I. Einleitung
Das Ausmaß des Drogenproblems und insbesondere die damit offensichtlich einhergehende Gewaltkriminalität beunruhigen die amerikanische Bevölkerung in zunehmendem Maße. In einer Gallup-Meinungsumfrage vom September 1989 bezeichneten 63 Prozent der Bevölkerung den Drogenmißbrauch als das größte soziale Problem in den USA -Diese Einschätzung wird durch die Berichterstattung in den Medien bestätigt, in denen Meldungen über die mit dem Drogenhandel bzw.
Drogenmißbrauch einhergehende Gewaltkriminalität und über das soziale Elend Drogenabhängiger jeden Alters zur Tagesordnung gehören.
Drogenhandel und -mißbrauch bewirken jedes Jahr einen enormen Schaden für die amerikanische Gesellschaft. Allein die volkswirtschaftlichen Kosten der Drogenkriminalität sowie der infolge von Drogenmißbrauch verminderten Produktivitätsraten und steigenden Gesundheitskosten werden auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar geschätzt Obgleich die Zahl der Verhaftungen wegen Drogendelikten und ebenso die Menge der beschlagnahmten Drogen zugenommen haben, sind die Preise auf den Drogenmärkten bis vor kurzem gefallen, und die Versorgung mit illegalen Drogen ist unverändert gut Ungeachtet aller bis dahin erfolgten Bemühungen der US-Regierung haben sich Angebot und Nachfrage marktgerecht reguliert.
Die Statistiken über die Entwicklung des Drogen-konsums sind jedoch uneinheitlich. Die bisher vorrangig zur offiziellen Trendanalyse benutzten Daten unterstützen die vorherrschende Einschätzung der Lage nicht mehr. Sie zeigen seit 1988 erstmals rückläufige Zahlen für den Gebrauch illegaler Drogen an Auch die neuesten Informationer die Preisentwicklung auf dem Kokainmarkt dem erstmals steigende Preise und nachlas Reinheit gemeldet werden, scheinen darauf weisen, daß die drakonischen Bekämpfungsn den der letzten Jahre Früchte zu tragen begim Diese erfreulichen Nachrichten müssen alle mit Vorsicht interpretiert werden. Andere kürzlich veröffentlichte Untersuchungen, eher auf eine Verschiebung des Drogenkonsr bestimmten Bevölkerungsgruppen hin als aul generellen Rückgang des Drogenproblems
Der „Krieg“ gegen Drogen wird auch von Prä Bush fortgesetzt. Die unter Reagan erlassen setze zur Bekämpfung des Drogenhandel -konsums wurden durch weitere, schärfere nahmen ergänzt, die in der kurzen Zeit seit Inkrafttreten bereits einige weitreichende, te umstrittene Auswirkungen gezeigt haben. 1 neuen Gesetze härtere und längere Strafen hen und vor allem bereits den gelegentliche! sum illegaler Drogen ahnden, ist der Justiza mit einer größeren Anzahl von Tätern für längere Zeiten befaßt. Dadurch sind nicht i Gerichte überlastet und die Gefängnisse füllt sondern auch der Bedarf an Therap zen ist gestiegen
Wie die weiteren Ausführungen zeigen w können etliche der neuen Regelungen zud hebliche Einschränkungen rechtsstaatlicher Grundsätze und persönlicher Freiheitsrechte eines jeden Bürgers nach sich ziehen. Unklare oder nicht vorhandene Ausführungsbestimmungen lassen überdies zu viel Raum für möglichen staatlichen Mißbrauch der Gesetze. Die Einschätzung der Zweckmäßigkeit und Effizienz der neuen Strategien, die im folgenden diskutiert werden sollen, ist allein schon aus diesen Gründen äußerst strittig. Den Schwerpunkt der vorliegenden Studie bildet die Darstellung der (für die inneramerikanische Situation) wichtigsten Teile der von der Bush-Administration konzipierten Drogenpolitik, die vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungstendenzen auf ihre mögliche Reichweite hin untersucht werden sollen.
II. Entwicklungstrend des Drogenkonsums
Die bisher zur Trendanalyse offiziell vorrangig genutzten Statistiken waren 1989 zum ersten Mal Grundlage für positivere Prognosen als in den Jahren zuvor In diesen auf Meinungsumfragen basierenden Analysen kamen Lloyd Johnston und seine Kollegen noch 1986 zu dem Ergebnis, daß junge Leute in den USA generell häufiger zu illegalen Drogen greifen als in irgendeiner anderen industrialisierten Nation der Welt 1985 hatten 75 bis 80 Prozent aller Erwachsenen bis Mitte zwanzig eine illegale Droge ausprobiert, und einer von 20 Amerikanern zwischen 19 und 27 rauchte täglich Marihuana. Dieser Trend ist 1989 um mindestens ein Drittel zurückgegangen Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, William Bennett, erklärte daraufhin Anfang März dieses Jahres, daß die Statistiken einen Rückgang des Kokainmißbrauchs, „in urban America, black America . . . and poor America“ anzeigten Diese Aussage scheint jedoch insofern fraglich zu sein, als in den von Bennett herangezogenen Statistiken gerade diese, als besondere Problemgruppen angesehenen Bevölkerungsschichten unterrepräsentiert sind Ein völlig anderes Bild ergibt sich beispielsweise aus der seit 1987 durchgeführten Drug Use Forcast. Sie deutet darauf hin. daß sich der Kokain-bzw. Crack-Genuß bei Straftätern aus innerstädtischen Bereichen noch verstärkt hat Zusätzlich ergeben auch die eben angesprochenen Meinungsumfragen, einmal abgesehen von der Kritik an ihrer Exaktheit und 27 rauchte täglich Marihuana.Dieser Trend ist 1989 um mindestens ein Drittel zurückgegangen 11). Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, William Bennett, erklärte daraufhin Anfang März dieses Jahres, daß die Statistiken einen Rückgang des Kokainmißbrauchs, „in urban America, black America . . . and poor America“ anzeigten 12). Diese Aussage scheint jedoch insofern fraglich zu sein, als in den von Bennett herangezogenen Statistiken gerade diese, als besondere Problemgruppen angesehenen Bevölkerungsschichten unterrepräsentiert sind 13). Ein völlig anderes Bild ergibt sich beispielsweise aus der seit 1987 durchgeführten Drug Use Forcast. Sie deutet darauf hin. daß sich der Kokain-bzw. Crack-Genuß bei Straftätern aus innerstädtischen Bereichen noch verstärkt hat 14). Zusätzlich ergeben auch die eben angesprochenen Meinungsumfragen, einmal abgesehen von der Kritik an ihrer Exaktheit 15), daß selbst bei einem Rückgang des Drogenmißbrauchs in der Allgemeinbevölkerung auch 1989 noch immer ein nicht unerheblicher Teil der amerikanischen Bevölkerung Drogen benutzt und mit ihnen handelt 16). Während Drogenmißbrauch früher als eine vorübergehende Erscheinung und als ein Randgruppenphänomen angesehen wurde, hat er sich in den letzten Jahrzehnten auf breitere Bevölkerungsgruppen ausgedehnt 17). Der illegale Drogenkonsum stellt daher nach wie vor ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem dar 18), das sich lediglich langsam von einer mehrheitlich weißen Mittelschicht auf eine mehrheitlich schwarze Unterschicht zu verlagern beginnt.
