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Zur deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert | APuZ 1-2/1992 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 1-2/1992 Zur deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert „Die vorbereitenden Arbeiten sind eingeleitet.“ Zum 50. Jahrestag der „Wannsee-Konferenz“ vom 20. Januar 1942 Artikel 1 Reaktionen auf die Verfolgung der Juden und den Holocaust in Deutschland vor und nach 1945 Die Folgen des Holocaust für die israelische Gesellschaft „Vergangenheitsbewältigung“ Zur Problematik eines umstrittenen Begriffs

Zur deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert

Peter Steinbach

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Geschichte zwischen Juden und Nichtjuden in Deutschland ist durch wechselhafte Beziehungen geprägt, die schließlich in die industriemäßig betriebene „Endlösung der Judenfrage“, den Völkermord an den Juden und anderen als rassisch minderwertig eingeschätzten Bevölkerungsgruppen mündeten. Der Aufsatz zeichnet vor allem jene Stationen der Beziehungsgeschichte nach, welche die politischen und politisch-kulturellen Voraussetzungen jener Entwicklungen darstellen, die ihre höchste Steigerung im NS-Regime fanden. Zunächst werden die liberalen Ausgangsbedingungen der Emanzipation im frühen 19. Jahrhundert geschildert, die entscheidend durch die wirtschaftliche Depression verändert wurden, die das frühe Bismarckreich traf. Im Hinblick auf die zunehmende Demokratisierung entstand vor allem auf konservativer Seite ein politisierender Judenhaß, der wissenschaftlich als „Antisemitismus“ rationalisiert wurde. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Entstehung der Weimarer Republik verstärkte sich die Kritik am Judentum in Deutschland, wandte sich zugleich gegen den republikanischen Staat, der oftmals als „Judenstaat“ und „Judenrepublik" diffamiert wurde, und mündete schließlich in die Rassenpolitik des Dritten Reiches, die sich von der Diffamierung über die Ausgrenzung und Entrechtung schließlich zur Vernichtung steigerte.

I. Einleitung

Die Geschichte der Juden in ihrer deutschen Umwelt läßt sich nur als ein stets gefährdetes, immer umstrittenes und bedrohtes und ausnahmslos zerbrechliches Lebensgefüge beschreiben. Sie ist das Ende eines Traumes vieler Juden, der im 18. Jahrhundert gleichzeitig mit der Ausbreitung eines neuen Menschen-und Menschheitsideals einsetzte, sich in den Emanzipationsbestrebungen des 19. Jahrhunderts zu bewähren schien, im Kaiserreich einen ersten entscheidenden Stoß erhielt und schließlich unter dem Einfluß des totalitären Maßnahmenstaates endgültig scheiterte, mit unbeschreiblichen und bis heute nicht real vorstellbaren Opfern

Nur wenige sind wohl überhaupt in der Lage, das breite Spannungsverhältnis der deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte ganz zu erfassen und sprachlich angemessen darzustellen Und es gehört wahrscheinlich zur neueren Geschichte von Deutschen und Juden, daß der Historiker nicht mehr allein der geeignete Chronist sein kann. Er vermag zwar Fakten zu rekonstruieren, Entscheidungen anzudeuten, nach Konsequenzen des Handelns zu fragen -nachempfinden wird er den Schrecken nicht können, der nicht nur über die deutschen Juden, sondern über die Juden Europas kam. Dennoch: Trotz des Ungenügens historischer Forschung, die auf Ergründen und Erklären zielt und angesichts des Völkermords an den Juden Europas an ihre Grenzen stößt, darf man das Feld nicht allein Schriftstellern, Theologen oder den Philosophen überlassen. Ohne historische Erforschung des „Unvorstellbaren“, vor dem menschliche Sprache und menschliche Vorstellungskraft in gleicher Weise versagen, ist die Chance noch geringer, dem Vergessen oder gar dem Verdrängen zu widerstehen.

In diesem Beitrag sollen einige Schlaglichter auf grundlegende Entwicklungen geworfen werden, die Entscheidungen und Handlungsfolgen deutlich machen. Er zeigt, daß der seit langen Jahrhunderten spürbare Antijudaismus und Antisemitismus erst in dem totalitären Staat Hitlers seine volle vernichtende Wirkung entfalten konnte. Denn erst die „totalitäre Herrschaft“, als deren Wesen Hannah Arendt den Terror erkannt hat, rechnet nicht mehr mit „handelnden Menschen“, die ihren Wert in sich selbst tragen, sondern bezieht sich auf angeblich „historische Bewegungsgesetze“, die der „Terror vollstreckt und die ja angeblich von Geschichte und Natur über eine ihnen ausgelieferte Menschheit ohnehin verhängt worden sind“ Wenn aber der Staat sich zum Träger angeblicher „Entwicklungsgesetze“ erklärt, kann er sich nur als „Vollstrecker“ bestimmen. Gleichzeitig proklamiert er Menschenverachtung, denn er will nach den individuellen Folgen dieser Exekution nicht mehr fragen.

II. Das 19. Jahrhundert

Die ersten beiden Drittel des 19. Jahrhunderts brachten den deutschen Juden eine weitgehende, wenn auch nicht vollständige Emanzipation Sie wurden zu Staatsbürgern und genossen alle die im Zuge der Reformbewegungen und -politiken verwirklichten Freiheiten. Nur ausgewählte Bereiche des Verwaltungs-und Militärapparates waren ihnen verschlossen. Die Emanzipation der Juden erfolgte damit in einer Phase säkularen Wandels aller Lebensbereiche, vor allem der Wirtschaftsstrukturen und politischen Herrschaftsverhältnisse. Zugleich bezeichnet die Emanzipationszeit eine Krise des jüdischen Selbstverständnisses: Konversionen zum Christentum sowie andererseits innerjüdische Differenzierung in reformjüdische, orthodoxe und mittlere Richtungen können hier als Indikator genommen werden. Politisch und religiös war das Judentum also durchaus „uneinig“. Diese Differenzierungen wurden in der Öffentlichkeit allerdings kaum wahrgenommen. Sie nahm vielmehr die Bemühungen der in der Tradition der Aufklärung stehenden Liberalen in den Blick, die am entschiedensten für die Emanzipation im staatsbürgerlichen und wirtschaftlichen Sinne auftraten. Dabei geriet die Judenfrage in das Feld der prinzipiellen „innerdeutschen“ politischen Auseinandersetzungen. Differenzen dieser Art riefen jeweils die ebenso prinzipiell argumentierenden politischen Gegner auf den Plan und waren daher geeignet, gesellschaftliche Polarisierungen zu forcieren.

Vor allem in Baden werden die unterschiedlichen Dimensionen der „Judenfrage“ deutlich. Unter dem Einfluß des Liberalismus und der Verfassungsdiskussion steht die badische Politik vor dem Problem, eine außerordentlich differenzierte Sozialstruktur zu homogenisieren. Insbesondere die Konservativen flüchten in diesem Zusammenhang zur Fiktion „christlich gesellschaftlicher Einheitlichkeit“, in der das Judentum als ein Stör-und Desintegrationsfaktor aufgefaßt wird: „Der alte jüdisch-christliche Antagonismus wechselt in gefährlicher Weise ins Politische über.“ Dem sich emanzipierenden Judentum wird unterstellt, daß es zur Zersetzung der „christlichen Gesellschaft“ führe. Selbst der Liberale Rotteck erklärt den jüdischen Glauben als „völkerfeindlich“. Damit benutzt er einen Begriff, der auch später die Stellung der Juden in der Gesellschaft bedingt und belastet: die „Nationalabsonderung“.

In der ersten Jahrhunderthälfte handelte es sich bei diesem Begriff jedoch zunächst noch um einen unkonkreten, nahezu irrealen Vorwurf, denn der Nationalstaat der Deutschen war nicht entfernt vollendet. Argumentationsdefizite konnte allerdings der Begriff der „Race“ mindern, der im Zuge einer Vulgarisierung des aufgeklärten Naturrechts sowie der Ausbreitung der Naturwissenschaften an Schlüssigkeit gewann. Selbst die Liberalen nahmen den Rassenbegriff auf, wenngleich mit der Aufforderung, die Rassen zu mischen.

