I. Einleitung
Die Geschichte der drei an Größe und Bedeutung höchst unterschiedlichen Nachbarländer China, Vietnam und Kambodscha wies seit jeher enge Verflechtungen auf. China beherrschte und beeinflußte Vietnam direkt oder indirekt über 2000 Jahre. Vietnam wurde in der jahrhundertelangen Auseinandersetzung mit China erst zur Nation. Die Vietnamesen ihrerseits annektierten auf ihrem Marsch nach Süden im 15. Jahrhundert weite Teile des kambodschanischen Reiches
Diese historischen Ereignisse spielen auch heute noch eine erhebliche Rolle im Geschehen zwischen diesen Völkern. Unterschiedliche kulturelle, ethnische und religiöse Wurzeln der mehrheitlich dem indisierten Kulturkreis zugehörigen Kambodschaner und der vorwiegend sinisierten Vietnamesen verstärken -neben historisch bedingten Aversionen -die Vorurteile, Überlegenheits-bzw. Unterlegenheitsgefühle zwischen China, Vietnam und Kambodscha.
Aufgabe dieses Beitrages soll jedoch nicht sein, diese Wurzeln im Konfliktgeschehen in Indochina aufzuzeigen, so bestimmend und prägend sie für das Verständnis der Region auch heute noch sein mögen. Ziel der Darstellung ist es, die Auswirkungen der politischen Veränderungen auf globaler Ebene ab Ende der achtziger Jahre auf den seit 1979 andauernden Krieg in Kambodscha aufzuzeigen und den Wandel in der Politik und den Zielsetzungen der drei Hauptakteure China, Vietnam und Kambodscha zu untersuchen.
II. Vorgeschichte
Nach dem Sieg der Vietnamesen über die Pol-Pot-Regierung in Kambodscha Anfang 1979 und der Installierung eines pro-vietnamesischen „Marionettenregimes“ in Phnom Penh sowie nach Abschluß des „Vertrages über Besondere Beziehungen“ zwischen den beiden Nachbarländern hatte die vietnamesische Regierung ihr Ziel erreicht, alle drei indochinesischen Länder unter ihrer Dominanz zu vereinen. (Mit Laos wurde bereits 1977 ein vergleichbarer Vertrag abgeschlossen.) China als Verbündeter der Pol-Pot-Regierung führte im Februar 1979 einen „Straffeldzug“ gegen Vietnam durch, der nach vier Wochen beendet wurde und die Lage in Indochina nicht wesentlich veränderte.
Gemeinsam mit den ASEAN-Staaten und den USA gelang es China Anfang der achtziger Jahre, die nach Thailand geflüchteten Roten Khmer unter Pol Pot mit den beiden nichtkommunistischen kambodschanischen Widerstandsgruppen -den Republikanern um den ehemaligen Ministerpräsidenten Son Sann und den Monarchisten um Sihanouk -zu einer Exilregierung des Demokratischen Kambodscha (DK) zu vereinen, die in den folgenden Jahren von einer überragenden Mehrheit der UNO als die legitime Vertretung des kambodscha-nischen Volkes anerkannt wurde. Zugleich bemühte sich China erfolgreich, die drei Indochina-staaten international zu isolieren, die damit völlig auf die Unterstützung ihrer Verbündeten, der Sowjetunion und der RGW-Staaten, angewiesen waren. Zwei Fronten standen sich Anfang der achtziger Jahre im Kampf um Kambodscha gegenüber: auf der einen Seite die Exilregierung des Demokratischen Kambodscha, unterstützt von China, den ASEAN-Staaten und den USA, auf der anderen Seite das Regime in Phnom Penh (ab 1985 von der Regierung Hun Sen/Heng Samrin geführt), das durch massive militärische Präsenz der vietnaB mesischen „Freiwilligenarmee“ gestützt wurde; im Hintergrund standen hier die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten.
In der ersten Konfliktphase von 1981 bis 1986 entwickelte sich in Kambodscha ein Volkskrieg, der eine dreifache Qualität annahm: Er war nationaler Widerstandskampf gegen die vietnamesischen Besatzer, Bürgerkrieg zwischen den verfeindeten kambodschanischen Parteien und Stellvertreter-krieg sowohl für den Ost-West-Konflikt als auch für die Ost-Ost-Auseinandersetzung
Versuche der UNO, 1981 den Konflikt auf einer Kambodscha-Konferenz friedlich beizulegen, scheiterten. Die Völkergemeinschaft verurteilte in den folgenden Jahren bei ihrer jährlichen General-versammlung mit großer. Stimmenmehrheit den Einmarsch der Vietnamesen als völkerrechtswidrige Okkupation und forderte deren sofortigen Rückzug, den Rücktritt des provietnamesischen Regimes in Phnom Penh und die Abhaltung freier Wahlen. Die Vietnamesen, mit Unterstützung der Sowjets und ihrer Verbündeten, wiesen die Forderungen zurück mit dem Hinweis, daß die vietnamesische Intervention der Befreiung des kambodschanischen Volkes vom Völkermordregime Pol Pot gedient habe und die Regierung Heng Samrin/Hun Sen die rechtmäßig gewählte Führung des kambodschanischen Volkes sei. Bis Mitte der achtziger Jahre zeigten sich keine Veränderungen in diesen grundsätzlichen Positionen, die Kämpfe zwischen den drei Widerstandsgruppen und den vietnamesisch-kambodschanischen Kampftruppen hielten unvermindert an; keiner Seite gelang es, einen endgültigen militärischen Sieg zu erringen.
