Die kritische Agrarversorgung in zahlreichen Tropenländern ist in den wenigsten Fällen „naturgegeben“. Zwar sind Hungersnöte zumeist Folgen von relativer Überbevölkerung oder von Bürgerkriegen, jedoch geht die allgemeine Armut der Landbevölkerung häufig auf feudalistische Besitzstrukturen zurück. Diese lassen sich weitgehend als Relikte kolonialzeitlicher Hazienda-und Plantagenformen belegen. Aber auch die in den Industrieländern entwickelten Methoden des „technofarming“ sind gerade in den Tropen zum Scheitern verurteilt. Die Gründe hierfür liegen in den bodenkundlichen und klimatologischen Eigenheiten der Tropen, für die sich moderne Konzepte der Landnutzung mittlerer Breiten als unzweckmäßig erweisen. Statt dessen muß das Nutzungsziel das natürliche Potential der einzelnen Tropenzonen berücksichtigen, wobei sich traditionelle Methoden der Bewirtschaftung unter Einbeziehung neuer Erkenntnisse durchaus in moderne Strategien der Produktion sowie der Verarbeitung und Verteilung eingliedern lassen. Erfolgversprechende Voraussetzungen für eine den agrarökologischen Gegebenheiten gemäßere landwirtschaftfliche Nutzung zeichnen sich erst in jüngster Zeit ab, da zumindest in Lateinamerika und möglicherweise auch in Afrika eine fortschreitende Demokratisierung einen Trendwechsel in den Agrarinteressen erkennen läßt.
I. Ökologische Systeme in den Tropen
Um agrarökologische Probleme der Tropen auch im Hinblick auf die Entwicklungshilfe zu verstehen, müssen die Tropen erst allgemein beschrieben werden. Es entsteht sonst der Eindruck, es handele sich bei den Tropen um eine einheitliche natürliche Region. Übergeordnetes Kriterium zur Abgrenzung der Tropen von den Außertropen sind Unterschiede in der Temperatur. In den Tropen ist die Tages-schwankung der Temperatur größer als die jährliche Temperaturschwankung. Im Tiefland liegt das Jahresmittel über 18°C, und es herrscht Frostfreiheit. Die Jahresmitteltemperatur von mindestens 18°C besagt als Wärmemangelgrenze, daß bestimmte tropische Kulturpflanzen unter diesem Wert nicht mehr gedeihen.
Aus der jahreszeitlichen Verteilung der Niederschläge und den Niederschlagsmengen folgt eine weitere Unterteilung der Tropen. Diese Differenzierung zeigt sich besonders in der unterschiedlichen Ausprägung der Vegetation. Auch alle anderen Glieder des Ökosystems wie die Hydrologie, der Boden und das Relief unterliegen diesem klimatischen Wandel. Notwendigerweise sind ebenso die Handlungsstrategien der Menschen auf dem Agrarsektor den unterschiedlichen Voraussetzungen unterworfen.
Lauer nimmt eine grobe Zweigliederung in Feucht-und Trocken-Tropen vor Die Grenze zwischen beiden Tropenarten liegt bei sechs ariden Monaten, d. h. Monaten ohne Niederschlag. Eine feinere Untergliederung verschiedener tropischer Klimazonen ergibt sich aus folgender Übersicht.
Die Untergliederung erfolgt bei dieser Klassifikatior eigenen Entwurfs aus einer Kombination klimatologischer und pflanzenkundlicher Kriterien. Sie kommt daher der Behandlung ökologischer Fragestellungen entgegen.
Das Klima des immerfeuchten Regenwaldes ist besonders ausgeglichen. Die täglichen Tempera-TropischeKlimazonen aride (niederschlagsfreie) Klimatyp Vegetation
Monate 1. vollarid Wüste 11-12 2. subarid Halbwüste und Dornsavanne 8-10 3.semiarid Trockensavanne 6-7 4.semihumid Feuchtsavanne 4-5 5. subhumid halbimmergrüner Feuchtwald 2-3 6. vollhumid immergrüner Regenwald 0-1 turschwankungen führen im Verlauf des Vormittags zu einer Erwärmung. Als Folge steigt die feuchte Luft auf, und es kommt fast täglich zu Gewittern. Eine markante Trockenzeit fehlt.
Die ganzjährig hohen Temperaturen und die Feuchte führen zu einer intensiven, tiefgründigen chemischen Verwitterung des Bodens. Er kann daher nur wenig Nährstoffe binden. Diese „Ferralit“ genannten Böden sind also sehr nährstoffarm. Aber auch in den inneren Tropen bestimmen Relief und Gestein die Bodenbildung. So bilden sich auf vulkanischen Aschen, in Gebirgen, Becken und Tiefenlinien durchaus nährstoffreiche Böden.
Die überwiegend nährstoffarmen Böden stehen im Kontrast zur üppigen Wuchskraft des tropischen Regenwaldes, die im besonderen Nährstoffkreislauf begründet liegt. Dabei werden vor allem Stickstoffverbindungen aus der dünnen Humus-schicht vor ihrer Zersetzung über Bodenpilze (Mykorrhiza) den Pflanzen zurückgeführt. Man spricht vom „kleinen Nährstoffkreislauf“, der rasch und direkt abläuft. Die Vegetation ist an diese Bedingungen, z. B. durch ein flach streichendes Wurzelwerk, angepaßt.
Der Idealtyp eines immergrünen tropischen Regenwaldes zeigt eine ungewöhnliche ArtenVielfalt. Sie bedingt eine hohe ökologische Stabilität, schafft aber auch denkbar ungünstige Bedingun-gen für eine waldwirtschaftliche Nutzung. Die dichte Bodenüberschirmung wirkt sich günstig auf den Wasserhaushalt aus. Zum einen ist der Oberflächenabfluß vermindert, so daß Bodenabtrag eine untergeordnete Rolle spielt. Zum anderen werden große Teile des Niederschlags durch Transpiration wieder an die Atmosphäre abgegeben. Der tropische Regenwald ist daher ein wirksamer Klimaregler.