Im Vormärz sind, und damit verweise ich auf das von Rürup so fruchtbar gemachte „Krisentheorem“ verschiedene Krisen zu konstatieren: Zum einen die krisenhafte Durchsetzung einer nicht nur sozioökonomisch, sondern auch politisch definierten bürgerlichen Gesellschaft, die als Kontrast zur alten ständischen Gesellschaft erscheint. Menschen- und Bürgerrechte waren Ziele, die sich wechselseitig bedingten und die traditionelle Herrschaftsordnung in Frage stellten: Wahlrecht, Konstitutionalismus, Republik und Parlamentarismus lauteten einige der wichtigsten Parolen. Konservativen erschien die Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft als „Zersetzungsprozeß“ -und was lag näher, als die im Zuge der Freisetzung ihre Identität demonstrierenden Juden als „Zersetzungsprodukte“ zu begreifen?

Die politische und bewußtseinsmäßige Krise verlief parallel zu einer allgemeinen Glaubenskrise, die den Konservativen als Folge der die Toleranz auf den Begriff bringenden Glaubensfreiheit erschien. Reagierte man zunächst mit der Forderung, Juden sollten sich taufen lassen, so zog man bald eine Verbindung zwischen Judentum und Liberalismus und bereitete damit die Diskreditierung des einen durch den anderen vor. Jüdischer Liberalismus wurde zum Gegensatz und Gegner eines christlichen Staatsbewußtseins, und das heißt: des „christlich-konservativen Staates“, erklärt

Im Zuge der sozialen Entwicklung entstand überdies eine „neue Wirtschaft“, die als Profitsystem kritisiert wurde. Zwischen Profit und Wucher ließen sich umgangssprachlich leicht Entsprechungen herstellen. Wenngleich die Konservativen zunächst die Glaubensbedrohung stärker betonten, waren in der angedeuteten Kombination Argumentations- und vor allem Agitationslinien angedeutet, die im Laufe von wirtschaftlichen Krisenerscheinungen eine Massenresonanz entfalten konnten. Der Zusammenhang von Glaubenskrise und Judenhaß war hingegen geeignet, die Emotionalisierung des traditionell problematischen christlich-jüdischen Verhältnisses fortzusetzen und von der ständischen auf die bürgerliche Gesellschaft zu übertragen Man verband die augenscheinliche „Schwäche des Zeitalters im eigenen Glauben“ mit der angeblichen Macht des Judentums: „Daß das Judentum stets die Göttlichkeit Christi verneint hat, unterstützt jetzt die Auffassung, die Ungläubigkeit der Zeit sei Ausdruck des Sieges des Judentums über das Christentum ... Nicht nur hätten die Juden Christus gekreuzigt, behaupten evangelische und katholische Konservative, sondern sie unternähmen es, den Glauben an den Gekreuzigten selbst zu unterwühlen.“

Der konservative Pessimismus kontrastierte dabei eigenartig zur jüdischen Hoffnung als Ausdruck eines Reformbewußtseins, welches sich durch die Versuche, das Christentum im Germanentum zu begründen, nicht aufhalten ließ. Die völkische Komponente des Antisemitismus sollte sich jedoch in letztlich vernichtender Stoßkraft realisieren.

In diesem Zusammenhang ist auf ein weiteres Element des Judenhasses zu verweisen, aus dem der Antisemitismus hervorwuchs: Liberale orientierten sich in der Regel an den Prinzipien von Bildung und Besitz, in abstrakter Weise auch an dem Prinzip der Volkssouveränität. Wird dieses in der Realität des Parlamentarismus als funktionale Zu-schreibung von Besitz und Bildung gesehen, so ließen sich die die bisherige Gesellschaftsordnung sprengenden fundamentaldemokratisierenden Tendenzen nicht verkennen, die etwa in Wahlagitationen, Versammlungen und Resolutionen zum Ausdruck kamen. Was lag daher näher, als die im Vormärz den Südwesten Deutschlands erregenden „Juden-Adressen" im Gegenzug politisch fruchtbar zu machen und die Erregung über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die unterstellte Verantwortung der Juden den Liberalen anzulasten? Die politisch-instrumentelle Bedeutung des Judenhasses als konservative Integrationsideologie liegt damit auf der Hand

Die Konsequenzen dieser Verwendung des Antisemitismus als politisches Mittel der Integration wurde vollends nach der Reichsgründung deutlich, die zunächst nur eine „unvollendete Nation“ zum Ergebnis zu haben schien. Der eigentliche Einigungsprozeß der „verspäteten Nation“ brauchte viele Jahre und erfolgte schließlich auch unter dem dauerhaften Zwang eines „inneren Kampfkurses“, als dessen Stationen Katholiken-, Sozialisten-und Demokratenverfolgung, die Militarisierung des politischen Systems, imperialistische Ablenkung von innenpolitischen Spannungen, nationale und außenpolitische Phobien (gegen Polen, Dänen, Franzosen, Engländer) und schließlich der neue Antisemitismus bezeichnet werden

Verfolgungen begünstigen politische Anpassungen: Die aus dem nationalen Konsens Ausgekreisten versuchen zu beweisen, daß ihnen Unrecht geschehen sei, und gehen auf die Suche nach anderen Sündenböcken. Es ist unbestreitbar, daß der Antisemitismus von den Katholiken gefördert wurde, die ihn zugleich mit einer scharfen Liberalismuskritik verbanden. Im Zuge der antiliberalen Wendung Bismarcks in den Jahren 1877/78 nahmen wiederum rechtsliberale Publizisten das Argument einer Gefährdung des Nationalstaates auf und erklärten die „integrationsunwilligen“ Juden zu einer Gefahr für Staat und Nationalkultur. Zum Sprachrohr dieser Bestrebungen machte der borussische Historiker und Publizist Heinrich von Treitschke die „Preußischen Jahrbücher“.

Treitschke ging dabei auch auf die antisemitische christlich-soziale Agitation ein wie sie von dem Hofprediger Adolf Stoecker auf dem politischen Massenmarkt umgesetzt wurde, vor allem in Berlin, wo man durch antisemitische Agitation versuchte, sowohl den liberalen Bewegungen als auch der Sozialdemokratie „das Wasser abzugraben“. Stellte Stoeckers antisemitische und dabei sehr kapitalismuskritische Agitation eine eher als demagogisch einzuschätzende Einflußnahme dar, so brach mit Treitschke eine in liberalen Kreisen hochangesehene Persönlichkeit in die liberale Front ein. Sie propagierte die zur allgemeinen Reformdiffamierung gewordene Gründerkritik ebenso wie die These, daß die Liberalen die zunächst ständisch gebundene Gesellschaft entfesselt und damit auch die Auflösungserscheinungen zu verantworten hätten

Für Treitschke war daher die antisemitische Agitation Ausdruck des „Volksgewissens“, also der Erkenntnis, daß „wüster Unglauben“ vernichtet und „religiöser Ernst“ befördert, der „kirchliche Sinn unverkennbar“ erstarken müßten oder gar bereits erstarkt waren. Er propagierte einen Wandel der politischen Kultur, indem er den Wandel des angeblichen Volksgewissens „gegen die weichliche Philanthropie unseres Zeitalters“ begrüßte und forderte, „die unerbittlich strenge Majestät des Rechts in unsern Gesetzen wie in ihrer Handhabung wieder zur vollen Anerkennung gelangen zu lassen“. Er erkannte in der „leidenschaftlichen Bewegung gegen das Judentum“ ein signifikantes „Symptom der tiefen Umstimmung“, nicht nur der „flüchtigen Aufwallung“: „Nein, der Instinkt der Massen hat in der That eine schwere Gefahr, einen hochbedenklichen Schaden des neuen deutschen Lebens richtig erkannt; es ist keine leere Redensart, wenn man heute von einer deutschen Judenfrage spricht.“

