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Die CSU: eine neue Form der Bayempartei? | APuZ 5/1992 | bpb.de

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Die CSU: eine neue Form der Bayempartei?

Hans-Jürgen Leersch

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die CSU baut ab, ohne aber ins Bodenlose zu fallen. Seit dem Tode ihres langjährigen Vorsitzenden Franz Josef Strauß 1988 und der deutschen Einheit im Jahre 1990 hat die Partei an Gewicht in der Bundespolitik verloren. Die mehrfach geführten ergebnislosen Ausdehnungsdiskussionen und die gescheiterte Ost-Expedition unter dem Namen DSU waren verzweifelte Versuche, den „bundesweiten Anspruch“ über die deutsche Einheit hinwegzuretten. Der Parteivorsitzende Theo Waigel ist überlastet und durch die Steuererhöhungspolitik der Bonner Koalition belastet. Die landesväterliche Leitfigur, Ministerpräsident Max Streibl, stellte sich durch eine Reihe von irreführenden Äußerungen selbst in Zweifel. Ob Kreuther Klausurtagungen oder Spitzengespräche mit dem Bundeskanzler Helmut Kohl in Irsee: Nicht nur die CDU sucht nach einer neuen Strategie. Spätestens seit dem letzten Parteitag im November 1991 in München ist aber klar, daß die CSU die unter Strauß gerne gespielte Rolle, Integrationsfaktor und Beruhigungspille der deutschen Konservativen auch außerhalb Bayerns zu sein, aufgegeben hat.

Der 3. Oktober, so könnten es Zyniker betrachten, hat für die Christlich-Soziale Union immerhin auch einen positiven Aspekt: Eine doppelte Trauerarbeit -bedingt durch den Tod des Parteivorsitzenden Franz Josef Strauß (3. Oktober 1988) und die deutsche Einheit (3. Oktober 1990) -fällt auf einen Tag. Die bittere Erkenntnis: In der größer gewordenen Bundesrepbulik spielt die CSU ihre kleiner gewordene bayerische Rolle; in Bonn gerät sie zunehmend in die Isolation, eine Tendenz, die dadurch verstärkt wird, daß sie mit ihren Schlüssel-themen (Asyl, Abtreibung) nicht mehrheitsfähig ist und die schwierigsten Ministerien in der Koalition besitzt.

Der Ausfall des politischen Marken-und Qualitätszeichens Franz Josef Strauß im Herbst 1988 kam für die Partei völlig überraschend. „Voraussagen, nach dem Tod des , Großen Vorsitzenden 4 Strauß werde es in der CSU Diadochenkämpfe um die Macht geben, erfüllten sich (aber) nicht.“ Die zweite Reihe nach Strauß verstand es schnell, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Max Streibl, bisher Finanzminister in München, griff zu und sicherte sich die Nachfolge im Amt des Ministerpräsidenten, was nicht unumstritten war. Doch mauserte er sich schnell zu einer weiß-blauen Galionsfigur im besten Stil seines Vor-Vorgängers Alfons Goppel: „Zwar entspricht der eher leise, stets korrekte Streibl kaum dem Bild vom polternden Oberbayern, wie es sein Vorgänger Franz Josef Strauß nach außen prägte: Den Trachtenanzug legt er nur zu bayrisch-offiziellen Terminen an und zieht ansonsten das dunkle Blau der liberal-konservativen Münchner Ministerialbürokratie vor. Mit ihm setzte sich der Wunschkandidat des gleichermaßen Wertekonservativen und fortschrittlichen Bayern gegen die forschen Scharfmacher durch -unter Streibl müssen die Polizeibeamten am Eingang der Staatskanzlei nicht mehr die Hand an die Mütze legen, wenn eine dunkle Limousine durchs Tor rollt.“ Der neue Ministerpräsident beließ es nicht beim Verzicht auf das Händchen-an-die-Mütze-Legen, sondern stellte alle alten Strauß-Anhänger kalt, an der Spitze Staatssekretär Peter Gauweiler, der sich statt um Aids und Ausländer plötzlich um „Seen und Siele“ zu kümmern hatte.

Der Part des Parteivorsitzenden ging an Theodor Waigel, der bislang in Bonn Landesgruppenvorsitzender der CSU-Abgeordneten im Bundestag war. Auf dem ersten Parteitag nach dem Tode von Strauß wurden beide vom Parteivolk gefeiert; die CSU schien eine glückliche Lösung gefunden zu haben. „Solange es in der CSU-Spitze gelinge, das Gleichgewicht zwischen dem besonnenen und diplomatischen Schwaben Waigel und dem hart arbeitenden und populären Oberbayern Streibl zu halten, solange werde es kaum offene Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in der Partei geben, vermuten Kenner der Szene.“

Beide -Waigel und Streibl -waren viel zu klug, um Differenzen in der Öffentlichkeit auszutragen, weil sich ihre Position gegenüber möglichen Konkurrenten wie Innenminister Edmund Stoiber oder auch dem nach einigen Wahlerfolgen der Republikaner wieder aus der Versenkung geholten Peter Gauweiler (heute Umweltminister) verschlechtert hätte. Die von vielen Beobachtern ausgemachte ungünstige Startposition Waigels als Parteichef gegenüber dem Ministerpräsidenten machte der Schwabe wett, indem er sich 1989 als Finanzminister in das Kabinett Kohl holen ließ und mit Abschaffung der ungeliebten Quellensteuer rasch über Bayern hinaus Popularität gewann. Wie sich die Tatsache, daß derselbe Waigel 1993 eine zweieinhalbfach so hohe Quellensteuer wieder einführen muß, auswirken wird, kann heute trotz Verzehnfachung der Freibeträge noch nicht abgeschätzt werden