Durch das Relief und die Land-Meer-Verteilung modifiziert, schließen sich zu den Wendekreisen hin die anderen tropischen Zonen an, die sich durch eine allmähliche Abnahme der Niederschläge auszeichnen. Letztere sind an Regenzeiten gebunden, so daß man auch von wechselfeuchten Tropen spricht.
Hier folgen den Regenwäldem der immerfeuchten Tropen zuerst die halbimmergrünen Feuchtwälder. In dieser Zone unterscheidet sich die natumahe Vegetation zwar von der vorhergehenden durch kurzzeitigen Laubfall eines Teils der Bäume sowie einer eingeschränkteren Wuchskraft und geringeren Artenzahl. Die bodenbildenden Prozesse gleichen jedoch denen der immerfeuchten Warmtropen, so daß prinzipiell noch keine großen Unterschiede in den Ökosystemen festzustellen sind. Die Agrarwirtschaft nimmt jedoch ebenso wie in den folgenden Feuchtsavannen wesentlich höhere Anteile als in der Regenwaldregion ein, da die Inwertsetzung der Nutzflächen leichter fällt.
Die natürliche Vegetation der Feuchtsavanne ist durch ein Nebeneinander von Baumbeständen und Grasländern gekennzeichnet. Die Bäume passen sich der periodischen Trockenzeit durch eine Einschränkung der Transpiration, z. B. durch Laub-fall, an. Die brusthohen Gräser trocknen weitgehend ab.
Auch in den Feuchtsavannen besitzen viele Böden ähnliche Eigenschaften wie jene der Regenwaldzone. Aufgrund des geringeren Feuchteangebots und der ausgeprägten Trockenzeit sind Basen und Kieselsäuren in solchen „Ferrsialiten" aber weniger stark ausgewaschen. Der Wechsel von Trocken-und Regenzeit führt vor allem bei schütterer Vegetation zu Beginn der Regenzeit zu erheblichem Bodenabtrag. In Ebenen und Mulden wird das Material eingeschwemmt. Solche „Vertisole" sind dementsprechend nährstoffreicher, und die Bodenfeuchte hält sich länger. Sie sind aber auch schwerer zu bearbeiten, was dazu führt, daß die Hanglagen intensiver genutzt werden. Die Folge ist ein verstärkter Bodenabtrag.
In der Trockensavanne wird die pflanzliche Produktion nicht mehr durch Nährstoffarmut, sondern durch klimatische Trockenheit limitiert. Die Pflanzen passen sich mit zunehmender Aridität durch wassersparende oder -speichernde Organe an. Lichte Baumgruppen mit Schirmkronen überschatten kniehohes Gras. Die abnehmenden Niederschläge gehen mit einer wachsenden Variabilität einher, d. h. Regenzeiten können ausfallen. Beide Faktoren beeinflussen sehr stark die Bodenbildung. Die Entwicklungstiefe nimmt weiter ab, ebenso die chemische Verwitterung und damit der Tonanteil. Außerdem findet kaum noch eine Auswaschung von Nährstoffen statt. Da die Niederschläge meist als Starkregen fallen, ist mit abnehmender Vegetationsbedeckung die Erosionsgefahr besonders hoch. Bei Jahresniederschlägen von 500 bis 1000 mm ist nur periodisch Regenfeldbau möglich, ansonsten wird unter Bewässerung angebaut. Die Viehwirtschaft gewinnt mit Rückgang des Akkerbaus an Bedeutung.
In den Domsavannen, Halbwüsten und Wüsten spielt der Ackerbau mit Ausnahme von Bewässerungsflächen bzw. Oasen überhaupt keine Rolle mehr. Es handelt sich um ökologisch besonders labile Gebiete, die bei Übernutzung sehr leicht degradiert werden. Hier sei die Ausbreitung der Wüste (Desertifikation) in der Sahelregion stellvertretend angeführt, die ebenfalls zu den agrarökologischen Problemen der (Rand-) Tropen zählt.
Die in weiten Teilen der Tropen ungünstigen Eigenschaften der Böden führten zur Einschätzung einer ökologischen Benachteiligung der Tropen Die Üppigkeit der tropischen Regenwälder steht dieser Tatsache entgegen. Von einer generellen Benachteiligung der Tropen kann nicht ausgegangen werden, denn die Teilzonen lassen aufgrund ihrer komplexen ökologischen Ausstattung keine Verallgemeinerung in bodenkundlicher Hinsicht zu. Außerdem sind für die gesamten Tropen die hohen, ausgeglichenen Temperaturen als Gunst-faktor zu sehen. In den inneren Tropen kommt die ganzjährig genügende Feuchtigkeit hinzu
II. Traditionelle Nutzungsformen in den Tropen
Die aufgezeigte Zonierung deutet an, daß in den Tropen auch die Agrarsysteme und die damit einhergehenden ökologischen Probleme vielfältig sind. Die Spanne reicht vom Nomadismus bis zur Plantagenwirtschaft und von der Abholzung des Regenwaldes bis zur Desertifikation in Savannen.
