I. Gegenstand und Aufgabenstellung
Die Wahlerfolge der Republikaner (REP) erregten 1989 großes Aufsehen in der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Die Heftigkeit und Gefühlsgeladenheit der Diskussion erklärte sich zu einem Gutteil aus der Tatsache, daß politische Terraingewinne dezidiert rechtsgerichteter Parteien hierzulande stets in einen historischen Bezug zu den Wahlerfolgen der Nationalsozialisten vor 1933 gestellt werden. Parolen und Vokabeln wie „Neofaschismus“, „Neonazismus“, „Nazis raus!“ bestimmten daher vielfach die Auseinandersetzung. Dies hängt offenbar zusammen mit der Allgegenwart eines inflationär gebrauchten, beinahe substanzlos gewordenen Faschismusbegriffs und resultiert nicht zuletzt aus der Einfärbung des Meinungsklimas mit marxistischen und marxistisch-leninistischen Denkmustern. Der Gleichklang von „Faschismus“ und „Kapitalismus“ gilt vielen als ein unanfechtbares Faktum, und sie sehen sich in dieser Auffassung durch eine vielfältige Literatur bestätigt Demgegenüber verhallen oft die wohlbegründeten Argumente derjenigen, die vor einer Überdehnung des Faschismus-begriffs warnen Ähnlichkeiten zwischen erfolgreichen Wahlbewegungen vor 1933 und nach 1945 sind gewiß nicht pauschal in Abrede zu stellen. Die Fixierung des Blicks auf historische Abläufe verhindert jedoch die Wahrnehmung des Neuen und Andersartigen. Wo politische Motive und ideologische Voreingenommenheit die klare Sicht behindern, tun Differenzierung und Nuancierung not. Wie soll dies geschehen? Erstens ist beim Umgang mit Makrotheorien soziologischer und sozialpsychologischer Prägung Vorsicht geboten. Sie haben zweifellos ihre Verdienste, verstellen jedoch oft den Blick auf das Nächstliegende: die politische Konstellation, in der Parteien entstehen und sich entwickeln. Ihr gilt daher das besondere Augenmerk. Zweitens muß das Selbstverständnis der betreffenden Gruppierungen ernstgenommen werden. Seine Kenntnis ist Voraussetzung für die demokratietheoretische Einordnung und Bewertung.
Drittens schließlich kann ein Vergleich mit ähnlichen Phänomenen in anderen Demokratien vor provinzieller Nabelschau bewahren. Dies gilt sowohl für die Bestimmung des politischen Erscheinungsbildes als auch für die Abschätzung von Gefahrenpotentialen. Gegenstand der folgenden Darstellung ist daher eine Reihe relativ erfolgreicher Wahlbewegungen in den demokratischen Verfassungsstaaten des westlichen Europa. Sie verkörpern am ehesten Tendenzen am rechten Rand des politischen Spektrums, die von zukunftsträchtiger Bedeutung sein könnten. Sie sträuben sich aber auch am meisten gegen gängige begriffliche Kategorisierungen, verdanken sie doch ihre Stimmenpotentiale im allgemeinen keineswegs einer engen Anlehnung an Vorbilder der Zwischenkriegszeit. Im Gegenteil: Je stärker die Spuren der „Epoche des Faschismus“ (Ernst Nolte), desto geringer die politische Resonanz. Zugegeben: In allen Demokratien Europas bestehen rechtsextreme Subkulturen, in denen auch alte und neue Anhänger Hitlers und Mussolinis. Otto Straßers und Julius Evolas ihren Platz haben Aber sie vertreten überall nur winzige Minderheiten und sind politisch einflußlos, obgleich sie durch provokante und militante Aktionen immer wieder erfolgreich das (auch voyeuristische) Interesse der Öffentlichkeit wecken und sich sozialen Minoritäten (z. B. Juden, Ausländer) gegenüber oft bedrohlich darstellen.
Eine andere Entwicklungstendenz dürfte bedeutsamer sein als groteske Kostümierung und kopfloser Gewaltkult jugendlicher Rabauken: das europaweite Wirken einer intellektuellen Neuen Rechten (New Right, Nouvelle Droite, Nuova Destra), die an Strömungen der Zwischenkriegszeit wie die Konservative Revolution anknüpft und geistiges Rüstzeug für eine zeitgemäße Reformulierung rechtsextremer Ideen liefert Diese Theoriezirkel können hier allenfalls am Rande Erwähnung finden. Ihr Einfluß auf die politischen Konzepte der neuen rechten Wahlbewegungen ist unübersehbar, was freilich nicht zu Gleichsetzungen verführen sollte.
Im Mittelpunkt des folgenden Beitrags stehen Wahlbewegungen ultrakonservativer, nationalpopulistischer und teilweise offen rechtsextremer Ausrichtung, die in einer Reihe europäischer Demokratien Stimmengewinne verbuchen konnten. Um die Darstellung nicht allzu kursorisch geraten zu lassen, wird auch hier noch einmal eine then tische Einengung vorgenommen: Ausschließli die im Europäischen Parlament vertretenen P teien sind Gegenstand der Betrachtung. Aus klammert bleiben also Organisationen wie die n derländischen Centrumdemokraten, die dänisc und norwegische Fortschrittspartei, die Freiheil ehe Partei Österreichs (FPÖ) oder die schweize sehe Nationale Aktion für Volk und Heimat — PI nomene, die trotz gravierender Unterschiede in d sen Kontext gehören
Die Analyse setzt mit den politischen Ergebniss der Europawahl von 1989 ein. Anschließend Wi den nacheinander fünf im Europäischen Pariamt vertretene Wahlformationen porträtiert. Den A Schluß bildet ein systematischer Vergleich.
II. Rechtsparteien im Europäischen Parlament
Seit der ersten Direktwahl des Europäischen Parlamentes ist dort auch eine Reihe politisch weit rechts stehender Parteien vertreten, die dem Prozeß der europäischen Integration überwiegend mit Ablehnung begegnen. So konnte der italienische Movimento Sociale Italiano (MSI) bereits 1979 vier Abgeordnete entsenden. Eine Fraktionsbildung (Mindestzahl bei Mitgliedern aus einem Staat: 23, aus zwei Staaten: 18, aus drei Staaten: 12) scheiterte am Fehlen ausreichend starker Bündnispartner. Allenfalls der Abgeordnete der dänischen Fremskridtspartiet (Fortschrittspartei) wäre in Frage gekommen. Anders die Situation 1984: Der Front national (FN) des bretonischen Volkstribunen Jean-Marie Le Pen zog mit zehn Abgeordneten in das Parlament ein und bildete mit dem MSI und dem Mandatsträger der griechischen Obristenpartei Ethniki Politiki Enosis (Nationale Politische Union; EPE die „Fraktion der Europäischen Rechten“
Die Europawahl vom Juni 1989 komplizierteSituation insofern, als sich die Zahl potentiel Bündnispartner vergrößerte Zwar bliebMandatszahl des FN (10) konstant, sank die Zder MSI-Repräsentanten (4) ab, gelang der EPI nicht mehr der Einzug in das Parlament. Dafür at entsandten die deutschen REP (6), die in der M länder Region aktive Lega Lombarda (2) und c flämisch-nationalistische Vlaams Blök (1) erstm Abgeordnete. Nach längeren Verhandlungen bik ten FN, REP und Vlaams Blök eine Fraktions meinschaft. Der Vlaams Blök und die REP hatl sich deutlich gegen ein Zusammenwirken mit dMSI ausgesprochen. Der REP-Bundesvorsitzende Schönhuber begründete die Haltung seiner Partei in einem Interview für die FN-Zeitung „National Hebdo“: „Ich will nichts gegen den MSI sagen. Ich kenne ihn nicht. Ich kenne nur Herrn Fini (der damalige Generalsekretär), der den Eindruck eines ganz und gar korrekten und demokratischen Menschen vermittelt. Aber für einen Deutschen ist es beinahe unmöglich, einer Gruppe anzugehören, von der man sagen wird: „Seht nur: die Faschisten sind unter sich’, , die neue Achse Rom-Berlin‘. Verstehen Sie, das ist nicht leicht, und ich muß bis heute in Deutschland hart dagegen ankämpfen. Was uns trennt, ist aber auch die Südtirol-Frage. Man kann nicht mit denen ein Bündnis schließen, die unsere Tiroler Landsleute (compatriotes) in Bozen und Meran bekämpfen.“ Dem MSI, der im Bozener Stadtrat seit Mai 1989 (27, 1 Prozent der Stimmen) die stärkste Fraktion bildet, ist das Südtiroler Autonomiestatut in seiner jetzigen Form ein Dorn im Auge Die REP befürworten hingegen den Anschluß Südtirols an Österreich.