III. Das Ausmaß des Drogenproblems
Nach Schätzungen des State Departments konsumieren die US-Bürger 65 Prozent aller weltweit produzierten illegalen Drogen Marihuana ist die meistbenutzte illegale Droge. Dabei wird vermutet. daß ungefähr 25 Prozent des Bedarfs in den USA angebaut werden. Von den harten Drogen ist Kokain am weitesten verbreitet. Schätzungen ergaben, daß ca. 22 Millionen Amerikaner Kokain zumindest ausprobiert haben und daß es zwischen zwei und drei Millionen Kokainabhän Prozent des Bedarfs in den USA angebaut werden. Von den harten Drogen ist Kokain am weitesten verbreitet. Schätzungen ergaben, daß ca. 22 Millionen Amerikaner Kokain zumindest ausprobiert haben und daß es zwischen zwei und drei Millionen Kokainabhängige gibt. Besonders der Gebrauch einer verarbeiteten Form von Kokain, Crack, hat in der letzten Zeit enorm zugenommen. Gleichzeitig wird die Zahl der Heroinabhängigen auf eine halbe bis dreiviertel Million geschätzt 21).
Die sozialen Folgekosten des Drogenproblems sind entsprechend hoch. So stieg die Zahl der Todesfälle in Folge von Überdosis zwischen 1986 und 1988 von 4 138 auf 6 756. Die Zahl der Überdosis-Notaufnahmen stieg um ca. 25 Prozent . Auch die Anzahl Neugeborener, die. bedingt durch den Drogen-konsum der Mutter, während der Schwangerschaft drogenabhängig zur Welt kommen, nimmt erheblich zu. Allein New York City verzeichnete einen Anstieg von 248 Prozent im Laufe der letzten zwei Jahre. Selbst in Tallahassee, Florida, einem Ort mit etwa 100 000 Einwohnern, werden jeden Monat etwa 20 „Crack-Babies“ geboren, von denen die Mehrzahl kaum das Kleinkindalter erreichen wird 23). Mit steigendem intravenösem Drogengebrauch nehmen die AIDS-Fälle zu. In New York, der Stadt mit der höchsten AIDS-Rate in den USA, werden 35 Prozent der Erkrankungen auf intravenösen Drogengebrauch zurückgeführt 24).
Das enorme Ausmaß des Drogenmißbrauchs hat das Entstehen eines illegalen Drogenmarktes gefördert, der sich zu dem größten internationalen Kriminalitätsfaktor des vergangenen Jahrzehnts entwickelt hat. Der Gewinn aus dem Verkauf illegaler Drogen wird allein für das organisierte Verbrechen auf 60 bis 150 Milliarden US-Dollar geschätzt und entspricht einem Anteil von 38 Prozent aller organisierten Kriminalität in den Vereinigten Staaten
Die Verbindung von Drogenmißbrauch, besonders aber Drogenhandel, und steigender Gewaltkriminalität tritt gerade in innerstädtischen Armutsvierteln offen und bedrohlich zu Tage Studien in 14 Großstädten ergaben, daß 1988 bei mehr als der Hälfte aller Verhafteten Drogentests positiv waren. Ergebnisse aus Philadelphia und Washington lagen sogar noch höher
Wie bereits oben erwähnt, bekommt auch der Justizapparat das Ausmaß dieses Problems zu spüren. So ist nicht nur die Anzahl der wegen Drogen-delikten Verhafteten seit 1977 um 50 Prozent gestiegen Auch die Zahl der wegen Drogendelikten von Bundesgerichten Verurteilten stieg allein von 1980 bis 1986 um 134 Prozent Ebenso ist die chronische Überbelegung der Gefängnisse nicht zuletzt durch die steigende Zahl verurteilter Drogen-täter bedingt. Während sich die Gefangenenzahlen in Bundesgefängnissen zwischen 1981 und 1989 von 329 821 auf 673 565 fast verdoppelte, nahm der Anteil der wegen Drogendelikten einsitzenden Straftäter allein zwischen 1980 und 1987 um 161 Prozent zu
IV. Entwicklung des Meinungstrends und staatliche Reaktionen
Wirksame Maßnahmen gegen den Mißbrauch illegaler Drogen sind seit mindestens einem Jahrhundert Gegenstand öffentlicher Diskussion. Der jeweilige Meinungstrend, d. h.der vorhandene oder angenommene Druck aus der Bevölkerung, hat gerade in den USA einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Entwicklung staatlicher Reaktionen. Nach den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit verändert sich die öffentliche Meinung gegenüber Drogen zyklisch: Einer zunächst überwältigenden Besorgnis und einem geradezu fieberhaften Engagement folgt nachlassendes Interesse, bis wieder die Verbreitung einer neuen illegalen Droge die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit stimuliert.
