Nach einer achtjährigen Wachstumsphase ist die Wirtschaftskraft der USA erschöpft. Unterdessen machen die relativen Positionsverschiebungen im Kräfteverhältnis der Wirtschaftskonkurrenten USA, Europa und Japan eine strukturelle Verminderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft und deren Abhängigkeit von den Kapitalmärkten als Finanzierungsquelle ihres Wachstums deutlich. Angesichts der Höhe ihres Leistungsbilanzdefizits, des Aufholens Japans im Technologiebereich und vor allem der sich in der externen Verschuldung manifestierenden Finanzierungslücke des Haushalts stellt sich für die USA heute die Frage, ob sie notwendige wirtschaftspolitische Anpassungen leisten und einen Wohlstandsverlust vermeiden können. Im Vergleich dazu haben Japan und Europa mit dem Aufbau von Überschüssen im Außenhandel, starken Gläubigerpositionen und ihren Wachstumsleistungen, ihren wirtschaftspolitischen und politischen Handlungsspielraum ausbauen können. Sie sind in der günstigen Lage, sich vor den Auswirkungen einer Rezession in den USA schützen zu können.
Bis vor kurzem noch schien die Wirtschaftsdynamik der USA unerschöpflich zu sein. Hohe Wachstumsraten sowie niedrige Inflations-und Arbeitslosen-quoten ließen die Stagflation der siebziger Jahre vergessen. Weltwirtschaftlich konnten die USA für sich in Anspruch nehmen, maßgeblich zur Ausweitung des Handels beigetragen zu haben. Inzwischen hat sich die amerikanische Konjunktur merklich abgekühlt, und die Gesamtbilanz der Wirtschaftsleistungen der Vorjahre wird kritischer betrachtet. Dem längsten Wirtschaftsaufschwung seit den sechziger Jahren lassen sich nämlich eine ganze Reihe von „Schwächen“ gegenüberstellen:
— das Rekorddefizit der Leistungsbilanz bildet sich nur langsam zurück;
Abbildung 6
Tabelle 6: US-Direktinvestitionen im Ausland (Gesamtstand in Mrd. US-Dollar) Quelle: US Department of Commerce, Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben.
Tabelle 6: US-Direktinvestitionen im Ausland (Gesamtstand in Mrd. US-Dollar) Quelle: US Department of Commerce, Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben.
— der Technologievorsprung gegenüber Japan hat sich verringert; — die USA sind die größte Schuldnernation der Welt und — Japan hat die USA bei der Entwicklungshilfe überholt, und das militärische Engagement der USA im Persischen Golf wird weitgehend von den Verbündeten finanziert.
Für sich allein gesehen wäre keine dieser Veränderungen alarmierend. Addiert man sie jedoch, dann ist die Richtung und Schnelligkeit dieses Wandels ernüchternd. Im Laufe der letzten Jahre hat sich nicht nur das wirtschaftliche Machtgefälle zwischen den USA einerseits und Europa und Japan andererseits eingeebnet. Die USA stehen jetzt zudem unter starkem Anpassungsdruck und fallen damit als Stütze für die Weltwirtschaft aus.
I. Verlagerungen im internationalen Wachstumsgefälle
Abbildung 1
Tabelle 1: Reale Wirtschaftswachstumsraten (Durchschnitt in Prozent) Quelle: IWF, World Economic Outlook. Oktober 1989 und Oktober 1990.
Tabelle 1: Reale Wirtschaftswachstumsraten (Durchschnitt in Prozent) Quelle: IWF, World Economic Outlook. Oktober 1989 und Oktober 1990.
Die Weltwirtschaft wurde in den achtziger Jahren stärker als je zuvor allein von der Wirtschaftsdynamik der Industrieländer getragen. Allerdings konnte sie nicht wieder die Wachstumsleistung erreichen, die die Nachkriegsperiode bis Anfang der siebziger Jahre kennzeichnete. Während die Ölkrisen von 1973/74 und 1978/79 die Verwundbarkeit der westlichen Industrieländer bloßlegten, bremsten in den achtziger Jahren vor allem die Verschuldungskrise der Dritten Welt sowie strukturelle Anpassungsprobleme in den Industrieländern und der dadurch bedingte Handelsprotektionismus die Wachstumschancen.
Aus einem Vergleich der realen Wirtschaftswachstumsraten (Tab. 1) geht hervor, daß die USA ihre Wirtschaftsleistung in den achtziger Jahren steigern konnten und auch viel schneller expandierten als die Europäische Gemeinschaft. Aber Japan mit seinen überdurchschnittlichen Wachstumserfolgen konnten sie nicht einholen. So bilden die USA seit 1989 das Schlußlicht des Trios. Seitdem die europäischen Wirtschaften durch die mobilisierende Kraft des EG-Binnenmarktprogramms Schwung gewonnen und aufgeholt haben, wird erwartet, daß vor allem Europa und der gesamte asiatische Raum die Wachstumszentren der Welt bilden. Bei einem heute bereits dem der USA vergleichbaren Anteil am realen Weltprodukt von rund 24 Prozent könnten die Europäer die USA in Kürze sogar überholen. Mit nicht einmal der Hälfte der Bevölkerung Europas erwirtschaftet Japan 14 Prozent des Welt-Bruttosozialprodukts (BSP).
II. Internationale Handelsbeziehungen
Abbildung 2
Tabelle 2: Leistungsbilanzen Quelle: IWF, World Economic Outlook, Oktober 1990.