Der FN mochte sich aus eher machiavellistischen Gründen zur Aufkündigung der alten Fraktionsgemeinschaft mit dem MSI entschlossen haben. Erstens verhinderte die in der Geschäftsordnung des Europäischen Parlamentes für die Bildung einer Fraktionsgemeinschaft vorgesehene Mindestzahl von 18 Abgeordneten ein Bündnis MSI-FN. Und zweitens schien der MSI mit seinen ständigen Flügelkämpfen zwischen eher nationalrevolutionären und stärker konservativ-etatistischen Strömungen weniger günstige Zukunftsaussichten zu bieten. Der Vlaams Blök wiederum neigte als Kämpfer für vermeintlich oder tatsächlich bedrohte Ethnien der Position der REP in der Südtirol-Frage zu — ein interessantes Beispiel für den Konflikt zwischen Ethnozentrismus und Nationalismus.
Die REP betonten in der Öffentlichkeit den „technischen“ Charakter der Fraktionsbildung. Das Bündnis mit FN und Vlaams Blök sei notwendig geworden, da erst der Fraktionsstatus eine wirksame parlamentarische Tätigkeit erlaube. Darüber hinaus aber könne jeder der Partner ein eigenständiges programmatisches Profil behaupten. Die Praxis soll einerseits innerfraktionellen Zerwürfnissen vorbeugen, andererseits verhindern, daß eine Gruppierung für Äußerungen der anderen verantwortlich gemacht wird. Indem die REP den technischen Charakter der Fraktionsbildung herausstellten, distanzierten sie sich in gewisser Weise von ihren Bündnispartnern — ein Schachzug zur Entkräftung des Argumentes, das Bündnis mit Gruppierungen wie FN und Vlaams Blök entlarve ihren rechtsextremen Charakter.
Fraktionsbildungen setzen allerdings ein hohes Maß an Übereinstimmung voraus. Die Frage nach den Gemeinsamkeiten zwischen REP, FN und Vlaams Blök verdient nähere Beachtung. Mit Begriffen wie „Rechtsradikalismus“ oder „Rechtsextremismus“ versucht man, die erwähnten Gruppierungen auf einen Nenner zu bringen. Termini wie „Rechtsradikalismus“, „Rechtsextremismus“ oder gar „Neofaschismus“ und „Neonazismus“ enthalten politische Werturteile, bringen Besorgnisse und Befürchtungen zum Ausdruck. Weltbild und politischer Forderungskatalog der erwähnten Gruppierungen scheinen in einem Spannungsverhältnis, wenn nicht gar in einem Widerspruch zu grundlegenden Werten und Spielregeln demokratischer Verfassungsstaaten zu stehen. Dieser Umstand fordert nicht nur das Engagement des verfassungsloyalen Bürgers heraus, sondern auch die Bemühungen einer an der Frage nach der guten Ordnung für den Menschen interessierten Politikwissenschaft. 1. Front national (FN)
In Frankreich war es nach dem Zweiten Weltkrieg schon einmal einer Protestbewegung gelungen, mit Ressentiments gegen „die da oben“, dem Appell an den „Mann auf der Straße“ und an das nationale Wir-Gefühl beachtliche Wählerströme zu kanalisieren. Pierre Poujade, Besitzer eines kleinen Buch-und Schreibwarengeschäftes, stieß mit seinem Protest gegen zu hohe Steuern und den wachsenden Konkurrenzdruck großer Ladenketten bei vielen kleinen und mittelständischen Unternehmern auf offene Ohren Teile der bis dahin politisch weitgehend erfolglosen rechtsextremen Subkultur versuchten, die anschwellende Protestströmung für ihre eigenen Ziele zu nutzen.
Zu den 52 Abgeordneten, die 1956 auf der Liste der Poujadisten in die Nationalversammlung einzogen, gehörte auch der junge Bretone Jean-Marie Le Pen Le Pen war während des Jurastudiums in Paris Vorsitzender einer Studentenvereinigung gewesen und hatte seinen Militärdienst 1954 in einer Fallschirmspringereinheit in Indochina absolviert. Noch Abgeordneter in der Nationalversammlung, meldete sich Le Pen freiwillig nach Algerien und engagierte sich seit 1958 in der Bewegung für ein französisches Algerien, die in der Bevölkerung weit über den Kreis rechtsextremer Zirkel hinaus Unterstützung fand. Der von Le Pen ins Leben gerufene Front national pour l’Algerie franaise war in gewisser Weise im ideologischen Vorfeld der 1961 gegründeten terroristischen Geheimarmee O. A. S. angesiedelt. Doch auch eine Serie von Sprengstoffattentaten konnte es nicht verhindern, daß Algerien bald darauf in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Le Pen betätigte sich seit 1962 erfolgreich als Verleger — unter anderem von Militaria-Büchern — und gründete eine Hilfsorganisation zur Unterstützung inhaftierter nationalistischer Gesetzesbrecher. Als 1965 der bekannteste Strafverteidiger rechtsextremer Gesinnungstäter, Jean-Louis Tixier-Vignancour, für das Amt des französischen Staatspräsidenten kandidierte, organisierte Le Pen dessen Wahlkampf. Das klägliche Scheitern Tixier-Vignancours im ersten Wahlgang bestätigte die Agonie der extremen Rechten.
