Im Dezember 1990 setzte die Vollversammlung der Vereinten Nationen einen zwischenstaatlichen Verhandlungsausschuß ein, der bis zur UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development [UNCED], Rio de Janeiro, 1. -12. Juni 1992) eine internationale Rahmenkonvention zum Schutz des Weltklimas und eventuelle ergänzende Rechtsinstrumente erarbeiten soll
Dem Beginn der offiziellen Verhandlungen war seit Mitte der achtziger Jahre eine Phase von Vor-verhandlungen vorausgegangen. Dabei wurde zum einen versucht, einen internationalen wissenschaftlichen Konsens über die Bewertung des anthropogenen (durch den Menschen verursachten) Treibhauseffektes sowie über seine Ursachen und Folgen herzustellen. Zum anderen ging es darum, durch einen internationalen Meinungsaustausch über Gegenmaßnahmen eine politische Annäherung zu erreichen. Den Endpunkt dieser Vorverhandlungsphase markiert die Zweite Weltklimakonferenz, die vom 29. Oktober bis 7. November 1990 in Genf stattfand. Ihr lag der erste Zwischenbericht eines internationalen Experten-gremiums (Intergovernmental Panel on Climate Change [IPCC]) vor, das die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Treibhauseffektes, seine Folgen und mögliche Gegenmaßnahmen untersuchte
Der Beginn der offiziellen Verhandlungen bedeutet keineswegs das Ende der Suche nach einem wissenschaftlichen Konsens. Vielmehr unterstreicht das Fortbestehen des IPCC, daß die internationalen Kooperationsbemühungen auch mit dem Beginn konkreter Verhandlungen zweigleisig, auf wissenschaftlicher und politischer Ebene, fortgeführt werden.
Im folgenden geht es um die politischen Verhandlungen, die zur Entstehung eines internationalen Regimes zum Schutz des Klimas führen sollen
I. Klimawandel: Drei Charakteristika
1. Ungleiche regionale Verteilung Die Problematik des anthropogenen Treibhauseffekts und seiner Folgewirkungen ist durch äußerst komplexe naturwissenschaftliche
Im Mittelpunkt der gegenwärtig stattfindenden internationalen Klimaverhandlungen stehen dabei die durch die Verbrennung fossiler Energieträger entstehenden CO 2-Emissionen, die zur Zeit mit rund 40 Prozent den größten Teil der gesamten Treibhausgasemissionen ausmachen. Sie sind regional äußerst ungleich verteilt. Das in den industrialisierten Ländern lebende Viertel der Weltbevölkerung zeichnet gegenwärtig für etwa 80 Prozent der CO 2-Emissionen verantwortlich
Kompliziert wird die internationale Bearbeitung des Problems „Klimawandel“ durch die Gewinner-Verlierer-Problematik. Angesprochen ist damit der Umstand, daß durchaus nicht alle Länder nur negative Auswirkungen durch eine Klimaveränderung zu erwarten haben. So könnten etwa Kanada und Rußland durch das Auftauen bisher ständig gefrorener Gebiete, Skandinaviens Landwirtschaft durch eine längere Wachstumsperiode der Pflanzen gewinnen. Allerdings muß vor allem aufgrund der Interdependenzen in der Weltwirtschaft davon ausgegangen werden, daß die Verluste der anderen Länder auf die „Gewinner“ zurückschlagen. Letztlich ist also an der Berechtigung der Annahme, daß es Gewinner geben werde, zu zweifeln
Auch die Bewertung der wirtschaftlichen Folgen einer Klimaschutzpolitik ist durch Unsicherheiten charakterisiert, zumal bisher nur nationale Untersuchungen zur Verfügung stehen. In den USA könnte einer vom amerikanischen Kongreß in Auftrag gegebenen Studie zufolge eine 20-35 prozentige Reduktion der CO 2-Emissionen bis zum Jahre 2015 Kosten von 150 Mrd. US-Dollar (1, 8 Prozent des Bruttosozialprodukts [BSP]) im Jahr verursachen, möglicherweise aber auch einen jährlichen Nettonutzen von 20 Mrd. US-Dollar (0, 2-0, 3 Prozent des BSP)