Das neue Führungsgespann setzte zunächst auf Harmonie: „Max Streibl steht in Bayern in einer guten Tradition erfolgreicher CSU-Politik“ lobte Waigel den Ministerpräsidenten. Trotz einiger als liberal empfundener Schlenker (Einladung des Schriftstellers Martin Walser zu einer Klausurtagung der Landesgruppe) und einer eher sanften Argumentationslinie beschwor Waigel die FJS-Tradition: „Die Politik der CSU bleibt in der Tradition von Franz Josef Strauß mit einem klaren Flandlungskonzept eine Politik der Glaubwürdigkeit, des Mutes und der Ehrlichkeit gegenüber den Menschen.“

II. Die Harmonie bekommt erste Kratzer

Obwohl sich Streibl und Waigel als „Testamentsvollstrecker von Strauß“ fühlen, bekam die Harmonie erste Kratzer, was auch mit einer unterschiedlichen Interessenslage der beiden CSU-Galionsfiguren zu erklären ist. Während Streibl als Integrationsfigur wirken und den parteipolitischen Tagesstreit am liebsten außen vor lassen wollte, packte Waigel auch nationale Themen an, schon vor allem, um die verhaßte Konkurrenz der Republikaner nicht weiter anwachsen zu lassen. So setzte er sich „für einen geläuterten Nationalstaat“ ein und griff das alte Strauß-Ziel auf, „daß rechts von uns keine demokratisch legitimierte Partei entsteht“

Die sich im Frühjahr 1989 nicht nur wegen der Quellensteuer zuspitzende Krise der Bonner Koalition zog auch erste Kritik auf Waigel. „Franz Josef Strauß zögerte niemals, positiv aufgenommene Bonner Entscheidungen als Ausflüsse eigenen Gedankenreichtums darzustellen, während er andererseits ohne Bedenken mit wenig zimperlichen Formulierungen über den Kanzler und die CDU-Minister herzog, sobald er Gegenwind aus der Wählerschaft verspürte. Der neue CSU-Chef Waigel vermag naturgemäß diese Rolle nicht derart beherrschend auszuspielen wie Strauß; aber sein Parteivolk erwartet es von ihm, nun, da die Zeiten schwieriger werden. Theo Waigels Schonfrist ist jetzt abgelaufen. Die Partei fordert jetzt von ihrem Vorsitzenden Konfliktbereitschaft statt Ausgleichsvermögen. Die Landespolitiker möchten von dem abwägenden Denker Waigel nicht mehr nur die Versicherung hören, er könne auch , ganz schön auf den Putz hauen*, sie verlangen Taten.“ Die Taten (im Sinne des Straußschen Handelns) blieben bis heute aus.

Statt dessen erarbeitete sich Waigel Profil in der für ihn ungewohnten Rolle des Finanzpolitikers. Die Endausgestaltung der von seinem Amtsvorgänger Gerhard Stoltenberg begonnene Steuerreform und ein fälschlicherweise als Sparpolitik verstandener Rückgang der staatlichen Neuverschuldung verdeckten, daß er der Doppelbelastung des Bonner Regierungs-und des Münchner Parteiamtes kaum gewachsen war und auch nicht sein konnte; „Noch immer wartet das Publikum vergebens auf das, was er am Tag seiner Wahl zum CSU-Chef versprochen hat. Zum Beispiel, daß sich die Partei öffnet für Frauen und junge Leute. Noch immer ist die Öffentlichkeit neugierig darauf, was die CSU zu den Themen unserer Zeit zu sagen hat.“

III. Der Geist von Kreuth kehrt zurück

Besonders ungelegen kamen der CSU-Führung in dieser Zeit Meinungsumfragen, nach denen fast zwei Drittel der CDU-Wähler und die Hälfte der Gesamtbevölkerung eine Ausdehnung der Partei über die Grenzen des Freistaates hinaus für richtig fanden. Waigel versuchte sofort, den drohenden inner-und außerparteilichen Streit zu vermeiden: „Das ist nicht das Thema. Das Thema aber ist, daß dadurch unsere Partei ein besonders hohes Maß nationaler Verantwortung zuwächst. Wir sind bereit und entschlossen, dem Rechnung zu tragen.“

In diesen Tagen war in der CSU-Spitze niemand ernsthaft daran interessiert, den 1976 in Kreuth gefaßten Trennungsbeschluß von der CDU neu zu begründen und die Partei bundesweit auszudehnen. Zum einen hatte sich das politische Spektrum durch das Erscheinen der GRÜNEN von einem reinen Drei-Parteien-auf ein Vier-Parteien-System erweitert, und andererseits hatte die FDP den Koalitionspartner gewechselt und somit der Union an die Macht in Bonn verhelfen. Vor diesem Hintergrund und vor dem Fall der Berliner Mauer konnte der Geist von Kreuth schnell wieder verscheucht werden: „Bei Abwägung aller Umstände wäre der Konkurrenzverlust größer als der potentielle Trennungsgewinn“ schrieb Waigel an Tausende von CSU-Sympathisanten nördlich des „Weißwurst-Äquators“.

