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Südafrikas Außenpolitik: Gibt es einen Weg aus der Isolation? | APuZ 50/1990 | bpb.de

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APuZ 50/1990 Konflikttransformation in Südafrika: Friedlicher Wandel durch Verhandlungen? Südafrika auf dem Weg zur Demokratie? Internationale und innenpolitische Aspekte Zum Verhältnis von Stabilität und Kompromißbereitschaft in Südafrika Südafrikas Außenpolitik: Gibt es einen Weg aus der Isolation?

Südafrikas Außenpolitik: Gibt es einen Weg aus der Isolation?

Dieter Mahncke

/ 26 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die außenpolitische Situation Südafrikas ist untrennbar mit seiner Innenpolitik verbunden. Fast alle Staaten haben ihre Außenpolitik gegenüber Südafrika in beträchtlichem Maße an der südafrikanischen Innenpolitik orientiert. Tatsächlich hat die südafrikanische Politik der Rassendiskriminierung und weißer Vorherrschaft (Apartheid) das Land seit den fünfziger Jahren in eine zunehmende internationale Isolierung geführt, zunächst politisch, sportlich und kulturell, in den achtziger Jahren aber auch immer stärker wirtschaftlich. Die Wirtschaftssanktionen der EG, der USA, des Commonwealth und anderer Staaten belasten die südafrikanische Wirtschaft durch mangelnden Kapitalzufluß und Handelseinschränkungen. Vor allem aber ist es die politische Einschätzung der Lage, die schon vor der Verhängung von Sanktionen und ganz unabhängig von diesen zu einer wirtschaftlichen Zurückhaltung des Auslands gegenüber Südafrika geführt haben. Bestimmend blieb die Innenpolitik, wobei die kosmetischen Veränderungen an der Apartheid in den siebziger und achtziger Jahren keine durchgreifende Wirkung hatten. Erst die glaubwürdige Versicherung durch den neuen Staatspräsidenten F. W.de Klerk Ende 1989 und Anfang 1990, daß Südafrika zu fundamentalen Reformen und zur wirklichen Abschaffung der Apartheid bereit sei, die Freilassung politischer Gefangener, insbesondere von Nelson Mandela, die Wiederzulassung der Widerstandsorganisationen und vor allem die Bereitschaft zu Verhandlungen über eine neue Verfassung für Südafrika mit diesen Organisationen, brachten eine erste weltweit positive Reaktion. Damit wurde der ausschlaggebende Zusammenhang zwischen südafrikanischer Innen-und Außenpolitik deutlich bestätigt.

Außen-und Innenpolitik hängen in allen Ländern der Welt auf vielfältige Weise zusammen. In wenigen allerdings ist dieser Zusammenhang so prägend wie in Südafrika: nicht nur für die Außenpolitik des Landes selbst, sondern für die Außenpolitik aller anderen Staaten ihm gegenüber.

Den außenpolitischen Weg Südafrikas seit den fünfziger Jahren kann man als einen Weg in die Isolation bezeichnen, einen Weg, dem zunächst von südafrikanischer Seite gar nicht entschieden entgegengewirkt wurde, zum Teil, weil die Isolation sich erst stufenweise entwickelte, zum Teil aber auch, weil sie in ihren Auswirkungen unterschätzt wurde Spätestens seit den siebziger Jahren wird dieser Weg jedoch zugleich gekennzeichnet von wechselnden südafrikanischen Versuchen und Strategien, die Isolation abzuschwächen und abzubauen. Alle diese Wege sind untrennbar mit der südafrikanischen Innenpolitik verbunden.

I. Innenpolitik als Faktor der Außenpolitik: Der Weg in die Isolation

Die Politik der internationalen Staatenwelt gegenüber Südafrika ist seit den fünfziger Jahren immer mehr von der Beurteilung südafrikanischer Innenpolitik bestimmt worden — und zwangsläufig wurde die Außenpolitik Südafrikas in wachsendem Maße von der Notwendigkeit determiniert, darauf zu reagieren. So wurde die Apartheidspolitik, die auf Rassendiskriminierung und weißer Vorherrschaft beruhte, zur außenpolitisch prägenden Größe, auch wenn sich daneben die Wirtschaftsbeziehungen lange Zeit nahezu ungestört entwickeln konnten, und zwar sowohl zu außerafrikanischen wie zu afrikanischen Staaten. Erst im Laufe der Jahre wurden die Wirtschaftsbeziehungen — dann allerdings immer stärker — durch die außenpolitisch schwierige Lage Südafrikas beeinträchtigt.

Es sind vornehmlich drei Gründe für die weltweite Ablehnung der südafrikanischen Apartheidspolitik zu nennen (wobei es sich von selbst versteht, daß bei mancher Regierung diese Ablehnung mit einer nicht geringen Portion an Heuchelei einherging, die aber die tatsächliche Politik des betreffenden Landes weder selbst noch in ihren Auswirkungen änderte). Erstens gab es moralische Gründe. Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, bedingt aber auch durch die moralischen Elemente in der Ost-West-Aüseinandersetzung und dann immer stärker durch den Siegeszug der westlichen Vorstel-lungen von Menschenrechten, sahen sich mehr und mehr Staaten gar nicht in der Lage, die südafrikanische Innenpolitik nicht zu kritisieren und abzulehnen. Im Westen hatte das sowohl innen-wie außen-politische Gründe. Gewiß schloß sich ein großer Teil der Staatenwelt einfach an. weil sich ein weltweiter Konsens gebildet hatte und natürlich auch, weil es weitgehend gefahrlos war. Die Sowjetunion und in ihrem Gefolge einige andere Staaten sahen darin jedoch zugleich eine Möglichkeit, den Westen in der internationalen Arena in Bedrängnis zu bringen, denn Südafrika galt als westliches Land, zu dem der Westen enge (und gewichtige) Wirtschaftsbeziehungen unterhielt, und der Westen fühlte sich einer friedlichen Lösung verpflichtet, um nicht nur die Interessen der Schwarzen, sondern auch berechtigte Interessen der Weißen zu schützen.

Dieser Druck nahm zweitens mit dem Freiheitskampf der ehemaligen Kolonialgebiete, insbesondere in Afrika, und ihrer anschließenden Unabhängigkeit entscheidend zu. Kein Land glaubte, es sich leisten zu können, vor aller Welt von diesen neuen Staaten wegen seiner Südafrikapolitik verurteilt werden zu können. Rücksicht auf die Dritte Welt spielte eine zunehmende Rolle, was sich besonders deutlich bei den Vereinten Nationen zeigte, wo die neuen Staaten zuerst eine Mehrheit erringen und diese dann stetig ausweiten konnten.