Wie sahen nach Treitschke die Hauptelemente dieser Frage aus? Abgesehen von der Kritik am Ost-judentum, das er als wachsendes, assimilierungsfeindliches „Zersetzungs" -und Widerstandselement definierte, forderte er von den deutschen Juden, „sie sollen Deutsche werden“; die zweifelhafte „Mischcultur“ mit „Orientalen“ lehnte er ab. Ferner verband Treitschke die „Judenfrage“ mit konservativer Zeitkritik: „Unbestreitbar“ habe das „Semitenthum an dem Lug und Trug, an der frechen Gier des Gründer-Unwesens eine großen Antheil“. Auch für den „schnöden Materialismus unserer Tage, der jede Arbeit nur noch als Geschäft betrachtet und die alte gemüthliche Arbeitsfreudigkeit unseres Volkes zu ersticken droht“, müsse es die Verantwortung übernehmen. „Unsere Gesittung ist jung; uns fehlt noch in unserem ganzen Sein der nationale Stil, der instinctive Stolz, die durchgebildete Eigenart, darum waren wir so lange wehrlos gegen fremdes Wesen. Jedoch wir sind im Begriff, uns jene Güter zu erwerben, und wir können nur wünschen, daß unsere Juden die Wandlung, die sich im deutschen Leben als eine nothwendige Folge der Entstehung des deutschen Staates vollzieht, rechtzeitig erkennen.“

In Treitschkes Artikel wird somit das ganze Bündel des Judenhasses in die moderne Zeit gestellt. Für ihn sind die Juden Erzeugnis wie Nutznießer, in jedem Fall aber die Verantwortlichen der Wirtschafts-und Bewußtseinskrise, die er konstatiert. Deutsche Politiker, an ihrer Spitze Otto von Bismarck, nutzten die Gelegenheit und schlossen sich vor allem in Wahlkämpfen nicht selten der antisemitischen Bewegung an: Es war leicht, Menschen zu mobilisieren für politische Interessen, indem man sie gegen angebliche Feinde hetzte. Juden, die sich schon früh engagiert zum Liberalismus und zum demokratischen Sozialismus bekannt hatten, die immer auch Weltbürger waren und ihr Nationalbewußtsein mit den Freiheitsbestrebungen und der Humanität der Aufklärung in Verbindung bringen wollten, wurden in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts so zur Inkarnation des politisch Bösen und Fremden, wie sehr die Führungsschichten auch persönlichen Umgang mit dem gebildeten jüdischen Bürgertum pflegten.

III. Weimarer Republik

Als sich das neue Jahrhundert ankündigte, war der Antisemitismus in Deutschland schon weit verbreitet er sickerte in viele Parteien, in viele Köpfe -so sehr tolerante Geister sich auch dem zu widersetzen versuchten. Zu ihnen zählte etwa der liberale Historiker Theodor Mommsen, der spürte, daß die Gleichheit der Bürger in den politischen Gegensätzen seiner Zeit zerstört wurde.

Der Erste Weltkrieg hatte den Zerfall der Gemeinsamkeit nicht aufhalten und sie schon gar nicht bringen können. Bald nach 1914 brachen die alten politischen Konflikte erbittert wieder auf, so sehr der Wunsch nach nationaler Gemeinsamkeit die Köpfe beherrscht hatte. Viele Sozialdemokraten, Katholiken und Juden starben einen sinnlosen Tod für ein Vaterland, das sie Jahre zuvor noch als Reichsfeind diskreditiert und aus dem nationalen Konsens ausgeschlossen hatte. Am Ende blieb ein verratenes Reich: Verraten vom Kaiser, verraten von den Militärs, verraten von einer Führungselite, die 1914 die Flucht nach vorn angetreten hatte. Wer sollte die Erbschaft antreten?

Liberale Demokraten, Anhänger des politischen Katholizismus und Sozialdemokraten sprangen ein; in ihrem Kreis waren zahlreiche jüdische Politiker, die von den Konservativen und anderen, die deutsche Bevölkerung im Stich lassenden politischen Kräften der Monarchie sogleich diffamiert wurden. Führende Intellektuelle, Wissenschaftler, Juristen, Politiker, die aus dem Judentum kamen, empfanden sich aber zuerst als Deutsche; sie wollten in der Republik nicht ihrem Interesse und ihrer Karriere dienen, sondern der deutschen Demokratie nutzen. Viele Anhänger der Monarchie betrachteten sie mit Mißgunst, weil sie die Prinzipien der neuen Politik ablehnten: Pazifismus, Demokratie, Sozialismus, Rechtsgleichheit und sozialpolitische Grundsätze erfüllten sie mit Mißtrauen und Furcht, ja mit Abscheu. Weil sich aber Juden schon früher stärker zu Liberalismus und sozialer Demokratie hingezogen fühlten, setzten die Gegner dieser politischen Strömungen deren Bestrebungen mit denen des Judentums gleich. So wurde die Weimarer Republik schon 1918 als „Judenrepublik“ abgelehnt.

Die Parteien der politischen Rechten konnten sich nicht dazu bereitfinden, in den Deutschen, die sich zum Judentum bekannten und die durch die großen Reformen des 19. Jahrhunderts zu Staatsbürgern mit Bürger-und Menschenrechten geworden waren, gleichgesinnte und gleichberechtigte Mitbürger zu sehen. Gerade weil die Weimarer Republik in ihrer Verfassung die Emanzipationsbewegung des 19. Jahrhunderts abschloß, weil Juden nicht nur dem Verfassungsanspruch, sondern auch der Verfassungswirklichkeit nach gleichbehandelt wurden, verabscheuten die Feinde der Republik mit den politischen Kräften dieser ersten deutschen Demokratie auch die Juden. So war es eine Tragik des Judentums und eine Paradoxie der Geschichte, daß die Republik den Aufstieg derjeni-gen politischen Kräfte erleichterte, die das deutsche Judentum vertreiben, ja vernichten wollten

Dieses deutsche Judentum war durchaus nicht einheitlich. Es konzentrierte sich in den Städten, es zeichnete sich durch wirtschaftlichen Erfolg, wissenschaftliche Wegführerschaft, publizistischen Wagemut und vielfach durch eine dezidiert republikanische Gesinnung aus. Es gab auch konservative Juden, ebenso wie es „Zionisten“ gab, die von einem Nationalstaat der Juden träumten und sich einer Assimilation, einer Angleichung der jüdischen Kultur und Identität widersetzten. Und es gab eine verhängnisvolle Kluft zwischen den Juden, die im Kaiserreich durch wirtschaftlichen Erfolg und kulturelle Anerkennung aufgestiegen waren und sich als Angehörige des deutschen Bürgertums empfanden, und den Ostjuden, die in bestimmten Vierteln großer Städte, vor allem in Berlin lebten, die an ihrer Sprache und Kleidung zu erkennen waren und die mit den assimilierten und emanzipierten Juden augenscheinlich keine Gemeinsamkeit hatten.

So lebten die deutschen Juden bald in dem Bewußtsein einer krisenhaften, gefährdeten Existenz: Auf den Straßen tobte sich in Wahlauseinandersetzungen der politische Antisemitismus aus; das Dahinsiechen des Liberalismus und das sprunghafte Anwachsen der antisemitischen Parteien ließen Schutzlosigkeit wachsen. Auch die Kritik am Kapitalismus, die von rechten und linken Parteien getragen wurde, erblickte dessen Repräsentanten häufig im Juden.

Das deutsche Judentum war als soziale Gruppe sozial und politisch, kulturell und konfessionell keineswegs geschlossen, sondern wies eine Struktur wie die übrige deutsche Gesellschaft auf. Weltanschauliche, religiöse, auch regionale Gegensätze bestimmten deshalb die Erfahrungen, die viele Juden in der Weimarer Republik machten. Religion, Tradition und Abstammung ließen sie jedoch nach außen hin als homogene Einheit erscheinen. Erst allmählich wandten sich die unterschiedlichen Strömungen des Judentums der eigenen Geschichte und Kultur zu; sie wollten eine jüdische Identität ausbilden und stellten sich in die Kontinuität des Judentums. Hier ist daran zu erinnern, daß das Judentum bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts eine Nationalreligion war, in der jüdisches Volk und jüdische Religionsgemeinschaft identisch waren. An diese Tradition knüpften die Anhänger des Zionismus an. Für sie waren Juden zunächst immer Angehörige des einen jüdischen Volkes, also keine Deutschen, sondern nur deutsche Staatsbürger. Gegenüber den Antisemiten wollten die Zionisten eine jüdische Identität behaupten und mit der deutschen Identität in einen Gleichklang des Zusammenlebens bringen.