Ferner drohen negative Rückwirkungen einer Klimaschutzpolitik auch auf deren eigene intendierte Ziele. So würde ein Preisverfall fossiler Energieträger einen zusätzlichen ökonomischen Anreiz zur Verwendung derselben implizieren, was nationale Klimaschutzpolitiken zumindest international konterkarieren könnte. Denkbar wäre auch, daß ein Ersatz der relativ kohlenstoffintensiven Energieträger Kohle und Erdöl durch das kohlenstoff-ärmere Erdgas über größere Transportverluste des letzteren zu erhöhten Methanemissionen führt
Schließlich könnten wirksame Maßnahmen zur weitestgehenden Vermeidung des Klimawandels auch unerwünschte sicherheitspolitische Konsequenzen haben. Schrumpft durch solche Maßnahmen beispielsweise in den industrialisierten Ländern der Markt für Erdöl, muß bei unveränderter oder gar gesteigerter Produktion mit einem Preisverfall gerechnet werden, der die erdölexportierenden Staaten (vor allem die Mitgliedstaaten der OPEC) in wirtschaftliche Krisen stürzen könnte. Unter Berücksichtigung möglicher Folgewirkungen auf die innerstaatliche Stabilität insbesondere der Golf-Staaten sowie auf die dort ohnehin gespannten zwischenstaatlichen Beziehungen wird deutlich, daß Auswirkungen einer Klimastabilisierungspolitik möglicherweise bis in den Bereich der globalen Sicherheit reichen. 3. Die Nutzung globaler Gemeinschaftsgüter Der anthropogene Treibhauseffekt kann als eine Problematik globaler Gemeinschaftsgüter („global commons“) bezeichnet werden. Gemeinschaftsgüter sind ihrer Definition zufolge dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht aufgeteilt werden können und niemand von ihrem Gebrauch ausgeschlossen werden kann. Die „tragedy of the commons“ besteht darin, daß die Gemeinschaftsgüter von rationalen Gewinnmaximierern genutzt werden, wobei der Gewinn privat angeeignet wird, während der dem jeweiligen Gut zugefügte Schaden von allen Nutzem getragen wird. Bei uneingeschränktem Zugang zu den Gemeinschaftsgütern führt das zu ihrer Übernutzung und damit zum Ruin aller Nutzer
Nur auf wenige Güter trifft diese Beschreibung auf globaler Ebene zu. Zu ihnen zählt die Atmosphäre, deren Schädigung als unbeabsichtigte Folge der Produktion öffentlicher und privater Güter (etwa Energiedienstleistungen, Fortbewegungsmittel) entsteht. Da die Atmosphäre bereits übernutzt wird, geht es nicht mehr um die Vertei-lung zusätzlicher Güter, wie etwa bei der Nutzung von Rohstoffvorkommen auf dem Meeresgrund, sondern um die Verteilung von Kosten für die möglichst weitgehende Vermeidung eines globalen Schadens, nämlich des anthropogenen Treibhaus-effekts
II. Verlauf und Inhalt der Klimaverhandlungen
1. Der Fortgang der Verhandlungen Der zwischenstaatliche Ausschuß zum Aushandeln einer Weltklimakonvention ist bisher fünfmal für jeweils 10 bis 14 Tage zusammengetreten
Im Vordergrund standen zunächst prozedurale Fragen. Verfahrensregeln und Richtlinien für die Verhandlungen wurden verabschiedgt sowie zwei Arbeitsgruppen eingerichtet. Arbeitsgruppe I beschäftigt sich mit den in die angestrebte Konvention aufzunehmenden konkreten Verpflichtungen, insbesondere bezogen auf eine Begrenzung von Treibhausgasemissionen und einen Ressourcen-transfer aus den Industrie-in die Entwicklungsländer. Arbeitsgruppe II ist mit den institutionellen Mechanismen befaßt. In ihren Aufgabenbereich fallen Fragen, wie ein Ressourcentransfer zu organisieren ist und welche Organe (z. B. Sekretariat, Konferenz der Vertragsparteien) durch die Konvention einzusetzen sind
