Einstellungen zur Technik. Gibt es eine Technikfeindschaft unter Jugendlichen?
Dieter Jaufmann/Emst Kistler
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Zusammenfassung
Der Beitrag analysiert die Entwicklung von Einstellungen zur Technik auf breiter empirischer Basis. Zunächst läßt sich für die Bundesrepublik Deutschland zeigen, daß auf der Ebene der generellen, global-bilanzierenden Technikeinstellungen keinerlei Anzeichen von „Technikfeindlichkeit“ oder -ablehnung identifizierbar sind. Noch ausgeprägter ist diese positive Grundhaltung bei den Jugendlichen. Dies zeigt sich beispielsweise hinsichtlich der Einstellungen zu Computern und zu neuen Technologien. Ebenso wie in der Bundesrepublik wurde die Technikakzeptanz der Bevölkerung in der DDR als eine zentrale Variable für wirtschaftliches Wachstum, sozialen und gesellschaftlichen Fortschritt gesehen. Wenngleich die Datenlage schwieriger ist, so läßt sich auch dort für die jüngeren Altersgruppen ein stärker ausgeprägtes Interesse an und eine positivere Einstellung zu Technik und Wissenschaft generell wie auch zu einzelnen Bereichen feststellen. Die Ergebnisse der Umfrageforschung seit der deutschlandpolitischen Wende deuten teils auf Gemeinsamkeiten, teils auf Unterschiede in den Einstellungen zur Technik in den neuen Bundesländern im Vergleich zu den alten Ländern hin. Im internationalen Vergleich läßt sich auf empirischer Basis für die japanische Bevölkerung im Zeitraum der letzten 15 Jahre keinerlei besonders auffällig positive Technikgrundeinstellung ausmachen. Die US-Amerikaner hingegen scheinen auf der Ebene der Technikglobalindikatoren etwas optimistischer als die Bundesbürger eingestellt zu sein. In beiden Ländern sind die jüngeren Altersgruppen positiver eingestellt als die Bevölkerung insgesamt. Unter eher methodischen Aspekten gesehen wird deutlich, daß die Ergebnisse der Einstellungs-und Akzeptanzforschung ein -nicht unwesentlicher -Teil von Sozialverträglichkeitsprüfungen und von Technikfolgenabschätzungen sein müssen. Dem Meinungsklima und den Einstellungen der Bürger kommt gerade in parlamentarischen Demokratien besonderes Gewicht zu. Summarisch läßt sich festhalten, daß die nahezu vorbehaltlose Technikeuphorie der späten fünfziger und der frühen sechziger Jahre durch eine ambivalent-abwägende, aber grundsätzlich positive Grundhaltung zur Technik abgelöst wurde. Von einer „Technikfeindlichkeit“ der Bevölkerung, von einer spezifischen Sondersituation der Bundesdeutschen oder gar einer besonders negativen Einstellung der Jugend konnte und kann aber keine Rede sein.
Wenngleich von einer eigentlich unzulässigen Pauschalierung ausgehend -denn „die Jugend“ gibt es nicht ist doch festzuhalten: Stets blickt die Gesellschaft auf „die Jugend“ mit einer Mischung aus Neid und Angst, aus Mißtrauen und Hoffnung, Hinzu kommt, daß gerade die Deutschen sich dem Thema mit besonderer Vorliebe widmen Dafür spricht nicht zuletzt die hierzulande immense Zahl von zumeist empirischen Untersuchungen über Jugendliche die dann zu ihrer jeweilig wechselnden Etikettierung -„skeptisch“, „rebellisch“, „verunsichert“, „Null-Bock“, „verwöhnt“, „identitätslos“ etc. -führen.
Zweifellos steht „Jugend“ als ein Synonym für die Zukunft einer Gesellschaft, für deren Fortentwicklung und künftige Beschaffenheit. Dies wurde auch in der früheren DDR so gesehen; so merkt z. B. Walter Friedrich zur Gründung des Zentralinstituts für Jugendforschung an: „In Sachen Jugend, der Zukunft der Nation, wollte man nicht hinter dem *. Klassengegner Zurückbleiben.“ Ähnlich verhält es sich mit den Komplexen Technik und technischer Fortschritt, mit technologischer und wissenschaftlicher Entwicklung. Was nun, wenn die Jugend nicht technikbegeistert ist, wenn sie nicht jegliche neue Erfindung begrüßt? Verweigert sie dann nicht die Zukunft und die weitere Existenz unserer Gesellschaft? Diese Fragestellung hat Michael Jungblut zu Beginn der achtziger Jahre wie folgt problematisiert: „Wenn die Jugend eines Industrielandes eine Abneigung gegen die Technik entwickelt -oder von verantwortungslosen Ideologen und Demagogen in eine solche Haltung hineingetrieben wird -, dann ist das so, als ob immer mehr Bewohner einer Fischerinsel sich weigern würden, in die Boote zu gehen.“ Jugend als Träger des Fortschritts und als Seismograph künftiger Entwicklungen -lauter risikoscheue, weinerliche Versager und Drückeberger?
I. Sichtweisen und Indikatoren für Technikablehnung und -feindlichkeit in der Bundesrepublik
Abbildung 1
Abb. 1: Positive Einstellung zur Technik *) (Zustimmung in Prozent)
Quellen: Internationales Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES), eigene Darstellung auf der Basis von Berichten, Tabellenbänden, eigenen Berechnungen und Sonderzählungen verschiedener Umfrageinstitute.
Abb. 1: Positive Einstellung zur Technik *) (Zustimmung in Prozent)
Quellen: Internationales Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES), eigene Darstellung auf der Basis von Berichten, Tabellenbänden, eigenen Berechnungen und Sonderzählungen verschiedener Umfrageinstitute.