Tabelle 2: Leistungsbilanzen Quelle: IWF, World Economic Outlook, Oktober 1990.
Innerhalb des internationalen Handels besteht Ungleichgewichtigkeit. Zwei Drittel des gesamten Welthandels entfallen auf die Industrieländer, und diese Konzentration hat im Verlauf der letzten Jahre noch zugenommen. Was die langfristigen Entwicklungen angeht, hat einerseits die Position der USA im Weltexport zugunsten Europas und Japans abgenommen. So nahm der US-Anteil von 15, 7 Prozent im Jahr 1960 auf 12, 5 Prozent im Jahr 1989 ab Die EG konnten ihren Anteil unterdessen von 32, 9 auf 38, 9 Prozent ausweiten, und Japan hat seinen Anteil von drei auf 9, 4 Prozent erhöht. Andererseits nehmen die USA einen größeren Teil der Welteinfuhren auf. Ihr Anteil erhöhte sich von 11, 6 im Jahr 1960 auf 16, 4 Prozent im Jahr 1989. Eine ähnliche Steigerung, von 32, 9 auf 38, 8 Prozent. läßt sich auch für die EG ausmachen, während Japan mit einem nur geringfügig erweiterten Anteil von 3, 5 Prozent im Jahr 1989 ein viel geschlossenerer Markt geblieben ist.
Der Außenhandel hat für die amerikanische Wirts 5 Prozent im Jahr 1989 ein viel geschlossenerer Markt geblieben ist.
Der Außenhandel hat für die amerikanische Wirtschaft indessen an Bedeutung gewonnen. Dies gilt insbesondere für die Abhängigkeit von den Einfuhren, welche 1960 nur 4, 4 Prozent des BSP, in den Jahren von 1980 bis 1988 jedoch bereits durchschnittlich 10, 4 Prozent ausmachten 2). Unterdessen erhöhte sich die Exportquote von fünf auf 8, 4 Prozent. Im Vergleich dazu ist die Importquote Japans nur geringfügig gestiegen, von 10, 2 auf 11, 2 Prozent, während seine Exportquote von 10, 7 auf 13, 2 Prozent zunahm. Mit einer Export-bzw. Importquote von durchschnittlich 28 bzw. 27, 8 Prozent für die Jahre 1980 bis 1988 ist der Wirtschaftsraum der EG weitaus stärker auf den Handel angewiesen als die USA oder Japan. Dabei ist jedoch festzustellen, daß sich der externe EG-Handel seit der Gründung der Gemeinschaft kontinuierlich verringert hat, während der Handel innerhalb der EG sich von 37 Prozent des Gesamthandels im Jahr 1958 auf 59 Prozent im Jahr 1988 ausgeweitet hat.
Gemessen am jeweiligen Gesamthandel der drei Wirtschaftsräume ist für die USA der Handel mit der EG wichtiger als umgekehrt der Handel mit den USA für die EG. Ungefähr 24 Prozent aller US-Exporte entfielen im Jahr 1989 auf die EG, die damit knapp vor Kanada und weit vor Japan mit zwölf Prozent der US-Exporte liegt 3). Hingegen betrug der Anteil der USA am EG-Export nur acht Prozent, und mit Ausnahme etwa der Bundesrepublik und Großbritanniens haben die EG-Länder den US-Anteil ihrer Gesamtimporte seit den sechziger Jahren verringert. Während er im Jahr 1989 nur acht Prozent der Importe der EG ausmachte, ist Japan mit einem Anteil von fünf Prozent ihrer Importe als Handelspartner der EG wichtiger geworden. Die USA haben ihre Handelsbeziehungen mit Japan seit den siebziger Jahren besonders stark ausgebaut. Die Exporte Japans in die USA haben sich in den vergangenen Jahren verdreifacht und machten im Jahr 1989 20 Prozent der amerikanischen Einfuhren aus. Da Japan aber nur zwölf Prozent der US-Exporte aufnimmt, liegt hier ein beträchtliches bilaterales Handelsungleichgewicht vor. Mit einem Anteil von 34 Prozent der Exporte im Jahr 1989 sind die USA für Japan der wichtigste Absatzmarkt. Mit einem Anteil von 17 Prozent liegt die EG hinter dem asiatischen Raum, auf den 29 Prozent der Exporte Japans entfielen. Auch bei den Importen Japans liegen die USA mit einem Anteil von 23 Prozent vor der EG mit 13, während 31 Prozent der Japan-Importe aus dem asiatischen Raum kommen.