Innerhalb des Judentums waren diese Versuche keineswegs allgemein akzeptiert, denn viele empfanden sich zuallererst oder ausschließlich als Deutsche. Diese Selbsteinschätzung ging so weit, daß viele deutsche Juden mit den Zionisten oder den Angehörigen des Ostjudentums keine inneren Berührungspunkte empfanden. Dieser Aufgeschlossenheit entsprach auf der anderen Seite die Binnenstruktur der selbstbewußten jüdischen Gruppierungen, die sich durch dieses Selbstbewußtsein von ihrer antisemitischen Umgebung ab-schlossen.

Zionisten und Ostjuden reagierten aber außerordentlich empfindsam auf den Wandel in den deutschen politischen Stimmungen deren Antisemitismus stets auch Ausdruck eines Krisenbewußtseins gewesen war. Dies zeigte sich nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der New Yorker Börse, der Arbeitslosigkeit in Deutschland, die Radikalisierung des deutschen Parteien-systems und den Zerfall des deutschen Parlamentarismus nach sich zog. Alle Parteien bis auf die SPD gerieten in den zerstörerischen Dunstkreis des Antisemitismus. Viele deutsche Juden flüchteten sich deshalb zur Sozialdemokratie. Die drohenden Gefahrensignale -Schlägereien und Überfälle auf Ostjuden, Hepp-hepp-Rufe in Berliner Straßen, Mordanschläge auf Politiker, die als jüdische Erfüllungspolitiker galten -nahmen sie vielfach nicht ernst. Dabei bildete sich gegen Ende der Weimarer Republik ein antisemitischer nationaler Konsens aus, den die Nationalsozialisten radikalisieren und bereits konkret gegen einzelne jüdische Mitbürger wenden konnten. Denn Hitler war von Anbeginn entschlossen, die „Judenfrage“ in seinem Sinne zu klären. In seiner Kampfschrift findet sich ein verräterischer Hinweis auf die militärische Niederlage, die abgewendet hätte werden können, wenn man rechtzeitig ein paar tausend deutsche Juden unter Giftgas gesetzt hätte.

IV. Im nationalsozialistischen Deutschland

Als die NSDAP an die Macht gelangte, verwirklichten sich bald die schlimmsten Befürchtungen ihrer Kritiker und Gegner. Bereits im Sommer hatte der liberale Publizist Theodor Wolff angekündigt, ein Wahlerfolg der Nationalsozialisten bedeute die Realisierung der „Herrschaft der Rache“. Der vor 1933 nur propagandistisch ausgeweitete Rassenantisemitismus wurde bald nach der NS-Machtergreifung Regierungspolitik Die deutschen Juden konnten sich das Kommende häufig nicht vorstellen; lediglich unbeirrbare liberale und sozialdemokratische, kommunistische und pazifistische Juden waren klarsichtiger und trugen als politisch Verfolgte die erste Massenemigration. Allein 1933 verließen etwa 40 000 jüdische Mitbürger das Deutsche Reich, ein Jahr später fast 30000. Manche deutsche Juden erblickten ihr Heil zunächst sogar in der Betonung ihrer nationalen Zuverlässigkeit. Sie legten ihre Kriegsauszeichnungen an und vertrauten darauf, daß den aktiven Kriegsteilnehmern des Weltkriegs und deren Angehörigen kein Leid geschehen würde. Sie erkannten nicht, daß die NS-Führung keineswegs ihr Nationalgefühl bezweifelte, sondern daß sie keinen Wert auf sie als Menschen legte.

Wir haben uns heute daran gewöhnt, die Verfolgung der Juden vor allem als Übergriff des NS-Regimes und seiner Anhänger zu sehen. Wir können vielleicht aber auch das Leid ermessen, welches nach 1933 über viele der sich als deutsche Bürger und Patrioten fühlenden jüdischen Mitbürger kam, die ihre Identität als Deutsche nicht einfach ablegen und die Identität als Juden annehmen konnten. Viele fanden sich benachteiligt in ihren Berufen als arbeitslos gewordene Angestellte, Beamte, Lehrer, als vertriebene Wissenschaftler oder entwurzelte Jungakademiker. Wir wissen, daß die gesellschaftliche Ächtung der Juden schon vor 1933 vorbereitet worden war; nach 1933 erhielt sie jedoch eine politische und rechtliche Grundlage. Eine Zusammenstellung des Sonderrechts für die Juden im NS-Staat weist etwa 2 000 Gesetze, Verordnungen und Erlasse nach.

In dieser Vielzahl von Maßnahmen des Unrechts-staates ragen einige Ereignisse hervor -sie brannten sich auch in die Erinnerung der Opfer tief ein. Das erste einschneidende Erlebnis war der von NSDAP und SA organisierte Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933. Viele Juden empfanden zum ersten Male hilflos die diffamierende Rechts-und Wehrlosigkeit; sie fühlten sich nicht nur gedemütigt, sondern auch sozial isoliert. Der deutsche Jude wurde zum erstenmal offiziell gebrandmarkt, gesellschaftlich ausgegrenzt, d. h. aus dem nationalen Konsens ausgegliedert. Wenige Monate später, am 14. Juli 1933, erließ die Reichsregierung ein Gesetz, welches die Vernichtung des rassischen Gegners vorbereitete. Zum Schutz der Rasse sollten angeblich „rassisch Minderwertige“ sterilisiert werden können. Es erhob sich kein lautstarker Protest. Die Zerstörung all dessen, was als „rassisch minderwertig“ erklärt wurde, setzte allmählich ein, vor aller Augen und vor allem im Bewußtsein einer Fachöffentlichkeit, die Instrumente sogenannter „positiver“ und „negativer“ Rassen-politik entwickelte, erprobte und verteidigte. Abtreibungen, Bestrahlung von Fortpflanzungsorganen, schließlich Tötung von Kindern, Eltern, Generationen und Geschlechtern, ja von Völkern waren die Folgen. Auch die Nürnberger Rassengesetze von 1935 stellten eine Stufe der Eskalation von der Verachtung zum Übergriff dar. „Rassenschande“ wurde ein Delikt -niemand schien zu fragen, ob nicht menschliche Beziehungen, Freundschaften, schließlich Menschen zerstört würden. Juden wurden auch rechtlich zu Angehörigen einer eigenen Rasse gemacht, der sie nicht mehr entkommen konnten.

Die Ausgrenzung der deutschen Juden verstärkte deren Eigen-und Selbstbewußtsein. So erhielten zionistische Organisationen zunehmend Einfluß auf die Entstehung einer jüdischen Identität. Wie aber sollten die deutschen Juden, die sich weiterhin als Deutsche empfanden, auf Terror, Entrechtung, Verringerung der Bildungschancen und gesellschaftliche Ächtung reagieren? Für sie bot die Emigration keinen akzeptierbaren Ausweg, denn sie fühlten sich im Exil fremd, glaubten angesichts der Not, die die Nationalsozialisten durch die rigide Enteignung der auswanderungswilligen Juden hervorriefen, nicht an eine lebenswerte Existenz-möglichkeit. Zu alldem kam die Fremdenfeindlichkeit der aufnehmenden Länder. Dennoch blieb langfristig nur die Emigration, um auf die Bedrohung zu reagieren.

Heute fragen immer wieder Menschen, weshalb sich die Juden wie „Schlachtlämmer zur Schlachtbank“ führen ließen. Wir erblicken in deren Angst, in der Ausweglosigkeit und Hilflosigkeit eine wichtige Erklärung und sollten weniger auf die Opfer schauen, sondern die Verantwortung der Täter und ihres Umfelds in den Blick nehmen. Dieses Umfeld zeichnete sich durch Gefühllosigkeit und Gleichgültigkeit aus -und an dieser generellen Einschätzung ändert auch der Hinweis auf die zu wenigen helfenden Hände nichts Die erzwungene Auswanderung blieb so als einzige Möglichkeit der Selbstbehauptung; sie entsprach der Vertreibungspolitik, die wir als Deutsche wenige Jahre später in weitaus größerem Umfang dann selbst erleiden mußten. Allein zwischen 1934 und 1938 verließen 100000 deutsche Juden das Reich; sie mußten sich mit der Unsicherheit und dem Elend eines ungewissen und häufig feindlichen Asyls abfinden.