Auch der CSU-Landesgruppenvorsitzende in Bonn, Wolfgang Bötsch, der Waigel in diesem Amt folgte, wollte von Kreuth nichts mehr wissen: „Diese Überlegungen sind ja in der Analyse damals bei der Klausurtagung der CSU-Landes-gruppe 1976 in Kreuth sehr eingehend angestellt worden ... Wir sind heute der Auffassung, und ich bin dezidiert der Aufassung, daß der Trennungsverlust oder der Reibungsverlust wohl größer wäre als der Trennungsgewinn, wenn zwei Parteien, die das C im Namen führen, parallel kandidieren würden ... Und es macht natürlich keinen Sinn, wenn zwei Koalitionsparteien... parallel im gleichen Gebiet kandidieren.“

IV. Waigel wird nationaler

Daß die deutsche Frage seit etwa Mitte der achtziger Jahre mit aller Kraft wieder auf die Tagesordnung der Weltpolitik zurückdrängte, wurde von den etablierten Parteien in der Bundesrepublik praktisch bis zum 9. November 1989 nicht wahrgenommen. Frühere Anstöße wie die Neutralitätsdiskussion wurden von der CDU/CSU nicht verstanden, von den Sozialdemokraten falsch begriffen und auf Spekulationen über einen NATO-Austritt verkürzt. Die kleine Minderheit der aktiven Wiedervereinigungsbefürworter im Bonner Regierungslager konnte erfolgreich gebändigt werden. Der CDU-Haushaltspolitiker Bernhard Friedmann wurde nach seiner spektakulären Buch-veröffentlichung später auf den Posten des Präsidenten des Europäischen Rechnungshofes weggelobt. Die CDU hatte auf ihrem Wiesbadener Parteitag 1988 allen Ernstes vor, das Wiedervereinigungsgebot aus dem Parteiprogramm zu streichen.

Auch Waigel war weder vor noch nach seiner Wahl zum CSU-Chef durch besonders scharfe nationale Töne bekannt geworden. 1989 fiel er allerdings in das typische politische Sommerloch, als seine Rede auf dem Schlesiertreffen in Hannover, in der er lediglich die Rechtsposition der Grenzen von 1937 entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigte auf große Beachtung und scharfe Kritik in der Öffentlichkeit und bei der Opposition stieß. Der CSU-Chef benötigte Rücken-deckung bei seinem Vorstand und bekam sie auch einhellig. Er habe nichts anderes gesagt als das Bundesverfassungsgericht, und dem könne man wohl kaum Revanchismus vorwerfen

Der ungewollte deutschlandpolitische Ausrutscher zahlte sich für Waigel jedoch bereits vor der Maueröffnung in barer innerparteilicher Münze aus, weil Ministerpräsident Max Streibl in München auf einmal und im Gegensatz zu früheren Äußerungen eher auf CDU-Linie schwamm: „Ich halte nichts von Wiedervereinigungsdebatten“ gab er vor Landtagsjournalisten zu Protokoll und machte aus seiner Abneigung gegen Waigels Grenzen-von-1937-Thesen keinen Hehl: „Das bringt uns nicht weiter. Diese Reizthemen würde ich jetzt nicht diskutieren.“ Wie alle CSU-Redner auf Vertriebenentreffen hatte aber auch Streibl ähnlich wie Waigel gesprochen, wie der Bonner Regierungssprecher Hans Klein (CSU), der seinerzeit erfolglos als Münchner Oberbürgermeister kandidierte, sofort feststellte

Sommer und Herbst des Jahres 1989 lebten von operettenhaft wirkenden und teilweise künstlich konstruierten Gegensätzen zwischen den Strauß-Erben Waigel und Streibl: „Von Tag zu Tag offensichtlicher aber wird, daß Max Streibl sich zur landesväterlichen Leitfigur auch des Parteivolks der CSU entwickelt, während Theo Waigel sich müht, die traditionelle Eigenständigkeit der bayerischen Regierungspartei samt der von Strauß vorgelebten Konfliktbereitschaft gegenüber der CDU mit seiner Einbindung als Finanzminister in die Kabinettsdisziplin der Bundesregierung unter einen Hut zu bringen.“

Kopfzerbrechen bereitete jedoch manchem in der CSU-Führung, wie das schlechte Ergebnis der Partei bei den Europawahlen wieder wettgemacht werden könnte. Während die CSU unter 50 Prozent absackte, kletterten Franz Schönhubers Republikaner auf bayernweit knapp 15 Prozent, stellenweise fuhren sie sogar über 20 Prozent ein. Erneut erteilte Waigel jeder Ausdehnungsdiskussion eine Absage und kündigte an, im Gegensatz zur SPD Republikaner und Grüne gleichermaßen bekämpfen zu wollen. „Ich glaube daher, daß wir die Republikaner unter fünf Prozent drücken werden können“, prognostizierte der Parteichef und sollte damit bei den Landtagswahlen im Oktober 1990 recht behalten. Schon früher hatte Waigel in persönlichen Gesprächen die Überzeugung geäußert, daß Schönhuber nicht der Typ sei, der stramme Wahlkämpfe und den Dauereinsatz im Europäischen Parlament sowie in der Partei werde durchhalten können. Auch in diesem Punkt behielt der CSU-Chef recht.

Am Ende des ersten Jahres ohne Strauß zeigte sich, daß sich weder zu Waigel noch zu Streibl eine ernstzunehmende Alternative in der Partei aufgebaut hatte Beide vermieden es weiterhin, offen gegeneinander zu geraten, auch wenn Streibl gelegentlich durchblicken ließ, daß er den Eintritt Waigels in das Kabinett Helmut Kohl von Anfang an nicht als besonders glücklich ansah In einem überspitzt formulierten Kommentar werden die Gründe für das gepflegte Nebeneinander der CSU-Spitzenpolitiker auf den Punkt gebracht: „Theo Waigel hat in Bayern keine wirkliche Hausmacht. Sein Bezirk Schwaben ist ein Leichtgewicht. Waigel hat nur eine Stütze: Max Streibl, mit dem er Rücken an Rücken steht. Fällt der eine, fällt der andere. Die Verschwörer werden zuerst auf den Schwächeren zielen. Und das ist, im Augenblick, Theodor Waigel,“

V. Die Mauer fällt und wieder Kreuth

Nun ist es auch heute in der CSU verfrüht, von Verschwörern zu sprechen, aber die nach dem Fall der Berliner Mauer und der Öffnung der DDR-Grenzen einsetzende Ausdehnungsdiskussion trägt mehr intern-parteitaktische Züge und ist weniger von dem Versuch geprägt, die CSU über den Umweg der neuen Bundesländer zu einer deutschland-weit organisierten Partei zu machen. Wieder wären es bereits bekannte Namen aus der zweiten Reihe hinter dem Führungsgespann Waigel/Streibl, die die Ausdehnung der CSU verlangten und dabei eher die eigene Parteiführung im Visier hatten: Edmund Stoiber und Peter Gauweiler.

