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Der Irak und der Golfkrieg. Regionale Faktoren der irakischen Invasion Kuwaits | APuZ 7-8/1991 | bpb.de

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APuZ 7-8/1991 Der Irak und der Golfkrieg. Regionale Faktoren der irakischen Invasion Kuwaits Der Krieg um Kuwait: Katalysator einer „neuen Weltordnung“ oder Vorbote neuer Konflikte? Saudi-Arabien im nahöstlichen regionalen System Der Golfkrieg als Schlüsselereignis für den arabisch-israelischen Konflikt

Der Irak und der Golfkrieg. Regionale Faktoren der irakischen Invasion Kuwaits

Bassam Tibi

/ 25 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der irakischen Einverleibung Kuwaits (Einheit von Irak und Kuwait als erste Stufe zur arabischen Einheit) lagen nüchterne ökonomische und geopolitische Ursachen zugrunde. Es ging um finanzielle Ansprüche des durch den Iran-Irak-Krieg mit 70 Milliarden US-Dollar verschuldeten Iraks und um die Forderung des Aggressor-Staates nach einem für den Aufbau eines Tiefwasserhafens geeigneten Zugang zum Golf. Der Panarabismus Saddam Husseins wurde nach der Invasion Kuwaits ideologisch um weitere Aspekte bereichert: der politische Islam (Aufruf zum Jihad/Heiligen Krieg gegen den Westen) und die Bindung der Kuwait-Frage an die Palästina-Frage (die israelisch besetzten Gebiete). Dadurch konnte Saddam Hussein gleichermaßen bei den islamischen Fundamentalisten und den Palästinensern große Zustimmung und Popularität erlangen. Innenpolitisch ist der Konflikt im Kontext der Etablierung der totalitären Baath-Herrschaft im Irak zu sehen, während er regional in den Zusammenhang der Bemühungen des Iraks, die pan-arabische Führung nach dem Abstieg Ägyptens zu übernehmen, einzuordnen ist. Neben diesen innenpolitischen und regionalen Faktoren trug die Auflösung der Nachkriegsweltordnung zu der Entstehung einer irakischen Illusion bei, daß die Welt tatenlos der irakischen Annexion Kuwaits zusehen würde. Auch glaubte Saddam Hussein, daß trotz dieser Veränderung die Sowjetunion nach wie vor auf irakischer Seite gegen die USA stehen würde. Der Helsinki-Gipfel brachte eine Ernüchterung für die irakische Führung.

Der vorliegende Aufsatz basiert auf Recherchen, die in Kairo (September und Dezember 1990) und Washington (August und November 1990) durchgeführt worden sind; er enthält zentrale Thesen meines auf dem Kairoer Symposium „Perspectives on the Gulf Crisis“ am 17. Dezember vorgetragenen Papers. Meine Mitarbeiter Kai Dierke. Anke Houben und Petra Geile von der Göttinger Abteilung für Internationale Beziehungen haben mir bei der Abfassung dieses Artikels dankenswerterweise assistiert.

Trotz der Besetzung Kuwaits durch den Irak am 2. August 1990 saßen die Vertreter beider Staaten auf der OPEC-Konferenz vom Dezember 1990 als zwei der dreizehn Teilnehmer-Staaten nebeneinander, ohne einander anzugreifen oder politische Polemiken auszutragen. Diese OPEC-Konferenz war „die kürzeste und zugleich am wenigsten streitbeladene OPEC-Sitzung während der August 1990 saßen die Vertreter beider Staaten auf der OPEC-Konferenz vom Dezember 1990 als zwei der dreizehn Teilnehmer-Staaten nebeneinander, ohne einander anzugreifen oder politische Polemiken auszutragen. Diese OPEC-Konferenz war „die kürzeste und zugleich am wenigsten streitbeladene OPEC-Sitzung während der gesamten dreißigjährigen Geschichte dieser Organisation“ 1). Der Vertreter des Irak begnügte sich dort mit der sachlichen Bemerkung, sein Land habe Kuwait angegriffen, weil die irakische Wirtschaft durch die „exzessive Öl-Produktion Kuwaits beeinträchtigt wurde“ 2). Ehe Saddam Hussein seine Truppen am 2. August in Kuwait einmarschieren ließ und fünf Tage danach, am 7. August, durch die Erklärung des Jihad, des Heiligen Krieges den Islam in diesen Konflikt einbezog, ging es nur um jene ökonomischen Belange, die der irakische Vertreter auf der angeführten OPEC-Sitzung ansprach. Warum entwickelte sich dieser zwischenstaatliche Konflikt zunächst zu einer regionalen Krise, die dann durch die Stationierung eines multinationalen militärischen Kontingents (rund 750 000 Soldaten, darunter der Kern von 430 000 US-Soldaten), und durch die Maßnahmen einer umfassenden Wirtschaftsblockade gleichermaßen politisch und ökonomisch internationalisiert worden ist?

I. Die außenpolitischen Beweggründe Iraks in der Golf-Krise

Abbildung 1

Den Ausgangspunkt der Golf-Krise, die aus der irakischen Kuwait-Invasion hervorging, bildete ein lokaler Konflikt zwischen Irak und Kuwait, der auf die koloniale Grenzziehung beider Staaten zurückgeht. Die dem Konflikt zugrundeliegenden Faktoren wurden bereits in der Juli-Krise erkennbar, die der Invasion vom 2. August unmittelbar vorausgegangen war. Mit einer Ansprache Saddam Husseins, die am 17. Juli 1990 von Radio Bagdad aus-gestrahlt wurde, löste der Irak einen zwischenstaatlichen Konflikt mit Kuwait aus

Die Streitpunkte beschränkten sich in dieser frühen Phase des Konflikts auf das Ölfeld von Rumaila sowie auf die Ölproduktion Kuwaits und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE); beide Staaten überschritten, so die Irakis, die ihnen von der OPEC zugestandenen Produktionsobergrenzen, die im OPEC-Quotensystem vereinbart worden sind. Im Sinne einer „Entschädigung“ forderte die irakische Regierung umfangreiche finanzielle Leistungen. Die Forderungen Iraks an Kuwait bezogen sich damit zunächst ausschließlich auf Zahlungsforderungen — territoriale Ansprüche auf die kuwaitischen Inseln Bubiyan und Warba waren noch von relativ untergeordneter Bedeutung.

Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt wissen, was Saddam Hussein im Schilde führte, als er sich in den irakischen Massenmedien, die seinen Personenkult betreiben, als neuer Harun al-Raschid oder als Saladin al-Ayubi betiteln ließ. Bereits seit dem Ende des Krieges mit dem Iran waren Saddams Ansprüche auf die panarabische Führerschaft, die einst Nasser verkörpert hatte, nachdrücklicher gewor-den. Im Verlaufe der Juli-Krise 1990 entwickelte sich der ursprünglich zwischenstaatliche Konflikt zwischen Irak und Kuwait durch die Involvierung weiterer arabischer Staaten, insbesondere Saudi-Arabiens und Ägyptens, zu einem regionalen Konflikt. Dabei schienen die Vermittlungsbemühungen des ägyptischen Präsidenten Mubarak zunächst Erfolg zu haben. Bei seinem Besuch in Bagdad erhielt er von Saddam Hussein die Zusage, zur Lösung des Konflikts keine Waffengewalt einzusetzen

Tatsächlich wurden in der Folge irakische Truppen zeitweilig von der kuwaitischen Grenze abgezogen; der Konflikt verlor scheinbar an Brisanz. Auf dem Treffen zwischen irakischen und kuwaitischen Vertretern am 31. Juli 1990 in Dschidda deutete jedoch das Verhalten der irakischen Delegation auf ein Diktat, nicht auf eine Verhandlungslösung hin: Der Irak erhöhte seine finanziellen Forderungen noch und ließ den Kuwaitis damit keinerlei Raum für Verhandlungen. Diese fanden sich zwar bereit, die ursprünglichen Forderungen Iraks in Höhe von 2, 4 Mrd. US-Dollar zu erfüllen. Sie waren jedoch nicht willens, sich allen überhöhten Forderungen Saddam Husseins — wie dem Erlaß der irakischen Schulden in Höhe von zehn Mrd. US-Dollar — zu fügen. Ebenso wie die Iraner im September 1980, so unterschätzten auch die Kuwaitis die aggressive Rhetorik und die Bereitschaft Saddam Husseins, seine militärische Stärke tatsächlich einzusetzen. Für gut informierte Experten kam die irakische Invasion Kuwaits indes nicht überraschend. Der in der gegenwärtigen Krise angemeldete Anspruch Iraks auf Kuwait ist nicht neu — er geht auf die dreißiger Jahre zurück.

Der Fokus der Weltpolitik auf Europa seit dem Frühjahr 1989 schien Saddam Hussein den geeigneten Moment zu bieten, diese alten irakischen Ansprüche zu realisieren. Mit Sicherheit jedoch hätte Saddam das Risiko einer Invasion Kuwaits nicht auf sich genommen, wenn er eine solche überwältigende weltweite Reaktion vorausgesehen hätte. Aber nicht nur die Konzentration der Weltpolitik auf Europa im Rahmen der Auflösung der Nachkriegsordnung hat Saddam Hussein wähnen lassen, daß die Welt ihn bis auf verbale Proteste mit der „Beute“ Kuwait würde laufen lassen. Auch die falsche Annahme einer immer noch bestehenden bipolaren Weltordnung, die staatlichen Akteuren in regionalen Konflikten (Klienten) erlaubt, die Spannungen und den Wettbewerb der Supermächte als ihre Patrone für sich zu nutzen lag der irakischen Invasion Kuwaits zugrunde. Dies belegen die erfolglosen Versuche des Irak, die Sowjetunion für sich zu aktivieren. Der irakische Außenminister Tariq Aziz reiste noch vor dem sowjetisch-amerikanischen Gipfel von Helsinki nach Moskau, um Gorbatschow für den Irak zu gewinnen, und er mußte mit leeren Händen nach Bagdad zurückkehren Wie fremd die Welt nach dem Ende des Kalten Krieges für Saddam Hussein scheint, davon zeugt seine Botschaft an Gorbatschow am Vorabend des Helsinki-Gipfels. In dem offenen Schreiben fragt Saddam Gorbatschow, ob die Sowjetunion nunmehr aufgehört habe, als eine Supermacht zu existieren, und er fügt hinzu, Gorbatschow solle sich vergegenwärtigen, „daß Zweifel an der Stellung der Sowjetunion als einer Supermacht aufkommen, nachdem die USA nunmehr als einzige Weltmacht auftreten, ohne daß sie in ihrer Arroganz von einer anderen Macht zu einem Gleichgewicht gezwungen werden“

Saddam Hussein fordert Gorbatschow in orientalischer Manier auf, es den Amerikanern zu zeigen. Die gemeinsame Erklärung von Bush und Gorbatschow muß Enttäuschung bei dem irakischen Diktator hervorgerufen haben. Die arabische Presse der Anti-Saddam-Front hat den Helsinki-Gipfel als „Beginn einer strategisch lang anhaltenden Supermacht-Allianz zur Bewältigung regionaler Konflikte im Nahen Osten und zur Überwindung von Despotien ä la Saddam Hussein im Rahmen einer neuen Weltordnung nach dem Ende des Kalten Krieges“ gedeutet. Die irakische Politik hat diese Entwicklung offensichtlich nicht berücksichtigt und basierte in den Anfängen der Eskalation des Konflikts zu einer Krise entsprechend auf falschen Annahmen, die in der Folge zu inadäquaten strategischen Entscheidungen führten. Die zentrale Fehlkalkulation ist die Wahl des Zeitpunkts für die Aktualisierung des irakischen Anspruchs auf Kuwait. Dieser Anspruch Iraks auf Kuwait ist nicht erst von Saddam Hussein erfunden worden. Bereits im Jahre 1961, im Zuge der Unabhängigkeitserklärung Kuwaits, hatte Irak unter dem damaligen Staatschef Qassem Ansprüche auf Kuwait als früheren Teil der osmanischen Provinz Basra erhoben Der territoriale Expansionismus Iraks gründete sich somit auf historische Ansprüche aus der osmanischen Zeit, während der Kuwait zu Irak gehört hatte Dabei ist zu bedenken, daß während der Zeit des Osmanischen Reiches — also bis zum Ende des Ersten Weltkrieges — Nationalstaaten im Nahen Osten nicht existierten Auch der Irak war zu diesem Zeitpunkt noch kein Nationalstaat (s. Karte S. 6). Er wurde erst im Jahre 1921 durch das Zusammenfügen der drei osmanischen Provinzen Bagdad, Mossul und Basra geschaffen Nach dem Sturz es Regimes von General Qassem im Februar 1963 und einer Zahlung Kuwaits an Irak in Höhe von 84 Mio. US-Dollar verlor der Konflikt vorübergehend an Schärfe. 1963 erkannte der Irak Kuwait als souveränen Staat förmlich an. Dennoch: Ungelöste Grenzfragen blieben weiterhin bestehen Besonders in Krisensituationen wurden vom Irak immer wieder territoriale Ansprüche erhoben, die entweder der Erpressung Kuwaits dienten oder das Ziel verfolgten, einen Zugang zum Golf auf Kosten Kuwaits zu erobern. Das Streben Iraks nach einer Überwindung seiner Situation als Quasi-Binnenland bildete oft die Hauptantriebskraft für dieses Verhalten