Hervorzuheben ist zunächst, daß die Etikettierung insbesondere der jüngeren Generationen mit dem Begriff „Technikfeindlichkeit“ ein politischer Akt ist Die Karriere dieses Themas in der Bundesrepublik Deutschland begann vor nunmehr rund zehn Jahren und weist einen durchaus wechselhaften Verlauf auf Wurde das eine Mal regelrecht Feindschaft diagnostiziert, so war es das andere Mal die Klage über mangelnde Akzeptanz, Gleichgültigkeit, zu geringe Begeisterung und Zuwendung speziell gegenüber neuen Technologien. Von der ablehnenden Haltung seien nun nicht nur die bundesdeutschen Jugendlichen -wenngleich diese in beträchtlich stärkerem Ausmaß -, sondern die Bundesbürger insgesamt betroffen. Tatsächlich lassen sich vor allem drei Indikatoren anführen, deren Veränderungen als gleichbedeutend mit einer sich ausbreitenden und steigenden Technik-feindlichkeit der bundesdeutschen Bevölkerung gewertet wurden: 1. Die Abnahme der Zahl der Befragten, die sich auf die vom Institut für Demoskopie (IfD) in Allensbach seit 1966 gestellte Frage „Glauben Sie, daß die Technik alles in allem eher ein Segen oder eher ein Fluch für die Menschheit ist?“ für die Antwortkategorie „Segen“ entschied. 2. Die Behauptung eines Rückgangs des Interesses von Schülern an Technik und insbesondere an naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächern. 3. Eine zeitweilig relativ starke Abnahme der Belegungsziffern bei naturwissenschaftlichen und technischen Studienfächern.
Abbildung 7
Abb. 5: Technischer Fortschritt: Auswirkungen auf andere Lebensbereiche, USA (1985) und Japan (1987) im Vergleich (Angaben in Prozent)
Quelle: INIFES, eigene Darstellung nach: National Science Board, Science & Engineering Indicators -1987, Washington, D. C. 1987, S. 149,
Abb. 5: Technischer Fortschritt: Auswirkungen auf andere Lebensbereiche, USA (1985) und Japan (1987) im Vergleich (Angaben in Prozent)
Quelle: INIFES, eigene Darstellung nach: National Science Board, Science & Engineering Indicators -1987, Washington, D. C. 1987, S. 149,
Daß die Debatten um die vorgeblich negativen Einstellungen der Bundesdeutschen -speziell der jüngeren Generationen -auch in den letzten Jahren und bis heute weitergegangen sind, zeigen die folgenden, exemplarisch ausgewählten Aussagen:
Abbildung 8
Tab. 3: WoraufJugendliche im jeweils eigenen Land stolz sind. Ergebnisse aus den drei Weltjugendstudien 1977-1988.
Quelle: INIFES,eigene Zusammenstellung und Übersetzung
Tab. 3: WoraufJugendliche im jeweils eigenen Land stolz sind. Ergebnisse aus den drei Weltjugendstudien 1977-1988.
Quelle: INIFES,eigene Zusammenstellung und Übersetzung
-Die „Kluft zwischen Bewußtsein und Wirklichkeit ist in dem fast unglaublichen Tatbestand zu erblicken, daß nirgendwo in den Industriestaaten der Welt die ökonomischen Erfolgsdaten so imponierend wie in der Bundesrepublik Deutschland sind, gleichzeitig aber auch nirgendwo die Ablehnung der Technik so hoch wie bei uns ausfällt.“ Des weiteren beklagt Lothar Bossle eine zuweilen aggressive Verneinung der Technik“, die aber nicht nur spezifisch Jugendlichen zu eigen sei, und hadert damit, daß „... ausgerechnet die Bundesrepublik Deutschland von einer besonderen Härte der Technikfeindlichkeit betroffen wurde“
-Direktor Emst-Ludwig Winnacker vom Gen-zentrum Martinsried beklagte sich, „daß die , Technikfeindlichkeitinsgesamt zugenommen habe“
-„Mit einer Mentalität der Technikverweigerung können wir die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern.“
Gemein ist solchen Aussagen -sofern sie überhaupt auf empirischen Belegen basieren bzw. solche verwenden daß sie sich in der Regel auf nur einzelne empirische Befunde und Ergebnisse aus repräsentativen, also für die Gesamtbevölkerung stehenden Umfragen stützen. Ungerechtfertigte Vorurteile und Vexierbilder können bei einer so isolierten und selektiven Betrachtung dann sehr leicht entstehen. Deshalb wollen wir unsere Analyse mit einer Vielzahl von empirischen Ergebnissen aus Umfragen verschiedenster Institute vornehmen. Diese breite Perspektive reduziert auch erheblich die oben angesprochene Gefahr, daß „Zufälligkeiten“ einer Umfrage als „typische“ Ergebnisse verallgemeinert werden. Denn wie jede andere Methode und Art von Messung, können natürlich auch Meinungsumfragen einer Reihe von Fehlermöglichkeiten unterliegen Alle präsentierten Daten stehen exemplarisch für viele weitere gleich. gerichtete Ergebnisse. Zwar stehen im folgenden die Einstellungen der jüngeren Generationen im Vordergrund, doch sollen im Vergleich auch die anderen Altersgruppen betrachtet werden.