Nach dieser Strukturierungsphase folgte bis zum Beginn der fünften Verhandlungsrunde ein Abschnitt, in dem die verschiedenen Akteure ihre Positionen absteckten und die Argumente austauschten. Die Bedeutung dieser Phase darf nicht unterschätzt werden. Das Verständnis der jeweiligen Standpunkte wurde gefördert, die Einbeziehung der Positionen der Verhandlungspartner in die Kalkulationen der Akteure erleichtert. Die gegenseitigen Erwartungen konnten so durch den Austausch von Informationen vereinheitlicht werden. Während dieser Verhandlungsphase wurden verschiedene Textvorschläge der verhandelnden Staaten zusammengefaßt und soweit möglich vereinheitlicht. Am Ende der vierten Sitzungsperiode stand damit ein „konsolidiertes Arbeitsdokument“, das über 100 Seiten zählt und unzählige Klammern sowie Alternativversionen für verschiedene Konventionsartikel enthält
Bemerkenswert ist der Positionswandel der ehemaligen Sowjetunion. Während sie noch vor dem Beginn der offiziellen Verhandlungen zu den Bremsern des gesamten Prozesses gehört hatte
Die arabischen OPEC-Staaten (insbesondere Saudi-Arabien und Kuwait) wandten sich bislang entschieden gegen eine Beschränkung der CO 2-Emissionen. Von der Position dieser Staaten ist die der Majorität der Entwicklungsländer einschließlich Chinas, Indiens und Brasiliens zu unterscheiden. Diese Staatengruppe vertrat zunächst keine klare Position bezüglich substantieller Verpflichtungen zur Emissionslimitierung der Industrieländer und lehnte eigene Verpflichtungen strikt ab. Im Verlauf der Verhandlungen veränderte sich diese Position insoweit, als nun eine Begrenzung der CO 2-Emissionen aus den Industrieländern befürwortet und sogar darauf gedrungen wurde. In erster Linie setzt sich diese Staatengruppe jedoch für einen von bestehenden Institutionen unabhängigen Internationalen Klimafonds ein. Im letzten Punkt traf sie sich mit einer Koalition von Entwicklungsländern und kleinen Inselstaaten (Alliance of Small Island States [AOSIS]), die zum Teil nur wenig über Meeresspiegelhöhe liegen und daher konkrete Festlegungen von Reduktionszielen sowie einen internationalen Versicherungsmechanismus für durch die Erwärmung verursachte Schäden befürworteten.
In der Frage eines zusätzlichen Ressourcentransfers stehen sich Industrie-und Entwicklungsländer gegenüber. Damit sind Hauptpunkte der Nord-Süd-Auseinandersetzung wieder an exponierte Stelle auf der Tagesordnung der internationalen Politik gerückt. Vermittelt durch die Klimaproblematik wird das Nord-Süd-Verhältnis erneut grundlegend thematisiert
Allerdings zeigt sich beim Ressourcentransfer innerhalb der Industrieländer auch ein Nebenkonflikt: Während die anderen OECD-Staaten die diesbezüglichen Forderungen des Südens grundsätzlich anerkannt hatten, verhinderte lange Zeit die Ablehnung zusätzlicher Leistungen durch die USA die Bildung einer einheitlichen Position des Nordens und damit den Eintritt in konkrete Nord-Süd-Verhandlungen über Höhe und Modalitäten eines Ressourcentransfers. Erst die Änderung der amerikanischen Position während der fünften Verhandlungsrunde eröffnete neue Möglichkeiten, ohne den Konflikt zwischen den Industrieländern endgültig zu lösen. Als Bremser treten die USA auch bei den CO 2-Emissionsbegrenzungen auf. Das Gegenüber der USA bildet dabei in erster Linie die EG, die durch die übrigen OECD-Staaten, Teile der „Dritten Welt“ und die AOSIS unterstützt wird. Die arabischen OPEC-Staaten stehen dagegen an der Seite der USA, wobei ihre Haltung noch stärker als die amerikanische gegen eine Emissionsbegrenzung gerichtet ist.
