I. Vorbemerkung
Die Aufgaben, die Struktur und die Arbeitsweise der Vereinten Nationen haben sich seit ihrer Gründung erheblich gewandelt. Budget und Personal-bestand sind gegenüber den Anfangsjahren deutlich gestiegen; die Gründung neuer Neben-oder Spezialorgane hat die Organisation komplexer werden lassen. Die Charta der Vereinten Nationen (Art. 1) stellt die Aufgabe der Friedenssicherung an den Anfang, wobei dieser Begriff weit zu verstehen ist. Erfaßt werden davon nicht nur Maßnahmen gegen Akte militärischer Aggression, sondern es ist ebenfalls die Aufgabe der Vereinten Nationen, in Situationen tätig zu werden, aus denen sich eine Bedrohung des Weltfriedens entwickeln kann. Deshalb gehören die friedliche Streitbeilegung, die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Schutz der Menschenrechte ebenfalls zu ihren Aufgaben.
Bei einer Betrachtung von Struktur und Arbeitsweise der Vereinten Nationen ist festzustellen, daß die Tätigkeiten hinsichtlich der Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet deutlich an Gewicht gewonnen haben. Der Wegfall des Ost-West-Gegensatzes und die damit gewonnene Handlungsfähigkeit des Sicherheitsrates könnte allerdings zu einer neuen Gewichtung in der Tätigkeit der Vereinten Nationen führen; ein verstärktes Engagement der Vereinten Nationen in der Friedenssicherung im engeren Sinn erscheint nicht mehr völlig ausgeschlossen. Positiv wirkt sich auch aus, daß Ansätze für eine stärkere Ausdifferenzierung des Instrumentariums der Friedenssicherung über die klassischen Bereiche kollektive Sicherheit (Kapitel VII UN-Charta) und friedliche Streitbeilegung (Kapitel VI UN-Charta) hinaus existieren und der Versuch unternommen wird, die Vereinten Nationen vor Ausbruch eines aktuellen Konfliktes mit Spannungssituationen zu befassen.
II. Friedenssicherung im Rahmen der kollektiven Sicherheit
Grundgedanke des durch die UN-Charta errichteten Systems der kollektiven Sicherheit ist es, die militärische Gewaltausübung gegenüber Staaten bei einer bestimmten Institution, dem Sicherheitsrat, zu monopolisieren und gleichzeitig die Ausübung von militärischer Gewalt in den zwischenstaatlichen Beziehungen zu verbieten Das heißt, daß die UN-Charta die Anwendung militärischer Gewalt grundsätzlich nur dann als gerechtfertigt ansieht, wenn diese Gewaltanwendung zur Abwehr eines Friedensbruches durch den Sicherheitsrat angeordnet wird. Militärische Gewaltanwendung ist darüber hinaus auch durch Staaten im Falle der Selbstverteidigung gerechtfertigt, wobei diese individuell oder kollektiv erfolgen kann Dabei ist gemäß Art. 51 Satz 2 UN-Charta die Selbstverteidigung lediglich ein Residualrecht der Staaten, das den notwendigen Maßnahmen des Sicherheitsrates weicht Zudem liegt die Schwelle für Staaten, Maßnahmen im Rahmen der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung zu ergreifen, deutlich höher (Abwehr eines militärischen Angriffs) als die Eingriffsschwelle des Sicherheitsrates gemäß Art. 39 UN-Charta (Bedrohung oder Bruch des Friedens oder Angriffs-handlung). Schließlich erlaubt Kapitel VIII UN-Charta militärische Maßnahmen auch im Rahmen regionaler Abmachungen Die UN-Charta regelt in Art. 39ff. lediglich das Verfahren, in dem nicht-militärische oder militärische Maßnahmen zur Abwehr einer „Bedrohung oder eines Bruchs des Friedens“ oder einer „Angriffshandlung“ ergriffen werden können. Die genannten Vorschriften verzichten bewußt darauf, die Entscheidung des Sicherheitsrates an andere Kriterien zu knüpfen und diese Begriffe in der Charta näher einzugrenzen. Über einen weitreichenden Spielraum verfügt der Sicherheitsrat auch bei seiner Entscheidung, ob er von nicht-militärischen auf militärische Maßnahmen übergehen will Schließlich beläßt die UN-Charta dem Sicherheitsrat Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Auswahl der nicht-militärischen und militärischen Maßnahmen sowie hinsichtlich der Auswahl der diese Maßnahmen durchführenden Staaten Das heißt, der Sicherheitsrat ist ein politisch und nicht ein juristisch entscheidendes Gremium zur Friedenssicherung
Die Durchführbarkeit militärischer Maßnahmen unmittelbar durch den Sicherheitsrat setzt allerdings voraus, daß diesem gemäß Art. 43 UN-Charta von den Mitgliedern der Vereinten Nationen auf Grund von Sonderabkommen Streitkräfte zuvor zur Verfügung gestellt worden sind. Für die Übergangszeit bis zum Abschluß dieser Abkommen sieht Art. 106 UN-Charta vor, daß, gegebenenfalls nach Konsultationen mit anderen Mitgliedstaaten, Maßnahmen gemäß Art. 42 UN-Charta von den USA, der UdSSR, Großbritannien, China sowie Frankreich getroffen werden können. Da die in Art. 43 UN-Charta genannten Sonderabkommen bislang nicht vorliegen, behält Art. 106 UN-Charta weiterhin seine Anwendbarkeit.