Um bei den traditionellen Nutzungsarten der Viehwirtschaft in den Zonen der Wüsten bis Trokkensavannen zu beginnen, sind hier Formen des Nomadismus zu erwähnen, die ausschließlich in der alten Welt in Gebieten begrenzten Regenfeldbaus anzutreffen sind. Für die Tropen seien die Stämme der Fulbe (Westafrika) und die der Massai (Ostafrika) als Träger jahreszeitlicher Wanderungen mit Viehherden erwähnt. Da in der Kolonial-und Nachkolonialzeit die Weidegebiete durch Plantagen-Wirtschaft, Bevölkerungswachstum und Grenzziehungen erheblich eingeengt wurden, sind nun die Wanderungsmöglichkeiten begrenzt und nomadische Nutzungen auf trockenere Standorte zurückgedrängt. In der vorkolonialen Zeit mit geringen Wachstumsraten der Bevölkerung war der Nomadismus durchaus als ökologisch angepaßte Nutzungsform zu verstehen. Unter den heutigen Bedingungen einer radikalen Einschränkung der Wanderungsmöglichkeiten und einer Bevölkerungsexplosion in vielen Ländern der Dritten Welt kommt es meistens zu einem Überbesatz der Weiden. Folgen davon sind eine Ausbreitung der Wüste und katastrophale Hungersnöte beim mehrmaligen Ausbleiben von Regenzeiten. Überall in den feuchten Tropen, also vom Regenwald bis zur Feuchtsavanne, ist die „shifting cultivation“ als eine der traditionellen Formen des Ackerbaus gebräuchlich. Bei diesem Verfahren wird der Urwald mit Buschmesser und Feuer gerodet. Durch das Abbrennen steht im Oberboden schlagartig eine große Menge an Nährstoffen bereit, die aber aufgrund der geringen Rückhaltekräfte des Bodens rasch zurückgeht. Die Bearbeitung erfolgt mit der Hacke bzw.dem Grabstock, eine Zusatzdüngung findet nicht statt. Die rasche Bodenverarmung zwingt die Bauern, nach zwei bis vier Jahren die Wirtschaftsfläche zu verlagern. Auf dem aufgegebenen Feld bildet sich wieder Wald, der für eine begrenzte Regeneration der Boden-fruchtbarkeit sorgt. Die Grenzen des Wanderfeldbaus sind im enormen Flächenbedarf zu sehen.
Mit zunehmender Bevölkerungsdichte geht die Nutzform vom Wanderfeldbau zum Rotationsfeldbau über, ebenfalls eine recht primitive Form, die trotz hohen Arbeitsaufwandes von geringer Wirtschaftlichkeit geprägt ist. Der Landwechsel erfolgt in festen Zyklen um die lockeren Siedlungen. Bei Landknappheit werden die Brachejahre immer kürzer, so daß eine Regeneration durch Sekundär-wald kaum noch erfolgt: der verarmt zunehmend. Auf diese Weise tragen z. B. entsprechende „Milpa“ -Systeme Mexikos massiv zur Landflucht bzw. zur Überbordung von Städten bei.
Es ist aber zu betonen, daß die primitiven Formen des Wander-und Rotationsfeldbaus vorerst an dünn besiedelte Regionen mit hohem Waldanteil gebunden waren. Sobald der Bevölkerungsdruck wuchs, ohne daß Migrationsgebiete zur Verfügung standen, mußten Techniken größerer Effektivität entwickelt werden. Auch hierfür gibt es in der traditionellen Landwirtschaft der Tropen Beispiele, deren Untersuchung wichtige Impulse für eine angepaßte Nutzung geben können.
Wiederum weltweit (aber weniger verbreitet) anzutreffen ist der gemischte Anbau in mehreren „Stockwerken“, der den sensiblen Nährstoffkreis der natürlichen Waldsysteme optimal imitiert. So wird z. B. an den unteren Hangpartien des Kilimandscharo und in den Usambarabergen (Tansania) schon seit vorkolonialer Zeit intensiver, permanenter Ackerbau betrieben. Unter bodenaufbessemden Schattenbäumen (Honigerzeugung) folgt ein Stockwerk aus Bananenstauden, Kaffee-Sträuchern und Obstbäumen. Zuunterst oder zwischengeschaltet werden Maniok, Süßkartoffeln und Gemüse angebaut. Zusatzdüngung erfolgt mit Stallmist, der bei der Haltung weniger Tiere anfällt.
Aber auch einförmiger Anbau kann traditionell verankert sein. Dies belegen Reiskulturen auf Bali, wo gerade in den feuchtesten Regionen die dichteste Bevölkerung herrscht, die bei flächen-zehrenden Anbaumethoden wie Wander-oder Rotationsfeldbau keine Existenzmöglichkeiten hätte. So unterliegen die Reiskulturen Bewirtschaftungssystemen, in denen die sofortige Reparatur defekter Terrassen und Bewässerungskanäle oberstes Gebot ist. Die ausgeklügelten Verfahren reichen vom gezielten Einsatz von Enten bei der Schädlingsvertilgung bis zur besonders wertvollen Vogelmist-Düngung in versetzbaren Pferchen unter Aufsicht eines dörflichen „Entenhüters“. Sobald sich allerdings Bevölkerungsteile im Rahmen des indonesischen Umsiedlungsprogramms „Transmigrasi" von hierher in menschenarme Regenwaldgebiete vermitteln lassen (Kalimantan, Irian Jaya), geraten diese Techniken in Vergessenheit. Angesichts der vermeintlich unbegrenzten Flächenreserven kommt es dann fast zwangsläufig zu den primitiven Formen des Landaufbrauchs.
Schließlich sei als Beispiel aus den Hochgebirgen die Terrassenwirtschaft im bolivianischen Kallawaya-Tal vorgestellt, wo in einem für die spanischen Kolonisatoren unattraktiven Rückzugsgebiet inkaische Systeme überdauern. Auch hier bildet eine ausgefeilte Terrassenwirtschaft an den steilen Talhängen die Grundlage. In bewässerten Gemeinschafts-Fluren wird Naturdung für die gleichmäßige Verteilung in die Kanäle eingegeben, wobei Fruchtwechsel unter Einschaltung boden-verbessernder Leguminosen (Stickstoff anreichernde Pflanzen) die Bodenfruchtbarkeit zusätzlich erhalten. Auf unbewässerten Flurstücken kommt die Zelgenwirtschaft (Felderkomplex kann von allen Berechtigten in gleicher Weise und zur gleichen Zeit genutzt werden) zum Tragen, wobei die Anzahl der Brachejahre auf die Trockenheit und Bodenqualität im betreffenden Talabschnitt ausgerichtet ist. Dieses System der siedlungsnahen Bewirtschaftung ist eingebettet in einen saisonalen Wirtschaftsverbund mit Viehhaltung in den Hoch-lagen und mehrschichtigen Mischkulturen in tieferen Regionen.