Damit wiederum verband sich der dritte Grund für die Südafrikapolitik vieler Staaten. Sowohl das Werben um die neuen Staaten als auch Südafrika selbst wurden zu Elementen der Ost-West-Ausein- andersetzung. Einerseits kam es darauf an, die politisch-diplomatische Unterstützung der Dritten Welt zu gewinnen, andererseits darauf, in Südafrika selbst Einfluß zu erhalten oder zu erringen. In letzterer Hinsicht war der Westen zugleich im Vor-und Nachteil: im Vorteil deswegen, weil er tatsächlich in Südafrika präsent war und Einfluß hatte, im Nachteil, weil dieser Einfluß aus der Sicht der Länder der Dritten Welt allein zur Überwindung der südafrikanischen Verhältnisse genutzt werden sollte bzw. die westlichen Staaten dies ihrer Ansicht nach nicht entschieden genug taten, und schließlich, weil es ja auch ein Ziel der westlichen Politik sein mußte, in den Reihen der Widerstandsorganisationen — aus denen nach allgemeiner Auffassung möglicher-oder sogar wahrscheinlicherweise die zukünftigen Machthaber Südafrikas hervorgehen würden — Einfluß zu gewinnen und auszuüben.

Selbstverständlich spielte bei alledem auch die Einschätzung der Bedeutung Südafrikas eine Rolle. Als einziger Industriestaat von Gewicht auf dem afrikanischen Kontinent, aufgrund seiner geostrategischen Lage an der Südspitze Afrikas und aufgrund seines Ressourcenreichtums war es erstrebenswert, dort Einfluß zu haben, zu behalten oder langfristig zu gewinnen — und. in der Hoch-Zeit des Kalten Krieges, aus westlicher Sicht auf jeden Fall zu verhindern, daß die andere Seite entscheidenden Einfluß in dem Gebiet gewinnt. Gerade die westliche Politik wurde hierdurch vor nicht geringe Dilemmata gestellt. Allerdings unterlag westlichem Denken häufig auch eine Überschätzung sowohl der geostrategischen Lage Südafrikas wie seiner Möglichkeiten, die westliche Abhängigkeit von Rohstoffen zu seinen Gunsten zu nutzen

Die südafrikanische Regierung veränderte jedoch ihre nach 1948 eingeleitete Politik des konsequenten Ausbaus der Rassentrennung zunächst nicht. Vielmehr wurde Kritik häufig mit der Bemerkung zurückgewiesen, daß man im Ausland die besonderen Verhältnisse in Südafrika weder kenne noch verstehe. Allerdings gab es mit dem Konzept der Heimatländer (Homelands) für die Schwarzen schon in den fünfziger Jahren einen neuen Ansatz, der mehr als zwei Jahrzehnte lang fortentwickelt wurde und als Grundlage für die Darstellung südafrikanischer Rassenpolitik nach außen diente. Nach diesem Konzept sollten auf der Basis der bereits 1913 und 1936 für Schwarze reservierten Gebiete (die etwa 13 Prozent des Gesamtgebietes von Südafrika ausmachten) für die wichtigsten schwarzen Stämme oder Völker zehn eigenständige, autonome und schließlich in die Unabhängigkeit zu entlassende Staaten entstehen. Das besondere daran war, daß alle Schwarzen, auch jene, die in den „weißen Gebieten“ ansässig waren, Bürger einer dieser „Staaten“ werden und nur in ihnen politische Rechte genießen sollten. Mit anderen Worten: sie sollten aus Südafrika ausgegliedert werden. Südafrika wäre dann von einer weißen Mehrheit beherrscht, innerhalb welcher die Afrikaaner (Buren) wiederum eine gesicherte Mehrheit bilden würden. Unter den vielen Gründen, warum dieses Konzept von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, war wohl ausschlaggebend, daß die als Flickenteppiche konzipierten Gebiete nie lebensfähig waren und die große Mehrheit der Schwarzen das Konzept kategorisch ablehnte. Entsprechend war die Wirkung im Ausland, in dem das Modell zu keinem Zeitpunkt überzeugen konnte. Es wurde vielmehr als ein Versuch interpretiert, die Rechtlosigkeit der schwarzen Mehrheit zu institutionalisieren und die weiße Minderheitsherrschaft zu festigen. Da halfen weder der Hinweis, daß die Anerkennung der „Unabhängigkeit der schwarzen Völker“ ja auch eine Akzeptierung der Gleichberechtigung mit sich bringen würde (was tatsächlich nicht der Fall war: das weiße Südafrika würde weiter diskriminieren), noch die verschiedenen Versuche, das Modell zu verbessern: durch eine begrenzte Arrondierung der Homelands oder durch die Einführung gewisser kommunaler Selbstverwaltungsrechte für die städtischen Schwarzen.

Dennoch verbrachte die südafrikanische Regierung viele Jahre mit dem Versuch, die Welt von dieser Politik zu überzeugen. Propaganda und Sympathie-werbung wurden zu einem der Hauptpfeiler südafrikanischer Außenpolitik, wofür erhebliche Mittel bereitgestellt wurden Dabei sollte anfangs ganz einfach das vermeintlich falsche Bild von Südafrika „zurechtgerückt“ werden; im Laufe der siebziger und achtziger Jahre wurde dann jedoch zunehmend um Verständnis für die besonderen Probleme des Landes geworben. Zugute kam der südafrikanischen Regierung dabei, daß die Probleme des Lan-des tatsächlich sehr kompliziert und ohne einfache Lösungen sind.

Aber auch wenn man das Ausland von der Schwierigkeit der Probleme zu überzeugen vermocht hätte — was tatsächlich nur in sehr bescheidenem Umfang gelang —, vermochte man es nicht von der Ehrlichkeit der weißen Bemühungen, mit diesen Problemen fertig zu werden, zu überzeugen. Ins Auge stach eben doch immer wieder der grundsätzlich rassistische Charakter der südafrikanischen Gesellschaft, die Rassendiskriminierung, die alle Bereiche des täglichen Lebens umfaßte und der schwarzen Mehrheit die gerechte Chance zu Emanzipation und Gleichberechtigung vorenthielt.