Von der Möglichkeit, Maßnahmen wegen eines Friedensbruchs zu ergreifen, hat der Sicherheitsrat vor dem Golfkonflikt nur gegen Südrhodesien und Südafrika Gebrauch gemacht Der Grund für diese Inaktivität lag in der fehlenden Solidarität der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, wobei diese aber nach den Abstimmungsregeln für den Sicherheitsrat Voraussetzung für dessen Funktionsfähigkeit ist. Versuche einer institutioneilen Reform des Sicherheitsrates sind bislang gescheitert. Aber auch die Generalversammlung ist institutionell außerstande, die Aufgaben des Sicherheitsrates im Falle einer Handlungsfähigkeit zu übernehmen. Die „Uniting for Peace“ -Resolution mit der ein entsprechender Versuch unternommen wurde, hat nicht dazu geführt, daß die Generalversammlung in der Praxis Kollektivmaßnahmen empfohlen hätte Sie hat aber immerhin anläßlich der Konflikte um Afghanistan, Grenada, Kampuchea, Bangladesh, Ost-Timor, West-Sahara und Nicaragua sowohl gegenüber den beiden Großmächten wie auch gegenüber den beteiligten Entwicklungsländern auf die Grundsätze von Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta verwiesen. Der Grund dafür, warum es nicht gelungen ist, Kapitel VII über die „Uniting for Peace“ -Resolution zu ergänzen und das System der kollektiven Sicherheit durch Einschalten der Generalversammlung insgesamt funktionsfähiger zu machen, ist darin zu suchen, daß ein Gremium wie die Generalversammlung wegen seiner Heterogenität strukturell nicht in der Lage ist, sich auf konkrete und insbesondere rasche und effektive Kollektivmaßnahmen zu einigen. Die Einberufung von Sondergeneralversammlungen und die Aufforderung an die Streit-parteien, die Truppen abzuziehen, beschreiben wohl die Obergrenze der Einigungsfähigkeit in der Generalversammlung.
Einen gewissen, aber sicherlich nicht vollständigen Ausgleich für die fehlende Funktionsfähigkeit des Systems kollektiver Sicherheit bilden die friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen. Hierbei handelt es sich um eine Entwicklung außerhalb der Charta Wenn der Sicherheitsrat die Entsendung der Beobachtermission an die irakisch-kuwaitische Grenze nunmehr auf der Basis des VII. Kapitels der UN-Charta vornimmt, so handelt es sich hier um einen bisher einmaligen Vorgang. Eine wesentliche Konsequenz dieses Vorgehens ist, daß die Stationierung der Beobachtertruppe nicht von dem Willen des Irak oder Kuwaits, sondern ausschließlich von dem Willen des Sicherheitsrates abhängig ist. Hieraus ergeben sich auch Konsequenzen für die Mitgliedstaaten, denn eine Schaffung von Friedenstruppen auf dieser Basis löst die Verpflichtung nach Art. 25 UN-Charta aus.
Die bisherigen friedenserhaltenden Operationen dienten folgenden Zielen: der Observation, der Bildung von Pufferzonen und der Befriedung innerstaatlicher Konflikte. In jüngster Zeit gewinnen rein innerstaatliche Aufgaben, wie die Überwachung oder sogar die Durchführung von Wahlen, zunehmende Bedeutung Gegenwärtig werden Friedenstruppen ausschließlich durch den Sicherheitsrat aufgestellt und ihr Einsatz auch von diesem überwacht. Die früher in dieser Hinsicht eigenständige Rolle des Generalsekretärs und der Generalversammlung ist damit zugunsten des Sicherheitsrates reduziert worden. In der Praxis entspricht insofern die Kompetenzverteilung hinsichtlich der Friedenssicherung dem ursprünglichen Bild der Charta Als wichtig für die Stabilisierung dieses Instrumentariums erscheint es daher, das System von Aufstellung und Finanzierung von Friedenstruppen zu vereinheitlichen
In beiden Golfkonflikten ist es zu einer verstärkten Anwendung des Instrumentariums von Kapitel VII der UN-Charta gekommen. Das Waffenembargo gegenüber dem Iran war der erste Versuch, die von der Charta vorausgesetzte Solidarität der ständigen Mitglieder des Sicherheitrates wiederzugewinnen. Die Maßnahmen des Sicherheitsrates in Reaktion auf den zweiten Golfkrieg belegen nicht nur, daß die erforderliche Einigkeit besteht, den Sicherheitsrat im Interesse einer Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit einzusetzen. Die entscheidende Resolution des Sicherheitsrates 678 vom 29. November 1990 zeigt aber auch die Grenzen der Einigung zwischen den Großmächten auf. Nicht konsensfähig war eine militärische Aktion durch den Sicherheitsrat selbst, konsensfähig war lediglich, gestützt auf Art. 42 letzter Satz und 48 Abs. 1 UN-Charta die Autorisierung einer Staatengruppe, militärische Zwangsmaßnahmen gegen den Irak zu ergreifen. Auch verzichtete der Sicherheitsrat, abgesehen von einer allgemein formulierten Berichtspflicht, auf die Einführung von Mechanismen, die eine ständige Kontrolle der Militäraktionen sicherten. Schließlich lag die Beendigung dieser Aktionen nicht bei ihm, sondern bei den Staaten der Golfallianz. Damit hat der Sicherheitsrat seine Funktion gegenüber der Grundidee des Art. 42 UN-Charta zurückgenommen, wenn er auch deutlich mehr Verantwortung im zweiten Golfkrieg trug, als es bislang seiner Praxis entsprach.