Die Verpflichtung der Industrieländer zur Begrenzung ihrer Treibhausgasemissionen ist in den Verhandlungen immer mit ihrer Verpflichtung zum Ressourcentransfer in die „Dritte Welt“ verbunden: Beide Konflikte überlagern sich, wodurch die Lösung des einen tendenziell an die des anderen angebunden wird. Die Entwicklungsländer scheinen entschlossen, den Abschluß eines Klimaüber-einkommens zu blockieren, das nicht für einen Ressourcentransfer sorgt. Es kann demnach davon ausgegangen werden, daß der erfolgreiche Abschluß eines Übereinkommens letztlich die Einigung zwischen den Hauptkontrahenten bei beiden Konflikten voraussetzt, d. h. im wesentlichen zwischen den USA, der EG und der Majorität der Entwicklungsländer. Sollte eine Einigung zwischen diesen Akteuren Zustandekommen, werden weder die AOSIS noch die osteuropäischen Länder oder die arabischen OPEC-Staaten die entstehende Konvention blockieren können. Offen ist, ob im Falle einer starren Haltung der USA auch ein Kompromiß, dem die übrigen OECD-Staaten und die „Dritte Welt“ zustimmen, zum Abschluß einer Weltklimakonvention ausreicht.
III. Das internationale Regime zum Schutz der Ozonschicht
1. „Modell Ozon“
Durch das internationale Regime zum Schutz der stratosphärischen Ozonschicht wird ebenfalls ein Problem aus dem Bereich der globalen Schädigung der Erdatmosphäre bearbeitet. Die dabei einer Regelung unterworfenen Stoffe tragen zudem teilweise (besonders FCKW) selbst zum Treibhauseffekt bei. In der wissenschaftlichen Literatur wird auf den Fall Ozon häufig als Modell für das angestrebte Klimaübereinkommen rekurriert
Das Ozonregime besteht im wesentlichen aus zwei völkerrechtlichen Instrumenten, dem Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht und dem Montrealer Protokoll über Stoffe, die die Ozonschicht schädigen
Grundlegender Bestandteil dieser internationalen Verträge ist deren Flexibilität. Regelmäßige Treffen der Vertragsparteien ermöglichen die Neubewertung der getroffenen und die Vereinbarung neuer Maßnahmen. Das Montrealer Protokoll enthält zudem einen Mechanismus zur beschleunigten Umsetzung von Entscheidungen: Abänderungen, die die Reduktionsquoten sowie deren zeitliche Umsetzung betreffen, treten ohne erneute Ratifikation in Kraft
Zugleich wurde in diesem dynamischen Prozeß eine Ausweitung der Anzahl der Vertragsparteien erreicht: Am 16. September 1987 hatten 24 Staaten, in erster Linie Industriestaaten, und die EG das Montrealer Protokoll unterzeichnet; bis zum 18. März 1991 hatten bereits 70 Staaten das Protokoll ratifiziert. Diese Ausweitung wurde durch die Einrichtung eines internationalen Fonds gefördert, die 1990 Teil der Überarbeitung des Montrealer Protokolls war. Dieser Fonds, der für 1991 bis 1993 zur Zeit ein Volumen von 200 Millionen US-Dollar hat, soll den Entwicklungsländern den Ausstieg aus den ozonschichtzerstörenden Substanzen ermöglichen. Mit seiner Einrichtung wurde der der Problematik innewohnende Nord-Süd-Konflikt um die Verteilung der Kosten des Schutzes der Ozonschicht einer Lösung näher gebracht.
Zwei Elemente kennzeichnen das „Modell Ozon“: zum einen seine rechtliche Struktur, d. h. die Teilung in eine Rahmenkonvention und ergänzende Protokolle, die substantielle Verpflichtungen enthalten; zum anderen sein „Stufenansatz“ („step-by-step approach“), d. h. die allmähliche Ausweitung der Anzahl der Vertragsparteien und der geregelten Stoffe sowie die Verschärfung der Regelungen
Vorbild eines Klimaschutzregimes?
Sowohl in den Stellungnahmen der Delegationen bei den Klimaverhandlungen als auch in den Verhandlungsdokumenten wird häufig Bezug auf das internationale Regime zum Schutz der Ozonschicht als einen Präzedenzfall für das zu errichtende Klimaschutzregime genommen. Dies erklärt sich daraus, daß das Ozonregime ein relativ erfolgreiches Beispiel internationaler Umweltkooperation darstellt, das ebenso wie beim Klimaschutz eine drohende (bzw. teilweise schon eingetretene) weltweite Schädigung eines globalen Gemeinschaftsgutes (der Erdatmosphäre) zum Gegenstand hat. Allerdings gibt es auch signifikante Unterschiede der beiden Problemlagen, da die Klima-problematik einen größeren Bereich menschlicher Aktivitäten betrifft.