In der zweiten Phase zwischen 1986 und Sommer 1989 setzte auf allen drei Ebenen -global, regional und national -ein Wandel ein. Mit dem Amtsantritt Gorbatschows begann die Entspannung zwischen den Ost-West-Blöcken; gleichzeitig zeigten sich im Ost-Ost-Verhältnis erste Erfolge in den Normalisierungsgesprächen Auf der regionalen Ebene versuchte vor allem Indonesien, die verhärteten Fronten durch neue Vorschläge aufzulokkern; in Hanoi kam nach dem VI. Parteitag der KP Vietnams (Dezember 1986) eine reformbereitere Elite an die Spitze, die neue Schwerpunkte ihrer Politik in der Wirtschaftsentwicklung des eigenen Landes setzte. Unter den direkt in den Kambodscha-Konflikt involvierten Akteuren wuchs die Erkenntnis, daß Flexibilität im Konfliktgeschehen unumgänglich sei und eine Fortdauer des Krieges die desolate wirtschaftliche Situation in Indochina verstärken würde. Hanoi mußte erkennen, daß die drei Indochina-Staaten mittlerweile zu den ärmsten Ländern der Welt gerechnet werden konnten, daß die ungeheure Verschwendung der Ressourcen auf dem militärischen Sektor eine innenpolitische Stabilisierung unmöglich machte. Letztlich führten ähnliche Überlegungen und Motive wie in Moskau zu Veränderungen des bisherigen Kurses. Auch die kambodschanischen Konfliktgegner Hun Sen und Sihanouk zeigten erste Gesprächsbereitschaft. Hanoi kündigte 1988 einen Teilrückzug seiner Streitkräfte an; im selben Jahr fand auf Initiative Indonesiens das erste Jakarta Informal Meeting (JIM) statt, bei dem sich die sechs ASEAN-Staaten 7, die vier kambodschanischen Vertreter sowie Vietnam und Laos zu inoffiziellen Gesprächsrunden trafen, um eine Lösung für Kambodscha zu finden. Weitere JIM-Verhandlungen (JIM II) fanden im Februar 1989 statt. Die Kämpfe gingen jedoch weiter. Substantielle Ergebnisse wurden nicht gemeldet. Eine Zäsur im Konfliktgeschehen setzte die Ankündigung Hanois Anfang 1989, seine Truppen bis Herbst desselben Jahres vollständig aus Kambodscha abzuziehen. Damit schien eine Schlüsselforderung der Gegenseite erfüllt. Allerdings setzten die Vietnamesen ein Junktim mit ihrer Forderung nach einer Verurteilung der Roten Khmer und der Verhinderung einer Machtbeteiligung der Pol-Pot-Clique.
Die Ende der achtziger Jahre neugewonnene Kooperation zwischen den Ständigen Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrates zeigte sich in dem Bemühen, vorhandene regionale Konflikte, die ja häufig auch als Stellvertreterkriege fungiert hatten, zu beenden. Unter UNO-Ägide eröffnete Generalsekretär Peres De Cuellar im August 1989 die Internationale Kambodscha-Konferenz in Paris, an der sich 19 Staaten beteiligten. Die vierwöchigen Verhandlungen befaßten sich mit folgenden Themen-komplexen: 1. Internationale Aspekte des Konfliktes: Einstellung ausländischer Waffenhilfe, Rückzug fremder Truppen und Einrichtung einer internatio-nalen Kontrollkommission zur Überwachung eines Waffenstillstandes 2. Nationale Aspekte: Bildung einer provisorischen Übergangsregierung unter Beteiligung aller vier Bürgerkriegsparteien mit oder ohne vorherige Auflösung beider kambodschanischer Regierungen, Abhaltung allgemeiner, freier und geheimer Wahlen, Nichtangriffspakt mit Vietnam, Rückkehr der ca. 350000 Flüchtlinge aus dem thailändischen Grenzgebiet und das Problem der vietnamesischen Siedler in Kambodscha
Erste Verhandlungserfolge zeichneten sich im wesentlichen im Bereich der internationalen Streitpunkte ab. Dissens herrschte hingegen u. a. über die Zukunft der Pol-Pot-Gruppe, über die Gestaltung der Übergangsperiode bis hin zu freien Wahlen und über das Ausmaß der Rolle der UNO Beinahe jede konkrete Maßnahme war umstritten, nur in allgemeinen Positionen (z. B. „politische Lösung“) herrschte Einigkeit. Das magere Ergebnis der Konferenz war, daß den Roten Khmer, die die weitaus schlagkräftigste militärische Gruppe innerhalb der Widerstandsorganisation war, ein gewisses Mitspracherecht zugestanden werden mußte, um ein Ende der Kämpfe zu gewährleisten. Es zeigte sich in Paris jedoch deutlich, daß der Wille der globalen Mentoren Sowjetunion und USA nicht ausreichte, eine Friedenslösung herbeizuführen. Die kambodschanischen Kriegsgegner und bis zu einem gewissen Grade auch China und Hanoi wichen von ihren Grundforderungen nicht ab. Der Poker um die zukünftige Rolle der Roten Khmer ging weiter, zudem war die Regierung in Phnom Penh nicht bereit, freiwillig zurückzutreten und damit ihre Einflußnahme bei zukünftigen Wahlen zu schmälern. Laut Presseberichten endeten die Verhandlungen „in einem Klima von Bitterkeit, Enttäuschung und Desillusionierung“ Die Kämpfe im thailändisch-kambodschanischen Grenzgebiet eskalierten erneut. Trotzdem konnte in der allgemeinen Zustimmung zu einer noch zu definierenden Rolle der UNO bei der Suche nach einer friedlichen Lösung ein positiver Schritt gesehen werden.