Auch wenn die von dem Sicherheitsrat im zweiten Golfkrieg ergriffenen Maßnahmen zunächst singulärer Natur sind, so sind sie dennoch für die weitere Entwicklung des Instrumentariums zur Friedenssicherung von wesentlicher Bedeutung. Der zweite Golfkrieg hat die bekannten Probleme des existierenden Instrumentariums der kollektiven Sicherheit erneut belegt. Der Sicherheitsrat ist auch trotz bestehender Einigkeit der ständigen Mitglieder außerstande, eine militärische Zwangsmaßnahme eigenverantwortlich durchzuführen, da die in Art. 43 UN-Charta vorgesehenen Sonderabkommen fehlen und der Generalstabsausschuß seine Funktionen gemäß Art. 47 UN-Charta nicht wahrnimmt. Der Abschluß von Sonderabkommen, selbst in der Form von Rahmenabkommen, die nicht die volle Wirkung gern. Art. 43 UN-Charta entfalten, würde einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen darstellen. Jeder Versuch einer Stärkung des Sicherheitsrates, selbst wenn diese nicht mit einer Änderung der UN-Charta verbunden ist, ist allerdings politisch schwer durchsetzbar. Er wird auf den Widerstand der ständigen Mitglieder, möglicherweise aber auch anderer Staaten, stoßen. Weniger ambitioniert und daher erfolgversprechender wäre ein in die gleiche Richtung zielender Versuch, das Verfahren für einen Militäreinsatz gern. Art. 42 i . V. m. 48 UN-Charta zu verbessern. Nach den Erfahrungen des zweiten Golfkrieges erscheint es zumindest erforderlich, dem Sicherheitsrat verfahrensrechtlich eine permanente und vollständige Information sowie eine Kontrolle über den Ablauf einer Militäraktion nach Art. 48 UN-Charta zu sichern Auch die hierin liegende Stärkung des Sicherheitsrates und damit Selbstbindung seiner ständigen Mitglieder wird auf schwer überwindbare politische Widerstände stoßen. Während diese aber grundsätzlich überwindbar sind, erscheint dagegen jeder Versuch, die dem Sicherheitsrat durch Art. 42 und 48 Abs. 1 UN-Charta eingeräumten Einschätzungs-und Entscheidungsfreiheiten durch eine Änderung der UN-Charta einzuengen, als völlig unrealistisch, wie überhaupt jeder Versuch einer Chartaänderung unter den gegebenen politischen Verhältnissen zum Scheitern verurteilt ist. Insgesamt ist es erforderlich, den Sicherheitsrat institutionell zu stärken Gelingt es nicht, ihm die Mittel für eine selbständige Rolle in der Friedenssicherung an die Hand zu geben, ist auch in Zukunft nicht auszuschließen, daß militärische Aktionen nur unter einer schwachen Kontrolle durch den Sicherheitsrat oder unter der Verantwortung der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates gemäß Art. 106 UN-Charta oder sogar nur allein durch eine der Großmächte durchgeführt werden. Im letzteren Fall wird diese sich wie die USA in den Fällen Grenada und Panama auf das Recht zur Selbstverteidigung berufen.
Die Maßnahmen des Sicherheitsrates im Zusammenhang mit dem zweiten Golfkrieg haben jedoch auch jenseits der aufgezeigten Defizite Wege gewiesen, auf denen der Sicherheitsrat seine gewonnene Handlungsfähigkeit im Interesse des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit einsetzen kann. Die Garantie der Grenze zwischen Kuwait und Irak durch die Resolution 687 hat Abschreckungscharakter, da der Irak bei erneuten Annexionsversuchen mit internationalen Gegenmaßnahmen rechnen müßte. Hierin kann ein Element der Friedenssicherung in dieser Region liegen, denn erst die Unklarheit des Iraks über die internationalen Reaktionen auf die Annexion Kuwaits haben ihn ermutigt, militärisch vorzugehen. Der Sicherheitsrat hat des weiteren mit den Regelungen über die Zerstörung von C-und B-Waffen sowie aller für die Herstellung dieser Waffen dienlichen Anlagen, des entsprechenden Materials und von Raketen über 150 km Reichweite einen Präzedenzfall im Hinblick auf ein weltweites Verbot der B-und C-Waffen gesetzt. Von gleicher Bedeutung sind die entsprechenden Kontrollvorschriften. In bezug auf A-Waffen bestärkt die Resolution 687 zumindest die Verpflichtungen des Nichtverbreitungsvertrages.
Eine Präjudizwirkung für die künftige Tätigkeit des Sicherheitsrates könnte zudem der Resolution 688 vom 5. April 1991 zukommen, mit der die Voraussetzungen für eine internationale Hilfe für die Kurden geschaffen wurde Worauf der Sicherheitsrat diese Resolution stützt, läßt sich aus ihrem Wortlaut nicht ohne weiteres entnehmen. Zwar wird in der Resolution darauf hingewiesen, daß die gravierenden Menschenrechtsverletzungen eine Bedrohung von Frieden und Sicherheit in der Region bedeuten und der Sicherheitsrat auf der Grundlage seiner Verantwortung für den internationalen Frieden und die Sicherheit handle; ein direkter Verweis darauf, daß der Sicherheitsrat auf der Basis von Art. 39 UN-Charta tätig wird, wie er in der Resolution 660 enthalten war, liegt darin jedoch nicht. Relativiert wird die Eingriffskompetenz im Gegenteil durch den hervorgehobenen Verweis auf Art. 2 Ziff. 7 UN-Charta. Dennoch ist die Grundlage für diese Resolution Kapitel VII der UN-Charta; eindeutige Präzedenzfälle in dieser Richtung gibt es allerdings bislang nicht. Die Resolutionen des Sicherheitsrates zu Südrhodesien werden zwar teilweise dahingehend interpretiert, daß der Sicherheitsrat bereits innere Umstände in einem Staat, etwa massive Verletzungen der Menschenrechte, als Friedensbedrohungen angesehen habe Diese Interpretation der Resolutionen 217 und 221 erscheint aber zweifelhaft; der