Die europäische wirtschaftliche Integration durch die Herstellung eines größeren, nach einheitlichen Rahmenbedingungen organisierten Binnenmarktes wird nicht ohne Folgen für das Verhältnis der politischen Entscheidungsebenen (EG, Bund, Länder) bleiben. Das Paradoxon ist offensichtlich: Die Nationalstaaten, die kontinentale Integrationsprozesse anstoßen, um ihre eigenen ökonomischen Entwicklungschancen zu verbessern müssen Kompetenzen an supranationale Organisationen abgeben und verlieren dadurch tendenziell an direkten Zugriffsmöglichkeiten auf die Steuerungshebel der Wirtschaftsentwicklung in den durch sie repräsentierten Territorien Dennoch beharren nationale Regierungen weiterhin gegenüber ihren Wählern (bzw. diese vermuten eine solche Kompetenz in den nationalen Hauptstädten) auf einer wirtschaftlichen Gesamtverantwortung. Ernstgemeinte wirtschaftliche Integration versperrt aber den Weg zurück zu kruden Interventionsinstrumenten wie Protektionismus und Importkontrollen. Selbst die übliche Subventionspraxis muß sich nun auf ihre wettbewerbsverzerrenden Effekte hin von europäischen Instanzen durchleuchten lassen, und die nationale Geldpolitik wird früher oder später in die Kompetenz eines europäischen Zentralbanksystems übergehen.
Was wird unter diesen Umständen nun aus dem Dreiklang EG-Bund-Länder in Fragen der Ökonomie? Welche politische Interventionsebene soll und kann die entscheidende politische Verantwortung für gestaltende Eingriffe in die Wirtschaftsentwicklung tragen? Wie entstehen demokratische Transparenz und Mitentscheidungsmöglichkeiten der betroffenen Regionen? Solche Fragen sind -wie gezeigt werden soll -keineswegs nur abstrakt-theoretischer Natur. Die Bundesländer haben bereits begonnen, sie pragmatisch zu beantworten, und Entscheidungen getroffen, die weitreichende strategische Implikationen haben könnten.
Dennoch bleibt die heutige Ausgangslage verworren und verwirrend: Einerseits überlagert das unerwartet eingetretene gesamtdeutsche wirtschaftliche Integrationsproblem (zumindest zweitweise) das europäische. Die neue Rolle, die der Bund als direkt und indirekt verantwortlicher Mitgestalter des Aufbaus der Wettbewerbsordnung in Ostdeutschland spielt, geht weit über das hinaus, was bisher im Bund-Länder-Verhältnis üblich war. Die Gründe hierfür liegen zwar auf der Hand; das Problem besteht aber in der Effizienzverbesserung dieser Interventionen, die 1991 auch die OECD anmahnte Nur so läßt sich der zeitliche Rahmen für die Rückführung der Bundeshilfen auf das im EG-Rahmen konsensuell gefundene Maß der Hilfe für benachteiligte Regionen abstecken.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die EG nicht bereit ist, auf Dauer Ostdeutschland einen wirtschaftspolitischen Ausnahmestatus zu gewähren. Andererseits muß sich aber auch eine nach selbstdefinierten Kriterien gestaltete Länder-politik in Wirtschaftsfragen im europäischen Kontext rechtfertigen. Die doppelte Schwierigkeit einer solchen Rechtfertigung besteht einerseits in einer überzeugenden operationalen Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips und andererseits in der politischen Unterfütterung von Wirtschaftsstrategien durch gesamteuropäische regionale Zusammenarbeit -obwohl doch der Föderalismus in der Gemeinschaft noch eher die Ausnahme ist und das Konzept eines Europa der Regionen noch weit davon entfernt zu sein scheint, für politische Strategien handlungsanleitend zu wirken
I. Tendenzen der Mehrebenenpolitik
Die bisherige Gewichtsbalance zwischen EG, Bund und Ländern in der Wirtschaftspolitik ist in Bewegung geraten. Die aktivste Rolle spielt dabei die EG, wie sich in der Regional-und Strukturpolitik, der Technologiepolitik und der Mittelstandspolitik zeigen läßt. Am eingriffsintensivsten ist dabei die Regional-und Strukturpolitik, gefolgt mit großem Abstand von der Technologie-und schließlich der Mittelstandspolitik. Der Bund gibt (sieht man einmal vom ostdeutschen Sonderfall ab) in erster Linie Kompetenzen ab; die Länder reagieren einerseits auf die Machterosion des Bundes -also auf den Bedeutungsverlust des „nationalen Interesses“ -und andererseits auf die für den Binnenmarkt antizipierte neue Wettbewerbsordnung. Es zeichnet sich im Schichtungsaufbau EG-Bund-Länder ein „Sandwich-Modell“ ab:
mit der aus der Sicht der Wirtschaftspolitik abnehmenden Bedeutung der „Mittelkategorie“ Bund und den „starken Seiten“ EG und Land.