Deswegen — und, damit zusammenhängend, wegen des Vorwurfs, die Homeland-Politik würde auch bei erfolgreicher Durchführung nicht zur Abschaffung der Rassendiskriminierung führen — wurde, beginnend in den siebziger Jahren, eine ganze Reihe der sichtbaren Merkmale der Apartheid abgebaut. Es wurde nunmehr unterschieden zwischen der „großen Apartheid“ (dem Homeland-Konzept) und der „kleinen Apartheid“, jener Alltagsdiskriminierung, die bis dahin überall in Südafrika anzutreffen war. Die Abschaffung der Rassentrennung auf Flughäfen, den großen Hotels, Restaurants, Bahnhöfen, der bei Post, in Parks, an Stränden seit Ende der siebziger Jahre muß in diesem Rahmen gesehen werden: Das sind die Orte, an denen sich ausländische Besucher, insbesondere Journalisten und Politiker, vor allem aufhalten. Hier mußte die Existenz der Rassendiskriminierung jedem Besucher sofort ins Auge springen.

der In Tat fiel der Abbau der Rassenschranken an diesen Orten denn auch besonders auf, und viele, darunter auch Kenner der südafrikanischen Szene, sprachen voreilig vom „Ende der Apartheid“.

Allerdings war dies nicht lange wirksam. Bald wurde erkannt, daß es sich nur um kosmetische Änderungen handelte, die den Kern der Apartheid kaum berührten. Außerhalb der großen Zentren — und das heißt schon in den Vororten der Großstädte — blieb fast alles beim alten: mit dem Hinweis, daß den Weißen diese Veränderungen nur langsam zugemutet werden könnten.

Somit blieb das größte Hindernis für die südafrikanische Auslandswerbung ganz einfach die Tatsache, daß weitere und grundlegende Reformen auf sich warten keßen. Mit Ausnahme der Anerkennung schwarzer Gewerkschaften und der Zulassung von Schwarzen zur Facharbeiterausbildung im Jahre 1980 gab es wenige publikumswirksame Veränderungen — die Verfassungsreform von 1983/84 wurde, da den Coloureds und Asiaten eben nicht eine wirkliche Gleichberechtigung zugestanden wurde, lediglich als Manipulation betrachtet —, und so wurde die mit großen Erwartungen verbundene Äußerung des 1978 neu gewählten Premierministers Pieter Willem Botha, daß nunmehr große und dramatische Veränderungen in Südafrika vonnöten seien, zunehmend nur noch ironisch zitiert.

Tatsächlich das „Image“ verschlechterte sich Südafrikas in den achtziger Jahren deutlich. Die Mehrheit der Weißen — so stellte es sich dem Ausland dar — war zu gewissen Anpassungen und Konzessionen, nicht aber zu einer grundlegenden Veränderung bereit. Hinzu kamen die ausgedehnten, immer wieder aufflackernden inneren Unruhen, die Brutalität, mit der die Polizei unter Schutz und Zustimmung der Regierung darauf reagierte, und die umfangreiche und drastische Pressezensur, die die Regierung schließlich einführte, um sich vor einer offenen Berichterstattung über die Ereignisse zu schützen bzw. eine solche Berichterstattung überhaupt zu unterbinden.

II. Die Reaktion des Auslands

Die siebziger und achtziger Jahre zeigten somit, daß Werbung um Verständnis für die besondere Situation und Politik Südafrikas, gekoppelt mit einigen insgesamt eher oberflächlichen Änderungen, kaum die außenpolitische Isolation des Landes durchbrechen würden. Ändern sollte sich dies erst mit dem Antritt des neuen Präsidenten Frederik Willem de Klerk als Nachfolger Bothas. Bis zu diesem Zeitpunkt war Südafrika immer weiter in die Isolation geraten. Das zeigte sich nicht nur in einer allgemeinen Ächtung — kaum zwei Dutzend Staaten unterhielten volle diplomatische Beziehungen zu Südafrika —, sondern auch in einer Reihe konkreter Sanktionsmaßnahmen.

Zu den ersten Sanktionen gehörten das 1973 von den OPEC-Staaten beschlossene Ölembargo und das 1977 von den Vereinten Nationen verhängte Waffenembargo. Südafrika reagierte in beiden Fällen gleich: einmal durch den Auf-und Ausbau einer eigenen Versorgungsfähigkeit in diesen Bereichen, zum anderen durch die Suche nach anderen Lieferquellen und die Anknüpfung neuer Handelskontakte. In beiden Bereichen konnten dabei sichtbare Erfolge erzielt werden. Auf dem Gebiet der Rüstungsindustrie entwickelte sich Südafrika sogar zum zehntgrößten Waffenproduzenten der Welt und zu einem Waffenexporteur. In bezug auf die Energieversorgung blieb Südafrika zwar auf Ölimporte angewiesen, konnte diese Abhängigkeit allerdings durch Sparmaßnahmen und die Herstellung von eigenen Treibstoffen mittels hochentwickelter Kohleverflüssigungsverfahren zumindest reduzieren. Nichtsdestoweniger führte das Ölembargo zu einer Verteuerung der Energie in Südafrika und damit zu einer Belastung der südafrikanischen Wirtschaft.

Diese Feststellung gilt auch für die Wirtschaftssanktionen, die seit Mitte der achtziger Jahre vor allem von den Vereinigten Staaten, der Europäischen Gemeinschaft, dem Commonwealth und Japan beschlossen wurden. Die Sanktionen, zu denen etwa Investitionsverbote und das Verbot von Einfuhren bestimmter südafrikanischer Güter (u. a. Uran, Kohle, Eisen, Stahl, Textilien, Agrarerzeugnisse) zählten, belasteten die südafrikanische Wirtschaft auch dort, wo die Sanktionen umgangen werden konnten. Noch wichtiger war jedoch der Druck, den sie symbolisierten: Südafrika wurde zunehmend und aus verschiedenen Gründen (nicht zuletzt wegen des innenpolitischen Drucks in den Industrieländern) zu einem Gebiet, das wirtschaftlich als risikoreich und immer weniger attraktiv galt, so daß die südafrikanische Wirtschaft auch ohne weitere formale Sanktionen in eine kritische Situation geriet. Nicht gering zu schätzen sind schließlich die psychologischen Auswirkungen der zunehmenden Wirtschaftskrise einerseits, der politischen Ächtung andererseits (z. B. auch durch den in der südafrikanischen Öffentlichkeit wirksamen Ausschluß der meisten südafrikanischen Sportler vom internationalen Sportgeschehen). In diesem Sinne kann somit durchaus von einem Erfolg der ausländischen Maßnahmen gesprochen werden.