In den sechziger und frühen siebziger Jahren standen Marihuana und Heroin im Zentrum öffentlicher Besorgnis. Obgleich sich am Ausmaß des Marihuanakonsums wenig änderte und die Anzahl Heroinabhängiger in diesen Jahren ihren Höhepunkt erreicht, ließ das allgemeine Interesse bald nach. In jener Zeit stellte der amerikanische Kongreß die traditionelle Betonung der Nachschubverminderung in Frage, und die Gesetzgebung tendierte mehr zur Nachfragereduzierung durch Behandlung, Rehabilitation, Aufklärung und andere vorbeugende Maßnahmen
Während die späten Siebziger und frühen Achtziger insgesamt durch eine steigende Toleranz gegenüber dem Gebrauch illegaler Drogen gekennzeichnet waren, kann man seit Beginn der achtziger Jahre deutliche Veränderungen in der öffentlichen Meinung feststellen Entsprechend diesem Bewußtseinswandel setzen die gegenwärtig in Betracht gezogenen staatlichen Bekämpfungsstrategien weniger auf Behandlung und Rehabilitation als auf ein härteres Durchgreifen des Justizapparates. Die veränderte Haltung der Öffentlichkeit dürfte nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen sein, daß die Massenmedien immer häufiger über die mit dem Drogenproblem einhergehenden Gewalttätigkeiten berichten wodurch die in der Bevölkerung bereits vorhandenen Ängste verstärkt worden sind.
V. Neue gesetzliche und institutioneile Rahmenbedingungen
Die Ausweitung des Drogenproblems und die hiermit einhergehenden Wandlungen in der öffentlichen Meinung haben eine Reihe von Gesetzesänderungen bewirkt, mit denen sich die Exekutive auf Bundesebene machtvolle Reaktionswerkzeuge geschaffen hat. Auch in den meisten Einzelstaaten wurden ähnliche Veränderungen vorgenommen.
Der erste dieser aufeinander abgestimmten Schritte des Gesetzgebers war der Comprehensive Crime Control Act von 1984 Er schränkte unter anderem die Möglichkeit der Kautionshinterlegung ein, verschärfte das Strafmaß für Drogendelikte und erweiterte das Beschlagnahmemaß und die Einzugs-befugnisse. Der Anti-Drug-Abuse-Act von 1986 brachte für eine Reihe von Delikten zusätzliche Strafverschärfungen. So wurde u. a. ein Strafminimum für den
Besitz illegaler Drogen festgesetzt, die Strafe für Täter, die wissentlich Jugendliche in ihre Aktivitäten einbeziehen, verdoppelt, und die lebenslange Haftstrafe für führende Köpfe krimineller Vereinigungen gefordert. Das Gesetz enthält außerdem eine Vorschrift zur Ahndung von Geldwäscheaktivitäten auf Bundesebene sowie verschärfte Bank-vorschriften, um diese Geldtransaktionen zu erschweren. Zusätzlich enthält es Bestimmungen, die den Einzug von illegal erworbenen Vermögenswerten ermöglichen.
Der Anti-Drug-Abuse-Act von 1988 ergänzt diese Regelungen nicht nur durch weitere Maßnahmen, auf die im folgenden noch näher eingegangen wird, sondern institutionalisierte die Position des Direktors des Büros für Nationale Drogenkontrollpolitik („Drogen-Zar“), der zugleich Kabinettsrang erhielt. Dieses außerordentlich öffentlichkeitswirksame Amt wurde vorrangig zur Initiierung und Koordination der nationalen Drogenpolitik eingerichtet. Die beiden Strategiepapiere, die diese neue Behörde bislang herausgegeben hat, setzen die Schwerpunkte der Drogenpolitik.
VI. Die Drogenstrategien der Bush-Administration
Das erste ausführliche Strategiepapier zur Verminderung des Drogenmißbrauchs und -handels in den Vereinigten Staaten wurde am 5. September 1989 herausgegeben. Der entscheidende Unterschied zu den Konzepten der vorangegangenen Jahre liegt in der Betonung eines Themas: Auf den gelegentlichen Freizeitkonsumenten illegaler Drogen muß größerer gesellschaftlicher Druck ausgeübt werden. Diese Kontrollpolitik sieht in dem Drogenbenutzer die Basis, auf der die illegale Drogenindustrie beruht und sich ausdehnt. „User accountability“, den Benutzer zur Verantwortung ziehen, ist das leitende Schlagwort der neuen Drogenstrategie
Das zweite Strategiepapier wurde am 25. Januar 1990 herausgegeben. Wie erwartet, brachte es keine grundlegenden Veränderungen. Es enthielt lediglich einige detaillierte Ausführungen zu einzelnen Punkten sowie einen zusätzlichen Budget-antrag für die wichtigsten Drogenkontrollprogramme Insgesamt wurden die Ausgaben des Bundes 1990 auf 10, 6 Milliarden US-Dollar angehoben, das entspricht einer Steigerung von 69 Prozent gegenüber 1989. 1991 wurden für Vorbeugung und Behandlung elf bzw. zwölf Prozent Zuwachs veranschlagt Das Bundesbudget zur Drogenbekämpfung sieht im Haushaltsjahr 1990 7 027, 8 Millionen US-Dollar für Strafverfolgung, 1 118, 1 Millionen US-Dollar für Vorbeugung und 1 337, 3 Millionen US-Dollar für Behandlung vor. 29 Prozent des Budgets stehen somit für Forschung, Aufklärung und Behandlung zur Verfügung Der Schwerpunkt der Drogenstrategie liegt damit unverkennbar auf der Strafverfolgung
Generell intendieren beide Strategiepapiere, das Drogenproblem sowohl auf der Versorger-als auch auf der Konsumentenseite änzugehen. Dabei soll eine Verminderung der Nachfrage nicht nur durch Vorbeugung und Behandlung, sondern vorrangig durch Sanktionen gegen den Drogenkonsumenten erreicht werden. Hierzu werden nicht nur strafrechtliche. sondern auch zivilrechtliche, administrative und gesellschaftliche Kontrollmöglichkeiten gezählt.