Vietnam vollzog im September 1989 den angekündigten Truppenrückzug, der von den Gegnern allerdings als unvollständig bezeichnet wurde. Das Jahr 1989 hatte radikale Veränderungen auf der internationalen Ebene gebracht; für das seit 20 Jahren vom Krieg heimgesuchte kambodschanische Volk schienen die Aussichten auf Frieden durch die neugewonnene globale Zusammenarbeit zumindest nähergerückt.
III. Der Lösungsprozeß im Kambodscha-Konflikt
Im wesentlichen waren es drei Aktionszentren, die sich an der weiteren Suche nach einer politischen Lösung ab Herbst 1989 aktiv beteiligten: die Ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates, die Regionalstaatengruppe der ASEAN (zusätzlich Japan und Australien) und die vier kambodschanischen Bürgerkriegsparteien, wobei auf dieser Ebene Vietnam und China weiterhin im Hintergrund als Drahtzieher fungierten. Der australische Außenminister Evans brachte das sogenannte Namibia-Modell der UNO in die Diskussion ein. Kern-element dieses Planes war es, in Kambodscha, ähnlich wie 1989 in Namibia, eine Übergangsverwaltung durch UNO-Vertreter zu installieren, unter deren Ägide die Streitparteien entwaffnet und freie Wahlen garantiert werden sollten Im soge-nannten Rotbuch (dem ausführlichen Friedensplan der australischen Regierung) war der UNO damit eine Schlüsselposition zugewiesen Zu den wichtigsten Neuerungen gehörte, daß die Exilregierung des DK ihren UNO-Sitz räumen und im Gegenzug die Regierung in Phnom Penh zurücktreten sollte. Der Plan wurde von den Fünf Ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates Anfang 1990 diskutiert und weitgehend positiv -auch von China -bewertet. Damit war die Vorstellung, der UNO ein entscheidendes Mitgestaltungsrecht in Kambodscha zuzuweisen, zu einem festen Bestandteil der zukünftigen Diskussionen geworden. Die nächste Gesprächsrunde der regionalen nationalen Akteure (JIM III) fand im Februar 1990 statt. Die Vertreter der DK-Exilregierung signalisierten im großen und ganzen Zustimmung zum UNO-Vor-schlag, die Hun-Sen-Regierung lehnte allerdings weiterhin ihren freiwilligen Rücktritt ab. Hun Sen erklärte auch, daß der Konflikt letztlich von den Kambodschanern selbst gelöst werden müsse, daß eine oktroyierte Friedenslösung auf Dauer nicht haltbar sei. Zudem sei Kambodscha kein Besatzungsland und dürfe nicht von fremden Truppen, die der gewählten Regierung nicht unterstellt seien, besetzt werden
Im September 1990 trafen sich die JIM-Akteure zu ihrem vierten Treffen. Ob nun durch Druck ihrer jeweiligen Mentoren oder aufgrund eigener Einsicht: Zur Überraschung der Weltöffentlichkeit erklärten sich alle vier Parteien nun daz bereit, den von der UNO inzwischen nochmals überarbeiteten Friedensplan zu akzeptieren Bereits in den Monaten davor war die Bildung eines Obersten Nationalen Rates (ONR) unter Beteiligung aller vier kambodschanischen Fraktionen erfolglos debattiert worden -über die Anzahl der Sitze und die Beteiligung der Roten Khmer hatte kein Konsens gefunden werden können. Beim „Wunder von Jakarta“ fand nun das Tauziehen um die zahlenmäßige Zusammensetzung vorläufig ein Ende Der ONR wurde in den UNO-Plan integriert, dessen Kernelemente lauteten: 1. Die UNTAC (UN Transitional Authority in Cambodia) wird über eine Periode von ca. zwei Jahren das Land Kambodscha gemeinsam mit dem ONR verwalten, und 2. die UNTAC wird die Macht über die Schlüssel-ministerien erhalten
Die UNTAC hatte die Aufgabe, für die Vorbereitung der Wahlen in Kambodscha zu sorgen, die Sicherheit im Lande zu gewährleisten, die Flüchtlinge aus Thailand zu repatriieren, die Kriegsparteien zu entwaffnen und den Waffenstillstand zu überwachen.
