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Kooperation oder Konfrontation: Chancen einer globalen Klimapolitik - | APuZ 16/1992 | bpb.de

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APuZ 16/1992 Der zusätzliche Treibhauseffekt und das Klima Die internationale Zusammenarbeit zum Schutz des Weltklimas - Kooperation oder Konfrontation: Chancen einer globalen Klimapolitik - Ökologischer Strukturwandel als Antwort auf den Treibhauseffekt

Kooperation oder Konfrontation: Chancen einer globalen Klimapolitik -

Udo E. Simonis

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Produzenten und Konsumenten, Ökonomen und Ökologen, Planer und Politiker werden sich in Zukunft nicht mehr nur mit Wachstums-und Entwicklungsprozessen, sondern zunehmend mit Reduzierungs-und Umverteilungsprozessen beschäftigen müssen. Dies gilt auch und nicht zuletzt angesichts des bisher bedeutendsten globalen Umweltproblems, der durch sogenannte Treibhausgase bewirkten Klimaveränderung und deren Folgen. Die Industrieländer waren und sind die Hauptverursacher dieses Problems. Die Entwicklungsländer würden unter Einhaltung des „Standardentwicklungsweges“ zu Hauptverursachern werden können. Ökologisch gesehen werden sie, das ist absehbar, die Hauptleidtragenden der Klimaveränderung sein. Ökonomisch gesehen hängt die Kosteninzidenz von der Art der Präventions-und Anpassungsmaßnahmen, von den vereinbarten institutioneilen Vorkehrungen und von der Klugheit der globalen Umweltdiplomaten ab. Einige dieser Maßnahmen, Vorkehrungen und Diplomatien werden in diesem Beitrag vorgestellt, wobei hier das bei weitem wichtigste Treibhausgas, das Kohlendioxid (CO 2), als Fallbeispiel genommen wird. Mit der möglichen Unterzeichnung einer globalen Klimakonvention und der Vereinbarung eines globalen CO 2-Protokolls sind eine Reihe komplizierter Fragen verbunden, darunter jene, wie man die aus ökologischer Sicht erforderlichen Pflichten der Emissionsreduzierung bestimmen und zwischen Nord und Süd, Industrie-ländern und Entwicklungsländern verteilen kann bzw. verteilen sollte. Hierzu werden entsprechende Möglichkeiten aufgezeigt und Handlungsempfehlungen unterbreitet.

Die größten Probleme der heutigen Welt ergeben sich aus dem Unterschied in der Art, wie die Natur arbeitet, und der Art, wie der Mensch denkt.

Tabelle 5: CO 2-Emissions-PIan: Zweite Weltklima-Konferenz, Minister-Vorschlag (Bezug 1987, Angaben in Prozent) Quelle: WMO/UNEP (Anm. 20).

Gregory Bateson

I. Auf dem Weg zu einer globalen Klimapolitik

Tabelle 1: Der Treibhausgas-Index: Die 30 Länder mit den höchsten Netto-Emissionen (Stand: 1987) Quelle: World Resources 1990-91 (Anm. 5), S. 15; zur Methodik vgl. ebd., S. 16.

1. Die UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung: Beginn eines neuen Verteilungskampfes Wird die UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) im Juni 1992 in Rio de Janeiro einen Durchbruch zu einer globalen Umweltpolitik bringen, oder wird sie, wie Fritz Vor-holz vermutet, ein „Festival des Stillstandes“ Viele Chancen zu einer ökologischen Neubestimmung des Entwicklungskonzepts sind in der Vergangenheit bereits vertan worden, zu Lasten der Umwelt, der Zukunft und der Dritten Welt. So sehen manche Experten ein weiteres Debakel voraus. Andere -Maurice Strong, der Organisator der Konferenz, eingeschlossen -bauen vor mit dem Hinweis, die Konferenz sei nicht der Endpunkt, sondern nur der Beginn eines Prozesses. Dabei geht es unter anderem darum, wer die Erdatmosphäre mit wieviel Treibhausgasen verschmutzen darf. Es ist ausgeschlossen, daß die Konferenz erfolgreich verläuft, wenn die Industrieländer nicht einen (Groß-) Teil ihrer historisch angeeigneten „Verschmutzungsrechte“ an die Entwicklungsländer abtreten -oder dies zumindest ankündigen.

Tabelle 6: CO 2-Emissions-Plan: Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages (Bezug 1987, Angaben in Prozent) Quelle: Enquete-Kommission (Anm. 21).

Es geht aber nicht nur um eine Umverteilung von Rechten und Pflichten zwischen Nord und Süd, es geht auch um ein ganz anderes Entwicklungskonzept für Nord und Süd. Der Titel der Konferenz ist insofern ein wenig irreführend, so als ginge es noch um ein Entweder-Oder, um Entwicklung oder Umweltschutz -und nicht vielmehr um ein Sowohl-Als-auch, um ökologische Entwicklung, eine Entwicklung der Welt, die zugleich zur Entlastung der Umwelt führt oder deren weitere Belastung zumindest vermeidet.

Tabelle 7: Verteilung der zulässigen Emissionen von CO 2 aus fossilen Brennstoffen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern: drei Szenarien, drei Verteilungskriterien Quelle: Zusammengestellt nach V. Hartje (Anm. 7).

In diesem Beitrag soll ein zentraler Konflikt-punkt der Konferenz und des nachfolgenden Diskussionsprozesses behandelt werden, nämlich die mit der Verabschiedung und Umsetzung einer Klimakonvention verbundene Frage, wie man die Verteilung der Reduzierungspflichten bei den Treibhausgasen, insbesondere des Kohlendioxids (CO 2), zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern regeln könnte bzw. regeln sollte Es geht also letztlich um die Einschätzung der Chancen globaler Klimapolitik.