Seit den achtziger Jahren spielt der Handel zwischen den Industrieländern eine besonders bedeutsame Rolle für die Weltwirtschaft. Der Grund liegt weniger in seiner Eigendynamik als in der im Unterschied zu den siebziger Jahren ausgeprägten schwachen Wirtschafts-und Handelsleistung der verschuldeten Regionen Afrika und Lateinamerika. Diese Entwicklung hat sich für die USA als besonders ungünstig erwiesen. Zu besonders großen Absatzverlusten für die amerikanische Exportwirtschaft kam es in Lateinamerika. Diese Region importiert fast doppelt soviel aus den USA wie aus der EG und absorbierte im Jahr 1989 14 Prozent der US-Exporte, aber nur zwei bzw. drei Prozent der Exporte der EG und Japans. Umgekehrt sind die USA mit fast 60 Prozent aller Exporte der wichtigste Markt für diese Region geworden, eine Entwicklung, die sich erst in den achtziger Jahren herausgebildet hat. Noch zu Beginn der siebziger Jahre entfiel von den Exporten der Region auf die EG und die USA ein ungefähr gleichwertiger Anteil. 1. Ungleichgewichte im Außenhandel Waren es die USA noch bis in die siebziger Jahre hinein gewohnt, einen beträchtlichen Exportüberschuß zu erwirtschaften und andere Nationen mit einem scheinbar unversiegbaren Fluß an Investitionskapital zu versorgen, hat sich ihre Position in den achtziger Jahren praktisch umgekehrt. Während die Warenexporte bereits in den siebziger Jahren mit den rapide steigenden Importen nicht mehr mithalten konnten, die Exportüberschüsse mit Europa schmäler wurden und die Handelsbilanz immer stärker zugunsten Japans ausfiel, begann sich diese tendenzielle Verschlechterung mit der 1983 einsetzenden Wirtschaftsexpansion in einem dramatischen Tempo zu beschleunigen.
Seitdem weisen die Leistungsbilanzen der USA, Japans und der EG — darin vor allem der Bundesrepublik — Ungleichgewichte einer unvorhergesehenen Größenordnung aus. In den USA trieb die expansive Wirtschaftspolitik die Importnachfrage in die Höhe und führte zu jährlich steigenden Defiziten in der Leistungsbilanz. Wie aus Tab. 2 hervorgeht, erreichte dieses Defizit im Jahr 1986 einen Gesamtwert von 145, 4 Mrd. US-Dollar bzw. 3, 4 Prozent des BSP. Indessen erwirtschafteten insbesondere Japan und die Bundesrepublik enorme Exportüberschüsse von jeweils 85, 8 Mrd. US-Dollar und 39, 7 Mrd. US-Dollar.
Geringer ausfallende Ungleichgewichte hatten die USA zuvor wiederholt über eine Stärkung ihrer Exportleistung korrigieren können, die auf preissenkenden Abwertungen des Dollarkurses und konjunkturellen Expansionsmaßnahmen der Europäer und Japan basierte. Der seit 1985 laufende Versuch, sich mit Hilfe derselben Strategie sowie zusätzlichem handelspolitischem Druck zur Öffnung ausländischer Märkte wieder wettbewerbsfähig zu machen, hat sich bisher nur beschränkt ausgezahlt. So belief sich im letzten Jahr das Leistungsbilanzdefizit immer noch auf rund 110 Mrd. US-Dollar.
Zu der bisherigen Verbesserung beigetragen hat hauptsächlich die seit 1986 vom Wirtschaftsaufschwung Europas ausgehende Importnachfrage. So konnten die USA im vergangenen Jahr zum ersten mal seit 1983 wieder einen Überschuß im Güterhandel mit diesem Wirtschaftsraum verbuchen. Auch die globale Leistungsbilanz der EG ist fast wieder ausgeglichen. Der Exportüberschuß der Bundesrepublik hat im Vorjahr zwar weiter zugenommen, aber er verteilt sich weitgehend auf die Handelspartner innerhalb der EG, und es wird erwartet, daß er sich aufgrund des durch die Wiedervereinigung ausgelösten höheren Importbedarfs fortan zurückbilden wird.
Auch Japan hat seinen globalen Leistungsbilanzüberschuß durch Maßnahmen zur Ankurbelung der Importnachfrage sowie einer stärkeren Verlagerung der Produktion in das Ausland verringert. Aber der Überschuß im Handel mit den USA hat nur geringfügig abgenommen. Denn im Vergleich zur Größe und Offenheit des europäischen Marktes fallen die Absatzmöglichkeiten für die USA in Japan grundsätzlich beschränkter aus. Darüber hinaus sind europäische Anbieter oft harte Mitstreiter. In den Entwicklungsländern stößt die Exportkampagne der USA unterdessen an die Grenzen der anhaltenden Devisenknappheit und Importschwäche. Aber auch intern sind kaum Voraussetzungen für eine schnelle Entlastung der Außenbilanz gegeben. Zum einen läßt eine hohe Auslastung der Produktionskapazitäten wenig Spielraum für zusätzlichen Export, zum anderen haben einheimische Produzenten sichtbare Schwierigkeiten, sich Anteile eines Inlandmarktes zurückzuerobern, den europäische und japanische Unternehmen inzwischen auch durch US-Filialen bedienen. Sollte der schon einen historischen Tiefstand erreichende Dollarkurs noch weiter nachgeben, würde sich die (dadurch und aufgrund der steigenden Ölpreise) bereits wieder anziehende Inflationsrate und die jetzige rezessive Entwicklung beschleunigen.
Je länger der Anpassungsprozeß aber hinausgezögert wird, desto schwieriger wird er für die USA sowohl unter wirtschaftlichen als auch politischen Gesichtspunkten werden. Die Akkumulierung von langfristigen Leistungsbilanzdefiziten bedeutet, daß das Land sich verschuldet und daß es diese Verschuldung mit seinem nationalen Einkommen finanzieren müssen wird. Politisch wird es immer fraglicher, wie lange die USA den internen Forderungen nach mehr Protektionismus noch standhalten können. 2. Tendenzen des Regionalismus Nachdem die Fortschritte der fünfziger und sechziger Jahre im Hinblick auf die internationale Handelsliberalisierung durch die Zunahme der handelspolitischen Schutzmaßnahmen bereits verschenkt worden sind, mehren sich die Zeichen, daß sich die Strukturen der multilateralen Zusammenarbeit in Richtung regionale Blockbildung verändern.