Der nun akzeptierte Vertragsentwurf, in seiner Endfassung im November 1990 veröffentlicht und im Dezember zur Unterschrift den Kambodschanern in Paris vorgelegt, wurde zur Überraschung der Beobachter nun erneut von der Hun Sen-Regierung abgelehnt. Putschversuche eines mächtigen konservativen Flügels in Phnom Penh gegen den kompromißbereiteren Hun Sen waren nach Ansicht von Experten der Hintergrund für den erneuten Sinneswandel. Auch wuchsen im Lande die Bedenken gegen eine Rückkehr der Roten Khmer. Die von der UNO verlangte Demobilisierung der Regierungstruppen wurde von der Nationalversammlung des Staates Kambodscha (SK) ebenfalls abgelehnt. Die SK-Regierung faßte im März 1991 nochmals ihre Bedenken zusammen: Das A und O der Politik Phnom Penhs sei die Verhinderung einer erneuten Machtübernahme durch die völkermordenden Roten Khmer unter Pol Pot. Die Regierung in Kambodscha (und Hanoi) habe mit dem Rückzug Vietnams aus dem Lande ihren Anteil an den Forderungen erfüllt. Die im UNO-Plan verlangte Schwächung der militärischen Stärke Phnom Penhs würde Pol Pot erst die Chance zur Rückkehr an die Macht eröffnen. Hun Sen sprach auch von der Gefahr eines Machtvakuums und bezweifelte die Fähigkeit der UNO-Truppen, eine Demobilisierung und Kontrolle über die Roten Khmer durchzuführen. Die Exilregierung des DK hatte programmgerecht im Herbst 1990 ihren UNO-Sitz freigegeben und damit die Voraussetzungen für seine Übernahme durch den ONR geschaffen; alle 159 Staaten stimmten diesem Wechsel zu.
Im Frühjahr 1991 erließen die Kopräsidenten der Pariser Kambodscha-Konferenz (Frankreich und Indonesien) zusammen mit UNO-Generalsekretär De Cuellar einen dringenden Aufruf zur Feuereinstellung, den alle kambodschanische Streitparteien, mittlerweile wohl erschöpft von den ergebnislosen Kämpfen, annahmen. Obgleich die ASEAN-Staatengruppe als Vermittler allmählich aus dem Rampenlicht verschwand und statt dessen verstärkte einzelstaatliche Aktionen (vor allem Thailands) zu erkennen waren, lud der indonesische Außenminister im Juni 1991 die ONR-Mitglieder zu einer Sitzung nach Jakarta; erstmals kein „informelles Treffen“. Erneut begann der Poker um die Frage eines Vorsitzenden und dessen Vertreter. Diesmal lehnten die Roten Khmer Hun Sen als Vertreter Sihanouks ab Die Presse berichtete anschließend über erneute schwere militärische Angriffe der Roten Khmer.
Ein unbefristetes Waffenstillstandsabkommen, Einstellung aller ausländischer Waffenhilfe und Zustimmung zu Phnom Penh als ONR-Sitz waren dann die überraschenden Ergebnisse eines weiteren Treffens im thailändischen Badeort Pattaya. Insbesondere gegen Punkt zwei hatten sich die Roten Khmer bisher vehement gewehrt Sihanouk, Son Sann und die Roten Khmer hatten nun die Möglichkeit, nach zwölf Jahren Exil wieder in die Hauptstadt zurückzukehren. Bemerkenswert an den Ergebnissen von Pattaya war, daß eine Überwachungsfunktion der UNO überhaupt nicht erwähnt wurde, sich der neue Konsens also keineswegs mit dem UNO-Plan deckte. Gleichwohl begrüßten sowohl die USA als auch China und Vietnam das Ergebnis.