Auf die Vielschichtigkeit des Begriffs bzw. Phänomens „Technikakzeptanz“ selbst wollen wir hier nicht weiter eingehen Der Akzeptanzgedanke selbst ist vielfach zu individualistisch verankert -so auch ein häufig zu hörender Vorwurf an dieses Konzept. Es ist deshalb nach Bewertungsmaßstäben zu suchen, die in den generellen gesellschaftlichen Kontext hineinreichen. Antizipierende Sozialverträglichkeitsanalysen von Technologien -also Akzeptabilitätsforschung -würden hierfür durchaus erfolgversprechende Ansatzpunkte bieten Nun schafft aber „sozialverträgliche Technikgestaltung“
als abstrakter Begriff prinzipiell Raum für vielerlei Interpretationen und findet somit sicherlich die Zustimmung nahezu aller. Kurz, dieses relativ neue Zauberwort ist zunächst eine Leerformel, die ihre jeweilige Bedeutung erst mit einer inhaltlichen Präzisierung und Auffüllung erlangt.
Es geht im Prinzip aber stets darum, technologische Optionen auf ihre Verträglichkeit mit der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung und ihrer weiteren Entwicklung hin zu untersuchen. Vorstellungen, wie denn die Gesellschaft künftig in bezug auf verschiedene Technologien und Technikpfade beschaffen sein soll, müssen somit entwickelt werden.
Ein Rückbezug auf individuelle und gesellschaftliche Werte und Ziele -die sich über die Zeit hinweg auch wandeln -ist nötig. Es ist offenkundig, daß dabei selbstverständlich auch normative Elemente einfließen. Zimmerli merkt hierzu an:
„Die Methodologie der Akzeptanzforschung im Kontext von Technikfolgenabschätzung wird sich in dieser Weise (der „normativen Prognose“;
Anm. d. V.) weiterentwickeln, wenn sie der Fortschreibung naiver Extrapolationsmodelle oder erschöpfend langweiliger Bestandsaufnahmen faktischen Akzeptanzverhaltens mit Aussicht auf Er, folg entrinnen will.“ Zweifelsohne müssen die Ergebnisse von Einstellungs-und Akzeptanzforschung ein -nicht unwesentlicher -Teil von Sozialverträglichkeitsprüfungen sein. Die Durchführung bzw. -besser formuliert -der Versuch solcher Analysen ohne Berücksichtigung des Meinungsklimas in der Bevölkerung, würde unweigerlich an den grundlegenden Intentionen vorübergehen und zumindest unvollständige, unzureichende Ergebnisse erbringen Zu bedenken ist des weiteren, daß die soziale Akzeptanzwürdigkeit einer Technologie nur ein Beurteilungskriterium, wenngleich ein durchaus gewichtiges, unter mehreren anderen ist.
So gesehen und praktiziert, ist Akzeptanzforschung eben nicht nur ein reaktives Instrument zur nachträglichen Feinabstimmung, sondern sie kann -methodisch sauber und in Kenntnis ihrer Aussagegrenzen betrieben -durchaus auch mehr sein. Qualitative Studien mit ihren wichtigen Deutungsversuchen reichen alleine zur Abschätzung der Sozialverträglichkeit technischer Entwicklungen auf breiter Basis jedenfalls nicht aus. Ihr nicht allzuselten anzutreffender sowohl theoretischer als auch methodischer Ausschließlichkeitsanspruch ist u. E. eine gefährliche Überreaktion auf Unzulänglichkeiten in der Umfrageforschung und die gerade in den Medien gerne vertretenen Überhöhungen der demoskopischen Methoden und insbesondere ihrer Ergebnisse.
Ebenso muß Akzeptanzforschung auch integraler Bestandteil von Technikfolgenabschätzungen sein. Ihre Funktion als Frühwarnsystem für die möglichen und auch wahrscheinlichen Wirkungen neuer Technologien kann sie nur so erfüllen. Dies gilt unabhängig davon, daß bis heute ausgeprägte Uneinigkeit 'und Unklarheit darüber herrscht, was Technology Assessment -bzw. die unterschiedlichen Ansätze, Konzepte und Ausprägungen davon -ist, leisten kann und vor allem auch soll So wird unsinnigerweise z. B. mitunter auch heutzutage noch die prinzipielle Sinnhaftigkeit, ja sogar überhaupt die Zulässigkeit von Technikfolgenabschätzung -durch wen auch immer -in primär marktwirtschaftlich orientierten Ökonomien bestritten Generell aber gilt, daß gerade in parlamentarischen Demokratien den Sichtweisen und Meinungen ihrer Bürger besonderes Gewicht zukommt. Sie bieten nicht zuletzt auch eine reale Chance zu rationaler Politikgestaltung bzw. leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Der durch Umfragen ermittelten Bürgersicht kommt bei uns auch deshalb eine spezifische Bedeutung zu, da die Bundesrepublik -im Gegensatz etwa zu verschiedenen angrenzenden Nachbarstaaten -auf der politischen Ebene in eher geringem Umfang über plebiszitäre Elemente verfügt.
II. Entwicklung der Einstellung zur Technik in der Bundesrepublik Deutschland
Abbildung 2
Abb. 2: Persönlich positive Meinung über Computer. (Angaben in Prozent)
Quelle: INIFES, eigene Darstellung nach: IBM Deutschland/SAMPLE.
Abb. 2: Persönlich positive Meinung über Computer. (Angaben in Prozent)
Quelle: INIFES, eigene Darstellung nach: IBM Deutschland/SAMPLE.