Soll der deutsche Föderalismus insgesamt nicht Schaden leiden, so muß es auch den ostdeutschen Ländern auf längere Frist gelingen, sich ihrer wirtschaftlichen Eigeninteressen zu vergewissern und diese gegenüber den anderen Ebenen zu behaupten 1. Die neue regionalpolitische Rolle der EG Betrachtet man die einzelnen Stufen der Herausbildung und Weiterentwicklung der europäischen Regionalpolitik so wird als „roter Faden“ ein (gewollter und oft auch kritisch eingeforderter Machtzuwachs der supranationalen europäischen Ebene deutlich Der Bogen spannt sich von dem fünfprozentigen, nicht nach Mitgliedsländern quotierten Anteil der EFRE (Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung) -Mittel, den sich die Kommission nach 1979 vorbehielt, um z. B. einen eigenständigen Beitrag zur Unterstützung des Strukturwandels in monostrukturierten Industriegebieten zu leisten, über die EFRE-Reform von 1984, die die quotenfreie Abteilung durch Gemeinschaftsprogramme ersetzte, bis hin zur am 1. Januar 1989 eingetretenen Reform der Struktur-fonds In diesem Prozeß wuchs die EG aus der Rolle des bloßen Mitfinanzierers nationaler Programme heraus und entwickelte eine eigene regionalpolitische Steuerungskompetenz auf Kosten der Nationalstaaten, aber auch der Bundesländer
Der Kommission steht durch die Artikel 92-94 EWG-Vertrag ein weiteres, die nationale Eigenständigkeit begrenzendes Interventionsinstrument zur Verfügung, nämlich die Beihilfenkontrolle -ein Instrument, von dem die Kommission beispielsweise im Falle der Genehmigung der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) bereits regen Gebrauch macht. Aus EG-Sicht ist die deutsche Regionalpolitik zu intensiv und zu umfassend und -was die Schadensbegrenzung der deutschen Teilung betrifft (Zonenrandförderung, Berlinförderung) -mittlerweile obsolet. Aus EG-kritischer Sicht hingegen wird die gewünschte Orientierung von Eingriffen vornehmlich an ökonomischen Kriterien (wie volkswirtschaftliche Eckdaten, die an EG-Durchschnittswerten gemessen werden) einem raumbezogeneren Entwicklungsmodell nur ungenügend gerecht Ebensowenig leuchtet aus dieser Sicht ein, weshalb die Feststellung mangelnder Förderungswürdigkeit im EG-Rahmen von der EG mit dem Diktat des Verbots nationaler Ausgleichsbemühungen gekoppelt wird „Die Beihilfenkontrolle der EG“, so der frühere nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen, „wirkt sich ... mehr und mehr als Hemmschuh für die Regionalförderung aus. Sie darf nicht dazu führen, daß eine eigene Struktur-politik der Mitgliedstaaten unmöglich gemacht wird.“
Durch die Kombination von EG-Initiativen zur regionalen Ressourcensteuerung und der EG-Kontrolle autonomer nationaler bzw. regionaler Prioritätensetzungen in der Regionalpolitik sehen Kritiker Bund und Länder einem „Zangengriff“ ausgeliefert, der die Weichen für einen nicht ausreichend responsiven und demokratisch rückgekoppelten EG-Zentralismus stellt -und möglicherweise mit den föderalen Verfassungsgarantien kollidiert
Für die Bundesländer bedeutet der bisher erzielte Einflußgewinn der EG-Kommission dreierlei: Zum einen hat sich die Ebene der Beurteilung regionaler Förderungswürdigkeit mit der Reform der Strukturfonds 1988 endgültig auf die europäische Ebene verschoben. Gemessen am EG-Durchschnitt hat keines der alten Bundesländer nunmehr noch Anspruch auf Mittel zur Entwicklung seines Potentials. Beim Ziel 1 („Förderung der Regionen mit Entwicklungsrückstand“), für das 80 Prozent der Mittel der Strukturfonds veranschlagt werden, ging die Bundesrepublik zunächst leer aus. Zum zweiten bekommen auch die Länder die EG-Kontrolle bei ihrer eigenen Regionalpolitik zu spüren. Die dritte Feststellung ist eine strategische: Da die Länder an autonomen Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Regionalentwicklung festhalten möchten und der Bund als Garant solcher Möglichkeiten ausfällt, müssen sie selbst nach Substituten für Regionalpolitik suchen, die entweder de jure oder de facto außerhalb der EG-Kontrollmöglichkeiten liegen.
2. Die neue EG-Technologiepolitik
Aus der Bundesländer-Perspektive interessieren an der EG-Technologiepolitik weniger die Details der Förderung von Spitzentechnologie im Rahmen der durch eine Ratsentscheidung von 1985 entstandenen europäischen Technologiegemeinschaft, die mit der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte Bestandteil des EWG-Vertrages (Art. 130) wurde. Entscheidender für sie sind die konzeptionellen Schwächen der Technologiepolitik, wenn sich mit dieser die Absicht verbindet, regionale Ungleichgewichte technologischer Entwicklung zu vermeiden oder einzudämmen, also die Kohäsion der Gemeinschaft zu stärken Die bisherige Bilanz der europäischen Forschungs-und Technologiepolitik ergibt, daß diese in erster Linie die bereits privilegierten Kern-regionen Europas bevorzugt und damit das bestehende Technologiegefälle verstärkt. Dies ist keineswegs Ziel der Politik.
Eine beachtliche Zahl von spezifischen Förderprogrammen wie BRITE (Weiterentwicklung industrieller Technologien), ESPRIT (Ausbau der Informationstechnologien), VALOREN (Verbesserung der Energieversorgung in Entwicklungsgebieten) oder STAR (Telekommunikationsentwicklung in benachteiligten Gebieten) beteiligen an den Forschungsvorhaben -aber deshalb nicht notwendigerweise an der Mehrzahl der Forschungsmittel -viele lokal bzw. regional verwurzelte kleine und mittlere Unternehmen. Trotzdem genügt aber weder der Mitteleinsatz noch der Entwicklungsgrad der so breiter gestreuten technologischen Potentiale, um die Benachteiligung bestimmter Bundesländer als indirektes Resultat der EG-Technologiepolitik auszuschließen. Bisher hat noch niemand die einzelnen Programme auf solche nichtintendierten Konsequenzen der Spitzentechnologieförderung im europäischen Rahmen durchforstet. Die Bundesländer haben Restriktionen für ihre Handlungsmöglichkeiten vor allem dort attakkiert, wo diese ihre ureigenen Kompetenzen betrafen, wie etwa im Falle der Übernahme von Zuständigkeiten durch die EG im Bereich der Bildung und Ausbildung unter dem Deckmantel der Technologieförderung 3. Die neue EG-Mittelstandspolitik Die EG-Mittelstandspolitik steckt erst in ihren Anfängen und ist schon deshalb bisher weniger zu einem Korsett für Länderentscheidungen geworden als die Regional-und, in abgeschwächter Form, die Technologiepolitik. Auch für die Zukunft scheint der autonome Handlungsspielraum der Länder durch die EG-Mittelstandspolitik weniger gefährdet. Obwohl sie sich im EG-Entscheidungsprozeß auf höchster Ebene etablieren konnte, bieten die auf Überzeugungsarbeit und den Abbau von Wettbewerbsnachteilen zielenden Instrumente der EG-Mittelstandspolitik die Gewähr dafür, daß aus der organisatorischen Zentralisierung von Kompetenzen im EG-Bereich keine zentrale Vorgabepolitik erwächst.