Nicht zuletzt weil die Vollversammlung der Vereinten Nationen dieses Vorgehen in ihrem Verhandlungsauftrag befürwortet hat
Dabei gibt es hinsichtlich des „Stufenansatzes“ bemerkenswerte Unterschiede. Zum einen wird die zur Zeit verhandelte Rahmenkonvention zum Schutz des Weltklimas im Gegensatz zum Wiener Übereinkommen voraussichtlich substantielle Verpflichtungen zur Begrenzung von Emissionen enthalten. Für solch frühzeitige Maßnahmen spricht dabei die größere Trägheit unserer gesellschaftlichen Systeme gegenüber einer Steuerung von Treibhausgasemissionen. Handelt es sich bei den ozonschichtschädigenden Substanzen um Stoffe ohne zentrale Bedeutung für das Funktionieren unserer Gesellschaften, so sind bei einer Verringerung von Treibhausgasemissionen Schlüsselbereiche modernen Lebens und Wirtschaftens (etwa Energieversorgung und Mobilität) betroffen, die relativ unelastisch reagieren und ein langsames Umsteuern erfordern
Zum anderen gibt es auch von vornherein eine stärkere Beteiligung von Entwicklungsländern als beim „Modell Ozon“, was in den hohen Zahlen der Teilnehmer an den Verhandlungen zum Ausdruck kommt
Das angestrebte Klimaschutzregime wird also kaum von einem kleinen „Kern“ industrialisierter Staaten ausgehen können wie etwa das Ozonregime. Außerdem wird es bereits auf der ersten Stufe konkrete Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung enthalten müssen. Allerdings bleibt auch bei dieser Konzeption die Flexibilität des zu bildenden Regimes ein besonders wichtiger Bestandteil. Auch hier soll ein institutioneller Mechanismus die regelmäßige Überprüfung und Anpassung der eingeleiteten Maßnahmen gewährleisten. Das angestrebte Klimaschutzregime wird also durchaus gemäß einem „Stufenansatz“ konstruiert, orientiert sich allerdings nicht starr am „Modell Ozon“.
IV. Die Interessenlagen der Akteure
Für jeden Akteur bei den Klimaverhandlungen kann eine spezifische klimapolitische Interessenlage ausgemacht werden. Daher soll im folgenden eine Interessenanalyse zum Verständnis der jeweiligen Verhandlungsposition beitragen. Umweltpolitische Interessen lassen sich in Verursacher-, Betroffenen-und Helferinteressen unterteilen. Umweltpolitische Verursacherinteressen sind darauf gerichtet, eine umweltbelastende bzw. ressourcenverbrauchende Tätigkeit oder Struktur solange wie möglich zu erhalten und sogar auszubauen, daraus möglichst viel und anhaltend Nutzen zu ziehen und dafür mit möglichst geringen Kosten belegt zu werden. Umweltpolitische Betroffeneninteressen zielen darauf ab, Umweltschäden möglichst rasch und vollständig zu beseitigen und deren Reproduktion zu verhindern. Umweltpolitische Helferinteressen sind darauf gerichtet, möglichst großen Nutzen aus dem Vorgang der um-weltpolitischen Problembewältigung an sich zu ziehen, also von der Rolle als Helfer zu profitieren
Verursacher-, Betroffenen-und Helferinteressen treten bei den einzelnen Akteuren gemischt auf und sind situationsabhängig. Von entscheidender Bedeutung für die Lösung umweltpolitischer Konflikte sind die Helferinteressen. Sind sie auf den Abbau von Umweltbelastungen ausgerichtet, so ermöglichen sie durch die Entwicklung der ihnen zugrundeliegenden Hilfskapazitäten die Auflösung des Gegensatzes zwischen Verursacher-und Betroffeneninteressen.
Entsprechend der Globalität von Auswirkung und Verursachung des anthropogenen Treibhauseffektes sind klimapolitische Verursacher-und Betroffeneninteressen weltweit vorhanden
Eine Abschätzung spezifischer klimapolitischer Betroffeneninteressen kann anhand der erwarteten Auswirkungen der globalen Erwärmung am konkreten Ort vorgenommen werden. Die Stärke klimapolitischer Helferinteressen soll hier schließlich mit Hilfe der Bestimmung von Energieeinsparungspotentialen sowie anhand des Entwicklungsstandes alternativer Energieträger (hier: Wind-und Sonnenenergie) abgeschätzt werden.