Die neuen Regelungen können sich zweifelsohne als machtvolle Werkzeuge im Kampf gegen die Drogenkriminalität erweisen. Ihre Zweckmäßig keit und rechtliche Zulässigkeit sind allerdings vor mehreren Seiten stark in Zweifel gezogen worden Die Kritik bezieht sich zum einen auf die Effektivität und Angemessenheit der Maßnahmer und zum anderen auf die mit ihnen verbundener Einschränkungen persönlicher Freiheitsrechte. Hierbei wird zunächst moniert, daß immer eindeutiger zwischen Drogenstraftätern und „anderen 1 Kriminellen unterschieden wird. Die neuen Gesetze schaffen also quasi ein rechtsstaatlich bedenkliches Zwei-Klassen-Strafrecht, in dem der Faktoi „Drogen“ zum erschwerenden Tatbestand wird. Darüber hinaus steht besonders die Betonung der „user accountability“ im Zentrum der Kritik. Die Abschiebung der Verantwortung auf den Konsumenten erfordert ein gesamtgesellschaftlich „vernünftiges“ Verhalten, Ablehnung von Drogen generell und kriminalisiert bereits den gelegentlichen Gebrauch. Um dieses delinquente Verhalten aus jedem Lebensbereich zu verbannen, werden zunehmend Maßnahmen geschaffen, die jede Benutzung illegaler Drogen aufdecken helfen. Die detaillierte Darstellung der besonders wichtigen Teile der neuen Drogenstrategie soll diese Auswirkungen weiter darlegen. 1. Verlust staatlicher Unterstützungen Die neuen Drogengesetze enthalten Regelungen, die Drogenstraftätern den Zugang zu bestimmten staatlichen Unterstützungen verwehren. Hierzu gehören Subventionen und Stipendien, Verträge, Anleihen und bestimmte Berufs-und Geschäftslizenzen. Es ist durchaus einleuchtend, daß beispielsweise Drogenhändler ihr illegal erworbenes Kapital nicht auch noch mit staatlicher Hilfe in die Geschäftswelt einbringen sollen und Abhängigen aus Sicherheitsgründen die Ausübung bestimmter Tätigkeiten verwehrt wird. Fördermittel für Drogentherapie und staatliche Unterstützung, für die Beiträge geleistet wurden — wie Renten und Krankenversicherung —, sind zwar ausdrücklich hiervon ausgenommen die Unzugänglichkeit staatlicher Mittel nach der Verurteilung erscheint jedoch besonders im Hinblick auf die späte Eingliederung des Drogendelinquenten in die Gesellschaft nicht unproble-matisch. Das „Zwei-Klassen-System" für Straffällige erstreckt sich hier sogar bis in die Zeit nach der Strafverbüßung. Die Einschränkung der Berufsfreiheit durch die Verweigerung von Berufs-und Geschäftslizenzen ist ein zusätzlicher, verfassungsrechtlich bedenklicher Punkt. 2. Der „drogenfreie“ Arbeitsplatz 1986 proklamierte Präsident Reagan sein Programm für ein drogenfreies Amerika Um dieses Ziel zu erreichen, wurden spezielle Forderungen zur Schaffung drogenfreier Arbeitsplätze sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor gestellt. Diese Regelungen fanden auch Eingang in die Drogenpolitik der Bush-Administration
Der umstrittenste Teil ist hierbei die Forderung nach Drogentests am Arbeitsplatz, die als unangekündigte Zufallsstichproben — in der Regel in Form von Urintests — durchgeführt werden sollen. Eine bereits unter Reagan erlassene Verordnung sah unter anderem Stichproben für Angestellte im öffentlichen Dienst in sogenannten „sensitiven Tätigkeitsbeieichen“ vor. Von diesen Regelungen waren 345 000 Mitarbeiter in 42 Bundesbehörden betroffen. Erhebliche gewerkschaftliche Widerstände Probleme’mit der Schaffung einer einheitlichen Regelung für alle Behörden und organisatorische Schwierigkeiten bei der Durchführung sorgten dafür, daß bis heute nur wenige Bundesbehörden tatsächlich Drogentests dieser Art anwenden
Der Einfluß des Staates auf private Arbeitgeber, Drogenprogramme aufzustellen, ist ein besonders delikater Bereich. Der Anti-Drug-Abuse-Act von 1988 verlangt von Unternehmen, die staatliche Subventionen oder Verträge erhalten wollen, sich um einen „drogenfreien Arbeitsplatz“ zu bemühen.
Um dieses Ziel zu erreichen, soll der Arbeitgeber ein Konzept zur Handhabung von Drogenproblemen in seinem Betrieb entwickeln, das Personal über dessen Inhalt und Konsequenzen aufklären und zugleich Hilfsprogramme für abhängige oder gefährdete Arbeitnehmer entwickeln. Außerdem sollen die Abteilungsleiter angeleitet werden, Drogenbenutzer zu erkennen und richtig mit ihnen umzugehen. Zusätzlich sollten Drogentests durchgeführt werden, und auch der Einsatz von verdeckt operierenden Ermittlern („undercover agents“) sowie von optischen und akustischen Überwachungsmethoden ist vorgesehen
Trotz der verfassungs-und arbeitsrechtlichen Probleme sind Drogentests im privaten Arbeitsbereich keine Seltenheit mehr Denn Drogenmißbrauch, nicht beschränkt auf illegale Drogen, ist für etliche Unternehmen ein Problem. Mehrere Studien belegten niedrigere Produktivitätsraten, einen Anstieg von Gesundheitsproblemen und höhere Abwesenheitsraten bei Arbeitnehmern mit Drogenproblemen (inklusive Alkohol) Diese Ergebnisse sind für viele Arbeitgeber, insbesondere für jene, in deren Betrieben das Unfallrisiko hoch ist, ein hinreichender Grund, Drogentests durchzuführen. Grundsätzlich testen eher größere Firmen den Drogenkonsum ihrer Mitarbeiter und bieten Beratungsprogramme an als kleine. Die Kostenfrage dürfte hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Die Drogentests gehören zumeist zu den Einstellungsvoraussetzungen. Immer häufiger sind sie jedoch auch Voraussetzung für Beförderungen und werden im Zusammenhang mit jährlichen Gesundheitskontrollen durchgeführt. Vermehrt werden auch zwischendurch unangekündigte Stichproben vorgenommen, bei denen eine bestimmte Zahl von Arbeitnehmern nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wird
Zu den Schwierigkeiten, die mit der Anwendung der Tests entstehen kommt hinzu, daß die Zuverlässigkeit der Testergebnisse nicht gesichert ist. Eine 20-Prozent-Fehlerquote d. h. 20 Prozent fälschlich positive Ergebnisse, ist bei den haupt-sächlich verwendeten Testmethoden nicht ungewöhnlich
Generell umstritten ist auch die Zulässigkeit der Anordnung. Müssen Arbeitnehmer, selbst wenn keinerlei Verdachtsmomente vorliegen, diesen Eingriff in ihre Persönlichkeitssphäre hinnehmen? Bei Zugführern, Piloten, Busfahrern und Arbeitnehmern in ähnlich sensitiven Bereichen mag die öffentliche Sicherheit Vorrang haben. Gilt dies aber auch für Küchenhilfen, Sekretärinnen, Professoren oder Verwaltungsbeamte?