Bleibt zu ergänzen, daß Wander-und Rotationsfeldbau durchweg höchstens . die Selbstversorgung des Produzenten gewährleistet. Die Beispiele des Terrassenanbaus in Indonesien und Bolivien dienen zusätzlich der lokalen bis regionalen Markt-versorgung. Daneben ist schließlich der gemischte Stockwerkanbau auch schon mit einer bescheidenen internationalen Marktorientierung verbunden.
III. Innovationen des Landbaus in den Tropen
Gilt das Produktionsziel in den traditionellen Betrieben also der Lebensmittel-Versorgung im Lande (food crops), so kommt seit, Beginn der jeweiligen Kolonialzeit der Anbau von Erzeugnissen für Übersee-Staaten hinzu (cash crops). Zu diesen von außen kommenden Innovationen zählt seit dem 17. Jahrhundert die Einrichtung riesiger Weideflächen in den Haziendas Lateinamerikas sowie seit dem 18. Jahrhundert die Plantagen-Wirtschaft. In die jüngere Phase der politischen Unabhängigkeit der meisten Tropenländer fällt als neuer Schritt der Beeinflussung die Ausweitung des offenen Feldbaus im Rahmen der „Grünen Revolution“
Die Hazienda-Wirtschaft konzentrierte sich zunächst auf die Trocken-und Feuchtsavannen. Da hier auch Zentren indianischer Kulturen lagen, bedingte die Anlage riesiger Weideflächen einenInteressenkonflikt mit der einheimischen Landwirtschaft. Hinzu trat die Zwangsrekrutierung von Einheimischen im Rahmen des „encomienda" -Systems, die somit der traditionellen Agrarwirtschaft entzogen wurden. Ökologische Schäden löste vorerst nur indirekt die Verdrängung von Bauern in Rückzugsgebiete aus. Dieses Problem hielt in nachkolonialer Zeit an, wobei nun auch halbimmergrüne Feuchtwälder der Hazienda-Wirtschaft zum Opfer fielen. Im Regenwald Amazoniens schreitet dieser Prozeß bis heute fort.
Die Plantagen-Wirtschaft, die den Schwerpunkt französischer und englischer Interessen bildete, findet ihren Ursprung bereits im vorkolonialen Genußmittel-Handel mit Asien und Afrika. Als wichtigste Exportprodukte führen Kaffee und Tee, später auch Zuckerrohr, Sisal und Kokos zum Expansionsdrang der Kolonialmächte. Seit Ende des letzten Jahrhunderts kommen Kakao, Kautschuk und Bananen hinzu, dann Ananas und afrikanische Ölpalmen sowie als jüngste Entwicklung in den letzten zehn Jahren Zierpflanzen und Mangos. Strukturell zeichnen sich diese Plantagen durch mehrjährige und damit zumeist hochwüchsige Kulturpflanzen aus. Dies betrifft vor allem die Baum-plantagen mit Palmen oder Kautschuk, während die ebenfalls mehljährigen Zierpflanzen-und Ananas-Plantagen niederwüchsige Kulturen bilden. Der Forderung einer bestmöglichen Imitation der natürlichen Ökosysteme entsprechen am ehesten die traditionellen Kaffeepflanzungen. Hier werden die Nutzsträucher ebenfalls von bodenaufbessernden Schattenbäumen überschirmt; Unkraut wird toleriert, d. h. gejätet und nicht ausgerottet (Erosionsschutz).
Die französische und englische Einflußnahme sowie jene der frühen multinationalen Konzerne kollidierten nicht im gleichen Maße wie die spanische Hazienda-Wirtschaft mit einheimischen Interessen. Denn in erster Linie fielen den Plantagen Regen-und Feuchtwälder zum Opfer.
Nahezu menschenleer war z. B. die karibische Küstenebene Zentralamerikas, in der sich die United sowie etwas später die Standard Fruit Company ihren Namen machte. Den politischen Einflußnahmen dieser Konzerne in den „Bananenrepubliken“ zum Trotz darf nicht verschwiegen werden, daß die materielle und soziale Versorgung einheimischer Arbeitnehmer hier einen relativ fortschrittlichen Stand erreichte. Und selbst in dichter bevölkerten Kolonien wie in Kenia und Tanganjika wurde mit dem Aufbau von Großplantagen auf Gunststandorten eher ein kleinerer Teil der traditionellen Kleinbauern verdrängt, etwa in den White Highlands in Kenia. Hier geriten etwa 20 Prozent des nutzbaren Ackerlands in weiße Hände.
Mitte der sechziger Jahre wurden auch im Rahmen der Entwicklungshilfe moderne Agrartechnologien auf die Tropen übertragen. Die Erfolge dieser Technologien beruhen auf dem Einsatz von Hochleistungszüchtungen, die großflächig mit hohem Input von „anthropogener Energie“ angebaut werden. Unter anthropogener Energie werden die menschliche Arbeitskraft, Kunstdünger, Pflanzenschutzmittel, Saatguteinsatz, Maschinen, Treibstoff, Bewässerung und Transport verstanden. Das Ziel liegt in einer Leistungssteigerung, wobei die Konzepte zunächst für die hochtechnisierten Länder der mittleren Breiten erarbeitet wurden.