Von allen Experten war stets China als graue Eminenz im Hintergrund des Konflikts betrachtet worden. Im Juli 1991 lud Beijing nun zum dritten ONR-Treffen ein. Erstmals wurde Hun Sen dort offiziell begrüßt, parallel zum ONR-Treffen tagten die Fünf Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates in der chinesischen Hauptstadt; außerdem fanden Gespräche zwischen China und Vietnam statt. Damit lastete auf den Kambodschanern ein erheblicher Druck, der sie letztlich zwang, in den noch ausstehenden Fragen zu einer Einigung zu kommen. Sihanouk wurde zum Vorsitzenden (und 13. Mitglied) des ONR gewählt, weitere Einzelheiten wurden in Übereinstimmung mit dem UNO-Plan festgelegt
In den folgenden Wochen überstürzten sich die Ereignisse. Beim zweiten ONR-Treffen in Pattaya erzielten die Teilnehmer Einigung in weiteren sieben Punkten; auf die von Phnom Penh geforderte internationale Verurteilung Pol Pots wurde verzichtet, einer 70prozentigen Demobilisierung aller Truppen zugestimmt, der Wahlmodus und Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen UNTAC und ONR festgelegt Oskar Weggel sieht in der insgesamt erstaunlichen Kompromißbereitschaft der Hun-Sen-Regierung das Wirken der Außenministergespräche zwischen Hanoi und Beijing. Zugleich konnten sich aber auch die Roten Khmer wohl den Forderungen ihrer chinesischen Freunde nicht länger widersetzen. Weggel schreibt: „Die Freiwilligkeit der Vereinbarungen muß also mit einem Fragezeichen versehen werden.“
Am 23. Oktober 1991 kam es nach zwölf Jahren Krieg zur Unterzeichnung des Kambodscha-Friedensabkommens von Paris in Anwesenheit der Vertreter von 20 Staaten. Das 40seitige Dokument enthält Bestimmungen für die Übergangsperiode bis hin zu freien Wahlen (vorgesehen im Frühjahr 1993), über Zuständigkeiten des ONR bzw.der UNTAC, über Waffenstillstand, Beendigung ausländischer Militärhilfe, Rückführung der Flüchtlinge, Wahlen, Garantien über Einhaltung der Menschenrechte sowie Wiederaufbauhilfe für das zerstörte Land. Kambodschas Souveränität, Unabhängigkeit und Neutralität solle garantiert werden Am 14. November kehrte Sihanouk, umjubelt und gefeiert von Hunderttausenden von Kambodschanern, an der Seite Hun Sens nach Phnom Penh zurück
IV. China als regionale Führungsmacht in Indochina
Die Region Südostasien und insbesondere die drei indochinesischen Staaten Vietnam, Kambodscha und Laos betrachtete China traditionell als seine Einflußsphäre. Das Verhältnis zwischen China und Vietnam war seit jeher von starker Ambivalenz geprägt, vom Wechsel zwischen Kooperation und Konflikt. Beim Kampf gegen Frankreich und die USA hatten die chinesischen Kommunisten tatkräftige Unterstützung gewährt. Mit der amerikanisch-chinesischen Annäherung in den siebziger Jahren kühlte das Verhältnis merklich ab. Die neu praktizierte Zusammenarbeit Moskaus mit dem wiedervereinigten Vietnam, die ihren Höhepunkt im Abschluß des Freundschaftsvertrages im November 1978 fand, verletzte massiv die Interessen der Chinesen. Vietnam hatte mit diesem Vertrag dem chinesischen „Erzfeind“ Sowjetunion die Chance gegeben, einen „Fuß nach Südostasien“ zu setzen; die Chinesen sahen sich Ende der siebziger Jahre von der Achse Moskau-Afghanistan-Indochina (und, mit Einschränkung, Indien) eingekreist. Nach dem Einmarsch in Kambodscha und der Verwirklichung der „besonderen Beziehungen zwischen Hanoi, Kambodscha und Laos“ setzte sich die Volksrepublik China folgende außenpolitische Ziele im Hinblick auf Indochina: -Zurückdrängung der Sowjetunion aus der Region,
-Verringerung der Machtposition Vietnams, gleichzeitig Verhinderung der Möglichkeit für ausländische Mächte, mit Hilfe Vietnams Einfluß auf die Region zu gewinnen, -Rückzug Vietnams aus Kambodscha, -Auflösung der „besonderen Beziehungen“ zwischen Vietnam, Kambodscha und Laos, -„Balkanisierung“ Indochinas, -freundschaftliche Beziehungen zwischen China, Kambodscha und Laos sowie -Normalisierung der Beziehungen zu Vietnam (mit möglichst chinafreundlicher Regierung)
und Anerkennung der „regionalen Autorität“
Chinas durch Hanoi.
Der kambodschanische Konflikt stand im Zentrum der Auseinandersetzung zwischen Vietnam und China. Daneben existierten noch eine Reihe weiterer bilateraler Konfliktthemen wie der Verlauf der chinesisch-vietnamesischen Landgrenze, der Streit um die Besitzverhältnisse von Inseln im südchinesischen Meer, die Rückkehr der chinesisch-stämmigen vietnamesischen Hoa-Flüchtlinge sowie die Rückzahlung vietnamesischer Altschulden aus den siebziger Jahren.