Waigel verhielt sich wie gewohnt zögernd mit ablehnender Tendenz, während Streibl zeitweilig Sympathien für das Jungvolk in der Partei durchschimmern ließ. Gauweiler und andere dachten bereits zur Jahreswende 1989/90 daran, in Thüringen und Sachsen konservative Parteien zu unterstützen (neue Südschiene), diese dann später über die ganze damalige DDR auszudehnen und nach der Wiedervereinigung in den Westen Deutschlands einzumarschieren An die letzte Konsequenz -eine direkte Ausdehnung der CSU nach Sachsen oder Thüringen -dachten jedoch weder Streibl noch die Gruppe um Stoiber und Gauweiler zu irgend einem Zeitpunkt, weil sie dann bereits im Herbst 1990 nach den Landtagswahlen die Macht in Bayern mit der CDU hätten teilen müssen. Die Einmarschdrohung des Adenauer-Hauses steht seit Kreuth 1976 fest. Auch Kohl ließ den DSU-Fraktionsvorsitzenden in der Volkskammer, Hansjoachim Walther, wissen, es sei „unannehmbar, daß sich die DSU in CSU umbenennt oder sich gar die CSU bundesweit ausbreitet“ An eine CSU-Ausdehnung dachten damals ohnehin nur einige wackere Jung-Unionisten, die mit den materiellen Vorzügen der zahlenmäßig knappen Regierungsämter nicht vertraut waren.

Denn was zum Beispiel der Direktor des Instituts für Politische Wissenschaft an der Universität Kiel, Werner Kaltefleiter, der CSU-Spitze mitzuteilen hatte, stieß dort nicht einmal auf geringen Widerspruch: „Die CSU gewinnt ihre Stärke durch ihre dominierende Rolle in Bayern, die auf der Identifikation dieser Partei mit Bayern und umgekehrt beruht.. Eine Ausdehnung auf andere Länder, sei es im Gebiet der Bundesrepublik oder der DDR, würde dieses bayerische Profil der Partei nur verwässern.“ Anders ausgedrückt: „Wenn die CSU künftig auch sächsisch spräche, verlöre sie ihre Identität, müßte sie doch über die Sachsen hinaus weitere Stämme integrieren; dabei hat sie sich in ihrer Geschichte schon mit den Franken schwer getan.“

VI. Der Kompromiß: Die DSU

Der Druck auf die CSU, in der zerfallenden DDR politisch aktiv zu werden und das Spiel nicht allein der manchmal ungeliebten Schwesterpartei CDU zu überlassen, wuchs jedoch. Die Ergebnisse sind bekannt: Aus einer Vielzahl von christlichen und konservativen Gruppen schweißte Waigel im Januar 1990 die „Deutsche Soziale Union“ zusammen. Helmut Kohl, der die Gefahr witterte, bündelte mit seinem untrügerischen Gespür für politische Taktik die Ost-CDU, die DSU und den schwächer werdenden „Demokratischen Aufbruch“ zur „Allianz für Deutschland“. Mit dem Erfolg der Allianz bei der letzten Volkskammer-wahl im März sahen sich Kohl und Waigel bestätigt, obwohl Waigel sich in dieser Zeit schon mehr mit den Gründen der herben CSU-Schlappe bei den bayerischen Kommunalwahlen beschäftigen mußte (minus 7, 3 Prozentpunkte). Im Mai mußte Waigel miterleben, wie die DSU-Stimmen bei den Kommunalwahlen in der DDR halbiert wurden. Bei den Landtagswahlen am 14. Oktober, als Max Streibl in Bayern die absolute CSU-Mehrheit sicher verteidigen konnte, ging die CSU-Schwesterpartei DSU in den neuen Ländern völlig baden.

Interne Streitereien und insbesondere der Konstruktionsfehler, eine nationale Partei, die keinerlei regionale Identität verkörpert (wie die CSU in Bayern) auf fünf Länder zu beschränken, bedeuteten das Todesurteil für die DSU. Die CDU konnte daher leicht den von CSU-Generalsekretär Erwin Huber formulierten Leitsätzen zustimmen: „Bei den gesamtdeutschen Wahlen kandidiert die CSU in Bayern, die DSU in der heutigen DDR und die CDU in allen Ländern außerhalb Bayerns.“

Mit der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember war das Schicksal der DSU endgültig besiegelt. Waigel blieb als dauerhafte Erinnerung nur noch der Ehrenvorsitz des Ost-Ablegers, der sich inzwischen in teilweiser Auflösung befindet. „Zwei Parteien ergeben angesichts der weitgehend gleichen inhaltlichen Positionen keinen Sinn und führen nur zu einer unnötigen personellen Konfrontation“, heißt es in der Fusionserklärung von Ost-CDU und Teilen der DSU im Landkreis Grimma (Sachsen) In der CSU will man heute von der Schwesterpartei nicht mehr viel wissen; der Auftritt des neuen DSU-Vorsitzenden auf dem letzten CSU-Parteitag blieb ohne größere Beachtung. Offiziell zieht sich die CSU heute auf die Position zurück, das Engagement für die DSU sei kein Fehler gewesen.