Ausgerichtet sind die Hilfsmittel des „technofarming“ auf einjährige Kulturpflanzen, also auf Getreide, Hülsenfrüchte, Baumwolle, Soja oder Sesam. Von der traditionellen Plantagen-Wirtschaft werden jene Sorten in die moderne Agrartechnologie einbezogen, die jährlich über Sproßwurzeln neu austreiben, also Zuckerrohr und Bananen. Gerade das Methodenpaket des „technofarming“ erweist sich nun in den Tropen als überaus anfällig. Die anfängliche Euphorie über die Transferidee der grünen Revolution weicht nun einer Ernüchterung, die durch nachlassende Produktionszahlen genährt wird. Sprach man zuerst von einer „ökologischen Benachteiligung“ einer ganzen Landschaftszone, so werden nun allmählich die natürlichen Hintergründe bekannt, die das Scheitern des Technologietransfers erklären. Noch gravierender ist aber das Problem der Schäden, die in den Tropen von diesen Verfahren ausgehen.
IV. Auswirkungen unzweckmäßiger Anbauverfahren in den Tropen
Neben den ökonomischen Nachteilen deuten sich also bereits die ökologischen Gefahren an, die sowohl von einigen der traditionellen als auch von modernen Agrartechniken ausgehen. Eine Unter-scheidung von internen und externen Problemen ist dabei wenig zweckmäßig, da die meisten „internen Schäden“ bei genauerer Betrachtung auch externe Folgen zeigen. So beschränkt sich in Kultu-ren mit hohen Wuchsleistungen wie Bananen-oder Zuckerrohrpflanzungen der ungemein hohe Kunstdünger-und Pestizid-Eintrag keineswegs allein auf die Böden. Herbizide und Insektizide gehen über das Grundwasser in die Flüsse ein, wo sie im Rahmen der Nahrungskette zuerst Mikroorganismen beeinträchtigen, sich dann in Organen höherer Lebewesen akkumulieren und schließlich auch die Konsumentengruppe der Säuger sowie die Menschen erreichen. Hiervon abgesehen, werden im folgenden klimatologische und hydrologische Veränderungen, Erosionsschäden und Bodenverarmung getrennt behandelt.
Bei den Klimaveränderungen lassen sich solche globalen und regionalen Ausmaßes unterscheiden. Über weltweite Klima-Auswirkungen intensiver, nicht angepaßter Landnutzungssysteme in den Tropen gibt es keine gesicherten Daten. Schätzungsweise wird über das Abbrennen tropischer Wälder 20 Prozent der anthropogenen Kohlendioxidemission an die Atmosphäre abgegeben. Daneben werden weitere Treibhausgase freigesetzt, etwa Sumpfgas (CH 4) durch Naßreisfelder und anwachsende Viehherden oder Lachgas (N 2O) durch übermäßige Stickstoffdüngung im Boden. Verschiedene Szenarien über die Auswirkungen des Treibhauseffektes auf die weltweite Aufheizung der Troposphäre sind weithin bekannt, so daß dieser Komplex hier unberücksichtigt bleibt. Die Auswirkungen der Rodungen auf den globalen Wasserhaushalt dürften vergleichsweise geringer sein, da 88 Prozent des atmosphärischen Wasser-dampfs über den Ozeanen entstehen
Jedoch verursachen Kahlschläge Änderungen im regionalen Niederschlagsgeschehen. Dies betrifft insbesondere riesige Feldkulturen mit mehrmonatigen Brachen während der Trockenzeit, d. h. in den Zonen der Feuchtwälder und -Savannen. Für die pazifische Küstenebene Südmexikos läßt sich beispielsweise nachweisen, daß die Umstellung von waldreichem Weideland und gemischten Fruchthainen auf Baumwoll-und Sojafelder einen markanten Niederschlagsrückgang bedingt. Die Ursachen liegen zunächst in der starken Bodenaustrocknung während der trockenheißen Jahreszeit, nachdem nunmehr die wasserspeichernden Eigenschaften ehemaliger Humusauflagen fehlen. Nach restlosem Austrocknen der Mineralböden wird die starke Einstrahlung vermehrt in fühlbare Wärme umgewandelt, was zu einer regionalen Überhitzung führt; der Umsatz in latente Energie, also die Verdunstung, bleibt hingegen . unter den veränderten Bedingungen offener Feldbrachen nahezu aus. Bezieht man die deutliche Zunahme der Windgeschwindigkeiten mit ein, so wird nun verständlich, daß der kleine Wasserkreislauf zu Beginn der Regenzeit verzögert und gehemmt einsetzt. Tatsächlich ist die Verminderung der Jahresniederschläge in erster Linie auf eine Verlängerung der Trockenperiode zurückzuführen
Bleibt man in Südmexiko, so lassen sich am Beispiel der Kaffeeplantagen in der Sierra Madre de Chiapas auch die hydrologischen Auswirkungen von Nutzungsumstellungen erklären. Hier erleiden seit drei Jahrzehnten die meisten der traditionellen Pflanzungen mit Schattenbäumen, diffuser Strauchverteilung und Unkrauttoleranz starke Ertragseinbußen durch die „roya“, einen Blattpilz. Um dem Produktionsrückgang entgegenzuwirken, wird diese Krankheit durch Besonnung bekämpft, indem die Bewirtschaftung resistenter Sorten in Reihen, ohne Überschirmung und unter Herbizideinsatz erfolgt. Die Reihenerziehung der Kaffee-sträucher unterliegt selten der Geländekontur, so daß offene Bahnen bei Starkregen den hangabwärtigen Oberflächenabfluß begünstigen. Wurde die Wassereingabe vor der Inkulturnahme durch mehrschichtige Regenwälder oder ebenfalls relativ dichte Pflanzungen gemindert und verzögert („Schwammeffekt“), so erfolgt nun unter den stark gelichteten Bedingungen eine direkte Reaktion. In der Regenzeit kommt es zu Überschwemmungen, in der Trockenzeit zum Versiegen der Flüsse; da sich dieser Prozeßwandel bis in die pazifische Küstenebene auswirkt, tritt dort zur Verschärfung der klimatischen eine solche der hydrologischen Situation als Fremdeffekt hinzu