1. Generelle Einstellung Mit global bilanzierenden Fragen lassen sich tatsächlich das allgemeine Meinungsklima und die Einstellungen der Bevölkerung und der jüngeren Generationen zum allgemeinen Thema „Technik“ erkunden. Um aber ein Gesamtbild der Realität zu erhalten, bedarf es nicht nur der Betrachtung einer einzigen Zeitreihe oder gar nur einer Zahl aus einer einzelnen Umfrage. Nötig ist eine überblicksartige Sichtweise, wie sie Abb. 1 vermittelt. Dargestellt sind hier einige Zeitreihen verschiedener Umfrageinstitute in der Bundesrepublik, denen jeweils eine -durchaus unterschiedlich formulierte -Frage nach der global-bilanzierenden Einstellung zur Technik zugrunde lag. Enthalten sind die positiv. -zustimmenden Ergebnisse: „Technik“ wird den Menschen helfen, ist eher ein Segen, alles in allem eher zum Vorteil der Menschheit, man habe persönlich eine positive Einstellung zur Technik, etc.
Deutlich wird: Die allgemeine Akzeptanz von Technik ist in der Bundesrepublik bis ca. 1982/83 gesunken. Weitere Fragen und Ergebnisse auch anderer Institute, die allerdings nur mit weniger Meßzeitpunkten verfügbar sind, passen ebenfalls genau in dieses Bild. Lediglich von einem Institut wurden vor 1980 bereits Fragen nach der generellen Technikeinstellung verwendet am bekanntesten davon ist die bereits angesprochene „SegenFluch-Frage“ des IfD Allensbach. Betrachtet man die Ergebnisse dieser Zeitreihe, so wird offenkundig, daß der Trend zur Abkehr von einer vorbehaltlos positiven und hin zu einer ambivalenten -nicht aber negativen (!) -Technikeinstellung zwischen 1980 und 1982/83 schon mindestens Mitte der sechziger Jahre begonnen hat. Seit ca. 1982/83 steigt die Zahl der positiv Antwortenden bei den verschiedenen Technik-Bilanzurteilsfragen wieder leicht an; die Zahl der sich ablehnend Äußernden nimmt tendenziell sogar weiter leicht ab. Eine überdurchschnittlich positive Einstellung zur „Technik“ generell äußerten in der überwältigenden Mehrheit der Umfragen die Jugendlichen und jüngeren Befragten. Deutlich ablehnender und auch unentschiedener fallen durchgängig die Urteile der Älteren und auch der Frauen aus. Bei den jüngeren Altersgruppen wer-den diese geschlechtsspezifischen Einstellungsunterschiede aber über die Zeit hinweg geringer.
Halten wir fest: Die offensichtliche Parallelität, mit der die recht verschiedenen Bilanzurteilsfragen der einzelnen Institute die Einstellungsentwicklung zu „der Technik“, zum technischen Fortschritt, abbilden, ist ein Beleg dafür, daß es so etwas wie eine -auch demoskopisch meßbare -allgemeine Technikeinstellung gibt. Ein weiteres Indiz dafür ist die Tatsache, daß diese allgemeine Technikeinstellung über die Zeit hinweg trotzspektakulärer großtechnologischer Katastrophen, wie z. B.dem Reaktorunfall von Tschernobyl (April 1986), keinerlei Trendumkehr, keine zyklischen Schwankungen aufweist. Dies, obwohl gerade Tschernobyl in der Einstellung zur betroffenen Technologie sehr wohl fundamentale, ja beinahe erdrutschartige Veränderungen bewirkt hat. Dieses Ergebnis ist ebenso auch in anderen Ländern vorzufinden. Weiterhin konnte gezeigt werden, daß die Bundesdeutschen zumindest auf der generellen Ebene der Technikbeurteilung eigentlich keinerlei Anzeichen von Technikfeindlichkeit oder Maschinenstürmerei gezeigt haben. Noch ausgeprägter ist diese positive Grundhaltung bei den Jugendlichen.
Dieses Ergebnis bekräftigt eine weitere, Technik global bilanzierende, lange Zeitreihe des IfD Allensbach, die in der synoptischen Abb. 1 nicht enthalten ist. Die Ergebnisse hierfür sind in Tab. 1 dargestellt. Auffällig ist dabei allerdings, daß -wenngleich die jüngere Altersgruppe stets positiver und weniger skeptisch als die Gesamtbevölkerung eingestellt ist -sich die Unterschiede im Laufe der Zeit zwar nicht egalisieren, aber doch reduzieren. 2. Entwicklung der Einstellungen zu Computern und zu neuen Technologien in der Bundesrepublik Deutschland In Abb. 2 sind für die Bundesrepublik Deutschland die in jährlichem Abstand ermittelten Ergebnisse für die Frage enthalten, ob man, ganz allgemein, persönlich eine positive Meinung über Computer habe oder nicht. Deutlich erkennbar ist über die Jahre hinweg, vor allem aber seit 1983, eine Zunahme der positiven Einstellung: Lagen zu Beginn die Anteile bei den Gesamtwerten zwischen 30 und 40 Prozent, so sind es nunmehr weit über die Hälfte. Zumeist liegen die Ergebnisse für die beiden jüngsten Altersgruppen der 14-19-und der 20-29jährigen deutlich über den positiven Bewertungen der Befragten insgesamt.
Basis für Abb. 3 sind die Ergebnisse der Frage, ob man glaube, daß die meisten Leute in der Bundesrepublik eher für oder eher gegen Computer eingestellt sind. Wiedergegeben ist hier ebenfalls nur der positiv formulierte Teil der Antwort. Waren 1983 knapp 30Prozent der Befragten der Meinung, daß die Bevölkerung eher für Computer sei, so lag deren Anteil 1990 bei über 60 Prozent -es liegt also liegt eine Verdoppelung vor. Auch hier sind die beiden jüngsten Altersgruppen bis hin zu 30 Jahren mit ihrer Einschätzung des Meinungsklimas in allen Jahren deutlich positiver.