Der im Oktober 1972 unter Beteiligung von Le Pen ins Leben gerufene Front national (FN) blieb lange Zeit erfolglos. Die Initiative zur Organisationsgründung war von Aktivisten des seit 1969 bestehenden Ordre nouveau (ON) ausgegangen, die nicht zuletzt unter dem Eindruck der erfolgreichen Bündnispolitik des italienischen MSI („Destra Nazionale") eine bei Wahlen aussichtsreiche Sammlung sowohl der „nationalistischen“ als auch der „nationalen“ Kräfte anstrebten Die Einigung war jedoch nur von kurzer Dauer. Bereits 1974 spaltete sich die vom ON kommende Gruppe wieder ab und gründete die Konkurrenzorganisation Parti des forces nouvelles (PFN). Mit dem Spitzenkandidaten Tixier-Vignancour nahm der PFN bis Anfang der achtziger Jahre an mehreren Wahlen teil, blieb in seinen Ergebnissen — wie auch der FN — jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Nach dem neuerlichen Mißet folg bei den Parlamentswahlen von 1981 zerfiel der PFN. Teile seiner Klientel verstärkten den FN, dessen Erfolgschancen durch die Beendigung der fruchtlosen Rivalität stiegen.
Der Einigungsprozeß innerhalb der rechtsextremen „Szene“ vollzog sich vor dem Hintergrund einer für die Entstehung einer rechten Protestbewegung günstigen „Großwetterlage“: Der triumphale Wählet folg der Sozialisten 1981, die kommunistische Re gierungsbeteiligung, der anfängliche Reformela mit Verstaatlichungen von Banken und Unterneh men der Großindustrie, aber auch die Zerstritten heit und Ratlosigkeit der in der Nationalversamm Jung vertretenen Oppositionsparteien schienen ein rechte Gegenbewegung geradezu herauszufoi dem Die ersten lokalen Wahlerfolge des FN ur seinen mit charismatischen Fähigkeiten begabte Volkstribunen ließen nicht lange auf sich warten Den Durchbruch schaffte die Le Pen-Bewegung be der Europawahl von 1984 (11, 0 Prozent). Daß dies ersten Wahlerfolge kein Strohfeuer waren, hat de FN inzwischen bewiesen. Er war von 1986 bis 198 in der Nationalversammlung mit 35 Abgeordnete vertreten und ist daraus nur aufgrund der Wiedei einführung der Mehrheitswahl durch die Regierun Chirac — mit der Ausnahme einer Abgeordnete — wieder verschwunden. Freilich hatte die Parte das Stimmenergebnis von 1986 (9, 9 Prozent) ir ersten Wahlgang nur um einen Zehntelprozent punkt verfehlt. Daß mit dem FN trotz schwere innerparteilicher Konflikte auch weiterhin zu reell nen ist, zeigte die Europawahl 1989, bei der di Organisation ihr Ergebnis von 1984 mit 11, 7 Prc zent noch übertraf. Einen Trend nach oben deute die Nachwahlen zur Nationalversammlung auf kau tonaler und Gemeindeebene an. Im Februar 199 veröffentlichte das Magazin „L’Express“ eine Stu die, wonach der FN bei derartigen Nachwahlen i 25 von 35 Fällen weiter zulegen konnte. Die Stim mengewinne fielen teilweise beträchtlich aus. Da spektakulärste Ergebnis wurde aus dem westlic von Paris gelegenen Städtchen Dreux gemeldet, w die Partei im November 1989 42 Prozent der Stim men erreichte — ein lokales Rekordergebnis
Spitzenresultate erzielt der FN überwiegend i hochindustrialisierten Ballungsgebieten: in der Pa riser Region, den nordfranzösischen Zentren Lille Roubaix-Tourcoing, dem Raum Nancy-Straf burg-Mulhouse, dem Dreieck Saint-Etienne Lyon-Grenoble, dem Rhone-Gebiet zwischen Va lence und Avignon sowie den an das Mittelmee angrenzenden städtischen Zentren von Perpigna über Montpellier und Marseille bis Nizza De französische Politikwissenschaftler Pascal Perri neau bezeichnet den FN als „das politische Ech der urbanen Anomie“ Denn die Hochburge der Le Pen-Bewegung sind Gebiete, in denen sic strukturelle Krisenerscheinungen und Wandlung« prozesse der Industriegesellschaft besonders deutlich abzeichnen, zugleich aber auf eine in hohem Maße atomisierte städtische Gesellschaft treffen. In einer Atmosphäre sozialer Bindungslosigkeit und Verunsicherung vereinen sich Ressentiments und Statusängste zu einem gegen Fremde gerichteten Konfliktpotential.
Der FN macht sich verbreitete Ängste vor drohendem Statusverlust in seiner Propaganda zunutze. Ausländer, Kriminalität und Arbeitslosigkeit sind die großen Themen, mit denen die Le Pen-Bewegung den „Mann auf der Straße“ gegen „die da oben“ zu mobilisieren sucht. Angesichts der „Überfremdung“ durch Einwanderer, ausländische Arbeiterund Asylanten betont er Interessen und Identität der französischen Nation. Dem unbefriedigten Sicherheitsbedürfnis vieler Bürger setzen Le Pen und seine Gefolgschaft Forderungen nach „hartem Durchgreifen“ und starker Staatsgewalt entgegen. Die Frage der Arbeitslosigkeit wird vor allem mit dem Hinweis auf die lästige Konkurrenz der „immigrös“ beantwortet. Obwohl sich Le Pen um ein moderates Auftreten bemüht, befriedigt er immer wieder auch die Bedürfnisse einer rechtsextremen Klientel. So wenn er die Gaskammern von Auschwitz als ein bloßes Detail in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges bezeichnet oder den Namen eines politischen Gegners in einem Wortspiel mit den Verbrennungsöfen der Vernichtungslager in Verbindung bringt. Derartige sein öffentliches Wirken begleitende Ausfälle zeugen von einer stark ausgeprägten demagogischen Energie.
Seit den ersten Wahlerfolgen bemühte sich der FN um Ausbau und Festigung der Parteiorganisation. Nach Angaben der Parteileitung stieg die Zahl der Mitglieder von 30 000 1986 auf 65 000 1990. Der organisatorische Apparat ist über alle Departements flächendeckend ausgedehnt worden. Nach der Übernahme des Generalsekretariats durch Carl Lang (dessen Vorgänger Jean-Pierre Stirbois verunglückte im November 1988 tödlich) wurde die Funktionärs-und Mitgliederschulung intensiviert Im Front national de la jeunesse (FNJ) soll der politische Nachwuchs gefördert werden. Ein Ordnerdienst (Dfense, protection et securite) ist insbesondere für den regulären Ablauf öffentlicher Veranstaltungen zuständig. Seit 1984 besteht ein eigener Unternehmerverband, der kurioserweise gleichzeitig die Interessen der Beschäftigten vertreten soll: Entreprise moderne et libert (EML). Im-Bereich öffentlicher Verkehr und Transport haben sich FN-orientierte Betriebssektionen gebildet
Mit der Wochenzeitung National Hebdo verfügt die Partei über ein auflagenstarkes Organ. Das seit 1962 bestehende nationalistische Blatt „Minute“ ist inzwischen auf den FN-Kurs eingeschwenkt. Auch die maurrassistisch und katholisch-integristisch (Lefebvre-Anhänger) ausgerichtete Tageszeitung „Präsent“ erfreut sich in FN-Kreisen weiter Verbreitung Seit längerem ist man um intellektuelle Unterstützung bemüht, ohne daß es freilich gelungen wäre, die Strömung der Nouvelle droite in die parteipolitische Pflicht zu nehmen. Die verstärkte Thematisierung der ökologischen Frage soll das Resonanzfeld der Partei noch weiter vergrößern. 2. Lega Lombarda Mit dem Einzug zweier Abgeordneter der in der Mailänder Region beheimateten Lega Lombarda ist ein im Ausland bislang kaum zur Kenntnis genommenes Phänomen der politischen Landschaft Italiens zum Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit geworden. Der nach Art bundesdeutscher Bürgerinitiativen organisierten Wahlbewegung war es gelungen, in der dichtestbesiedelten und bevölkerungsreichsten italienischen Region, der Lombardei, 8, 1 Prozent der Stimmen zu erzielen (Stimmen-anteil auf nationaler Ebene: 1, 8 Prozent). Auch in den Regionen Piemont und Venetien-Friaul haben „Ligen“ seit Anfang der achtziger Jahre nach und nach ansteigende Wahlergebnisse verbucht Die Lega Lombarda hatte bereits bei den Regionalwahlen von 1985 2, 5 Prozent der Stimmen erhalten. Seit den Parlamentswahlen von 1987 ist sie mit je einem Abgeordneten in Senat und Abgeordnetenkammer vertreten. Bei den Kommunal-und Regionalwahlen vom Mai 1990 avancierte sie mit 20, 2 Prozent der Stimmen gar zur zweitstärksten Fraktion im Regionalparlament.