Sicherheitsrat sah die Gefahr einer konkreten militärischen Auseinandersetzung zwischen Südrhodesien und seinen Nachbarstaaten und konnte darauf, anders als im Falle Irak, sein Verdikt stützen Aber selbst wenn die genannten Resolutionen als Präzedenzfälle ausscheiden, ist davon unabhängig festzuhalten, daß Kapitel VII der UN-Charta nicht auf die Sicherung eines negativen Friedens im Sinne der Abwesenheit zwischenstaatlicher militärischer Gewalt ausgerichtet, sondern der Sicherheitsrat auch zu Maßnahmen ermächtigt ist, wenn wesentliche Bedingungen für die Bewahrung des Friedens verlorengehen. Die Rechtfertigung für einen Eingriff kann daher auch bei staatsinternen Situatio-nen, z. B. bei massiven Menschenrechtsverletzungen, vorliegen. Dies ergibt sich bereits aus Art. 39 UN-Charta, wonach der Sicherheitsrat eben nicht nur bei einem Friedensbruch oder einer Aggression, sondern bereits bei einer Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit tätig werden kann. Damit wird die Eingriffsschwelle deutlich einer aktuellen zwischenstaatlichen Konfrontation vorgelagert Ein weiteres Argument läßt sich hierfür aus Art. 2 Ziff. 7 UN-Charta gewinnen. Der Verweis darauf, daß die Anwendung von Kapitel VII nicht durch das Verbot, in die inneren Angelegenheiten eines Staates zu intervenieren, berührt wird, ergibt nur einen Sinn, wenn diese zumindest grundsätzlich Gegenstand von Maßnahmen nach Kapitel VII sein können. Für Maßnahmen bei zwischenstaatlichen Konflikten hätte es dieser rechtswahrenden Klausel nicht bedurft, da sie von vornherein nicht unter das Interventionsverbot von Art. 2 Ziff. 7 UN-Charta fallen. Sie ist daher ein Beleg dafür, daß die Kompetenzen des Sicherheitsrates unter Kapitel VII nicht lediglich auf die Sicherung des negativen Friedens beschränkt sind. Mit seiner Resolution 688 nimmt der Sicherheitsrat klarer als in den Fällen Südrhodesien und Südafrika diese Eingriffs-kompetenz bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen für sich in Anspruch. Da die UdSSR in der jüngsten Zeit mehrfach für eine Stärkung des internationalen Menschenrechtsschutzsystems eingetreten ist, besteht die Hoffnung, daß die Resolution 688 nicht nur ein Resultat der militärischen Niederlage des Iraks bleibt, sondern den Beginn eines forcierten internationalen Menschen-rechtsschutzes unter Beteiligung des Sicherheitsrates markiert. Sollte dies der Fall sein, wäre es erwägenswert, verfahrensrechtlich einzugrenzen, in welchen Fällen der Sicherheitsrat eingreifen soll und welche Maßnahmen ihm hierfür zur Verfügung stehen. Vor allem der erstgenannte Gesichtspunkt verlangt einen wertenden Ausgleich zwischen Art. 2 Ziff. 7 und Art. 39 UN-Charta.
III. Friedliche Streitbeilegung
Im Bereich der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten räumt die Charta dem Sicherheitsrat nur die Möglichkeit ein, an die Parteien zu appellieren oder ihnen Verfahrensvorschläge zu unterbreiten bzw. Untersuchungen durchzuführen. Es fehlt jedoch die Möglichkeit, sich ohne Einwilligung der Beteiligten als Schlichter in eine zwischenstaatliche Streitigkeit einzuschalten. Die Generalversammlung kann, abgesehen von den Befugnissen nach Art. 11 Abs. 1, 14 und 35 der UN-Charta lediglich Streitigkeiten im Rahmen ihrer allgemeinen Kompetenzen diskutieren und entsprechende Empfehlungen abgeben. Mit der „Uniting for Peace“ -Resolution hat sie versucht, ihre Befugnisse in dieser Hinsicht zu erweitern; die Manila-Deklaration betont zusätzlich die Rolle der Generalversammlung. Die Generalversammlung hat mit Resolution 43/163 vom 9. Dezember 1988 eine Art Implementierungskontrolle für die Manila-Deklaration eingerichtet und am 4. Dezember 1989 hierfür eine Verfahrensordnung beschlossen.
Um eine völkerrechtliche Stärkung der in Kapitel VI der UN-Charta vorgesehenen Streitschlichtungsverfahren handelt es sich bei diesen Maßnahmen jedoch nicht, da das Recht der Staaten übermäßig betont wird, Verfahren und Institutionen der Streitbeilegung frei zu wählen
Die UN-Charta stellt mit dem VI. Kapitel nicht nur ein Instrumentarium zur Verfügung, mit dem kriegerische Konflikte beigelegt werden sollen, sondern sieht Maßnahmen zur Konfliktlösung bereits im Vorfeld militärischer Auseinandersetzungen vor, indem sie in Kapitel IX den Abbau sozialer und wirtschaftlicher Spannungen zu einer Aufgabe der Vereinten Nationen macht. Es wäre sachgerecht gewesen, diesen Gedanken explizit auch auf politische Spannungen auszudehnen, um so den Übergang von einer bilateralen Streitbeilegung zu einer Streitbeilegung unter Einschaltung der Vereinten Nationen zu erleichtern In derPraxis haben sich der Sicherheitsrat oder die Generalversammlung bislang darauf beschränkt, die Staaten aufzurufen, ihre Streitigkeiten friedlich beizulegen. Nur in den Anfangsjahren der Vereinten Nationen ist von der Möglichkeit der Art. 34 und 36 Abs. 1 UN-Charta Gebrauch gemacht worden, Untersuchungskommissionen zu entsenden Inzwischen entsendet der Sicherheitsrat Untersuchungskommissionen nicht, um festzustellen, ob die Fortdauer der Streitigkeit oder Situation die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit gefährden könnte, sondern er führt Tatsachenermittlungen durch, um eine Grundlage für Entscheidungen in Streitigkeiten zu erhalten (sog. fact-finding) Schließlich wurde der Generalsekretär mehrfach aufgefordert, seine guten Dienste zur Streitbeilegung anzubieten.