VII. Gemeinsam bergab

Bereits vor der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl bekam das Image des bayerischen Ministerpräsidenten Kratzer. So forderte er im August 1990 das Amt des Vizekanzlers in Bonn und des Bundeswirtschaftsministers für die CSU, was den FDP-Vorsitzenden Otto Graf Lambsdorff zu geharnischten Protesten veranlaßte. Der FDP-Mann bezeichnete Streibl als „Sonnenkönig aus Oberammergau“ Zuvor hatte der Ministerpräsident scharfe Kritik wegen Bonner Zahlungen an die DDR geübt, was unter populistischen Aspekten vielleicht nachzuvollziehen war, ihm aber in der Bundespolitik -zurückhaltend formuliert -nur noch Heiterkeit einbrachte Streibls große Worte sollten wohl vor dem bayerischen Landtagswahl­ kampf und der Bundestagswahl Erinnerungen an Strauß wecken; ihnen fehlte aber die bei FJS typische Langzeitwirkung.

Die Regierungsbildung nach der gewonnenen Bundestagswahl überstand die CSU mit geringen Blessuren. Daß sie weiterhin mit sechs Ministern im Kabinett vertreten sein würde, hatten nur bayerische Berufsoptimisten erwartet. Besonders froh war man in der Parteiführung, Gerda Hasselfeldt wegen der hohen Münchner Mieten und der allgemeinen Wohnungsnot vom problemträchtigen Bauministerium in das neue Gesundheitsressort versetzen zu können. Daß weder die Amtsinhaberin noch die Parteispitze erkannten, welches Problemfeld (Krankenkassen) jetzt in ihrer Verantwortung liegt, spricht nicht gerade für deren Weitsichtigkeit. Und die Art, wie Hasselfelds Bau-Nachfolgerin Irmgard Schwaetzer von der FDP sich in ihrem Ressort öffentlichkeitswirksam darzustellen pflegt, läßt den Schluß zu, daß aus dem CSU-Kapital zu wenig gemacht wurde.

Das Landwirtschaftsressort blieb bei dem amtsmüden Ignaz Kiechle. Wenn man internen Informationen glauben will, ist Waigel jedoch entschlossen, nicht mehr mit Kiechle in die Wahl 1994 zu ziehen. Das mit Carl-Dieter Spranger besetzte Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist für die breite Öffentlichkeit von nur geringem Interesse, ein Zählposten für die CSU. Nach dem endgültigen Ausscheiden des kantigen Friedrich Zimmermann aus der Regierung blieb der CSU als prominentester Vertreter in Bonn der Parteichef im Amt des Finanzministers.

Die „Steuerlüge“ brachte für Waigel unversehens einen starken Sympathieknick auch in den eigenen Reihen mit sich. Nachdem die Koalition den ersten gesamtdeutschen Wahlkampf mit einer klaren Absage an jede Steuererhöhung bestritten und gewonnen hatte, wurde der kurz nach der Wahl beschlossene „Solidaritätszuschlag“ zur Lohn-und Einkommensteuer weitgehend mit dem Namen Waigel verbunden. „Seit den Bundesbürgern bewußt wird, wie tief ihnen der Staat in die Taschen greift, konzentriert sich der Volkszorn auf den obersten Kassenwart. Seine hilflosen Versuche, die durch die deutsche Einheit aufgerissenen Finanzlöcher zu stopfen, haben Waigels Autorität ramponiert.“ „Natürlich ist es kein Zufall, daß sich die innerparteiliche Opposition gegen Waigel genau in dem Augenblick aus der Deckung wagt, in dem seine Glaubwürdigkeit als Finanzminister wegen der jüngsten Steuerbeschlüsse stark in Mit-leidenschaft gezogen ist. Der junge Landtagsabgeordnete Markus Sackmann spricht von einem »Scherbenhaufen 1... Der niederbayerische Be-zirksvorsitzende Alfred Dick sieht die gesamte CSU-Politik , aufs schwerste erschüttert 4.“

Die Diskussion über Waigel und seine Steuererhöhungen wurde jedoch schnell durch eine Polit-Posse aus München verdrängt. Streibls angeblich schlechter Gesundheitszustand beherrschte seit Februar und seitdem in wiederholten Wellen die Schlagzeilen. Neben hämischen Kommentaren über den unterstellten, aber nie bewiesenen Alkoholkonsum des Ministerpräsidenten entzündete sich eine Nachfolgediskussion, die trotz aller Dementis und Versuche, den Gerüchten durch Bergwanderungen als Beweis für die gute Kondition Streibls den Boden zu entziehen, die Position des Münchner Regierungschefs nicht gerade stärkte.

Daß sich Partei und Öffentlichkeit mehr mit Personen und Persönlichem bei der CSU beschäftigen, lag auch an dem Flop einer weiteren Kreuther Klausurtagung der Bonner Landesgruppe. „Von Kreuth, so der Grundtenor, gingen zusehends weniger bundespolitische Impulse aus.“ „Dabei hätte das zeitliche Zusammentreffen der Kreuther Klausurtagung mit der Schlußphase der Koalitionsverhandlungen der CSU tatsächlich Gelegenheit gegeben, ihr Gewicht in den Bonner Waagschalen zur Geltung zu bringen -wenn sie denn noch eines hätte. Was Wolfgang Bötsch aber auf beharrliches Nachfragen doch noch als die für die CSU , unverzichtbaren Dinge 4 auftischte, das wird insbesondere in der FDP keinen das Fürchten lehren: Eine , vernünftige Lösung 4 im Mietrecht und , kein Niedrigsteuergebiet, wie es sich die FDP vorstellt 4. Beide Forderungen sind hinreichend unpräzise, um nach Abschluß der Verhandlungen peinliche Nachfragen abwehren zu können.“