Auch die Phänomene der Bodenerosion lassen sich gut am Beispiel Südmexikos beschreiben. Denn die hydrologische Akzentuierung wird in der humiden Kaffeeanbauzone von massivem Bodenabtrag begleitet. Dies gilt aber auch für die semihumidsemiaride Gegenseite der Sierra Madre, wo ein erhöhter Landbedarf zur Ausweitung der „Milpa“ -Systeme führt. So ermöglicht der Vergleich der beiden Teilregionen die Kennzeichnung der spezifischen Merkmale des Bodenabtrags in den immer-und wechselfeuchten Tropen. Für den extrem niederschlagsreichen Kaffeeanbaugürtel (> 4000mm/a) ist die sogenannte „schleichendeErosion“ bezeichnend, deren Auswirkungen sich am deutlichsten in der rotbraunen Trübung der Flüsse manifestiert; zynisch ausgedrückt nehmen also Böden den höchsten „Exportanteil“ solcher Regionen ein. Sichtbare Erosionsformen sind trotz der enormen Abtragsrate kaum auszumachen, da flächenhafte Abspülung vorherrscht. Dagegen zeigen die Trockengebiete auf der Gegenseite (1500mm/a) deutlich sichtbare Erosionsschäden. Hier im Milpa-Gebiet nimmt die Variabilität der Niederschläge zu, da längere Trockenphasen von kurzen Starkregenfällen unterbrochen werden. Das Wasser schießt auf den ausgetrockneten Oberflächen ab. Kleinste Unebenheiten führen zur Bündelung des Abflusses, so daß sich Spülrillen zu Gräben und kleinen Schluchten ausweiten. Die Hangzerschneidung schreitet rückwärts fort, wobei selbst natumahe Standorte in Mitleidenschaft geraten. Kleinere Erdschlipfe und größere Rutsche erweitern diese Einschnitte.
Die am Beispiel Südmexiko aufgeführten ökologischen Probleme sind auf andere Tropengebiete übertragbar; dies gilt auch für die Bodenverarmung, die nun wieder als allgemeines Phänomen beschrieben wird. Daß in den Tropen die Fruchtbarkeit der Böden nachläßt, belegen schon die kurzen Nutzphasen in den traditionellen Verfahren des Rodungsfeldbaus. Nur teilweise ist dies auf den raschen Nährstoffentzug zurückzuführen, wobei Kalium durch Auswaschung in den Untergrund und Magnesium durch die Ernteentnahme besonders betroffen sind. Ähnlich gravierend ist bei den raschen Ertragsrückgängen die mit der Nutzungsdauer steigende Phosphatfixierung und Aluminiumtoxizität, die die Feldpflanzen zunehmend beeinträchtigen
Im Rahmen der technofarming-Konzepte versucht man, der seit langem bekannten Nährstoffarmut und auch der Bodenazidität (Säurehaltigkeit) tropischer Böden mit erhöhten Gaben wasserlöslicher mineralischer Dünger in Verbindung mit dem Anbau von Hochleistungszüchtungen beizukommen. In vielen Fällen wird aber trotz intensiven Kapital-einsatzes keine Ertragssteigerung erzielt. Der Grund liegt in der fehlenden Nährstoffbindung der Böden, so daß die Nährelemente versickern. Chemische Düngung zeitigt daher in den Tropen nur auf den Substraten mit günstigen Bodeneigenschaften Erfolge. Naturgemäß beziehen sich aber die beschriebenen bodenkundlichen Nachteile und ihre Auswirkungen auf den chemotechnischen Landbau nur auf die Feuchttropen. Die Trocken-tropen weisen hingegen günstigere bodenkundliehe Voraussetzungen auf, zumal die Nährstoffauswaschung aufgrund der geringeren Niederschläge herabgesetzt ist.
Eine entsprechende Differenzierung gilt auch für den Schädlingsbefall der Nutzpflanzen. Denn gerade in den Feuchttropen umfaßt der Artenreichtum auch die sogenannten „Plagen“, d. h. vor allem Viren, Rostpilze und Schadinsekten. Um so anfälliger reagieren gerade dort Monokulturen auf die zahlreichen Schädlinge, von denen vor allem eingeschleppte Arten mangels natürlicher Feinde katastrophale Auswirkungen haben können. Besonders labile Systeme bilden unter anderem Baumwollkulturen, bei denen z. B. in Südmexiko die Investitionen für die Schädlingsbekämpfung nach jahrzehntelanger Monowirtschaft die Hälfte der Einnahmen verschlingen. Vergleichsweise erweisen sich bewässerte Kulturen im Norden des Landes als produktiv, da hier die Zahl potentieller Schädlinge in den umgebenden Halbwüsten und Trockensavannen niedrig ist. Bleibt festzuhalten, daß weder die Gesamtheit der ökologischen Faktoren noch alle möglichen Formen der Bodennutzung in den Tropen benachteiligt sind. Die agrarische Inwertsetzung ist allerdings an den unterschiedlichen Vor-und Nachteilen zu orientieren.
V. Möglichkeiten eines angepaßten Landbaus
Daraus ergibt sich, daß Strategien aus anderen Klimazonen nicht unbedacht übertragbar sind, sondern das Nutzungsziel an das natürliche Potential anzubinden ist. Beim Nutzungsziel wiederum dürfen angesichts der engen Finanzlage in den meisten Tropenländem food crops nicht von cash crops verdrängt werden, damit Nahrungsmittel-Importe gering bleiben. Kleinbäuerlichen Betriebssystemen kommt demnach eine tragende Rolle für die nationale Versorgung zu.