V. Das Problem des Widerstands von Juden

Angesichts der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen gegen die Juden stellt sich bis heute die Frage, weshalb sich offene Auflehnung gegen die Entrechtung so selten nachweisen läßt. Im Hinblick auf die nichtjüdischen Mitmenschen läßt sich die Antwort leicht finden. Sie waren vielfach befangen in antisemitischen und antijudaistischen Vorstellungen, wollten sich nicht gefährden, blickten weg aus Gleichgültigkeit oder aus Angst. Hier ist an Hannah Arendts Essay über „organisierte Schuld“ zu erinnern, in dem sie schrieb: „Jedesmal, wenn die Gesellschaft in der Erwerbslosigkeit den kleinen Mann um sein normales Funktionieren und seine normale Selbstachtung bringt, bereitet sie ihn auf jene letzte Etappe vor, in der er jede Funktion, auch den , job‘ des Henkers, zu übernehmen bereit ist.“

Jede Überlegung zu den Voraussetzungen und Möglichkeiten des Widerstands von Juden ist insofern schwierig, als sie unsere verengte Sicht des Widerstands überwinden muß, die nur in der politisch motivierten Auseinandersetzung mit dem Staat hinreichende Bedingungen der Auflehnung erkennt. Dagegen muß die Frage nach jüdischem Widerstand und Selbstbehauptung vielmehr von den sozialen, kulturellen und auch politischen Voraussetzungen einer Auflehnung von Juden ausgehen, von der totalen Feindschaft gegenüber dem Judentum durch einen Gegner, der die „Vernichtungsfrage“ nicht nur stellte, sondern sie zielstrebig, zynisch, brutal und menschenverachtend zu beantworten suchte.

Die zentrale Kategorie eines solchen Widerstands-begriffs, der diese besondere Situation an der Grenze zur Vernichtung nicht nur von Einzelnen oder von Gruppen, sondern zur intendierten Ermordung eines ganzen Volkes reflektiert, kann nicht die politisch motivierte Aktion sein, sondern nur der Wille zur Selbstbehauptung. Dies mag ein schwaches Wort sein, in der Gegenwart inflationiert durch vielfältige Verwendung in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen. Hier aber ist Selbstbehauptung ganz existentiell gemeint: Die drohende eigene Vernichtung oder der Verlust geliebter Menschen konnte nur überwunden werden bei einem rigiden Annehmen des eigenen Selbst. Und nur wer überlebte, hatte die Möglichkeit zu hoffen, dereinst -nach der Befreiung -die Nachricht vom Schrecken zu verbreiten, die Tatsachen zu berichten, an die zu glauben sich anscheinend bis heute viele weigern. Wir wissen aus überlieferten Erinnerungen, daß dieser Gedanke, diese Hoffnung Überlebenskraft spendete, um die Kenntnis des Schreckens und des Unrechts in die Zukunft zu tragen -um dem peinigenden Gegner nicht die Möglichkeit zu überlassen, seine Geschichte zu schreiben und sie damit zu fälschen.

Zuweilen konnte dieser Überlieferungswille sich sogar schon in der Lagergegenwart entfalten: Absprachen wurden getroffen, Gegenstände aus dem Lager geschmuggelt, schließlich sogar Nachrichten an die Welt vermittelt. Aus diesem Willen erwuchs etwa die Widerständigkeit einer Gefangenen in der Kleiderkammer, die in den Taschen der nach „draußen“ verbrachten Mäntel von Ermordeten Judensterne versteckte -um eine Andeutung von den geschehenen Verbrechen in die Außenwelt zu tragen Der Wille, die Tatsachen -nicht also nur die Erinnerungen -zu dokumentieren und für die Zukunft zu bewahren, ist eine wesentliche Antriebskraft zur Selbstbehauptung gewesen.

Die Selbstbehauptung konnte sich zum Selbstbewußtsein steigern, das auf seine Verwirklichung durch eine Aktion drängte. Die Manifestationen des Widerstands von Juden sind vielfach nur als Versuch gedeutet worden, zumindest die Begleitumstände des von der NS-Führung angeordneten Vernichtungsprozesses zu beeinflussen. Immer aber ging es um mehr als um einen Akt letzter Verzweiflung. Der Selbstbehauptungswille bestimmte den unterschiedlich motivierten organisierten Widerstand, den Juden im Rahmen von politischen Gruppierungen leisteten, sowie die Anstrengung zur Rettung des eigenen Lebens durch Verweigerung und aktive Abwehr. Sie handelten niemals aus partieller innerer Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus wie weite Teile des militäri-sehen und aus dem Bürgertum hervorgehenden deutschen Widerstands

Die Geschichte jüdischer Selbstbehauptung ist zugleich auch ein Teil der Geschichte der Nichtjuden, für die dieser jüdische Selbstbehauptungswille ebenso bedeutsam ist wie für die Juden selbst. Denn die „Judenfrage“, die die Nationalsozialisten „lösen“ wollten, war ja nicht allein eine Frage der Nichtjuden an die Juden. Die „Judenfrage“ war und ist auch die Frage der Juden an uns, wie manche Gegner Hitlers -in größter Scharfsichtigkeit wohl Dietrich Bonhoeffer und Karl Barth -sehr frühzeitig erkannten Ihre Einsicht auch in diese Zusammenhänge bestimmte den eigenen weiteren Weg in die Gegnerschaft zum nationalsozialistischen Gewaltsystem. Immer ging es dabei nicht zuletzt auch um die Möglichkeit, in dieser Gegnerschaft einen Teil der eigenen Moralität zu beweisen und die menschliche Identität zu behaupten.

Was bleibt? Die uns menschlich anrührenden Selbstbehauptungsversuche von Juden sind nicht Teil einer Erfolgsgeschichte des Kampfes gegen den Nationalsozialismus -und sie sind nicht an ihren Wirkungen im Kampf gegen den Völkermord zu messen. Angesichts der totalen Vernichtungsbereitschaft rührt jeder einzelne, der dem Tod entkam, an unser Herz und legt Zeugnis vom Überlebenswillen der Juden ab. Die Geschichte der Juden ist insgesamt Ausdruck einer jahrtausendelangen Selbstbehauptung -als Volk, als Gruppe, als Individuum. So betrachtet, brauchen die Juden kaum den Mythos vom Widerstand, wie er in vielen Staaten West-und Osteuropas gepflegt wird -mit der Gefahr einer letztendlichen Entmythisierung.

VI. Der Völkermord an den Juden

Sehr bald nach 1933 wurde deutlich, daß die Boykottierung der Geschäfte deutscher Juden und die Verkündigung der Nürnberger Rassengesetze nur der Anfang einer zielstrebig realisierten „Eliminierung“ waren In der Öffentlichkeit entstand bald ein ganz spezifisches Meinungsklima, welches die Demonstration von Mitmenschlichkeit gegenüber Verfemten zu einem Akt der Zivilcourage machte.

Aber nicht nur die sogenannten Reichsdeutschen zogen sich von ihren jüdischen Mitbürgern zurück. Auch die Juden sonderten sich, überwiegend aus Angst, menschlich enttäuscht zu werden, weithin ab. Ihre Entrechtung und Verfolgung brannten sich tief in ihr Bewußtsein ein.