Letztlich haben sich Sicherheitsrat und General-versammlung des ihnen zur Verfügung stehenden Instrumentariums aber nur mit Einschränkungen bedient. Sie haben sich stattdessen pragmatische Verfahren geschaffen, die die Charta nicht ausdrücklich benennt, wie die guten Dienste des Generalsekretärs oder das fact-finding außerhalb von Art. 34 der Charta. Die Gründe für die geschilderte Praxis im Bereich der Streitbeilegung liegen wie bei der Friedenssicherung nach Kapitel VII in der Struktur und in dem Willensbildungsverfahren des Sicherheitsrates, vor allem aber auch in der fehlenden Bereitschaft der Staaten, die Vereinten Nationen in aktuellen Streitigkeiten einzuschalten. Hinzu kommt, daß der Sicherheitsrat keine und die Generalversammlung wenig attraktive Institutionen für eine friedliche Streitbeilegung geschaffen haben.
Eine Verbesserung des Systems der friedlichen Streitbeilegung könnte theoretisch auf fünf Ebenen erfolgen: durch die Einführung präventiver Maßnahmen, z. B. durch die Vorverlagerung der Einflußmöglichkeiten der mit der friedlichen Streitbeilegung betrauten Organe der Vereinten Nationen, so daß diese schon vor einer krisenhaften Zuspitzung des Konfliktes (d. h. im Spannungsfall) tätig werden können; durch die Stärkung des Generalsekretärs mit dem Ziel, daß dieser unabhängiger als bislang seine guten Dienste anbieten kann; durch eine Revision des Willensbildungsverfahrens im Sicherheitsrat; durch die Schaffung besonderer Organe für die friedliche Streitbeilegung mit dem Ziel, das Verfahren gegenüber der Generalversammlung zu entpolitisieren; durch die Verpflichtung der Streitparteien, eines der in Art. 33 der UN-Charta genannten Verfahren zu wählen Nicht realisierbar erscheinen zur Zeit alle Vorschläge die eine Änderung der UN-Charta verlangen, wie z. B. die Bestrebungen, unter Modifizierung von Art. 33 UN-Charta eine Verpflichtung zu begründen, sich in einem Streitfall einem Schlichtungsverfahren zu unterwerfen. Dies gilt auch für den Vorschlag, dem Sicherheitsrat das Recht einzuräumen, Streitigkeiten bindend an den Internationalen Gerichtshof (IGH) zu verweisen. Ebensowenig zu verwirklichen ist die Errichtung einer Kommission für Vermittlung und schiedsgerichtliche Entscheidung, wenn diese in der Charta verankert werden soll. Die Vorschläge sprechen zwar entscheidende Schwächen des Streitschlichtungssystems an -wie das Fehlen jeglichen Verfahrens, das die automatische Einschaltung einer neutralen Stelle vorsieht, und ein zu geringes institutionelles Engagement der Vereinten Nationen -, sie stehen aber nicht mit dem immer wieder betonten souveränen Recht zur freien Wahl eines Streitschlichtungsverfahrens im Einklang.
Insgesamt läßt sich der Gedanke der friedlichen Streitbeilegung nur dann stärker in die Praxis umsetzen, wenn ein Wille der Staaten besteht, sich dieses Instrumentariums zu bedienen oder sich ihm sogar zu unterwerfen. Dieser Wille fehlt zur Zeit noch bei vielen Staaten; es fehlt auch an der ausreichenden Anzahl von Staaten, die diesen Gedanken über längere Zeit in der Generalversammlung nachhaltig vertreten. Insofern besteht in diesem Komplex immer noch Raum für eine kreative Politik in den Vereinten Nationen.
IV. Wirtschaftliche und soziale Fragen
Die zunehmende Beschäftigung der Vereinten Nationen mit Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung ist eng mit dem Prozeß der Dekolonisierung verknüpft. Die nunmehr unabhängigen Staaten Afrikas und Asiens sehen ihre wirtschaftliche Entwicklung als Vollendung ihrer Unabhängigkeit an und setzen hierfür die Generalversammlung ein. Ein weiterer Grund für die Beschäftigung der Vereinten Nationen mit diesem Komplex liegt in der zunehmenden wirtschaftlichen Interdependenz der Staaten, die eine wirtschaftliche Kooperation zwingend erforderlich macht. Letztlich liegt aber die Förderung einer wirtschaftlichen Entwicklung aller Staaten mit dem Ziel, Entwicklungsunterschiede abzubauen, im Interesse der Friedenssicherung. Von diesem Ansatz geht auch die UN-Charta aus
Grundlage für die Aufgaben der Vereinten Nationen in bezug auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen sind Art. 1 Ziff. 3, 13 Abs. 1 Buchst, b, 55 und 56 UN-Charta. Danach ist es Aufgabe der Vereinten Nationen, Lösungen für internationale wirtschaftliche Probleme zu suchen (Art. 55 Buchst, b UN-Charta) und dabei vor allem die Verbesserung des Lebensstandards, der Vollbeschäftigung und der Voraussetzungen für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt (Art. 55 Buchst, a UN-Charta) anzustreben. Die in Art. 55 Buchst, a UN-Charta angesprochenen Einzelgesichtspunkte haben allerdings in der Praxis der Vereinten Nationen weitgehend an Bedeutung verloren; die Vereinten Nationen konzentrieren sich vor allem auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer, wobei alle Aspekte der wirtschaftlichen Entwicklung angesprochen werden
Die Organe der Vereinten Nationen haben sich wirtschaftlicher Fragen in verschiedenen Formen angenommen: durch Schaffung von Institutionen, durch die Leistung technischer Hilfe sowie durch die Formulierung von Prinzipien, Programmen und Vertragstexten.