Das Scheitern der Dschidda-Verhandlungen zwischen dem Irak und Kuwait am 31. Juli führte zur irakischen Invasion Kuwaits die in der irakischen Propaganda als „Wiedereingliederung“ Kuwaits in das irakische „Mutterland“ gefeiert wurde. Der irakische Annexionsakt vom 8. August wurde vom Irak als „Wihda indimagiyya“ d. h. als eine panarabische Vereinigung zwischen beiden Ländern, deklariert. Dieser Akt bringt die totalitäre Ideologie des Panarabismus, so wie sie von dem irakischen Regime der bisher säkular orientierten Baath-Partei vertreten worden ist, zum Ausdruck

Der in Irak fast wie ein Heiliger gefeierte geistige Vater dieses Panarabismus, Sati al-Husri, dessen Bild irakische Briefmarken zieren, hat sich in seinen Schriften für ein „arabisches 1871“ nach deutschem Vorbild, das von einem „arabischen Bismarck“ — wenn nötig auch mit militärischen Mitteln — zu realisieren ist eingesetzt. Saddam Hussein hat sich in dieser Rolle schon vor der Invasion Kuwaits gesehen. Neu nach der Invasion ist jedoch, daß Saddam Hussein, der bisher strikt die säkulare Position seiner Baath-Partei vertreten hat, nunmehr auch die Ideologie des islamischen Fundamentalismus in seine Legitimation einbaut. Im Kontext der Kuwait-Invasion und der nachfolgenden Stationierung US-amerikanischer Truppen in Saudi-Arabien wechselte Saddam Hussein von panarabischer zu fundamentalistischer Rhetorik. Indikator hierfür ist der Aufruf zum Heiligen Krieg gegen die „Ungläubigen“ Unter muslimischen Fundamentalisten ist Saddam Hussein damit gegenwärtig einer der populärsten politischen Führer. Saudi-Arabien und Ägypten haben es vermocht, das islamische Establishment (Schriftgelehrte, Muftis, al-Azhar) auf ihre Seite zu bringen. Die Hauptströmung des politischen Islams steht heute jedoch eindeutig auf Saddam Husseins Seite I Vor der Irak-Kuwait-Krise galt der Irak unter Saddam Hussein als der Beschützer der Golf-Araber vor dem iranischen Expansionismus. Die Ängste der arabischen Führer vor den Bedrohungen des islamischen Fundamentalismus und dem entsprechenden Anspruch Khomeinis, seine „Islamische Revolution“ in die arabischen Nachbarstaaten zu exportieren, begründeten deren Unterstützung für Saddam Hussein während des Irak-Iran-Kriegs Ohne die finanzielle Hilfe durch die arabischen Staaten des Golf-Kooperationsrates (GCC) sowie die militärische und demographische Unterstützung durch Ägypten wäre der Irak nicht fähig gewesen, einen achtjährigen Krieg durchzustehen Obwohl die Scheichs der arabischen Golfstaaten ebenso wie die saudische Führung Saddam Hussein niemals hochschätzten, unterstützten sie ihn trotzdem für ihre Zwecke. Sie hatten nicht die Möglichkeit einkalkuliert, daß aus dieser Unterstützung ein „Monster“ erwachsen könnte, das sie in einem weit ernsthafteren Maße bedrohen würde als die Islamische Revolution Khomeinis. In der Tat ist die Gefahr eines Exports dieser Revolution stark übertrieben worden, wie der Verfasser bereits 1986 dargelegt hat; es wurde aufgezeigt, daß ein solcher Export der iranischen Revolution höchst unwahrscheinlich ist

Saddam Hussein hat die Ängste, die die iranische Revolution hervorrief, weidlich ausgenutzt. Saddam führte einen achtjährigen Krieg mit massiver arabischer Unterstützung und dennoch war er nicht in der Lage, diesen Krieg militärisch zu gewinnen. Nur der Gebrauch chemischer Waffen zwang Iran schließlich, einer Beendigung des Krieges zuzustimmen — wenn auch nicht zu Saddam Husseins Bedingungen. Für die irakische Bevölkerung, die diesen langen Krieg von 1980 bis 1988 durchleiden mußte, wird nicht nur das Friedensangebot ihres Präsidenten vom 16. August zu iranischen Konditionen ein wahrer Schock gewesen sein; auch der Aufruf Saddams an den Iran zu islamischer Solidarität ist nach seinen jahrelangen Beschimpfungen der Iraner als „fürs majus/unreine Perser“ nur schwerlich nachzuvollziehen.

Kaum zwei Jahre nach dem Ende des Golf-Krieges startete Saddam am 2. August 1990 die Invasion Kuwaits. Nur der Bezug auf das weitverbreitete anti-ausländische Gefühl angesichts der Stationierung fremder Truppen auf arabisch-muslimischem Boden ermöglichte ihm dabei, die panarabischen Emotionen — nun islamisch gepaart — zu instrumentalisieren Die in diesem Kontext wichtigsten Ansprechpartner sind die Palästinenser in Jordanien und den von Israel besetzten Gebieten. In diesen Zusammenhang ist auch die Initiative von Saddam Hussein vom 12. August einzuordnen, in der er die irakische Besetzung Kuwaits mit den israelisch besetzten Gebieten in Verbindung bringt und die Lösung der Golf-Krise mit der Lösung anderer Konflikte in der Region, insbesondere des Palästina-Konflikts, verknüpfen will Das israelische Massaker am Tempelberg, parallel zur extremistisch-zionistischen Beanspruchung des Geländes der al-Aqsa-Moschee (der drittwichtigste islamische Schrein nach den Moscheen von Mekka und Medina), war das unerwartete „Geschenk Israels für Saddam Hussein“ -Diese Ereignisse haben zur Öffnung einer „zweiten Front im Golf-Konflikt“ beigetragen.

Die zusätzliche Verbindung des panarabischen Gefühls mit dem islamischen Fundamentalismus in seiner propagandistischen Synthese von Islam und Arabismus bot Saddam Hussein die adäquate Basis für weitreichende öffentliche Unterstützung. Zuvor war Saddam niemals ein Freund des islamischen Fundamentalismus; ganz im Gegenteil: er stellte sich selbst stets als die arabisch-säkulare Alternative zu Khomeinis Fundamentalismus dar. Saddam Hussein ist jedoch ein Diktator mit Kalkül, der sich der Wirkung des Fundamentalismus durchaus bewußt ist. Nach der Landung der US-amerikanischen Truppen in Saudi-Arabien behauptete er öffentlich — entgegen der tatsächlichen Sachlage —, daß amerikanische Soldaten in Mekka und Medina stationiert seien. Dieser fundamentalistische Tonfall spiegelt sich auch in seinen folgenden, oft gebrauchten Worten wider: „durb al-kufr kullahu bi al-iman kullahu“, „den völligen Unglauben mit der ganzen Kraft des Glaubens zu schlagen“. Saddam Husseins berechnender Wechsel zum Fundamentalismus hat seine Wirkung nicht/verfehlt. Dieser Wechsel ist als ein bedeutender Sieg des islamischen Fundamentalismus als einer antiwestlichen Strömung im Nahen Osten zu sehen Angesichts der Sachlage besteht kein Zweifel daran, daß der Irak unter Saddam in dem am 17. Januar ausgebrochenen Krieg der Verlierer sein wird. Der Schaden wird aber die gesamte Region betreffen. Die politischen Folgen eines solchen mit Friktionen überladenen Krieges sind kaum zu überschätzen. Am Ende des Krieges gibt es weder die Scheichtümer am Golf noch eine Saudi-Dynastie in Arabien, wenn die Kampfhandlungen nicht begrenzt werden können. Die zu erwartende irakische Niederlage wird vermutlich in einen Krieg terrori-stischer Anschläge münden. Die Aussichten sind in der Tat furchtbar

Der gegenwärtige Krieg, der trotz seines spezifisch-regionalen Charakters — entgegen der jordanischen und irakischen Position — keine „arabische Lösung“ haben kann, ist dennoch nur adäquat in seinem regionalen Rahmen zu begreifen. Aus diesem Grund wird im folgenden Abschnitt der Versuch unternommen, diesen Rahmen zu rekonstruieren.

II. Die Golf-Region als Rahmen der gegenwärtigen internationalisierten Krise

Die irakische Annexion Kuwaits kann ohne die Beurteilung der politischen Entwicklung in den regionalen Strukturen des Nahen Ostens als eines Subsystems nicht angemessen verstanden werden. Die Golf-Region ist eine Subregion des Nahen Ostens. Die zwei in diesem Kontext relevanten Schlüsselereignisse sind der Friedensvertrag Ägyptens mit Israel im Jahr 1979, der sogenannte Camp-David-Frieden und das Ende des Iran-Irak-Krieges von 1988. Im Jahre 1979 wurde Ägypten aus der Arabischen Liga nach dem Separatfrieden mit Israel im Gefolge der Camp-David-Verhandlungen ausgeschlossen. Der damalige Ausstieg Ägyptens aus der arabischen Politik bedeutete, daß der Irak unter Saddam Hussein nun in der Lage war, Ägypten abzulösen und die panarabische Führung für sich in Anspruch zu nehmen. Es war auch kein Zufall, daß das dem Ausschluß zugrundeliegende arabische Gipfeltreffen von 1978 in Bagdad stattfand. Der Beobachter kann heute im nachhinein in der damaligen irakischen Politik gegenüber Ägypten eher eine Inanspruchnahme der arabischen Führung als eine gegen die Anerkennung Israelsgerichtete Handlung erkennen. Die Gründung des Arabischen Kooperationsrats (ACC) unter Beteiligung Ägyptens im Februar 1989 markiert zwar die Rückkehr Ägyptens zur arabischen Politik, steht aber nicht im Widerspruch zu dieser Interpretation. Denn Ägypten kehrt als Mitglied des ACC in vollem Umfang in die arabische Politik zurück, ohne jedoch eine Führungsposition zu übernehmen. Ägyptische Diplomaten haben gegenüber dem Autor mehrmals kritisch angemerkt, daß Ägypten sich im ACC stets mit dem irakischen Führungsanspruch konfrontiert sah und niemals mit der ihm zugeschriebenen Rolle einer „zweiten Geige“ in der nahöstlichen Sicherheitspolitik glücklich war. In diesem Sinne können wir in der gegenwärtigen Golf-Krise auch eine Wiedererlangung der arabischen Führung durch Kairo beobachten. Die Ägypter lösen die Irakis in der Führung ab

Das zweite Schlüsselereignis ist das Ende des Golf-Krieges der achtziger Jahre und bezieht sich auf die Ansprüche, die Irak hieraus abgeleitet hat: „Saddam Hussein fühlte, daß er nun endlich das Recht erworben hat, offiziell als der Golf-Beschützer zu gelten, eben wie er dies zu Beginn des Krieges — jedoch als Anspruch — formuliert hat.“ Wollten sich die Golf-Araber von Saddam tatsächlich beschützen lassen? Es trifft zu, daß Iran zu Beginn der islamischen Revolution und während der gesamten Khomeini-Zeit, von den arabischen Golf-Staaten als eine Bedrohung im Sinne eines „Exports der islamischen Revolution“ wahrgenommen wurde. Aber diese Staaten hatten den Irak „niemals um einen Schutz gebeten, weder während der iranischen Revolution noch danach; sie waren zwar in bezug auf den Iran besorgt, aber sie hatten fast ebensoviel Grund Irak selbst zu fürchten“

In der Tat haben sich die arabischen Golf-Staaten unter saudischer Führung nach dem Ausbruch des Iran-Irak-Krieges zusammengetan und den bereits im Januar 1981 in Kuwait proklamierten Golf-Ko-operationsrat (GCC) im Mai gegründet Wäre der Golf-Kooperationsrat nur ein Zusammenschluß der arabischen Golf-Staaten gegen den Iran gewesen, hätte es nahe gelegen, daß auch der arabische Golf-Staat Irak dieser Organisation hätte beitreten dürfen. „Es war deutlich, daß die Golf-Staaten den Irak nicht als ein GCC-Mitglied haben wollten.“

Die GCC-Staaten haben zwar den Irak in seinem achtjährigen Krieg gegen den Iran finanziell unterstützt, aber selbst dies habende von Anbeginn nur halbherzig getan. Der Wendepunkt war das Jahr 1984, als sich der Irak während des Krieges an Kuwait mit einem Angebot zu einer endgültigen Regelung der Grenzstreitigkeiten wandte. Diese Offerte beinhaltete u. a.den irakischen Anspruch auf die kuwaitische Insel Bubiyan. „Das wirkliche Anliegen war jedoch die Sicherstellung kontinuierlicher finanzieller Hilfe. Der Geldfluß aus Kuwait wäre eher gewährleistet, wenn dieser von Kuwait (und natürlich von Saudi-Arabien) als Zahlung von Schutz-Geldern angesehen würde ... die irakische Taktik war in dieser Hinsicht ein Glücksspiel, aber grundsätzlich war sie erfolgreich.“ Der irakische Erfolg kann daran gemessen werden, daß Kuwait, zusammen mit Saudi-Arabien, während der Kriegs-jahre jährlich ca. 15 Mrd. US-Dollar an den Irak zahlte. Hierauf aufbauend stellte der Irak seinen Krieg gegen Iran als eine Komponente des Jahrhunderte andauernden historischen Kampfes zwischen Persern und Arabern dar. Der propagandistische Rückgriff auf den arabischen Erfolg in der historischen Qadisiyya-Schlacht gegen die iranischen Sassaniden ist in diesen Kontext einzuordnen.

Nach dem Ende des Iran-Irak-Krieges und bereits in den ersten Monaten nach dem Waffenstillstand fingen die Araber am Golf an, nervös zu werden. Der Irak wollte als ein siebtes Mitglied des Golf-Kooperationsrates aufgenommen werden. Die irakische Führung unter Saddam Hussein wollte nicht wahrnehmen, daß die Gründung des GCC „eine Reaktion auf den Krieg war, oder noch präziser, eine Reaktion auf die Ambitionen der beiden Nachbarstaaten Irak und die islamische Republik von Iran“ Saudi-Arabien und Kuwait hatten nach 1988 umfangreiche Versuche unternommen, ein institutionelles Kooperations-Netz zwischen dem GCC und den benachbarten Ländern, einschließlich Iran, aufzubauen. Es ging hierbei darum, die Neutralisierung Iraks zu erreichen. Die GCC-Staaten waren zufrieden, als noch im Februar 1989 der Arabische Kooperationsrat zwischen Irak, Ägypten, Jordanien und dem damaligen Nord-Jemen gegründet wurde. Denn dadurch wurde endgültig, daß der Irak außerhalb des GCC bleibt. Nur wenige Wochen nach der Gründung des ACC flog der saudische König Fahd nach Bagdad, um einen „Nichtangriffspakt“ zwischen seinem Land und dem Irak abzuschließen. Die Bedeutung jenes Besuches ist darin zu sehen, daß er nicht nur zum Abbau der saudischen Ängste vor dem Irak beitrug, sondern auch das „Draußen-Bleiben" des Iraks außerhalb des GCC sicherstellte. Regionalexperten wie Fred Halliday haben schon vor der irakischen Kuwait-Invasion die vom Irak ausgehende sicherheitspolitisehe Gefahr erkannt Ebenso prägte Prakash bereits vor der Invasion die Formel: „No One Sleeps in the Gulf Tonight/Niemand schläft heute Nacht am Golf.“

Zwar hatte der Irak damals noch zu seinen Gunsten den Krieg mit Iran — wenn auch ohne Friedensvertrag — beendet und ebenfalls den angeführten Nichtangriffspakt mit Saudi-Arabien abgeschlossen. Auch hatte er freundschaftliche Beziehungen mit der Türkei, die nicht nur den Export von Öl durch zwei irakische Pipelines über türkisches Territorium zum Mittelmeer zuließen; der Irak gab der Türkei das Recht, kurdische Rebellen auf irakischem Territorium zu verfolgen. Mit anderen Worten: es bestand keine sicherheitspolitische Gefährdung für den Irak, so daß er nicht aufrüsten mußte. Aber dadurch verringerten sich seine militärischen Ausgaben nicht. Ganz im Gegenteil: Nach 1988 hatte der Irak seine Rüstungsanstrengungen fortgesetzt und eine immense Waffenindustrie aufgebaut „Die Botschaft war nun klar und deutlich: indem der Irak der Rüstungsindustrie den Vorrang gab, war er in der Lage, eine beachtliche Bandbreite militärischer Ausrüstung anzuhäufen und einiges darunter zu transformieren, wie etwa die Hussein-und Abbas-Raketen, die aus dem sowjetischen Scud-System weiterentwickelt worden sind.“

Besonders besorgnis-und angsterregend war unter dieser Aufrüstung das Arsenal an chemischen und biologischen Waffensystemen; sie wurden bereits während der letzten Jahre des Iran-Irak-Krieges und auch nach 1988 in den Kurden-Gebieten im Experten, daß der Irak dabei „der gesamten Welt und insbesondere der Dritten Welt gezeigt hat, wie leicht es für ein Land mit durchschnittlichen technologischen Fähigkeiten ist, solche Waffensysteme zu produzieren. Das Rohmaterial hierfür ist einfach und die gesamte Operation kann als eine Düngemittel-Fabrik getarnt werden.“ Der Irak führt uns mit seinen chemischen Waffen das vor Augen, wofür manche Experten den Begriff „Die Atombombe der armen Länder“ geprägt haben.

Abgesehen von seinen militärischen Potentialen besitzt der Irak die drei wichtigsten Voraussetzungen, die einen Anspruch auf regionale Führung untermauern können: Öl, Wasser (Tigris und Euphrat) und eine für den arabischen Golf vergleichsweise große Bevölkerung (16 Mio.). Lediglich das demographische Potential des Irans ist mit seinen 50 Mio. Menschen weit mächtiger. Die GCC-Staaten haben zwar mehr Öl als der Irak, sind aber dünn besiedelt und bestehen zum größten Teil aus Wüstenregionen. Kuwait kann sich z. B. ohne seine Entsalzungsanlagen noch nicht einmal mit dem benötigten Trinkwasser versorgen Ca. 75 Prozent der Bevölkerung Kuwaits besaßen vor dem 2. August 1990 keine kuwaitische Staatsangehörigkeit.

Die arabischen Golf-Staaten wollten sich mit dem GCC auch gegen den Irak schützen. Vor dem 2. sie generell keine fremde Hilfe, August wollten geschweige denn amerikanische in Hilfe Anspruch nehmen; sie haben diese — wenn sie ihnen -angebo ten wurde — stets Der im Januar in abgelehnt. 1981 Kuwait gegründete Golf-Kooperationsrat erklärte am 26. Februar 1981 offiziell: „Die Sicherheit und Stabilität der Region ist eine Angelegenheit der Völker und Staaten der Region selbst . . . Deswegen treten wir für die Freihaltung der gesamten Region . . . von der Präsenz von Flotten und ausländischen Streitkräften ein.“

Golf-Experten sind mit der Tatsache vertraut, daß die GCC-Staaten die Sicherheitspolitik in den Mittelpunkt ihrer Planung stellten. Offiziell und verbal galt der GCC als ein ökonomischer Kooperationsrat. Aber wie es in der arabischen Politik üblich ist, dient die „arabische Sprache“ nicht als Medium der Artikulation eines Inhalts, sondern eher als eine die Wirklichkeit verhüllende Poesie. So stehen Verlautbarungen nicht im Einklang mit tatsächlichen Sachverhalten. Der GCC war ein primär sicherheitspolitischer Verband. Als ein solcher scheiterte er nicht nur an der strukturellen Schwäche seiner Mitglieder, sondern auch an der beduinischen Mentalität seiner Führer. Alle GCC-Staaten sind Beduinen-Staaten. Kein Beduine vertraut einem anderen Stamm außer seinem eigenen. Der lokale Beduinen-Stolz der jeweiligen Öl-Emire führte nicht nur dazu, daß jeder unter ihnen seinen eigenen internationalen Flughafen, sondern auch seine eigene Sicherheitspolitik haben wollte Der GCC überlebte die irakische Invasion von Kuwait nicht, wenngleich er formell nach wie vor besteht; er ist aber nunmehr bedeutungslos.

Um sich vor der Gefahr des großen arabischen Bruders zu schützen, mußten die Golfstaaten nach dem 2. August die USA um die Entsendung von Truppen bitten. Mit seiner Invasion von Kuwait wollte Saddam Hussein, der sich mit Hammurabi gleichsetzen läßt, den Grundstein für die Verwirklichung einer Mischung von babylonischen und panarabischen Träumereien legen, erreichte jedoch dadurch unbeabsichtigt, daß das wichtigste Hemmnis für die US-amerikanische Strategie am Golf beseitigt wurde. Aus einer umfassenden Studie von Amitav Acharya wir, wissen daß die Weigerung der GCC-Staaten zu einer militärischen Zusammenarbeit mit den USA der US-amerikanischen militärischen Golf-Strategie die logistische Basis versagt hatte

Die Geschichte zeigt uns jedoch in zahlreichen Beispielen, daß Staatsmänner mit ihren Handlungen oft genau das Gegenteil des Beabsichtigten erreichten. Um seinen eigenen persönlichen Ruhm zu sichern, wollte Saddam Hussein einen panarabisch oder babylonisch starken Irak aufbauen, der durch die Annexion Kuwaits ein regionales Bollwerk am Golf werden sollte. Erreicht hat er eine große Penetration der Region durch fremde Mächte und die Erleichterung des Aufbaus einer militärischen Logistik für die USA in der Region. An die Stelle des starken Iraks ist nach dem Ausbruch des Krieges ein durch die massiven Bombardierungen zerstörtes Land getreten.

III. Perspektiven

Dem Ausbruch des Krieges am 17. Januar lag die im November 1990 verabschiedete Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates zugrunde, die zu einer Anwendung „aller möglichen Mittel“ ermächtigt, sollte der Irak nicht freiwillig seine Besatzungstruppen aus Kuwait abziehen. Als „Deadline“ wurde Mitte Januar 1991 festgelegt. Saddam Hussein weigerte sich, seine Truppen abzuziehen Er hat nicht nur die Vermittlungsversuche des französischen Präsidenten und des UN-Generalsekretärs de Cuellar, sondern auch das Ultimatum ignoriert so daß der Weltgemeinschaft nur die Anwendung militärischer Gewalt geblieben ist — die einzige Sprache, die Saddam Hussein zu verstehen scheint.

Das zentrale Problem des Krieges besteht darin, daß die USA einerseits weit über die Anwendung der UN-Resolution 678 hinausgingen, andererseits aber die Weltgemeinschaft kein im Clausewitzschen Sinne klar definiertes Kriegsziel angegeben hat. Die Interessen der internationalen Gemeinschaft (keine Duldung einer Völkerrechtsverletzung durch den Irak) und die der USA (geostrategische und wirtschaftliche Interessen) sind nicht klar auseinander gehalten worden. Der britische Nahostexperte und Publizist Edward Mortimer stellte die Frage, ob Präsident Bush durch seinen Aufruf zu einer neuen, von den USA getragenen Weltordnung die am Gegenstand der Golf-Krise zu entfalten wäre, nicht doch eher zu einer „new world disorder“ beitrage. Einerseits haben die USA nicht ihre europäischen Verbündeten an den zentralen Entscheidungen beteiligt, andererseits haben sie nicht berücksichtigt, wie sehr sie ihre eigenen regionalen Verbündeten destabilisieren. Arthur Schlesinger hat sich darüber beklagt, daß die USA nicht wüßten, was sie am Golf täten

Diese kritischen Bemerkungen dürfen von der Notwendigkeit, den Irak und den Nahen Osten von Saddam Husseins Despotie und Terror zu befreien, nicht ablenken; dennoch dürfen sie in dieser schwierigen Situation nicht unterbleiben, wenngleich Gefahr besteht, daß sie von Berufsdemonstranten mißbraucht werden, die ihre Ablehnung des Krieges erst am 17. Januar entdeckten und sich zuvor am 2. August 1990 nicht im geringsten an Saddam Husseins Piraterie störten.

Der Krieg hat mit massiven Bombardierungen die am fünften Kriegstag bereits 7 000 Einsätze überschritten, begonnen. Saddam hat glücklicherweise bisher nicht vermocht, durch seine Abbasund Hussein-Raketen, die auf Israel abgeschossen wurden, den Golfkrieg in einen erneuten arabisch-israelischen Krieg zu verwandeln. Die Alliierten haben gehofft, durch ihre Überlegenheit in der Luft Saddam Hussein zum Einlenken zu zwingen; bisher haben sie das nicht erreicht. Der orientalische Despot Hussein ließ nicht davon ab. auch nach den massiven Bombardierungen zur „Schlacht aller Schlachten gegen die Ungläubigen“ aufzurufen. Er hat einen rational kaum mehr zu durchschauenden Mangel an Konzessionsbereitschaft an den Tag gelegt. Bis jetzt hat Saddam Hussein keine Anzeichen dafür gezeigt, daß er aus der Luft zu besiegen oder zu demoralisieren ist

Die alliierten Streitkräfte haben mit den Vorbereitungen für einen Landkrieg begonnen. Die Boden-kämpfe werden verheerend und opferreich sein. Der Golf-Krieg hat über die militärische hinaus zentrale kulturelle und sozialpsychologische Dimensionen. Die Welt des Islams wird emotionalisiert und schlägt sich auf die Seite Saddam Husseins. Muslime scheinen Saddams Anspruch zu akzeptieren, er bekämpfe „die westlichen Kreuzzügler“, um sie aus dem Land der islamischen Offenbarung zu vertreiben. Saddam Hussein und seine ideologisch ausgebildete Armee werden wohl bis zum Ende verbittert kämpfen. Am Ende aber wird Saddam Hussein fallen, und es ist zu befürchten, daß er dann in den Augen der islamischen Welt als ein „Märtyrer“ gelten wird, um dann zu einer Legende zu werden Eine solche Legende könnte zu einer Quelle des Terrorismus in den neunziger Jahren werden. Die Suche nach Frieden in dieser Region wird weit schwieriger als das Gewinnen des Krieges

Fussnoten

Fußnoten

  1. Y. Ibrahim (Anm. 1).

  2. Der arabische Text der Jihad-Erklärung ist abgedruckt in: Bulletin al-Muntada (Amman), 5 (1990) 4, S. 21— 22. Saddam Hussein wiederholte diesen Aufruf am 5. September. Vgl.den Bericht: Iraq Chief Renews Jihad Call, in: International Herald Tribune vom 6. September 1990, S. 3.

  3. Zu dieser Rede vgl. Arnold Hottinger. Irakische Drohungen gegen Kuwait und die VAE. in: Neue Zürcher Zeitung vom 20. Juli 1990. S. 3.

  4. Vgl. Viktor Kocher. Schwierige Vermittlung Mubaraks in Bagdad, in: Neue Zürcher Zeitung vom 27. Juli 1990, S. 1.

  5. Zu diesem Rahmen der Patron-Klient-Staaten-Beziehungen im Kontext regionaler Konflikte vgl. Bassam Tibi. Konfliktregion Naher Osten. Regionale Eigendynamik und Großmachtinteressen, München 1989.

  6. Vgl. Michael Dobbs, Iraqi Official Makes His Case with Gorbachev, in: International Herald Tribune vom 6. September 1990, S. 1 f.

  7. Vgl. Bogdan Denitch, The End of the Cold War, Minneapolis 1990.

  8. Saddam Hussein zit. nach John Burns. Hussein Says He Won’t Budge, in: International Herald Tribune vom 10. September 1990. S. 6.

  9. DerText der gemeinsamen Erklärung von Bush und Gorbatschow ist abgedruckt in: Süddeutsche Zeitung vom 10. September 1990. S. 1.

  10. Vgl. Bush wa Gorbatschow did Saddam (Bush und Gorbatschow gegen Saddam), in: al-Akhbar (Kairo) vom 10. September 1990. Vgl. auch den Bericht: al-Scharq alAwsat ba’d Helsinki (Der Nahe Osten nach Helsinki), in: al-Ahram vom 17. September 1990. S. 5.

  11. Mehr hierüber bei Uriel Dann. Iraq under Qussem. A Political History 1958— 1963. New York 1969. bes. S. 352 f.

  12. Zu einer völkerrechtlichen Bewertung des irakischen Anspruchs auf Kuwait vgl. die ältere, jedoch auch für die heutige Situation unverändert gültige Deutung von R. V. Pillai/M. Kumar. The Political and Legal Status of Kuwait, in: International and Comparative Law Quarterly. 11 (1962). S. 108-130.

  13. Hierüber im einzelnen Bassam Tibi. Vom Gottesreich zum Nationalstaat. Islam und panarabischer Nationalismus. Frankfurt/M. 1987.

  14. Zur Geschichte des Iraks seit seiner Konstituierung 1921 vgl. Phebe Marr. The Modem History of Iraq. Boulder/Col. 1985. Über den Irak unter der Baath-Partei Saddam Husseins vgl. Marion und Peter Sluglett, Iraq Since 1959. From Revolution to Dictatorship. London 1987. hier: Kap. 4. 5 und 6. bes. S. 205 ff. Vgl. auch Majid Khadduri. Socialist Iraq. A Study in Iraqi Politics since 1968. Washington 1978.

  15. Mehr hierüber in dem Kapitel: Iraq-Kuwait. in: Alan Day (Hrsg.). Border and Territorial Disputes. London 19872. S. 244-247.

  16. Vgl.den Abschnitt: Overcoming Landlock, in: Christine M. Helms. Iraq. Eastern Flank of the Arab World. Washington D. C. 1987. S. 46— 49. Allerdings ist die Angabe des irakischen Zugangs zum Golf mit 15 km falsch. Es handelt sich um einen um die Fao-Halbinsel zentrierten Küstenstreifen von ca. 50 Meilen, der aber für den Aufbau eines Tiefwasserhafens nicht geeignet ist.

  17. Vgl. Bassam Tibi. Die irakische Kuwait-Invasion und die Golf-Krise. Lokale und regionale Bestimmungsfaktoren eines internationalisierten Konflikts nach dem Ende des Kalten Krieges, in: Beiträge zur Konfliktforschung. 20 (1990) 4. S. 5-34.

  18. Der arabische Text ist in al-Muntada (Anm. 3). S. 19 f. enthalten.

  19. Hierüber Samir al-Khalil. The Republic of Fear. The Politics of Modem Iraq. Berkeley 1989. bes. S. 147 ff. und dazu Bassam Tibi. Saddam Hussein und seine Republik der Angst, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. August 1990. S. 4.

  20. Über Sati al-Husri vgl. B. Tibi (Anm. 14). Kap. 3 und 4. Zum Einfluß von al-Husri auf die Baath vgl. S. al-Khalil (Anm. 20). S. 152-160.

  21. Vgl. die Berichte in Anm. 3.

  22. Mehr hierüber in dem Bericht aus Kairo von Bassam Tibi. Dürfen sich Muslime von . Ungläubigen'verteidigen lassen?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10. Oktober 1990. S. 8.

  23. Vgl. Shahram Chubin/Charles Tripp, Iran and Iraq at War, Boulder/Col. 1988, darin bes. das Kapitel: Iraq and the Region, S. 139 ff.

  24. Vgl. Gerd Nonneman, Iraq, the Gulf States and the War, London 1986, bes. S. 95 ff.

  25. Vgl. Bassam Tibi, The Iranian Revolution and the Arabs, in: Arab Studies Quarterly, 8 (1986) 1, S. 29— 44.

  26. Vgl.den Abschnitt über die irakischen C-Waffen in Victor Utgoff, The Challenge of Chemical Weapons, London 1990. S. 80-86.

  27. Der arabische Text des Briefes von Saddam Hussein an den iranischen Präsidenten Rafsanjani ist abgedruckt in: alMuntada (Anm. 3), S. 27 f.

  28. Vgl. Joseph B. Treaster, Saddam Hussein is Evoking Powerful Pan-Arab Feelings, in: International Herald Tribune vom 18. /19. August 1990. S. 5.

  29. Der arabische Text von Saddam Husseins Initiative vom 12. August ist enthalten in: al-Muntada (Anm. 3), S. 25 f.

  30. Arnold Hottinger, Ein Geschenk Israels für Saddam Hussein, in: Neue Zürcher Zeitung vom 12. Oktober 1990, S. 3.

  31. Vgl. Bassam Tibi. Die zweite Front im Golf-Konflikt. Wie die Golf-Krise mit dem Palästinenserproblem zusammenhängt, in: St. Galler Tagblatt vom 30. Oktober 1990, S. 2.

  32. Über den politischen Islam als eine anti-westliche Strömung vgl. Bassam Tibi, Islamischer Fundamentalismus gegen den Westen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 22/90, S. 40-46.

  33. Mehr hierüber bei Bassam Tibi, Kriegsdrohung und Friktion. Ein Szenarium zur Golf-Krise nach Clausewitz, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Dezember 1990, S. 10.

  34. Vgl. das Szenarium von Bruno Etienne, From the Gulf Crisis a New Power Balance Will Emerge, in: International Herald Tribune vom 3. September 1990. S. 2.

  35. Über die irakische Formel einer arabischen Lösung der Golf-Krise vgl. Bassam Tibi, Ein dauernder Streit unter . Brüdern 1. Gibt es eine . arabische Lösung'für die Golf-Krise?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. November 1990. S. 14.

  36. Zum Bezugsrahmen des regionalen Subsystems vgl. die in Anm. 6 zitierte Arbeit; über den Golf als einer Konflikt-region (Subregion des Nahen Ostens) vgl. auch Bassam Tibi, Die Golf-Region im globalen Kräftefeld, in: Fred Scholz (Hrsg.). Die Golfstaaten, Braunschweig 1985, S. 17- 35.

  37. Vgl. William Quandt. Camp David Peace Making and Politics, Washington D. C. 1986 und ders.. The Middle East. Ten Years after Camp David, Washington D. C. 1988.

  38. Der ACC wurde am 16. Februar 1989 in Bagdad gegründet; vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 18. Februar 1989.

  39. Vgl.den Abschnitt: Ägypten: Rückkehr als Führungsmacht. in: B. Tibi (Anm. 18), S. 17— 21.

  40. Liesl Graz, The Turbulent Gulf, London 1990, S. 257.

  41. Vgl. B. Tibi (Anm. 26).

  42. L. Graz (Anm. 41), S. 33.

  43. Vgl. Erik R. Peterson, The Gulf Cooperation Council. Search for Unity in a Dynamic Region. Boulder/Col. 1988. S. 87 ff.

  44. L. Graz (Anm. 41), S. 258.

  45. Ebd., S. 86 f.

  46. Im siebten Jahrhundert in der Qadisiyya-Schlacht vom Jahre 637 eroberten die den Islam kriegerisch verbreitenden Araber den Iran, stürzten das persische Sassanidenreich und islamisierten den Iran. Hierauf bezieht sich Saddam Hussein, dessen Qadisiyya sich jedoch in ein Waterloo verwandelte. Zur ursprünglichen Qadisiyya-Schlacht vgl. W. M. Watt/A. Welch, Der Islam I, Stuttgart 1980, S. 151.

  47. L. Graz (Anm. 41). S. 227.

  48. Vgl. Fred Halliday. Iraq and its Neighbours: The Cycles of Insecurity. in: The World Today. 46 (1990) 6. S. 104 bis 106.

  49. S. Prakash. No One Sleeps in the Gulf Tonight. in: Defense and Foreign Affairs. July 1990. S. 12— 21.

  50. Zu den irakischen Kurden vgl. Edmund Ghareeb. The Kurdish Question in Iraq. Syracuse 1981. bes. S. 45 ff.. 71 ff. zur Baath-Politik gegenüber den Kurden.

  51. Einzelheiten hierüber in dem Kapitel über die politische Ökonomie des Golf-Krieges und die irakische Aufrüstung in: M. Mofid. Economic Consequences of the Gulf War. London-New York 1990.

  52. L. Graz (Anm. 41). S. 41.

  53. Ebd.. S. 42.

  54. Vgl. das informative Kuwait-Kapitel von H. -U. Schwedler. in: Fred Scholz (Hrsg.), Die kleinen Golf-Staaten, Stuttgart 1985. S. 94-121.

  55. Amitav Acharya. U. S. Military Strategy in the Gulf, London 1990. S. HO.

  56. Vgl. hierüber das Kapitel über die „arabische Sprache“, in: Bassam Tibi, Der Islam und das Problem der kulturellen Bewältigung sozialen Wandels, Frankfurt/M. 1985. S. 99 bis 130.

  57. Auch der Irak ist kulturell eine Beduinen-Gesellschaft. Vgl. die deutsche Übersetzung der Arbeit des irakischen Soziologen Ali al-Wardi, Soziologie des Nomadentums. Studie über die irakische Gesellschaft, Neuwied-Darmstadt 1972, bes. S. 196ff.

  58. Vgl. A. Acharya (Anm. 56). und dazu Bassam Tibi. Was Saddam erreicht hat. Wandel der amerikanischen Sicherheitspolitik am Golf, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. Dezember 1990. S. 15.

  59. Vgl. Saddam Hussein Insists Troops are in Kuwait to Stay, in: International Herald Tribune vom 2. Januar 1991.

  60. Vgl. Ian Davidson u. a., Saddam Ignores UN Deadline, in: Financial Times vom 15. Januar 1991, S. 1. und den Bericht: Baker and Perez de Cuellar Offer No New Hope for Peace, in: International Herald Tribune vom 15. Januar 1990. sowie Bassam Tibi. Die Konsequenz ist Krieg, in: St. Galler Tagblatt vom 10. Januar 1991.

  61. Vgl. Edward Mortimer. Reality versus Rhetoric in New World Order, in: Financial Times vom 28. Dezember 1990, S. 8.

  62. Vgl.ders.. Judgement of History: The New World Order has become the New World Disorder, in: Financial Times vom 18. Januar 1991, S. 15.

  63. Vgl. Arthur Schlesinger Jr.. America Doesn’t Know What it’s Doing in the Gulf. in: International Herald Tribune vom 17. Dezember 1990. S. 8.

  64. Vgl. die umfassenden Berichte: Air Strikes Lay Siege to Saddam, und Allied Air Armada Achieves Spectacular Tacticai Surprise. in: Financial Times vom 18. Januar 1991; Allied Aircraft Smash Hundreds of Iraqi Targets in Most Intensive Pounding Since World War II. in: International Herald Tribune vom 18. Januar 1991.

  65. Vgl. David White. The Monster that Refuses to Lie Down, in: International Herald Tribune vom 21. Januar 1991. S. 13.

  66. Vgl. Bassam Tibi. Beginn einer gefährlichen Legende, in: St. Galler Tagblatt vom 15. Januar 1991. S. 2.

  67. Vgl. Ian Davidson. Peace will be More Difficult. in: Financial Times vom 19. /20. Januar 1991. S. 9.

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Bassam Tibi, Dr. phil. habil., geb. 1944 in Damaskus; Studium der Philosophie, der Sozialwissenschaften und der Geschichte; Promotion in Frankfurt; Habilitation in Hamburg; seit 1973 Professor für Internationale Politik an der Universität Göttingen, zugleich 1988— 1990 Research Associate an der Harvard University. Veröffentlichungen u. a.: Der Islam und das Problem der kulturellen Bewältigung sozialen Wandels, Frankfurt 1985. Vom Gottesreich zum Nationalstaat, Frankfurt 1987; Konfliktregion Naher Osten, München 1989; Die Krise des modernen Islams, Frankfurt 1991; zahlreiche Veröffentlichungen zu Fragen der Dritten Welt.