Erst im Oktober 1986 hat der Rat einstimmig eine Entschließung für ein Aktionsprogramm für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) verabschiedet. Stärker institutionalisiert wurde die EG-KMU-Politik durch die Integration der ad hoc gegründeten Task. Force KMU in die bestehenden EG-Strukturen. Gemeinsam mit den Aufgabengebieten Handel, Tourismus und Selbstverwaltungswirtschaft bildet sie seit dem 1. Januar 1989 die neue Generaldirektion XXIII. Das EG-Aktionsprogramm verfolgt vor allem zwei Ziele: die Schaffung günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für KMUs in der Gemeinschaft sowie die Bereitstellung von Dienstleistungen für die Gründung und Entwicklung von KMUs im Hinblick auf die Binnenmarktintegration. Zu letzteren zählen vor allem: a) das Euro-Info-Centre-Projekt, das durch ca. 200 EG-Beratungsstellen (wovon sich in der alten Bundesrepublik etwa 20, in den neuen Ländern 8-10 befinden sollen) umgesetzt wird. In der Bundesrepublik wurde dieses Netz auf den gewachsenen Strukturen der Industrie-und Handelskammern, der Handwerkskammern, länderspezifischer Einrichtungen und verbändeorientierter Institutionen aufgebaut; b) das bereits 1973 eingerichtete Büro für Unternehmenskooperation (BUK), das die Aufgabe hat, Partner für grenzüberschreitende Zusammenarbeit zusammenzuführen. Die Arbeit des BUK stützt sich auf die Computer-Kapazitäten des seit Mitte 1988 arbeitenden Business Corporation (BC) Network. 1989 waren an dieses in der Bundesrepublik 45 Wirtschaftsorganisationen, Unternehmensberater und andere Beratungsorganisationen angeschlossen.
Die Stärkung der EG-Ebene in der Mehrebenenpolitik drängt den Bundesländern die Frage nach ihrem eigenen Handlungsspielraum auf. Auf der Länderebene findet sich die industriepolitische Steuerung mehrfach eingebunden: Einerseits vertikal in die Verflechtungsstrukturen, die sich aus Initiativen auf der Ebene der EG und des Bundes ergeben; andererseits aber auch in mehrfacher Weise horizontal durch die Bedingungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs zwischen den Ländern. Diese konkurrieren um die inhaltlich miteinander verwobenen Zugänge zu Finanzmitteln (bis hin zur eigenständigen Mobilisierung finanzieller Ressourcen via Risikokapitalfonds), zu Industrieansiedlungen sowie zu Außenmärkten mit Hilfe von Ansätzen einer eigenständigen Außenwirtschaftspolitik und streiten um die industriepolitisch schlagkräftigsten Konzepte Gemeinsamkeiten der Länder sind deshalb allenfalls im Hinblick auf die Rahmenbedingungen der Industriepolitik zu erwarten (z. B. Subventionskodex), nicht aber in bezug auf die Formulierung von detaillierteren Binnenmarktstrategien, die ja auch den unterschiedlichen regionalen Ausgangslagen gerecht werden müssen.
II. Industriepolitische Strategien der Bundesländer
Drei Länder haben in den industriepolitischen Debatten der achtziger Jahre eine gewisse Sonder-rolle gespielt: Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Berlins Außenseiterposition wurde durch seine umfassende Abhängigkeit von den Berlinförderungsmaßnahmen des Bundes determiniert; Baden-Württemberg wurde als „HighTech-Musterländle“ zum Prototyp „merkantilistischer“ bzw. staatsgeleiteter Modernisierung im Zeichen des „Späth-Kapitalismus“ hochstilisiert
Diesem Politikmodus wurde modellhaft der nordrhein-westfälische Neokorporatismus gegenüber-gestellt, der sich in seinen Modernisierungsbestrebungen in zweierlei Hinsicht entscheidend von der Politik Baden-Württembergs abhebt: Erstens werden in Nordrhein-Westfalen die Gewerkschaften in die Formulierung und Implementierung der Industriepolitik des Landes einbezogen und zweitens gibt es deutliche Bemühungen um eine reflektierte Haltung zur Technologieförderung (Stichwort: Sozialverträglichkeit), die auch zur Einbeziehung eines breiteren wissenschaftlichen Spektrums in die Modernisierungsdebatte (unter Einschluß der Sozialwissenschaften) führte.
Die unterschiedliche Qualität ihres industriepolitischen Ansatzes wurde von der nordrhein-westfälischen Landesregierung ausdrücklich betont: „In der Forschungs-und Technologiepolitik glauben die konservativ-liberale Bundesregierung und z. B. die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, allein mit großzügiger Finanzausstattung der Hochtechnologie-Unternehmen und der mit ihnen verbundenen Forschungseinrichtungen ökonomische und soziale Wohlfahrt bewirken zu können ... Diese , Technologiepolitik des großen Geldes läßt ... die sozialen Veränderungen außer acht, die mit technischen Neuerungen einhergehen.“
Problematisch blieb aber die in der nordrhein-westfälischen Praxis fehlende Verbindung der Technologiefolgenabschätzung mit dem Entscheidungsbedarf über Investitionen und Innovationen in der Industrie. Dies wurde auch bei der Evaluation des Zukunftstechnologieprogramms des Landes kritisch angemerkt
Die Bildung von Modellen und Gegenmodellen in der Länderindustriepolitik mag aus heuristischen Gründen hilfreich sein, man sollte sich aber immer der tatsächlich begrenzten Handlungsspielräume der Länder bewußt sein wie auch der Tatsache, daß der erwähnte Konkurrenzdruck zwischen den Ländern auch zu einem Anpassungsdruck in Richtung auf das „erfolgreichste“ Modell führt. Für alle Bundesländer -wie ja auch im internationalen „strukturpolitischen Wettlauf“ (Junne) für die souveränen Staaten -geht es um den Zugang zu den gleichen, als „fortschrittlich“ angesehenen Technologien; das Einsetzen neuer Förderinstrumente in einem Bundesland -wie der Technologieparks -zieht unweigerlich Versuche mit dem gleichen Instrument in anderen Bundesländern nach sich.