Als wesentliche Erkenntnis stellt sich heraus, daß Monokulturen in den Tropen aus ökologischer und ökonomischer Sicht besonders störanfällige Systeme bilden. Dies gilt unabhängig vom Technisierungsgrad sowohl für traditionelle Verfahren mit einfachen oder wechselnden Fruchtfolgen ohne Bodenverbesserung als auch für uniformen Anbau mit hohem chemischen Einsatz. Anzustreben ist daher unbedingt Bewässerungsfeldbau oder die Einrichtung vielfältiger Mischbestände. Im ersten Fall wird nicht nur das Problem des regionalen Niederschlagsrückgangs vermieden, sondern auch die Bodenauslaugung durch stetige Zufuhr von Sinkstoffen abgeschwächt. Entsprechendes gilt auch für den zweiten Fall, wobei eine dauerhafte Humusproduktion als wichtigster Nährstoffträger im Nutzungssystem zu verankern ist. Bewässerungsfeldbau sowie Strauch-und Baumkulturen schränken zudem bei geringem Pflegeaufwand den Bodenabtrag ein, und selbst die Schädlingsbekämpfung läßt sich unter Wahrnehmung von Nützlingen wirkungsvoller regulieren
Für die einzelnen Tropenzonen sind unter dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Einpassung in die natürlichen Standortgegebenheiten mehrere Formen der ökologisch angepaßten Landnutzung denkbar: 1. Für die Regen-und Feuchtwaldzonen der Warmtropen eignet sich hinsichtlich der regionalen Versorgung Mischanbau mit Baumkulturen oder Schutzpflanzen (gepflanzte Schatten-bäume mit bodenverbessernder Funktion oder „Überhälter“ der ursprünglichen Waldvegetation).
Zusammen mit Unterkulturen verschiedener Nutzpflanzenarten kommen diese Dauer-kulturen den natürlichen Verhältnissen am nächsten, indem sie einen raschen Nährstoff-umsatz gewährleisten sowie klimatische Veränderungen, Erosionsschäden und übermäßigen Schädlingsbefall einschränken. Das Verfahren erlaubt ein zweigeteiltes Betriebssystem, da die zusätzliche Erzeugung von Grundnahrungsmitteln einen Risikoausgleich zur völligen Markt-abhängigkeit der Kleinbauern bildet. 2. Ebenfalls in den Regen-und Feuchtwaldzonen sind die für den Devisenbedarf erforderlichen Baum-und Strauchkulturen reiner Handels-pflanzen nützlich. Reinbestände auf großen Flächen sind jedoch wegen der Plagengefährdung zu vermeiden, so daß sich die Gliederung verschiedener Früchte in Streifenfluren anbietet (z. B. 100m breite Mango-oder Avocado-Baumreihen, Schneisen mit Kaffee-oder Tee-sträuchern, Bananen-oder Ananas-Pflanzungen).
Hier wäre selbst die Zwischenschaltung von Parzellen mit Trockenfeldbau vertretbar. 3. Trockenfeldbau ist aufgrund seiner regional-klimatischen Auswirkungen in den feuchten Tropen also einzig auf kleinen Flächen im Umfeld von Agroforst-Beständen mit ökologischer Heckenfunktion akzeptabel. Grundsätzlich ist aber für sinnvolle Fruchtwechsel mit Einschaltung bodenverbessemder Leguminosen (Bohnen, Luzerne, Erdnüsse) und bodenschonender Feldfrüchte (Cassava, Süßkartoffel) zu sorgen.
Bewässerungsfeldbau ist jedoch angebrachter, da er eine fortlaufende Bodenbedeckung gewährleistet (Fruchtwechsel, Naßreiskulturen).
4. In den tropischen Gebirgen ist in erosionsgefährdeten Hanglagen die Einrichtung von Kulturterrassen erforderlich. Auch hier bietet sich in kurzen Trockenphasen eine Integration von Bewässerungseinrichtungen an, die nicht nur eine ständige Pflanzenbedeckung und damit Erosionsschutz gewährleisten, sondern auch der Düngung dienen. Dieses System läßt sich im Gegensatz zu den feuchten Tieflagen wegen der geringeren Schädlingsanfälligkeit mit einer bescheidenen Großviehbewirtschaftung im Umtriebverfahren verbinden. Terrassierungstechniken beinhalten gegenüber den üblichen Verfahren des Wander-oder Rotationsfeldbaus sowohl einen geringeren Landverbrauch als auch eine größere ökonomische Effizienz.
5. Wegen des höheren Nährwertes der lokalen Naturweiden und der geringeren Krankheitsanfälligkeit sind die Trockentropen besser für die Tierhaltung geeignet als die Feuchttropen.
Konsequenzen, bei denen z. B. aus der punktuellen Anlage nur weniger Brunnen die daraus resultierende Viehkonzentration zu einer Überbeweidung führt, müssen vor einer regionalen Umstrukturierung bedacht werden (Sahel-Problematik).
6. Darüber hinaus bieten die Trockentropen bei bedachter Ausschöpfung von Grund-bzw. Tiefenwasservorräten die beste Grundlage für einen Bewässerungsfeldbau. Monokulturen wie Baumwolle, Zuckerrohr, Soja und Sesam unterliegen hier nur einer geringen Schädlings-anfälligkeit und Verunkrautung, bringen aber wegen der optimalen Strahlungsverhältnisse in diesen Zonen die höchsten Erträge überhaupt.
Zu beachten ist allerdings das Problem der starken Winderosion, die bei fehlender Bodenbedeckung in den kurzen Phasen nach der Ernte auftritt (Gegenmaßnahmen: Pflanzung von Baumhecken, Beregnung auch während der Trockenbrache) und die Versalzungsgefahr der Böden.
Außer diesen prinzipiellen Konzepten des ökologisch angepaßten Landbaus sind spezielle landwirt-schaftliche Praktiken zu beachten, die neben dem Ressourcenschutz eine bessere ökonomische Ausschöpfung verfolgen. Diese sind im einzelnen: -Eine Strukturverschlechterung der ohnehin feinkörnigen Böden durch Verdichtung bei Einsatz schwerer Maschinen und durch Verschlämmung oder Verhärtung in Phasen ohne Pflanzenbedeckung muß vermieden werden.