Insgesamt gesehen wird in diesem Bereich eine grundsätzlich positive und mit der Zeit stetig positiver werdende Einstellung der Bevölkerung deutlich -dies zeigen übereinstimmend weitere demoskopische Ergebnisse und Zeitreihen auch anderer Institute.
In Abb. 4 sind die an einige ausgewählte neuere Entwicklungen im Bereich der Informations-und Kommunikationstechniken geknüpften positiven Erwartungen wiedergegeben. Beginnend im Jahre 1980 zeigen diese -wiederum für viele Umfragen und Institute typischen -Zeitreihen über nahezualle ausgewiesenen Bereiche hinweg einen anfangs mehr oder weniger deutlichen Rückgang der positiven Erwartungen. Über die letzte Dekade hinweg betrachtet ist auch hier zumeist ein U-förmiger Verlauf zu konstatieren
Nahezu durchgängig sind die 14-19-und die 20-29jährigen positiver eingestellt. Als Referenz-maßstäbe dienen dabei die jeweils korrespondierenden Gesamtwerte. Also auch hinsichtlich neuerer Entwicklungen im Bereich der Informationstechnik läßt sich keine jugendspezifisch negative Einstellung festhalten -eher das Gegenteil ist der Fall. 3. Einstellungen zu Technik und Wissenschaft in der DDR bzw.den neuen Bundesländern Ebenso wie in der Bundesrepublik wurde die Technikakzeptanz der Bevölkerung in der DDR als ein wichtiges Thema erachtet und als ein zentraler Faktor für wirtschaftliches Wachstum, sozialen und gesellschaftlichen Fortschritt gesehen: „Einstellungen und Erwartungen, Haltungen und Verhalten sind bei der Verwirklichung des wissenschaftlich-technischen. Fortschritts durch Arbeiterklasse, Genossenschaftsbauern und wissenschaftlich-technische Intelligenz im Sozialismus bedeutende Faktoren. Diese subjektiven Voraussetzungen und Triebkräfte nicht global, sondern gerichtet auf die Schwerpunkte beim Durchsetzen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts im Aktionsfeld produktionswirksamer konkreter und defini-torisch charakterisierter technischer Neuerungen zu untersuchen, bringt manche Vorteile.“ Deutlich wird an dieser exemplarischen Aussage auch die nicht trennscharfe Verwendung der Begriffe „Technik“ und „Wissenschaft“ (zu ergänzen wäre noch „Forschung“): Wissenschaft und Technik wurden in der Regel als ein Begriff verwendet, ebenso wie die Einstellung zum vielbeschworenen „wissenschaftlich-technischen Fortschritt“ (WTF).
Wenngleich die meisten Umfragen in der DDR nicht bevölkerungsrepräsentativ waren, so steht das nachfolgend wiedergegebene Ergebnis einer empirischen Studie doch stellvertretend für viele andere: „Über 80 Prozent der Befragten sind der Auffassung, daß durch die wissenschaftlich-technischen Erkenntnisse und Neuentwicklungen das Leben der Menschen insgesamt reicher und leichter gestaltet wird, obwohl damit verbundene Widersprüche keineswegs übersehen werden. Eine skeptische oder gar pessimistische Grundhaltung gegenüber der weiteren Entwicklung von Wissenschaft und Technik in unserer sozialistischen Gesellschaft ist unter der großen Mehrheit der jungen Werktätigen nicht anzutreffen.“
Empirische Daten zum -artikulierten -Interesse an Technik und Wissenschaft, an Themen zur Entwicklung des WTF etc. sind für die frühere DDR rar. In der Summe und Tendenz läßt sich aber festhalten, daß rund 10-20 Prozent der DDR-Bevölkerung überdurchschnittliches Interesse daran hatten und -ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland -nur etwa 10 Prozent keinerlei Interesse an diesen Thematiken bekundeten. Bei den Jugendlichen war das Interesse an diesen Themen und Bereichen eindeutig stärker ausgeprägt als in den anderen Altersgruppen und als im Bevölkerungsdurchschnitt insgesamt Dies gilt auch für Computer, Neue Technologien usw.: Die Haltung der Jugend war eindeutig positiv und mit sehr hohen Erwartungen gepaart
Die Mehrzahl der vorliegenden und uns bekannten Umfrageergebnisse aus der Zeit seit der deutschlandpolitischen „Wende“ 1989 deutet teils auf Unterschiede, teils auf Gemeinsamkeiten in der Akzeptanz des technischen Fortschritts in den neuen Bundesländern im Vergleich zu den alten Ländern hin. Sehr ähnlich sind die Ergebnisse bezüglich der Globalindikatoren; Unterschiede zeigen sich beispielsweise in der Differenzierung nach Bildungsgruppen und bezüglich der Einstellung zu Kernkraftwerken. Diese Ergebnisse sind natürlich in vielerlei Hinsicht noch weiter zu hinterfragen. Was assoziieren, was meinen Bürger in Ost und West, wenn sie nach ihrer Einstellung zum „technischen Fortschritt“, zur „Technik“ usw. gefragt werden? Wirkt z. B.der „Jobkiller-Aspekt“ in den neuen Ländern angesichts der dortigen Situation auf dem Arbeitsmarkt anders als in den Altländern?
Andererseits ist eine auch künftig mögliche Rückbindung der Ergebnisse sicherzustellen, und dazu bedarf es einer Bestandsaufnahme und Sicherung der empirischen Daten von Sozial-und Umfrageforschung in der früheren DDR. Diese wichtige und vielschichtige Aufgabe ist nunmehr in deutlich stärkerem Ausmaß als bisher und vor allem rasch anzugehen, soll dieser einzigartige historische Fundus nicht vollständig verloren gehen Größere Teile des für die Gestaltung des Transformationsprozesses dringend notwendigen Orientierungsund vor allem auch Interpretationswissens dürften allerdings bereits unwiderbringlich verloren sein.