Josef Schmid hat zum Beispiel den Prozeß der Diffusion von Technologiezentren in CDU-regierten Ländern untersucht und kommt zu dem Schluß: „Damit ist in einem Ausschnitt der Industriepolitik durch Nachahmung bzw. Policy-Diffusion eine Homogenisierung erreicht worden, ohne auf zentrale Koordination zurückzugreifen. Dies gilt sowohl für alle Bundesländer wie auch für die Teilgruppe der unionsregierten Länder. Die theoretische Pointe solcher Diffusionsphänomene liegt nun darin, daß die Einführung von Technologie-zentren dabei weniger auf sozioökonomischen Strukturen oder parteipolitischen Mehrheitsverhältnissen basiert, sondern vor allem auf schlichter Nachahmung.“
Auch im Hinblick auf die angesprochene und manchen liebgewordene Frontstellung Baden-Württemberg versus Nordrhein-Westfalen auf dem Felde der Technologiefolgenabschätzung verschwimmen heute -wie zur Bestätigung der Diffusionsthese -die Konturen. In seinem Mittelstandsbericht von 1990 stellt das baden-württembergische Wirtschaftsministerium ganz im Sinne NRWs fest: „Mehr und mehr verlangt die Beurteilung der Wirkungen moderner Technik eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Hierfür wird in Baden-Württemberg schrittweise eine , Akademie für Technikfolgenabschätzung aufgebaut; ferner sind Modell-vorhaben in Arbeit, die sich mit diesem wichtigen Aspekt beschäftigen.“
Entscheidender für tatsächlich beobachtbare Unterschiede in der Industriepolitik der Bundesländer ist in der Regel der je nach Bundesland unterschiedliche Grad der Intensität einer staatlichen Maßnahme als deren jeweils unterschiedliche Qualität, was Länderspezifika nicht ausschließt, aber relativiert. Verstärkt hat sich sicherlich die Tendenz, Industriepolitik zu dezentralisieren und Steuerungsfunktionen auf „parastaatliche“ Organisationen, wie die baden-württembergische Steinbeis-Stiftung, zu übertragen. Die linke Kritik sieht überall den gleichen „Technokorporatismus" am Werk, und die Ordoliberalen halten die Interventionsbereitschaft von Landesministerien mit dem Ziel der Beeinflussung des Wandels der Wirtschaftsstruktur auf der Länderebene für nicht weniger verfehlt als auf der Bundes-oder EG-Ebene.
Differenziertere steuerungstheoretische Überlegungen können der Funktionalisierung selbständiger öffentlicher oder privater Organisationen (Universitäten, Forschungsinstitute, Kommunen, Verbände) im Sinne der industriepolitischen Regionalisierung durchaus positive Aspekte abgewinnen Solche Institutionen verfügen „über eine bessere Informations-und Wissensbasis“ und können „in einen Kooperationsverbund mit der staatlichen Verwaltung“ eingebunden werden Hervorgehoben wird auch das mit der Dezentralisierung . wachsende Gewicht „weicher“ Innovationsinstru-
mente wie Information und Kooperation.
In der Forschungs-und Entwicklungsförderung der Wirtschaft spielten die Länder bis Mitte der siebziger Jahre kaum eine Rolle. Dies hat sich seither deutlich verändert. Dennoch hat sich eine gewisse Arbeitsteilung in der mit dem Bund durch regelmäßige Sitzungen des Bund-Länder-Ausschusses „Forschung und Technologie“ koordinierten Zusammenarbeit ergeben: „Die Länder konzentrieren sich dabei auf marktnahe Innovationsförderung, Förderung der anwendungsorientierten Forschung, Ausbau der Technologie-und Innovationsberatung, Förderung von technologieorientierten Unternehmensgründungen und Technologieparks sowie spezielle Finanzierungshilfen. Die Länderhilfen werden also teilweise ergänzend zu Bundeshilfen mit ähnlicher Zielsetzung eingesetzt.
Auch führen die Länder ausgelaufene Bundesprogramme mit eigenen Mitteln und angepaßt an die landesspezifischen Bedürfnisse fort. Zum überwiegenden Teil werden aber die Länderhilfen bewußt zur Auffüllung von Förderlücken im Innovationsprozeß eingesetzt.“ Dies ist aber immer noch nicht die klare Kompetenzabgrenzung, die die Länder bereits 1981 mit ihrer Forderung nach alleiniger Zuständigkeit für die technologieorientierte Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen anstrebten
Die Technologieförderung der Länder wurde seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre politisch festgeschrieben -durch Gesamtprogramme in Baden-Württemberg (1976), Nordrhein-Westfalen (1978), Hamburg (1978), Saarland (1979), Bayern (1980), Berlin (1982), Schleswig-Holstein (1983), Bremen (1984), Rheinland-Pfalz (1984);
-durch Einzelmaßnahmen: Rheinland-Pfalz (1976), Saarland (1977), Bayern (1978), Berlin (1980), Schleswig-Holstein (1981);
-im Rahmen anderer Fördermaßnahmen wie Mittelstandsprogramme (Baden-Württemberg, Bayern, Saarland) oder der Regionalförderung (Bayern).