III. Ein Weg aus der Isolation?

Die südafrikanische Regierung ist in dem Bemühen, mit der zunehmenden internationalen Isolation des Landes zurechtzukommen, zunächst zweispurig vorgegangen: durch den Versuch, die Isolation durch größere Unabhängigkeit und Autarkie weniger bedrängend zu machen — dieser Weg wurde vor allem wirtschaftlich verfolgt —, und durch Werbung und Auslandspropaganda. Hinzu kam seit den siebziger Jahren jedoch eine Reihe konkreter Versuche, die politisch-diplomatische Isolation mit Hilfe der vorhandenen südafrikanischen Wirtschaftskraft zumindest in einigen Staaten Afrikas zu durchbrechen, um damit international die Tür zur uneingeschränkten Wiederaufnahme in die Völkergemeinschaft aufzustoßen. Mit alledem verbunden war wiederum die wachsende Erkenntnis, daß die außenpolitischen Schwierigkeiten Südafrikas ohne innenpolitische Veränderungen nicht zu überwinden sein würden, was allerdings noch nichts über Ausmaß und Substanz solcher Veränderungen aussagte.

Die internationale Position Südafrikas beruht auf den überlieferten Verbindungen, die aus der Zeit herrühren, als Südafrika noch nicht als Paria der internationalen Gesellschaft galt, auf dem Bedarf vieler Länder an südafrikanischen Rohstoffen, auf Geschäftsinteressen vor allem vieler westlicher Industrieländer und nicht zuletzt auf der Sympathie, die Südafrika aus vielerlei Gründen in manchen Teilen der Bevölkerung in den westlichen Ländern genießt. Unter Hinweis darauf, daß Südafrika ein westlicher Staat und für den Westen sowohl wichtig als auch nützlich sei, hat die südafrikanische Regierung stets versucht, diese Position auszubauen — insgesamt jedoch mit wenig Erfolg. Die fehlenden inneren Reformen führten zu einer zunehmend kritischen Einstellung in der öffentlichen Meinung zahlreicher Länder, und die gegen Südafrika verhängten Sanktionsmaßnahmen konnten somit nicht verhindert werden.

Ein besonderes Kapitel in der südafrikanischen Außenpolitik bildet die Afrikapolitik. Seit etwa Mitte der sechziger Jahre hat die südafrikanische Regierung versucht, gegenüber den afrikanischen Staaten eine, wie es hieß, Entspannung eintreten zu lassen und engere Bindungen zu knüpfen. Die Überlegung war einfach: wenn hier ein Durchbruch erzielt werden könnte, würde es vielen anderen Staaten in der Welt leichter fallen, ihre Distanz zu Südafrika aufzugeben.

Die „Morgengabe“, die Südafrika in diese „policy of detente“ oder „outward-looking policy“ einbrachte, waren erhebliche wirtschaftliche Vorteile, die den mit Südafrika kooperierenden Staaten erwachsen würden. Dabei handelte es sich bei der angebotenen Hilfe nicht nur um Kredite, sondern vor allem auch um technische Entwicklungshilfe, die, aus einem hochentwickelten afrikanischen Land kommend, besonders zielgerichtet und erfolgversprechend einsetzbar schien. Der Schwerpunkt dieser Politik lag in Afrika — allerdings war sie nicht auf Afrika beschränkt, sondern erstreckte sich über die südliche Halbkugel von Neuseeland und Australien bis Südamerika. Sie beruhte — nach dem Massaker von Sharpeville (1960) und bis Soweto (1976) — auf einem nicht geringen Selbstvertrauen, das sich auf der damals herrschenden inneren Stabilität und der wachsenden südafrikanischen Wirtschaftsmacht gründete. Auf dieser Ausgangslage aufbauend, waren der südafrikanischen Politik zunächst immerhin einige zumindest aufsehenerregende Erfolge beschert. Zuerst sprach sich der Präsident der Elfenbeinküste, Houphouet-Boigny, für die Aufnahme eines „Dialogs mit Südafrika“ aus, und die Kontakte zu verschiedenen anderen afrikanischen Staaten wie Liberia und Malawi wurden ausgeweitet. Im südlichen Afrika war die Rede von einem gemeinsamen Markt oder sogar von einem „Commonwealth of Nations“ bzw. einer „Constellation of States“, die auch die Homelands einbeziehen (bzw. diesen zur Anerkennung verhelfen) sollte. Einen beachtlichen Erfolg erzielte die südafrikanische Regierung mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Malawi im September 1967. Drei Jahre später wurden die zunächst als Gesandtschaften eingerichteten Vertretungen anläßlich des Besuchs des südafrikanischen Premierministers Johannes Vorster in Malawi zu Botschaften angehoben. Damit schien ein Durchbruch erzielt worden zu sein, der seinen Höhepunkt mit dem für damalige südafrikanische Verhältnisse spektakulären Besuch des malawischen Staatspräsidenten Hastings Banda in Südafrika im August 1971 erreichte. Über diese, letzten Endes spärlichen Anfangserfolge gelangte die südafrikanische Politik zunächst jedoch nicht hinaus. Die Bemühungen, mit weiteren afrikanischen Staaten diplomatische Beziehungen anzuknüpfen, zeitigten keinen Erfolg. Der Dialog und die wirtschaftliche Zusammenarbeit — so die öffentlich erklärte Auffassung vieler afrikanischer Führer — könnten lediglich als wirtschaftliehe Notwendigkeit und taktische Mittel angesehen werden: Das langfristige Ziel bleibe die grundlegende Veränderung der innenpolitischen Ordnung in Südafrika.

Trotzdem gab es Mitte der siebziger Jahre eine zweite Phase der Entspannungspolitik. Genährt wurde sie aus zwei Quellen: einmal aus Erklärungen Südafrikas, daß man zu innenpolitischen Änderungen bereit sei, zum anderen aus der Notwendigkeit einer Lösung der Rhodesien-Frage. Gerade in letzterer Hinsicht kam es zu zahlreichen Kontakten zwischen Vertretern der Regierungen Südafrikas, Sambias, Botswanas, Tansanias, Mogambiques, Rhodesiens und der rhodesischen Befreiungsbewegungen. Ausschlaggebend für die Lösung des Problems war schließlich die Rücknahme der südafrikanischen Unterstützung für die Regierung Ian Smith.

Weitere Kontakte auf Regierungsebene — vor allem mit der Elfenbeinküste, Senegal und Liberia — führten jedoch zu nichts. Während die schwarzafrikanischen Staaten sich die Vorbereitung von Verhandlungen über Veränderungen in Südafrika unter Einschluß des ANC und des PAC erhofft hatten, zeigte sich schon bald, daß die südafrikanische Regierung außer zu einigen oberflächlichen Änderungen nicht bereit sein würde, im eigenen Lande wirklich etwas umzugestalten oder überhaupt in Verhandlungen darüber einzutreten. Hinzu kam, daß die Beziehungen zwischen Südafrika und den schwarzafrikanischen Staaten durch das Eingreifen Südafrikas in Angola im Jahre 1975/76 und schließlich durch Soweto erheblich belastet wurden.