China verfolgte in Zusammenarbeit mit den ASEAN-Staaten kompromißlos seine oben genannten Zielsetzungen. Eine Kombination von militärischen, politischen und wirtschaftlichen Instrumenten diente zur Durchsetzung dieser „rollback“ -bzw. „containment“ -Politik gegenüber der Achse Moskau-Hanoi. Umfangreiche militärische Unterstützung der kambodschanischen Widerstandsgruppen, starke militärische Präsenz mit gelegentlichen Scharmützeln an der chinesisch-vietnamesischen Grenze und wirtschaftliche und politische internationale Isolierung Hanois und seiner Vasallen waren Chinas Methoden. Beijings Plan, eine Stabilisierung und wirtschaftliche Gesundung Indochinas zu verhindern und damit die Kostenlast für Moskau unerträglich zu gestalten, hatte Erfolg. Gleichzeitig gelang es China bis Ende der achtziger Jahre, einen Keil zwischen Hanoi und Moskau zu treiben. Hier kam den Chinesen der Wandel in der Führungsspitze der Sowjetunion entgegen sowie Gorbatschows Bereitschaft, den Verbesserungen des sino-sowjetischen Verhältnisses Vorrang einzuräumen vor einem Erhalt bzw. einer Ausweitung der bilateralen Beziehungen Hanoi-Moskau. Bis 1989 hatte China seine wichtigsten Ziele erreicht: Abzug der Vietnamesen aus dem Nachbarland, Normalisierung seiner Beziehungen zur Sowjetunion inklusive des militärischen Disengagements der Sowjetunion in Indochina
V. Die Neugestaltung der Beziehungen Vietnams zu China
Mit dem „Straffeldzug“ vom Februar 1979 hatte das chinesisch-vietnamesische Verhältnis seinen absoluten Tiefpunkt erreicht. Seit Mitte der achtziger Jahre äußerte Hanoi verstärkt den Wunsch nach Normalisierung der Beziehungen Die Chinesen lehnten mit Hinweis auf Kambodscha jegliche bilaterale Annäherung ab. Parallel zu den Verbesserungen in den sino-sowjetischen Gesprächsrunden und angesichts der sowjetischen Weigerung, den Krieg in Kambodscha weiterhin zu finanzieren, verstärkte Hanoi seine Entspannungsinitiativen in Richtung China. Während beim JIM-I-Treffen in Jakarta (Juli 1988) die kambodschanischen Konfliktparteien, die ASEAN-Staaten, Vietnam und Laos erstmals über einen Kompromiß verhandelten, berichtete die Presse über die überraschende Öffnung einer chinesisch-vietnamesischen Grenzstation und schnell anwachsenden Handelsverkehr. Im selben Jahr beseitigte Moskau mit dem Rückzug aus Afghanistan sowie dem Abbau militärischer Präsenz an der gemeinsamen Grenze zwei der „drei Hindernisse“ auf dem Weg zu einer Normalisierung der sino-sowjetischen Beziehungen. Ende 1988 gab die chinesische Führung die lang ersehnte Zustimmung zu einem sino-sowjetischen Gipfeltreffen im folgenden Jahr im Januar 1989 fanden erstmals auf der Ebene der Stellvertretenden Außenminister vertrauliche Gespräche über Kambodscha zwischen Vietnam und China statt. Nach Aussagen osteuropäischer Diplomaten hatten sich die Vertreter Hanois und Beijings hierbei auf eine Art Tauschgeschäft geeinigt: Rückzug der vietnamesischen Truppen gegen Einstellung der Unterstützung für die Roten Khmer
Keine Einigung konnte im Hinblick auf eine internationale Friedenstruppe für Kambodscha erzielt werden. Im Laufe des Jahres 1989 kam es zu einer Reihe weiterer bilateraler Gespräche zwischen China und Vietnam. Teng Hsiao-ping äußerte auf einer Pressekonferenz im Herbst 1989, „er verstehe nicht, warum Vietnam gegen China sei. China habe in der Zwischenzeit die Beziehungen zur Sowjetunion und zu Laos normalisiert und stehe nur noch mit Vietnam auf angespanntem Fuß.“ Nach Ansicht der Hanoier Führung hatte Vietnam durch seinen Rückzug aus Kambodscha die Voraussetzung für eine Normalisierung erfüllt. Weitere Zugeständnisse im Hinblick auf Kambodscha fanden (noch) nicht seine Zustimmung. Die Sowjetunion beendete angesichts wachsender Wirtschaftsprobleme im eigenen Land Zug um Zug die Militärhilfe, reduzierte ihre Truppen in Cam Ranh und gab einen drastischen Abbau von Subventionen für Hanoi (und Phnom Penh) bekannt Anfang 1990 deutete China in bilateralen Gesprächen seine Bereitschaft an, unter bestimmten Bedingungen die sowjetische Wirtschaftshilfe teilweise zu ersetzen