Die „Ligen“ weisen nur lockere Organisationsstrukturen auf und verfügen über keine umfassend ausgearbeitete Programmatik. In ihrer Wahlpropaganda sind einige wenige Protestthemen von zentraler Bedeutung. So attackieren sie vehement Verfilzungserscheinungen und Unbeweglichkeit des zentralisierten „römischen Systems“ und fordern eine Vergrößerung regionaler Autonomie. Sie artikulieren das Selbstbewußtsein der wohlhabenden nord-italienischen Provinzen gegenüber dem ärmeren, wirtschaftlich weniger erfolgreichen Süden. Eine gewisse Verachtung trifft die als Schmarotzer geltenden „terroni“, so die abwertende Bezeichnung für die auf der Suche nach Arbeit und Brot in die hochindustrialisierten Regionen des Nordens eingewanderten Süditaliener.
Gewiß sind die „Ligen“ als Protestformationen mit eher rechtsgerichteter Ausrichtung auch eine Konkurrenz für den MSI. Das Gros der Stimmen stammt jedoch, wie eine Studie der Katholischen Universität Mailand gezeigt hat, von den Christde-mokraten und — zu einem geringeren Teil — anderen demokratischen Parteien Das Elektorat der Lega Lombarda wird als eher jung (55 Prozent im Alter zwischen 20 und 40 Jahren), überwiegend männlich (ca. 80 Prozent), aus intakten Familienverhältnissen stammend, durchschnittlich gebildet und einem Angestelltenverhältnis nachgehend beschrieben. 3. Movimento Sociale Italiano (MSI)
Die Republik Italien weist im Vergleich zu anderen europäischen Demokratien eine beispiellose Kontinuität rechtsextremer parlamentarischer Interessenvertretung auf. Bereits Ende 1946 entstand in Gestalt des Movimento Sociale Italiano (MSI) eine politische Kraft, der ehemalige faschistische Funktionsträger in führenden Rängen angehörten und die mehr oder weniger offen an die Programmatik der 1943 von Mussolini in Oberitalien errichteten Republik von Salo anknüpfte. Auf lokaler wie nationaler Ebene ließen sich die Christdemokraten in den fünfziger Jahren mit dem MSI auf politische Absprachen und temporäre Bündnisse ein und trugen auf diese Weise ungewollt zur politischen Festigung und Etablierung der Partei bei Sie entwikkelte sich zu einem zentralen Integrationsfaktor der aus vielfältigen Elementen zusammengesetzten rechtsextremen „Szene“, auch wenn es immer wieder zu letztlich erfolglosen Abspaltungen und Neugründungen kam. Erst seitdem sich die Democrazia Cristiana Anfang der sechziger Jahre zu Mitte-Links-Koalitionen hin öffnete, wurde der MSI mehr und mehr aus dem „arco costituzionale" ausgegrenzt und in das rechtsextreme Abseits verbannt. 1972 vereinigte sich die Partei mit den Monarchisten und trägt seither den Namenszusatz „Destra Nazionale". Versuchen, die Partei gegenüber demokratischen Kräften des konservativen Spektrums hin zu öffnen, blieb der Erfolg versagt. Sie scheiterten auch an der unübersehbaren Existenz eines prononciert antikapitalistischen, nationalrevolutionären und antibürgerlichen Flügels. Die systematische Ausgrenzung des MSI aus dem Verfassungskonsens seit Anfang der sechziger Jahre hat die Partei zum Identifikationspunkt einer politischen Klientel werden lassen, die den staatstragenden Parteien ein prinzipielles und tiefverankertes Mißtrauen entgegenbringt.
Seit 1948 ist der MSI ununterbrochen im Parlament vertreten. Bei den Parlamentswahlen von 1953 bis 1987 erreichte die Partei zwischen 4, 5 (1968) unc 8, 7 Prozent (1972) der Stimmen. 25 bis 50 Abge ordnete waren in diesen Jahren in der Abgeordne tenkammer, zehn bis 20 im Senat vertreten. We sentliche Hochburgen des MSI finden sich im im mer noch stark agrarisch geprägten, industriell un terentwickelten Mezzogiorno, wo sich die Partei au ein einflußreiches Honoratiorentum stützen kam und historisch gewachsene Aversionen gegen da römische Establishment virulent sind. Freilich bil den in den unterentwickelten Gebieten inzwischet auch urbane Zentren wie Neapel, Bari, Catania Messina und Palermo Schwerpunkte des MSI. Ar beitslosigkeit, Armut, völlig unzureichende öffent liehe Einrichtungen und trostlose Wohnquartier nähren extremistische politische Orientierungei und Verhaltensformen.
Die Partei weist eine überdurchschnittliche Dicht« an örtlichen Verbänden und Mitgliedern in Sizilien Apulien und Kampanien auf. Schwerpunkte sinc darüber hinaus die Regionen Latium und Lombar dei. Allerdings verzeichnete die Partei in den acht ziger Jahren einen massiven Mitgliederrückgang -nach internen Angaben von ca. 380 000 auf ca 120 000 Nur in der Region Trentino-Alto Adige verbuchte der MSI Zuwächse. Offenkundig ist e hier zum Protestvehikel gegen die als zu weitgehenc empfundenen Autonomierechte der deutscher Sprachgruppe in Südtirol avanciert. Der Politikwis senschaftler Piero Ignazi führt den Mitglieder Schwund des MSI in den übrigen Regionen auf di« Mißerfolge bei Wahlen und den Abschied der Inte grationsfigur Almirante zurück; zudem sei di« Stärke der Partei wohl in vergangenen Jahren etwa: zu hoch angegeben worden
Die Partei verfügte 1987 über die noch immer statt liehe Zahl von 2 720 „sezioni“ auf lokaler Ebene Ihre Jugendorganisation, Fronte della Gioventi (FdG), hatte 1987 mehr als 30 000, die Studenten Vereinigung (Fronte Universitario di Azione Nazio nale) über 6 000 Mitglieder. Die nach Ständestaat liehen Prinzipien organisierte Gewerkschaft CIS NAL (Confederazione Italiana Sindacati Nazional Lavoratori) umfaßt um die 2, 5 Mio. Mitglieder -vor allem in den Bereichen Chemie, Metall, Hande und öffentlicher Dienst Dem MSI angeschlos sen ist auch die Soldatenvereinigung Unione Nazio nale Combattenti Repubblica Sociale Italiana (UN CRSI).