Dennoch blieben mancherlei Kontakte bestehen: Die wirtschaftliche Abhängigkeit der schwarzafrikanischen Staaten Heß etwas anderes gar nicht zu. Einen deutlichen, auch äußerlich sichtbaren und international viel beachteten Erfolg konnte die südafrikanische Regierung erzielen, als sie zwischen 1982 und 1984 Abkommen mit den Nachbarstaaten Mozambique, Angola und Swaziland abschloß. Mit Angola wurde im Februar 1984 ein Truppenentflechtungsabkommen an der Grenze zu Namibia vereinbart. Mit Swaziland (1982) und Mozambique (März 1984) wurden Verträge geschlossen, in denen die Staaten sich verpflichteten, die Souveränität und Unabhängigkeit des jeweils anderen zu achten und sich nicht in seine inneren Angelegenheiten einzumischen. Mittelpunkt — und Motiv — der Abkommen war allerdings die Verpflichtung beider Seiten, das eigene Territorium nicht durch irgend jemanden nutzen zu lassen, um gegen den jeweils anderen Staat terroristische Aktionen oder irgendwelche sonstigen Aggressionen zu planen oder durchzuführen. Südafrika ging es somit vor allem darum, dem ANC wichtige Ausgangsbasen vorzuenthalten.

Trotz dieser Erfolge kann festgestellt werden, daß Südafrika mit seiner Außenpolitik der sechziger, siebziger und achtziger Jahre kein Durchbruch aus der Isolation gelungen war. Im Gegenteil: in den achtziger Jahren verschlechterte sich die internationale Position des Landes politisch und wirtschaftlich. Südafrika konnte seine Stellung lediglich dort in etwa halten, wo diese auf eigener Stärke bzw. auf den wirtschaftlichen Interessen seiner Partner beruhte. Das weiße Südafrika konnte Sympathien bestenfalls dort bewahren, wo diese traditionell bestanden; neue konnte es nicht hinzugewinnen. Nur vorübergehend war es Südafrika in einem begrenzten Maße gelungen, in einen Dialog mit anderen afrikanischen Staaten einzutreten. In erster Linie gab es einen intensiven wirtschaftlichen Austausch, der geprägt war von der Abhängigkeit der afrikani-schen Partner Südafrikas. Die fortbestehenden grundlegenden Differenzen über die innere Ordnung Südafrikas verhinderten jedoch jede wirkliche Annäherung. Dies änderte sich erst gegen Ende der achtziger Jahre.

IV. Eine neue Politik?

Gegen Ende der achtziger Jahre gaben drei Entwicklungen Anlaß zur Hoffnung, daß sich in Südafrika und in der südafrikanischen Politik eine Wende anbahnt. Dabei handelt es sich um den Rückzug der Sowjetunion aus ihrem extensiven afrikanischen Engagement, der Lösung der Namibia-Frage und dem Amtsantritt Frederik Willem de Klerks als neuem Staatspräsidenten.

Es ist offensichtlich, daß die ersten beiden Faktoren Zusammenhängen. Die Rücknahme sowjetischen Engagements bedeutete sowohl eine Reduzierung ihrer vor allem militärischen Unterstützung der Befreiungsbewegungen SWAPO und ANC als auch einen Abbau des Engagements in Angola. Das führte zu einer gewissen Mäßigung und notwendigerweise größeren Bereitschaft, eine Verständigung mit Südafrika zu suchen. Auf südafrikanischer Seite hingegen wuchs entsprechend die Neigung, sich aus dem wirtschaftlich und auch innenpolitisch zu einer immer stärkeren Belastung gewordenen Krieg an der namibisch-angolanischen Grenze zurückzuziehen und das — aus südafrikanischer Sicht — Risiko einer Unabhängigkeit Namibias selbst unter Führung der SWAPO einzugehen. Die seit Mitte 1988 unter Vermittlung der Vereinigten Staaten verhandelnden Regierungen Kubas, Angolas und Südafrikas erreichten eine Einigung, die den Abzug der kubanischen Soldaten aus Angola und einen international beaufsichtigten Übergang Südwestafrikas in die Unabhängigkeit bis März 1990 vorsah. Dieser Übergang wurde nahezu vorbildlich durchgeführt, wobei sich Südafrika vereinbarungsgemäß an die ihm auferlegten Verpflichtungen zum Rückzug hielt.

Auf den Unabhängigkeitsfeiem wurde Südafrika bereits vom neuen Präsidenten de Klerk repräsentiert. Dieser war im Frühjahr 1989 Vorsitzender der Nationalen Partei und im August, wenige Wochen vor den Parlamentswahlen, nach einer Auseinandersetzung mit seinem Vorgänger Botha, Staatspräsident geworden Während des Wahlkampfes traf sich de Klerk sowohl mehrfach mit Präsident Kaunda, um über Verhandlungen mit dem ANC zu sprechen 5), als auch mit dem zairischen Präsidenten Mobutu, um über die Fortführung des Waffenstillstandes in Angola zu beraten -Trotz der Differenzen anläßlich des Präsidentenwechsels war dies tatsächlich eine Fortführung zumindest der politischen Ansätze Bothas. Dieser hatte in den Jahren zuvor selbst Mozambique, Malawi und Zaire besucht, und seit einigen Jahren hatte die südafrikanische Regierung schon Gespräche mit dem inhaftierten Nelson Mandela geführt.