Die von Waigel für die Kreuther Klausurtagung mit einem Schuß Selbstironie angekündigten „Böllerschüsse“ kamen dann wenige Monate später aus München von Ministerpräsident Max Streibl. Es verbietet sich allerdings, in diesem Fall von Knallerbsen zu sprechen, eher ging der Angriff nach hinten los: „Die Attacken der CSU gegen die CDU bringen die Crux der bayerischen Partei an den Tag: Mit jedem Vorwurf an die große Schwester gibt die kleinere eigene Schwächen preis. Das fing mit der hilflosen Formulierung des bayerischen Ministerpräsidenten Streibl an, , es geht auch ohne die CSU 4. Was wie eine Drohung des kleinsten Partners in der Bonner Koalition klingen sollte, verrät tatsächlich die Bitterkeit darüber, daß FDP und CDU zum Regieren zur Zeit nicht auf die CSU angewiesen sind.“

Trotz der üblichen Schadensbegrenzungsversuche Streibls, der die Drohung, aus der Koalition auszusteigen, nur als „nebensächlichen Beitrag“ gewertet wissen wollte wurde erstmals einer größeren Öffentlichkeit dadurch bewußt, daß die Bonner Koalition rein rechnerisch auch ohne die CSU eine Mehrheit im Parlament hat. Hinzu kommt, daß Bayern im Bundesrat durch die Erweiterung der Bundesrepublik und die Serie von CDU-Niederlagen bei Landtagswahlen seine Schlüsselrolle verloren hat.

VIII. Der Irrtum von Irsee

Obwohl die CDU-Führung den bayerischen Theaterdonner mit Gelassenheit hinnahm und sich auch vom ständig wiederholten „bundesweiten Anspruch“ der bayerischen Schwester nicht sonderlich beeindruckt zeigte kam es zu der Vereinbarung eines „Strategiegesprächs“ zwischen Kanzler Helmut Kohl und der CSU-Führung am 7. Mai 1991 im schwäbischen Irsee. Bereits im Vorfeld schränkte die CSU die Themenpalette ein: Sollte zunächst über Ausdehnungsmöglichkeiten und die DSU gesprochen werden, so reduzierte sich der Themenkreis wenige Tage vor dem Treffen auf Gespräche über das Profil der Union, nachdem die CDU unter anderem in Helmut Kohls Stammland Rheinland-Pfalz die Regierung verloren hatte.

Das Treffen endete mit einem grandiosen Sieg Helmut Kohls: „Hin und wieder knurrte der Schwabe mit der sonoren Baßstimme auch pflichtgemäß, aber wohler fühlte er sich, wenn er gestreichelt wurde. CDU-Chef Helmut Kohl fand das schnell heraus. Wann immer -die CSU aufmuckte, erdrückte er die kleinere Schwester schier mit der ganzen Kraft seiner liebevollen Umarmung. Kohl wandte die Strategie der harmlosen Überrumpelung derart erfolgreich an, daß der Eindruck entstand, die beiden Schwestern hätten nie ein böses Wort übereinander verloren.“

Waigel kam das gerade recht: „Was er besser machen sollte, nachdem bei den Geschwistertreffen hinter den verschlossenen Türen der ehemaligen Klöster Irsee und Banz selbst die Scharfredner im CSU-Vorstand mit Helmut Kohl die Friedenspfeife geraucht haben, ohne daß es zuvor auch rauchende Köpfe gegeben hätte -so richtig präzise vermag das keiner zu artikulieren.“

Waigel erntete in Irsee andererseits erstmals den Erfolg seiner engen Verbindung mit dem Bonner Regierungschef. Im Schatten des Kanzlers der Einheit häuften sich die Hofknickse der CSU-Größen, selbst der großen Ausdehnungs-Erklärer und Kohl-Kritiker wie Peter Gauweiler: „Da ist der Fall Irsee. Hier fiel er um, der Matador! Darüber gibts ein Protokoll. Noch friedlich schlummernd im Panzerschrank eines schlauen Parteifreundes. Sicher verwahrt. Zum Glück. Denn wenn Gauweiler-Fans je lesen könnten, wie devot ihr Hoffnungsträger sich dem CDU-Boß genähert hat (, wenn ich das gewußt hätte, Herr Bundeskanzler'), würde sein größter Trumpf wertlos: Der Nimbus des Retters vor dem Sog der untergehenden Unionsschwester.“ Die Scharfmacher der Bayern schafften in Irsee eine „glatte Bauchlandung vor dem Pfälzer Riesen“

IX. Nur ein Landesverband der CDU?

„Am besten sei es,“ höhnte der CSU-Bundestagsabgeordnete Günther Müller, „man werde gleich ein Landesverband der CDU.“ Daran denkt natürlich nach der verlorenen Schlacht von Irsee niemand, auch wenn solche Empfehlungen gelegentlich von Pater Basilius Streithofen abgegeben werden. Denn der Aufgabe der bayerischen Eigenständigkeit der CSU stehen dieselben Gründe entgegen, die bis heute Kreuth II oder die Ausdehnung der Partei in die ehemalige DDR verhindert haben: grob gesagt, der Verlust der bayerischen Identität. Es dürfte also auf absehbare Zukunft bei zwei eigenständigen Unionsparteien mit einer gemeinsamen Fraktion im Bundestag bei getrennten Kandidatur-Gebieten bleiben.