Seit seiner Gründung weist der MSI ein Spektrun verschiedener „correnti“ auf, die sich im Innerer der Partei oft heftig befehdeten und um den ent scheidenden Einfluß auf die Parteiführung ran gen Der MSI begann als eine an den Idealen dei faschistischen Sozialrepublik orientierte, pointier revolutionäre, antikapitalistische, antidemokratische und antikommunistische Kraft, die sich in den ersten Jahren gegenüber der harten Konkurrenz „gemäßigterer“ rechtsextremer Formationen wie Uomo Qualunque und dem Partito Nazionale Monarchico zu profilieren hatte. Seit Anfang der fünfziger Jahre setzte dann unter den Generalsekretären Augusto De Marsanich und Arturo Michelini eine Öffnung hin zu nationalkonservativen und monarchistischen Kräften ein. Das Scheitern der Strategie einer Integration in das politische Kräfte-feld des parlamentarischen Systems wurde jedoch Anfang der sechziger Jahre vollends deutlich, als die mit MSI-Stimmen gestützte Regierung des Christdemokraten Tambroni scheiterte und die Hinwendung der Democrazia Cristiana zu Mitte-Links-Koalitionen begann. Die folgenden Jahre brachten eine nachhaltige Stärkung der betont neofaschistischen Strömung, an deren Rändern sich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, auch unter dem Einfluß des wachsenden Linksextremismus an Schulen und Universitäten, militante und terroristische Zirkel bildeten Die Ablösung Michelinis und die Übernahme der Parteiführung durch Giorgio Almirante war Resultat der innerparteilichen Kräfteverlagerung. In den Jahren der von marxistischen und anarchistischen Ideen inspirierten Studentenbewegung und des beginnenden linken Terrors verfolgte Almirante die für den Faschismus typische Doppelstrategie von Straßen-und Wahl-politik: Einerseits ermutigte er rechtsextreme Privatfeldzüge und Terroraktionen gegen die „rote Gefahr“; andererseits versuchte die Partei aus der auf diese Weise zusätzlich angeheizten Atmosphäre politisches Kapital zu schlagen. Daß diese Strategie nicht erfolglos war, zeigte das Spitzenwahlergebnis von 1972, als die Partei im Bündnis mit den Monarchisten bei den Parlamentswahlen 8, 7 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte.
Im Laufe der siebziger Jahre änderten sich jedoch wiederum die politischen Vorzeichen: Das Wahlergebnis von 1972 konnte in den folgenden Wahlen nicht gehalten werden, ein Teil der zur Partei gestoßenen gemäßigteren Kräfte spaltete sich 1976 wieder ab, und die Christdemokraten hielten an den Koalitionen des „centro sinistra“ fest. Das politische Spagat zwischen militanter Systemopposition und Öffnung hin zu bürgerlichen Wählerschichten war mißlungen. Diese innere Zerrissenheit ist auch heute noch für den MSI kennzeichnend. Die Organisation hat ihre parlamentarische Position zwar auf vergleichsweise niedrigem Niveau festigen können; ihre Handlungsfähigkeit ist jedoch durch den innerparteilichen Kampf zwischen einem dezidiert neofaschistischen und einem auf Einbindung in das Institutionengefüge erpichten Kurs stark eingeschränkt. Ende 1987 trat der vergleichsweise „gemäßigte“ Journalist Gianfranco Fini die Nachfolge Almirantes an der Parteispitze an. Er mußte jedoch schon bald wieder dem Druck der „Radikalen“ weichen. Fini wurde im Januar 1990 durch den Exponenten des dezidiert neofaschistischen und antikapitalistischen Flügels, Giuseppe („Pino“) Rauti, abgelöst. Dessen Organisation „Ordine Nuovo“ hatte sich 1956 vom MSI abgespalten, war 1969 aber wieder in den Schoß der Partei zurückgekehrt. 4. Die Republikaner (REP)
Die Entstehung der Partei Die Republikaner (REP) geht auf die Jahreswende 1982/83 zurück, als der damalige bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß bei der Vermittlung eines Milliardenkredites an die DDR behilflich war Viele Beobachter kommentierten dies mit Verwunderung, hatte sich die CSU in den Jahren zuvor doch immer wieder als Warnerin vor einer ökonomischen Stabilisierung des SED-Regimes profiliert. Die eigenwillige Kursrevision des mächtigen Parteivorsitzenden löste an der Basis verständlicherweise beträchtliche Spannungen aus, und es kam in den folgenden Monaten zu einer Reihe von Parteiaustritten unter anderem auch der Bundestagsabgeordneten Franz Handlos und Ekkehard Voigt. Sie gründeten im November 1983 die Wahlorganisation REP, die sich zunächst gleichsam als die außerhalb der CSU betriebene Realisation des von Strauß seit langem verfolgten Plans einer bundesweit verbreiteten vierten Partei ausnahm.
Zu den Gründervätern der REP gehörte auch der ehemalige Fernsehjournalist Franz Schönhuber. Er ist ein Mann mit bewegter politischer Vergangenheit. Nach 1945 schlug er sich zunächst mit Gelegenheitsjobs als Schauspieler und Sportreporter bei der KPD-nahen Zeitung „Deutsche Woche“ durch, ehe er sich in den sechziger Jahren als Journalist bei Münchener Stadtzeitungen politischen Themen zu-wandte. Der Ausrichtung dieser Blätter entsprechend, profilierte er sich zur damaligen Zeit als Linker, unterstützte beispielsweise die Münchener Jungsozialisten in ihrer Opposition gegen Oberbürgermeister Hans Jochen Vogel. Anfang der siebziger Jahre begann Schönhubers Mitarbeit beim Bayerischen Rundfunk. Bereits 1975 übernahm er die Leitung der Hauptabteilung „Bayern-Information“ und wurde als Moderator der Serie „Jetzt red i“ bald zu einem der populärsten Fernsehjournalisten in Bayern. Inzwischen hatte er sich auch politisch der CSU genähert und gehörte zeitweilig zur erlesenen Entourage des bayerischen Ministerpräsidenten.
Anfang der achtziger Jahre fand die journalistische Karriere Schönhubers ein abruptes Ende. Im April 1982 wurde dem damaligen Hauptabteilungsleiter und stellvertretenden Chefredakteur beim Bayerischen Rundfunk fristlos gekündigt. Anlaß der Kündigung war das Erscheinen des Erinnerungsbuches „Ich war dabei“, in dem Schönhuber freimütig über seine einstigen Aktivitäten in der Waffen-SS berichtet hatte Obwohl Schönhuber sich hierin von seiner Jugendverfehlung distanzierte, erregte doch die Art, wie der Autor über die Tapferkeit der ehemaligen „Eliteeinheiten“ räsonnierte und die nationale Selbstzerknirschung der Deutschen beklagte, vielfach Anstoß.