Erschien so der Boykott von 1933 in der Erinnerung vieler als Beginn der Judenverfolgung, so war das Parteipogrom vom November 1938 -die Nationalsozialisten sprachen hämisch von „Reichskristallnacht“ -der Beginn der Judenvernichtung. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 gingen in Deutschland die meisten Synagogen in Flammen auf, wurden Wohnungen und Geschäfte jüdischer Mitbürger zerstört und geplündert, wurden Menschen durch die Straßen gehetzt, geprügelt und gedemütigt. Etwa 100 deutsche Juden starben auf den Straßen und in den nationalsozialistischen Folterlokalen. Nach Dachau und Buchenwald wurden im November 1938 jeweils etwa 10000 verschleppt; von ihnen überlebten mindestens 800 nicht den Lagerterror. Aber im Vergleich zu den Juden, die sich nach 1939 noch in Deutschland befanden, hatten die Verhafteten von 1938 noch die Möglichkeit, mittellos, aber doch mit der Hoffnung auf eine Existenz das feindliche Deutschland zu verlassen. Selbst den Juden, die als deutsche Kriegsteilnehmer die trügerische Hoffnung auf Schutz und Respekt gehegt hatten, wurde inzwischen die Aussichtslosigkeit ihrer Lage bewußt. So begann Ende 1938 ein zweiter Exodus nach 1933; allein 1938 und 1939 verließen etwa 100000 Juden Deutschland und entkamen auf diese Weise dem Tod.

Nach 1938 setzte eine verstärkte Flut staatlicher antijüdischer Maßnahmen und Gesetze ein. Bereits zwei Tage nach dem Pogrom wurde den deutschen Juden eine Kontribution von einer Milliarde Mark auferlegt; überdies bestimmte die deutsche Regierung, daß jeder Geschädigte selbst für seinen Schaden aufzukommen habe. Ab 1. Januar 1939 durften Juden keine Gewerbebetriebe mehr führen Die Vornamen Israel und Sarah wurden für sie verbindlich, die Pässe erhielten ein großes J. Die Möglichkeit, das Leben in Deutschland zu fristen, wurde Schritt für Schritt begrenzt. Die verbleibenden Juden arbeiteten meistenteils als Hilfsarbeiter in Fabriken der großen Städte oder in landwirtschaftlichen Betrieben; nur wenige konnten bei den jüdischen Gemeinden eine bescheidene Anstellung finden. Mit Kriegsbeginn wurden viele Juden Zwangsarbeiter. Dieser Krieg war von Hitler von Anfang an auch als Krieg gegen die Juden bezeichnet worden. Dies bedeutet: Die Verdrängung und Ausrottung des europäischen Judentums stellte ein zentrales Kriegsziel dar. Hitler hatte schon im November 1937 in einer Rede diesen Entschluß verkündet: „Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in-und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann würde das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“ Hitlers Drohungen zielten auf Öffentlichkeit: Sie wurden nicht allein im Rundfunk übertragen, sondern auch in Form von „Schmuckblättern“ vielfach verteilt und in das öffentliche Bewußtsein eingebrannt.

Mitte Oktober 1939 trafen Deportationszüge in Polen ein: Juden aus Österreich und aus dem „Protektorat“ waren die ersten Opfer der Ghettoisierung. Zwei Wochen später tauchten in Warschau die ersten Judensterne an den Kleidungsstücken auf, und Ende November wurde das Tragen dieses Sterns im ganzen Generalgouvernement zur Pflicht gemacht. Pflicht bedeutete in diesem Zusammenhang, mit aller Konsequenz von den Opfern zu verlangen, sich in höchste Lebensgefahr zu begeben: Jede Abweichung wurde bestraft, und jeder „Sternträger“ war durch sein Zeichen schutzlos und wehrlos gemacht

Mitte Februar 1940 wurden aus dem Reichsgebiet die ersten jüdischen Mitmenschen deportiert: Pommerns Juden wurden nach Lublin verladen und ahnten häufig, wie wir aus Zeugenaussagen wissen, was auf sie zukommen sollte. Die Bilder über den Beginn der Deportationen sind bekannt -und dennoch schildern diese Fotos von Bahnsteigen und Wagen nicht die ganze Lebenswirklichkeit, vor allem nicht die Vielzahl der Hände, die jede Deportation zu einem bürokratisierten Vorgang machten.

So mußten Listen mit den Namen der zu Deportierenden erstellt, Fahrpläne koordiniert, Züge zusammengestellt, kommunale Behörden informiert, Polizisten alarmiert werden. An den Sammelstellen wurden Namen abgehakt, Notbetten angewiesen. Bei den Behörden und Sparkassen waren Dinge des täglichen Lebens, Sparbücher und Konten zu erfassen. Beschlagnahmeformulare mußten ausgefüllt, Restsummen auf die Sammelkonten überwiesen werden. Ein Zug mit 1000 Deportierten bedeutete: Tausende Formulare waren auszufüllen, Hunderte von Sparbüchern (mit in der Regel geringen Summen) waren aufzulösen -und dies alles im Einklang mit dem bestehenden Recht, mit BGB und Benutzungsordnung der Sparkassen. Aber es gab auch die „unbürokratische“ Vernichtung: Hinter der deutschen Front wüteten sowohl in Polen als auch in Frankreich, später dann in der Sowjetunion Einsatzgruppen, die in wenigen Wochen Hunderttausende von Menschen ermordeten Insoweit war der Zweite Weltkrieg vom ersten Tag an auch ein brutal geführter Krieg gegen die Juden: nicht zuletzt gegen jüdische Frauen und Kinder, gegen Greise und Wehrlose.

Im Herbst 1940 errichteten die Nationalsozialisten ein erstes großes Ghetto in Warschau. Es wurde Wochen später hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt. Anfang 1941 trafen weitere Deportationszüge in Warschau ein: Mehr als 70000 Juden wurden in diesen wenigen Wochen in das War-schauer Ghetto gepfercht.

In diesen Monaten fielen in Berlin folgenschwere Entscheidungen, deren konkreter Ablauf bis heute nicht voll geklärt ist: die „Judenfrage“ endgültig zu lösen, wie es im Jargon der Unmenschlichkeit hieß. Bis heute versagt die menschliche Sprache, um die Ungeheuerlichkeit dieses Entschlusses zum Völkermord auszudrücken. Die Nationalsozialisten benutzten den Begriff der „Endlösung“, um die Ermordung eines ganzes Volkes zu bezeichnen; die Vernichtung des einzelnen Menschen galt ihnen als „Sonderbehandlung“. Sprache, zumal die der Bürokratie, diente nur noch der Verschleierung des Schlimmsten. Die Dimensionen dieser Tat waren derart schimpflich und einmalig, daß auch in der Folgezeit immer wieder nach einem angemessenen Wort gesucht wurde. So behalf man sich mit dem Begriff des „Holocaust“, um gleichwohl zu erkennen, daß dieses alttestamentarische Wort ein Brandopfer bezeichnet, welches unmöglich auf den millionenfachen Völkermord angewendet werden kann. Vielleicht bezeichnet das Wort „Haschoah“, die neuhebräische Übersetzung von Holocaust in Anlehnung an Jes. 10, 3, genauer dieses wohl größte Verbrechen der Geschichte, das in seiner Art unvergleichlich ist und daher auch keiner Relativierung zugänglich gemacht werden sollte. Vielleicht ist auch der Vorschlag von Karl Jaspers noch einmal zu erwägen, von „Menschheitsverbrechen“ zu sprechen denn es handelte sich ja um Verbrechen eines Teiles der Menschheit an einem wehrlosen, in seinem Existenzrecht und seiner Menschlichkeit in Abrede gestellten Teil derselben Menschheit.

VII. Ausblick

Wo war die Hand, die sich regte, um Juden zu retten? Wir sehen sie nur selten, etwa im Handeln der „Gerechten“, die Verfolgte versteckten etwa im Wunsch der Widerstandskämpfer, das geschändete Recht wieder einzusetzen, etwa anfangs 1943 in der Verzweiflung der 200 Ehefrauen von Juden, die ihre verhafteten Männer vor dem Berliner Sammellager in der Rosenstraße „frei“ -demonstrierten. Von den 134000 deutschen Juden, die deportiert wurden, überlebten nur etwa 8000. Die Zahlen im Osten Europas gehen noch weit darüber hinaus. Viele nahmen sich schon vor ihrer Deportation das Leben, um wenigstens die Bedingungen ihres eigenen Todes noch bestimmen zu können. Auch der Aufstand im Warschauer Ghetto erscheint so als ein kollektiver Selbstmord, als Ausdruck einer letzten Verzweiflung und Würde, der für viele Juden später zum Ausgangspunkt einer neuen Existenz und Identität wurde

Heute ist das Ausmaß der Verbrechen bekannt -es kann in seinen Dimensionen von keinem bezweifelt werden. Dies ist auch eine Folge der zeit-historischen Forschung nach 1945 sowie der Prozesse gegen nationalsozialistische Gewalttäter Wird heute auch über die Zielstrebigkeit mancher Ermittlungen und die Angemessenheit der Strafen kontrovers diskutiert, so ist doch die Wirklichkeit der NS-Verbrechen niemals zweifelhaft.