2. Treibhausgase: absolute Zahlen und Pro-Kopf-Anteile Für die Analyse des globalen Klimaproblems und eine entsprechende Politikformulierung {globale Klimakonvention bzw. CO 2-Protokoll) sind zwei Emissionskategorien von besonderer Bedeutung: die absoluten Emissionen und die Emissionen pro Kopf der Bevölkerung. Auf die Emissionen pro Einheit des Bruttosozialprodukts bzw. pro Flächeneinheit, aber auch auf die historischen, akkumulierten Emissionen soll hier der Überschaubarkeit halber nicht eingegangen werden

Tabelle 1 zeigt einen erstmals ermittelten Treibhausgas-Index für 30 Länder, in Form eines un-gewichteten Komponenten-Index auf Basis der nationalen Emissionsmengen an Kohlendioxid, Methan und Fluorchlorkohlenwasserstoffen (absolute Emissionen)', Tabelle? zeigt den entspre-chenden Treibhausgas-Index auf der Basis der Emissionen pro Kopf der heimischen Bevölkerung (Pro-Kopf-Emissionen).

Diese wenigen Daten machen die Komplexität des Themas „globale Klimakonvention“ bereits überdeutlich: Die Industrieländer haben zwar die höchsten absoluten Emissionen, doch bei den Emissionen pro Kopf der Bevölkerung steht ausgerechnet eines der ärmsten Entwicklungsländer an der Spitze (wegen hoher biotischer, von Lebewesen verursachter Emissionen), gefolgt von mehreren Erdölförderländern. Die Daten sind in dem Sinne unzureichend, als sie zu validen Zeit-reihenentwickelt, um andere Treibhausgase (insbesondere Distickstoffoxid [N 2O]) ergänzt und laufend überprüft werden müßten, um Zufälligkeiten auszuschließen; sie lassen dennoch sehr wohl erkennen, welch gewaltige Aufgaben die Reduzierung des Treibhauseffekts bzw. die Anpassung an den Treibhauseffekt für die Welt im allgemeinen und für die Industrieländer und die Entwicklungsländer -und damit auch für das zukünftige Nord-Süd-Verhältnis -im besonderen stellen. Die Verhandlungen über diese Aufgaben sind in Gang gekommen, konkrete Ergebnisse aber stehen aus. Sie betreffen ein neuartiges Verteilungsproblem, für dessen Lösung zwar Anhalts-B punkte gegeben, aber keine Endpunkte in Sicht sind

Im Grundsatz und aus ökologischer Sicht müßten natürlich möglichst alle Treibhausgase von einer internationalen Reduzierungsvereinbarung erfaßt werden, was aber höchst unwahrscheinlich ist. Die technischen, ökonomischen, sozialen und politischen Aspekte der Emissionsreduzierung sind bei den einzelnen Gasen sehr unterschiedlich. Während beim Kohlendioxid die Industrieländer mit ca. 80 Prozent Hauptverursacher sind (allen voran die USA mit ihrem hohen Energieverbrauch), sind es beim Methan die Entwicklungsländer (Reisfelder, Rinderherden). Während bei einigen Gasen die Emission gut eingefangen werden kann, ist das bei anderen nur durch Umstellung der Produktion und der Produktionsverfahren möglich. Während bei einigen ein schneller und kompletter Ausstieg notwendig und möglich erscheint (FCKW), ist bei anderen (Methan, Distickstoffoxid) nur eine langsame und stufenweise Reduzierung denkbar

Dementsprechend ist inzwischen eine Rahmen-konvention zum Treibhauseffekt (Klimakonvention) vorbereitet worden, mit der die Probleme umschrieben, die Handlungserfordernisse im Prinzip anerkannt und die notwendigen Forschungsund Monitoringprogramme auf den Weg gebracht werden sollen Diese Konvention, die auf der Konferenz in Brasilien unterzeichnet werden soll (Rio-Konvention), müßte dann durch mehrere Protokolle konkretisiert bzw. umgesetzt werden. Die Protokolle müßten konkrete Zielvorgaben und Maßnahmen zur Emissionsreduzierung von CO 2, Methan (CH 4) und N 2O bzw. zum Schutz der Tropenwälder, zur Aufforstung und zur Einführung regenerativer Energien usw. vorgeben. Dann erst begänne die diplomatische Feinarbeit, das Ringen um die Verteilung der Kosten und Nutzen, den Finanz-und Technologietransfer und den Einsatz geeigneter ökonomischer und regulativer Instrumente. 3. Bisherige Erfahrungen mit globalen Umweltschutzabkommen Die Anzahl der wirksamen internationalen Umweltschutzabkommen, die von ihrer Struktur her für die zu vereinbarende Klimakonvention relevant sind, ist eher begrenzt. Es gibt kaum internationale Vereinbarungen, die über eine begrenzte Region, wie beispielsweise Flußeinzugsgebiete, oder über einzelne Projekte, wie die Abgeltung von Schulden durch Naturschutzverpflichtungen („Debt-for-Nature-Swaps“) oder den Tropenwald-Aktionsplan, hinausgehen und an denen Industrieländer wie Entwicklungsländer beteiligt waren. Volkmar Hartje, der diese Frage geprüft hat, nennt nur deren vier die Londoner Dumping Konvention (1972), die Abkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL 1973 und 1978), die UN-Seerechtskonferenz (1973 bis 1982), die Wiener Konvention zum Schutz der Ozonschicht (1985) und das daraus folgende Montrealer Protokoll (1987). Diese Abkommen enthalten innovative Vorkehrungen und Instrumente, und zwar sowohl technischer als auch preislicher und mengenmäßiger Art. Das Montrealer Protokoll (mit den nachfolgenden Revisionen) wird als Modellfall eines internationalen Umwelt-regimes angesehen, als Beispiel intelligenter globaler Umweltdiplomatie