Die verzweifelte wirtschaftliche Situation Vietnams, verstärkt durch die Rückkehr der Soldaten aus Kambodscha, und der Verlust jeglicher Unterstützung durch die ehemaligen Verbündeten ließen Hanoi kaum eine andere Wahl, als nun den Forderungen Chinas zu entsprechen. Die vietnamesische Führung versuchte dabei vergebens, das Kambodscha-Problem als innerkambodschanische Angelegenheit aus den bilateralen Verhandlungen herauszulösen. Im Juli 1990 bewirkte ein Schwenk in der amerikanischen Indochina-Politik Veränderungen auch im vietnamesisch-chinesischen Verhältnis. Außenminister Baker kündigte direkte Gespräche mit Phnom Penh und Hanoi an, um den Friedensprozeß zu beschleunigen und eine befürchtete militärische Machtübernahme der Roten Khmer zu verhindern Für Beijing war dies Anlaß, die Gespräche mit Hanoi zu intensivieren, um nicht in Gefahr zu geraten, das Mitspracherecht zu verlieren. Im September 1990 folgte ein „geheimes Treffen“ zwischen Spitzenpolitikern beider Länder in Südchina; nach Berichten der Bangkok Post unterzeichneten beide Delegationen Erklärungen, die den Friedensplan des Sicherheitsrates begrüßten Beide verpflichteten sich, Druck auf die Kambodschaner auszuüben und sie zur Annahme der Dokumente zu bewegen. Beide Seiten machten dabei gewisse Konzessionen
Einen abermaligen Rückschlag erfuhr der Normalisierungsprozeß durch erneute Forderungen Hun Sens, die Hanoi offensichtlich stützte. China konterte mit verstärkten Waffenlieferungen an die Roten Khmer unterband den Grenzhandel und ließ bewaffnete Fischerboote in der Region der Spratley-Inseln kreuzen. Eine dauerhafte Rückkehr zur harten Konfrontationspolitik gegenüber Indochina wünschte China jedoch. nicht. Der chinesischen Führung war nach der Niederschlagung der Studentenunruhen und der daraus resultierenden Isolierung durch den Westen verstärkt an konfliktfreien Beziehungen zu ganz Südostasien gelegen. Eine Verhärtung wäre sowohl ihren als auch den Interessen der ASEAN-Staaten an einer prosperierender Wirtschaftsentwicklung zuwidergelaufen. So hatten letztlich beide Kontrahenten, Beijing und Hanoi, ein Interesse daran, den begonnenen Prozeß fortzuführen. Auch auf Parteiebene wurden die Beziehungen intensiviert. Ein weiteres Zeichen von Konzessionsbereitschaft setzte die KP Vietnams auf ihrem VII. Parteitag im Juni 1991 Dem Wunsch Chinas nach Absetzung des ungeliebten Außenministers Nguyen Co Thach, der im Verdacht stand, den innenpolitischen Entwicklungen in der Sowjetunion allzu positiv gegenüberzustehen, wurde entsprochen. Von nun an übernahm China den aktiven Part im Normalisierungsprozeß. Gleichsam als Nebenprodukt des bilateralen Prozesses gingen nun auch die kambodschanischen Friedensbemühungen schneller voran, der Druck ihrer Mentoren ließ den kambodschanischen Bürgerkriegsparteien keinen Spielraum mehr für erneute Winkelzüge. Bei der Unterzeichnung des Pariser Friedensabkommens gehörten China und Vietnam dann zu den Garanten.
Zwei Wochen später fand der chinesisch-vietnamesische Normalisierungsprozeß im „Kotau in Beijing“ von Parteigeneralsekretär Do Muoi und Ministerpräsident Vo van Kiet seinen Höhepunkt. Ein Schlußkommunique wurde unterzeichnet, in dem u. a. gutnachbarliche Beziehungen auf der Grundlage der fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz, die Wiederherstellung der vormaligen „Freundschaftsgrenze“ und eine Antihegemonieklausel für die Region (d. h., weder China noch Vietnam streben in der Region nach Hegemonie) festgelegt wurden; es enthielt ferner eine Würdigung des Kambodscha-Resultats und die Feststellung der Übereinstimmung über „eine neue Weltordnung“, in deren Rahmen kein Land einem anderen „seine Ideologie, seine Werte oder Entwicklungsformen aufzwingen darf“
VI. Perspektiven
Die sino-vietnamesische Detente bedeutet für Südostasien insgesamt eine neue Kräfteverteilung. Die bislang praktizierte Kooperation zwischen China und den ASEAN-Staaten (vor allem mit Thailand), deren Grundlage der gemeinsame Kampf gegen Vietnam (und die Sowjetunion) gewesen war, hatte ihre wichtigste Funktion verloren. Indochina befindet sich Anfang der neunziger Jahre in einer Art Pufferposition zwischen der Volksrepublik China und den ASEAN-Staaten. Es ist vorläufig nicht abzusehen, ob in den nächsten Jahren eine neue Spaltung in Südostasien entsteht, durch einen (kommunistischen) Block China/Indochina gegen die nicht-kommunistische ASEAN-Gruppe -dieses Szenario ist vor allem dann denkbar, wenn eine günstige Wirtschaftsentwicklung ausbleibt und orthodoxe Parteikader in Vietnam und China fungieren. Ein anderes Szenario sieht die drei Indochinastaaten als Mitglieder der ASEAN (Kambodscha und Vietnam haben bereits Aufnahmeanträge gestellt) und eine Spaltung zwischen ASEAN/Indochina und der Volksrepublik China. Dies unter der Voraussetzung, daß in China ein ideologischer Rückschritt stattfindet, die territorialen Besitzansprüche nicht friedlich gelöst werden oder die Staaten Südostasiens sich von Chinas Vormachtstreben bedroht fühlen.