In den Zusammenhang der „Endlösung“ der soge-nannten „Judenfrage“ gehört auch ein lange Zeit tabuisierter Verbrechenskomplex: die Ermordung sowjetischer Kriegsgefangener. Durch den „Kommissarbefehl“ und einen „Gerichtsbarkeitserlaß“, die fast zur selben Zeit wie der Entschluß zur „Endlösung“ fallen -im Sommer 1941 -, sollten Kommissare der Roten Armee umgehend und ohne strafrechtliche Folgen für die Mörder erschossen werden können. In der Wirklichkeit des Krieges wurden neben den Kommissaren immer auch als „jüdisch“ eingestufte Rotarmisten ermordet -hinter der Front oder in den riesigen Gefangenenlagern. Die Zahl der Erschossenen war gleichwohl noch „gering“ gegenüber den etwa drei Millionen russischen Gefangenen, die in den deutschen Lagern zu Tode kamen, weil man in ihnen weltanschauliche Feinde und eine „rassische“ Gefahr erblickte. Sie verhungerten, starben an Krankheiten, wurden als Bolschewisten oder Juden exekutiert, erschlagen oder vergast.

Neben diesen Millionen Opfern der großen Verbrechenskomplexe nationalsozialistischen Rassen-wahns dürfen weder die Morde an den Sinti und Roma, an den Fremdarbeitern noch die vielen Verbrechen an der „Heimatfront“ übersehen werden: mindestens 5 000 Todesurteile des Volksgerichtshofes, viele tausend Todesurteile von Sonder-und Militärgerichten, zerstörte Lebensverhältnisse als Folge von Denunziationen und einer sich verschärfenden Strafgesetzgebung, schließlich die Opfer medizinischer Versuche und der Vergeltungsverbrechen. Sie alle summieren sich zu einer erschreckenden Bilanz: Außer den unmittelbaren Opfern des Krieges sind dies etwa zehn bis elf Millionen Opfer der NS-Gewaltherrschäft. Wer immer über die Konsequenzen der militärischen Niederlage des Deutschen Reiches als der Geburtsstunde der deutschen Nachkriegsdemokratie, als Ende des bisherigen deutschen Nationalstaats und als Beginn der Spaltung mit wiederum millionenfacher Flucht, Vertreibung und Tod nachdenkt, muß sich dessen bewußt bleiben, daß erst mit dieser Niederlage das Ende einer Schrekkensherrschaft besiegelt wurde, welche weitaus mehr als die vielzitierten sechs Millionen Toten gefordert hatte. Die Anerkennung dieser Tatsache, die nicht aus der Welt zu schaffen ist und unter deren Last die Angehörigen aller Toten bis heute leiden, ist eine ständige Herausforderung für alle, die deutsches sich für ein Geschichtsbewußtsein einsetzen.

Seit der nationalsozialistischen Zeit können wir Nation nicht mehr allein durch gemeinsame Spra-ehe, Kultur und Geschichte definieren. Nation ist immer auch Verantwortungs-und Schuldgemeinschaft, Gemeinschaft derjenigen, die sich dazu bekennen, die Last der Geschichte zu tragen, sich der Erinnerung zu stellen und sich der historischen Wahrheit zu verpflichten Dies hat nichts mit Selbstbezichtigung zu tun, sondern ist im Gegenteil Ausdruck einer Mündigkeit und eines Nationalgefühls, welches Geschichte nicht vorteilhaft parzellieren will, sondern sie in ihrer Gesamtheit wertet und würdigt. Vielleicht läßt sich mit dem Ernst einer solchen Trauer-und Erinnerungsarbeit sogar ein neues Selbstbewußtsein und Selbstverständnis finden

Dieses neue Selbstverständnis lebt aus dem Gefühl des Verlustes, den die Zerstörung des immer wechselhaften und von den historischen Entwicklungen extrem abhängigen Verhältnisses zwischen Juden und Nichtjuden -um den Begriff „Deutsche“ zu vermeiden, denn Juden in Deutschland waren auch Deutsche -für die Geschichte und Kultur Deutschlands bedeutet hat. Hannah Arendt empfand diese gemeinsame Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg als beendet, da die jüdische Bevölkerungsgruppe durch die Nationalsozialisten nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa fast ganz vernichtet worden war: „Vergangen, zerstört für immer jene Welt“ -so schrieb sie in einem Aufsatz über „die Juden in der Welt von gestern“

Heute könnte diese gemeinsame Geschichte wieder eine Zukunft haben, nicht nur in Israel, sondern auch in Deutschland. Dies drückt sich nicht zuletzt darin aus, daß immer wieder Angehörige des überlebenden osteuropäischen Judentums nach Berlin streben -nicht nur, um in den sichereren Verhältnissen einer weltoffenen Stadt ihre Zukunft zu bauen, sondern auch, weil sie diesen neuen Verhältnissen trauen und hoffen, ein neues Kapitel der deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte beginnen zu können.

Diese Hoffnung, die immer wieder durch Über-griffe, aber auch durch Resignation gefährdet ist, wird sich erst dann erfüllen, wenn im „Holocaust“ nicht nur eine Katastrophe der Geschichte gesehen wird, sondern er ein Bezugspunkt der Identitätsfindung von Juden und Nichtjuden heute und in Zukunft bleibt. Richard von Weizsäcker hat diese Verbindung betonen wollen, als er sagte: „Schuld ist, wie Unschuld, persönlich. Schuld oder Unschuld eines ganzen Volkes gibt es nicht. Aber jeder Deutsche trägt die Erbschaft der Geschichte seines Volkes -die Erbschaft der ganzen Geschichte mit ihren hellen und dunklen Kapiteln. Es steht ihm nicht frei, die dunklen Teile auszuschlagen.“

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Helmut Berding, Antisemitismus in Deutschland 1870-1980, Frankfurt/M. 1987.

  2. Deshalb gibt es bis heute wesentlich mehr Arbeitstexte und pädagogische Handreichungen für die Behandlung des Themas im Literatur-als im Sozialkundeunterricht. Vgl. etwa Christhaard Hoffmann/Bernd Passier (Hrsg.), Die Juden. Vorurteil und Verfolgung im Spiegel literarischer Texte, Stuttgart 1986. Die übersichtliche Darstellung von Wanda Kampmann, Deutsche und Juden. Die Geschichte der Juden in Deutschland vom Mittelalter bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges, Heidelberg 1963, endet mit einem nur kurzen Ausblick auf die folgende Katastrophe.

  3. Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Frankfurt/M. 1958, S. 267.

  4. Vgl. Hans Liebeschütz/Arnold Paucker (Hrsg.), Das Judentum in der deutschen Umwelt 1800-1850. Studien zur Frühgeschichte der Emanzipation, Tübingen 1977; Werner E. Mosse/Arnold Paucker/Reinhard Rürup (Hrsg.), Revolution and Evolution 1848 in German-Jewish History, Tübingen 1981.

  5. Eleonore Sterling, Judenhaß. Die Anfänge des politischen Antisemitismus in Deutschland 1815-1850, Frankfurt/M. 1969, S. 81.

  6. Vgl. Reinhard Rürup, Emanzipation und Antisemitismus. Studien zur „Judenfrage“ der bürgerlichen Gesellschaft, Göttingen 1975.

