aus der Sicht der Betroffenen

Detlef Landua

/ 27 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Nach dem unerwartet raschen Zusammenbruch des DDR-Staates und dem schnellen Beitritt zur Bundesrepublik zeichnet sich ein erheblich längerer Abschnitt in der ost-west-deutschen Entwicklung ab: Die Lösung vieler Probleme des Zusammenwachsens der beiden Gesellschaftssysteme wird noch Jahre in Anspruch nehmen. Wie aber reagieren die betroffenen Menschen in Ostdeutschland auf die sich rapide verändernden Lebensumstände, wie bewerten sie ihre Lebensbedingungen? Im Beitrag werden Ergebnisse des „Sozioökonomischen Panels“ präsentiert: 1. Die hohe Bedeutung von Arbeit und Einkommen für das Wohlbefinden der Ostdeutschen hat nicht nachgelassen, sondern weiter zugenommen. Dies gilt auch für die (neuen) Gruppen der Erwerbslosen. 2. Die bereits 1990 hohe Unzufriedenheit mit den Bedingungen in wichtigen Lebensbereichen ist weiter gestiegen. Hiervon sind insbesondere Kurzarbeiter und Arbeitslose betroffen. 3. Die eigenen Chancen auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt haben sich aus der Sicht der Befragten weiter verschlechert; Sorgen um die eigene wirtschaftliche Situation sind mittlerweile allgemein verbreitet. 4. Ein Jahr nach der „Wirtschafts-, Währungs-und Sozialunion“ fällt die bilanzierende Bewertung aller Lebensumstände für einen Großteil der Ostdeutschen negativ aus. Rentner bewerten die Entwicklung günstiger. 5. Die Zukunftszuversicht vieler Kurzarbeiter und Arbeitslosen hat nachgelassen, die Gefahr der sozialen Ausgrenzung größerer Bevölkerungsteile in Ostdeutschland hat sich erhöht. 6. Die Ursachen des Stimmungseinbruchs im Osten sind nicht nur in verschlechterten objektiven Lebens-umständen, sondern auch in enttäuschten Erwartungen und in der wachsenden Bedeutung subjektiver Beeinträchtigungen durch verbreitete Zukunftsängste und Orientierungsprobleme zu suchen.

I. Vorbemerkungen zum Thema

Abb. 1: Bedeutung einzelner Lebensbereiche für das subjektive Wohlbefinden der neuen Bundesbürger

Die deutsche Wiedervereinigung ist rechtlich und institutionell vollzogen worden, aber das eigentliche Zusammenwachsen der beiden deutschen Gesellschaftssysteme wird noch lange andauern. Ebenso deutlich zeichnet sich ab, daß viele sozial-strukturelle Entwicklungen in der früheren DDR westdeutschen Mustern folgen werden. Keineswegs alle der infolge des ostdeutschen Transformationsprozesses eingetretenen Ereignisse waren also unvorhersehbar. Weniger als die allgemeine Richtung überraschten in den zurückliegenden Monaten oft die Geschwindigkeit und die Intensität, mit der sich die Entwicklung in vielen Teilbereichen vollzog. Die Steuerbarkeit der anhaltenden Veränderungen gesellschaftlicher Ordnungen im Ostteil Deutschlands wurde nicht zuletzt auch durch das hohe Entwicklungstempo und durch den Tiefgang des sozialen Wandels nachhaltig gestört.

Tabelle 2: Gegenwärtige und erwartete Lebenszufriedenheit einzelner Bevölkerungsgruppen in Ost-und Westdeutschland

Eine umfassende Bestandsaufnahme des bisherigen Verlaufs der Veränderungen im Osten fällt nicht leicht. Sicher ist, die Lebensverhältnisse in der ehemaligen DDR waren und sind -verglichen mit den westdeutschen -durch erhebliche Defizite gekennzeichnet. Informationen zu den meisten dieser Probleme sind mittlerweile vorhanden. Zahlreiche Datenquellen in Ostdeutschland über die Einkommensverhältnisse, die Arbeitslosenquote, die Wohnungsmisere, den Grad der Umweltzerstörung, die Kriminalitätsrate und andere Informationen über „objektive“, im Prinzip meßbare Lebensbedingungen legten das Ausmaß an ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen Ost-und Westdeutschland offen.

Abb. 8: Zukunftszuversicht und Orientierungslosigkeit in Ostdeutschland

Wie aber reagieren die betroffenen Menschen in Ostdeutschland auf die sich rapide verändernden Lebensumstände, wie bewerten sie ihre -vergleichsweise -schlechten Lebensbedingungen, wie finden sie sich in den neuen und ungewohnten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zurecht? Für eine Bestandsaufnahme der Wohlfahrtsentwicklung im deutsch-deutschen Transformationsprozeß kommt, neben Daten über „objektive“ Lebensverhältnisse, auch Informationen über diese „subjektiven“ Aspekte eine hohe Bedeutung zu

Ziel dieses Beitrags ist es, anhand von subjektiven Indikatoren und damit aus der Sicht der Betroffenen eine vorläufige, bilanzierende Bewertung zum Verlauf des Umwälzungsprozesses in Ostdeutschland zu geben -Wie wichtig sind die einzelnen Lebensbereiche für das subjektive Wohlbefinden der Ostdeutschen? » -Wie bewerten die Ostdeutschen ihre Lebensbedingungen zwischen 1990 und 1991 im einzelnen? -Welche wirtschaftlichen Sorgen und beruflichen Erwartungen verbinden die Deutschen mit ihrer Lebenslage? -Wie bewerten die Ostdeutschen ihre momentanen Lebensverhältnisse insgesamt? -Wie sehen die Ostdeutschen ihre weitere persönliche Zukunft? -Wie ist der allgemeine Stimmungseinbruch in Ostdeutschland zu erklären?

Es ist schwer möglich, Verständnis für Veränderungen subjektiver Befindlichkeiten in Ostdeutschland zu entwickeln, ohne sich das Ausmaß und das Tempo des sozialen Wandels in der ehemaligen DDR seit 1990 in Erinnerung zu rufen Nur wenige Monate nach der „Wirtschafts-, Währungs-und Sozialunion“ am 1. Juli 1990 waren, trotz umfangreicher westlicher Transferleistungen zur Stützung des ostdeutschen Arbeitsmarktes, über eine Million Männer und Frauen im Ostteil Deutschlands arbeitslos gemeldet. Der Anteil erwerbsloser Personen stieg sogar erheblich mehr, denn gleichzeitig schieden rund drei Prozent aller erwachsenen Ostdeutschen über die „Vorruhestandsregelung“ aus dem Erwerbsleben aus. Die vor allem in den Arbeiterpositionen hohen Anteile an Kurzarbeiterinnen ließen mit dem Auslaufen der Kurzarbeiterregelung einen zusätzlichen, enormen Freisetzungsschub von Arbeitskräften erwarten. Aber auch zwischen den Berufspositionen deijenigen Ostdeutschen, die kontinuierlich erwerbstätig blieben, zeichneten sich umfangreiche Mobilitätsprozesse ab und viele dieser Übergänge sind -insbesondere für weibliche Beschäftigte -als berufliche Abstiege zu kennzeichnen Dabei ist zu betonen, daß lange und kontinuierliche Phasen der Erwerbstätigkeit für den überwiegenden Teil der erwachsenen Bevölkerung in der DDR zur Normalbiographie zählten und die eigene Berufstätigkeit im Bewußtsein der Menschen bis heute einen entsprechend hohen Stellenwert einnimmt

Wie also reagieren die neuen Bundesbürger auf den partiellen Zusammenbruch des ostdeutschen Arbeitsmarktes und auf andere Veränderungen gewohnter Alltagsstrukturen und Lebensverhältnisse? Diese Veränderungen sind in ihrer Gesamtheit der „sachlich-objektive“ Hintergrund der „subjektiven“ Bewertungen der Betroffenen, die den Inhalt der folgenden Kapitel bilden.