Die Gründung neuer Institutionen verfolgte unterschiedliche Ziele. Teilweise wurde versucht, die Diskussion in bestimmten Sachbereichen zu vertiefen, um so die Erarbeitung von Prinzipien, Programmen und Normen zu ermöglichen. Mit diesem Ziel wurden Spezialorgane wie UNIDO, UNCI-TRAL, UNCTAD (mit seinem gesamten organisa-torischen Unterbau) und UNEP sowie alle Adhoc-Gremien zur Vorbereitung von Dekaden und Konferenzen bzw. zu deren Bewertung gegründet Die Struktur, der Grad der Unabhängigkeit, die Finanzierung und der Aufgabenbereich dieser Organe ist durchaus unterschiedlich. Ihnen allen ist gemeinsam, daß mit ihrer Gründung keine unmittelbare Kompetenzverlagerung aus der Generalversammlung und dem ECOSOC erfolgte. Die Gründung anderer Organe hatte zum Ziel, den Vereinten Nationen ein zusätzliches Instrumentarium zur Finanzierung der technischen Hilfe oder der Kapitalhilfe zur Verfügung'zu stellen. Beispiele hierfür sind UNCDF, der United Nations Fund for Population Activities, IFAD, der United Nations Special Fund for Landlocked Developing Countries, der Common Fund, etc. Eine dritte Kategorie von Institutionen ist eingerichtet worden, um unmittelbar technische Hilfe zu leisten. Die von den Vereinten Nationen gewährte technische Hilfe umfaßt grundsätzlich die Entsendung von Experten als Berater, Ausbilder oder Durchführende von Projekten, die Bereitstellung von speziellem Material oder technischen Diensten und die Gewährung von Stipendien an Staatsangehörige der Entwicklungsländer im Ausland. Ziel der technischen Hilfe ist es, die Anstrengungen der Entwicklungsländer im Hinblick auf eine wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen Zu den Institutionen, die im Laufe der Zeit zur Gewährung von technischer Hilfe gegründet wurden, gehören vor allem das UNDP, UNIDO aber auch UNICEF sowie das Welternährungsprogramm. Inzwischen gehört die technische Hilfe zum Aufgabenbereich der meisten Sonderorganisationen. Bislang ist es den Vereinten Nationen -trotz mehrfacher Reformanstrengungen -nicht gelungen, die einzelnen Programme für die technische Hilfe effektiv zu koordinieren. Eine zentrale Rolle soll insoweit das UNDP einnehmen Auch auf der Ebene der Empfängerländer besteht ein Koordinierungsdefizit Neben der technischen Hilfe haben sich im Laufe der Zeit spezielle wirtschaftliche Hilfsprogramme entwickelt, deren Durchführung in der Verantwortung des Generalsekretärs liegt. Sie kommen in Situationen zum Tragen, die nicht eindeutig unter eines der etablierten Programme fallen. In der Praxis sollen diese Hilfsprogramme Probleme lindern helfen wie: Auswirkungen der politischen Situation in Südafrika, die instabile wirtschaftliche Lage bei Erlangung der Unabhängigkeit, Wiederaufbau nach inneren Unruhen oder Naturkatastrophen, schwere wirtschaftliche Probleme und Probleme, die aus der Zu-oder Abwanderung von Flüchtlingen entstehen
Die Tätigkeit der Vereinten Nationen hat sich nicht darin erschöpft, neue Institutionen zu schaffen, sondern sie haben versucht, die internationalen Wirtschaftsbeziehungen materiell zu verändern. So haben sie versucht, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu einer Rechtspflicht der Staaten zu machen Dieser Ansatz findet sich mit Einschränkungen in der Deklaration über die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit der Staaten sowie in weiteren Resolutionen und Deklarationen. Bislang ist es nicht gelungen, diesen Grundsatz allgemein juristisch zu verfestigen; lediglich in Teilbereichen wurde eine Pflicht zur Zusammenarbeit vertraglich begründet. Typisch ist insoweit das bislang allerdings noch nicht in Kraft getretene Seerechtsübereinkommen, das eine Pflicht zur Zusammenarbeit bei der Ausbeutung des staatsfreien Tiefseebodenbereichs und bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Umweltschäden vorsieht.
Unter dem Stichwort „Neue Weltwirtschaftsordnung“ haben die Vereinten Nationen den Versuch unternommen, die internationalen Wirtschaftsbeziehungen von Grund auf neu zu gestalten Sie streben eine Neugestaltung der internationalen Arbeitsteilung an, um die Möglichkeit für die Industrialisierung der Entwicklungsländer zu verbessern. Als Instrumente zur Verwirklichung dieser Neuordnung wurden eine Präferenzbehandlung für die Entwicklungsländer und Transferleistungen von Seiten der Industriestaaten an die Entwicklungsländer vorgesehen. Im einzelnen wurden u. a. folgende wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Ziele verfolgt: Die Stabilisierung der Rohstoffpreise auf angemessenem Niveau; die präferenzielle Öffnung der Märkte für von Entwicklungsländern produzierte Waren; der Transfer von Technologie; die Umorientierung von Geld-und Finanz-strömen, um den Bedürfnissen der wirtschaftlichen Entwicklung besser zu entsprechen; die vernünftige und gleichberechtigte Nutzung der staatsfreien Räume. Die Hauptinstrumente, die diese Prinzipien und Ziele definieren, sind die Deklaration über die Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung das Aktionsprogramm über die Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung und die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten Letztere stieß auf den Widerstand führender westlicher Industriestaaten. Der Inhalt dieser Instrumente ist bislang in seiner Gesamtheit nicht Bestandteil des geltenden Völkerrechts geworden; dies schließt allerdings nicht aus, einzelne Vorschriften als Nachweis für die Existenz entsprechenden Völkergewohnheitsrechts zu nutzen.