Auch wenn das Programm zur Vollendung des EG-Binnenmarkts keine Abschottung bewirkt, so werden bereits vorhandene Handelsbarrieren nur fallen, wenn Drittländer gewisse Gegenleistungen erbringen. Diese Verhandlungsfähigkeit sowie die Behauptung der Gemeinschaft, mit dem Programm auch die globale Liberalisierung zu fördern, wird sich erst noch beweisen müssen. Bei den im Rahmen des Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommens (GATT) laufenden Verhandlungen über eine weitere Handelsliberalisierung haben die USA ihre Führungsrolle behalten. Sollten diese Verhandlungen nur bescheidene Ergebnisse erzielen, nicht zuletzt auch weil die EG sich bei der Liberalisierung des Agrarhandels verhandlungsunwillig zeigt, wären die USA möglicherweise unter den ersten, die der multilateralen Zusammenarbeit den Rücken zukehren. Da sie den multilateralen Prozeß sowie das EG-Programm nur begrenzt beeinflussen können, gehen auch sie verstärkt ihre eigenen Wege. Das mit Kanada bereits vereinbarte und mit Mexiko derzeit diskutierte Freihandelsabkommen sowie die Initiative der Bush-Administration zur Vertiefung der Zusammenarbeit mit der gesamten westlichen Hemisphäre (Enterprise for the Americas) weisen auf eine regionale Ausrichtung der Außenwirtschaftspolitik der USA hin. Ob dies für die USA zusätzliches Wirtschaftswachstum schafft oder sie in einen „Schuldenblock“ von Ländern eingebunden werden, die Kapital importieren, chronische Budgetprobleme und geringe Investitionsraten ausweisen, ist eine offene Frage Inzwischen vertiefen auch die im besonderen Maße auf die Märkte Europas und der USA angewiesenen Länder des asiatisch-pazifischen Raums aus rein defensiven Gründen ihre regionalen Beziehungen. 3. Nachlassender Technologievorsprung Wenn die seit den siebziger Jahren verstärkt zur Beschränkung der Einfuhren von Industriegütern aus den Entwicklungsländern eingesetzten protektionistischen Maßnahmen die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der alten „smokestack“ -Industrien bloßlegen, machen die im Dreieck USA-Japan-EG angesiedelten Handelskonflikte deutlich, daß die USA heute auch um ihre Spitzenposition im Hochtechnologiebereich kämpfen müssen.
Seit Kriegsende, als Europa und Japan Technologien aus den USA übernahmen, sind beide Wirtschaftspartner zu den schärfsten Konkurrenten der USA herangewachsen. Allerdings stellen die wirtschaftliche Dynamik Japans und seine Erfolge auf dem Weltmarkt für die USA eine besonders alarmierende Entwicklung dar. Da die EG über die Jahre hinweg ein Nettoimporteur von Hochtechnologieprodukten geblieben ist, konnten die USA noch in den siebziger Jahren einen kräftigen Exportüberschuß in diesem Bereich zum Ausgleich anderer Defizite in ihrer Leistungsbilanz erzielen. Wie aus Tab. 3 zu erkennen ist, schmolzen diese Überschüsse zwischen 1980 und 1986 dahin. Die USA haben ihre Position seitdem nur gegenüber der EG wieder festigen können.
Die den Handel mit den asiatischen Schwellenländern auszeichnende Importschwemme ist zum Teil auf die Strategie amerikanischer Produzenten zurückzuführen, Produktionen und Teilfertigungen insbesondere von Massenelektronikwaren in die dortigen Billiglohnländer zu verlagern. Hingegen ist es Japan mit einer gezielten Politik der Innovationsförderung und Kommerzialisierung gelungen, die USA auf praktisch allen Märkten zurückzudrängen. So sind die USA immer noch Hauptlieferant der EG, mußten hier aber Marktanteile an Japan abgeben. Der diesbezügliche Wettbewerbsverlust der Industrie beschränkt sich auch nicht mehr auf einzelne Sektoren. Seit Beginn der achtziger Jahre konnte Japan seinen Weltexportanteil bei der Mikroelektronik, der Telekommunikation und im Computerwesen ausbauen. Das spektakulärste Beispiel liefert die Halbleiterindustrie. Hier führten die USA vor zehn Jahren mit Abstand, aber Japan hat sich seitdem 51 Prozent des 59 Mrd. Dollar-Markts erobert, während auf die USA und Europa jeweils 35 und zehn Prozent entfallen
Dieser Verlagerungsprozeß ist das Ergebnis nicht nur einer gezielt betriebenen industriepolitischen Förderung der Innovation in Europa und Japan. Unterschiedliche Entwicklungen in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen spielen ebenfalls eine Rolle. Die USA haben ihre Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung (F& E) seit den fünfziger Jahren stetig erhöht und sind hier führend. Davon fließt ein beträchtlicher Teil in den Verteidigungsbereich. Dies hat allerdings nicht verhindert, daß Rüstungslieferanten aus den Maschinenbau-, Elektronik-oder Luftfahrtindustrien Marktanteile verloren haben. Bei den Aufwendungen für zivile F& E liegen die USA schon seit Jahren hinter Japan und vielen europäischen Ländern, und der Abstand hat sich in den achtziger Jahren noch vergrößert. Auch bei gesamtwirtschaftlichen Indikatoren wie der Investitions-und Produktivitätsrate schneiden die USA schlechter ab. Wie ihre Zugewinne bei der Anzahl der Anmeldungen von Patenten andeuten, tun sich insbesondere die japanischen Unternehmen außerdem leichter, die Grundlagenforschung in kommerzielle Produkte umzusetzen.