Bezüglich der klimapolitischen Betroffeneninteressen wird hier verallgemeinernd von einer starken Ausprägung ausgegangen, da das Wissen über die Auswirkungen einer Erwärmung am spezifischen Ort eher beschränkt ist und der Treibhauseffekt in allen Teilen der Welt mehr negative als positive Folgewirkungen haben wird
Auch die klimapolitischen Verursacherinteressen sind weltweit vorhanden, da alle Menschen in bestimmtem Maße durch Produktion und Konsumtion an Prozessen beteiligt sind, die zur Emission von CO 2 führen. Diese Interessen sind fast durchweg stark ausgeprägt. Eine Ausnahme bei den hier in die Analyse einbezogenen Akteuren stellt wiederum die AOSIS dar, deren Beitrag zum anthropogenen Treibhauseffekt minimal ist. Die starken Verursacherinteressen der USA und der EG gründen sich in erster Linie auf ihren hohen Verbrauch: 1986 trugen die USA ca. 24 Prozent zu den weltweiten CO 2-Emissionen bei (19, 71 pro Kopf), die EG (einschließlich der DDR) ca. 16 Prozent (9, 4 t pro Kopf). Beide Akteure gehören zudem zu den größten Produzenten fossiler Energieträger. Da jedoch bei beiden der Verbrauch die Produktion deutlich übersteigt, muß der Mehrbedarf über Importe befriedigt werden. Dies belastet die Handelsbilanz, wodurch ein gewisser Anreiz zur Verringerung des Verbrauchs entsteht
Die starken Verursacherinteressen der Dritten Welt basieren in erster Linie auf einer antizipierten wirtschaftlichen Entwicklung, die einen stark steigenden Energieverbrauch erwarten läßt, der durch fossile Energieträger gedeckt werden soll. Indien und China etwa gehören zu den Ländern mit den größten Kohlevorräten der Welt. Die Position der arabischen OPEC-Staaten schließlich ist durch die starke Abhängigkeit ihrer Volkswirtschaften von der Förderung und dem Export von Erdöl gekennzeichnet. Diese Staaten haben wegen ihres Ölreichtums kaum einen Anreiz zur Energieeinsparung und zur Entwicklung alternativer Energiequellen.
Klimapolitische Hilfskapazitäten in der Form von Energieeinsparungspotentialen bestehen dabei durchaus weltweit
Die USA stehen bei der Entwicklung erneuerbarer Energiequellen international nach wie vor mit an der Spitze. Ende 1987 wurden 90 Prozent der weltweit installierten Windenergieanlagen in den USA betrieben, allein 80 Prozent in Kalifornien. Dort befinden sich auch neun Zehntel aller Anlagen zur Nutzung thermaler Solarenergie. Das den Weltmarkt in diesem Bereich dominierende Unternehmen kommt aus den USA. 1988 wurde mehr als ein Drittel aller Solarzellen und Soldarmodule in den USA produziert, wobei Ende der achtziger Jahre ein leichtes Erstarken der amerikanischen Position zu verzeichnen ist
Für die EG ist hinsichtlich erneuerbarer Energien in den achtziger Jahren eine erhebliche Kapazitätserweiterung festzustellen. Dänemark hielt Ende 1988 drei Viertel des weltweiten Marktes an Windkraftanlagen. Die gesamte europäische Produktion von Solarzellen und Solarmodulen konnte ihren weltweiten Anteil von 1980 bis 1988 auf rund 18 Prozent verdoppeln. Auch Hersteller und Märkte für Solarkollektoren existieren in der EG. In mehreren Mitgliedstaaten gibt es Versuchsanlagen und Projekte zur Erprobung erneuerbarer Energiequellen.
Aus der dargestellten Verteilung der klimapolitischen Interessen kann für jeden Akteur eine spezifische Interessenlage abgeleitet werden, die sich aus allen drei Interessenkomponenten zusammensetzt. Dem Drängen der AOSIS auf weitgehende Maßnahmen zum Klimaschutz entspricht die Dominanz der Betroffeneninteressen innerhalb der Interessenlage dieser Staaten. Die Ablehnung solcher Maßnahmen durch die arabischen OPEC-Staaten korreliert mit vorherrschenden Verursacherinteressen. Entsprechend der weitgehend fehlenden klimapolitischen Hilfskapazitäten sind die Entwicklungsländer in erster Linie an einem Ressourcen-transfer interessiert.