II. Wie wichtig sind einzelne Lebensbereiche für das subjektive Wohlbefinden der Ostdeutschen?

Tabelle 1: Wichtigkeit von Lebensbereichen für das subjektive Wohlbefinden in Ostdeutschland Anteile in Prozent

Nicht alle Lebensbereiche sind für das subjektive Wohlbefinden der Menschen in Ostdeutschland gleichermaßen von Bedeutung. Abbildung 1 zeigt, daß die privaten Bereiche Familie und Gesundheit 1990 an der Spitze der Rangfolge stehen, während der politische Einfluß für das individuelle Wohlergehen relativ bedeutungslos ist. Auch der öffentliche Bereich „Umweltschutz“ wird 1990 mehrheitlich als sehr wichtig angesehen. Die hohe Sensibilisierung und der große Problemdruck in diesem Bereich dürften zu diesem Zeitpunkt für seinen hohen Stellenwert ausschlaggebend sein. Die Rangfolge dieser Wichtigkeiten weist in den alten und neuen Bundesländern eine erstaunliche Ähnlichkeit auf, aber hinsichtlich des absoluten Stellenwerts schreiben die Ostdeutschen vielen Lebensbereichen eine höhere Bedeutung für ihr subjektives Wohlbefinden zu Angesichts der großen Bedeutung der Erwerbsarbeit in der früheren DDR und der aktuellen ökonomischen Krise in den neuen Ländern ist es wenig überraschend, daß vor allem Arbeit und Einkommen in der ostdeutschen Bevölkerung wesentlich höher eingestuft werden als im Westen.

Im Zuge der Umstrukturierung in Ostdeutschland hat sich die Bedeutung einzelner Lebensbereiche verändert, die Rangfolge der Bereiche blieb hiervon allerdings weitgehend unberührt. Auffällig ist, daß auf der einen Seite vor allem der Umweltschutz 1991 von vielen Befragten als weniger wichtig für das eigene Wohlbefinden eingestuft wird. Neben einer regional günstigeren Wahrnehmung des Umweltzustandes dürften hierbei auch veränderte Prioritäten eine Rolle spielen. So ist auf der anderen Seite der hohe Stellenwert von Arbeit und Einkommen noch weiter gestiegen. Die Zustände und Entwicklungen in diesen Bereichen kennzeichnen den Kern jener Problemfelder, die Mitte 1991 das individuelle Wohlbefinden weiter Teile der ostdeutschen Bevölkerung bestimmen (Tabelle 1). Die jeweilige Bedeutung einzelner Lebensbereiche für das persönliche Wohlergehen ist erwartungsgemäß nicht für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen ausgeprägt, sondern variiert nach dem Geschlecht und dem Alter der Befragten (Tabelle 1). Es ist bemerkenswert, daß der vergleichbar hohe Stellenwert, den der Arbeitsbereich für ostdeutsche Männer und Frauen (bis 60 Jahre) noch 1990 einnahm, 1991 ein geschlechtsspezifisches Gefälle aufweist: Männer schreiben der Arbeit zu diesem Zeitpunkt eine höhere Bedeutung für ihr persönliches Wohlbefinden zu, Frauen bewerten diesen Bereich hingegen fast unverändert. Es wäre voreilig, hieraus bereits auf einen relativen „Bedeutungsverlust“ der Erwerbsarbeit für Frauen zu schließen, denn nach wie vor stuft eine Mehrheit der ostdeutschen Frauen Arbeit als „sehr wichtig“ für ihr Wohlbefinden ein. Eine vergleichbar starkausgeprägte Arbeitsorientierung ist bei westdeutschen Frauen nicht zu finden Mit zunehmendem Alter gewinnt, nicht zuletzt aufgrund der altersbedingt wachsenden Probleme in diesem Bereich, die Gesundheit an Bedeutung; andere Lebensbereiche wie Arbeit, Familie und Freizeit treten in fortgeschrittenen Lebensphasen hingegen erwartungsgemäß zurück. Die Wichtigkeit des Einkommens ist lediglich für Befragte der beiden ersten Altersgruppen gestiegen, für ältere Ostdeutsche hat sich der Stellenwert dieses Bereichs nicht verändert.

Werden die Wichtigkeitseinschätzungen im Sinne von Ansprüchen an einzelne Lebensbereiche interpretiert, so enthalten diese Angaben auch Informationen über die Reaktionsweisen der Betroffenen auf Veränderungen ihrer Lebensverhältnisse. Prinzipiell ist es möglich, auf bestimmte, nicht erwünschte Veränderungen in den eigenen Lebensumständen entweder mit veränderten Verhaltensmustern (Protestverhalten, Aktivitäten zur Beseitigung des ungewollten Zustands etc.) oder mit neuen Einstellungsmustern zu reagieren. Eine Möglichkeit, mit der Sorge um den drohenden oder tatsächlichen Verlust des eigenen Arbeitsplatzes „umzugehen“, liegt deshalb auch darin, die Bedeutung der Erwerbsarbeit für das eigene Wohl­ befinden -im Sinne reduzierter Anspruchshaltungen -zu vermindern. Diese Möglichkeit erscheint jedoch nur unter den Voraussetzungen realistisch, daß sowohl gesellschaftlich akzeptierte Rollenaltemativen zur Berufstätigkeit vorhanden sind (in westlichen Gesellschaften bspw. in der „Hausfrauenrolle“) als auch der finanzielle Bedarf des betroffenen Haushalts durch die Erwerbslosigkeit einzelner Mitglieder nicht gefährdet ist. Beide Voraussetzungen sind z. Zt. in Ostdeutschland kaum gegeben.

Abbildung 2 zeigt für Personen mit unverändertem Erwerbsstatus und für Personen, die bis 1991 arbeitslos wurden bzw. von einem „regulären“ Beschäftigungsverhältnis in Kurzarbeit oder in „Vorruhestand“ wechselten, und schließlich für die Vergleichsgruppe der Rentner, die bereits vor 1990 aus dem Erwerbsleben ausschieden, die Anteile der Befragten, die angaben, Arbeit bzw. Einkommen seien „sehr wichtig“ für ihr Wohlbefinden. Diesen Ergebnissen ist zu entnehmen, daß lediglich die altersgeprägten Erwerbsübergänge der Personen, die die Vorruhestandsregelung in Anspruch nahmen, einen verminderten Stellenwert von Arbeit erkennen lassen. Sowohl Kurzarbeiter als auch Arbeitslose in Ostdeutschland heben im Zusammenhang mit den Veränderungen ihres Erwerbsstatus die Bedeutung von „Arbeit“ sogar noch weiter hervor. Einstellungsänderungen dieser Gruppen lassen sich also eher in Form von verstärkten Anspruchshaltungen erkennen. Dies gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Infolge der angeführten Statuspassagen bzw. -Veränderungen steigt auch die Bedeutung der Einkommens-verhältnisse, die sowohl für die kontinuierlich Erwerbstätigen als auch für Rentner bis 1991 fast unverändert bleibt.

Angesichts der anhaltenden ökonomischen Krise in Ostdeutschland und der dadurch hervorgehobenen Bedeutung der Erwerbsarbeit für die Existenzsicherung, aber auch vor dem Hintergrund des relativ hohen subjektiven Stellenwertes, den die Berufsarbeit für Männer und Frauen in der früheren DDR einnahm, ist davon auszugehen, daß reduzierte Anspruchshaltungen von Erwerbslosen vorerst und weiterhin nicht zu erwarten sind. Die sichtbaren Reaktionen auf die Bedrohungen oder den direkten Verlust des eigenen Arbeitsplatzes werden vor allem auf der Verhaltensebene zu finden sein: Migrationen von Ost-nach Westdeutschland, „Arbeitspendler“, Protestverhalten in Form von Demonstrationen oder an der Wahlurne sowie zunehmende soziale Devianz. Weiterhin ist anzunehmen, daß die nicht-sichtbaren Reaktionen auf die Verschlechterungen in den Arbeits-und Einkommensverhältnissen, in Verbindung mit den hohen Ansprüchen in diesen Bereichen, nicht zuletzt auch in massiver Unzufriedenheit zum Ausdruck kommen werden.