Nach Meinungsumfragen glaubt die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung, daß Japan den USA in Wissenschaft und Technologie bereits überlegen ist. Die protektionistischen Strömungen bekommen dadurch Auftrieb. Den Europäern fehlt ein vergleichbares Image in der amerikanischen Öffentlichkeit -Im Wettlauf um Spitzenpositionen im Hochtechnologiesektor haben sie in der Tat das Problem, sich sowohl gegenüber der japanischen als auch der amerikanischen Konkurrenz zu behaupten. Mit dem Programm zur Schaffung des Binnenmarkts sind deshalb auch Bemühungen verbunden, die eigenen Technologiegrundlagen zu stärken und zu erweitern. Die EG-Kommission und nationale Regierungen fördern vielfältige gemeinschaftliche Forschungsprojekte, befassen sich mit der Entwicklung einheitlicher technischer Normen (z. B. für das Fernsehen) und schaffen durch Zusammenschlüsse und Übernahmen große europäische High-Tech-Konglomerate. Empfindliche Reaktionen in den USA machen deutlich, daß die amerikanische Industrie von diesen Entwicklungen eine zusätzliche Verschärfung der Wettbewerbsbedingungen erwartet.
Amerikanische Administrationen haben bisher die Notwendigkeit einer gezielten Industriepolitik heruntergespielt. Doch findet das bei Beschwerden gegenüber Europa und Japan geltend gemachte Argument, eine staatliche Unterstützung kommerzieller Interessen habe sich im wesentlichen auf den Außenbereich zu beschränken, immer weniger Anhänger. Die Forderungen nach industriepolitischer Hilfe haben bereits bewirkt, daß mehr öffentliche Gelder in industrielle F& E-Programme fließen und Unternehmen an gemeinschaftlichen Entwicklungsprojekten experimentieren.
III. Das Problem der finanzpolitischen Abhängigkeit
Abbildung 3
Tabelle 3: US-Handelsbilanz bei Hochtechnologie-gütern (in Mrd. US-Dollar) Quelle: US-Department of Commerce, Washington 1990. Die asiatischen Schwellenländer sind: Hongkong, Südkorea, Singapur und Taiwan.
Tabelle 3: US-Handelsbilanz bei Hochtechnologie-gütern (in Mrd. US-Dollar) Quelle: US-Department of Commerce, Washington 1990. Die asiatischen Schwellenländer sind: Hongkong, Südkorea, Singapur und Taiwan.
Der internationale Kapitalverkehr beläuft sich heute auf ein Mehrfaches des internationalen Handelsaustausches und hat damit stark zur Verflechtung der nationalen Wirtschaften beigetragen. Als noch dramatischer hat sich allerdings die Beweglichkeit dieser Kapitalströme erwiesen. In den siebziger Jahren dominierte die Nord-Süd-Achse der Weltwirtschaft, weil die beiden Ölkrisen ein „recycling" von Petrodollars über westliche Banken in die Entwicklungsländer auslösten. Seit den achtziger Jahren konzentrieren sich die Kapitalströme jedoch auf die Industrieländer, und die divergierenden Wirtschaftspolitiken und Konjunkturentwicklungen in den USA einerseits sowie in Europa und Japan andererseits sind richtungsweisend geworden. Die USA haben sich von außen mit Kapital versorgt, sie sind dadurch aber viel abhängiger von den internationalen Finanzmärkten geworden und sehen sich gezwungen, ihre Wirtschaftspolitik den dort vorherrschenden Wettbewerbsverhältnissen anzupassen. 1. Der Abstieg zur Schuldnernation In den achtziger Jahren haben europäische und japanische Investoren einen Großteil der Außenhandelsüberschüsse dieser beiden Wirtschaftsräume in den USA angelegt, und die USA konnten diese Kapitaleinfuhren zum Eigenbedarf nutzen, den sie mit ihren eigenen Mitteln nicht decken können. Zwar konnte die Wirtschaftsexpansion auf diesem Wege trotz wachsender Haushalts-und Handelsbilanzdefizite aufrechterhalten werden. Doch brachte die damit verbundene externe Verschuldung die USA um ihre internationale Gläubigerposition. Heute ist das größte Gläubigerland der Welt Japan, die USA die größte Schuldnernation.