Zwischen den Mitgliedern des Gründungstriumvirates setzte bald ein innerparteilicher Machtkampf ein, bei dem sich Schönhuber schließlich als der Stärkere erwies. Einerseits setzte er programmatisch neue Akzente, die den REP im Verhältnis zu den Unionsparteien ein eigenständigeres Profil geben sollten, andererseits erwies sich der fernsehbekannte, redegewandte Schönhuber in den Biersälen der bayerischen Provinz als Publikumsattraktion. Handlos und Voigt verließen 1985 die Partei. Der Letztgenannte erhielt nach einer Betätigung bei der bayerischen FDP 1989 wieder ein Mitgliedsbuch der REP, übernahm bald darauf den Vorsitz des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der REP, wurde im Juni/Juli 1990 als Gegenkandidat Schön-hubers bei der Bewerbung um das Amt des Parteivorsitzenden gehandelt, trat jedoch nicht an.
Einen ersten Wahlerfolg konnten die REP 1986 bei der bayerischen Landtagswahl verbuchen, als sie nach unermüdlichem Wahlkampfeinsatz 3, 0 Prozent der Stimmen erhielten. 1, 28 Mio. DM an Wahlkampfkostenerstattung bildeten eine wichtige Basis für den weiteren Ausbau der Parteiorganisation. Freilich folgten magere Jahre, in denen die REP bei Kandidaturen in Bremen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg herbe Wahlniederlagen einstecken mußten. So kam der Berliner Wahlerfolg vom Januar 1989 völlig überraschend, war doch sogar umstritten gewesen, ob die Partei überhaupt kandidieren sollte. Das Westberliner Ergebnis (7, 5 Prozent) erfuhr bei der Europawahl im Juni 1989 eine Bestätigung. Die REP erzielten 7, 1 Prozent der Stimmen. Das Resultat wird allerdings dadurch relativiert, daß der Anteil von Protestwählern bei Europawahlen wesentlich höher ist als bei der Wahl zum Deutschen Bundestag.
In den Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt, strömten der Partei zahlreiche neue Mitglieder zu. Nach Angaben der Parteileitung stieg ihre Zahl von 8 000 im Januar 1989 auf 25 000 im Januar 1990. Selbst wenn man diese Angaben als zu hoch bewertet, ist eine rasante Mitgliederentwicklung nach oben nicht zu leugnen. Die höchste Mitglieder-und Organisationsdichte erreichte die Partei in Bayern, Baden-Württemberg und Berlin. In den übrigen Landesverbänden ist der Parteiapparat weit hinter dem süddeutschen Stand zurückgeblieben. Die hohen Erwartungen der Parteileitung nach der Europawahl bestätigten sich in den folgenden Monaten nicht. Offenkundig wurden die REP von der Entwicklung in Deutschland seit dem Herbst 1989 überrollt. Ergebnissen des Meinungsforschungsinstituts Emnid zufolge erreichten die Sympathie-werte der REP im Februar 1990 einen Tiefpunkt: Nur mehr drei Prozent der Bundesbürger erklärten sich bereit, die REP zu wählen In der Folgezeit sanken sie in der Publikumsgunst noch weiter ab. Bei den bayerischen Kommunalwahlen vom März 1990 zeigte sich, verglichen mit der Europa-wahl, in lokalen Hochburgen eine deutliche Schrumpfung des Wählerpotentials: In Augsburg etwa sank der Anteil von 19, 6 Prozent auf 10, 6 Prozent, in Rosenheim von 22, 1 Prozent auf 15 Prozent Das schlechte Abschneiden der Partei bei den Landtagswahlen in Niedersachsen (Mai 1990: 1, 5 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (Mai 1990: 1, 8 Prozent) bestätigte diesen Trend. Im Oktober 1990 scheiterten die REP bei der Landtagswahl in ihrem Stammland Bayern knapp an der Fünfprozenthürde (4, 9 Prozent). Bei der Europawahl 1989 hatten noch 14, 6 Prozent der bayerischen Wähler der Partei Schönhubers ihre Stimme gegeben.
Für den auf den ersten Blick paradox erscheinenden Niedergang der REP — schließlich hatte sich die Partei entschieden für die Wiedervereinigung ausgesprochen — lassen sich mehrere Gründe anführen: Die neue politische Lage in Deutschland ermöglicht es den großen Parteien, die „deutsche Frage“ in den Mittelpunkt zu stellen und auf diese Weise betont nationalorientierte Wählergruppen zu binden. Zentrale mobilisationsfähige Themen der REP gerieten dabei in den Hintergrund: Ausländer, Asylanten, Kriminalität, Drogen und AIDS.
In vielen Landesverbänden wurden und werden heftige innerparteiliche Auseinandersetzungen ausgetragen. Seit 1983 hat die Partei sowohl starke Zu-als auch starke Abwanderungen an Mitgliedern erlebt. Zwar gibt es keine empirischen Untersuchungen über die politische Herkunft der Republikaner-Mitglieder. Vieles spricht jedoch dafür, daß sie sich zu einem beachtlichen Teil aus ehemaligen Unionsangehörigen rekrutieren. Aber auch ehemalige Mitglieder von SPD und — in geringerem Maße — FDP haben zu den REP gefunden, überdies natürlich auch viele, die zuvor noch keiner Partei angehörten. Zuwanderungen von rechtsextremen Organisationen wie NPD und DVU sind zwar auf Funktionärsebene unübersehbar, dürfen jedoch bei den Mitgliedern insgesamt schon aufgrund der vergleichsweise geringen Mitgliederpotentiale dieser Organisationen nicht allzu hoch eingeschätzt werden
Infolge innerparteilicher Flügelkämpfe hat inzwischen eine Reihe parteioppositioneller Gruppen den REP den Rücken gekehrt Zum einen handelt es sich um ehemalige Unionsangehörige, denen die Profilierungsversuche der Parteizentrale um Schönhuber zu weit gingen; zum anderen aber auch um Gruppen, die den Abgrenzungskurs gegenüber NPD und DVU nicht mittragen wollten und für eine Sammlung aller rechten, also unter Einschluß der eindeutig rechtsextremen, Strömungen eintreten. Mehr noch als politisch-programmatische Gründe prägen persönliche Rivalitäten und Machtkämpfe die Verhältnisse im Inneren der Partei. Dies hat zuletzt die Auseinandersetzung im Sommer 1990 gezeigt, als Schönhuber und der ehemalige Generalsekretär Neubauer einen Kampf um die Parteiführung austrugen und sich wechselseitig rechtsextremer Umtriebe bezichtigten Letztendlich setzte sich der Parteigründer wiederum gegen seine Kontrahenten durch.