III. Wie bewerten die Ostdeutschen ihre Lebensbedingungen zwischen 1990 und 1991 im einzelnen?

Abb. 2: Wichtigkeit von Arbeit und Einkommen im Rahmen verschiedener Statuspassagen Anteile in Prozent

Aus zahlreichen Untersuchungen zur subjektiven Wohlfahrtsforschung ist bekannt, daß in Westdeutschland ein insgesamt hohes Zufriedenheitsniveau besteht Durch den Vergleich der Daten des „Wohlfahrtssurveys 1988“ mit denen des „Wohlfahrtssurveys 1990-Ost“ (beides sind repräsentative Bevölkerungsumfragen zur Messung objektiver Lebensbedingungen und des subjektiven Wohlbefindens konnte gezeigt werden, daß sich innerhalb einer Bewertungshierarchie von Bereichszufriedenheiten in Ost-und Westdeutsch-land kaum nennenswerte Unterschiede finden lassen: Auch in Ostdeutschland stehen Familie und Partnerbeziehungen an der Spitze einer Rangordnung der Zufriedenheiten; die öffentliche Sicherheit und der Umweltschutz werden 1990 auch in den neuen Bundesländern am niedrigsten eingestuft. Als Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen Ost-und Westdeutschen zeichnete sich ein allgemein niedrigeres Niveau fast aller Zufriedenheitswerte im Osten ab Wie aber hat sich dieses Zufriedenheitsgefälle im Laufe eines Jahres entwikkelt? Auch im Sozio-ökonomischen Panel werden jährlich eine Reihe von Zufriedenheitsfragen gestellt, deren Skalenbereiche sich einheitlich von den Werten „ 0“ (ganz und gar unzufrieden) bis „ 10“ (ganz und gar zufrieden) erstrecken Die Tendenz in der Entwicklung der ostdeutschen Zufriedenheiten bis zum Sommer 1991 wird dabei durch die kontrastierende Gegenüberstellung mit den vorhandenen westdeutschen Vergleichswerten von 1989 besonders augenfällig (Abbildung 3). Erwartungsgemäß verbessert hat sich die Bewertung der Ostdeutschen hinsichtlich des Angebots an Waren und Dienstleistungen. Allerdings ist noch mehr als ein Drittel der Befragten mit dem bestehenden Angebot „eher unzufrieden“ und auch der niedrige Durchschnittswert von 5, 7 weist auf ein nach wie vor bestehendes Versorgungsdefizit in diesem Bereich hin. Die Bewertung des Umweltzustandes hat sich ebenfalls deutlich verbessert. Es sollte aber berücksichtigt werden, daß einerseits die Mehrheit aller Ostdeutschen hier immer noch Unzufriedenheit äußert und andererseits die Ursachen dieser tendenziell positiveren Bewertung nicht nur in den praktizierten Maßnahmen zur Umweltsanierung, sondern auch in den Nebenfolgen zahlreicher Betriebsstillegungen zu suchen sein dürften. Über 70 Prozent der Westdeutschen waren 1989 mit dem Einkommen ihres Haushaltes „eher zufrieden“, in Ostdeutschland war dies 1990 nur bei weniger als der Hälfte aller Befragten der Fall. Die Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen der früheren DDR lag damit bereits zu diesem Zeitpunkt auf einem niedrigen Niveau. Angesichts des bereits ungewöhnlich hohen Ausmaßes an Unzufriedenheit ist hervorzuheben, daß die eigene Einkommensentwicklung -im Rahmen der Maßnahmen zur „Wirtschafts-, Währungs-und Sozial-union“ -bis Juni 1991 von vielen Ostdeutschen noch schlechter bewertet wird: 1991 liegt der Anteil der „eher Unzufriedenen“ mit rund 40 Prozent deutlich über dem der „eher Zufriedenen“. Ein Großteil der ostdeutschen Bevölkerung äußert damit gerade in einem der Bereiche Unzufriedenheit, der für ihr individuelles Wohlbefinden zugleich als einer der wichtigsten anzusehen ist. Das ebenfalls sinkende Niveau der Bewertung des eigenen Lebensstandards ergänzt das Bild eines wachsenden Gefälles zwischen Ost und West hinsichtlich der Zufriedenheit mit zentralen materiellen Lebensbedingungen.

Das Niveau der Arbeitszufriedenheit wies 1990 noch keine nennenswerten Ost-West-Unterschiede auf: Mehr als drei Viertel aller Ostdeutschen bzw. über 80 Prozent aller Westdeutschen waren mit ihrer Arbeit „eher zufrieden“. Auch in diesem Teilbereich zeichnet sich innerhalb eines Jahres im Osten ein deutlicher Bewertungseinbruch ab, dessen Ursachen vor allem in der Zunahme „irregulärer“ Beschäftigungsverhältnisse -wie Kurzarbeit -zu suchen sind 16.

Die Antwort auf die Frage nach den Ursachen für den teilweise drastischen Rückgang der Zufriedenheit mit den Einkommensverhältnissen, dem eigenen Lebensstandard -aber auch für die sinkende Arbeitszufriedenheit -in Ostdeutschland steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Veränderungen des Erwerbsstatus, von denen viele Ostdeutsche bis 1991 betroffen sind. Infolge dieser Statuspassagen sind die bedeutendsten Zufriedenheitsveränderungen zu erkennen (Abbildung 4). Eine durchgängige Erwerbstätigkeit zwischen 1988 und 1989 führt bei westdeutschen Berufstätigen erwartungsgemäß zu konstanten und hohen Werten der Einkommens-und Arbeitszufriedenheit. Das Niveau der Arbeitszufriedenheit der konstant erwerbstätigen Ostdeutschen geht von 1990 bis 1991 hingegen leicht zurück. Möglicherweise spielen hier, neben den vorhandenen Ängsten und Sorgen um die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes, auch die in ihrem Ausmaß nicht unbedeutenden beruflichen Abstiegsprozesse eine gewisse Rolle. Trotz anhaltender Berufstätigkeit sind die betreffenden Personen auch mit der Höhe ihres Haushaltseinkommens unzufriedener als ein Jahr zuvor. Dabei sollte betont werden, daß auch die Einkommens-zufriedenheit dieser Gruppe bereits 1990 weit unter dem westdeutschen Niveau lag.

Dieser Rückgang kann insofern erstaunen, als die Arbeitseinkommen der Ostdeutschen bis 1991 (im Durchschnitt) stärker gestiegen sind als die Inflationsrate real also ein Einkommenszuwachs zu verzeichnen war. Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß, anders als in Westdeutschland, in der DDR die Ehefrau im Normalfall erwerbstätig war. In der Mehrzahl der ostdeutschen Haushalte trugen also mindestens zwei Erwerbspersonen zum Haushaltseinkommen bei. Gerade im Hinblick auf die Bedeutung der Berufstätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts und als Determinante des Lebensstandards ist deshalb neben der individuellen Erwerbsbeteiligung auch die Verteilung vor Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen innerhalb der ostdeutschen Haushalte ausschlaggebend. Ein Teil der gestiegenen Unzufriedenheit berufstätiger Personen mit dem Haushaltseinkommen könnte demnach durchaus auf die Arbeitslosigkeit eines anderen Haushaltsmitglieds, also auf haushaltsinterne Veränderungen von Erwerbskonstellationen zurückzuführen sein.