Die bisherigen internationalen Umweltschutzabkommen hatten insofern aber nur relativ geringe Bedeutung für die Entwicklungsländer, als diese kaum Pflichten zur Reduzierung von Emissionen übernehmen mußten. Das Montrealer Protokoll macht hier einen Anfang -allerdings mit aufschiebender Wirkung bis zum Jahr 2010 und abgefedert durch Informations-und Technologietransfers Mit einer globalen Klimakonvention kommen dagegen nicht nur auf die Industrieländer, sondern auch auf die Entwicklungsländer erhebliche ökonomische Anpassungen zu -und zwar sowohl bei der Produktion als auch in der Technologie. Bei einer relativen und/oder absoluten Reduzierung der Treibhausgase wären grundsätzlich alle denkbaren Mechanismen und Instrumente einsetzbar, wie Negativlisten (Londoner Dumping Konvention), technische Vorschriften (MARPOL-Abkommen), Nutzungsrechte (Seerechtskonvention), Reduzierungsraten bzw. Produktionsstopp (Wiener Konvention, Montrealer Protokoll).

Doch bei dieser Frage der geeigneten Instrumente einer CO 2-Reduzierung tun sich zwischen Industrie-und Entwicklungsländern erhebliche Unterschiede auf Selbst wenn man zunächst nur die allgemeine Zielebene betrachtet, ist das nicht anders, und zwar aus gutem Grund. Angesichts weiterhin hohen Bevölkerungswachstums und der für das nächste Jahrhundert prognostizierten Verdreifachung der Bevölkerung in den Entwicklungsländern einerseits und deren ökonomischen Nachholbedarfs andererseits, haben relative Begrenzungen (bezogen auf Einwohnerzahl oder Wirtschaftsleistung) oder absolute Begrenzungen von Treibhausgasen unterschiedliche Konsequenzen für die Entwicklungsländer -und damit wohl auch für deren Kooperations-oder Konfliktbereitschaft im Prozeß der Vereinbarung einer Klima-konvention und deren Umsetzungsprotokollen.

Beschränkt man die Betrachtung auf die anteilsmäßig wichtigsten Treibhausgase, stehen folgende Problemfelder an: -eine relative oder absolute Begrenzung der CO 2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe;

-ein Stopp bzw. eine Trendumkehr bei CO 2-Emissionen aus biotischen Quellen (d. h. Reduzierung der Waldvernichtungsrate bzw. Wiederaufforstung);

-der Ausstieg aus dem Verbrauch bzw. die Nichtaufnahme der Produktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW);

-eine relative oder absolute Begrenzung der Methan-Emissionen (CH 4);

-eine relative oder absolute Begrenzung des Einsatzes von Stickstoffdüngemitteln (N 2O).

Unterstellt man die FCKW-Regulierung als Aufgabe der Politikformulierung (nicht der -Umsetzung!) als gelöst, so geht es bei der weiteren Ausgestaltung einer globalen Klimakonvention also vor allem um ein CO 2-, ein CH 4-und ein N 2O-Protokoll bzw. eine Kombination davon. Das einzige dieser Treibhausgase, über das bisher ein internationaler Diskurs in Gang gekommen ist (ich abstrahiere jetzt von vielen individuellen Detailvorschlägen zu den anderen Verursachungsfaktoren) und dessen strategische Regulierung noch in diesem Jahrzehnt realisierbar erscheint, ist das CO 2.

II. Globale Reduzierungsund Umverteilungsprozesse

Tabelle 2: Der Treibhausgas-Index: Die 30 Länder mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen (Stand: 1987) Quelle: World Resources 1990-91 (Anm. 5), S. 17.

1. Theoretische Eingrenzung Im Rahmen der FCKW-Regulierung hatte sich eine dreistufige Entwicklung der Forderungen bzw.des Ziels ergeben Einfrieren der Produktion (freeze), Reduzierung (reduction), Ausstieg (phasing out). Die ordnungsrechtliche Mengenlösung stand im Mittelpunkt, eine Preislösung, etwa per FCKW-Steuer, wurde nicht gesucht; der eingerichtete Fonds ist (mit bisher nur rund 200 Millionen DM) volumenmäßig eher bescheiden und reicht im wesentlichen nur für den Informationstransfer. In bezug auf die anderen Treibhausgase, insbesondere CO 2 (aber auch N 2O), muß dagegen zunächst noch mit dem weiteren Anstieg der Emissionen (growth) gerechnet werden; ein Einfrieren und eine Reduzierung sind möglich, ein Ausstieg aber ist ausgeschlossen.

Auch für die globale Umweltpolitik sind, was Anreiz-bzw. Sanktionsmechanismen angeht, grundsätzlich Preis-oder Mengenlösungen die beiden „idealen“ Ausprägungen Am Anfang jeder Umweltpolitik steht ein Markteingriff: Entweder werden Preise für Umweltnutzungen fixiert, und es wird dem Markt überlassen, wie viele Emissionen sich bei solchen Festpreisen noch rechnen (Preislösung), oder es werden die insgesamt zulässigen Emissionsmengen kontingentiert, und es bleibt dem Markt überlassen, welche Preise für Umweltnutzungen sich unter diesen Umständen herausbilden (Mengenlösung). Beide Lösungen sind symmetrisch zueinander, jedoch nicht äquivalent. Ein Parameter, Preis bzw. Menge, wird fixiert, der andere dem Markt überlassen. Die Frage ist, welcher dieser Parameter bei welchem Umweltproblem zweckmäßigerweise zu fixieren ist.