Anders waren jetzt vor allem der Stil und die neue Bekundung, daß Südafrika zu grundlegenden Reformen bereit sei. Dafür warb de Klerk. Erstmalig standen im Wahlkampf nicht ideologische, sondern Wirtschaftsthemen im Vordergrund, es ging nicht um Abgrenzung gegenüber einem feindlichen Ausland, sondern um die Suche nach Kooperation. Als Ziele seiner Politik postulierte de Klerk politische Rechte für alle, Abbau aller Diskriminierungen, verfassungsmäßige Garantien von Menschenrechten, Rückkehr Südafrikas in die internationale Staatengemeinschaft und Verhandlungen mit allen Bevölkerungsgruppen, aus denen eine neue Verfassung hervorgehen sollte. De Klerk gewann die Wahlen mit knapper Mehrheit. Anläßlich seiner Vereidigung am 20. September hielt er eine reform-betonte Rede, in der er erklärte, daß jeder Südafrikaner am politischen Prozeß teilnehmen sollte, ohne daß indessen eine Gruppe allen anderen ihren Willen aufzwingen dürfe •All dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß damit noch nichts entscheidendes in bezug auf eine zukünftige Verfassung geschehen war. Die Ankündigungen jedoch, verbunden mit den ersten Schritten zur Aufnahme direkter Gespräche mit dem ANC und zum Abbau der Rassendiskriminierung im südafrikanischen Alltag, führten zu einer weltweit positiven Reaktion. Die Maßnahmen de Klerks bestanden zunächst aus der Freilassung wichtiger, dem ANC angehörender politischer Gefangener und einer Erklärung, die südafrikanische Regierung sei zu Verhandlungen mit dem ANC bereit. Am 11. Februar 1990 wurde dann Nelson Mandela freigelassen — und zwar ohne explizite Bedingungen Zugleich wurden die ehemals verbotenen politischen Organisationen — insbesondere ANC, PAC und Azapo — wieder zugelassen. In den darauffolgenden Monaten kamen sukzessive Februar 1990 wurde dann Nelson Mandela freigelassen — und zwar ohne explizite Bedingungen 8). Zugleich wurden die ehemals verbotenen politischen Organisationen — insbesondere ANC, PAC und Azapo — wieder zugelassen. In den darauffolgenden Monaten kamen sukzessive neue Maßnahmen hinzu. Friedliche Protestveranstaltungen wurden informell erlaubt, am 7. Juni dann der Ausnahmezustand in allen Provinzen außer Natal aufgehoben. Am 19. Juni wurde vom Parlament mit großer Mehrheit ein Stützpfeiler der Apartheid — der Separate Amenities Act — aufgehoben. Beginnend mit dem 15. Oktober 1990 wurde Städten und Gemeinden nicht mehr das Recht eingeräumt, öffentliche Einrichtungen nach Rassen zu trennen. Die Rassentrennung in Krankenhäusern und Schulen wurde ebenfalls aufgehoben 9).

All dies waren konkrete Maßnahmen, mit denen die Regierung ihre Ernsthaftigkeit, alle Apartheidsgesetze innerhalb von ein bis zwei Jahren abschaffen zu wollen, zu untermauern suchte 10). In seiner Rede vor dem Parlament am 20. April kündigte de Klerk außerdem an, daß über eine Bodenreform gesprochen werden und ein weiterer Pfeiler der Apartheid, das Gesetz über getrennte Wohngebiete, bis Mitte 1991 aufgehoben werden könnte. Zwar lehnte er eine Mehrheitsherrschaft ohne Absicherung von Minderheitsrechten ab, bezeichnete ein allgemeines Wahlrecht auf einer gemeinsamen Wählerliste innerhalb eines „qualifizierten Systems politischer Vertretung mit Minderheitenschutz“ jedoch als „erreichbar“ 11).

Am 2. Mai 1990 begannen erste direkte Gespräche zwischen Regierung und ANC, um „Hindernisse“ auf dem Wege zu Verhandlungen auszuräumen. Als Ergebnis wurde das sogenannte Groote-Schuur-Protokoll vereinbart, in dem sich beide Seiten verpflichteten, Gewalt und Einschüchterung in Südafrika zu überwinden und zu friedlichen Lösungen beizutragen. Die Regierung verpflichtete sich, zu prüfen, wie die Freilassung politischer Gefangener und die Rückkehr der im politischen Exil lebenden Südafrikaner zu beschleunigen und zu erleichtern sei; gleichzeitig sollte sie die bestehende Sicherheitsgesetzgebung (vor allem im Hinblick auf politische Straftaten) überdenken Ziel der Gespräche war es somit vor allem, die politische Vorbereitung des ANC auf mögliche Verhandlungen zu erleichtern. Dem diente — zur Konkretisierung des Groote-Schuur-Protokolls — ein gemeinsamer Ausschuß von Regierung und ANC, der schon am 21. Mai einen Bericht vorlegen konnte. Am 7. August wurde bekanntgegeben, daß rund 20 000 Anhängern des ANC die sofortige Rückkehr aus dem Exil ermöglicht würde; im Gegenzug dazu gab der ANC seinen Verzicht auf bewaffnete Gewalt als Mittel zur Veränderung in Südafrika bekannt.

All dies führte zu einer überraschend schnellen und ausgesprochen positiven Aufnahme im Ausland und bestätigte damit eindrucksvoll den engen Zusammenhang zwischen der südafrikanischen Innenpolitik und der außenpolitischen Isolation des Landes. Bereits anläßlich der Feiern zur Unabhängigkeit Namibias im März 1990 traf de Klerk mit etwa 20 Staats-und Regierungschefs oder Außenministern von Ländern zusammen, die vielfach bis dahin jeden öffentlichen Kontakt zu Südafrika gemieden hatten. Unter ihnen befanden sich der derzeitige Vorsitzende der Organisation afrikanischer Einheit (OAU), der ägyptische Staatspräsident Mubarak und der derzeitige Vorsitzende der Bewegung der blockfreien Staaten, der Präsident Jugoslawiens. Ferner traf er mit dem sowjetischen Außenminister Schewardnadse und dem amerikanischen Außenminister James Baker zusammen. Im April traf eine 15köpfige Delegation der Europäischen Gemeinschaft unter Leitung des irischen Außenministers Collins in Südafrika ein, und Mitte Mai brach de Klerk selbst an der Spitze einer großen Delegation zu einer Reise durch neun europäische Staaten auf. Außer in Frankreich, wo der Besuch als privat bezeichnet wurde, galten die Besuche in der Bundesrepublik Deutschland, in Belgien, Griechenland, Großbritannien, Italien, Portugal, Spanien und der Schweiz als offizielle Arbeitsbesuche. Zu Recht wurde diese Reise als die bedeutendste Auslands-reise eines südafrikanischen Staats-oder Regierungschefs seit 1948 bezeichnet.

De Klerk ging es bei seinen Besuchen vor allem um drei Themen: Ihm lag daran, seine Gesprächspartner davon zu überzeugen, daß er es mit dem Umbruch in Südafrika ernst meine und die Notwendigkeit rascher Fortschritte erkenne. Im Vergleich zu seinen Vorgängern (etwa Botha auf seiner Europareise 1984) brauchte er nun nicht mehr unwilligen Zuhörern eine von diesen abgelehnte Rassenpolitik zu erläutern, sondern konnte auf Verständnis und Ermutigung für seinen Kurs hoffen. Zweitens bat er um finanzielle Unterstützung für schwarze Südafrikaner, insbesondere für Wohnungsbau und Berufsausbildung, aber auch für die Rückkehr von ANC-Anhängem aus dem Exil. Drittens äußerte er den Wunsch, die politische und wirtschaftliche Isolation Südafrikas zu beenden. De Klerk warb offen für die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen. Südafrika könne die schwierigen Probleme, vor denen es stehe, nicht zuletzt im Hinblick auf das zu erwartende Bevölkerungswachstum, nur in einer gedeihenden Wirtschaft bewältigen. Immerhin wurde damit die Wirksamkeit von Sanktionen anerkannt, und de Klerk konnte mit seinem Plädoyer auch insofern einen gewissen Erfolg verbuchen, als mehrere europäische Regierungschefs ihm eine Über-prüfung der Sanktionen zusagten