Im ostdeutschen Maßstab günstig stellt sich, aus der Perspektive der Betroffenen, die Entwicklung der Renteneinkommen in den neuen Bundesländern dar. Die Bewertungsangaben dieser Gruppe zu ihren materiellen Lebensverhältnissen liegen zwar noch deutlich unter dem westdeutschen Niveau, sind aber -entgegen dem allgemeineren Trend -Anzeichen eines Zufriedenheitsanstiegs. Hinsichtlich der Einschätzungen bezüglich der Höhe des eigenen Haushaltseinkommens und dem damit verbundenen Lebensstandard unterscheiden sich die Rentner im Osten 1991 kaum von den Erwerbstätigen. Die neuorganisierten und -strukturierten Versorgungsleistungen im Zuge der „Wirtschafts-, Währungs-und Sozialunion“ werden von den meisten älteren Nichterwerbstätigen also keineswegs negativ beurteilt.

Insgesamt erweisen sich die angeführten Zufriedenheitswerte der Rentner und deijenigen Ostdeutschen, die sich bis 1991 auf dem Arbeitsmarkt halten konnten, als stabil; d. h. im Vergleich zu denen jener Bevölkerungsgruppen, deren Arbeitsverhältnis einschneidenden und bis dahin weitgehend unbekannten Veränderungen unterlag. Der Umfang der Zufriedenheitseinbußen im Osten, die durch Arbeitslosigkeit ausgelöst werden, übersteigt bei weitem das Ausmaß in der westdeutschen Vergleichsgruppe. Der Verlust der Erwerbs-arbeit zieht zwar auch im Westen schwere Wohlfahrtsdefizite nach sich, aber zum einen ist Arbeitslosigkeit hier bereits seit langem eine bekannte Form der Nichterwerbstätigkeit, zum anderen kumulieren ihre Folgen nicht mit den persönlichen Belastungen und Unsicherheiten im Rahmen des gesamtgesellschaftlichen Umbruchprozesses, mit dem die Menschen in den neuen Bundesländern zur Zeit konfrontiert sind.

Kurzarbeiter unterscheiden sich hinsichtlich ihres arbeitsrechtlichen Status von der Gruppe der Arbeitslosen; die mit dem Übergang in diese Beschäftigungsform einhergehenden schlechteren Bewertungen der eigenen Lebensverhältnisse ähneln hingegen in ihrem Muster weitgehend denen der arbeitslos gemeldeten Personen. Die durchschnittliche Arbeitszufriedenheit der Kurzarbeiter sinkt infolge dieses Statuswechsels von 6, 9 auf 4, 0. Auch dieses Ergebnis kann dahingehend interpretiert werden, daß die Betroffenen der praktizierten Kurzarbeiterregelung eher negativ gegenüberstehen und nur eine Minderheit mögliche Vorteile, die sich aus diesem Beschäftigungsverhältnis ergeben können, auch wahrnimmt. Eine Alternative zum allgemein akzeptierten Status der vollzeiterwerbstätigen Arbeitskraft in Ostdeutschland zeichnet sich in diesem Modell nicht ab.

Auch der Übergang in die Nichterwerbstätigkeit durch die Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelung führt zu sichtbar schlechteren Bewertungen des Haushaltseinkommens und des Lebensstandards. Die Zufriedenheitseinbußen enthalten in ihrem Umfang jedoch nicht die Bedeutung, wie sie bei Arbeitslosen und Kurzarbeitern zu erkennen ist.

IV. Welche wirtschaftlichen Sorgen und beruflichen Erwartungen verbinden die Deutschen mit ihrer Lebenslage?

Abb. 3: Zufriedenheit mit Lebensbereichen in Ost-und Westdeutschland Anteile in Prozent

Einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden, wenn man einen sucht, ist keine leichte Aufgabe. Dies gibt 1989 auch die Mehrheit der westdeutschen Erwerbslosen an (Abbildung 5). Nicht einmal jeder vierte glaubt, eine solche Suche „leicht“ zum Erfolg bringen zu können. Auch die Erwerbstätigen in Westdeutschland erwarten mehrheitlich Schwierigkeiten, oder sie befürchten sogar, vor einer praktisch unlösbaren Aufgabe zu stehen, sollten sie nach einem denkbaren Arbeitsplatzverlust gezwungen sein, sich eine neue und gleichwertige Arbeitsstelle suchen zu müssen (72 Prozent). Andererseits sind jedoch die meisten Erwerbstätigenim Westen zugleich sicher, nie mit dieser Situation konfrontiert zu werden. Nur rund sieben Prozent halten den Verlust ihres Arbeitsplatzes für „wahrscheinlich“ oder „sicher“; dies entspricht dem Anteil aller Erwerbstätigen, die sich „große Sorgen“ um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes machen. Das Ausmaß an Sorgen über die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung unterliegt -konjunkturabhängig -auch in der „alten“ Bundesrepublik erheblichen Schwankungen. 1989 machten sich nur etwa 17 Prozent der Westdeutschen über dieses Problem „große Sorgen“. Noch weniger (11 Prozent) sahen zu diesem Zeitpunkt ernsthafte Schwierigkeiten in bezug auf ihre eigene wirtschaftliche Situation. Erheblich schlechtere subjektive Arbeitsmarktchancen und größere Sorgen bezüglich der Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes äußerten die Befragten in Ostdeutschland bereits im Sommer 1990. Noch bevor Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit zu einem politischen und sozialen Hauptproblem im wiedervereinten Deutschland wurden, erwarteten 86 Prozent aller Nichterwerbstätigen im Osten Schwierigkeiten bei einer Arbeitssuche; 81 Prozent der Erwerbstätigen vermuteten erhebliche Probleme, nach einem Arbeitsplatzverlust wieder eine gleichwertige Stelle finden zu können. Anders als im Westteil Deutschlands schlossen aber bereits ca. 40 Prozent gleichzeitig einen Verlust ihrer Arbeitsstelle nicht mehr aus. Mehr als ein Drittel der Erwerbstätigen machte sich entsprechend „große Sorgen“ um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes. Dies sind Hinweise einer frühzeitig skeptischen Einschätzung der Entwicklung auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt.