III. Die internationale Dimension: Technikeinstellungen in Japan und den USA
Abbildung 3
Abb. 3: Meinung über Computereinstellung in der Bevölkerung. (Angaben in Prozent)
Quelle: Vgl. Abb. 2.
Abb. 3: Meinung über Computereinstellung in der Bevölkerung. (Angaben in Prozent)
Quelle: Vgl. Abb. 2.
Wird in der Bundesrepublik über „Technikfeindlichkeit“, mangelnde Akzeptanz, aber auch über hohe Fehlzeiten, übermäßige Urlaubsansprüche etc. diskutiert, so ist die „Vorbild-Japan-Diskussion“ zumeist nicht fern. So wird bei uns häufig behauptet, daß der unbestreitbare wirtschaftliche Erfolg Japans zentral und nahezu kausal mit den außerordentlich positiven Technikeinstellungen, ja gar einer Fortschrittseuphorie der Japaner zusammenhänge. Ihnen sei es gelungen, alte und neue Werte fast nahtlos zu verbinden, sozusagen .. Lotosland“ und .. Robotland" zu vereinen. Hinzu komme eine hohe Arbeitsmotivation und -Produktivität, nur geringe Inanspruchnahme von zustehendem Urlaub und Arbeiten nahezu rund um die Uhr.
Die Realität nun aber ist -wie zumeist -komplizierter, und sie ist anders als das oben kurz skizzierte „Idealbild". Betrachtet man die in repräsentativen Bevölkerungsumfragen gemessenen Einstellungen der Japaner, so zeigt sich sowohl auf der Ebene der Globalindikatoren als auch bezogen auf vielfältigste Folgen bzw. Bereiche ein in keinerlei Hinsicht besonders technikfreundliches Meinungsklima. Dies gilt nicht nur für Umfragen aus den letzten, sondern auch für Erhebungen von vor bereits zehn und mehr Jahren. So kommen z. B. Nisihira und Dore zu folgendem Ergebnis: „The national-character survey found between 1953 and 1973 a growing number (from 30 to 50 per Cent) agreeing the Statement: , with the development of Science and technology, life becomes more convenient but at the same time a lot of human feeling is lost'... 43 per cent endorsed it in 1978. and 47 per cent in 1983. " Zu verweisen ist in diesem Kontext insbesondere noch darauf, daß in Japan und den englischsprachigen Ländern die sprachlichen und vor allem auch gedanklichen Verbindungen zwischen „technology" und „Science" sehr viel enger sind als in den Ländern der Bundesrepublik bis 1990. In der früheren DDR und den jetzigen neuen Bundesländern ist diese enge Verbindung ja ebenfalls gegeben.
Eine Repräsentativerhebung aus dem Jahre 1984 enthielt Bilanzurteilsfragen" die das im Westen vielfach gängige Bild und Vorurteil von den vorgeblich so technikfreundlichen Japanern erheblich relativieren. So beantworteten 60 Prozent der Angesprochenen die Frage „Haben Sie vor einer fortschreitenden Technisierung Angst?" mit „ja"; ein Drittel entschied sich für die Antwort „nein". In der gleichen Befragung meinten 62. 5 Prozent „Der technische Fortschritt bedeutet nicht unbedingt ein glücklicheres Leben"; davon überzeugt war nahezu jeder Zehnte und 28 Prozent entschieden sich hier für die Kategorie „weiß nicht" bzw. verweigerten die Antwort.
Tab. 2 enthält Ergebnisse aus einer Umfrage vom März 1987. Eine leichte Mehrheit der über 18 Jahre alten Japaner entschied sich bei der Frage „Glauben Sie. daß der Fortschritt in Wissenschaft und Technik mehr positive oder mehr negative Folgen gebracht hat?" für die positive Antwortkategorie. Insbesondere Männer. Befragte in den mittleren Alterskategorien und solche, die angaben. sie seien an Technik interessiert, vertraten diese Ansicht. Knapp unter 10 Prozent waren -über eigentlich alle Gruppen hinweg -jeweils der gegenteiligen Meinung. In Abb. 5 sind -wiederum exemplarisch -einigen Ergebnissen aus einer vergleichend angelegten Erhebung in den USA von 1985 entsprechende japanische Zahlen von 1987 gegenübergestellt. Es wird deutlich, daß die subjektive Einschätzung der Auswirkungen von Wissenschaft und Technik in Japan erheblich weniger optimistisch ist als in den USA.
Sieht man von dem Effekt einer in Japan -bei fast allen Fragestellungen und Themen -praktisch immer über den Werten in anderen Ländern liegenden Häufigkeit von nicht oder unentschieden Antwortenden und dem Zweijahreszeitraum zwischen den beiden Befragungen ab, so fällt z. B. auf, daß lediglich fünf Prozent der Japaner, aber ein Viertel der Amerikaner angaben, sie erwarteten von Wissenschaft und Technik einen positiven Effekt auf die Moral-und Wertvorstellungen der Menschen. Auffällig auch die Unterschiede in der Beurteilung der erwarteten Auswirkungen auf die allgemeinen Arbeitsbedingungen: Waren es in den USA nahezu vier Fünftel, die hier an positive Effekte glaubten, so waren es in Japan nur knapp 40 Prozent. Ein Ergebnis wiederum, das sich mit vielen anderen deckt.