Nicht minder bedeutsam ist die Frage, wie der Arbeitgeber auf ein positives Ergebnis (=Drogenkonsum) reagieren soll Und wer garantiert, daß die Urinprobe nur auf illegale Drogen getestet wird? Solche Tests können nämlich ebenso Schlaf-und Beruhigungsmittel, Psychopharmaka oder eine Schwangerschaft nachweisen.
Die Zulässigkeit dieser Maßnahmen ist selbst von konservativer Seite in Frage gestellt worden zumal auch ihr Nutzen umstritten ist. Die Kosten, die dem Unternehmen durch die Tests entstehen, sind zunächst nicht außergewöhnlich hoch. Sie liegen zwischen 15 und 25 US-Dollar pro Test. Aber die hohe Rate unsicherer Ergebnisse, die rechtlichen Probleme und „atmosphärischen“ Störungen, die die Tests mit sich bringen, summieren sich zu einem Preis, der sich langfristig nur für Betriebe mit hohem Sicherheitsrisiko, wie z. B. Transportunternehmen, oder größeren Produktivitätsverlusten, bedingt durch Drogenmißbrauch, lohnt. Andere Maßnahmen wie beispielsweise die Schulung von leitendem Personal, Drogenmißbrauch zu erkennen, sind in der Regel ausreichend und wirksam genug Da die neuen Gesetze zur Schaffung eines drogenfreien Arbeitsplatzes jedoch Voraussetzung für den Erhalt staatlicher Mittel und Verträge sind, wird sich ein Großteil der Betriebe der Einführung von Drogentests nicht widersetzen können 3. Zwangsräumung von Sozialwohnungen In der Mehrzahl der Sozialwohnungskomplexe ii gesamten Land zählen Drogenmißbrauch und -har del zu den sichtbarsten und zerstörerischsten Pro blemen Um diesem Problem begegnen zu kör nen, lassen die neuen Vorschriften die Zwang:
räumung von Sozialwohnungen zu, wenn ein Hau:
haltsmitglied in den Drogenhandel verwicke ist Viele Bewohner der Sozialwohnungen untei stützen diese Aktionen. Für sie sind sie ein erste Zeichen, daß gegen die Drogenhändler, die häufi genug den gesamten Wohnbereich terrorisiere und eine ständige, nicht nur moralische Gefahr fü alle Anwohner, besonders aber für Kinder und Je gendliche, darstellen, vorgegangen wird
Die Frage der Effektivität stellt sich jedoch auc hier. Das Justizministerium fördert zur Zeit meh rere Studien, die Aufschluß über den Drogenhan del und seine Akteure in den Wohnkomplexen ge ben sollen. Auch wenn mit endgültigen Ergebnisse nicht vor Anfang nächsten Jahres gerechnet werde kann, ist bereits jetzt erkennbar, daß die Mehrzah der Drogenhändler keine regulären Anwohne sind Dealer von außerhalb operieren aus dei Wohnungen der verarmten Mieter. Es sind oft ge nug alleinstehende Mütter und Abhängige, die sici auf diese Weise ihr kärgliches Einkommen aufbes sern oder ihre Sucht finanzieren. So notwendig e ist, gegen die lebensbedrohende Gefahr der Dro genhändler in den Wohnkomplexen vorzugehen, sfraglich ist dennoch der Einsatz der Zwangsräu mung als Reaktionsmittel. Zu häufig sind Unschul dige, wenn auch wissende, aber hilflose Familien mitglieder betroffen. 4. Spezieller Schutz für Jugendliche Wie bereits die Drogengesetze der Reagan-Adm nistration so beinhalten auch die jüngsten drogen politischen Maßnahmen spezielle Vorschriften, ur Jugendliche vor Drogenmißbrauch und -handel z warnen und zu schützen.
Als Voraussetzung zum Erhalt von Bundeszuschüs sen macht das 2. Strategiepapier Schulen und Uni versitäten strikte Auflagen zur Einführung vo Drogenprogrammen Darunter sind vorrangi Aufklärungs-und Beratungsprogramme zu verste hen, aber auch Drogentests sind in vielen Schule keine Seltenheit mehr. Zur Zeit sind sie allerding noch auf die Athleten der Schulmannschaften be schränkt Maßnahmen gegen Drogenmißbrauch in den Schulen sind notwendig, die Frage ist nur, welcher Art sie sein sollen und welche Folgen sie nach sich ziehen. Selbst die Wirkung von Aufklärungsprogrammen ist umstritten. So haben mehrere Studien demonstriert, daß intensive Drogenerziehung steigenden Konsum bewirkt hat Zudem zielten die Aufklärungskampagnen der letzten Jahre (am bekanntesten ist Nancy Reagans „Just say no“ -Kampagne) vorrangig auf die Mittelschicht und erreichten nur wenige in den innerstädtischen Armutsvierteln Die Frage bleibt auch hier, ob das Drogenproblem mit intensiverer öffentlicher Aktivität gelöst oder zumindest verringert werden kann, und welche Reaktionen auf nachgewiesenen oder vermuteten Drogengebrauch oder -handel folgen sollen: Wie viele positive Tests haben eine Suspendierung des Schülers zur Folge? Wo bekommt er Hilfe und was geschieht mit ihm, wenn er von der Schule verwiesen wird?