Bis 1991 hat sich dieses pessimistische Stimmungsbild weiter verschlechtert. Nur noch sieben Prozent der Nichterwerbstätigen erwarten eine leichte Stellensuche (93 Prozent rechnen mit Schwierigkeiten) und nur noch zehn Prozent der Erwerbstätigen schätzen ihre weiteren Arbeitsmarktchancen im Falle der eigenen Erwerbslosigkeit als günstig ein (90 Prozent geben sich wenig Chancen). Dieses Ergebnis erhält durch den Umstand zusätzliches Gewicht, daß nunmehr fast die Hälfte der Erwerbstätigen fürchtet, „sicher“ oder „wahrscheinlich“ mit der schweren Aufgabe einer Stellensuche konfrontiert zu werden. Das Ausmaß an Sorgen über die allgemeine Wirtschaftsentwicklung, aber auch die persönliche Zukunft ist ebenfalls erheblich angewachsen. Ungewißheit, Ängste lind Sorgen um den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes und damit um die Existenzgrundlagen sind damit zu einem übergreifenden Massenphänomen in den neuen Bundesländern geworden Wiederum sind die Ursachen für diesen allgemeinen Stimmungstrend vor allem in Zusammenhang mit Veränderungen des Erwerbsstatus zu sehen (Abbildung 6). So schätzen zwar auch die Ostdeutschen, die sich bis 1991 in einem regulären Beschäftigungsverhältnis halten konnten, ihre eigenen Arbeitsmarktchancen im Falle eines möglichen Arbeitsplatzverlustes alles andere als gut ein (78 Prozent gaben 1990 an, eine gleichwertige Stelle wäre für sie nicht leicht zu finden, 1991 stieg dieser Anteil sogar auf fast 90 Prozent), aber die Hoffnung dieser Personen, ihren jetzigen Arbeitsplatz zu behalten, hat sich, wenn auch auf einem niedrigen Niveau, im Laufe des Jahres stabilisiert. Für Kurzarbeiter und Arbeitslose zeichnet sich ein hiervon deutlich abweichendes Muster ab. Auffällig ist zunächst, daß sich die Angaben dieser Personen -sowohl zu den subjektiven Arbeitsmarkt-chancen als auch zur Sicherheit des Arbeitsplatzes bereits 1990, also noch bevor sie von den entsprechenden Veränderungen betroffen waren -in negativer Weise von den kontinuierlich erwerbstätigen Personen unterscheiden. Offensichtlich gingen viele von ihnen bereits zu diesem Zeitpunkt davon aus, daß ihr Arbeitsplatz unter den kommenden, neuen Wirtschaftsstrukturen kaum zu halten sein würde und daß auch sie persönlich im Falle eines Arbeitsplatzverlustes unter den veränderten Rahmenbedingungen und mit ihrer beruflichen Qualifikation keine guten Chancen haben würden. Ein Jahr später hat sich die Einschätzung der nunmehr konkret von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffenen Personen hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft noch weiter verschlechtert. Nahezu jeder Kurzarbeiter in Ostdeutschland hält es 1991 für „schwierig“ oder sogar für „praktisch unmöglich“, nach Verlust des eigenen Arbeitsplatzes eine neue, gleichwertige Stelle finden zu können; ebenso vollständig haben Arbeitslose die Hoffnung aufgegeben, „leicht“ eine neue Stelle finden zu können. Hinzu kommt, daß mehr als drei Viertel aller Kurzarbeiter es für „sicher“ bzw. für „wahrscheinlich“ halten, demnächst auch noch diese Beschäftigung zu verlieren.

Die genannten Erwerbsübergänge wirken sich weiterhin auf das Ausmaß an wirtschaftlichen Sorgen aus. Auch kontinuierlich erwerbstätige Personen im Vorruhestand und Rentner, die bereits vor 1990 aus dem Erwerbsleben ausschieden, machen sich infolge der fortdauernden und instabilen Umbruchsituation Ostdeutschlands erwartungsgemäßmehr Sorgen über die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und z. T. auch über die eigene Situation, doch sowohl Arbeitslose als auch Kurzarbeiter sind von diesen Sorgen überproportional häufig betroffen. Jeweils rund 60 Prozent machen sich 1991 „große Sorgen“ um die eigenen wirtschaftlichen Existenzgrundlagen. Positiv ist anzumerken, daß das Ausmaß dieser Besorgnisse bei ostdeutschen Rentnern auf niedrigem Niveau nahezu stabil geblieben ist.

V. Wie bewerten die Ostdeutschen ihre momentanen Lebensverhältnisse insgesamt?

Abb. 4: Veränderung von Zufriedenheiten infolge einzelner Statuspassagen

Um Auskunft über die zusammenfassende Bewertung aller persönlichen Lebensbedingungen zu erhalten, wird in der Wohlfahrtsforschung unter anderem nach der allgemeinen Lebenszufriedenheit gefragt. Für die Angaben zu diesem Indikator sind, neben den eigenen Erwartungen und Ansprüchen an bestimmte Lebensbedingungen, auch soziale Vergleichsprozesse von Bedeutung, etwa mit bekannten Personen oder -im Falle der ehemaligen DDR-Bürger -mit den Westdeutschen. Auf die Frage: „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrem Leben?“ antworteten Ost-und Westdeutsche sehr unterschiedlich (Abbildung 7). Auf einer Skala von 0 („ganz und gar unzufrieden“) bis 10 („ganz und gar zufrieden“) äußerten sich die westdeutschen Befragten 1989 mehrheitlich eher zufrieden (79 Prozent). Nur sechs Prozent gaben an, mit den eigenen Lebens-umständen -alles in allem -eher unzufrieden zu sein. Dieses hohe Niveau ist in Westdeutschland über die letzten zehn Jahre weitgehend stabil geblieben In der ehemaligen DDR lag die allgemeine Lebenszufriedenheit mit einem Durchschnittswert von 6, 6 bereits 1990 deutlich niedriger. Die Gesamtbevölkerung im Osten wies damit zu diesem Zeitpunkt in der globalen Bilanzierung ihrer Lebensverhältnisse ein Zufriedenheitsniveau auf, wie es im Westen überwiegend bei typischen Problemgruppen (Arbeitslose; alleinlebende, einsame Ältere; dauerhaft gesundheitlich Beeinträchtigte) anzutreffen ist. Die Ursache für dieses Wohlfahrtsdefizit lagen zum einen sicherlich in den schlechten materiellen Lebensumständen, die als „Erbe“ zentralistischer Planwirtschaft in der DDR hinterblieben waren. Aber auch das hohe Ausmaß an psychischen und emotionalen Beeinträchtigungen, Unsicherheiten und Sorgen über die eigene Zukunft, die nach dem schnellen Zusammenbruch des mehrheitlich abgelehnten, aber mit seinen Ordnungsmustem und „Arrangements“ doch gewohnten und vertrauten DDR-Staates weit ver-breitet waren, drückte sich in den niedrigen Zufriedenheiten aus.

Die in den vorangegangenen Abschnitten aufgezeigte negative Entwicklung der Bewertungen einzelner Lebensbereiche führt in ihrer Konsequenz zu entsprechend verschlechterten Gesamtbilanzierungen seitens der neuen Bundesbürger. Das Niveau der allgemeinen Lebenszufriedenheit ist bis Juni 1991 weiter gesunken. Nur noch etwa die Hälfte der Ostdeutschen ist mit den eigenen Lebensumständen -alles in allem -eher zufrieden. Das in dem Durchschnittswert von 6, 0 enthaltene Ausmaß an Unzufriedenheit in den neuen Bundesländern kann vom Standpunkt der Wohlfahrtsforschung als alarmierend bezeichnet werden. Dem entspricht, daß mehr als die Hälfte aller Befragten 1991 angibt, die Lebensverhältnisse im Osten seien „eher schlecht“; nur etwa jeder zehnte beurteilt die vorhandenen Bedingungen noch positiv. Ein vergleichbares Ausmaß an Unzufriedenheit mit der Gesamtbilanz aller Lebens-umstände wurde in der zurückliegenden Dekade in Westdeutschland nie beobachtet.

Das Niveau der Gesamtbewertung aller relevanten Lebensumstände hat sich im Osten insgesamt verschlechtert. Von dieser Tendenz heben sich nur Befragte über 60 Jahren bzw. Rentner, die bereits vor 1990 aus dem Erwerbsleben ausschieden, positiv ab (Tabelle 2). Die -im gesamtdeutschen Maßstab -nach wie vor relativ niedrige Lebenszufriedenheit älterer Nichterwerbstätiger im Osten der Bundesrepublik ist zumindest in ihrem Niveau nicht weiter rückläufig. Die größten Einbußen in der Bewertung aller persönlichen Lebensumstände verzeichnen erwartungsgemäß Personen, die in Kurzarbeit wechselten oder arbeitslos wurden. Einschränkungen oder der Verlust des Erwerbsstatus führen bei den Betroffenen nicht nur zu drastisch verschlechterten Bewertungen ihrer gegenwärtigen Lebenslage, sondern wirken sich auch negativ auf die Einschätzung ihrer weiteren Zukunftsperspektiven aus: Auch die hohen Durchschnittswerte hinsichtlich ihrer erwarteten Lebenszufriedenheit in fünf Jahren sind bei Arbeitslosen und Kurzarbeitern 1991 deutlich zurückgegangen. Als aufschlußreich für die Einschätzung der momentanen Stimmungslage in Ostdeutschland erweisen sich auch die Angaben zur Bewertung der jeweiligen Lebensverhältnisse in Ost-und Westdeutschland sowie innerhalb der Region, in der die Befragten wohnen. Selbstverständlich werden von den Ostdeutschen die Lebensverhältnisse im Westen erheblich besser eingeschätzt als in der früheren DDR. Bemerkenswert ist aber, daß nahezu alle Befragten die ihnen bekannten regionalen Probleme günstiger bewerten als die Verhältnisse im östlichen Teil Deutschlands insgesamt. In diesem Ergebnis könnte demnach eine gewisse „Überbetonung“ landesweiter Probleme gegenüber lokal begrenzten Einschränkungen in deneigenen Lebensverhältnissen zum Ausdruck kommen