Die Interessenlage der Akteure aus dem Norden (USA und EG) ist bei gleichzeitig starken Verursacher-und Betroffeneninteressen durch die deutlich ausgeprägte Fähigkeit zur Begrenzung und Reduzierung ihrer CO 2-Emissionen gekennzeichnet, die starke klimapolitische Helferinteressen begründet. Daß eine solche Interessenlage die günstigsten Bedingungen für gezieltes umweltpolitisches Handeln im Sinne einer Problembewältigung bietet, ist sowohl theoretisch als auch empirisch aufgezeigt worden
V. Abschätzung der Verhandlungsergebnisse
1. Chancen für eine Änderung der amerikanischen Verhandlungsposition Die amerikanische Verhandlungsposition war analytisch bezüglich beider Hauptkonflikte bei den internationalen Klimaverhandlungen (um eine Emissionsstabilisierung von CO 2 und einen Nord-Süd-Ressourcentransfer) als ein entscheidendes Hindernis einer Einigung ausgemacht worden. Auf der Ebene der klimapolitischen Interessen zeigten sich allerdings keine fundamentalen Restriktionen einer fortschrittlichen Klimaschutzpolitik. Solche Restriktionen müssen daher in anderen Bereichen gesucht und können auf der politisch-administrativen Ebene gefunden werden.
Die amerikanische Umweltaußenpolitik wird als Teil der allgemeinen Außenpolitik stark vom Präsidenten und seinen Beratern bestimmt
Die Hoffnung auf eine Änderung der amerikanischen Position bei den internationalen Klimaverhandlungen gründet sich in erster Linie auf die Erwartung eines verstärkten Druckes durch Kongreß und Öffentlichkeit im Wahljahr 1992. Im November werden der Präsident, das gesamte Repräsentantenhaus sowie ein Drittel des amerikanischen Senats neu gewählt. Insbesondere Politiker der Demokraten haben bereits angekündigt, den Druck auf Präsident Bush zu erhöhen und ihn an sein Wahlversprechen von 1988 zu erinnern
Als zweites inhaltliches Kernstück wird die Konvention voraussichtlich eine Verpflichtung der westlichen Industriestaaten enthalten, ihre energiebedingten CO 2-Emissionen bis zum Jahr 2000 auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren. Die informelle Selbstverpflichtung der OECD-Staaten mit Ausnahme der USA ist so stark, daß eine Rücknahme dieser Position nur schwer denkbar ist. Längerfristige Reduktionsziele werden dagegen kaum vereinbart werden. Wahrscheinlicher ist, daß einige Staaten eine völkerrechtlich nicht bindende Deklaration verabschieden, die eine derartige Selbstverpflichtung enthält.
Diese beiden Hauptpunkte der angestrebten Klimakonvention sind zugleich die Regelungen, durch die die Vereinbarung über das „Modell Ozon“ hinausgehen wird. Im übrigen wird sich die Weltklimakonvention jedoch am Wiener Übereinkommen orientieren, d. h. sie wird Regelungen zum Informationsaustausch sowie zu gemeinsamer Forschung und Beobachtung enthalten.
Das Übereinkommen wird schließlich durch die Institutionalisierung eines dynamischen Prozesses der Überprüfung und Neuverhandlung von Maßnahmen flexibilisiert werden. Zu diesem Zwecke werden eine regelmäßig tagende Konferenz der Vertragsparteien, ein Sekretariat sowie möglicherweise mehrere beratende Ausschüsse und ein häufiger zusammentretendes Exekutivkomitee eingerichtet werden. Dieses Komitee sowie die beratenden Ausschüsse würden dabei, wiederum im Vergleich zum Wiener Übereinkommen, eine Neuerung darstellen. Die Inkorporierung eines Versicherungsmechanismus, wie er von der AOSIS vorgeschlagen worden war, ist ebenfalls möglich, aber unsicher.