Gemessen an der Größe ihrer Wirtschaft ist diese sich auf rund 700 Mrd. US-Dollar belaufende Auslandsverschuldung nicht hoch, problematisch ist aber die Strukturierung der Kapitalverwendung. Anstatt mehr Sachkapital zu akkumulieren und dadurch die Grundlagen für die zukünftige Wirtschaftsproduktion zu stärken, mit deren Hilfe die Schulden abgetragen werden können, erhöhten die USA vielmehr ihr Konsumverhalten und damit auch die Importnachfrage Wie der Vergleich in Tab. 4 zeigt, stagniert die Kapitalbildung der USA seit den siebziger Jahren und liegt zudem deutlich unter dem Niveau der EG und Japans. Hätte diese geringe Investitionsleistung durch ein entsprechend großes Sparangebot gedeckt werden können, wären die USA nicht auf das Wohlverhalten des internationalen Kapitalmarktes angewiesen. Wie aus Tab. 4 weiter zu ersehen ist, hat sich ein seit den sechziger Jahren anhaltend rückläufiger Spartrend in den achtziger Jahren aufgrund des „deficit spending“ des Staats und der Mehrverschuldung des Privatsektors sogar verschärft fortgesetzt, so daß das Sparniveau damit ebenfalls unter dem der anderen Wirtschaftspartner liegt.
Die Haushaltskonsolidierung wäre der direkteste Weg, um die nationale Sparrate anzuheben. Aber die Regierung hat die Chance verpaßt, die Jahre des Wirtschaftsaufschwungs hierfür zu nutzen. Nach anfänglichen Fortschritten droht der Haushalt mit einem Fehlbetrag von 220 Mrd. US-Dollar für das kommende Fiskaljahr nun erneut außer Kontrolle zu geraten.
Inzwischen hat sich die Konjunktur soweit abgeschwächt, daß die USA eine Konsumzügelung durch Rezession herbeiführen müssen. Sie könnte besonders schmerzlich werden. Zum einen fällt die Fiskalpolitik als Hauptstütze für eine konjunkturelle Stabilisierung aus. Zum anderen sind viele Unternehmen so verschuldet, daß eine Rezession sie besonders hart treffen würde. Dasselbe gilt auch für die amerikanischen Banken, die im internationalen Geschäft von den kapitalkräftigeren japanischen Konkurrenten bereits überholt werden Eine Lockerung ihrer Geldpolitik können sich die USA aber ebensowenig leisten, weil sie unter den heutigen Bedingungen eines schärferen internationalen Kapitalwettbewerbs als Anlageland attraktiv bleiben müssen. Japan und innerhalb der EG vor allem die Bundesrepublik sind die wichtigsten Kreditgeber für die USA. Diese Quellen der Kapitalversorgung drohen nun aufgrund eines stärkeren Eigen-bedarfs zu versiegen, denn der Wiederaufbau in der Ex-DDR, die Modernisierung Osteuropas und die steigenden Ölkosten schaffen zusätzliche Kapital-nachfrage. 2. Konkurrenzbestrebungen im Weltwährungssystem Wenngleich die Ära amerikanischer Dominanz im Weltwährungssystem bereits zu Beginn der siebziger Jahre zu Ende ging, so könnte der wirtschaftspolitische Spielraum der USA aufgrund der abnehmenden Rolle des US-Dollars als internationale Leitwährung eine zusätzliche Begrenzung erfahren.
Mit dem Ende des Bretton-Woods-Systems fester Wechselkursparitäten gaben die USÄ ihre Rolle auf, als Hüter stabiler Währungsbeziehungen zu fungieren. Amerikanische Regierungen nutzten den hierdurch gewonnenen Freiraum, um eine binnenorientierte Wirtschaftspolitik zu betreiben, welche den Dollarkurs vernachlässigte und die internationalen Konsequenzen ignorierte. Aufgrund der nach wie vor dominierenden Rolle des US-Dollars im internationalen Zahlungsverkehr sahen sich die wichtigsten Handelspartner gezwungen, ihre eigenen Wirtschaftspolitiken an die Entwicklungen in den USA anzupassen. Die USA konnten dadurch auch einen Teil der Anpassungskosten, durch in-* teme Wirtschaftsprobleme verursacht, auf ihre wichtigsten Handelspartner abwälzen.
Im Zuge der Liberalisierung der internationalen Kapitalflüsse sowie der verstärkten währungspolitischen Zusammenarbeit unter den EG-Ländern sind hier Veränderungen in Gang gekommen. Die starke Konzentration des internationalen Kapitalverkehrs auf die USA, Europa und Japan fördert ein bereits multipolares Währungssystem, bei dem die D-Mark und der Yen als alternative Leitwährungen zum Dollar auftreten. Darüber hinaus unternehmen die europäischen Regierungen vereinte Anstrengungen, um die eigenen wirtschaftspolitischen Ziele und den Integrationsprozeß der EG besser gegen destabilisierende Dollarfluktuationen zu schützen. Nachdem das 1978/79 gegründete Europäische Währungssystem (EWS) die Probe der Dollarauf-und -abwertungen der achtziger Jahre bestanden hat, würde die derzeit diskutierte Schaffung einer gemeinsamen Europäischen Währung (ECU) und einer gemeinsamen Notenbank dieses Gegengewicht zu den USA noch stärken und die Abhängigkeit vom US-Dollar verringern. Die Verdrängung des US-Dollars durch den ECU und den mit dem Aufstieg Japans zur globalen Finanzmacht ebenfalls an Bedeutung gewinnenden Yen würde den wirtschaftlichen Handlungsspielraum der USA empfindlich eingrenzen. Denn damit würde der Wettbewerb zwischen den Währungen viel härter und es für die USA schwieriger werden, einer internen finanzpolitischen Disziplin über die internationalen Kapitalmärkte auszuweichen. 3. Die Zunahme ausländischer Direktinvestitionen Ist die Gesamtverschuldung bisher noch kaum in das Bewußtsein der Wähler gedrungen, so hat der damit verbundene Zustrom ausländischer Direktinvestitionen — vor allem eine Welle von spektakulären Übernahmen amerikanischer Unternehmen durch japanische Konkurrenten — eine emotional geführte Debatte um den „Ausverkauf“ der USA ausgelöst Der größte Teil ausländischer Investitionen fließt in Wertpapiere und Bankguthaben. Aus Tab. 5 wird deutlich, daß der akkumulierte Gesamtwert der Direktinvestitionen zwischen 1980 und 1989 um das Sechsfache, von 65 Mrd. US-Dollar auf 401 Mrd. US-Dollar, zunahm. Da umgekehrt das Auslandsengagement amerikanischer Unternehmen zwischen 1980 und 1985 besonders schwach ausfiel, war der Bestand des ausländischen bzw. amerikanischen Investitionskapitals Ende 1989 etwa gleich groß (vgl. Tab. 6).