VI. Wie sehen die Ostdeutschen ihre weitere persönliche Zukunft?

Abb. 5: Erwartungen und Sorgen in Ost-und Westdeutschland

Trotz der insgesamt schlechten Lebensbedingungen und der psychischen Belastungen durch Umorientierungsprobleme und Unsicherheiten nach dem Zusammenbruch des DDR-Staates sahen über 60 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung 1990 insgesamt sehr zuversichtlich in die Zukunft (Abbildung 8). Als ein positives Signal im ostdeutschen Transformationsprozeß zeichnete sich damit ein hohes Maß an Optimismus bei den neuen Bundesbürgern ab. Für viele war dies Ausdruck der Hoffnung auf eine umfassende Verbesserung der Lebensverhältnisse. Offensichtlich überwog die Einschätzung, daß man sich in einer Talsohle befinde und „nur“ eine gewisse Durststrecke zu durchlaufen habe. Zweifellos lag in diesem hohen Ausmaß an Optimismus auch ein gewisser Kompensationseffekt für die bestehenden Defizite in den äußeren Lebensumständen, aber auch für die (damit verbundenen) Beeinträchtigungen des subjektiven Wohlbefindens. Viele dieser Hoffnungen wurden durch Themenschwerpunkte des Wahlkampfs zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl im Herbst 1990 zusätzlich aufgebaut. Um so größer mußte für manche Betroffenen die Kluft zwischen den realen Entwicklungen in vielen gesellschaftlichen Teilbereichen und den in sie gesetzten Erwartungen erscheinen. Tatsächlich hat die Zukunftszuversicht in der ostdeutschen Bevölkerung insgesamt deutlich nachgelassen. Der Anteil der Befragten, die „sehr zuversichtlich“ in die Zukunft blicken, ist von 64 (1990) auf 54 (1991) Prozent gesunken. Frauen sind dabei pessimistischer als Männer, jüngere Befragte etwas optimistischer als ältere. Die größten Unterschiede in der Wahrnehmung der eigenen Zukunftschancen stehen jedoch wiederum im Zusammenhang mit bestimmten Erwerbsübergängen. Während kontinuierlich Berufstätige ihre hohe Zuversicht in die weitere Entwicklung bis 1991 weitgehend beibehalten, setzt eine Mehrheit aller Arbeitslosen und Kurzarbeiter zu diesem Zeitpunkt bereits keine größeren Hoffnungen mehr in ihre eigene Zukunft. Gleichzeitig stimmen rund 40 Prozent dieser Gruppe der Aussage „die Verhältnisse sind so kompliziert geworden, daß ich mich fast nicht mehr zurechtfinde“ zu. Ein vergleichbares Ausmaß an Gefühlen der Orientierungslosigkeit ist nur bei alleinstehenden, alten Menschen in Westdeutschland zu finden. Die in diesen Werten zum Ausdruck kommenden Beeinträchtigungen des subjektiven Wohlbefindens kumulieren in Verbindung mit der hohen Unzufriedenheit bei vielen Arbeitslosen und Kurzarbeitern in Ostdeutschland zu ausgeprägten Problemlagen.

Anders als bei westdeutschen Erwerbslosen ist hier damit zu rechnen, daß größere Bevölkerungsgruppen auf Dauer ohne Beschäftigung bleiben werden, denn selbst im Rahmen eines umfassenden Wirtschaftsaufschwungs im Osten würde es längere Zeit in Anspruch nehmen, um eine ausreichende Anzahl neuer und „marktfähiger“ Arbeitsplätze zu schaffen. Die Lage ist besonders prekär, da -wie sich anhand der vorgestellten Ergebnisse bereits nachweisen läßt -die meisten Erwerbslosen im Osten subjektiv mit der für sie neuen und belastenden Situation kaum fertig werden. Gesellschaftlich anerkannte Alternativen zur Erwerbstätigenrolle existieren bislang kaum, der Stellenwert der eigenen Berufsarbeit für das persönliche Wohlbefinden der Betroffenen wird deshalb weiterhin hoch bleiben. Staatlich eingeleitete Hilfs-und Stützungsprogramme wie Vorruhestand, Kurzarbeit und wohl auch ABM-Stellen sind unter den gegebenen Umständen wenig geeignet, die subjektiven Belastungen der betroffenen Personen abzubauen. Damit besteht die Gefahr einer Marginalisierung und Ausgrenzung weiter Bevölkerungsteile in den neuen Bundesländern.

VII. Zu den Ursachen des Stimmungseinbruchs in Ostdeutschland

Abb 6: Erwartungen und Sorgen im Rahmen einzelner Statuspassagen in Ostdeutschland

Es lassen sich wenig befriedigende Anhaltspunkte für die These finden, daß für die rückläufigen Zufriedenheitswerte im Osten ausschließlich schlechte objektive Lebenslagen von 1991 bzw.Verschlechterungen bestimmter Lebensbedingungen ausschlaggebend waren Vielmehr weisen die Ausprägungen mehrerer subjektiver Indikatoren darauf hin, daß sich bei weiten Bevölkerungsteilen in Ostdeutschland -und keineswegs nur bei Kurz-arbeitern und Arbeitslosen -zunehmend Sorgen, Ängste, Anomiesymptome und Zukunftspessimismus verbreiten, die nicht unmittelbar auf die eigenen, gegenwärtigen Lebensumstände zurückzuführen sind, sondern als Ausdruck einer generell schlechteren Grundstimmung verstanden werden können. Offensichtlich sehen viele Ostdeutsche schwerwiegende Probleme in der zukünftigen Entwicklung und befürchten, in absehbarer Zeit von diesen Veränderungen mitbetroffen zu werden. Der Rückgang der allgemeinen Lebenszufriedenheit wäre demnach nicht nur im Zusammenhang mit den schlechten „objektiven“ Lebensumständen, sondern auch mit enttäuschten Erwartungen und in Verbindung mit der wachsenden Bedeutung „subjektiver“ Beeinträchtigungen des Wohlbefindens durch Zukunftsängste und Orientierungsprobleme zu sehen.

VIII. Schlußbemerkungen und Zusammenfassung der Ergebnisse

Abb. 7: Allgemeine Indikatoren der Bewertung von Lebensverhältnissen

Die 40 Jahre anhaltende Teilung der beiden deutschen Staaten hinterließ ein hohes Ausmaß an Unkenntnis über die konkreten Lebensumstände im jeweils anderen Teil Deutschlands. Tiefgreifende Unterschiede hinsichtlich der Einstellungen, Ansprüche und Erwartungen in Ost und West prallten infolge der schnellen staatlichen Vereinigung sehr unvermittelt aufeinander. Zwar begrüßten die meisten DDR-Bürgerinnen den Umsturz. Spätestens mit der Massenflucht über osteuropäische Nachbarländer und dem Massenprotest derjenigen, die blieben und ihre Angst bzw. ihren Respekt vor dem alten Regime endgültig verloren hatten, wurde die Ausweglosigkeit des „realsozialistischen“ Entwicklungsweges für jeden offensichtlich. Aber dieser Zusammenbruch bedeutete für die Menschen in Ostdeutschland in mancherlei Hinsicht eine Zäsur. Nach vier Jahrzehnten DDR-Geschichte und der Sozialisation in dieser Gesellschaft ist der Blick zurück mit unangenehmen Fragen und mit Konsequenzen verbunden. Kleine Gewohnheiten in der eigenen Alltagsorganisation, aber auch ganze Weltbilder haben ihre Gültigkeit verloren; Brüche in den Lebens-und Arbeitsbiographien scheinen der Normalfall zu sein. Der Beitritt zur Bundesrepublik ging mit verbreiteten Selbstzweifeln, Bitterkeiten und Orientierungsver-lüsten einher; dem politischen folgte der psychische Umbruch in Ostdeutschland.