Halten wir fest: Debatten über die zu wenig positive, gar technikfeindliche Einstellung der Bevölkerung in Japan sind ebenso wie in vielen anderen Ländern nicht neu. Auch in Japan gilt: » .. die Liebhaber von Naturwissenschaft/Technik sind eine Minderheit in der Bevölkerung. Allenfalls die jüngeren Männer interessieren sich wirklich dafür.“ Die Einstellung der Japaner zur Technik und zum technischen Fortschritt ist aber nicht nur auf der generellen Ebene der Globalindikatoren oder auf den noch relativ allgemeinen Wirkungsebenen keinesfalls auffällig positiv: Auch hinsichtlich einzelner Technologien, wie z. B. Gentechnik, Mikroelektronik oder auch den Neuen Medien, zeigt sich dies Über nahezu alle einschlägigen Indikatoren hinweg gleichgerichtet hat in den USA mittelfristig eine Abnahme der positiven Beurteilungen und Einstellungen in bezug auf Technik und Wissenschaft stattgefunden. Zugenommen hat in diesem Zeitraum auch dort eine eher ambivalente Einstellung. Nach wie vor ist der Großteil der Bevölkerung aber generell positiv eingestellt, wie auch die Schlußfolgerung einer neueren Studie belegt: „In summary, Americans remain optimistic about the benefits of scientific growth and technological development. They continue to believe that the benefits of scientific innovation outweigh the risks. The public does, however, express a substantial level of concem about technological risks and unrestrained scientific growth, and Americans appear to increa- singly favor regulation of scientific development.“
Für die Jugendlichen kann pauschal festgehalten werden, daß sie mit ihren jeweiligen demoskopisch gemessenen Einstellungen in etwa auf dem Niveau des Gesamtdurchschnitts oder leicht darüber liegen. Frauen sind zumeist etwas weniger positiv und etwas stärker negativ eingestellt. Dennoch ist vor überzogenen Verallgemeinerungen zu warnen, denn -und dies gilt über die USA hinausreichend „Finally, the stereotypes appearing in the literature about attitudes toward technology require substantial revision. Although the young, the poor, the uneducated, and the politically liberal disproportionately oppose some technologies, they also disproportionately favour others.“
Im Vergleich USA-Bundesrepublik Deutschland über die Einstellung der Bevölkerung zu Technik (und Wissenschaft) läßt sich zusammenfassend festhalten: Auf der hier schwerpunktmäßig erörterten globalen Urteilsebene scheinen die Amerikaner leicht optimistischer als die Bundesbürger zu sein. Jedoch sind die Unterschiede nicht sonderlich gravierend. Bedingt vor allem durch das Vorhandensein stark voneinander abweichender demoskopischer Ergebnisse, die nahezu zeitpunktgleich jeweils innerhalb der Länder erhoben wurden, sind die aufscheinenden Unterschiede zwischen beiden Ländern weder interpretativ noch gar statistisch sehr tragfähig
IV. Stolz auf Technik und Wissenschaft im eigenen Land -Ergebnisse aus den Weltjugendstudien 1977-1988
Abbildung 4
Tab. 1 Erleichtert technischer Fortschritt das Leben? *) (Angaben in Prozent)
Quelle: INIFES, eigene Darstellung
Tab. 1 Erleichtert technischer Fortschritt das Leben? *) (Angaben in Prozent)
Quelle: INIFES, eigene Darstellung
Zur Klärung der Frage, ob denn die bundesdeutschen Jugendlichen -wie vielfach behauptet -im internationalen Vergleich wirklich eine Sonderrolle hinsichtlich ihrer Einstellungen zu Technik und Wissenschaft aufweisen, dienen auch die folgenden Daten. Die empirischen Ergebnisse dieser bereits international vergleichend angelegten Weltjugendstudien, die im Auftrag und unter der Ägide der japanischen Regierung durchgeführt wurden, eignen sich hierfür ganz besonders. In allen einbezogenen Ländern wurde dabei der gleiche Fragebogen verwendet; die Ergebnisse sind jeweils für die Gruppe der 18-24jährigen Jugendlichen repräsentativ.
Interessant für unsere Thematik ist vor allem die Frage, worauf die Jugendlichen in ihrem eigenen Land stolz sind. Vorgegeben war eine Liste mit elf positiv formulierten Items (Einzelangaben) bzw. Bereichen/Möglichkeiten des Stolzes (z. B. Bildungsstand, Sport, Natur-und Bodenschätze, Religion/Glaube, Entwicklungspotential) und ein Negativ-Item („Es gibt nichts, worauf man stolz sein kann“).
Tab. 3 gibt die Ergebnisse dieser Umfragen in Auszügen wieder. Auswahlkriterien waren dabei die jeweils ersten beiden Rangplätze der Prioritäten-reihung in den Umfragen von 1977, 1983 und 1988. Lediglich in drei Ländern wurde der Stolz auf „Wissenschaft und Technik“ von den Jugendlichen an die zweite Stelle gesetzt: In Japan, den USA und in der Bundesrepublik Deutschland Daß dies eine relativ gefestigte Einstellung ist, zeigt sich auch daran, daß der zweite Rangplatz über alle drei Umfragen hinweg beibehalten wird. Die französischen Jugendlichen zeichnen sich im Gegensatz zu der ihnen häufig unterstellten besonderen Wissenschafts-und Technikaffinität, ja gar -begeisterung, nun nicht gerade durch eine solche aus. Und dieses Resultat deckt sich durchaus mit den Ergebnissen vieler weiterer französischer und internationaler Umfragen. Nur in der Erhebung von 1988 wurde „Wissenschaft und Technik“ in Frankreich -gleichauf mit „Kultur und Kunst“ -ebenfalls an den zweiten Rang gesetzt. Eine besondere Distanz oder Abneigung der bundesrepublikanischen Jugendlichen zu „Wissenschaft und Technik“ wurde auch bei dieser Frage, diesem Indikator, nicht offensichtlich. Ganz im Gegenteil sind es für sie offenkundig in starkem Maße positiv besetzte Werte, die noch dazu über die drei Umfragen hinweg stetig an Bedeutung gewonnen haben -ebenso wie auch in Japan.