Durch das 1982 eingestellte Erstinnovationsprogramm des Bundes wurde auch eine entsprechende Finanzierungsbereitschaft der Länder zunächst subsidiär zu den Leistungen des Bundes und dann diese ersetzend angeregt. Vorreiter der entsprechenden Länderprogramme war Baden-Württemberg (1977), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (1978), Hamburg (1979), dem Saarland (1979), Bayern (1980), Niedersachsen (1980) und Berlin (1980). Schleswig-Holstein nahm 1981 die Förderung von Innovationen auf, Bremen 1982 und Rheinland-Pfalz 1984. Bayern und Baden-Württemberg förderten über die Innovationsphase hinaus, um die Phase anwendungsreifer Prototypen zu erreichen; Nordrhein-Westfalen und Berlin leisteten sogar Hilfestellung bis zur Markterschließung.
Wie Bonkowski/Legler gezeigt haben, war die Ausgangssituation der Bundesländer Anfang der achtziger Jahre deutlich unterschiedlich. Selbst bei Berücksichtigung wirtschaftsstruktureller Differenzen wies der Norden Deutschlands -gemessen am Einsatz von Personal für Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft -einen deutlichen Rückstand gegenüber dem Süden auf: „Die insgesamt FuE-intensiven Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg sind -über die Sektoren betrachtet -tendenziell auf breiter Front gesuchte FuE-Standorte. Die insgesamt wenig forschungsin-tensiv produzierenden Bundesländer Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland weisen dagegen eine viel größere Streuung der relativen FuE-Personalintensitäten auf.“
Als wichtigste Träger von Forschung und Entwicklung erwiesen sich 1985 im Reigen der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. Einen beachtlichen Mittelplatz nehmen Niedersachsen, Berlin und Hessen ein, während die anderen Bundesländer weiterhin ein deutlich defizitäres Forschungsprofil aufweisen, auch wenn man die Unterschiede in der Größe und der Bevölkerungszahl der einzelnen Länder berücksichtigt. Sie präferierten weiterhin „defensive Strategien“ des Schritthaltens mit der nationalen Entwicklung bzw.des nationalen Ausgleichs. Weit über die Hälfte der FuE-Ausgaben der Länder entfallen auf den Hochschulbereich (1985: 71 Prozent). In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre hat aber die Finanzierung von Forschung und Entwicklung außerhalb der Hochschulen deutlich an Gewicht gewonnen
Auffallend ist die unterschiedliche Haltung der Länder zur Rahmenkompetenz des Bundes. Während Bayern und Baden-Württemberg sich besonders darum bemühen, politische Initiative für sich zu gewinnen, gehen die übrigen Bundesländer davon aus, daß sie ihre Forschungs-und Technologiepolitik in finanzieller Abhängigkeit von und inhaltlicher Abstimmung mit dem Bund formulieren sollten
Ganz im Gegensatz zu den Gestaltungsspielräumen der Länder in der Forschungs-und Technologiepolitik sind den Ländern auch im nationalen Rahmen in ihrer Regionalpolitik von den Festlegungen der Bund-Länder Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ enge Grenzen gesetzt. Für die in die alleinige Verantwortung der Länder fallenden Landesfördergebiete gilt der Grundsatz, daß diese die Ziele der Gemeinschaftsaufgabe nicht durchkreuzen dürfen. Hilfsmaßstab ist hier häufig, daß die Förderintensität in den Landesfördergebieten deutlich unter derjenigen in den Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe liegt. Damit ist aber das Problem nicht eindeutig gelöst, wie empirische Untersuchungen gezeigt haben. Z. B. stellten Scharpf u. a. fest, daß die bayerische Regionalförderung in ihrem Untersuchungszeitraum durchaus die Möglichkeit besaß, „Förderungsziele und Konzeptionen der Gemeinschaftsaufgabe zu konterkarieren und im eigenen Land die Konzeptionen des Landes durchzusetzen“. Bohret u. a. bestätigen dies für Hessen und Baden-Württemberg. Die Einebnung des Fördergefälles, nicht zuletzt durch die Berücksichtigung strukturpolitischer Kriterien bei der Definition von Fördergebieten, ist zum generellen Problem der Regionalpolitik geworden'.
In der Mittelstandspolitik ist die Bestandspflege angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit von Neuansiedlungen heute das beherrschende Thema des Länderwettbewerbs. Damit rücken die Gemeinden und wiederentdeckte oder neukonstruierte Regionen als Akteure in den Vordergrund. Einige Länder -wie das Saarland, Hessen, Bayern, Berlin und Baden-Württemberg -versuchen, durch Bereitstellung von Risikokapital oder durch Kapitalbeteiligungen den häufig beklagten Finanzierungsengpaß zu beseitigen und Unternehmens-gründungen im Bereich der KMUs zu fördern. Spezielle Mittelstandsförderungsgesetze sollen dazu dienen, wirtschaftsstrukturelle Optimierungsprozesse in Gang zu halten. Die regionale Dimension von Mittelstandspolitik macht diese zum Teil auch im Verein mit der regionalen Technologiepolitik zur effektiven Ersatz-Regionalpolitik, die aber (noch) nicht den von der EG und vom Bund ausgehenden gestalterischen Restriktionen unterliegt.