Ein „eisernes Dreieck“ China, Vietnam und Nordkorea mag gewissen Parteikadern -unter dem Aspekt des Machterhalts -durchaus reizvoll erscheinen. Solange die Priorität der Außenpolitik sowohl in China als auch in Vietnam auf einer Förderung der Wirtschaftsentwicklung liegt, die Anschluß an die internationale Wirtschaft sucht, wäre eine Abschottung und neue Frontenstellung jedoch kontraproduktiv. Auch hier muß darauf verwiesen werden, daß die zukünftige Machtentwicklung innerhalb des „Reichs der Mitte“ ausschlaggebend für die Weiterentwicklung der gesamten Region sein dürfte. Auffallend sind die Berichte über massive Aufrüstung aller Akteure (China und ASEAN) im Bereich der Marine und der Luftwaffe, was angesichts der noch ungelösten territorialen Fragen im südchinesischen Meer zu denken gibt. Es wäre insgesamt verfrüht, eine eindeutig friedliche und konfliktfreie Zukunft der Gesamtregion zu prognostizieren.
Die Situation in Kambodscha in den ersten Monaten des Jahres 1992 ist gekennzeichnet durch Berichte über einen Kontrollverlust der noch regierenden Partei im Lande, über wachsende Korruption, neue Fraktionsbildungen, vagabundierende Soldatenhorden und gewalttätige Unruhen und Demonstrationen Die UNO entsandte erst Anfang April die ersten militärischen Kontingente der UNCTAD. Während die Befürchtungen der Außenwelt wachsen, daß das verzögerte Eintreffen der kompletten UNCTAD-Mannschaft, bedingt in erster Linie durch die noch ungeklärte Finanzierungsfrage, die Einhaltung des Zeitplans, insbesondere die Durchführung von Wahlen im Frühjahr 1993, gefährden könnte, versuchen die kambodschanischen Parteien mit Hilfe gewalttätiger Maßnahmen, ihre Gegner im Wettkampf um Machtpositionen bis zum Eintreffen der UNO zu übertrumpfen. Die beiden Rote-Khmer-Gruppierungen -die Gruppe um Pol Pot und die orthodoxe Gruppe um Chea Sim -zeigen bisher wenig Neigung, ihren tiefsitzenden Antagonismus zu überwinden und durch demokratisches Verhalten zu einer friedlichen Entwicklung im Lande beizutragen. Weiterhin stellen die Person Pol Pot und seine engsten Mitarbeiter das größte Hindernis für eine Zusammenarbeit der Konfliktparteien und eine einigermaßen gewaltfreie Entwicklung in nächster Zukunft dar.
Gleichwohl wird der UN-Friedensplan für Kambodscha seine grundlegende Zielsetzung, im Laufe des Jahres 1993 Wahlen durchzuführen, erfüllen; ein gewisser Automatismus kann nach Entsendung der militärischen und zivilen Mitarbeiter hier angenommen werden. Allerdings wird die UNO nicht bereit sein, über diesen Zeitraum hinaus in vollem Umfang in der Region präsent zu bleiben Die Weiterentwicklung in Kambodscha wird dann wesentlich von den Kambodschanern selbst sowie den Regionalmächten Vietnam, China und ASEAN abhängen. Sollte die Zusammenarbeit auf dieser Ebene weiterhin voranschreiten und die Entwicklung der Region hin zu einer florierenden Wirtschaftszone anhalten, ist es durchaus denkbar, daß das Problem Pol Pot einvernehmlich zwischen China, Thailand und Vietnam gelöst wird
Die exogenen Konfliktursachen des Krieges in Kambodscha sind mit dem offiziellen Disengagement der Vietnamesen und dem Rückzug der Sowjets beseitigt. Hanoi wird aufgrund seiner Größe und der gemeinsamen Vorgeschichte jedoch weiterhin Einfluß auf die beiden Nachbarstaaten Kambodscha und Laos ausüben, muß dabei allerdings die Interessen Chinas und Thailands berücksichtigen. Die endogenen Konfliktursachen -der Antagonismus zwischen den ehemaligen Roten Khmer und der Führungsclique um Pol Pot, die Zerstörung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Strukturen des Landes, der extreme Stadt-Land-Dualismus, der fehlende Konsens über die zukünftige Gestaltung der Innenpolitik und der Mangel an glaubwürdigen politischen Kräften -sind weiterhin ungelöst und stellen für die Kambodschaner in den nächsten Jahren eine ungeheure Herausforderung dar.
Die Weltöffentlichkeit dürfte jedoch angesichts neuer Konfliktherde das Interesse an Indochina mehr und mehr verlieren. Nach 20 Jahren Krieg besitzen die Kambodschaner, trotz beispiellosem Einsatz der Weltorganisation, auch 1992 noch keineswegs die Garantie dafür, ein friedliches Zusammenleben zu erreichen.