Obwohl die hier erfolgende internationale wirtschaftliche Verflechtung der USA Anlaß zur Sorge um die Souveränität des Landes gibt, sind solche Befürchtungen in mancher Hinsicht doch voreilig, wenn nicht sogar verfehlt. Ein großer und wachsender Anteil der gesamten Weltwirtschaftsaktivitäten entfällt auf die Auslandsproduktion von multinationalen Unternehmen. Die Auslandsfilialen amerikanischer Firmen produzierten bereits zu Beginn der siebziger Jahre mehr als die USA exportierten, und ihre Umsätze beliefen sich im Jahr 1987 auf mehr als eine Billion US-Dollar oder das Vierfache des gesamten amerikanischen Güterexports Hinzu kommt, daß die Investitionsfreudigkeit japanischer Produzenten sowohl weltweit als auch in den USA von den Westeuropäern immer noch überflügelt wird. Daß für sie vom US-Markt eine größere Anziehungskraft ausgeht als etwa vom asiatischen oder europäischen Raum, erklärt sich aus dem Konsum-boom, der seit 1985 einsetzenden dollarkursbedingten Verteuerung der japanischen Exporte und nicht zuletzt der Furcht, durch handelsprotektionistische Maßnahmen vom wichtigsten Absatzmarkt abgeschnitten zu werden. Würde sich die Verlagerung der Direktinvestitionen in Richtung US-Markt ungebremst fortsetzen, hätten die USA wegen des Wegfallens der Investitionserträge in der Leistungsbilanz noch größere externe Anpassungsprobleme. Doch dies dürfte kaum der Fall sein, zumal amerikanische Unternehmen jetzt wieder stärker in Europa investieren, um von den dortigen günstigen Wirtschaftsbedingungen zu profitieren und ihre Interessen nach der Einführung des Binnenmarkts 1993 wahrzunehmen. Dort herrscht aufgrund der langen Erfahrung als Gastland bei amerikanischen Großfirmen die pragmatische Auffassung, daß ausländische Niederlassungen entsprechend den Bedürfnissen des Gastlandes geleitet werden können. So versucht die EG-Kommission mit kombinierten handels-und industriepolitischen Regelungen über den Ursprung von Produkten und den lokalen Anteil der Wertschöpfung die Beschäftigungs-und Technologietransfervorteile ausländischer Niederlassungen zu maximieren.
IV. Auswirkungen des Verfalls amerikanischer Wirtschaftsmacht
Abbildung 4
Tabelle 4: Bruttorate Kapitalbildung/Sparen (Prozent des BSP) Quelle: EG-Kommission. European Economy, Nr. 42 vom November 1980, S. 166.
Tabelle 4: Bruttorate Kapitalbildung/Sparen (Prozent des BSP) Quelle: EG-Kommission. European Economy, Nr. 42 vom November 1980, S. 166.
Mit einer hohen Nachfrage nach Konsumgütern und Kapital standen die USA in den achtziger Jahren im Mittelpunkt der Weltwirtschaft. Heute ist ihre Exportleistung und damit der Weltmarkt die Hauptstütze ihres wirtschaftlichen Wohlergehens. Die Amerikaner fragen sich, ob sie in den neunziger Jahren nicht nur hinter Japan, sondern auch noch hinter einem wirtschaftlich dynamischeren und politisch selbstbewußteren Europa auf Platz drei landen werden.
Das allgemeine Gefühl der Unsicherheit in den USA über ihre zukünftige weltpolitische Rolle ist nicht unbegründet. In den Außenbeziehungen schränken die veränderten wirtschaftlichen Machtverhältnisse den finanzpolitischen Spielraum und das politische Einflußvermögen der USA bereits spürbar ein. Was die Wirtschaftsbeziehungen zu den Entwicklungsländern angeht, leistet nicht nur die EG, sondern inzwischen auch Japan mehr Entwicklungshilfe als die USA, und der größte Teil der zur Lösung des Verschuldungsproblems der Dritten Welt bereitgestellten Finanzmittel kommt ebenfalls aus Tokio.