Der Inhalt dieses Beitrages dokumentiert einen begrenzten Ausschnitt aus dem deutsch-deutschen Transformationsprozeß. Er befaßt sich mit der Bewertung und Einschätzung bestimmter Entwicklungen zwischen 1990 und 1991 aus der Sicht der Betroffenen. Einige zentrale Ergebnisse sollen abschließend nochmals hervorgehoben werden: 1. Die hohe Bedeutung von „Arbeit“ für das eigene Wohlbefinden wurde von den ostdeutschen Arbeitslosen und Kurzarbeitern 1991 noch stärker betont. Ein verminderter Stellenwert der eigenen Erwerbstätigkeit zeichnet sich für diese Gruppen bis heute nicht ab und ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Reaktionen auf die Bedrohung oder den Verlust des eigenen Arbeitsplatzes werden seitens der Betroffenen deshalb zunächst vor allem auf der Verhaltensebene sichtbar werden und sich in massiver Unzufriedenheit äußern. 2. Die Ostdeutschen waren bereits 1990 mit den Zuständen in vielen Lebensbereichen unzufrieden. Sichtbar verbesserte Bewertungen zeichnen sich nach einem Jahr vor allem für den Umweltbereich sowie beim Waren-und Dienstleistungsangebot ab. Das Ausmaß an Unzufriedenheit mit den Einkommensverhältnissen, dem eigenen Lebensstandard und auch mit der Arbeit ist bis 1991 noch weiter gestiegen. Damit nehmen viele Ostdeutsche gerade hinsichtlich jener Bereiche Verschlechterungen wahr, die für ihr persönliches Wohlbefinden besonders wichtig sind. Vergleichsweise stabil erweisen sich die Zufriedenheitsangaben von kontinuierlich Erwerbstätigen und von Rentnern, die größten Bewertungseinbrüche sind erwartungsgemäß bei den neuen Gruppen der Kurzarbeiter und der Arbeitslosen zu finden. 3. Die neuen Bundesbürger schätzen ihre subjektiven Arbeitsmarktchancen erheblich schlechter ein als die Westdeutschen, und diese Einschätzung hat sich bis 1991 weiter verstärkt. Während nur eine Minderheit der Erwerbstätigen in Westdeutschland um ihren Arbeitsplatz fürchtet, macht sich im Osten mittlerweile fast die Hälfte aller Erwerbstätigen „große Sorgen“ um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes. Gleichzeitig stieg auch der Anteil derjenigen, die um ihre eigenen wirtschaftlichen Existenzgrundlagen sehr besorgt sind. Besonders gravierende Veränderungen zeichnen sich zwar für Kurzarbeiter und Arbeitslose ab, aber steigende Existenzsorgen, Arbeitsplatzunsicherheiten und zunehmend schlechtere Einschätzungen der eigenen Arbeitsmarktchancen sind tendenziell auch für kontinuierlich Erwerbstätige kennzeichnend geworden. 4. Das Niveau der Zufriedenheit mit dem Leben im allgemeinen war bereits 1990 in einem negativen Sinne beeindruckend. Die Gesamtbevölkerung im Osten Deutschlands wies zu diesem Zeitpunkt in der globalen Bilanzierung ihrer Lebensverhältnisse ein Niveau auf, das im Westen lediglich bei typischen Problemgruppen anzutreffen ist. Die durchschnittliche allgemeine Lebenszufriedenheit ist bis 1991 weiter gesunken. Ein auch nur annähernd vergleichbar hohes Ausmaß an Unzufriedenheit wurde während der zurückliegenden Dekade in Westdeutschland nie beobachtet. 5. Obwohl nach wie vor mehr als die Hälfte der neuen Bundesbürger ihrer persönlichen Zukunft zuversichtlich entgegensieht, hat der ausgeprägte Optimismus vieler Ostdeutschen bis 1991 deutlich nachgelassen. Während kontinuierlich Erwerbstätige fast unverändert zuversichtlich bleiben, setzen vor allem Arbeitslose und Kurzarbeiter mehrheitlich nur noch wenig Hoffnung in die weitere Entwicklung. Die Gefahr der sozialen Ausgrenzung und Marginalisierung größerer Bevölkerungsteile in den neuen Bundesländern hat sich erhöht. 6. Die Ursachen für den umfassenden Stimmungseinbruch scheinen nicht nur im Zusammenhang mit Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit zu stehen. Auch kontinuierlich erwerbstätige Personen berichten zunehmend über Beeinträchtigungen ihres subjektiven Wohlbefindens. Enttäuschte Erwartungen in bezug auf den bisherigen Verlauf des ostdeutschen Transformationsprozesses, aber auch allgemein zunehmende Ängste und Sorgen hinsichtlich der weiteren Entwicklung dürften dabei von Bedeutung sein.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Das Gewicht dieser Zusatzinformationen ergibt sich nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Erwartungs-und Anspruchshaltungen einzelner Bevölkerungsgruppen in Ost-und Westdeutschland. Zufriedenheitsangaben geben Aufschluß darüber, wie Personen vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Erwartungen und Ansprüche bestimmte Lebensbedingungen bewerten, und beziehen sich damit auf das Verhältnis zwischen objektiver Lage und ihrer subjektiven Reflexion. Sie repräsentieren darüber hinaus das Ergebnis von sozialen Vergleichsprozessen, etwa mit Freunden und Bekannten, und sie weisen, vor allem im Falle von massiv geäußerter Unzufriedenheit, auf Handlungspotentiale hin, die sie verursachende Situation zu verändern. Vgl. Wolfgang Zapf, Individuelle Wohlfahrt: Lebensbedingungen und wahrgenommene Lebensqualität, in: Wolfgang Glatzer/Wolfgang Zapf (Hrsg.), Lebensqualität in der Bundesrepublik, Frankfurt/M. -New York, 1984, S. 13-26.

  2. Die Datenbasis bildet das Sozio-ökonomische Panel (SOEP). Das SOEP ist eine repräsentative Längsschnittuntersuchung privater Haushalte in Deutschland und wird im jährlichen Rhythmus seit 1984 in der Bundesrepublik durchgeführt (SOEP-West). 1984 hatte die erste Datenerhebung einen Umfang von rund 6000 Haushalten bzw. mehr als 12200 Personen. 1990, unmittelbar vor der Wirtschafts-, Währungs-und Sozialunion, wurde die Umfrage auf das Gebiet der ehemaligen DDR ausgeweitet (SOEP-Ost). Im Juni 1991 nahmen ca. 4200 Personen in 2030 Haushalten an der zweiten Ost-Befragung teil. Nähere Angaben finden sich bei Jürgen Schupp/Gerd Wagner, Die Ost-Stichprobe des Sozioökonomischen Panels, in: Projektgruppe Das Sozio-ökonomische Panel (Hrsg.), Lebenslagen im Wandel: Basisdaten und -analysen zur Entwicklung in den neuen Bundesländern, Frankfurt/M. -New York 1991, S. 25-41. Für das West-Panel vgl. Ute Hanefeld, Das Sozio-ökonomische Panel. Grundlagen und Konzeption, Frankfurt/M. -New York 1987.