Die Kernfrage bei der Preislösung (Umweltabgaben) ist die richtige Höhe des zu fixierenden Preises (Schattenpreis) Kennzeichnend für eine Mengenlösung ist, daß mit der Festlegung von Höchstmengen (Kontingentierung) konzediert wird, daß Emissionen in bestimmter Höhe erlaubt sind; diese können aber über der Absorptionskapazität des ökologischen Systems (in unserem Falle: des Klimasystems) liegen. Sowohl Preis-als auch Mengenlösungen können ihr eigentliches Ziel -Erhalt, Stabilisierung oder Wiederherstellung der Funktionsweise des ökologischen Systems-verfehlen.

In bezug auf ein CO 2-Protokoll dürften in den anstehenden (langjährigen) Verhandlungen sowohl Mengen-als auch Preislösungen eingebracht werden. Bisher stehen Mengenlösungen im Vordergrund, während konkrete Preislösungen (globale Ressourcensteuer, nationale CO 2-Abgabe, Klima-steuer) stark umstritten sind Zudem gilt anzumerken, daß bei den Mengenlösungen ordnungspolitische Vorstellungen (Reduktionspflichten) überwiegen. Marktwirtschaftliche Vorstellungen (Zertifikate) werden jedoch ebenfalls diskutiert, wonach ökologische Rahmenwerte (zum Beispiel ein bestimmter Temperaturanstieg) in regional oder national differenzierte Emissionskontingente umgesetzt würden Diese Kontingente würden sodann in Zertifikate gestückelt, die den Inhaber (einem Land, einer Ländergruppe) jeweils zur (jährlichen) Emission einer bestimmten Menge eines bestimmten Schadstoffes (hier: CO 2) berechtigten. Die Zertifikate könnten regional oder global übertragbar sein (Börse); würden sie ausgetauscht, erreichten sie am Markt entsprechende Knappheitspreise, d. h. Einnahmen, die für die Substitution von emissionsreichen gegen emissionsarme Produkte und Techniken verwendet werden könnten. Die zertifizierten Mengen addierten sich zu den ökologischen Rahmenwerten (globales Emissions-Limit), so daß diese eingehalten werden könnten. Gehandelte Zertifikate entsprächen im konkreten Falle einer Kompensation für partiellen Produktions-bzw. Nutzungsverzicht.

Ein besonderes Problem hinsichtlich der Ausgestaltung einer globalen Klimakonvention besteht jedoch in der Unsicherheit über den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Emissionsmengen und der Klimaeinwirkung (Temperaturanstieg). Beim Zertifikatmodell könnte dem durch entsprechende (beispielsweise mehrjährliche) Abwertung begegnet werden, was zur mengenmäßigen Drosselung der Schadstoffemissionen oder zum Zukauf zusätzlicher Zertifikate zwingen würde. Es ist festzuhalten, daß CO 2 für eine Mengenlösung im Sinne von national, regional oder international handelbaren Zertifikaten sehr wohl in Frage kommt 2. DreiSzenarien einer globalen CO 2-Reduzierung Im folgenden sollen drei globale Reduzierungsstudien verwendet werden (Bach EPA Mintzer 19), die alle wichtigen Treibhausgase umfassen; aus Gründen der Übersichtlichkeit werden hier aber nur die CO 2-Daten betrachtet. Bach leitet eine strenge Reduzierungspflicht aus den (katastrophalen) Prognosen der Klimamodelle ab, während Mintzer und die EPA die Reduzierungen aus möglichen bzw. wahrscheinlichen Veränderungen der Parameter (vor allem: Energieintensität der Produktion, Emissionen je Produktionseinheit, Kilometereffizienz der Autos, Einführung einer Energiesteuer) ableiten. Die drei Szenarien unterscheiden sich dementsprechend erheblich (vgl. Tabelle 3). -Szenario A läßt sich als resolute „Präventionsstrategie“ bezeichnen, als radikale Senkung der CO 2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe und aus biotischen Quellen wie Rodung, Brände, Vegetationsverluste. -Szenario B nimmt eine „mittlere Position“ ein.

Es wird mit einer Reduzierung der CO 2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen um weniger als 40 Prozent gerechnet, aber mit einer aktiven Aufforstung und einer behutsamen Landnutzung, die zu negativen Netto-Emissionen (d. h.

Ausweitung der CO 2-Speicher bzw. -Senken)

führt. -Szenario C kann als „bescheidene Politik“ verstanden werden. Die Prävention mißlingt, die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe verdoppeln sich, die Änderung der Bodennutzung hat nur geringe Entlastungseffekte. Wegen des sich ergebenden Temperatur-anstiegs (im Jahre 2075 verglichen mit 1860 um 2, 3 bis 7 Grad Celsius) werden weitreichende Anpassungsmaßnahmen erforderlich.

Es ist schwer vorherzusagen, welches dieser Szenarien zur Grundlage einer globalen Klimakonvention bzw.der begleitenden Protokolle gemacht werden wird. Nimmt man die Klimakonferenzen (von Wissenschaftlern und Politikern) in jüngster Zeit als Bezugspunkt, so wird es bestenfalls zu einer „gemischten Strategie“ von Vorsorge (Prävention) und Anpassung (Kuration) kommen, deren Konkretisierung im wesentlichen von drei Faktoren bestimmt sein dürfte: von den tatsächlichen oder vermeintlichen Kosten und Nutzen, die mit den entsprechenden Maßnahmen entstehen, der Wahrnehmung der Irreversibilitäten, die mit der Klimaveränderung verbunden sind, und den institutioneilen und instrumentellen Vorkehrungen, die zwischen Nord und Süd vereinbart werden können.