Für die Strukturverbesserung empfiehlt sich der Auftrag von Gesteinsmehl bzw. Flußsanden sowie die Bildung von Humusdecken. Letzteres wird durch Mulchen des Bodens erreicht, d. h.
durch Abdecken mit Ernterückständen, gejätetem Unkraut oder großen Blättern und auch mit Deckfrüchten. Hierdurch werden eine extreme Aufheizung und Austrocknung des Oberbodens verhindert und die mikrobielle Zersetzung gefördert.
-Auch Kompost-und Stallmist sorgen als Düngemittel durch einen langsamen aber kontinuierlichen Ersatz der Nährstoffverluste für eine stabile Bodenfruchtbarkeit.
-Wird der Nährstoffentzug durch die Anlage von Baumkulturen mit selbsterhaltenden Stoff-und Energiekreisläufen ohnehin gemindert, so läßt sich durch Leguminosen die Stickstoffbindung im Boden noch verbessern; zahlreiche Baum-und Straucharten bieten zugleich wertvolles Zufutter für das Vieh. Entsprechendes gilt für den Feldbau.
-Die Züchtung von Nutzpflanzen sollte sich auf Sorten beschränken, die an Marginalstandorte angepaßt und gegen Krankheiten unanfällig sind; resistente Sorten mittleren Ertrags sind gegenüber Hochleistungssorten vorzuziehen.
-Die Förderung einer geschlossenen Laubüberschirmung und einer Humusdecke bieten neben dem Nährstoff-Input auch eine biologische Erosionskontrolle. Als weitere Maßnahmen gegen den Bodenabtrag ist die Unkrauttoleranz mit Jäten anstelle von Herbizideinsatz, die Terrassierung von Hängen und die Anlage von Windschutzhecken anzuführen.
-Eine wirksame Schädlingsbekämpfung ergibt sich aus Mischkulturen und der Gliederung verschiedener Anbauprodukte mit Zwischenschaltung von Hecken und Waldstreifen. Auch technische Verfahren lassen sich mit der biologischen Schädlingsbekämpfung verknüpfen.
Hierbei ist eine ständige wissenschaftliche Kontrolle unabdingbar.
VI. Soziale Hintergründe der Agrarstagnation und Ausblick
Als wichtigste Punkte der vorstehenden Ausführungen läßt sich festhalten, daß die Tropen in agrarökologischer Hinsicht nicht grundsätzlich benachteiligt sind und daß die Konzeption des ökologisch angepaßten Anbaus keineswegs im Widerstreit mit ökonomischen Gesichtspunkten steht. So stellt sich die Frage, warum die geeigneten Land-baumaßnahmen in den Tropenländern trotz dieser Erkenntnisse kaum greifen.
Entscheidend für dieses „duster of absences“ waren nicht nur die häufig in den Vordergrund geschobenen Interessen der Industrieländer, sondern auch die Machtstrukturen in den betroffenen Ländern selbst. Während in Europa und Nordamerika Reformation, Aufklärung und industrielle Revolution zur produktiven Marktwirtschaft führten, blieb in Lateinamerika, Afrika und im Orient die sozio-ökonomische Organisation zumeist in Familienverbänden stecken. So herrschten in zahlreichen Tropenländem „Clans“, deren sich die wechselnden Interessengruppen der Industriegesellschaften zu bedienen wußten. Benachteiligt blieben unter anderem kleinbäuerliche Interessen, solange sie nicht exportorientiert und damit für die herrschenden Familien wenig profitabel waren. Selbst wohlüberlegte Konzepte von Entwicklungshilfe-Institutionen, sei es das der „Hilfe zur Selbsthilfe“ (Misereor) oder das der „Integrierten ländlichen Regionalentwicklung“ (GTZ), scheiterten oftmals an entsprechenden Strukturen.
Diese Erfahrungen sollten jedoch nicht entmutigen. Denn zumindest teilweise zeichnet sich ein Trendwechsel ab: In Lateinamerika führt die Mißwirtschaft der Militärs zu einem fortschreitenden Demokratisierungsprozeß, und auch in Afrika deutet sich in „Nationalkonferenzen“ ein entsprechender Wandel an. Mit der Interessenveränderung in tropischen Ländern wächst aber auch die Chance eines Wechsels von der materiellen Fremdbeherrschung zu einer wertfreieren Fremd-beratung -womit auch zweckmäßigere Formen der Landnutzung vorstellbar werden.
Entwicklungshilfeprojekte, nicht nur in der Agrarwirtschaft, müssen sich an diesen sozialen Gegebenheiten und den oben ausgeführten ökologischen Bedingungen orientieren. Tragen sie dem Rechnung, sind sie als Hilfe für die Dritte Welt auch in Zukunft von großer Bedeutung.
Michael Richter, Dr. rer. nat., geb. 1946; Studium der Geographie, Biologie und Bodenkunde in Bonn; seit 1987 Professor für physische Geographie am Institut für Geographie der Universität Erlangen-Nürnberg. Veröffentlichungen u. a.: Natürliches Potential und agrarökologische Probleme im Soconusco und Motozintla-Tal/Südmexiko, Stuttgart 1986; Vegetationsdynamik und ökologischer Standortwandel in mediterranen Rebbrachen, Camerino-Baillieul 1989. Cyrus Samimi, M. A., geb. 1963; Studium der Geographie, Geologie und Biologie in Erlangen; seit 1991 wiss. Mitarbeiter a. Z. am Institut für Geographie der Universität Erlangen-Nürnberg. Veröffentlichungen u. a.: Die Oasenböden Figuigs (Marokko) unter dem Einfluß salzhaltigen Bewässerungswassers, Passau 1991.
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