Mitentscheidend für die Effektivität des Übereinkommens wird der Kreis der beitretenden Staaten sein. Die Weltklimakonvention dürfte in der skizzierten Form für alle OECD-Staaten mit Ausnahme der USA ohne größere Schwierigkeiten annehmbar sein. Auch der Großteil der Entwicklungsländer einschließlich der AOSIS würde einer Vereinbarung zustimmen, die konkrete Verpflichtungen der Industriestaaten zu CO 2-Emissionslimitierungen und einen zusätzlichen Ressourcen-transfer umfaßt. Nicht in das Regime integriert sein werden dagegen voraussichtlich die arabischen OPEC-Staaten. Die Bereitschaft der mittel-und osteuropäischen Staaten, dem Übereinkommen beizutreten, dürfte von der Inkorporierung einer konkreten Regelung abhängen, die diesen Staaten Ausnahmerechte zubilligt und möglicherweise Hilfe für die Erfüllung eventueller Verpflichtungen bereitstellt.
Der eigentliche Unsicherheitsfaktor bei der Einschätzung des Verhaltens der zukünftigen Regime-mitglieder und nachfolgend der Effektivität der Regelungen ist das Verhalten der USA. Aufgrund ihres hohen Anteils an den weltweiten energiebedingten CO 2-Emissionen und ihrer weltwirtschaftlichen Stellung ist ihre Teilnahme von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Abkommens. Einiges spricht dafür, daß noch erhebliche Spielräume bestehen, um schließlich die Zustimmung der US-Administration zu erreichen. Neben den genannten innenpolitischen Einflußfaktoren auf die amerikanische Umweltaußenpolitik besteht dabei auch die Möglichkeit einer Verstärkung des internationalen Drucks, insbesondere durch die EG.
VI. Schluß
Wenn die Zustimmung der USA zur angestrebten Weltklimakonvention erreicht werden kann, könnten zum Kreis der Unterzeichnerstaaten alle OECD-Staaten, ein Großteil der Entwicklungsländer sowie möglicherweise Osteuropa und Teile der ehemaligen UdSSR gehören. Auch in diesem relativen Erfolgsfall wären die damit vereinbarten Maßnahmen zum Schutz des Klimas unzureichend. Aufgrund der zunehmenden CO 2-Freisetzung in den Entwicklungsländern würden die globalen Emissionen weiter steigen -wenn auch verlangsamt. Gemessen an den für eine Stabilisierung der atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen notwendigen Emissionsreduzierungen ist die Stabilisierung der energiebedingten CO 2-Emissionen aus den westlichen Industriestaaten allenfalls ein erster Schritt. Sie stellt nicht mehr als eine Verringerung der Zunahme des Risikos eines globalen Klimawandels dar.
Da für Kohlendioxid eine Emissionsreduzierung um über 60 Prozent erforderlich ist, sind die vereinbarten Maßnahmen also bezüglich des Teilproblems CO 2 nicht problemadäquat. Diese Feststellung trifft aber erst recht zu bei Einbeziehung aller Treibhausgase. Da die energiebedingten CO 2-Emissionen nur etwa zwei Fünftel des Problems Treibhauseffekt ausmachen, trifft das in der Klimakonvention vorgesehene umweltpolitische Handeln nur eine Minderheit der Faktoren, die die anthropogene Erwärmung der Atmosphäre verursachen. Die Bedeutung dieser Aussage kann an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Würden die OECD-Staaten ihre energiebedingten CO 2-Emissionenauf der Stelle um 20 Prozent senken, so würde dies nur einer Verringerung der weltweiten Treibhausgasemissionen um drei bis vier Prozent entsprechen
Da das sich abzeichnende Klimaübereinkommen somit von den ökologischen Notwendigkeiten her zu kritisieren ist, rückt die Frage in den Mittelpunkt des Interesses, inwieweit es gelingt, durch die Verabschiedung der Konvention einen dynamischen Prozeß der Weiterentwicklung des damit errichteten Klimaschutzregimes einzuleiten. Insbesondere durch die Inkorporierung und Institutionalisierung flexibler Mechanismen zur Entscheidungsfindung, die noch über die bisheriger Umweltregime hinausgehen, ist die Möglichkeit einer dynamischen Anpassung des Regimes an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und sich entwickelnde Kapazitäten zur Problembewältigung gegeben. Der so in die Wege geleitete Prozeß bietet die Chance einer fortschreitenden Verschärfung der Regelungen und einer Ausweitung der durch das Regime geregelten Bereiche, ohne jedoch gleichzeitig eine Entwicklung hin zu einer adäquaten Problembearbeitung zu garantieren.