Als weitere Schutzmaßnahme wurde der Strafrahmen für Drogenhändler, die wissentlich Jugendliche für ihre Aktivitäten einsetzen, ausgedehnt. Kinder und Jugendliche werden häufig als Mittelspersonen für Jen Drogenhandel benutzt. Als Wachposten warnen sie ihren „Boss“ vor herannahender Polizei, als Helfer kümmern sie sich um den Transport, die Aufbewahrung oder den Verkauf kleinerer Drogenmengen. Da sie nur geringe Strafen zu erwarten haben und erhebliche Profite erzielen können ist der Anreiz, insbesondere für Jugendliche mit wenigen Alternativen, groß, zumal sie sich in diesem „Gewerbe“ auch noch relativ schnell „hocharbeiten“ können -Ihr Einsatz minimiert das offene Handeln des erwachsenen Dealers und senkt so sein Risiko, gefaßt zu werden. Allein dieser Vorteil stellt schon in Frage (wenn man überhaupt solche rationellen Überlegungen unterstellt), ob eine schärfere Strafdrohung der Dealer davon abhalten wird, Jugendliche als Helfershelfer und Komplizen zu benutzen. Auch trifft die schärfere Strafandrohung nicht die jugendlichen Dealer, die wiederum noch jüngere für sich arbeiten lassen.
Zur Unterstützung der bereits von Reagan begonnenen und von Bush übernommenen Kampagne für drogenfreie Schulen wurden Bestimmungen erlas-sen, nach denen Drogenhändler, die in Schulnähe operieren, härter bestraft werden. Entsprechend diesen Regelungen wurden nicht nur die Schulen selbst, sondern auch deren nähere Umgebung zu „drug free school zones“ erklärt Die Notwendigkeit, Schulen sicherer zu machen und nicht zum Drogenumschlagplatz werden zu lassen, ist besonders in innerstädtischen Bereichen mehr als offensichtlich. Die Gewalttätigkeiten, die mit dem Drogenhandel einhergehen und diese Schulen betreffen, lassen sich an einem Beispiel einer Washingtoner Schule anschaulich demonstrieren: Die schwere Stahltür, die das Gebäude abschließt, ist von Kugeln durchsiebt. Etliche Schulen fühlten sich veranlaßt, Metaldetektoren einzuführen, um Waffen zumindest aus dem Schulgebäude fernzuhalten. Die Schulhöfe und der Schulweg sind damit noch nicht gesichert. Die Wirksamkeit dieser „SchoolZone“ -Regelungen ist umstritten. Gerade in den besonders betroffenen Großstadtbereichen bewirkt die Bebauungsstruktur, daß ganze Viertel von den „Zonen“ umfaßt sind, was mit sich bringt, daß Drogentäter in diesen Gebieten generell härtere Strafen zu erwarten haben. Die besondere Schutzbedürftigkeit der Schulkinder kann als Argument für die je nach Tatort unterschiedliche Bestrafung des gleichen Delikts gewertet werden. Die höheren Strafen belasten jedoch zusätzlich den sowieso bereits überforderten Justizapparat in den innerstädtischen Bereichen, während ihre Auswirkungen auf den Drogenhandel fraglich sind. Denn abgesehen von der geringen Wahrscheinlichkeit, daß Dealer ihre Drogengeschäfte bewußt einige Straßen von den Schulen entfernt abwickeln, um einer höheren Strafe zu entgehen, kann die mögliche Konsequenz dieser Regelung nur in einer Verlagerung des Drogenhandels in andere Stadtviertel liegen. 5. Beschlagnahmung und Einzug von Gewinnen aus dem Drogenhandel Um dem illegalen Drogengeschäft den Anreiz zu nehmen, erweitern die neuen Gesetze die Möglichkeiten des ersatzlosen Einzugs der Gewinne aus dem Drogenhandel, erleichtern die Aufdeckung und erschweren die Umwandlung illegaler Gewinne in legale Anlagen. Ähnliche Bestimmungen finden sich auch auf der Ebene der Einzelstaaten „Asset forfeiture" (AF), das schlagkräftige Instrument der Strafjustiz, bezieht sich auf den gesetzlichen Prozeß, der es dem Staat ermöglicht, Eigen-tum, daß mit einem Drogendelikt in Zusammenhang gebracht werden kann, ersatzlos einzuziehen Während ursprünglich nur Drogen und Geld, das für deren Erwerb benötigt wurde, unter diese Regelung fielen, sind sie in den letzten Jahren auch auf andere Vermögenswerte ausgedehnt worden. Dazu gehören zunächst alle Mittel zu Herstellung, Aufbewahrung und Transport von Drogen. Gemeint waren damit anfänglich Kanister, Labor-utensilien und -geräte. Heute sind Kraftfahrzeuge, die für den Transport oder als Verhandlungsort benutzt werden, neben Geld und Drogen der am häufigsten beschlagnahmte Gegenstand Gebäude, die für die Transaktionen benutzt werden, fallen ebenso unter die veränderten Regelungen. Entscheidender als die erweiterte Begriffsauslegung ist die Einbeziehung von Vermögenswerten, deren Erwerb auf illegal erzielten Gewinnen beruht. Unter dieser Bestimmung kann jeder Vermögenswert, der nachweislich mit Gewinnen aus dem Drogenhandel erworben wurde, unumschränkt eingezogen werden. Die Intentionen sind zwar plausibel, aber diese Regelungen bergen immense rechtliche Probleme und können erhebliche ethische und sozialpolitische Konflikte auslösen. So ist es besonders bedenklich, daß für den ersatzlosen Einzug keine Verurteilung des Verdächtigen vorliegen muß. Ein gerichtliches Verfahren erfolgt auf Bundesebene nur bei Werten über 100 000 US-Dollar, ansonsten lediglich nach Anfechtung des Einzugs-bescheides, über den dann ein in der Regel zivilrechtliches Verfahren, das unabhängig vom