Die Frage, ob die REP eine rechtsextreme Partei sind, ist nicht so leicht und eindeutig zu beantworten, wie es die häufige Verwendung dieses Attributes in der Öffentlichkeit nahelegt. Entstanden sind sie als eine rechte Unionsabspaltung und transportieren viele programmatische Forderungen, die sich in abgewandelter Form auch in politischen Konzepten der CDU und der CSU finden. Mit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Schönhuber wurde dann die „nationale“ Orientierung akzentuiert, nahm die Anziehungskraft auf Mitglieder rechtsextremer Organisationen wie NPD und DVU zu. Die REP vermitteln seither das Bild einer Partei, die — um es bildlich auszudrücken — mit einem Bein in der demokratischen Mehrheitskultur, mit dem an-A deren in der rechtsextremen Subkultur steht. Diese Ambivalenz kennzeichnet auch ihre zentralen politischen Forderungen. So muß die Auffassung, die Zahl der Ausländer in der Bundesrepublik sei zu hoch, ebenso zum kontroversen Sektor der demokratischen Auseinandersetzung gehören dürfen wie die (auch dezidierte) Kritik am Mißbrauch des Asylrechts. Doch traten REP-Funktionäre mit Vorstellungen an die Öffentlichkeit, die mit rechtsstaatlichen Prinzipien offenkundig unvereinbar sind (z. B. Einführung sogenannter „Schnellgerichte“ an den Grenzen), zielte die Wahlkampf-Strategie der Partei auf die Anstachelung und Ausbeutung fremdenfeindlicher Stimmungen und Vorurteile. Die gleiche Doppelbödigkeit weist die betont „nationale“ Orientierung der REP auf: Einerseits ist die Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht des eigenen Volkes legitim. Andererseits aber erscheint sie vielfach verknüpft mit einem Nationalstaatskonzept traditioneller Prägung, das sich an historischen territorialen Besitzständen orientiert und einem volksgemeinschaftlichen Harmonieideal huldigt. Hier fügt sich ein populistischer Grundzug ein: Der mit charismatischen Fähigkeiten begabte politische Führer erkennt und vollzieht den wahren „Volkswillen“ — gegen die Absichten der den Interessen der Menschen entfremdeten „Altparteien“ und ihrer Repräsentanten. Freilich sind die REP in erster Linie eine Protestpartei gegen tatsächliche oder vermeintliche Verfehlungen der „Etablierten“, kanalisieren daher — auf Wähler-und Mitgliederebene — sehr verschiedenartige Motive, die keineswegs auf einen einzigen ideologischen Nenner zu bringen sind. 5. Vlaams Blök Die Partei Vlaams Blök ist das radikale Entwicklungsprodukt der flämisch-nationalistischen Bewegung in Belgien. Sie entstand Ende der siebziger Jahre als Abspaltung von der flämischen Sprachen-partei Volksunie (Volkseinheit), die einen Prozeß politischer Öffnung durchlaufen und mehrheitlich den unter der Regierung Tindemans geschlossenen „Pakt von Egmont“ mitgetragen hatte, eine wesentliche Grundlage für die seitherige Föderalisierung des belgischen Einheitsstaates Der Vlaams Blök repräsentiert diejenigen politischen Kräfte, die für eine noch weiter gehende politische Autonomisierung oder gar Separierung der niederländischsprachigen Landesteile eintreten. Die Einbindung der Volksunie in Koalitionsregierungen führte dem Vlaams Blök gegen das „Kartell“ der „Etablierten“ gerichtete Proteststimmen zu.
Im Vorfeld der Parlamentswahlen vom Dezember 1978 hatte sich eine Gruppierung von der Volksunie abgespalten. Die zwei zunächst konkurrierenden Organisationen Vlaams-Nationale Party (VNP) und Vlaams Volksparty (WP) bildeten ein gemeinsames Wahlbündnis und konnten aufgrund des guten Abschneidens im Bezirk Antwerpen einen Abgeordneten in die Kammer entsenden
Unter der Regie des Journalisten Karel Dillen wurde im Mai 1979 die Partei Vlaams Blök gegründet. Die Organisation konnte im Laufe der achtziger Jahre ihren wahlpolitischen Einfluß nach und nach festigen und ausbauen. So behauptete sie bei den Wahlen von 1981 und 1985 ihren Sitz in der Abgeordnetenkammer und eroberte 1987 aufgrund des guten Abschneidens im Arrondissement Antwerpen, einer Hochburg der Partei, einen weiteren hinzu. Bei den Gemeindewahlen vom Oktober 1988 erreichte sie in zehn Gemeinden insgesamt 23 Sitze. War dem Vlaams Blök bei den Europa-wahlen von 1984 noch der Einzug in das Parlament verwehrt geblieben, konnte er 1989 einen Abgeordneten entsenden. Im Kanton Antwerpen hatte die Partei 20, 6 Prozent der Stimmen erhalten Die Parteiorganisation wurde im Laufe der achtziger Jahre ausgebaut. Der Vlaams Blök hatte nach Angaben der Parteileitung im August 1990 ca. 10 000 Mitglieder. Der Jugendorganisation Vlaams Blök Jongeren sollen 2 500 Mitglieder angehören.
Nicht zuletzt unter dem Eindruck der FN-Erfolge im Nachbarland Frankreich widmete sich der Vlaams Blök seit Mitte der achtziger Jahre verstärkt dem Thema „Ausländer und Asylanten“. Fremdenfeindliche Ressentiments gelten in Belgien vor allem Bevölkerungsgruppen mohammedanischer Konfession, die ein hohes Maß kultureller Eigenständigkeit beanspruchen und sich nur schwer in die weitgehend säkularisierte Gesellschaft integrieren lassen.
III. Vergleichende Betrachtungen
An den Anfang eines Ländergrenzen übergreifenden Vergleichs gehört zunächst der Hinweis auf Eigentümlichkeiten nationaler Art. Der flämisch-wallonische Konflikt etwa ist eine belgische Besonderheit, die Südtirolproblematik eine italienische. Die Kontinuität neofaschistischer parlamentarischer Repräsentation in Italien wäre in der Bundesrepublik vor allem aufgrund der ungleich größeren historischen Belastung durch den Nationalsozialismus undenkbar. Der FN ist als Bewegung gegen die Machtübernahme der Linken groß geworden, während die REP von der Integrationsschwäche der CDU/CSU-Regierungsparteien profitierten.
Auch bei der Abschätzung der Kräfteverhältnisse ist der nationale Rahmen zu beachten. Die 10 000 Mitglieder des Vlaams Blök bedeuten in Belgien etwas anderes als die 15 000 Mitglieder der REP im westlichen Deutschland. Bei der Europawahl von 1989 standen 7, 1 Mio. wahlberechtigten Belgiern 45, 8 Mio. wahlberechtigte Bundesbürger gegenüber Die Mitgliederzahl des Vlaams Blök wäre daher für den direkten Vergleich mit einer Partei in der Bundesrepublik mindestens mit dem Faktor sechs zu multiplizieren. Auf dieser Basis gelangt man bereits zu einer Größenordnung, die an die des FN (65 000 Mitglieder; 37, 3 Mio. Wahlberechtigte) heranreicht. Dagegen behauptet der MSI (ca. 120 000 Mitglieder; 46, 8 Mio. Wahlberechtigte) gegenüber allen anderen Gruppierungen mit deutlichem Abstand seine Spitzenstellung. Dies wird un-terstrichen, betrachtet man die Zahlenstärke assoziierter Organisationen, vor allem die starke Einbindung des MSI im gewerkschaftlichen Bereich (CISNAL). Freilich wird der MSI vom FN im Bereich der Wahlresultate übertroffen. Die REP erreichten in dieser Hinsicht selbst mit ihren beiden Spitzenergebnissen von 1989 nicht das Niveau des FN. Vlaams Blök und Lega Lombarda sind Wahl-organisationen mit regional begrenztem Wirkungsradius. Auf die nationale Ebene hochgerechnet, fallen ihre Ergebnisse noch vergleichsweise bescheiden aus. In Flandern bzw.der Lombardei hingegen haben sie sich zu ernstzunehmenden politischen Kräften entwickelt.