Das Doppelspiel, einerseits in Bonn am Kabinetts-tisch zu sitzen und andererseits von München aus Opposition zu betreiben, funktioniert allerdings nicht mehr: „Dieses Spiel ist aus, weil es der überforderte Waigel und der unsichere Streibl, der das weiß-blaue Rautenmuster in seiner besonders kleinkarierten Ausführung bevorzugt, nicht beherrschen. So sind die ehedem gefürchteten bayerischen Löwen dem Bundeskanzler und CDU-Vorsitzenden ganz zahm und von selbst in den Kräfig gekrochen und werden dort von ihm bei guter Nahrung ordentlich gehalten. Damit die Unterwerfung nicht gar so auffällt, darf von Zeit zu Zeit der schlichte Generalsekretär Huber zum Knurren ins Freigehege, wenn Frau Süssmuth oder die Herren von Weizsäcker und Genscher Anlaß dazu bieten. Kohl, ein Mann mit enormen Gedächtnis, kann froh über die gelungene Zähmung sein und wird nichts tun, um die Bayern wieder in die freie Wildbahn oder gar über ihr eigenes Revier hinaus zu entlassen.“

X. Alles hin oder: Freiheit statt Sozialismus

„Die Einsicht, daß ntin etwas geschehen müßte und daß die CSU am Scheideweg ist, fehlt nicht allen.“ So hat in der Partei die Erkenntnis an Boden gewonnen, daß mit früheren Parolen wie „Freiheit oder Sozialismus“ nichts mehr zu gewinnen ist. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme fehlt nicht nur der Gegner, es fehlt auch die Möglichkeit, Freunden, Koalitionspartner und Opposition mangelnde Wachsamkeit vorwerfen zu können. „Auf wichtigen Feldern ist die Partei seit Jahren nicht mehr in Erscheinung getreten. Daß ihr Nicht-vorhandensein in der Außenpolitik selbstverschuldet war, gesteht sogar Waigel ein. An diesem Beispiel offenbaren sich Stärke und Schwäche der CSU: Sie ist erfolgreich im Verwalten des Bestehenden, doch der Mut und die Phantasie zum weitsichtigen Entwurf und die Unverzagtheit des Zukunftsmachers sind nicht zu erkennen. Die CSU braucht Klarheit über sich und ihre eigene Strategie.“: In den zentralen Themen der Bundespolitik, wo sie noch Flagge zeigt, sieht sich die CSU allerdings isoliert und trägt durch eigenes Verhalten dazu bei, daß ihre Konturen verschwimmen: So unter-zeichnete die CSU die Vier-Parteien-Vereinbarung zur Beschleunigung der Asylverfahren, um sofort danach durch ihren stellvertretenden Parteivorsitzenden Edmund Stoiber und den Generalsekretär Erwin Huber zu erklären, ohne eine Ergänzung des Grundgesetzartikels 16 gehe es doch nicht. In der Frage des neuen Abtreibungsrechts blieb die Partei ihrer bekannten Linie allerdings treu. Es fragt sich nur, ob man tatsächlich zur letzten Konsequenz bereit ist und mit einem eigenen Gesetzentwurf in den Bundestag geht. Trotz absehbarer Erfolglosigkeit eines solchen Antrages dürfte er zur Stärkung des eigenen Profils beitragen wie schon die „Ansbacher Erklärung“ vom Sommer 1991. Daß sich die CSU in der Frage der Einführung einer Pflegefallversicherung auf die Linie des linken CDU-Flügels (Norbert Blüm, Heiner Geißler), hat einschwören lassen, bleibt unverständlich. In diesem Bereich kann ihr die liberale Konkurrenz das Wasser abgraben und wegen der absehbaren Kosten-und Beitragsexplosion der CSU den Ruf als Partei, die auch für die Belange der Wirtschaft sich einzusetzen vermag streitig machen.

Programmatisch brachte auch der jüngste November-Parteitag der Christsozialen keine wesentlich neuen Erkenntnisse. Die Öffentlichkeit bekam nur noch mit, daß die CSU ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen ablehnt Die Personalentscheidungen bestanden aus einer Bestätigung der amtierenden Führung; Waigel wurde mit 92, 6 Pro-zent Zustimmung „eine erstklassige Vertrauensbekundung zuteil“ Nicht zu übersehen war allerdings, daß sich die Aufmerksamkeit für den Ministerpräsidenten Max Streibl in Grenzen hielt, während die Strauß-Ziehsöhne Edmund Stoiber und Peter Gauweiler in der öffentlichen Einschätzung weiter nach vorn rückten „Zu schrecken vermag Theo Waigel noch keiner von beiden, auch wenn die Junge Union München im Vorfeld des CSU-Parteitags Gauweiler als großen Politiker preist und Waigel als den , Genscher der CSU'bezeichnet, was in der Partei durchaus richtig als üble Nachrede verstanden wird.“

Manchmal ist von Parteitagen auch festzuhalten, welche Signale nicht ausgesendet werden: So ist es mit der CSU-Funktion, Integrationsfaktor und Beruhigungspille der deutschen Konservativen außerhalb Bayerns zu sein, vorbei. Strauß hatte diese Rolle noch gespielt, wobei das Temperament dieses politischen Urgesteins von Bewunderern und Gegnern mit deutsch-nationalen Positionen verwechselt wurde. Waigel spielt diese Rolle nicht mehr, Streibl hat sie nie gespielt. Die CSU scheint sich vielmehr auf ihre eigentliche Erfolgsgeschichte zu konzentrieren: „Die Bezeichnung ist zwar vergeben, aber realiter verkörpert die CSU, was der Name Bayern-Partei vorgibt.“

Fussnoten

Fußnoten

  1. Richard Hofer, Zwei ungleiche Erben, in: Hamburger Abendblatt vom 5. 9. 1989.

  2. Roland Tichy, Freundliche Härte, in: Wirtschaftswoche vom 28. 10. 1988.

  3. Hamburger Morgenpost vom 1. 2. 1989.

  4. R. Hofer (Anm. 1).

  5. Vgl. Hans-Jürgen Leersch, Sparer atmen auf: Zinsgespenst weg, in: Münchner Merkur vom 13. 11. 1991.

  6. Theo Waigel, Mit Optimismus an die Arbeit, in: Bayern-kurier vom 31. 12. 1988.

  7. Vgl. Hans-Jürgen Leersch, Waigels „politische Gynäkologie“, in: Münchner Merkur vom 6. 12. 1988.

  8. T. Waigel (Anm. 6).

  9. Wolfgang Schmieg, Bayern ohne F. J. Strauß, in: Nürnberger Nachrichten vom 3. 10. 1989.

  10. Waigel-Interview im Deutschlandfunk, zit. nach Hamburger Abendblatt vom 31. 10. 1988.

  11. Rolf Linkenheil, Bange Blicke auf den verstoßenen Sohn, in: Rheinischer Merkur vom 14. 4. 1989.

  12. W. Schmieg (Anm. 9).

  13. Theo Waigel, Handeln aus Verantwortung, in: Bayern-kurier vom 22. 4. 1989.

  14. Roswin Finkenzeller, Das Ende bedenkend, in: FAZ vom 5. 4. 1989.

  15. Wolfgang Bötsch im Deutschlandfunk-Interview, zit. nach Kommentarübersicht des Bundespresseamtes vom 16. 3. 1989.

  16. Bernhard Friedmann, Einheit statt Raketen, Herford 1987.

  17. Vgl. Hans-Jürgen Leersch, Viele Antworten, in: Münchner Merkur vom 8. 7. 1989.

  18. Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 12. 7. 1989

  19. Doris Köpf, Streibl contra Waigel: Offener Streit in der CSU, in: Express vom 29. 9. 1989.

  20. Vgl. ebd.

  21. Handelsblatt vom 15. 7. 1991.

  22. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 28. 7. 1989.

  23. Vgl. Willy Zimgibl, Die beiden Erben von Strauß haben es schwer, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 22. 7. 1989.

  24. Vgl. Peter Schmalz, Bedenken in der CSU gegen ein Ministeramt für Waigel in Bonn, in: Die Welt vom 11. 4. 1989.

  25. Die Verschwörung, in: Zeitschrift Münchner, Juni 1991.

  26. Vgl. Die Welt vom 31. 5. 1991.

  27. Vgl. Höchste Staatskunst, in: DER SPIEGEL vom 1. 1. 1990.

  28. Nina Grunenberg, Mehr Deutschland, weniger Bayern?, in: Die Zeit vom 1. 6. 1990.

  29. Interview im Münchner Merkur vom 28. 6. 1990.

  30. Rolf Linkenheil, Kreuther Geist, in: Hannoversche Allgemeine vom 18. 5. 1990.

  31. Brief des CSU-Generalsekretärs vom 6. 7. 1990.

  32. Presseerklärung des Bundestagsabgeordneten Manfred Kolbe vom 8. 7. 1991.

  33. Hans-Jürgen Leersch, „CSU will DDR erpressen“, in: Münchner Merkur vom 13. 8. 1990.

  34. Schwerer Fehler, in: DER SPIEGEL vom 20. 8. 1990.

  35. Peter Pragal, Die Erben von Strauß leiden an Schwindsucht, in: Berliner Zeitung vom 6. 7. 1991.

  36. Hans Holzhaider, Harte Zeiten für Theo Waigel, in: Süddeutsche Zeitung vom 27. 2. 1991.

  37. Vgl. Hannes Burger, Blaue Fahne über München, in: Die Welt vom 4. 2. 1991.

  38. Michael Jach, Bei den Bonner Bayern hängt der Hausse-gen schief, in: Die Welt vom 16. 1. 1991.

  39. Hans Holzhaider, Von Kreuth gehen keine Signale mehr aus, in: Süddeutsche Zeitung vom 14. 1. 1991.

  40. Georg Paul Hefty, Die CSU braucht Klarheit, in: FAZ 30. 4. 1991.

  41. Roswin Finkenzeller, Wir haben keinen Grund, in Sack und Asche zu gehen, in: FAZ vom 26. 4. 1991.

  42. Vgl. Ekkehard Kohrs, Der Kanzler reagiert gelassen auf die Drohungen der CSU, in: General-Anzeiger Bonn vom 26. 4. 1991.

  43. Vgl. Heinz Schweden, Stoiber betont bundesweiten Anspruch der CSU, in: Rheinische Post vom 13. 3. 1991.

  44. Rolf Linkenheil, Die Parteibasis vermißt das bayerische Charisma von Franz Josef Strauß, in: Handelsblatt vom 7. 10.1991.

  45. Ders., Theo Waigel pocht auf den Chefsessel der CSU, in: Handelsblatt vom 8. 11. 1991.

  46. Die Verschwörung (Anm. 25).

  47. P. Pregal (Anm. 35).

  48. Ebd.

  49. Michael Stiller, Die Illusionen der CSU, in: Süddeutsche Zeitung vom 12. 4. 1991.

  50. Ders., Die CSU verpaßt ihre Zeit, in: Süddeutsche Zeitung vom 27. 6. 1991.

  51. G. P. Hefty (Anm. 40).

  52. Vgl. Karl Stankiewitz, Der CSU-Löwe verliert mehr und mehr an Profil, in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 20. 9. 1991.

  53. Vgl. Alexander Weber, Unsere Leit pressiert’s a, in: Münchner Merkur vom 23. 11. 1991.

  54. Werner Giers, Ruf und Rückgrat, in: Münchner Merkur vom 25. 11. 1991.

  55. Vgl. Erik Spemann, Bei Streibls Chiemsee hörten zu viele weg, in: Münchner Merkur vom 25. 11. 1991.

  56. Rolf Linkenheil, Stoiber rückt auf die Ersatzbank vor, in: Rheinischer Merkur vom 8. 11. 1991.

  57. Günter Müchler, Strauß war stark, die Partei ist stärker, in: Rheinischer Merkur vom 18. 11. 1988.

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Hans-Jürgen Leersch, geb. 1957; seit 1988 Bonner Korrespondent des Münchner Merkur.