  7. Vgl. Peter Putzer, Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich, Bielefeld 1966.

  8. Vgl. Paul W. Massing, Vorgeschichte des politischen Antisemitismus, Frankfurt/M. 1959, S. 21 ff.

  9. E. Sterling (Anm. 5), S. 108f.

  10. Vgl. insgesamt Hannah Arendt, Elemente totaler Herrschaft, Bd. I: Antisemitismus, Frankfurt/M. -Berlin-Wien 1975.

  11. Vgl. Wolfgang Sauer, Das Problem des deutschen Nationalstaates, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Moderne deutsche Sozialgeschichte, Köln-Berlin 1966, S. 407ff., besonders S. 428 ff.

  12. Vgl. Preußische Jahrbücher, XXV, Berlin 1870, S. 691.

  13. Vgl. Heinrich Treitschke, zit. nach Walter Boehlich (Hrsg.), Der Antisemitismusstreit, Frankfurt 1965, S. 7ff. wie auch die folgenden Zitate.

  14. Vgl. Juden im Wilhelminischen Deutschland 1890-1914. Ein Sammelband, hrsg. von Werner E. Mosse und Arnold Paucker, Tübingen 1976. Außerordentlich bemerkenswert die dreibändige Sammlung „Jüdisches Leben in Deutschland“, hrsg. u. bearb. von Monika Richarz, Stuttgart 1976 bis 1982; jeweils mit vorzüglichen Einleitungen zum Forschungsstand und zur historischen Problematik.

  15. Vgl. Werner E. Mosse/Amold Paucker (Hrsg.), Deutsches Judentum in Krieg und Revolution 1916-1923, Tübingen 1971.

  16. Vgl. Eva-Gabriele Riechmann, Flucht in den Haß. Die Ursachen der deutschen Judenkatastrophe, Frankfurt/M. 1969.

  17. Vgl. Werner E. Mosse/Arnold Paucker (Hrsg.), Entscheidungsjahr 1932, Tübingen 19662. Dort weitere Studien, auf die hier nur verwiesen werden kann.

  18. Vgl. als allgemeinen Überblick Uwe Dietrich Adam, Judenpolitik im Dritten Reich, Düsseldorf 1972; neueste Umsetzung auf die stadtgeschichtliche Ebene bei Wolfgang Wippermann, Das Leben in Frankfurt zur NS-Zeit, Bd. 1: Die nationalsozialistische Judenverfolgung, Frankfurt/M. 1986; ferner der Forschungsüberblick von Konrad Kwiet, Zur historiographischen Behandlung der Judenverfolgung im Dritten Reich, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 27 (1980), S. 144-192.

  19. Vgl. die Zusammenstellung bei Joseph Walk, Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, Heidelberg-Karlsruhe 1981; vgl. ferner die noch immer ausgezeichnete Dokumentation „Das Schwarzbuch: Tatsachen und Dokumente. Die Lage der Juden in Deutschland 1933“, Paris 1934 (Neuausgabe Berlin 1983).

  20. Vgl. Kurt R. Grossmann, Die unbesungenen Helden. Menschen in Deutschlands dunklen Tagen, Berlin 1961.

  21. Hannah Arendt, Organisierte Schuld, in: dies., Die verborgene Tradition. Acht Essays, Frankfurt/M. 1976, S. 42.

  22. Vgl. dazu allgemein den Überblick von Konrad Kwiet/Helmut Eschwege, Selbstbehauptung und Widerstand. Deutsche Juden im Kampf um Existenz und Menschenwürde 1933-1945, Hamburg 1984; Herbert Freeden, Vom geistigen Widerstand der deutschen Juden, in: Otto R. Romberg u. a. (Hrsg.), Widerstand und Exil 1933-1945, Bonn 1985, S. 47ff.

  23. Vgl. Hermann Langbein, ... nicht wie die Schafe zur Schlachtbank. Widerstand in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, Frankfurt/M. 1980.

  24. Vgl. Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.), Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime 1933-1945, Herford-Bonn 1984; Jürgen Schmädeke/Peter Steinbach (Hrsg.), Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die deutsche Gesellschaft und der Widerstand gegen Hitler, München 1985.

  25. Vgl. Eberhard Busch, Juden und Christen im Schatten des Dritten Reiches, München 1979.

  26. Vgl. Arnold Paucker (Hrsg.), Die Juden im nationalsozialistischen Deutschland, Tübingen 1985.

  27. Vgl. Helmut Genschei, Die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft im Dritten Reich, Göttingen 1966; Hans-Dieter Schmid u. a. (Hrsg.), Juden unterm Hakenkreuz. Dokumente und Berichte zur Verfolgung und Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten 1933 bis 1945, 2 Bde., Düsseldorf 1983.

  28. Hier zit. nach Wilhelm von Kämpen (Bearb.), Holocaust. Materialien zu einer amerikanischen Fernsehserie über die Judenverfolgung im „Dritten Reich“, Bonn 1978, S. 32.

  29. Vgl. Gerhard Schoenberner, Der gelbe Stern. Die Judenverfolgung in Europa 1933 bis 1945, Hamburg 1960, Frankfurt 1991; ders., Wir haben es gesehen. Augenzeugen-berichte über die Judenverfolgung im Dritten Reich, Hamburg 1962.

  30. Vgl. Helmut Krausnick/Hans-Heinrich Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938-1942, Stuttgart 1981. Eberhard Jäckel/Jürgen Rohwer (Hrsg.), Der Mord an den Juden im Zweiten Weltkrieg. Entschlußbildung und Verwirklichung, Stuttgart 1985.

  31. Vgl. Dolf Sternberger u. a., Aus dem Wörterbuch des Unmenschen, Hamburg-Düsseldorf 1968 (als Taschenbuch Berlin-Frankfurt 1986); Victor Klemperer, LTI. Notizbuch eines Philologen, zuerst 1946, Taschenbuch Frankfurt/M. 1975, S. 197ff.

  32. Vgl. Karl Jaspers, Die Schuldfrage. Für Völkermord gibt es keine Verjährung, München 1979, S. 136ff.

  33. Vgl. Anton Maria Keim (Hrsg.), Yad Vashem. Die Judenretter aus Deutschland, Mainz-München 1983; K. R. Grossmann (Anm. 20).

  34. Dies läßt sich vor allem in literarischen Zeugnissen aufspüren; vgl. Hans Jürgen Schultz (Hrsg.), Mein Judentum, Stuttgart 1978; Herbert A. Strauss (Hrsg.), Juden und Judentum in der Literatur, München 1985; Micha Brumlik u. a. (Hrsg.), Jüdisches Leben in Deutschland seit 1945, Frankfurt/M. 1986. Eine Monographie zum Thema bereitet Anat Feinberg/Tel Aviv vor; vgl. dies., Zeitgeschichte und nationale Identität. Der Mythos vom „neuen“ Juden in der politischen Kultur Israels, in: Bernd Hey/Peter Steinbach (Hrsg.), Zeitgeschichte und Politisches Bewußtsein, Köln 1986, S. 146 ff.

  35. Vgl. Jürgen Weber/Peter Steinbach (Hrsg.), Vergangenheitsbewältigung durch Strafverfahren? NS-Prozesse in der Bundesrepublik Deutschland, München 1984; ferner den Beitrag Arndt zur Verjährungsdebatte des von Adolf Jahres 1965, dokumentiert in: Zur Verjährung nationalsozialistischer Verbrechen. Dokumentation der parlamentarischen Bewältigung des Problems 1960-1979, 3 Teile, Bonn 1980, hrsg. vom Deutschen Bundestag, hier Bd. 1, S. 213f.

  36. Vgl. zu diesem geschichtspädagogischen und -didaktischen Konzept Joachim Rohlfes, Geschichte und ihre Didaktik, Göttingen 1986, S. 365ff., S. 376ff.

  37. Vgl. Peter Steinbach, Vergangenheit als Last und Chance. Vergangenheitsbewältigung in den 50er Jahren, in: Jürgen Weber (Hrsg.), Die Bundesrepublik wird souverän 1950-1955. Bd. 1: Die Ära Adenauer, München 1986, S. 309 ff.

  38. Hannah Arendt, Juden in der Welt von gestern, in: dies., Die verborgene Tradition, Frankfurt/M. 1976 (Neu-aufl.), S. 76.

  39. Richard von Weizsäcker, zit. nach: Das Parlament, Nr. 33 vom 9. August 1991, S. 4.

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