V. Fazit
Abbildung 5
Abb. 4: Positive persönliche Erwartungen an verschiedene neue Entwicklungen im Bereich der I) *. nformationstechnik (Angaben in Prozent)
Quelle: INIFES, eigene Berechnungen, (für 1981 und 1987 Zusammenstellung) und Darstellung nach: EMNID, Zukunftserwartungen und Zukunftsverhalten, verschiedene Jährgänge.
Abb. 4: Positive persönliche Erwartungen an verschiedene neue Entwicklungen im Bereich der I) *. nformationstechnik (Angaben in Prozent)
Quelle: INIFES, eigene Berechnungen, (für 1981 und 1987 Zusammenstellung) und Darstellung nach: EMNID, Zukunftserwartungen und Zukunftsverhalten, verschiedene Jährgänge.
Die Einstellungen zur Technik und zum technischen Fortschritt haben sich verändert. Der vorbehaltlose und ungebrochene Technikoptimismus der späten fünfziger und vor allem der frühen sechziger Jahre -verursacht u. a. durch Vollbeschäftigung, wirtschaftliches Wachstum, Massen-konsum breiter Bevölkerungsschichten, „Fortschritt“ generell -wurde abgelöst durch eine ambivalent-abwägende Haltung. Man sieht die Vorteile, aber auch die Nachteile, und man erkennt auch neue Gefahrenpotentiale für Mensch, Gesellschaft und Umwelt. Von einer „Technikfeindlichkeit“ der Bevölkerung, von einer spezifischen Sondersituation der Deutschen oder gar einer besonders negativen Einstellung der Jugend kann aber keine Rede sein. Die drei am häufigsten benannten Indikatoren für eine hohe und sich ausbreitende Ablehnung von und Gegnerschaft zur Technik sind entweder falsch oder aber so nicht richtig: -Bei der Frage nach „Segen“ oder „Fluch“ der Technik (IfD Allensbach) handelt es sich nicht um eine, sondern eigentlich um zwei auf Umfrageergebnissen basierende Zeitreihen. Bei gleicher Frageformulierung wurden nämlich unterschiedliche Antwortkategorien („wedernoch“ versus „teils-teils") vorgegeben, die deutliche und systematische Unterschiede hinsichtlich der Höhe der „Segen“ -Ergebnisse produzierten. Negiert man dies oder vermischt und mittelt man die Ergebnisse der beiden Zeitreihen, so erhält man schlicht ein Methodenartefakt, das unsinnig und irreführend ist -Auch bei vorsichtiger Würdigung der einschlägigen Ergebnisse ist über die Zeit eine Zunahme des Interesses Jugendlicher an Technik und technischen Fragen festzustellen. Trotz größerer Schwankungen zwischen den einzelnen Erhebungszeitpunkten seit 1965 hat sich das bekundete Interesse inzwischen auf einem höheren Niveau stabilisiert -Die zeitweilig relativ starke Abnahme der Belegungsziffern bei technischen und naturwissenschaftlichen Studienfächern folgte dem Mechanismus des sogenannten „Schweinezyklus“, dem aus der Wirtschaft bekannten Konjunkturverlauf von Angebot und Nachfrage: „Die Jugendlichen hatten sich ganz genauso verhalten, wie ihnen geraten worden war, mit dem Ergebnis, daß sie allgemein wegen ihrer Technik-feindlichkeit beschimpft wurden.“
Nicht nur auf der generellen Ebene der Einstellungen zur Technik, sondern auch bereichsspezifisch ist eine größere Skepsis und Distanz gegenüber technischen Entwicklungen bei der älteren Generation festzustellen. Die Einhelligkeit, mit der die verschiedensten Indikatoren aus den unterschiedlichsten Umfragen dies auch international belegen, gibt fast Anlaß zu sagen: Nicht „Jugend und Technik“, sondern „Ältere Menschen und Technik“ ist das eigentliche Thema. Dies gilt insbesondere dann, wenn man sich die künftige demographische Entwicklung vor Augen hält. Aus-und Weiterbildung werden somit in Zukunft sicherlich an Bedeutung gewinnen, und es muß ihnen mehr Beachtung geschenkt werden. Analoges gilt für die Dimension der Technikerfahrungen. Daß diese Aspekte im jetzt ablaufenden Transformationsprozeß eines vereinten Deutschland eine besonders wichtige Rolle spielen, dürfte offenkundig sein.
Dieter Jaufmann, Dr. rer. pol., geb. 1953; wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Internationalen Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES) in Stadtbergen. Veröffentlichungen u. a.: Technik und Wertewandel -Jugendliche und Erwachsene im Widerstreit?, Frankfurt/M. u. a. 1990; (Hrsg. zus. mit Emst Kistler) Einstellungen zum technischen Fortschritt. Technikakzeptanz im nationalen und internationalen Vergleich, Frankfurt/M. -New York 1991. Ernst Kistler, Dr. rer. pol., geb. 1952; Gesellschafter und Projektgruppenleiter am Internationalen Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES) in Stadtbergen. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit D. Jaufmann/G. Jänsch) Jugend und Technik. Wandel der Einstellungen im internationalen Vergleich, Frankfurt/M. -New York 1989; (Hrsg. zus. mit D. Jaufmann) Mensch-Gesellschaft -Technik. Orientierungspunkte in der Technikakzeptanzdebatte, Opladen 1990.
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