Strafverfahren stattfindet, entscheidet. Für den ersatzlosen Einzug reicht die nachgewiesene, dem Eigentümer bekannte Verbindung zwischen dem Vermögenswert und dem Drogendelikt aus. Selbst in komplexen Fällen, in denen beispielsweise mit Drogen-geld, das in aufwendigen finanziellen Transaktionen verborgen und vermehrt wurde, Häuser, Geschäftsanteile etc. erworben wurden, reicht der (wenn auch fundierte) Nachweis aus, daß der Besitzer des Gegenstandes keine legalen finanziellen Mittel besaß und somit der Erwerb durch Drogen-geld angenommen werden kann. Diese bereits in sich etwas heikle Fiktion kann, nicht nur während des langen Zeitraumes bis zum endgültigen Gerichtsentscheid, in der die beschlagnahmten Vermögenswerte in der Regel eingefroren werden, enorme Auswirkungen auf das unwissentlich beteiligte Geschäftsumfeld und andere unschuldig Betroffene haben -Problematisch ist auch die vom U. S. Supren Court bestätigte Praxis, das gesamte Vermögen €nes Angeklagten bereits vor dessen Verhandlur einzuziehen, selbst wenn ihn dies ohne finanziel Mittel für einen Verteidiger läßt Zusätzlich b stehen Bestrebungen, diese Beschlagnahme-ur Einzugsvorschriften auch auf nicht drogenbezoger Verbrechen auszudehnen. Dies ist in einigen Ei zelstaaten bereits seit längerem möglich.
Die Anwendung dieser Bestimmungen hat auf Bu desebene in den letzten Jahren enorm zugenor men. Eine ähnliche Entwicklung findet auch in de Einzelstaaten statt, wobei die Intensität der A Wendung dort mit der Entwicklung entsprechend Gesetzgebung variiert. Ermitteln Bundes-und La desbehörden gemeinsam (joint ventures), erfol der Einzug des Vermögenswertes über die Bunde bestimmungen. In Einzelstaaten, in denen keil oder nur unzureichende Einzugsgesetze vorliege besteht außerdem die Praxis, das Einzugsverfahr nach Abschluß der dafür notwendigen Ermittlu gen an die Bundesbehörden zu übergeben (Ado tionsverfahren). Die folgenden Zahlen belegen a schaulich die verstärkten Aktivitäten des Bund und auch der Einzelstaaten in diesem Bereich: 19! flossen insgesamt 25 Millionen US-Dollar, die nai den Bundesvorschriften eingezogen worden wäre in einen eigens hierfür geschaffenen Fonds. 191 waren es knapp 500 Millionen US-Dollar, und d Tendenz ist steigend
Die Bundesbestimmungen legen fest, daß die Gelder anteilig den an den Untersuchungen teilne menden Behörden zukommen. In Adoptionsve fahren behält der Bund zehn Prozent als Ausgleic für seine eigenen Bemühungen; der Rest geht : die ermittelnden Behörden in den Einzelstaate Hierin liegt auch die besondere Attraktivität dies Programme. Der Einzug von Vermögenswerten Millionenhöhe ist keine Seltenheit. Je nach Gese zeslage in den Einzelstaaten können einzelne Pol zeieinheiten unter Umständen direkten Zugriff 2 diesen häufig nicht unerheblichen Geldsummen h ben. Interesse herrscht daher von vielen Seiten, w; bereits zu mancherlei Konflikten geführt hat Allein auf Bundesebene haben mehrere Abteilungen des Justizministeriums, des Finanzministeriums sowie das Postministerium ein eigenes Einzugs-und Beschlagnahmeprogramm entwickelt
„Asset forfeiture" ist ein machtvolles Instrument im Kampf gegen den Drogenhandel, da es genau dort ansetzt, wo sein Reiz liegt: beim Profit. Es ist eine alternative Sanktionsform, die den Täter auf freiem Fuß läßt, ihn aber dennoch trifft, und es erfordert keine enormen zusätzlichen staatlichen Finanzmittel, sondern bringt dem Staat Geld ein. Und genau dort liegt auch eine seiner Gefahren „Das Instrument der Strafjustiz des 21. Jahrhunderts“ ist in der Tat ein machtvolles, aber nicht ungefährliches. 6. Todesstrafe Das zweite Strategiepapier fordert zusätzlich die Todesstrafe für Drogenstraftäter, die den Tod eines Menschen verschuldet haben, sowie für „Drogenbosse“ Im Gegensatz zu allen anderen westlichen Industrienationen haben die USA die Todesstrafe nicht nur beibehalten und in etlichen Einzelstaaten wieder eingeführt, sondern vollstrecken sie auch. Tatsächlich findet sich die Androhung der Todesstrafe auch in den Gesetzbüchern anderer westlicher Länder, wird jedoch nicht angewandt. Die Vereinigten Staaten praktizierten von Mitte der sechziger bis Anfang siebziger Jahren ebenfalls diese de facto-Abschaffung der Todesstrafe. Der Supreme Court entschied 1972, daß Gesetze, die die Entscheidung über die Verurteilung zum Tode einer Jury oder dem Gericht ohne Ermessensrichtlinien überläßt, verfassungswidrig sind Damit waren fast alle Regelungen zur Todesstrafe auf Bundes-und Einzelstaatenebene hinfällig. 35 Staaten und auch der Bund erließen später neue Gesetze, in denen die vom Supreme Court gerügten Mängel beseitigt waren. 1976 entschied das oberste Gericht dann in mehreren Präzedenzfällen über verfassungsrechtliche Aspekte der veränderten Gesetze und hatte keine Einwände mehr Nach gut zehn Jahren wurde 1977 wieder die Todesstrafe vollstreckt, bis zum 1. August 1988 waren es 101 Exekutionen