Allen fünf Organisationen ist es — in unterschiedlichem Ausmaß — gelungen, dem Ghetto der Zehntelprozentpunkte zu entkommen und Mandate in Vertretungskörperschaften zu gewinnen. Diese Tatsache hebt sie aus der Vielfalt der in allen europäischen Demokratien vorfindbaren subkulturellen Gruppen heraus, die vergeblich um Einfluß in den institutionalisierten Kanälen der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung ringen. Wie lautet ihr Erfolgsrezept? Was unterscheidet sie von genuin rechtsextremen Formationen?
Der MSI hebt sich in wesentlichen Punkten von den übrigen Wahlbewegungen ab. Er verfügt nicht nur über die am besten entwickelten organisatorischen Strukturen, sondern weist auch die weitaus stärkste historische Kontinuität zu den Faschismen der Zwischenkriegszeit auf. Die Phasen einer Dominanz des neofaschistischen Flügels waren in erster Linie verantwortlich für die anhaltende politische Isolation des MSI. Organisationen wie der FN. die Lega Lombarda, die REP und der Vlaams Blök unterscheiden sich demgegenüber wesentlich vom nationalsozialistischen oder faschistischen Typus. Zwar kultivieren sie ebenfalls antiliberale und antimarxistische Affekte. Ihnen fehlt jedoch sowohl das rassentheoretische Fundament als auch die antibürgerliche und antikapitalistische Komponente. Sie streben keine Totalpolitisierung, keinen revolutionären Wandel und keine radikale Umwälzung der bestehenden Werteordnung an. Ihre politischen Impulse haben eher restaurativen Charakter: Homogenisierung einer multikulturell „entarteten“ Gemeinschaft, Aufwertung überlieferter Formen „guten Zusammenlebens“. Beseitigung der Folgen liberaler „Permissivität“ etwa im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung, Wiederbelebung ihrer Ansicht nach verlorengegangener Tugenden wie Fleiß. Gehorsam, Ordnung und Pünktlichkeit und nachhaltige Stärkung der Staatsgewalt.
Die neuen rechten Wahlorganisationen sind bis zu einem gewissen Grad Protestbewegungen von rechts. Zwar teilen sie deren Skepsis gegen die Her-ausformung zentralisierter Organisationsstrukturen nicht und weisen ein geringeres Maß an Spontanität auf. Sie greifen jedoch wie diese wechselnde Protestthemen auf (Ausländer, Drogen, AIDS, Kriminalität, zu hohe Steuern) und leiten angestauten Unmut auf ihre Mühlen — von prinzipiell system-loyalen bis hin zu fundamentaloppositionellen Standpunkten. Daher sprengen sie den Definitionsbereich eines normativen Typusbegriffs wie „Rechtsextremismus“. Als erfolgreiche Wahlbewegungen sprechen sie Wähler-und Mitgliedergruppen sowohl der rechtsextremen Subkulturen als auch der demokratischen Mehrheitskultur an Da sie in der Übergangszone zwischen extremistischer Sub-und demokratischer Mehrheitskultur angesiedelt sind, kommt es im Inneren der Organisationen häufig zu entsprechenden Flügelbildungen. Die REP können bis heute die Herkunft als rechte Unionsabspaltung nicht verleugnen; sie haben jedoch auch Zulauf aus der rechtsextremen Subkultur um NPD und DVU erhalten. Der FN entstand als originäres Produkt der rechtsextremen Subkultur, übte aufgrund seiner Wahlerfolge bald aber auch Anziehungskraft auf die demokratische Rechte wie die Neogaullisten aus.
Die neuen rechten Wahlbewegungen weisen kein klar umrissenes ideologisches Konzept auf, wie dies etwa von kommunistischen Kaderparteien bekannt ist. Die heterogenen Protestthemen sind jedoch in ein Gedankengeflecht eingebunden, das sich mit den Begriffen „Populismus“ und „Nationalismus“ charakterisieren läßt. Als „Populismus“ kann eine um mehrheitliche Zustimmung werbende Machteroberungsstrategie verstanden werden, die sich auf die Erkenntnis des hypothetischen Volkswillens beruft Eine charismatische Führerpersönlichkeit erkennt die „wahren“ Bedürfnisse des Volkes und gießt sie in politische Formeln. Der Populismus hat stets eine antipluralistische Stoßrichtung, denn in der pluralistischen Demokratie steht der Inhalt des Volkswillens nicht a priori fest; „Gemeinwohl“ geht vielmehr aus dem Wettstreit zwischen unterschiedlichen Meinungen, Interessen und Anschauungen tagtäglich neu hervor
Populismus und Nationalismus, Populismus und Ethnozentrismus sind oft eng miteinander verzahnt. So wie der Populismus eine intime geistig-mentale Verbindung zwischen politischen Führern und Geführten voraussetzt, fordern Nationalismus und Ethnozentrismus die Identifikation des einzelnen mit seiner Gemeinschaft. Der Nationalpopulis-mus trägt damit den Keim der Heterophobie in sich. Denn aus dem starken Wir-Gefühl in der Eigengruppe entspringen vielfach Abgrenzung und Abneigung gegenüber Fremdgruppen. Nicht zufällig korrespondieren Parolen wie „eigen Volk eerst“ (Vlaams Blök), „les franais d’abord“ (FN) und „Deutschland“ zuerst (REP) mit scharfmacherischen Forderungen gegenüber Ausländern.
Ausländer werden von großen Teilen der Bevölkerung aller europäischen Demokratien inzwischen als ein Problem empfunden. Wegen ihrer freiheitlichen Ordnung wie auch ihrer ökonomischen Prosperität üben diese Länder eine große Anziehungskraft aus. Das starke materielle Wohlstandsgefälle zwischen den reichen Industrienationen und den vielen armen Ländern der Dritten Welt wird auch in Zukunft dafür sorgen, daß der Andrang von außen ein innenpolitisches Problem bleibt. Die nationalpopulistischen Parteien profitieren von Vorurteilen gegenüber Fremden ebenso wie von verbreiteten Ängsten um die Bewahrung des materiellen Besitz-standes. In ihrem restaurativen Streben nach der kulturell homogenen Gemeinschaft scheuen sie nicht davor zurück, vorhandene Ressentiments und Ängste zu schüren.
Es wäre allerdings gänzlich verfehlt, betrachtete man die neuen rechten Protestparteien nur als Ausdruck politischer Irrationalität. Sie greifen durchaus reale gesellschaftliche Probleme auf, werden von vielen Wählern gezielt als „pressure group“ gegen die Behäbigkeit und Saturiertheit der „Altparteien“ unterstützt. Das vorhandene Protestpotential wird nur dann unter Kontrolle zu halten sein, wenn es den demokratisch verantwortlichen Politikern gelingt, pragmatische Lösungen anzubieten, die sowohl humanitären Erfordernissen entsprechen als auch Wünschen und Interessen der einheimischen Bevölkerung Rechnung tragen.