Der entstandene Diskurs über die Reduzierung der CO 2-Emissionen mag als Indiz eines bereits vorhandenen kollektiven Willens zur ökologischen Zukunftsfähigkeit der Industriegesellschaft bei gleichzeitiger Beachtung der weiteren Wachstums-erfordernisse der Entwicklungsländer gedeutet werden. Hierzu gibt es bereits interessante -und bezüglich der Entwicklungsländer erstaunlich weit übereinstimmende -Pläne, die im folgenden kurz referiert werden sollen. 3. Drei konkrete CO 2-Reduzierungspläne Der Zweiten Weltklima-Konferenz, die Ende 1990 in Genf stattfand, haben zwei Pläne zur CO 2-Reduzierung für die Zeit bis zum Jahr 2050 vorgelegen: der IPCC-Vorschlag und ein Minister-Vorschlag Das International Panel on Climate Change (IPCC) sieht drastische und relativ rasch einsetzende Emissionsminderungen für die OECD-Länder vor, während die globalen Emissionen erst ab dem Jahr 2005 zurückgehen und bis zum Jahr 2050 um 46 Prozent unter das Niveau von 1987 sinken sollen (vgl. Tabelle 4). Der Minister-Vorschlag ist weniger drastisch und zeitlich stark verzögert (vgl. Tabelle 5); die Minister übernehmen jedoch die Vorstellung der Experten, wonach den Entwicklungsländern insgesamt eine gewisse Zunahme an CO 2-Emissionen eingeräumt werden muß.

Als Referenz-Vorschlag kann der Plan der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages dienen (vgl. Tabelle 6), der die Industrieländer nach ihrer jeweiligen Wirtschaftsleistung differenziert und darüber hinaus rascher einsetzende und weiterreichende CO 2-Reduzierungen vorsieht. Auffallend ist auch hier die Präferenz, die den Entwicklungsländern eingeräumt wird; die Vorschläge sind z. T. identisch mit denen zur Zweiten Weltklima-Konferenz bzw. haben auf diese eingewirkt

III. Mögliche Verteilungskriterien zur Reduzierung der globalen CO-Emissionen

Tabelle 3: Szenarien der CO 2-Reduzierung (1975 bis 2100) Quelle: Zusammengestellt nach V. Hartje (Anm. 7).

Die Verteilung der Pflichten in einer Klimakonvention (und in den begleitenden Protokollen) zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern hängt von zahlreichen Faktoren ab, besonders jedoch davon, in welchem Maße die einzelnen Treibhausgase im Verhältnis zueinander reduziert und welche Kriterien bezüglich ihrer Reduzierung angewendet werden Eine Strategie der Reduzierung aller Treibhausgase dürfte andere Konsequenzen haben als eine Teilstrategie für ein einzelnes Treibhausgas. Kosten und Nutzen verteilten sich anders, die technischen Möglichkeiten der Emissionsreduzierung wären unterschiedlich, es bestünden intersektorale Kompensationsspielräume. So würde der vollständige Ausstieg der Industrieländer aus der FCKW-Produktion theoretisch eine weniger strikte Reduzierung von CH 4 oder N 2O, die für die Landwirtschaft der Entwicklungsländer technisch nur schwer zu vermeiden sind, ermöglichen. Dennoch gibt es gute Gründe, die Diskussion auf CO 2 zu konzentrieren, unter anderem den, daß dieses Gas etwa 55 Prozent des Treibhauseffekts verursacht. Im folgenden soll die Bandbreite der möglichen und zugleich realistischen Reduzierungskriterien betrachtet werden.

Bei der Festlegung von Kriterien zur Reduzierung der globalen CO 2-Emissionen dürften zwei internationale Abkommen wichtige Bezugspunkte abgeben: die Konvention der Economic Commission for Europe (ECE) über weiträumige Luftverschmutzung (1979) und das Montrealer Protokoll (1987ff.). Bei der ECE-Konvention hatte sich zunächst eine kleine Zahl der ECE-Länder zu einem „ 30%-Club“ der Schwefeldioxid-(SO 2) -Reduzierung zusammengefunden, dem nach und nach die anderen Länder beitraten Entscheidend für diesen umweltpolitischen Erfolg war neben dem lokalen und regionalen Problemdruck („Waldsterben“), der Unterstützung durch die Wählerschaft, dem Entstehen technischer Lösungen (Entschwefelungsanlagen) und der Finanzierungsmöglichkeit auch der erreichte Gruppenkonsens über das Verteilungskriterium: Jedes Land sollte die SO 2-Emissionen um den gleichen Prozentsatz von 30 Prozent verringern. Damit war die Ausgangslage legitimiert, Vorleistungen oder geographische Besonderheiten wurden nicht berücksichtigt. Dies ergibt das Verteilungskriterium I: eine proportional gleiche Reduzierungsrate für alle Länder bezogen auf die Ausgangstage (und ein Bezugsjahr).

Auch das Montrealer Protokoll sieht eine proportional gleiche Reduzierungsrate für FCKW-Emissionen vor (zunächst 50 Prozent, später 100 Prozent), läßt jedoch eine zeitlich befristete Ausnahme für die Entwicklungsländer zu Diese lehnen eine sofortige Reduzierungspflicht mit der Begründung ab, die Industrieländer hätten durch die FCKW-Emissionen der Vergangenheit die Ozonschicht geschädigt, so daß den Entwicklungsländern Proportionalität in der Pflichtenübernahme nicht zuzumuten sei, ja sie hätten geradezu noch ein Emissionsrecht für die Zukunft. Eine solche Argumentationsweise begründet das Verteilungskriterium II: eine proportional gleiche Reduzierungsrate für eine Gruppe von Ländern (Industrieländer) bei Festlegung einer Grenze bzw. Rate der noch zulässigen EmissionsZunahme für die andere Gruppe (Entwicklungsländer).

Das Montrealer Protokoll gesteht den Entwicklungsländern eine FCKW-Produktion bis zu 0, 3 Kilogramm pro Kopf für zehn Jahre zu und sieht erst danach eine Reduzierung auf 50 Prozent vor. Die Reduzierung von FCKW erfordert wegen monopolartiger Produktionsverhältnisse und niedrigem Ausgangsniveau im Vergleich zu einer Reduzierung von CO 2-Emissionen eher geringfügige Anpassungen, obwohl davon ganze Produktlinien, wie zum Beispiel Kühlschränke, Kältetechnik oder Wärmedämmung, betroffen sein können, wenn Ersatzstoffe nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen. Bei einem CO 2-Protokoll werden die notwendigen Anpassungen erheblich umfassender und weitreichender sein; zahlreiche Techniken, Produkte und alle Wirtschaftszweige sind direkt oder indirekt betroffen. Die Industrieländer könnten dabei ihre eigenen absoluten Reduzierungspflichten mit den relativen Reduzierungspflichten (Zuwachsrate der CO 2-Emissionen) der Entwicklungsländer verbinden.

Neben den laufenden Emissionen dürfte es den Entwicklungsländern auch (und besonders) um die historischen, in der Erdatmosphäre akkumulierten Emissionen gehen. Je stärker solche Verteilungsargumente in den Vordergrund der Verhandlungen rücken, um so höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß eine kooperative (beidseitige) Reduzierung nicht vereinbart werden kann. Dies macht ein (traditionelles) Kriterium der Gleichbehandlung attraktiv, das auch von den Entwicklungsländern akzeptiert werden könnte, nämlich gleiche CO 2-Emissionen pro Kopf der Bevölkerung. So lautet das Verteilungskriterium III: Jedes Land hat ein Emissionsrecht, das sich aus der angestrebten (reduzierten) globalen Emissionsmenge pro Kopf der Weltbevölkerung multipliziert mit der eigenen Bevölkerungszahl ergibt.

Nach diesem Kriterium würden die Länder, die die angestrebte CO 2-Emissionsmenge überschreiten (die Industrieländer), entsprechende (erhebliche) Reduzierungspflichten haben; die Länder, die diese Mengen unterschreiten (die Entwicklungsländer), könnten zunächst noch zusätzlich emittieren. Dieses Kriterium stellt somit auf Fairneß ab, legitimiert also nicht die gegenwärtige Emissionssituation, sondern bewirkt eine erhebliche Umverteilung von Nord nach Süd.

Aus der Differenz zwischen vereinbarten Emissionsrechten und laufenden Emissionen ergeben sich dann die konkreten Reduzierungpflichten bzw. Anpassungserfordernisse, die wegen der unterschiedlichen Differenzen für die beteiligten Länder natürlich zu unterschiedlichen Prozentsätzen der Reduzierung (für Industrieländer) bzw. Erhöhung (für Entwicklungsländer) führen. Bei Einführung dieses Kriteriums würden Besonder29 heiten wie die geographische Lage, die Größe des Landes, die Ressourcenausstattung, aber auch Kostenunterschiede der Emissionsreduzierung generell nicht berücksichtigt -was wiederum für die Verhandlung des CO 2-Protokolls ein weites Feld des bargaining eröffnen mag.

Wendet man die Verteilungskriterien I bis III auf die in Tabelle 3 vorgestellten drei Szenarien an, so ergeben sich Größenordnungen der Reduzierung bzw. Umverteilung der CO 2-Emissionen (aus fossilen Brennstoffen) zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern, wie sie in Tabelle 7 zusammengefaßt sind. Die Konsequenzen der jeweils zugrundegelegten Verteilungskriterien divergieren, wie deutlich zu sehen ist, erheblich.

Technisch und ökonomisch gesehen ist die Reduzierung der CO 2-Emissionen durch eine Fülle von Maßnahmen möglich so vor allem durch -drastische Reduzierung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe durch Energiesparen bzw. Erhöhung der Effizienz der Energienutzung, insbesondere bei Transportenergie, Elektrizität, Heizenergie; -durchgreifende Substitution der emissionsreichen Brennstoffe (Kohle, Öl) durch emissionsarme (Gas);

-Ersatz alter und Installation neuer Energiegewinnungstechniken, wie Blockheizkraftwerke, Fernwärme, Fernkühlung, Gasturbinen;

-rasche Einführung erneuerbarer Energien, wie insbesondere Biomasse, Windenergie, Photovoltaik, Wasserstoff;

-technische Nachrüstung bzw. Umrüstung der Kraftwerke auf fossiler Basis.

Es muß also mehr geschehen als nur eine relative Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch. Mittel-und langfristig ist für die Welt als Ganzes aus ökologischen Gründen nur noch ein Wirtschaftswachstum möglich, bei dem Energieverbrauch, Materialverbrauch und Umweltbelastung auch absolut zurückgehen. Auf Fragen nach einem „industriellen Metabolismus“, einer zukunftsfähigen Wirtschaftsstruktur und einem entsprechenden Politikstil näher einzugehen, fehlt an dieser Stelle der Platz

Bisher war nur von CO 2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen die Rede. Dabei geht es um Einfrieren des Verbrauchs (bzw. von Emissionen) und um Reduzierungsraten. Bei CO 2-Emissionen aus biotischen Quellen geht es dagegen um Trendumkehr, um negative Wachstumsraten. Nur eine Emissionsminderung anzustreben, wäre wegen der möglichen Netto-Bindung von Kohlenstoff in der Biomasse und angesichts des ja realen, nicht potentiellen Treibhauseffekts zu bescheiden. Selbst die Anwendung des oben genannten Verteilungskriteriums III ist hier nicht sinnvoll, da positive Emissionen hinter der Möglichkeit von negativen Emissionen pro Kopf (d. h. Ausweitung der Kohlenstoff-senken, Wiederaufforstung) Zurückbleiben. Ein zusätzliches Kriterium könnte daher . darin bestehen, die Verpflichtung zum Stopp der Entwaldung in Entwicklungsländern mit einer Verpflichtung zur Netto-Aufforstung in Industrie-und Entwicklungsländern zu koppeln. Eine andere Möglichkeit besteht in der unmittelbaren Verknüpfung mit dem oben diskutierten Emissionsrecht auf CO 2 aus fossilen Quellen: Biotische Emissionen (aus Brandrodung, Entwaldung, Änderung der Bodennutzung) reduzieren das Recht auf Pro-Kopf-Emission an

CO 2 aus fossilen Quellen, eine Netto-Aufforstung erhöht es.

Für die erfolgreiche Ausgestaltung einer globalen Klimakonvention könnte aber noch ein weiteres Verteilungskriterium Bedeutung erlangen: das Alterskriterium Die Bevölkerungsstruktur der Entwicklungsländer ist von der der Industrieländer bekanntlich sehr verschieden. Angesichts der im Durchschnitt erheblich jüngeren Bevölkerung in den Entwicklungsländern liegen in einem generellen Pro-Kopf-Emissionsrecht ökologisch gesehen möglicherweise falsche Anreize. Sie bestehen darin, die vorhandenen Reduzierungspotentiale nicht oder erst verspätet anzugehen und weiterhin ein hohes Bevölkerungswachstum beizubehalten. Von den Industrieländern könnte daher als zusätzliches Kriterium ein Mindestalter (sozusagen ein „Erwachsenenrecht auf Umweltverschmutzung“) in die Diskussion gebracht werden, wodurch sich ihre Reduzierungspflichten verringern bzw. ihre Pro-Kopf-Emissionen erhöhen ließen. .

IV. Fazit

Tabelle 4: CO 2-Emissions-Plan: Zweite Weltklima-Konferenz, IPCC-Vorschlag (Bezug 1987, Angaben in Prozent) Quelle: WMO/UNEP (Anm. 20).

Peter M. Haas hat in bezug auf globale Umwelt-probleme eine „Erkenntniskonsens-Theorie“ (epistemic consensus) formuliert Nach seiner (und meiner) Auffassung haben sich substantielle Änderungen im Prozeß internationaler Umweltvereinbarungen ergeben; diese Evolution der umwelt-politischen Lösungskompetenz kann als kollektiver Lernprozeß verstanden werden -der Hardins „Tragödien-Theorie öffentlicher Güter“ („tragedy ofthe commons“) widerlegen könnte In diesem Prozeß haben „erkenntnisschaffende Gruppen“ (epistemic communities) transnationale Netzwerke gebildet, die politisch relevant sind durch ihr autoritatives Wissen. Wenn solche Netzwerke entstehen und wenn sie Zugang zu den politischen Entscheidungsträgern erhalten bzw. aufrechterhalten können, dann haben globale Konventionen und Protokolle eine Art „Effizienzgarantie“. Weder „gemeinsame Interessen“ per se (der Grundgedanke des Brandt-Berichts), noch „Nachhaltigkeit der Entwicklung“ (wie im Brundtland-Bericht), noch „Verantwor-tung für die eigene Zukunft“ (der Nyerere-Bericht) allein verbessern die Chancen für internationale Kooperation. Diese hängt auch entscheidend ab von der Art und Stärke des inhaltlichen Konsenses in der Gemeinde der wissenschaftlichen Experten, der scientific community.

Diese Theorie scheint vom FCKW-Prozeß verifiziert zu sein; praktische Politik war gefordert angesichts einer ökologischen Krise („Ozonloch“); internationale Experten bestimmten die Bandbreite der Politikaltemativen, über die Diplomaten miteinander verhandelten; und als die Mitglieder dieser community ihre Positionen mit den nationalen Regierungen konsolidiert hatten, unterstützten diese die Abkommen Ob diese Theorie für den „Treibhauseffekt“ zutrifft und sich in der Vorbereitung und Umsetzung eines CO 2-Protokolls erneut bewahrheiten wird, ist offen. Während eine lockere Form einer epistemic community besteht, ist der interne Konsens auch nicht annä-hemd so stark wie beim Modellfall Ozon. Es gibt die Präventionisten, die für sofortige und durchgreifende Aktion plädieren, um die Klimaveränderung zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen, und es gibt die Adaptationisten, die für langsame und allmähliche Anpassung an die ohnehin eintretende, nicht vermeidbare Klimaveränderung eintreten.

Welche dieser beiden Gruppen (bzw. Grundhaltungen) wird sich auf der Konferenz der Vereinten Nationen durchsetzen? Welche Länder werden sich in welchem Lager befinden bzw. nach der Konferenz wiederfinden? Verteilungsfragen sind Machtfragen. Das globale Klimaproblem ist so komplex, daß es nicht allein durch entsprechende Verteilungsdebatten gelöst werden kann. Ein möglichst einfaches, allgemein verbindliches Kriterium zur Reduzierung von CO 2-Emissionen sollte jedoch befolgt werden. Einige der entsprechenden Möglichkeiten sind in diesem Beitrag aufgezeigt worden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Zeit vom 21. Februar 1992.

  2. Vgl. M. Grubb, The Greenhouse Effect. Negotiating Targets, London 1989; W. A. Nitze, The Greenhouse Effect. Formulating a Convention, London 1990; Udo E. Simonis, Globale Klimakonvention (WZB papers FS II 91-404), Berlin 1991.

  3. Vgl. B. D. Solomon/D. R. Ahuja, International Reductions of Greenhouse-Gas Emissions, in: Global Environmental Change, December 1991, S. 343-350.

  4. Wichtige Anhaltspunkte, was Methodik, Maßnahmen und Diplomatie angeht, liefert der Ozonfall. Grundlegend hierzu Richard Elliot Benedick, Ozone Diplomacy. New Directions in Safeguarding the Planet. Cambridge, Mass. -London 1991; ders., Vorbereitung einer globalen Klimakonvention. Lehren aus der Ozonloch-Debatte, in: Jahrbuch Ökologie 1992, München 1991, S. 130-137.

  5. Vgl. World Resources Institute, World Resources 1990-91, New York -London 1990.

  6. Ein Entwurf der Klimakonvention datiert vom 19. Dezember 1991: Intergovemmental Negotiating Committee for a Framework Convention on Climate Change, Consolidated Working Document, Ms. Genf 1991 (A/AC. 237/Misc. 17).

  7. Vgl. Volkmar Hartje, Studienbericht E 9a. Verteilung der Reduktionspflichten. Problematik der Dritte-Welt-Staaten, Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“, Ms. Berlin 1989.

  8. Vgl. Thomas Gehring, Das internationale Regime zum Schutz der Ozonschicht, in: Europa-Archiv, 45 (1990) 23, S. 703-712; vgl. auch den Beitrag von S. Oberthür in diesem Heft.

  9. Vgl. UNEP, Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer, Montreal, 16. September 1987.

  10. Vgl. hierzu Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), Policy Makers Summary of the Formulation of Response Strategies. Report prepared for IPCC by Working Group III, Genf, Juni 1990.

  11. Vgl. R. E. Benedick (Anm. 4).

  12. Vgl. Holger Bonus, Umweltpolitik in der sozialen Marktwirtschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 10/91, S. 37-46.

  13. Vgl. ebd., S. 4O.

  14. Zu einer globalen Ressourcensteuer vgl. Udo E. Simonis, Towards a World Budget. Thoughts on a World Resource Tax, in: A. Vlavianos-Arvanitis (Hrsg.), Biopolitics. The Bio-Environment, Vol. III., Athen 1991, S. 198-201.

  15. Vgl. T. H. Tietenberg, Emissions Trading. An Exercise in Reforming Pollution Policy, Baltimore 1985.

  16. Vgl. J. Heister/P. Michaelis, Handelbare Emissionsrechte für Kohlendioxid, in: Zeitschrift für Angewandte Umweltforschung, 4 (1991) 1, S. 68-80; H. Düngen/D. Schmitt, Konkurrierende Abgabenlösungen zur Reduzierung der CO 2-Emissionen, in: Zeitschrift für Angewandte Umweltforschung, 3 (1990) 3, S. 253-263.

  17. Vgl. W. Bach/A. K. Jain, Von der Klimakrise zum Klimaschutz, Münster (Institut für Geographie) 1991 (Erneuerung des Ms. 1988); dies., Towards Climate Convöntions Scenario Analysis for a Climate Protection Policy, in: Ambio, 20 (1991) 7, S. 322-329.

  18. Vgl. Environmental Protection Agency (EPA), Policy Options for Stabilizing Global Climate. Executive Summary, Washington, D. C., February 1989.

  19. Vgl. World Meteorological Organization (WMO) /United Nations Environment Programme (UNEP), IPCC Response Strategies Working Group. Emissions Scenarios, Genf 1990.

  20. Vgl. Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Schutz der Erdatmosphäre. Eine internationale Herausforderung. Zwischenbericht der Enquete-Kommission, Bonn-Karlsruhe 19903.

  21. Vgl. M. Grubb (Anm. 2); Princeton Protocol on Factors that Contribute to Global Warming, Princeton University, 15. Dezember 1988.

  22. Vgl. United Nations, Economic Commission for Europe (ECE), Convention on Long-Range Transboundary Air Pollution, Genf, 13. November 1979.

  23. Vgl. Montreal Protocol (Anm. 9).

  24. Vgl. Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Schutz der Erde. Eine Bestandsaufnahme mit Vorschlägen zu einer neuen Energiepolitik. Dritter Bericht der Enquete-Kommission des 11. Deutschen Bundestages, 2Bde., Bonn -Karlsruhe 1990; J. Goldemberg u. a., Energy for a Sustainable World. World Resources Institute, Washington, D. C., 1987; G. H. Kats, Slowing Global Warming and Sustaining Development, in: Energy Policy, 18 (1990) 1, S. 25-33.

  25. Vgl. R. U. Ayres, Industrial Metabolism, in: J. H. Ausubel/H. E. Sladovich (Hrsg.), Technology and Environment, Washington, D. C., 1989, S. 23-49; R. U. Ayres/U. E. Simonis (Hrsg.), Industrial Metabolism. Restructuring for Sustainable Development, Tokio -New York 1992 (i. E.).

  26. Vgl. M. Grubb (Anm. 2).

  27. Vgl. Peter M. Haas, Obtaining International Environmental Protection Through Epistemic Consensus, in: Millennium. Journal of International Studies, 19 (1990) 3, S. 347-363.

  28. Vgl. Garrett Hardin, The Tragedy of the Commons, in: Science, 162 (1968) 3859, S. 1243-1248.

  29. Vgl. R. E. Benedick (Anm. 4).

Weitere Inhalte

Udo E. Simonis, Dr. sc. pol., geb. 1937; Professor für Umweltpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB); Mitglied des Komitees für Entwicklungsplanung der Vereinten Nationen; Vorsitzender des Kuratoriums der Deutschen Umweltstiftung. Veröffentlichungen u. a.: Ökologische Orientierungen, Berlin 19882; (Hrsg.) Präventive Umweltpolitik, Frankfurt a. M. -New York 1988; Beyond Growth. Elements of Sustainable Development, Berlin 1990; (Hrsg.) Basiswissen Umweltpolitik, Berlin 19902; (Hrsg.) Ökonomie und Ökologie, Karlsruhe 19916; (Mithrsg.) Jahrbuch Ökologie 1992, München 1991.