  3. Die folgenden Angaben beziehen sich auf die Ergebnisse von Vergleichsanalysen zentraler Veränderungen der sozial-strukturellen Grundgliederung in Ost-und Westdeutschland. Vgl. hierzu Wolfgang Zapf, Sozialstruktur und gesellschaftlicher Wandel in der Bundesrepublik Deutschland, in: Werner Weidenfeld/Hartmut Zimmermann (Hrsg.), Deutschland-Handbuch. Eine doppelte Bilanz 1949-1989, Bonn 1989, S. 99-124; Detlef Landua/Wolfgang Zapf, Deutschland nach der Wiedervereinigung: Zwei Gesellschaften, eine Nation, in: Informationsdienst Soziale Indikatoren, Nr. 6, Mannheim 1991, S. 10-13; Detlef Landua, Das Jahr danach. Zum Transformationsprozeß Ostdeutschlands und seiner Bewertung aus der Sicht der Betroffenen, Arbeitspapier P 92-102, Arbeitsgruppe Sozialberichterstattung, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Berlin 1992a, Kapitel 1.

  4. Eine überblicksartige Darstellung dieser Prozesse zwischen 1990 und 1991 findet sich in: D. Landua (Anm. 3), S. 10f.

  5. Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen in: Arbeitsgruppe Sozialberichterstattung, Sozialreport 1990, Daten und Fakten zur sozialen Lage in der DDR, Dokumentation eines Workshops am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Arbeitspapier P 90-102, Berlin 1990.

  6. Zu den entsprechenden Verteilungen vgl. Roland Habich/Detlef Landua/Wolfgang Seifert/Annette Spellerberg, „Ein unbekanntes Land“ -Objektive Lebensbedingungen und subjektives Wohlbefinden in Ostdeutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 32/91, S. 13-33, (hier S. 28-29).

  7. Zur Bedeutung von Arbeit und Freizeit s. ausführlicher bei R. Habich u. a. (Anm. 6), S. 30.

  8. Es gibt kaum Teilbereiche, in denen der Anteil der „Unzufriedenen“ über dem der „Zufriedenen“ liegt. Die niedrigsten Zufriedenheiten finden sich bei der Bewertung öffentlicher Bereiche wie dem Umweltschutz und der Kriminalitätsbekämpfung, am besten bewerten die Westdeutschen ihr privates Umfeld, wie das Familienleben und die Ehe bzw. die Partnerschaft. Trotz eines insgesamt hohen subjektiven Wohlfahrtsniveaus streuen die Bewertungen mehrerer Lebensbereiche also beträchtlich und einzelne Bevölkerungsgruppen bewerten ein und denselben Lebensbereich teilweise sehr unterschiedlich; vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1989. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1989, Teil II, insbes. Kap. 3.

  9. Ein zusammenfassender Überblick über die Daten und über den zugrundeliegenden theoretischen Ansatz der empirischen Wohlfahrtsforschung findet sich bei Roland Habich/Wolfgang Zapf, Gesellschaftliche Dauerbeobachtung mit Surveydaten. Die Wohlfahrtssurveys: Instrument der Sozial-berichterstattung, in: Gerd Wagner u. a. (Hrsg.), Fortschritte der Wirtschafts-und Sozialberichterstattung, Weinheim 1991.

  10. Zu einer differenzierten Darstellung und Interpretation entsprechender Ergebnisse vgl. Detlef Landua, Social aspects of german unification, in: A. Ghanie Ghaussy/Wolf Schäfer (Hrsg.), Economic issues on german unification, 1992b, in Vorbereitung; Detlef Landua/Annette Spellerberg/Roland Habich, Der lange Weg zur Einheit -Unterschiedliche Lebensqualität in den „alten“ und „neuen“ Bundesländern, Arbeitspapier P 91-101, Arbeitsgruppe Sozialbericht-erstattung, WZB, 1991; R. Habich u. a. (Anm. 6), S. 27.

  11. Zu Vergleichszwecken zwischen der ost-und westdeutschen Bevölkerung werden in diesem Beitrag die Angaben ausländischer Mitbürgerinnen nicht angeführt.

  12. Das Zufriedenheitsgefälle zwischen Ost und West bleibt auch dann bestehen, wenn man die Bewertungen einzelner Bevölkerungsgruppen betrachtet: Sowohl für Männer und Frauen als auch für einzelne Altersgruppen liegt das Zufriedenheitsniveau der Ostdeutschen unter dem entsprechenden Niveau westdeutscher Gruppen. Die Entwicklung der Lebensverhältnisse im OstteU Deutschlands wird im Laufe eines Jahres von den einzelnen Gruppen allerdings nicht völlig gleichförmig bewertet. Während bspw. ältere Befragte im Alter von über 60 Jahren keine nennenswerte Verschlechterung ihrer Einkommenssituation wahrnehmen, wird gerade der Einkommensaspekt von jüngeren Altersgruppen deutlich schlechter bewertet. Vgl. hierzu ausführlicher D. Landua (Anm. 3), Kap. 4.

  13. Vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Einkommensentwicklung der privaten Haushalte in Ostdeutschland, Wochenbericht, (1992) 4, S. 36-40.

  14. Die Wahrnehmung der eigenen Arbeitsmarktchancen und das Ausmaß an wirtschaftlichen Sorgen variiert zwar erheblich zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen, der Eindruck eines -im gesamtdeutschen Vergleich -generell schlechteren Stimmungsbildes im Osten bleibt jedoch für einzelne Gruppen erhalten. Männliche Nichterwerbstätige beurteilen ihre Chancen, eine geeignete Stelle finden zu können, deutlich günstiger als Frauen. Dies gilt für Ost-und Westdeutsche gleichermaßen. Wenig Unterschiede sehen erwerbstätige Männer und Frauen im Westen hinsichtlich ihrer subjektiven Arbeitsmarktchancen, in Ostdeutschland fürchten weibliche Erwerbstätige hingegen deutlich öfter als Männer, im Falle eines Arbeitsplatzverlustes keine gleichwertige Stelle mehr finden zu können. Angesichts des überproportionalen Anteils an Frauen unter den ostdeutschen Arbeitslosen dürfte sich in diesen Angaben eine recht realistische Einschätzung der besonders prekären Arbeitsmarkt-lage arbeitssuchender Frauen bis 1991 widerspiegeln. Vgl. hierzu D. Landua (Anm. 3), S. 22ff.

  15. Vgl. hierzu: Statistisches Bundesamt (Anm. 8), Teil II.

  16. Die insgesamt schlechtere Bewertung der Lebensverhältnisse in Ostdeutschland spiegelt sich auch in den Veränderungen individueller Zufriedenheitswerte von einem Jahr auf das andere wider. Kennzeichnend für die Zufriedenheitsentwicklung im Osten ist, daß sich die allgemeine Lebenszufriedenheit von nahezu der Hälfte aller Ostdeutschen im Laufe eines Jahres verschlechtert hat. Bei Kurzarbeitern und Arbeitslosen trifft diese Entwicklung sogar für nahezu zwei Drittel aller Betroffenen zu und darüber hinaus sind gerade bei diesen Gruppen die Anteile an schwerwiegenden Zufriedenheitseinbrüchen überproportional häufig zu finden. Vgl. hierzu Detlef Landua, (Anm. 3), Kapitel 8.

  17. Zu einer ausführlichen Darstellung dieser Ergebnisse auch im Rahmen von entsprechenden multivariaten Zusammenhangsanalysen, vgl. D. Landua (Anm. 3), Kapitel 10.

Weitere Inhalte

Detlef Landua, Dipl. -Soz., geb. 1959; Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Sozialberichterstattung des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung Berlin (WZB). -Veröffentlichungen u. a.: zahlreiche Beiträge zur Wohlfahrtsforschung, zuletzt: „An attempt to classify satisfaction changes; methodological and content aspects of a longitudinal problem“, in: Social Indicators Research, 26 (1992).