In letzterer Hinsicht widersprach ihm Mandela, der wenige Wochen nach de Klerk eine Reise durch insgesamt 13 Länder Afrikas, Europas und Nordamerikas antrat, eine Reise, die zu einem Triumphzug wurde. Zwar bat Mandela auch um Hilfe für den wirtschaftlichen Aufschwung der Schwarzen, plädierte aber entschieden für die Aufrechterhaltung der bisherigen Sanktionen. Es sei zwar ein neues Klima des Vertrauens eingetreten (wie de Klerk Mandela auf seiner Reise stets positiv hervorgehoben hatte, äußerte sich auch Mandela positiv über de Klerk), aber noch fehle es an genügenden grundlegenden Veränderungen. Auf einen Punkt gebracht: den Schwarzen fehle nach wie vor das Recht auf freie und gleiche Wahlen. In der Tat konnte Mandela durch die geschickte zeitliche Abfolge — kurz nach der Europareise des südafrikanisehen Präsidenten und vor dem Gipfel der Europäischen Gemeinschaft in Dublin — einige der westlichen Regierungschefs, die de Klerk eine Überprüfung der EG-Sanktionen zugesagt hatten, in seinem Sinne beeinflussen. Allein Großbritannien hob eine Reihe der verfügten Sanktionen auf. Geschwächt wurde die Position Mandelas allerdings durch widersprüchliche Äußerungen über seine Vorstellungen zur Wirtschaftspolitik, in denen er einerseits am ANC-Programm mit seinen vorgesehenen Verstaatlichungen festhielt, andererseits aber auch sagte, daß es ihm um eine neue und faire Verteilung des Wohlstands gehe, die nicht notwendigerweise Verstaatlichungen voraussetze

Tatsächlich wurden als Ergebnis der Reisen de Klerks, Mandelas und der EG-Kommission die Sanktionen nicht aufgehoben, weder in Westeuropa, noch in den Vereinigten Staaten, Kanada oder Japan. Auf seiner Sitzung in Dublin im Juni 1990 beschloß der Europäische Rat im Rahmen seines Programms zur Unterstützung der Opfer der Apartheid die bereitgestellten Mittel zu erhöhen, „hierzu zählen auch die Erfordernisse, die mit der Rückkehr und der Wiederansiedlung der im Exil lebenden Südafrikaner verbunden sind“. Damit konnte de Klerk einen Erfolg verbuchen. Hingegen bestätigte der Rat, „daß die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten weiter Druck auf die südafrikanische Regierung ausüben werden, um die tiefgreifenden und irreversiblen Veränderungen zu fördern, für die sie wiederholt eingetreten sind. Der Europäische Rat bekräftigt seinen Willen, eine schrittweise Lockerung dieses Drucks in Erwägung zu ziehen, wenn weitere eindeutige Beweise dafür vorliegen, daß der bereits eingeleitete Prozeß der Veränderung in der in Straßburg geforderten Richtung weiterverfolgt wird.“

Betrachtet man all dies jedoch im Zusammenhang, wird man zu Recht vermuten können, daß auch eine förmliche Aufhebung der Sanktionen die Lage der südafrikanischen Wirtschaft nicht wirklich und jedenfalls nicht rasch verändern würde. Ausschlaggebend ist, daß aus wirtschaftlicher Sicht nach wie vor eine doppelte Unsicherheit vorherrscht: einerseits ist die weitere Entwicklung trotz der optimistisch stimmenden Anzeichen noch nicht vorauszusehen, andererseits ist ungewiß, ob eine zukünftige, etwa vom ANC geführte, schwarze Regierung ein investitionsfreundliches Wirtschaftsklima schaffen wird.

V. Perspektiven

Mit dem Amtsantritt von Präsident de Klerk — und mit der Freilassung Nelson Mandelas — hat Südafrika den Weg aus der internationalen Isolation angetreten. Aber es hat zugleich, nein zuvor, die Tür zu fundamentalem innenpolitischen Wandel aufgestoßen. Das eine geht nicht ohne das andere. Das große Verdienst de Klerks ist, daß er nicht nur diesen Zusammenhang erkannt hat, sondern offenbar zu der Einsicht gekommen ist, das südafrikanische System der Rassentrennung sei weder moralisch vertretbar noch — und das ist ausschlaggebend — auf die Dauer aufrechtzuerhalten. Aber das sind erste Schritte.

Es ist angemessen, daß die westlichen Staaten dies anerkannt und gewürdigt haben, um Präsident de Klerk zu ermutigen. Es ist aber auch verständlich, daß sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht — etwa durch Aufhebung der Sanktionen — weitergehen wollten. In der Tat ist es bemerkenswert, daß, im Gegensatz zu manch früherer Gelegenheit, die westlichen Länder einerseits entschieden positiv, andererseits aber eben nicht euphorisch reagiert haben. Denn die folgenden Schritte werden die schwierigeren sein. Darauf in ruhiger Form hingewiesen zu haben, ist das Verdienst Mandelas. De Klerk wie Mandela scheinen entschlossen zu sein, die Aufgabe anzupacken, aber sie ist in sich schwierig — wie wird „majority rule" ohne „majority domination“ gewährleistet, wie viele Schutzrechte wird man den Weißen einräumen und den Schwarzen zumuten können? —, und beide werden von Gegnern in den eigenen Reihen bedrängt. Sie haben wenig Zeit. Wirtschaftlicher Aufschwung würde den Prozeß gewiß erleichtern, und insofern ist das Plädoyer de Klerks für die Aufhebung der Sanktionen richtig. Zugleich ist die Auffassung Mandelas verständlich, daß dazu der Prozeß weiter vorangeschritten sein müsse. Dieses Druckmittel möchte er zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht aufgeben.

Die weitere Entwicklung wird von drei Faktoren bestimmt werden: von der Kompromißbereitschaft der Weißen — dazu hat die Regierung inzwischen den Ausnahmezustand auch in Natal aufgehoben und einen ersten Verfassungsentwurf vorgelegt —, von der Fähigkeit des von Xhosa dominierten ANC und der von Zulu bestimmten Inkatha, ihren blutigen Machtkampf zu beenden und Wege zur gemeinsamen Arbeit zu finden, und schließlich von der Kompromißbereitschaft der Schwarzen bei der Berücksichtigung weißer Ängste und Interessen.