III. Die Regionalisierung der Industriepolitik zur Erweiterung des Handlungsspielraums der Bundesländer
Wollen die Bundesländer sich aus der Situation befreien, in ihrer Wirtschaftspolitik auf Entwicklungen reagieren zu müssen, die den Restriktionen der Mehrebenenpolitik unterliegen, so genügt es auf Dauer nicht, das bisher erreichte Maß an Handlungsfreiheit (vor allem in der Mittelstandsund der eigenverantworteten Technologiepolitik) zu verteidigen. Der Binnenmarkt ab 1993 bietet mit seiner gesamteuropäischen Wirtschaftsverfas-sung die einmalige Chance, auf die Absatzmöglichkeiten in diesem Markt zugeschnittene Regionen (auch grenzüberschreitende) auf Länderebene zu installieren, die ihre Wachstumsdynamik nicht länger EG-oder nationalstaatlichen Initiativen verdanken. Voraussetzung hierfür ist die Wiederentdeckung der Region als ein gesellschaftlich aufeinander bezogenes Subsystem, ja als Pfeiler der modernen Wirtschaftsentwicklung. Regionalisierung bedeutet „keine einfache Rückverlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten in die Region, sondern sie ist als Basis für eine neue Form der wirtschaftlichen Vernetzung anzusehen. Diese Vernetzung ist in ihrer Struktur von spezifischen regionalen Bedingungen abhängig, die nicht mehr durch den zentral planenden und regulierenden Staat, sondern nur noch im Rahmen offener Prozesse durch Selbstorganisation herzustellen sind.“
Regionale Grenzen werden dabei nicht länger nur durch historische und/oder kulturelle Loyalitäten abgesteckt, sondern auch durch funktionales Aufeinanderbezogensein. Regionale Solidarität ist so nicht zuletzt ökonomisch begründet. Wenn es ihr aber gelingt, über pragmatisches Kosten-Nutzen-Denken hinaus zu einem „sozialen Konstrukt“ (Sabel) zu werden, kann sie es bewerkstelligen, zusätzliche Ressourcen zu mobilisieren, die weiterreichende regionale Konsensbildungsprozesse erst ermöglichen oder fördern. Aus der Kraft der Konsensbildung, dem Aufbau von günstigen Motivations-und Bewußtseinsstrukturen bei den beteiligten Akteuren, erwächst die Chance zur umfassenden Mobilisierung auch außerhalb der Wirksamkeit der üblichen, soziale Minimalanforderungen stellenden Steuermedien Geld und Recht.
Die Erfolgschancen einer solcherart regional orientierten Politik sind im Unterschied zur traditionellen „Regionalpolitik“ nicht mehr primär von der Richtung oder Intensität zentralstaatlicher Eingriffe abhängig, sondern von der „Fähigkeit der regionalen Strukturen, Neues in Form von Produkten und Produktionsprozessen in einem flexiblen Anpassungsprozeß möglich zu machen“ Vernetzung bedeutet aber auch auf der wirtschaftlichen Mikroebene „aktive Implementation“, also die beratende Begleitung von in den Innovationsprozeß eingetretenen Unternehmen, „um sicherzustellen, daß für das beratene Unternehmen aus der Vielzahl der vorhandenen staatlichen und privaten Beratungs-und Entwicklungsdienstleistungen ein problemangepaßtes Bündel von Hilfsmaßnahmen bereitgestellt wird“
Die Forderung nach einer Regionalisierung politischer und wirtschaftlicher Entscheidungsstrukturen und -prozesse speist sich aus industriepolitischer Perspektive aus mehreren Quellen: a) aus der gewachsenen Wertschätzungfür die Rolle der kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) als Entwicklungspromotoren Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, daß eine effektive Förderung der KMUs immer kleinräumig organisiert war. Eine am Wissenschaftszentrum Berlin entstandene Studie zu den institutionellen Voraussetzungen differenzierter Qualitätsproduktion in Baden-Württemberg kommt zu dem Schluß, daß entscheidend für die Durchsetzung einer kleinbetrieblich-mittelständischen Industrie-struktur in diesem Bundesland war, „daß ein dezentrales, flächendeckendes Netz von Ansprechpartnem für Kleinbetriebe aufgebaut wurde, um die Zugangsbarrieren der Kleinunternehmen zu den staatlichen Hilfsangeboten möglichst klein zu halten... Das fehlende gewachsene Wissen der Verwaltung um die Bedürfnisse des Kleinbetriebs läßt sich anderswo, wie wir heute sehen, nicht durch Mittelstandsförderungsgesetze und noch weniger durch das sechzigste Technologie-und Gründerzentrum ersetzen, das dann oft wie die Kathedrale in der Wüste steht.“
Dieses Resümee deckt sich mit zahlreichen anderen Forschungsergebnissen. Die Stabilisierung der KMUs im Wettbewerb ist also nur durch lokal und regional verankerte Industriepolitik zu garantieren. Für eine solche fehlt der EG-Industriepolitik in ihrer bisherigen Form der erforderliche Netzwerkbezug. Die im Rahmen der Strukturfonds versuchte Integration von regionaler Förderung und industriepolitischen Effekten -neuerdings auch unterstützt durch Ratschläge regionaler und kommunaler Instanzen -genügt alleine nicht. Eine ausgewogenere Industriestruktur ist ohne eine Stärkung dezentraler Entscheidungsmechanismen nicht abzusichem, weder im Hinblick auf das Vermeiden regionaler Ungleichgewichte, noch im Hinblick auf die Überlebensfähigkeit autonomer Klein-und Mittelbetriebe; b) aus der zunehmenden Eigenständigkeit der regionalen Interessenvertretungen bis hin zu einer LänderaußenWirtschaftspolitik Europäische Einigung und die Stärkung der Selbständigkeit der Regionen werden dabei nicht als Gegensatz empfunden, sondern als „zwei Seiten einer Medaille“ (NRW-Ministerpräsident Rau). In dem im europäischen Rahmen verschärften Standortwettbewerb werden die Länder politisch in „Erfolgshaftung“ (Scharpf) genommen. Das bedeutet, daß von den politisch Verantwortlichen in den Ländern dem Wähler der Verweis auf die überragende Regelkompetenz Brüssels nicht als ausreichende Antwort auf wirtschaftliche Problemlagen präsentiert werden kann, wie ja auch heute schon das Verschieben von Verantwortlichkeit auf die Bundesebene (ganz abgesehen von der tatsächlichen Aufgabenverteilung) mißlingt. Die Länder sind gezwungen, offensiv zu agieren, um politisch möglichst viel für eigenständige Anstöße der Wirtschaftsförderung zu tun.
Die erfolgreichsten europäischen Industrieregionen definieren sich kleinräumig. Europas „vier Tiger“ (Baden-Württemberg, Rhone-Alpes, Katalonien und die Lombardei) -eine Namensgebung, die von den südostasiatischen Schwellenländern übernommen wurde; Baden-Württemberg hat die Formel von den Four Motors of Europe geprägt -haben eigene Initiativen in der Exportförderung entwickelt. Dazu gehörte auch die Beantragung von EG-Fördermitteln für eine direkte Kooperation der regionalen Unternehmen. Inzwischen richtet sich das weitergehende Bemühen auf regionale Kooperation, wobei Spezialvereinbarungen zur Zusammenarbeit auf den Gebieten High-Tech, Bildung und Kultur die Grundlage bilden. Ansätze zu einer eigenständigen Außenwirtschaftspolitik der Länder wurden allerdings aus bundespolitischer Sicht heftig kritisiert; c) aus den Defiziten bisheriger Regionalpolitik Ein Strang der Kritik an der Effizienz bisheriger Regionalpolitik -und hier trifft sich diese Diskussion mit den Überlegungen zur effektiveren Einbindung der KMUs -setzt auf deren „Regionalisierung“. Dies bedeutet auch die Dezentralisierung von Entscheidungen, z. B. durch die Übertragung von Mitteln auf „regionale Entwicklungsgesellschaften“, sowie eine bessere Finanzausstattung der regionalen Einheiten. Zum einen ist damit der Vorschlag verbunden, in die Förderung der Regionen regionale Interessenartikulation einzubeziehen, zum anderen auch der generelle Verzicht auf eine allzusehr normativ restringierte Vorgabe der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“.
Franke hat aus ökonomischer Sicht das Modell eines Systems konkurrierender Regionen in Europa entwickelt, deren Zusammenspiel auch die Effizienzmängel der bisherigen EG-Regionalpolitik überwinden würde: „Unter wettbewerbsähnlichen Bedingungen sind Regionen als konglomerate Nonprofit-Organisationen anzusehen, die mit Hilfe komplexer Leistungsbündel um mobile Produktionsfaktoren konkurrieren. Die Regionalisierung des betrachteten Gesamtraumes bleibt kleineren räumlichen Teileinheiten wie Städten und Gemeinden überlassen, die sich ihren Bedürfnissen und Besonderheiten entsprechend zu einem Verband zusammenschließen, dem sie die notwendigen regionalpolitischen Aufgaben-, Einnahmen-und Ausgabenkompetenzen übertragen. Diese Regionen gestalten die Lebensqualität ihres Standortes eigenständig und eigenverantwortlich.“
d) aus Regionalisierungsmodellen und -versuchen Die 1989 gestartete „Zukunftsinitiative NRW“ ist sicherlich gegenwärtig ein Paradebeispiel für einen solchen Regionalisierungsversuch Ihr zentraler Gedanke ist die Stärkung der endogenen Wachstumskräfte der einzelnen Regionen des Landes. Aus den Regionen selbst sollen die Anregungen für Projekte kommen, die dazu geeignet sind, die regionale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. In den Regionen erarbeitete Projekte werden auf „Regionalkonferenzen“ debattiert, wo durch konsensorientierte Mehrheitsbeschlüsse Prioritätenlisten entstehen, die der Landesregierung unterbreitet werden.
Für die Regionen hat diese Ausrichtung der Industriepolitik eine Reihe von Konsequenzen: Erfolgreich sind Regionen, die lernen, lokale korporatistische Strukturen aufzubauen. Die Regionalisierung der Wirtschaftspolitik erweitert ihre Dimensionen. „Weiche Standortfaktoren“ -wie das „Image“ einer Region, ihre Forschungs-und Entwicklungsinfrastruktur, die berufliche Qualifizierung vor Ort sowie die kommunikativen und kulturellen Netzwerke -können zu Hilfsgrößen im interregionalen Wettbewerb um den Erhalt, den Ausbau und in Ausnahmefällen auch um die Neuansiedlung von Industriebetrieben gemacht werden. Unter dem Stichwort „Dezentralisierung inhaltlicher Programmbestimmung bei zentralstaatlicher Koordination“ haben Heinze und Voelzkow versucht, die der „Zukunftsinitiative NRW“ zugrundeliegende Idee auf die EG-Ebene zu übertragen: „In diesem Modell erhält die EG ihre formalen Kompetenzen, vor allem aber die regionalpolitischen Finanzmittel. Sie enthält sich aber nach diesem regionalpolitischen Modell einer inhaltlichen Festlegung dessen, was konkret förderungswürdig sein soll. Statt dessen fordern die europäischen Institutionen die Akteure der regionalen Ebene auf, eine für ihre jeweilige Region angepaßte Entwicklungsstrategie zu entwickeln und die dafür erforderlichen Fördermittel zu beantragen. Bei der Vergabe der Fördermittel prämieren die zentralen Ebenen den regionalen Dialog und die konsentierten Entwicklungsstrategien dadurch, daß sie solche Anträge, welche eine möglichst breite Unterstützung durch möglichst viele regionale Akteure gefunden haben, bei der Bewilligung bevorzugt behandeln.“
Ansatzpunkte für grenzüberschreitende Regionalisierungen bieten die zahlreichen Bemühungen um grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit in Europa, die bereits rudimentär repräsentative Strukturen hervorgebracht haben, wie EUREGIO (eine Kommunalgemeinschaft im Raum Rhein, Ems, Ijssel) oder die ARGEALP, in der Bayern, die österreichischen Bundesländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg, der Schweizer Kanton Graubünden, die autonomen italienischen Regionen Bozen/Südtirol und Trient sowie die Region Lombardei zusammenarbeiten. Seit Januar 1991 bilden die Städte Saarbrücken und Metz einen „Eurodistrikt“. Der Generaldirektor der französischen Region Lothringen sieht in diesem Eurodistrikt, der auch eine politisch-administrative Struktur hat (gemeinsame Vollversammlung, ständiger Ausschuß), den Ansatzpunkt für eine „Provinz Europas“, die im Entstehen begriffen ist. Diese Region solle neben dem Bundesland Saarland und Lothringen auch das Bundesland Rheinland-Pfalz, Luxemburg sowie die belgische Provinz Luxemburg umfassen.
IV. Ausblick
Solche Regionalisierungsprozesse verlaufen durchaus nicht unilinear. Ein Grundproblem einer dem Binnenmarktdruck ökonomisch angepaßteren Regionalstrategie ist gerade die bestehende politisch-administrative Struktur. In dreifacher Hinsicht stellt diese eine effektive Regionalisierung der Industriepolitik in Frage: Erstens fehlen in wichtigen EG-Ländern wie Großbritannien und -trotz der Regionalreformen der achtziger Jahre -zum großen Teil auch noch in Frankreich Erfahrungen mit der Verbindung von politischer und regionaler (Teil-) Autonomie. Auch in den dezentralen Einheitsstaaten Italien und Spanien ringen die Regionen noch um eine Erweiterung ihrer Handlungsspielräume. Wie u. a. die Beschlüsse der Zweiten Europäischen Regionalkonferenz vom April 1990 belegten, scheint die Bekräftigung des Subsidiaritätsprinzips, bei Anerkennung nationaler Divergenzen, der gemeinsame Nenner zu sein, auf den sich die europäischen Regionen noch am ehesten verständigen können
Zweitens ist das Schicksal nationalstaatlicher Intervention nicht alleine aus einem Blickwinkel des ökonomischen oder politischen Funktionalismus zu beurteilen. Mögen bisher und im Zuge der Binnenmarktintegration in Zukunft de facto auch noch so viele Aufgaben aus dem staatlichen Zentrum abgewandert sein -das institutionelle Erhaltungsinteresse dieser Entscheidungsebene, gepaart mit einer ideologischen Überhöhung des Nationalstaats als alleinigem möglichen Ausdruck gesellschaftlichen Zusammenlebens, rechtfertigt, so scheint es, noch in naher und ferner Zukunft die Gängelung der Regionen.
Drittens -und mit größtem aktuellem Gewicht -ist auf die auch in Deutschland vorhandene Inkongruenz zwischen politisch-administrativen und Wirtschaftsregionen hinzuweisen. Vor allem auf der Ebene von Regierungspräsidien aber auch in einigen Bundesländern findet man Zustimmung für ein Konzept des Europa der (Wirtschafts-) Regionen. Dies bedeutet aber nicht, daß die politisch-administrativen Voraussetzungen für eine Regionalisierung der Industriepolitik bereits vorhanden wären. Voelzkow hat für Nordrhein-Westfalen im Detail nachgewiesen, daß heute weder die Kommunen noch die Mittelinstanzen -im speziellen Falle hier die Bezirksplanungsräte -in der Lage wären, die entsprechenden Willensbildungsprozesse und Verwaltungsleistungen zu organisieren.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, z. B. in Baden-Württemberg in Regionalausschüssen mit französischen und schweizerischen Regionen, wird aktiv gefördert. Die politischen Rahmenbedingungen werden allerdings durch die Bundesländer gestaltet, die erstens größer sind als die ökonomisch sinnvollerweise zu konstituierenden Wirtschaftsregionen, zweitens andere äußere Grenzlinien haben und drittens auf europäischer grenzüberschreitender Ebene bei der Koordination vieler Rahmenbedingungen auf den Bund angewiesen sind.
Ein weiteres, die gewünschte Regionalisierung in Frage stellendes Problem sind die Kriterien, die übergeordnete politisch-administrative Strukturen an Wirtschaftsregionen herantragen -bis hin zur Reduktion von Regionen zum bloßen Objekt zentralstaatlicher Politik, wobei die Gründe, die für solche Interventionen genannt werden, den Orientierungen der Bürger in den Regionen an den Bezugsgrößen ihrer unmittelbaren Lebenswelt zwangsläufig entgegengerichtet sind. Zu nennen sind hier alle wohlfahrtsstaatlich orientierten Politikstrategien, die sich mit dem -unter dem Vorzeichen der deutschen Einigung stärker denn je zuvor betonten -Grundsatz der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ verbinden.
Regionales ökonomisches Gefälle soll in dieser Logik, die nicht nur in europäischen Nationalstaaten in unterschiedlicher Intensität für sich Geltung beansprucht, sondern auch der EG-Regionalpolitik zugrunde liegt, entweder bezüglich produktiver Potentiale -oder, falls dies nicht gelingt, durch Redistribution und Kompensationszahlungen eingeebnet werden. Zentrale Koordination alleine ermögliche eine Regionalpolitik „aus einem Guß“, die die Abstimmungsprobleme einer Mehrebenenpolitik löse und den dysfunktionalen Subventionswettbewerb eindämme, aus dem ohnehin nur die reichsten Regionen als Sieger hervorgehen würden.
Für die deutschen Bundesländer sind solche Hinweise auf die heilende Kraft des Zentralismus sicherlich kein Trost und die Suche nach einer größeren Nähe zu zentralen Vorgaben eher der Weg in die Selbstaufgabe. Leitlinie ihrer Politik kann nur das auch von der EG immer stärker beachtete Subsidiaritätsprinzip sein. Das bedeutet aber auch, daß der nationalstaatliche Zentralismus nicht durch einen Länderzentralismus ersetzt werden kann und darf. Den Ländern obliegt es, die schwierige Balance zu finden zwischen einer Anerkennung der Notwendigkeit einer zunehmend autonomer werdenden Entwicklung nicht mehr an nationalstaatliche Grenzen gebundener Wirtschaftsregionen im europäischen Binnenmarkt und ihrer eigenen Selbstbehauptung, die sich vor allem als Sicherung des Handlungsspielraumes der Länder gegenüber dem Nationalstaat und der EG manifestieren muß.