Nachdem der Versuch gescheitert war, eine neue Runde der Globalen Verhandlungen durchzuführen und nach den ergebnislosen Beratungen von UNCTAD VI (Belgrad 1983) und VII (Genf 1987) scheint sich ein Umdenken über die Neugestaltung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen in den Vereinten Nationen abzuzeichnen. Die 18. Sondergeneralversammlung (1990) war von dem Wunsch aller Beteiligten geprägt, zu Konsensentscheidungen zu gelangen. Ermöglicht wurde dies durch den Fortfall des Gegensatzes zwischen sozialistischen Staatshandelsländern und marktwirtschaftlich geprägten westlichen Industriestaaten. Dies führte zu einer Annäherung der Standpunkte in bezug auf Identifizierung und Bewertung der Gründe für die derzeitigen weltwirtschaftlichen Probleme. Die im Konsens verabschiedete Deklaration über die wirtschaftliche Zusamenarbeit der Staaten, insbesondere die Wiederbelebung des wirtschaftlichen Wachstums und der Entwicklung der Entwicklungsländer vermeidet jeden Bezug auf den globalen Ansatz, der mit der Schaffung einer neuen Weltwirtschaftsordnung verknüpft war. Stattdessen werden angesprochen: die Verantwortung jedes einzelnen Staates für seine eigene Entwicklung; die besonderen Einflußmöglichkeiten der Industrienationen auf die Weltwirtschaft und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen; die Aufforderung an die Entwick- lungsländer, inflationären Tendenzen in ihren Staaten entgegenzuwirken; die Aufforderung an die Industrienationen und internationalen Organisationen, die technischen und wissenschaftlichen Kapazitäten in den Entwicklungsländern zu stärken sowie diese bei Anstrengungen zu unterstützen, ihre Produktion zu diversifizieren; die Aufforderung an alle Staaten, ihre Militärausgaben zu kürzen und Teile der freiwerdenden Ressourcen der Entwicklungshilfe zuzuführen. Verwiesen wird des weiteren auf den Finanzbedarf der Entwicklungsländer, und die Industriestaaten werden aufgerufen, ihre übernommene Verpflichtung einzulösen, 0, 7 Prozent ihres Bruttosozialproduktes der Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen Besondere Hilfe wird für die am wenigsten entwickelten Staaten angestrebt. Lediglich erwähnt wird in der Deklaration die Verschuldungskrise der Entwicklungsländer ohne daß konkrete Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen würden.
Schließlich spricht die Deklaration auch die Notwendigkeit eines verbesserten Umweltschutzes an; die Industrienationen als Hauptverursacher für Umweltschäden werden aufgerufen, angemessene Maßnahmen zu ergreifen. Die für 1992 geplante Konferenz über Umweltschutz und Entwicklung wird diesen Komplex weiter aufarbeiten müssen Dem gleichen Ansatz folgt die Entwicklungsstrategie für die Vierte Entwicklungsdekade der Vereinten Nationen
Die Bedeutung der 18. Sondergeneralversammlung liegt darin, daß sie den Dialog zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern über die internationalen Wirtschaftsbeziehungen neu belebt, neue Akzente gesetzt und eine Abkehr von Maximalforderungen erbracht hat. Die Entwicklungsstrategie für die Vierte Entwicklungsdekade hat den Ansatz der Deklaration weiter präzisiert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Verschuldungskrise, Handels-und Rohstofffragen und technologische Entwicklung. Als oberstes Ziel wird die Bekämpfung von Armut und Hunger bezeichnet, weitere Ziele sind eine Verbesserung der Ausbildung, Schutz der Umwelt sowie die Durchsetzung von Bevölkerungsprogrammen. Gleichzeitig belegen aber die Versuche der Vereinten Nationen, die internationalen Wirtschaftsbeziehungen neu zu strukturieren, wie schwierig es ist, das ihnen in Art. 55 und 56 UN-Charta übertragene Mandat einzulösen. Den verschiedenen programmatischen Deklarationen und Resolutionen kommt keine unmittelbare Rechtswirkung zu; die Vereinten Nationen können über diese lediglich versuchen, den Abschluß entsprechender völkerrechtlicher Vereinbarungen anzuregen bzw. die Staatenpraxis zu beeinflussen.
V. Menschenrechtsschutz
Gemäß Art. 1 Ziff. 3 UN-Charta ist es Aufgabe der Vereinten Nationen, eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten zu fördern und zu festigen. Dieser Auftrag wird in Art. 55c UN-Charta erneut aufgegriffen, wobei diese Vorschrift zusammen mit Art. 56 UN-Charta die aktive Rolle der Vereinten Nationen deutlicher betont. Die Vereinten Nationen haben diesen Auftrag mit unterschiedlichem Erfolg erfüllt. Sie waren erfolgreicher bei der Formulierung von Menschenrechtsschutzstandards als bei deren Durchsetzung. Die auf dem Gebiet des Menschen-rechtsschutzes geleistete Normschöpfung ist bedeutend. Sie hat zu einer tiefgreifenden Umgestaltung des Völkerrechts geführt, die vor allem die einzelstaatliche Souveränität relativiert. Das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern zählt danach nicht mehr zu denjenigen Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zu der inneren Zuständigkeit eines Staates gehören (Art. 2 Ziff. 7 UN-Charta) Der erste bedeutende Schritt hin auf eine Formulierung der internationalen Menschenrechte war die Universelle Erklärung der Menschenrechte die die Basis für die Menschenrechtspakte bildete Die Ausstrahlung der Universellen Er-klärung ist bedeutend Neben den beiden Menschenrechtspakten sind unter -der Verantwortung der Vereinten Nationen eine große Anzahl von Konventionen auf.dem Gebiet des internationalen Menschenrechtsschutzes geschaffen worden, wie z. B. die Konventionen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung über die politischen Rechte der Frau zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau über die Unterdrückung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid über die Bekämpfung der Folter und über die Rechte des Kindes
Wie eingangs schon angedeutet, liegen die Probleme der Vereinten Nationen bei der Verwirklichung des Menschenrechtsschutzes nicht in der Normschöpfung, sondern in der Durchsetzung eben dieser Normen. Insgesamt halten die Durchsetzungsverfahren, und zwar sowohl diejenigen der Vereinten Nationen selbst wie die vertraglich geschaffenen Verfahren, mit den materiellrechtlichen Verbürgungen nicht Schritt Die Durchsetzung der Menschenrechte auf universeller Ebene erfolgt grundsätzlich auf der Basis einer Prüfung von Staatenberichten erfordert also die Kooperation der Staaten. In den Fällen schwerer Verletzungen der Menschenrechte besteht zudem im Rahmen der Vereinten Nationen die Möglichkeit, das durch Resolution 1503 (XLVIII) des ECOSOC geregelte „Procedure for dealing with Communications relating to violations of human rights and fundamental freedoms“ in Gang zu setzen Dieses Verfahren, das die Menschenrechtskommission und deren Unterkommission zur Verhütung von Diskriminierungen und zum Minderheitenschutz einschaltet, führt lediglich zu einer Studie an den ECOSOC. Eine weitergehende Untersuchung durch die Menschenrechtskommission ist von der ausdrücklichen Zustimmung des belangten Staates abhängig Derartige Untersuchungen sind u. a. für Äquatorialguinea und Uganda durchgeführt worden, allerdings erst nach der Beendigung der kritisierten Regime. Insgesamt ist dieses Verfahren weniger für eine Untersuchung, Verhinderung oder Beendigung konkreter einzelner Menschenrechtsverletzungen als für eine Identifizierung menschenrechtsfeindlicher Regime geeignet Die Menschenrechtskommission und die General-versammlung können allerdings auch Menschenrechtsverletzungen aufgreifen, ohne daß vorher eine Untersuchung stattgefunden hat, wie dies z. B. durch die Generalversammlung im Fall Afghanistan, Bolivien, Chile, Guatemala, El Salvador, Iran, Israel und Südafrika geschehen ist. Die Auswahl dieser Staaten wird allerdings sowohl in der Generalversammlung wie auch in der Menschenrechtskommission stark durch politische Konstellationen bestimmt. Aufschlußreich war insoweit die harte Kritik des Präsidenten von Uganda an der falsch verstandenen Gruppensolidarität, die über Jahre einen Völkermord in Uganda stillschweigend geduldet habe Diese hieraus resultierende selektive Praxis der politischen Menschenrechtsgremien ist jedoch weiter zu beobachten. So ist es beispielsweise der Menschenrechts-kommission nicht gelungen, die Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien oder in China zu behandeln. Demgegenüber haben die Vertragsgremien (Ausschüsse nach den beiden Menschenrechtspakten, dem Pakt zur Beseitigung der Rassendiskriminierung etc.) den Vorteil, daß die Berichtsprüfung in der Verantwortung von Experten liegt, was zu einer gewissen Entpolitisierung der Debatte führt. Das von den einzelnen Menschenrechtskonventionen eingesetzte Berichtsprüfungsverfahren zwingt die Vertragsstaaten zunächst dazu, den nationalen Rechtsstandard an dem der jeweiligen Konvention zu messen. Die Experten in den Vertragsgremien üben insoweit eine Art Verifikationskontrolle aus. Ihre Prüfung bewirkt zumindest eine Offenlegung des erreichten Standards; diese Pflicht zur Offenlegung ist das Mittel, mit dem die Übernahme des internationalen Menschenrechtsstandards und dessen weitere Einhaltung gesichert werden soll. Das Individualbeschwerdeverfahren vergrößert den Druck auf den betroffenen Staat, auch wenn dieses Verfahren nur zu einem Bericht des prüfenden Expertengremiums führt.
Insgesamt fehlt aber den Vereinten Nationen ein der Europäischen Menschenrechtskonvention vergleichbares richterliches oder quasi-richterliches Verfahren, welches in der Lage wäre, die Staaten zur Einhaltung des internationalen Menschenrechtsstandards zu zwingen. Die bisherigen Ansätze, das internationale Verfahren zur Durchsetzung der Menschenrechte entsprechend zu modifizieren, sind an dem Widerstand der Staaten gescheitert. Denkbar wäre allerdings, und auch dies würde die Durchsetzung der Menschenrechte auf internationaler Ebene verbessern, wenn es gelänge, die verschiedenen Vertragsgremien zusammenzuführen und damit die Berichtsprüfung zu konzentrieren. Das höhere Ausmaß an Information würde eine kritischere Auseinandersetzung mit den Staatenberichten erlauben.
In der Zukunft werden sich die Vereinten Nationen in verstärktem Umfang mit Fragen des Minderheitenschutzes auseinanderzusetzen haben. Dabei wird es darauf ankommen, den Wunsch nach einer stärkeren Sicherung der Minderheiten durch Zuerkennung auch eines Gruppenschutzes zu erfüllen, ohne damit die Existenz der betroffenen Staaten in Frage zu stellen. Das heißt, es wird notwendig sein, tragfähige Alternativen zu einem Sezessionsanspruch zu entwickeln. Die Entschließungen im Rahmen der KSZE seit der Wiener Nachfolgekonferenz haben insoweit Modellcharakter.
VI. Schlußbemerkung
Eine Bewertung der bisherigen Tätigkeit der Vereinten Nationen muß -trotz Kritik im Detail -positiv ausfallen. Die Vereinten Nationen haben die Aufgabe der Friedenssicherung in all ihrer Komplexität und unter Ausnutzung der ihnen eingeräumten Möglichkeiten aufgegriffen. Diese Möglichkeiten vorsichtig zu erweitern und die Vereinten Nationen insoweit zu stärken, bleibt eine permanente Aufgabe aller Mitgliedstaaten. Außerdem gilt es, die Fähigkeit der Vereinten Nationen zu bewahren, auf neue an sie herangetragene Probleme zu reagieren. Dies setzt einer verstärkten rechtlichen Reglementierung der UN-Organe deutliche Grenzen.