Bei den Bemühungen um die Integration des Ostblocks in das Weltwirtschaftssystem haben unterdessen die Europäer eine führende Rolle übernommen. Ihre Regierungen haben Milliardenkredite zur Unterstützung der Wirtschaftsreformen bereitgestellt, das umfangreiche Hilfsprogamm der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in die Wege geleitet, und sie halten die Mehrheit ihres Kapitals. Ihr erfolgreiches Beharren auf einer zügigen Lockerung der Kontrollen für den Technologietransfer in den Osten zeigt, daß die USA nicht mehr das technologische Monopol besitzen und die Politik ihrer Verbündeten nur begrenzt kontrollieren können. Und schließlich kann das militärische Engagement der USA in der Golf-Krise, durch das sicherheitspolitische Belange und Machtunterschiede im militärischen Bereich wieder in den Vordergrund der Außenbeziehungen gerückt sind, ihre wirtschaftliche Schwäche nicht verdecken, sondern es zeigt sich vielmehr, wie wichtig eine gesunde wirtschaftliche Basis für ein militärisches Engagement ist.
Noch schwerer tun sich die Amerikaner allerdings mit den internen wirtschaftspolitischen Anpassungen. Ein Konzept der Selbsterneuerung, wie es die Europäer im Binnenmarktprogramm gefunden haben, fehlt. Hierzu schlägt die Abkühlung der Konjunktur noch nicht genügend auf das Wohlbefinden der Bevölkerung durch. Wie ein amerikanischer Kommentator der politischen Szene unlängst klagte: „. . . the govemments and people of Europe have a clearer sense of challenge and opportunity than we seem to have at home“ Die mangelnde Anpassungsbereitschaft offenbart sich in den immer grotesker wirkenden politischen Auseinandersetzungen um haushaltspolitische Sparpakete sowie in der wachsenden Abwehrhaltung gegenüber der ausländischen Konkurrenz. Aber die Amerikaner haben in der Vergangenheit wiederholt bewiesen, daß sie in Zeiten der Krisen eine enorme innerlich vereinende Kraft entwickeln und Herausforderungen meistem können. So erbrachte die Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs große Opfer, und der sowjetische Erfolg mit dem Sputnik bewirkte eine beträchtliche Leistungssteigerung im Technologiebereich. Es ist zu hoffen, daß der Blick nach Europa und Asien auf ähnliche Weise für Ansporn sorgt.
In den kommenden Jahren wird sich die Weltwirtschaft weniger auf die amerikanische Wirtschaft stützen können. Angesichts der jetzigen konjunkturellen Schwäche und der Einengung ihrer Fiskalpolitik durch die Größe der Defizite in der Lei-stungsbilanz und im Haushalt werden die USA kaum zur globalen Nachfrage beitragen können. Vielmehr sind es jetzt die USA, die in einem besonderem Maße auf die Weltmärkte und auf Exporterfolge angewiesen sind. Somit wird ihre Abhängigkeit vom Außenhandel in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Gleichzeitig werden die Auswirkungen einer Konsolidierung des Staatshaushaltes und der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit oder einer Rezession die gleichen sein. Die USA werden sich mehr mit sich selbst beschäftigen. Es ist deshalb wichtig für die USA und die Weltwirtschaft, daß Europa und Japan ihr Wachstum aufrechterhalten und insbesondere Japan seinen Markt weiter öffnet. Beides wird möglicherweise nicht verhindern, daß es zu einer Rezession in den USA kommt, dürfte aber ihre globalen Auswirkungen bremsen. Vor allem sind beide Wirtschaftsräume in einer vergleichsweise günstigen Lage, sich selbst geschützt zu halten. Die EG hat einen großen Binnenmarkt, eine hohe Investitionsrate und finanzpolitischen Spielraum. Japan versucht, durch binnenwirtschaftliche Umstrukturierung und Diversifizierung seiner Wirtschaftsbeziehungen — vor allem im asiatischen Raum — seine Abhängigkeit von den USA zu vermindern. Ein Vergleich der jeweiligen Wirtschaftsentwicklungen in den drei Regionen während der Rezessionen von 1966/67, 1974/75 und 1981/82 macht deutlich, daß Japan sein Wirtschaftswachstum aufrechterhalten konnte und die Einbrüche in der EG weniger drastisch ausfielen als in den USA. Der Unterschied erklärt sich zum Teil aus der unterschiedlichen Prioritätensetzung in der Wirtschaftspolitik. In Japan und Europa setzt man auf Stabilität. In den USA hat Wachstumspolitik einen hohen politischen Stellenwert, führt aber auch zu besonders scharfen Schwingungen im nationalen Konjunkturzyklus. Für Europa gilt außerdem, daß es sich im Zuge der Wirtschaftsintegration immer mehr von der Weltwirtschaft unabhängig gemacht hat.
Die größere Unabhängigkeit Europas, die vergleichsweise noch geringere Importneigung Japans und die sich hieraus für die USA ergebende Folgerung, zum Abbau ihres externen Ungleichgewichts auch andere Märkte wie insbesondere Lateinamerika hinzuziehen zu müssen, läßt darauf schließen, daß in den kommenden Jahren keine dieser drei Mächte allein im Zentrum der Weltwirtschaft stehen wird. Damit wird sich wohl der Trend zur Regionalisierung der Weltwirtschaft eher verstärken. Großangelegte Initiativen zur Steuerung des internationalen Strukturwandels sind deshalb weder von den USA noch von den beiden anderen Wirtschaftsmächten zu erwarten.
BarbaraA. Fliess, M. A., geb. 1956; Studium der Internationalen Beziehungen der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University, Washington; seit 1989 Gast-Dozentin für Handels-und Wirtschaftspolitik an der School of Advanced International Studies. Veröffentlichungen zu US-und internationalen Wirtschaftsfragen.
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