Die außenpolitische Sonderstellung Südafrikas ist noch nicht überwunden. Aber die Tatsache, daß das Land und seine schwarzen und weißen Führungspersönlichkeiten nicht mehr isoliert, sondern in die internationale Diskussion integriert sind, kann den Prozeß nur voranbringen Die internationale Gemeinschaft kann sowohl dazu beitragen, die Entwicklung zu fördern, als auch dazu, einen erneuten Rückschritt, ein Abgleiten in alte Dogmen und Verhaltensweisen zu verhindern. Das wird allerdings viel Aufmerksamkeit erfordern.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe hierzu Dieter Mahncke, Konflikt in Südafrika. Die politische Problematik Südafrikas in ihren innen-und außen-politischen Dimensionen, Paderborn 1989, insbes. Kap. 4, S. 159 ff.

  2. Vgl. ebd., S. 159-167.

  3. Die Bedeutung der Auslandswerbung für Südafrika zeigen die beiden Publikationen von Louis Gerber, Friends and Influence. The Diplomacy of Private Enterprise, Cape Town-Johannesburg-London-New York 1973; G. H. G. Lucas/G. T.de T. Cronje, The Marketing of the International Image of South Africa, Pretoria 1978. Zum sog. Informationsskandal von 1978/79, bei dem es um die Bestechung von Journalisten, Veruntreuung von Geldern im Informationsministerium u. ä. ging, vgl. Mervyn Rees/Chris Day, Muldergate. The Story of the Info-Scandal, Johannesburg 1980. Der Skandal führte zum Rücktritt des damaligen Informationsministers Connie Mulder, der zu jener Zeit als Favorit für die Nachfolge von Premierminister B. J. Vorster galt.

  4. Vgl.den Bericht, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 14. 8. 1989.

  5. Vgl. ebd. Bereits einen Monat zuvor war de Klerk mit dem Staatschef Mozambiques. Joaquim Chissano. und am 30. August mit dem Vorsitzenden des Militärrates von Lesotho, Lekhanja, zusammengetroffen.

  6. Vgl. General-Anzeiger vom 21. 9. 1989. Im Programm der Nationalen Partei vom Juni 1988 wird ein Südafrika ohne Gruppenherrschaft, aber unter Beibehaltung der Gruppen-konzeption vorgesehen.

  7. P. W. Botha hatte Mandela die Freilassung angeboten, wenn dieser der Gewalt abschwöre. Aus der Regierung de Klerk war später nur noch von einem „Bekenntnis zum Frieden“ die Rede, aber auch dies wurde vor der Freilassung nicht mehr explizit gefordert. Vgl. hierzu Gerd Behrens, Mandela rechtfertigt Guerilla-Krieg, in: Süddeutsche Zeitung vom 13. 2. 1990.

  8. Siehe dazu den Bericht in: FAZ vom 21. 4. 1990.

  9. Siehe Text in: General-Anzeiger vom 5. 5. 1990. Auch von der Homeland-Politik rückte die Regierung ab. Die Unabhängigkeit von sechs schwarzen Homelands wurde als „nicht mehr lohnend“ bezeichnet (siehe FAZ vom 17. 5. 1990). Schon zuvor war erklärt worden, daß die bereits in die Unabhängigkeit entlassenen Homelands über eine Wiedereingliederung verhandeln könnten, woran die Transkei, die Ciskei und Venda, nicht aber Bophuthatswana ein Interesse äußerten.

  10. In Bonn betonte Bundeskanzler Kohl, daß es der Wunsch der Bundesregierung sei. eine friedliche Lösung der Probleme Südafrikas nach Kräften zu unterstützen. Er ermutigte de Klerk, auf dem cingeschlagenen Weg zur vollständigen Abschaffung der Apartheid und zur Aufnahme eines umfassenden Dialogs mit allen maßgeblichen politischen Kräften weiterzugehen. De Klerk erklärte in Bonn, daß es eine Verfassung geben werde, nach der alle Südafrikaner auf sämtlichen Ebenen in fairer Weise an der Regierung beteiligt und Minderheiten geschützt sein würden, auch gegen „einen Mißbrauch der Macht durch Mehrheiten“. Er selbst lehne „majority rule" nicht ab, wohl aber „majority domination“. Vgl. Die Welt vom 22. 5. 1990.

  11. Vgl. hierzu den analytischen Artikel von Klaus Natorp, Südafrika sucht seinen Weg, in: FAZ vom 11. 6. 1990, ferner FAZ vom 20. 6. 1990.

  12. Europäischer Rat in Dublin. 25. und 26. Juni 1990. Siehe dazu die „Schlußfolgerungen des Vorsitzes“, insbesondere Anlage 4 „Erklärung zum südlichen Afrika“, in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, 30. 6. 1990. S. 717-732, hier S. 722 und S. 728f.

  13. Als weiteren internationalen Erfolg konnte der südafrikanische Präsident eine offizielle Reise in die Vereinigten Staaten Ende September 1990 — der ersten offiziellen Reise eines südafrikanischen Regierungschefs in die USA seit 1946 — verbuchen, auf der er ausführliche und positiv aufgenommene Gespräche sowohl mit dem amerikanischen Präsidenten wie mit Vertretern des Kongresses führte. Auch in Afrika waren aus der Sicht des südafrikanischen Präsidenten Erfolge zu verzeichnen, als Präsident Houphouet-Boigny Anfang Oktober zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Südafrika aufforderte. Madagaskar äußerte ebenfalls seine Absicht, diplomatische Beziehungen zu Südafrika aufzunehmen, während zahlreiche andere Staaten (Kenia, die Komoren, Mauritius, Togo, Zaire, Mozambique, Angola, Sambia) eine Lockerung von Reisebeschränkungen bzw. Ausweitung des Handels vorsehen wollen. Vgl. hierzu den Bericht in: FAZ vom 9. 10. 1990.

Weitere Inhalte

Dieter Mahncke, M. A., Ph. D., geb. 1941; 1975— 1980 o. Professor für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr Hamburg; 1980. Wechsel in das Bundespräsidialamt; seit 1988 stv. Leiter Planungsstab im Bundesministerium der Verteidigung. Veröffentlichungen u. a.: Nukleare Mitwirkung. Die Bundesrepublik Deutschland in der atlantischen Allianz 1954— 1970, Berlin-New York 1972; Berlin im geteilten Deutschland, München-Wien 1973; (zus. mit T. Jansen) Persönlichkeiten der europäischen Integration, Bonn 1981; Vertrauensbildende Maßnahmen als Instrument der Sicherheitspolitik. Ursprung — Entwicklung — Perspektiven, Melle 1987; Konflikt in Südafrika. Die politische Problematik Südafrikas in ihren innen-und außenpolitischen Dimensionen, Paderborn u. a. 1989; zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften.