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„Von mir hätten Sie immer nur die halbe Wahrheit bekommen.“ Interviews mit Journalisten des Deutschen Fernsehfunks der DDR | APuZ 17/1991 | bpb.de

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APuZ 17/1991 Politische Sprache -Instrument und Institution der Politik Deutsche Teilung, deutsche Einheit und die Sprache der Deutschen „Von mir hätten Sie immer nur die halbe Wahrheit bekommen.“ Interviews mit Journalisten des Deutschen Fernsehfunks der DDR

„Von mir hätten Sie immer nur die halbe Wahrheit bekommen.“ Interviews mit Journalisten des Deutschen Fernsehfunks der DDR

Peter Ludes

/ 29 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Eine Auswertung von 30 im Frühjahr 1990 mit Journalisten des Fernsehens der DDR geführten Interviews ergab Aufschluß über die Entwicklung der Fernsehnachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ von 1952 bis 1990 sowie über die journalistischen Arbeitsbedingungen. Im Rückblick sprachen nur fünf der Befragten kritisch und selbstkritisch über ihre eigene Rolle bei Zensur und Selbstzensur. Wir konnten nur einen Mitarbeiter finden, der sich dagegen so gewehrt hatte, daß ihm gekündigt worden war. Der Grundsatz: „Immer nur die halbe Wahrheit“ war subjektiv legitimiert durch die aktive journalistische Rolle in der Auseinandersetzung der SED -identifiziert mit der Deutschen Demokratischen Republik -mit dem „imperialistischen Klassenfeind der monopolkapitalistischen BRD“. Die Monate nach der durch eine Revolution erzwungenen Wende erschienen dann als Kampf um das eigene berufliche Überleben -verbunden mit dem Ausprobieren von Recherchen, Nachrichtenauswahl und -Präsentation in einer Freiheit, die vorher undenkbar erschien.

I. Interviews: Versuche, der Wahrheit etwas näher zu kommen

Wie lassen sich vergangene Handlungen nachvollziehen, wenn die vorhandenen Unterlagen unvollständig sind und die befragten Akteure mehr oder weniger bewußt versuchen, wichtige Aspekte ihrer früheren Tätigkeiten unter veränderten Umständen in einem für sie günstigeren Licht erscheinen zu lassen? Wie lassen sich Widersprüche aufdekken, wenn alle Mitarbeiter einer Redaktion bestimmte Aspekte ihrer Vergangenheit ausblenden? Wie sind Aussagen in einer bestimmten Phase der Identitätsfindung und Arbeitsplatzsicherung unserer Interviewpartner zu interpretieren, wenn sie sich auf unterschiedlich weit zurückliegende und verschieden tabuisierte Aspekte ihres beruflichen Lebens und ihrer persönlichen politischen Einstellung beziehen?

Mehr Fragen als Antworten bleiben auch ein Jahr nach der Durchführung unserer Interviews im damaligen (bis zum 11. März 1990) Fernsehen der DDR und (seit dem 12. März 1990) Deutschen Fernsehfunk der Deutschen Demokratischen Republik (DFF). Die Redaktion der „Aktuellen Kamera“, der Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens, hatte zur Zeit der Befragung 350 Mitglieder, wovon etwa 100 Journalisten und Journalistinnen waren. Von ihnen waren vor der Wende -nach Auskunft ihres Chefredakteurs, Klaus Schickhelm-95 Mitglieder der SED. Bei den nicht-journalistischen Mitarbeitern sei der Anteil unter 50 Prozent gewesen.

Am 25. und 26. Januar 1990 berieten 400 Journalisten und Journalistinnen in Ost-Berlin über die Zukunft ihres Verbandes. Die vorherrschende Stimmung war: „Wir waren Täter und Opfer zugleich ... Der alte Zentralverband war mit dem Bekenntnis zur Mitschuld an der , Desinformationspolitik zurückgetreten.“ 1) Auf einer Tagung in der Evangelischen Akademie in Mülheim/Ruhr beschrieb der Rundfunkbeauftragte des Bundes der Evangelischen Kirche der DDR, Volker van der Heydt, die Lage in der DDR so: „Es ist eine Zeit, in der einem das Wort im Munde veraltet.“ Diesen Eindruck gewannen wir auch bei unseren 27 Interviews im März 1990 in Berlin-Adlershof und bei unseren Nachfragen nach zwischenzeitlichen Veränderungen bei denselben Interviewten sowie drei ergänzenden Interviews mit einer ehemaligen Mitarbeiterin und zwei ehemaligen Mitarbeitern des DDR-Fernsehens im Mai 1990. Würden wir die persönliche wie politische Entwicklung der entsprechenden Aussagen allein als individuell zurechenbare interpretieren, so würden wir Änderungen in den Meinungen entweder in der Prinzipienlosigkeit und Wendigkeit der Befragten suchen oder in Schuldeingeständnissen, Konversionserlebnissen oder der Anpassung an die historisch zur Zeit stärkere politische Richtung des ehemaligen „Klassenfeindes“ und „Weltfriedensgefährders“. Die Gründe für Veränderungen der Einstellungen der befragten Journalisten dürften allerdings komplizierter sein: ein Wechselspiel und Wechsel-kampf von Entwicklungen in der DDR, zwischen der DDR und der Bundesrepublik, in den internationalen Beziehungen vor allem zwischen den Warschauer-Pakt-Staaten und der NATO, von Entwicklungen in der Sowjetunion und anderen (ehemaligen) sozialistischen Bruderländern und der jeweils individuellen Erfahrung und Einordnung dieser Entwicklungen in die eigene Biographie. Vor allem war aber die Angst vor Arbeitslosigkeit entscheidend geworden.

Die Auswertung unserer Interviews konnte ergänzt werden durch nachträglich erfaßte Sende-unterlagen der „Aktuellen Kamera“ (AK), Diplomarbeiten einiger der von uns befragten Journalisten und die Sichtung von Aufzeichnungen der „Aktuellen Kamera“ aus der Zeit vor der revolutionären Wende im Oktober/November 1989 im Vergleich zu späteren Sendungen

Es lassen sich fünf unterschiedliche Einschätzungen der Veränderungen in der DDR auf der Grundlage dieser Interviews rekonstruieren: 1. Zufriedenheit darüber, daß die empörenden Zustände endlich abgeschafft wurden (drei der Befragten); 2. das mehr oder weniger verbitterte Eingeständnis einer historischen Niederlage der SED-Politik und des real existierenden Sozialismus (21 der Befragten); 3. gab es das bedauernde Eingeständnis, daß die Revolution zur Niederlage des Sozialismus insgesamt beitrug (eine Redakteurin und ein Redakteur von „Elf 99“); 4. ein Redakteur interpretiert die Entwicklung insgesamt eher als Ausdruck unausweichlicher Modernisierungserfordernisse und 5. gab es drei Interviewte, die die Entwicklung in der DDR teils fröhlich, teils gelassen mehr beobachteten als werteten.

Die im folgenden referierten Aussagen sollten durchgehend als Ausdruck einer bestimmten Phase der individuellen und gesellschaftlichen Entwicklung in der ehemaligen DDR gesehen werden. Gerade in Phasen schneller gesellschaftlicher Umbrüche ist es nötig, sich den zeitbedingten historischen und sozialen Kontext bestimmter Aussagen ins Gedächtnis zu rufen. Wohl alle der von uns Befragten würden heute andere Aussagen treffen; die meisten erkannten bereits ein halbes Jahr nach den Interviews, daß diese ein typischer Ausdruck ihrer seinerzeitigen persönlichen Entwicklung waren und auch Ausdruck der damals teilweise noch unterstellten Wunschvorstellung einer separaten Entwicklung der DDR.

Um die Auswahl und Interpretation der Zitate in diesem Aufsatz überprüfbar zu machen, konzentriere ich mich vor allem auf die Interviews, die in Teil II des von mir herausgegebenen Buches „DDR-Fernsehen intern“ Ende 1990 veröffentlicht wurden. Die anderen hier zitierten Interviews sollen nur in dem Fall identifiziert werden, in dem der Befragte die Gelegenheit zur Korrektur der Transkription hatte.

II. Journalismus als Klassenkampf

1. Die Entwicklung der „Aktuellen Kamera“ 1952 bis 1990

Die „Aktuelle Kamera“ spielte für das Fernsehen der DDR eine wichtigere Rolle als die Nachrichtenredaktionen und -Sendungen der Fernsehanstalten in der Bundesrepublik Deutschland Wichtige zukünftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Abteilungen des Deutschen Fernsehfunks sollten beispielsweise in der Redaktion der „Aktuellen Kamera“ zuerst die richtige parteipolitische Gefolgschaftstreue einüben. Die Sendung galt -wie das „Neue Deutschland“ -als Aushängeschild des SED-Staates.

Wie einer unserer Interviewpartner sagte, „hatte die , Aktuelle Kamera 4 im gesamten politischen System der Vor-Wende-Zeit einen solchen Stellenwert, daß viele Leute das eben auch aus bestimmten beruflichen Gründen, aus Orientierungsgründen sehen mußten“. Sie „setzte ja zugleich auch Schwerpunkte, die der politisch geübte Zuschauer erkannte“. Eine Aufgabe dieser Nachrichtensendung war, „sozusagen wie ein Staatsanzeiger bestimmte Positionen der Parteiführung und der Regierung zum Tage wiederzugeben, und das eben dann natürlich auch in voller Länge“.

Es wäre aber falsch, die 38jährige Entwicklung der „Aktuellen Kamera“ als ganz einheitlich zu interpretieren. Ihre politische Rolle war vor dem Mauerbau 1961 weniger eindeutig fixiert als danach; die Ära Honecker führte ab 1971 zunächst zu einer Liberalisierung. 1978 begann mit dem Amtsantritt des ZK-Sekretärs für Agitation und Propaganda, Joachim Herrmann, eine neue Zensurphase. Mit der Amtsübernahme von Generalsekretär Gorbatschow in der Sowjetunion 1985 wurde die Zensur sogar gegenüber den sozialistischen Bruderländern angewandt. Deshalb soll hier zunächst ein Über-blick über verschiedene Abschnitte der Entwicklung der „Aktuellen Kamera“ aus der Sicht unserer 30 Interviewpartner gegegeben werden. Stellen wir die von verschiedenen Befragten -die unterschiedlich lange bei der AK mitarbeiteten -genannten Phasen zusammen, so ergeben sich folgende Phasen (das Vokabular wurde aus den Interview-Texten der Authentizität halber übernommen): 1. Aufgrund des antifaschistischen Kampfes kommunistischer Parteien und der Sowjetarmee, ergänzt durch positive Erfahrungen in der Widerstandsbewegung sowie mit sowjetischen Soldaten und Genossen, erschienen die fünfziger Jahre als Fortsetzung eines antiimperialistischen Kampfes, der auch mit Hilfe von gutgemachten Fernsehnachrichtensendungen geführt werden sollte. Hierfür stellte sich zum Beispiel der Sohn einer WestBerliner Millionärsfamilie und erste Chefredakteur der „Aktuellen Kamera“, Günter Nerlich, aus voller Überzeugung zur Verfügung. Die Flucht-welle aus der DDR, die am 13. August 1961 zum Bau der Mauer führte, wurde von den Befragten nicht als Legitimationskrise der SED bzw.der DDR gesehen. Allerdings deutet die Tatsache, daß nach der anfänglichen offiziellen Versuchsphase -die am Geburtstag Stalins, dem 21. Dezember 1952 begann -in der Zeit von Juni 1953 bis Oktober 1954 keine Nachrichtensendungen des Fernsehens der DDR ausgestrahlt wurden, darauf hin, daß der 17. Juni 1953 neue Überlegungen für diese wichtigste politische Fernsehsendung erforderlich machte.

2. Die Zeit direkt im Anschluß an den Mauerbau und an die Kuba-Krise im Oktober 1963 war geprägt durch den Kalten Krieg, der gerade auf deutschem Boden, auch durch die Propaganda und Gegenpropaganda der Medien der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, erfolgte. In einem solchen welthistorischen Kampf um Sieg oder Niederlage, Überleben eines Gesellschaftssystems auf Kosten eines anderen, sei jede Infragestellung von Parteidisziplin moralisch schlecht und politisch dumm gewesen. Jeder, der das Land verlassen habe, habe einen Verrat an seiner Klasse begangen und sei eigentlich feige gewesen.

3. Mit dem Amtsantritt von Erich Honecker und dem 8. Parteitag der SED 1971 begann eine Phase der innerparteilichen Liberalisierung, die ermöglicht wurde durch die Entspannungspolitik der sozialliberalen Koalition in der Bundesrepublik und die einsetzende Entspannung zwischen den Weltmächten. Die zunehmende Anerkennung der staatlichen Souveränität der DDR außerhalb des damaligen Ostblocks und der Dritten Welt verstärkte diese Liberalisierung. 1973 erklärte Honekker, daß jeder die westlichen Massenmedien „nach Belieben ein-oder ausschalten“ könne. Die sozialistischen Massenmedien wurden aber weiterhin eng an die Parteilinie gebunden. Als Motivation für das Mitmachen in dieser Phase gaben einige der Befragten an, sie hätten darauf gehofft, daß die Liberalisierung weiter voranschreite und sie mit einer Unterordnung unter die Parteilinie und mit leichterer innerparteilicher Kritik diesen Prozeß fördern oder selber an ihm teilnehmen könnten.

4. Mit dem Amtsantritt des ehemaligen Chefredakteurs des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland“, Joachim Herrmann, als ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda im Jahre 1978 wurde auch die AK immer detaillierter kontrolliert. Die von den Redaktionskonferenzen vorgeschlagenen Sendeabläufe wurden von Berlin-Adlershof „in die Stadt“ an Herrmann weitergeleitet. Seine Abteilung strich vorgesehene Meldungen und Themenbereiche, änderte die Reihenfolge, verlangte die Hinzunahme anderer Themenbereiche oder die Ausweitung von Berichterstattungen über SED-Ereignisse, vor allem über politische Treffen und Reden des Generalsekretärs der SED, Erich Honecker. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „Aktuellen Kamera“ waren darauf eingestellt, ihre Vorschläge für die Sendung auch kurzfristig zu verändern. Die mehrmalige telefonische und schriftliche Abstimmung mit „der Stadt“ ging bis kurz vor Sendebeginn (19. 30 Uhr). Strahlte „heute“ etwas von der DDR-Führung als besonders wichtig Angesehenes aus, mußte kurzfristig darauf reagiert werden, oft mit detaillierten Anweisungen über die Position und Länge der Meldung, den genauen Wortlaut und eventuell einer Bildeinblendung. Die seit 1978 verschärfte propagandistische Auseinandersetzung mit dem „imperialistischen Klassenfeind der monopolkapitalistischen BRD“ wurde u. a. vorangetrieben durch die sich vergrößernden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der DDR.

5. Mit dem Amtsantritt Gorbatschows, seiner Politik von Perestroika und Glasnost sowie den Abrüstungsverträgen zwischen den USA und der Sowjetunion trat die Agitation und Propaganda der SED in eine entscheidende neue Phase: Zum ersten Mal war der sozialistische Bruder, die große Sowjetunion, nicht mehr das Land, von dem zu lernen siegen lernen hieß. Die Berichterstattung aus der Sowjetunion und den anderen Ländern des damaligen Ostblocks wurde außerordentlich verringert und die aus Moskau fast ganz eingestellt -Glasnost und Perestroika wurden zu Tabuthemen. Dies führte auch zu kritischen Vorwürfen gegen die Korrespondenten der „Aktuellen Kamera“ in den Hauptstädten der Warschauer-Pakt-Staaten. Das Verbot der ins Deutsche übersetzten sowjetischen Zeitschrift „Sputnik“ Ende 1988, in der eine grundsätzliche Kritik am Stalinismus veröffentlicht worden war, führte zu ersten allgemeineren Mißmutskundgebungen innerhalb der SED. Im Anschluß an die Kommunalwahlen vom Mai 1989 in der DDR wurden verstärkt Vorwürfe der Wahlfälschung öffentlich erhoben. Die Fluchtwelle über Ungarn und die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in Prag und Warschau öffnete den „Eisernen Vorhang“. Die immer offensichtlicher werdende Ratlosigkeit der SED-Führung weckte bei den von uns Befragten anscheinend die Erwartung einer „chinesischen Lösung“. 7. Nach Auskunft der meisten von uns Befragten änderte sich die „Aktuelle Kamera“ schlagartig mit dem Amtsantritt von Egon Krenz am 18. Oktober 1989: Seitdem wurde die Telefonverbindung mit dem ZK-Sekretariat für Agitation und Propaganda nicht mehr gebraucht. Nach Auskunft einer Redakteurin von „AK-Zwo“ hatte Herrmann „das letzte Mal am 16. Oktober verboten, über die Montagsdemo zu berichten. Da hatten wir alles schon hier. Der Bericht war schon im Haus, 19. 29 Uhr.“

Die Phase einer freieren journalistischen Arbeit im Rahmen einer reformerischen SED-Politik und mit der Hoffnung auf eine Verteidigung der DDR als sozialistischer Staat dauerte etwa bis Januar 1990. Erst seitdem wurde der monopolistische Herrschaftsanspruch der SED bzw. PDS als unrealistisch angesehen und nach und nach zugestanden bzw. erkannt, daß die eigene journalistische Tätigkeit nun im Rahmen einer sich entwickelnden pluralistischen Demokratie zu erfolgen habe. Für alle Befragten offensichtlich -und im Vergleich unserer Interviews vor und nach den Wahlen deutlich -waren die Wahlen am 18. März 1990 der Abschied von der Hoffnung auf eine marxistische, SED-sozialistische Politik.

8. Seit den Wahlen vom 18. März 1990 verstärkte sich die Angst um den eigenen Arbeitsplatz und um den Fortbestand des Deutschen Fernsehfunks der DDR. Dennoch entstanden nach der Wende mehrere neue Nachrichtensendungen des Fernsehens der DDR: Am 30. Oktober 1989 begann die „AK-Zwo“, die bis zum Ende der „Aktuellen Kamera“ am 14. Dezember 1990 werktags im zweiten Programm des Deutschen Fernsehfunks von 22. 00 Uhr bis 22. 20 Uhr als Nachrichtenjournal mit Hintergrundinformationen ausgestrahlt wurde. Am 5. März 1990 begann „AK am Morgen“ von 9. 45 Uhr bis 10. 00 Uhr; am 19. März 1990 das „AK Mittagsmagazin“; am 23. April 1990 begannen die neuen Nachrichtensendungen des zweiten Programms des Deutschen Fernsehfunks der DDR „ 5 vor 5“, „ 7 vor 7“ und „ 8 vor 8“. Seit dem Ende der „Aktuellen Kamera“ am 14. Dezember 1990 strahlt die DFF-Länderkette werktags zwischen 19. 00 und 19. 57 Uhr ein „Abendjournal“, „Fernsehwetter“ und „Aktuell Nachrichten“ aus.

Im Einigungsvertrag wurde festgesetzt: „Der . Rundfunk der DDR’ und der , Deutsche Fernsehfunk 4 werden als gemeinschaftliche, staatsunabhängige, rechtsfähige Einrichtungen bis spätestens 31. Dezember 1991 weitergeführt.“ Artikel 36 des Vertrages legt weiterhin fest, daß innerhalb dieses Zeitraums die genannten Einrichtungen durch einen gemeinsamen Staatsvertrag aufzulösen oder in Anstalten des öffentlichen Rechts einzelner oder mehrerer Länder zu überführen seien. 2. SED-Fernsehjournalisten vor und nach der revolutionären Wende im Oktober 1989 „Das Schlimme ist ja, daß wir -nicht alle, aber doch die, die am tiefsten im Nachrichtengeschäftdrinsteckten und Kontakte im ganzen Land hatten -vieles wußten oder empfanden oder spürten, manchmal auch nur witterten, was da schief lief, vor allem seit Mitte der achtziger Jahre, seit der , Alternative Gorbatschow 4. Wir zogen nicht die Konsequenz. Entweder war es Disziplin -auch das ist etwas, auf das man sich leicht herausreden kann, aber es spielte doch eine Rolle; oder es war die Hoffnung: irgendwann muß ja mal eine Situation kommen, in der sich etwas würde ändern lassen. Oder man hat sich bemüht, in seinem Aufgabengebiet anständig zu sein und zu tun, was eben möglich war -ich betone: Das entschuldigt nichts, vielleicht erklärt es etwas.“ 6)

So faßt Erich Selbmann, der Chefredakteur der „Aktuellen Kamera“ von 1966 bis 1978 -anschließend war er Leiter des Bereiches Dramatische Kunst, wo Spielfilme, Femsehspiele und Serien produziert wurden -die Einstellung seiner journalistischen Kollegen zusammen. Damit vertrat er eine mittlere Position zwischen einer harten Kritik und Selbstkritik an der Rolle der SED-Journalisten beim Niedergang der DDR und einer Verteidigung dieser Rolle.

Nach Selbmann war „dieses Medium Fernsehen... mitgegangen, so weit wie die Grenze gezogen war. Ja, in einzelnen Punkten hatte das Fernsehen sogar die Weisungen noch verschärft..., denn von einem bestimmten Zeitpunkt an hat man ja eine Schere im Kopf... Ich möchte jetzt nicht sagen, daß ein jeder sich jeden Morgen bewußt gezwungen hat: Nun mache ich bewußt etwas anderes als ich eigentlich machen wollte. Die Losung von der Erfolgspropaganda, also am Erfolg stimulieren, das zeigen, was in einem erfolgreichen Bereich gelungen ist, um jene anderen anzuspornen, es ebenso gut zu machen... Es hatte auf den ersten Blick ja einen vernünftig klingenden Ton. Wir haben die Psyche der Bevölkerung falsch eingeschätzt, zu gering veranschlagt.“

Die rasche Veränderung der „Aktuellen Kamera“ nach dem 18. Oktober 1989 erklärte Selbmann so: „Nun kann man sagen: diese Wendehälse. Nein, im Grunde genommen waren die Diskussionen im Bereich der Dramatischen Kunst, in Teilen der Publizistik und vor allem in der Aktuellen Kamera schon so weit, waren die Widersprüche innerhalb der Kollektive und zwischen den Kollektiven und der Leitung des Hauses so zugespitzt, daß dann, als die Ereignisse selbst es diktierten, auch die Leute mit ihren Ideen und Vorschlägen parat waren, Leute, die frei reden konnten, Leute, die lebendig waren, natürlich auch Fehler machten und sicher auch in Zukunft welche machen werden, die aber doch auf der Höhe der Aufgaben standen.“

Klaus Schickhelm, der Chefredakteur der „Aktuellen Kamera“ von 1984 bis Juli 1990, erläuterte uns in unserem Interview am 6. März 1990 die Entwicklung der politischen Anleitung der „Aktuellen Kamera“ folgendermaßen: „Also wenn ich Ihnen mal sage, ich habe hier Nachrichten schreiben gelernt, Ende der sechziger Jahre, also richtig Nachrichten schreiben gelernt als Nachrichtenredakteur. Das war so 1967 bis Anfang 1970. Und wenn ich das dann vergleiche, was später gemacht werden mußte, war dort eine relative Freiheit für den Nachrichtenjournalismus... Und dann kam die Zeit der Pflicht, daß also Nachrichten nur übernommen wurden... Und das ist dann bis zu dieser absoluten Verhärtung gekommen, daß da kein Spielraum mehr war. Und die Anordnung kam per Intervention. Es ging so weit, da gab es einen Medienverantwortlichen in dieser früheren Parteiführung, Herrmann, der sich mit einem ganzen Stab von Leuten umgeben hatte und sozusagen täglich diktiert hatte, wie diese AK bis zu einzelnen Formulierungen zu laufen hat. Das heißt, hier wurde ein Vorschlag erarbeitet, wie die Sendung aussehen könnte, schriftlich, der wurde dann durch eine Sekretärin dorthin telefoniert, der kam dann zurück, völlig verändert. Die Sendung war dann nach seinen Gesichtspunkten gebaut. Ob da sieben Wortnachrichten hintereinander kamen oder nicht, war völlig egal... Da gab es einmal in der Woche eine spezielle Anleitung, da ist allerdings der Chef dieses Hauses hingegangen, der hat das dann hier entsprechend weitergegeben.“

Kail Eduard von Schnitzler, der ehemalige Leiter und Moderator des „Schwarzen Kanals“ beim Fernsehen der DDR vom 31. März 1960 bis zum 30. Oktober 1989 bedurfte keiner besonderen Anleitung, um seine polemische Auseinandersetzung mit dem westdeutschen „Klassenfeind“ zu führen: Der „Schwarze Kanal“ „ist ein Produkt des Kalten Krieges gewesen, und am Anfang brauchten wir nicht zu differenzieren. Da konnte ich montags alle Feinde in einen Sack tun, zumachen, draufhauen, immer in der Gewißheit, den richtigen zu treffen. Dann durchbrachen wir auch mit Hilfe der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten die diplomatische Blockade, und das führte zwangsläufig zu einer Veränderung dergestalt, daß man nicht mehr einzelne Politiker persönlich angriff, sondern daß es mehr versachlicht wurde, mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung Sozialismus -Kapitalismus wurde.. .“

Entsprechend leitete von Schnitzler zum Beispiel im Anschluß an den Prager Frühling eine Kommentatorengruppe und sprach regelmäßig Kommentare für die „Aktuelle Kamera“. Seinen Mangel an akademischer Ausbildung zum Journalismus verglich er mit Marx, bei dem ja auch „alles Journalistik“ gewesen sei, was er gemacht habe Seiner Auffassung nach wurde der „Schwarze Kanal“ zunehmend zu einer „Schnell-und Spezialinformation für Funktionäre unserer Massenorganisationen, Partei, Gewerkschaft, FDJ, Politoffiziere, der Armee überhaupt... Das war Mitte der siebziger Jahre.“

Am 15. September 1968 war beim Ministerrat der DDR ein Staatliches Komitee für Fernsehen gegründet worden. In diesem Komitee waren die Hauptabteilungsleiter des Fernsehens der DDR, der Chefredakteur der „Aktuellen Kamera“ und der Chefkommentator des Fernsehens der DDR, von Schnitzler, vertreten; v. Schnitzler über Diskussionen in diesem Komitee: „Es wurde gelegentlich diskutiert, aber dann saß ja meistens ein Vertreter der Abteilung Agitation und Propaganda des Zentralkomitees da, und der griff ein und sagte, warum das so und nicht anders sein sollte. Und, gab dann auch Begründungen, wo man zuerst sagen konnte, ach ja, man zeigt ja nicht das Schlechte vor, sondern man zeigt das Gute vor, aber mein Gegenargument war: Ich bin für Erfolgs-propaganda, aber sie darf nicht so ausschließlichsein... Was aktuell ist, wurde bestimmt. Das hat aktuell zu sein und das nicht. Auch einer der Fehler und Anmaßungen der Einheit Führung und Informationspolitik.“

Zur Frage nach Veränderungen in der Berichterstattung der „Aktuellen Kamera“ meinte von Schnitzler: „Da fange ich lieber bei meiner eigenen politischen Haltung an. Das Wort , Genosse ist inzwischen ein Schimpfwort, eine Beleidigung geworden und das Wort »Sozialismus ein Schimpfwort. Das kann man deutlich hören. Die beiden Begriffe werden nur noch im negativen Sinne benutzt ... Das passierte im Übergang vom Januar zum Februar.“

Die aufgeführten Zitate können die Bandbreite der journalistischen Berufsauffassungen derjenigen unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner wiedergeben, die bei ihren anderen Antworten klarmachten, daß sie über die historische Niederlage der SED-Politik und des real existierenden Sozialismus nicht gerade begeistert waren. Dementsprechend versuchten sie auch alle, bestimmte Aspekte der Vergangenheit so aufzubereiten, daß sie in einem „günstigen Licht“ erschienen. Subjektiv waren sie zur Zeit der Durchführung der Interviews vermutlich davon überzeugt, daß sie mit ihren Stellungnahmen sehr weit gingen, ehemalige Tabus gebrochen hatten, kritisch und selbstkritisch geworden waren -und im Unterschied zu früheren Befragungen und Selbstbefragungen vor der revolutionären Wende waren sicher auch für sie ganz erstaunliche Lernprozesse abgelaufen. Dennoch wurden systematisch bestimmte Unterdrückungsmechanismen ausgeblendet, die wir nur dadurch erkennen konnten, daß wir außerhalb der Redaktion und außerhalb des Deutschen Fernsehfunks Interviews durchführten. Deshalb sollen die drei Befragten, die sich am eindeutigsten befriedigt darüber zeigten, daß die empörenden Zustände im Deutschen Fernsehfunk und in der DDR endlich abgeschafft worden waren, nun etwas ausführlicher zitiert werden, als es einer an vornehmlich quantitativen Kriterien orientierten Inhaltsanalyse entsprechen würde. So sagte uns Horst Mempel, der Autor der ersten selbstkritischen Sendung des Fernsehens der DDR, „Klartext“ (vom 22. Januar 1990), in unserem Gespräch am 20. März 1990, wie eng die Vorgaben für die Abfassung von Beiträgen gewesen waren. Es mußte zum Beispiel bei wirtschaftlichen Themen verkündet werden, daß es sich bei der Technologie um internationale Spitze handelte, die Arbeitsproduktivität damit steige, Kosten, Arbeitszeit, Einsatz von Material und Arbeitskräften gesenkt würden, Arbeitserleichterungen die Folge und mit den Investitionen Sozialleistungen verbunden seien. Zu technischen Neuerungen mußten die Interviews so geführt werden, daß die Interviewten in der Regel mitzuteilen hatten: Stolz auf die moderne Technologie, Bereitschaft zu höherer Leistung, Zuversicht in die Politik der Partei, Dankbarkeit für die Sozialleistungen und Stolz auf die Republik

Demgegenüber behauptete zum Beispiel der Bonn-Korrespondent der „Aktuellen Kamera“ von Januar 1989 bis Juni 1990 in unserem Gespräch am 26. Februar 1990: „Wir hatten, wenn ich mich nicht irre -ich habe die Statistik leider nicht mehr -, in den 30 Minuten 12 oder 15 Leute pro Sendung zu Wort kommen lassen. Normale Menschen, keine Politiker. Und die haben alle so geredet, wie sie es heute nicht mehr wahrhaben wollen. Die wurden nicht unbedingt immer genötigt. Das ist zwar später schwieriger geworden für meine Kollegen von der Innenpolitik, aber es war immer noch möglich. Die haben sich nicht verweigert, die haben so geredet. Wir waren ja froh, wenn einer nicht gesagt hat , Der Sozialismus siegt!, sondern wenn einer gesagt hat , Ich arbeite mit all meinen Möglichkeiten, damit es besser wird in unserem Land. 4“

Und in dem zur Zeit immer noch aktuellsten Handbuchartikel zum Fernsehen der DDR heißt es: „Ein untrennbarer Bestandteil der Programmgestaltung ist die schöpferische Zusammenarbeit mit den Zuschauern. So erhielten allein im Jahre 1988 1304 Bürger aus allen Bevölkerungsschichten die Möglichkeit, sich in der Nachrichtensendung , Aktuelle Kamera zu Entwicklungsproblemen und -prozessen in der DDR sowie zum weltweiten Kampf um die Erhaltung des Friedens zu äußern.“ Bei unseren Interviews hatten wir systematisch danach gefragt, ob ein Mitarbeiter des Fernsehens der DDR sich so gegen die Zensurpraktiken gewehrt hätte, daß ihm gekündigt wurde. Bei diesen Nachfragen konnte uns nur ein Name genannt werden: Herwig Kipping, ehemaliger Regisseur der Hauptabteilung Publizistik im Fernsehen der DDR. In unserem Gespräch am 8. Mai 1990 verdeutlichte er, wie in seinem Fall die Interviewpraxis ausgesehen hatte: „Da hatten wir eine Reportage über das Frühlingstreffen oder Pfingsttreffen der Jugend, der FDJ im Prenzlauer Berg gemacht.

Und da hat Erich Honecker wohl hundert Exemplare seines Statuts an Genossen verteilt. Und einer davon, der war Brigadier im Prenzlauer Berg, und über den, das war eine Anweisung von der Partei, sollten wir ein Portrait machen, eine Reportage. Nun haben wir das gemacht, mit Einverständnis unseres Leiters und allem möglichen ... Wir haben die Reportage über diesen Brigadier von den Dachdeckern im Prenzlauer Berg gemacht. Das Wohnungsbauprogramm war damals ein politischer Eckpfeiler... Wir haben das einfach so gemacht mit dem, der zwar ziemlich sympathisch, 21 Jahre alt, seine ganze Truppe, seine Brigade waren 18-, 19jährige, von überall aus der Republik. Natürlich gab es da Probleme, Führungsprobleme, was weiß ich. Die waren auch einfach lebendig, noch, und trotzdem war es ungeheuer schwer, weil ja jeder DDR-Bürger wußte, was du haben wolltest, wenn du mit einem Mikro kommst. Das wußte jeder im Hinterkopf. Jeder hat’s gesagt, hat so getan, als ob... Jeder hatte auch Angst. Die Angst war vielleicht das wichtigste Element. Man hatte selber auch immer Angst, seine Existenz zu verlieren.“

Weil dieser Brigadier nicht sagte, was von ihm erwartet wurde, sondern über Probleme sprach -

die es in der DDR offiziell nicht geben durfte -, forderte der Vorgesetzte von Kipping, daß ein von ihm schriftlich vorgegebener Text von den Interviewten nachträglich ins Mikrofon und in die Kamera zu sprechen sein. Hierzu Kipping: „Dann bin ich mit dem Zettel hin, hab’ die Fragen gestellt und hab’ gewartet, daß die das sagen. Bloß, die haben das nicht gesagt. Es gab eben immer eine Sprachregelung. Es gab so verschiedene Schichten. Zu Hause hast du das gesagt und in der Öffentlichkeit hast du das gesagt. Jeder wußte das. Und wir haben es gewissermaßen geschafft, ein bißchen in diese andere Sprache hineinzukommen, wo die eigenen Probleme, wo das eigene anfing. Und nicht diese Blasen. Wo wir aber soweit waren, haben die sich gedacht, wieso sollen wir jetzt diese Blasen sagen. Die haben einfach keine Sprechblasen mehr erzählt. Keine dieser offiziellen Floskeln, die einfach dann gesagt wurden, um das zu erfüllen. Wir waren gewissermaßen schon weiter und hatten ein Vertrauensverhältnis zu denen aufgebaut, und die haben das einfach nicht gesagt. Da haben sie uns gedroht...: , Wenn ihr das nicht könnt, dann geht die AK hin und macht das in einer halben Stunde? Die haben das ja einfach so gemacht, haben irgendwelche Leute genommen, haben so eine Schriftwand hingestellt und haben das ablesen lassen. Oder sie haben es direkt ablesen lassen.“

Angesichts widersprüchlicher Äußerungen in den Interviews zur journalistischen Praxis ist es wohl nicht schwer, im Kontext der jeweiligen Berufslaufbahnen zu vermuten, welchen Aussagen mehr Vertrauen zu schenken ist. Wie eng eine bewußt verzerrende Wahrheitsauffassung mit der offiziellen Agitation und Propaganda für einen SED-Journalisten in der damaligen DDR verbunden war, soll im folgenden Abschnitt verdeutlicht werden. 3. Im Dienste des Klassenkampfs: „Immer nur die halbe Wahrheit“

Ein Transparent bei Demonstrationen in der DDR im Oktober 1989 lautete: „Die halbe Wahrheit lenkt am besten von der ganzen ab.“ Eine unserer Interviewpartnerinnen sagte uns ganz deutlich, daß wir von ihr vor der Wende „immer nur die halbe Wahrheit bekommen“ hätten. Sie erläuterte auch, nach welchen Kriterien Journalisten für das DDR-Fernsehen ausgewählt wurden: „... daß sie gut zu leiten sind. Es wurden sich jeweils die künftigen Kader immer ausgeguckt, immer junge Leute, die gerade vom Studium kamen, und die wurden dann gezielt gefördert, genau an die Hand genommen, da konnte gar nichts schiefgehen ... Wissen Sie, wenn man allabendlich erlebt, wie sein Chefredakteur zum Hampelmann gemacht wird -der war der höchstbezahlte Telefonist in diesem Land... Ich glaube, wir sind alle, bis hin zu Honecker, auch Opfer der eigenen Propaganda.“

Und auf die explizite Nachfrage, wie sie bei Zensurmaßnahmen mitgewirkt habe: „Ich habe Volontäre ausgebildet. Jedes Mal, wenn ich meinen Volontären die Grenzen klarmachen mußte, ist mir schon mit der Zeit klargeworden, daß ich damit irgendwo ihre Kreativität beschneide ..., daß man zum Lügen gezwungen wird.“ Der Kontext dieser bewußten Lügenbildung und -Verbreitung war der Klassenkampf: „Das mit dem Klassenfeind“ wurde „wirklich ernst genommen“. „Klassenfeinde gab es, und die gibt es auch noch, so wie es noch Klassen gibt und Klassenunterschiede und antagonistische Widersprüche.“ Deshalb wurde keine Alternative zum SED-Regime gesehen. Bereits Überlegungen hierzu waren extrem tabuisiert, verbunden mit der Angst vor einer Spaltung der SED und einem Verlust des eigenen Lebenssinns. Die Zeit nach der Wende wurde als eine Überlebensfrage interpretiert, bei der „für einen selbst immer so viel Würde bleiben“ sollte, daß man damit leben konnte.

Von keinem unserer Interviewpartner wurde uns mitgeteilt, daß es für die „Aktuelle Kamera“ jeweils Jahrespläne gab. In dem für 1989 wurde zum Beispiel vorgeschrieben, daß nachzuweisen sei, daß das „Antlitz des Sozialismus auf deutschem Boden noch nie so menschlich war wie heute“. Generell herrschte der Versuch vor, hauptsächlich oder fast ausschließlich über die Zeit nach der revolutionären Wende zu sprechen und die eigene Beteiligung bei der journalistischen Arbeit vorher herunterzuspielen. Diejenigen, die bereits pensioniert waren oder kurz vor der Pensionierung standen, betonten eher, daß sie nichts von ihrer Tätigkeit zu revidieren oder abzustreiten hätten. Die Anleitungen und Kontrollmechanismen der Vergangenheit wurden im Rückblick als „selbstverständlich“ -wenn auch schwer erträglich -interpretiert: „Wir hatten eben diesen hochoffiziellen Status.“ Für die Zeit nach der Wende wurde das eigene Bemühen hervorgehoben, „ein bestimmtes journalistisches Format zu haben, von bestimmten moralischen Grundsätzen, von bestimmten humanistischen und antifaschistischen Grundsätzen her zu berichten“.

Vor der revolutionären Wende war für einige der Befragten das „anerkennende Wort“ des ZK-Sekretariats für Agitiation und Propaganda für die fernsehjournalistische Arbeit positiv motivierend. „Das waren ja Leute, die auch irgendwo eine Vergangenheit hatten, und die ging ja teilweise zurück bis in die Emigrationszeit usw., und die auch von einem politischen Ethos aus durchaus gehandelt haben, die auch bereit waren, solche Leistungen anzuerkennen.“ Die vermutlich kollektive Rechtfertigungsideologie vieler Mitarbeiter der Redaktion der „Aktuellen Kamera“ war, daß sie als DDR-Bürger wüßten, „was ein DDR-Bürger will“. Auf der anderen Seite betonten einige unserer Interviewpartner, daß die „Aktuelle Kamera“ nicht mehr gesehen wurde, weil sie an den Problemen und Erfahrungen der Bevölkerung vorbei berichtete.

„Sprachregelungen gab es eigentlich nur bis Oktober. Die gingen sogar sehr weit, diese Sprachregelungen, und waren manchmal auch unverständlich. Um ein Beispiel zu sagen: Man durfte , Neonazi sagen, aber nicht, Neofaschisten 4, wo für mich kein Unterschied besteht... Diese Phase der Einmischung ist faktisch mit dem Sturz von Honecker beendet worden... Zum Beispiel , Mauer durfte früher nicht gesagt werden.“

Die meisten Interviewpartner betonten, daß sie immer wieder versucht hätten, die ihnen von der Partei gezogenen Grenzen etwas hinauszuschieben. Für kritischere Beobachter stellte sich deshalb die folgende Frage: „Was ich nicht genau weiß, ist, ob die Machthaber dieses Landes, das von ihnen produzierte rosarote Zerrbild unseres Landes am Ende tatsächlich für das Abbild der Realität halten (das wäre die Hohe Kunst des Selbstbelügens), oder ob ihnen die Hohlheit des Ganzen bewußt ist. Das letztere ist, finde ich, wahrscheinlicher, aber das eine wie das andere ist Machtmißbrauch. Die Zuschauerzahlen der Aktuellen Kamera wurden als erste zur geheimen Verschlußsache -auch für Fernsehmitarbeiter -erklärt ... Wir hatten immer argumentiert, daß die AK anders werden muß, denn wenn die so wenig Leute sehen, dann kann sie ihre Aufgabe nicht erfüllen. Da ist doch was falsch. Und man hat die Konsequenz gezogen, die bei uns normalerweise gezogen wird: man verheimlicht, man buddelt zu, man deckt zu.“

In inoffiziellen Begründungen der offiziellen Rolle der „Aktuellen Kamera“ wurde auch gesagt, daß sie eine andere Funktion als alle anderen Sendungen des Fernsehens habe, weil sie im wesentlichen für das Ausland und für die Geschichte bestimmt sei und deshalb ein möglichst positives Bild des Sozialismus zu bieten habe. In seiner Sendung „Klartext in eigener Sache“ vom 22. Januar 1990 (im ersten Programm des Fernsehens der DDR) resümierte Horst Mempel: „Vielleicht war die verlogene Informationspolitik von all dem, was unserem Volke angetan wurde, das Schlimmste. Sie wirkte gewissermaßen zweifach, weil mit dieser Vergewaltigung der Wahrheit auch noch alle anderen Fehlleistungen der ehemaligen Führung vertuscht werden sollten, als die Machthaber wankten.“

„Es wurden von Politikern... Aufträge erteilt an das Fernsehen. Wir gehörten ihnen. Wir mußten jubilieren, wir mußten alles das machen, was sie wollten... Ob das wirkungsvoll war, ob das irgend jemanden bewegt hat, ob das gut war, das war nicht entscheidend. Und auch die Herren, die das dann beurteilten, dieser Clan von Herrmann, Politbüromitglied Herrmann, die interessierte in erster Linie, ob das Thema auf dem Sender war. Dafür wurde Beifall geklatscht, und wenn die da oben Beifall klatschten per Telefon..., dann wurde es verteilt, das Ostgeld.“

Beschönigungen der Berichterstattung wurden mit den Notwendigkeiten des Klassenkampfs begründet: „Und das Allerschlimmste, und was sehr viel unserer Zensur beeinflußt hat bzw. uns als Begründung für unsere Zensur um die Ohren gehauen wurde, das spielt, das müssen Sie mal hier irgend jemanden aus der Chefetage fragen, das spielt der Gegner uns vor. Das war etwas ganz Böses, daß der Westen das aufzeichnete in seiner Sendung, meinetwegen in Kennzeichen D." Die Berichterstattung des DDR-Fernsehens anläßlich des 750-Jahre-Berlin-Jubiläums wurde zum Beispiel wie eine „Kriegsberichterstattungs-Frontbesprechung“ organisiert: „Wir müssen den Feind unbedingt besiegen ... Wir müssen dem Gegner zeigen, daß wir besser sind.“

Die Einschätzung der handwerklichen Fähigkeiten der Mitarbeiter der „Aktuellen Kamera“ war sehr unterschiedlich: Die überzeugten Anhänger des SED-Sozialismus waren auch nach der revolutionären Wende davon überzeugt, daß sie ein außerordentlich gutes handwerkliches Können, ein hohes Maß an Professionalität gezeigt hätten -unter schlechteren technischen und finanziellen Umständen und bei schlechterer Bezahlung als ihre westlichen Kollegen. Demgegenüber äußerten die wenigen kritischen Interviewpartner, die wir fanden, an dieser Berufsauffassung Zweifel: Ihrer Meinung nach war das handwerkliche Können ihrer journalistischen Kollegen im Vergleich zu dem westlicher Fernsehnachrichtenjournalisten erheblich schlechter. Die Erklärung sahen sie darin, daß Journalisten in der DDR nicht nach ihren handwerklichen Fähigkeiten, sondern nach ihrer politischen Loyalität ausgewählt wurden und die Fähigkeit der Unterordnung unter politische Anleitungen wesentlich stärker entwickelt war als eigenständige Recherche und Präsentation von Nachrichten.

Dazu der frühere Regisseur Herwig Kipping: „Die fachliche Kompetenz war nicht das erste. Das erste war, ob man das tun kann, was das Fernsehen -das wurde eigentlich von Anfang an gesagt -als Aufgabe hat, nämlich die Beschlüsse der Partei der Bevölkerung zu vermitteln und dafür zu werben, also gewissermaßen die Bevölkerung für die Beschlüsse der Partei empfänglich zu machen und zu stimulieren... Es war fast wie eine eigene Klasse. Und es war ein Privileg, dazuzugehören... Wir waren ungefähr Leute und für 10 Mann war Arbeit... Das Diplom war gewissermaßen, auch als Journalist, nur die Eintrittskarte. (Es) wurde so gesagt... , Wir machen keine Kunst, sondern wir machen Ideologie, das war die Sentenz vom Fernsehen. Überall, auch in der Dramatischen. Das war die Elle, die angelegt wurde.“ 25)

Kipping erläuterte auch die psychischen Mechanismen, die die Angehörigen des Fernsehens der DDR in die Parteidisziplin einbanden: „Also jeder war sich klar, daß er in einem Parteibetrieb arbeitet und für die Partei arbeitet... Wir waren ja alle Brüder und Schwestern. Es war so ein besonderer Ton, es war eine besondere Sprachregelung. Es wurden keine Anweisungen gegeben. Dieses Verhältnis eines Vorgesetzten, das wurde in solchen Besprechungen aufgehoben. Wir wurden alle nur Genossen genannt, auch die Nicht-Genossen, die wenigen. Ich glaube, daß kaum einer ein Nicht-Genosse war... Du warst Genosse. Du warst bei einem Kampfverband. Es wurde immer beschworen, wir lebten doch nur im Krieg. Wir waren an der Front. Das wurde beschworen, nicht als Anweisung, sondern als Einsicht... Du bekamst dann wirklich das Gefühl, du kriegtest eine geheime, geheim anvertraute, verschlüsselte Mitteilung, was jetzt ganz besonders wichtig wäre, damit wir den nächsten Tag überleben.“ Bezeichnenderweise war der einzige, der seinen Beruf verlor, weil er einen. vierten Zensurschnitt in seinem Fernsehbeitrag nicht mitmachen wollte, auch der einzige, der dennoch von sich aus seine Mitwirkung sehr selbstkritisch interpretierte: „Jeder ist irgendwie unterdrückt worden. Jeder ist doch Opfer gewesen. Jeder ist auch ein Täter gewesen, aber der eine mehr, der andere weniger. Und jeder verdrängt jetzt den Täter und spielt das Opfer aus. Auch ich. Ich fühle mich ja auch als Opfer. Aber ich war natürlich auch zu einer gewissen Zeit ein Stück Täter. Ich war sicher ein ganz kleines Würstchen, als Regisseur. Aber es war ja alles auch privilegiert. Selbst wenn du in die Schule gekommen bist, selbst wenn du schon studiert hast, das war schon ein Privileg. Es waren zehn andere, die sich entweder umgebracht haben, die im Knast saßen oder weggegangen sind, für die du deinen Job gekriegt hast. Du warst die Auslese, die hierbleiben durfte, aber nicht bloß als Hilfsarbeiter.“ So deutlich drückten das die von uns interviewten Chefredakteure der „Aktuellen Kamera“ nicht aus. Entweder war es die Partei, die es an „Offenheit und Ehrlichkeit“ mangeln ließ oder es wurde unterschieden zwischen den Teilen der „Aktuellen Kamera“, die realistisch gewesen waren, im Unterschied zu denen, die eben tabuisiert gewesen waren Sie übertrieben auch gern die Gefahren, wie der im März 1990 amtierende Chefredakteur unter Hinweis auf eine als besonders mutig erachtete Filmsequenz eines Interviews mit einem Kampfgruppenkommandeur am 10. Oktober 1989 in Leipzig: „Den haben wir interviewt. Das war unser erstes Aufmucken, das wäre noch 14 Tage vorher tödlich gewesen für alle, auch für mich.“ Erhellend ist in diesem Zusammenhang wohl die Formulierung von Horst Mempel: „Es ist natürlich ein Unterschied, ob man zähneknirschend mitgemacht hat, weil es einfach eine Existenzfrage war, oder ob man als inquisatorischer Geist das noch mit durchgesetzt hat, als Karrierist oder Stalinist.“

Bis zum Amtsantritt von Egon Krenz arbeiteten die Journalistinnen und Journalisten der „Aktuellen Kamera“ mit an dem Selbstbild eines real existierenden Sozialismus, der Jahr um Jahr, Monat um Monat zu immer mehr Produktivitätsfortschritten eile. Die Ausreisewelle wurde nicht thematisiert, die Demonstrationen von Tausenden und Zehntausenden wurden bis zum 18. Oktober 1989 als rowdyhafte Ruhestörung nur in wenigen Randmeldungen abgehandelt.

Hätte es in der DDR keine Empfangsmöglichkeiten für „heute“ und Tagesschau“ gegeben, wäre es für die Bürger der DDR unmöglich gewesen, zu erfahren, wie viele ihrer Mitbürger bereits friedlich auf den Straßen demonstrierten. Die Nachrichten-und Sondersendungen von ARD und ZDF hatten aber auch den DDR-Zuschauem seit Jahrzehnten Formen des politischen Streits, der Auseinandersetzung zwischen Opposition und Regierung sowie die neu entstehenden Bürgerbewegungen in der Bundesrepublik Deutschland gezeigt, die in der DDR durch Mauer und Gefängnis, Studier-und Berufsverbote unterdrückt wurden und deren Anfänge in der Berichterstattung des DDR-Fernsehens systematisch verschleiert wurden.

Als sich dann in der DDR erste, kleine Oppositionsgruppen bildeten, fanden diese zuerst Gehör im Westfernsehen. Damit wurde den Zuschauern in der DDR klar, daß die jahrelang nur für die Bundesrepublik selbstverständlich und für möglich gehaltene politische Opposition auch in ihrem eigenen Lande Fuß faßte. Die Rolle des Westfernsehens war zunächst eine der Information und Enttabuisierung und dann des Selbstverständlichwerdenlassens ehemals undenkbarer Verhaltensweisen. Bei täglichen Einschaltquoten von über 50 Prozent für ARD und ZFD in der DDR wußte Tag für Tag fast jeder Werktätige, wie auch Stasi-, Vopo-oder NVA-Angehörige daß die anderen ebenfalls wußten: wie viele bereits geflohen waren, wie viele Mitbürger welche Botschaften besetzt hatten, wie viele demonstrierten. Wenn DDR-Bürger dann in ihren eigenen Gemeinden Demonstrationen sahen, wußten sie: Sie waren nicht allein; was sie machten, wurde von immer mehr Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR positiv bewertet. Information, Enttabuisierung, Entängstigung, die Verbreitung von Verhaltensmodellen wie Kerzen-Demonstrationen oder erst Schutz, dann Erstürmung von Stasi-Gebäuden waren immer rückgekoppelt mit der landesweiten Meldung vom Westfernsehen: „Ihr seid nicht die einzigen, ihr werdet nicht niedergeknüppelt, was ihr macht, ist gut für Freiheit und Demokratie“.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Publizistik und Kunst (Anm. 1), S. 33.

  2. Details zu diesen Interviews können im DFG-Sonderforschungsbereich 240 der Universität-Gesamthochschule Siegen erfragt werden.

  3. Vgl. Peter Ludes, Stars der internationalen Politik: Die Gipfeltreffen zwischen Gorbatschow und Reagan in Fernsehnachrichtensendungen der Bundesrepublik und der DDR, in: Christian W. Thomsen/Werner Faulstich (Hrsg.), Seiler, Stars und Serien -Medien im Produktverbund, Heidelberg 1989; ders. (Anm. 1).

  4. Dieser Abschnitt beruht auf Kapitel 1 meines Aufsatzes „Nachrichtensendungen des DDR-Fernsehens“, in: P. Ludes (Anm. 1), S. 7-116.

  5. Erich Selbmann, Gespräch am 22. März 1990, in: P. Ludes (Anm. 1), S. 214.

  6. Ebd., S. 224.

  7. Ebd., S. 219.

  8. Klaus Schickhelm, Gespräch am 6. März 1990, in: P. Ludes (Anm. 1), S. 256.

  9. Karl Eduard von Schnitzler, Gespräch am 31. März 1990, in: P. Ludes (Anm. 1), S. 271 f.

  10. Ebd., S. 273.

  11. Ebd., S. 274.

  12. Ebd., S. 281f.

  13. Ebd., S. 286. Interviewer von drei Meinungsforschungsinstituten waren von Mitte September bis Anfang Oktober 1990 in der damaligen Bundesrepublik Deutschland und der damaligen Deutschen Demokratischen Republik unterwegs und führten repräsentative Meinungsumfragen für den „Spiegel“ durch. Im Spiegel Spezial „Das Profil der Deutschen. Was sie vereint, was sie trennt“. Hamburg 1991, S. 34, wird ein in diesem Zusammenhang wichtiges Ergebnis mitgeteilt: Den befragten Westdeutschen und Ostdeutschen wurden dreizehn Begriffe genannt, zu denen sie sagen sollten, welche ihnen „sympathisch“ oder „unsympathisch“ seien. Für „unsympathisch“ erklärten 85 Prozent der Ostdeutschen den Begriff „Genosse“ (ähnlich: 88 Prozent der Westdeutschen).

  14. Horst Mempel, Gespräch am 20. März 1990, in: P. Ludes (Anm. 1), S. 128.

  15. Gespräch mit Lutz Renner am 26. Februar 1990, Manuskript, S. 16.

  16. Vgl.den Beitrag des Honorardozenten für Fernsehtheorie an der Hochschule für Film und Fernsehen der DDR in Potsdam-Babelsberg, V. Gerber, Das Rundfunksystem der Deutschen Demokratischen Republik, in: Internationales Handbuch für Rundfunk und Fernsehen 1990/91, Baden-Baden-Hamburg 1990, S. A 105 (redaktionell abgeschlossen Anfang 1990). Demgegenüber hieß es bereits im Mai 1989 in einer Diplomarbeit der Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig in einem Interview mit einem unserer Interviewpartner über die „Aktuelle Kamera“: „Ja, hier war die AK schon öfter. Kommen an, halten die Nase hoch, daß es reinregnet, stellen ein paar dusselige Fragen und uns an die Wand, dann sagen sie uns, was wir sagen sollen, dann fahren sie nach Hause, machen einen schlechten Film und kommen nie wieder.“

  17. Herwig Kipping, Gespräch am 8. Mai 1990, in: P. Ludes (Anm. 1), S. 173.

  18. Ebd., S. 175.

  19. Gespräch mit Lutz Renner (Anm. 16), S. 6.

  20. Horst Mempel (Anm. 15), S. 119, Zitat aus seinem Tagebuch -der Anlaß war seine Programmbeobachtung der Aktuellen Kamera vom 22. Oktober 1988. Vgl. zu dieser Problematik auch Rainer Geißler, Agitation als Selbsttäuschung. Thesen zu den politischen Funktionen des DDR-Fernsehens vor der Wende (am Beispiel der Aktuellen Kamera), in: P. Ludes (Anm. 1), S. 297-306.

  21. Gespräch mit Kerstin Mempel und Horst Mempel am 27. März 1990, in: P. Ludes (Anm. 1), S. 136f.

  22. Ebd., S. 162.

  23. Ebd., S. 161 f.

  24. Herwig Kipping (Anm. 18), S. 164, 170.

  25. Ebd., S. 171.

  26. Ebd., S. 182.

  27. E. Selbmann (Anm. 6), S. 226.

  28. Vgl. K. Schickhelm (Anm. 9), S. 237f.

  29. Ebd., S. 247.

  30. H. Mempel (Anm. 15), S. 122; s. a. ebd., S. 127: „Es ging uns also an die Existenz, wenn wir uns nicht an die Spielregeln hielten. Im Prinzip stimmt das nicht. Es ging uns nicht an die Existenz. Sie hätten uns nicht umgebracht, sie hätten uns nicht eingelocht. Sie hätten uns nur rausgeschmissen. Wir hätten vielleicht Kohle schippen müssen, und da liegt im Prinzip unsere Feigheit.“

  31. Vgl. aber Georg-Maria Meyer, Vom Klassenfeind zum Kameraden? Soziale Deutungsmuster von Offizieren der Nationalen Volksarmee (NVA), in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 36/90, S. 32-39, der berichtet, daß es den NVA-Offizieren verboten war, Westfernsehen zu sehen. Bei politischen Sendungen hätten sich die von ihm im Juli 1990 Befragten bis zum Oktober 1989 auch daran gehalten. Die von uns interviewten DDR-Journalisten hatten demgegenüber alle Westfernsehen gesehen. Als wir die Redaktion im März 1990 besuchen konnten, liefen ARD und ZDR dort regelmäßig. Uns wurde versichert, daß dies auch vor der Wende so gewesen sei.

Weitere Inhalte

Peter Ludes, Dr. phil., Ph. D. (USA), geb. 1950; Privatdozent; seit 1987 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Siegen im DFG-Sonderforschungsbereich Bildschirmmedien. Veröffentlichungen u. a.: Drei moderne soziologische Theorien. Zur Entwicklung des Orientierungsmittels Alternativen, Göttingen 1989; Kulturtheorien als Intermedienspiele, Essen 1989; (Hrsg.) DDR-Fernsehen intern. Von der Honecker-Ära bis „Deutschland einig Fernsehland", Berlin 1990; Kultur-transfer und transkulturelle Prozesse. Amerikanisierung und Europäisierung des Fernsehprogramms in der Bundesrepublik, Heidelberg 1991.