Abgesehen von humanitären Erwägungen ist auch die kriminalitätsreduzierende Wirkung der Todesstrafe mehr als zweifelhaft. Nur wenige Wissenschaftler kamen bisher zu dem Ergebnis, daß sie generell abschreckend wirkt Wiederholungen ihrer Studien erbrachten sogar gegenteilige Ergebnisse, oder deuteten auf einen „Brutalisierungseffekt“, durch den sich gar die Mordrate erhöhen würde 7. Behandlungsangebote Wie bereits oben ausgeführt, liegt der Schwerpunkt der Drogenpolitik der Bush-Administration nicht auf der Schaffung von Behandlungsangeboten. Nur knapp 30 Prozent des Gesamtbudgets sind für Therapie, Aufklärungsprogramme und Forschung vorgesehen. Von vielen, selbst von traditionell konservativer Seite, wird bemängelt, daß Behandlungsund Rehabilitationsangebote nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind Auch das zweite Strategiepapier ändert kaum etwas an dieser Situation. Die Gelder sollen vorrangig für die Schaffung von Behandlungsangeboten in Gefängnissen eingesetzt werden. Gleichzeitig wird erneut gefordert, Behandlungsprogramme besser zu koordinieren und nach Effektivitätsgesichtspunkten zu erstellen — keine unbegründete, aber schwer umzusetzende Forderung, denn bis heute ist das Wissen über die Ursachen und Methoden der Behandlung von Drogenabhängigkeit außerordentlich begrenzt. Bei der Mehrzahl der Therapieprogramme ist ungewiß. was nach dem körperlichen Entzug oder nach einer Methadonstabilisierung folgen soll und gerade für Kokainabhängige gibt es — trotz einiger vielversprechender Ansätze — kein nachgewiesen wirksames Programm
Senator Joseph R. Biden, Jr., Vorsitzender des Senate Judiciary Committee, legte als Antwort auf das letzte Strategiepapier ein eigenes Konzept vor, das mehr Gelder für den Therapiebereich vorsieht Abgesehen von Budgetproblemen, die eine aufwendige Finanzierung generell ausschließen bringt Geld allein keine Änderung. Die Entwicklung wirksamer Programme benötigt ebenso Zeit wie eine erfolgreiche Behandlung selbst. — Zeit, die viele nicht Willens sind, zu gewähren Zeit, die viele andere nicht mehr haben. Der Bedarf an Therapieplätzen ist so enorm, daß selbst behandlungswillige verurteilte Abhängige monatelang auf einen Therapieplatz warten müssen. Allein in Washington D. C. wird der Anteil Drogenabhängiger unter den etwa 12 000 auf Bewährung Entlassenen auf 70 Prozent geschätzt. Die Situation erscheint so hoffnungslos, daß jede noch so obskure Behandlungsmöglichkeit genutzt wird Die Notwendigkeit Behandlungsprogramme zu schaffen, wird auch von der Bush-Administration akzeptiert. William Bennett plante beispielsweise für Washington die Einrichtung von 300 ambulanten Behandlungsplätzen ein Anfang, in Anbetracht des enormen Bedarfs jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein.
VII. Ausblick
Charles Murray verglich die Debatte über den Drogenkrieg mit der über den Vietnamkrieg: „Die Parteien sind in Falken und Tauben aufgeteilt. Die Falken erklären uns, daß der Krieg zu gewinnen ist, wenn nur noch ein paar mehr Divisionen in den Kampf geführt werden. Die Tauben — diejenigen, die für eine Legalisierung sind — erklären, daß der sollte. werden “ Krieg überhaupt nicht geführt ) Auch wenn die Zahl derjenigen, die eine Legalisierung befürworten, gering ist, hat die Drogenpolitik der Bush-Administration mehr Kritik als Unterstützung erhalten. Unterschiede in der Bewertung der Zweckmäßigkeit und Effizienz der einzelnen Maßnahmen zeigen sich besonders in den abweichenden Positionen des Republikanischen Präsidenten und der Demokratischen Mehrheit im Kongreß. Letztere kritisieren in erster Linie die Schwerpunktsetzung und fordern mehr Behandlungs-und Aufklärungsprogramme. Diese Forderungen sind um so bedeutsamer, als auch einige Republikanische Abgeordnete den Strategiepapieren kritisch gegenüber stehen und Belege für die Effektivität der Maßnahmen fordern Diese Einschätzungen stimmen weitgehend mit den Ansichten führender Polizeibeamter überein, die von den bisherigen Ergebnissen desillusioniert sind und für mehr Behandlungsprogramme plädieren
Die enormen Summen, die in den letzten Jahren primär für die Strafverfolgung ausgegeben worden sind, haben keine Reduzierung der Drogenkriminalität bewirkt. Neben den allgemeinen Kriminalitätsstatistiken ist ein Indiz dafür zunächst die steigende Rate positiver Drogentests bei Straftätern Ein weiterer Beleg sind die unverändert hohen Zahlen an Gewaltdelikten. Washington D. C. ist in diesem Zusammenhang ein trauriges Beispiel. Obgleich die Stadt besonderes Gewicht auf die Verfolgung von Drogendelikten setzte, konnten Wissenschaftler, die die Entwicklung über mehrere Jahre untersuchten, keinen bemerkenswerten Einfluß auf den Drogenmarkt feststellen. Sie kamen in ihren Analysen sogar zu der beunruhigenden Vermutung, daß die intensive Strafverfolgung die Zunahme des Drogenhandels fördere Die Mordrate stieg ebenfalls bis heute unvermindert an Was können härtere und längere Strafen angesichts eines so weit verbreiteten Drogenproblems ausrichten? Charles Murray rechnet es genau vor: Wenn auch nur 20 Prozent der Benutzer und ungefähr die dreifache Anzahl der bisher verhafteten Dealer festgenommen werden, wären dies 5, 6 Millionen Drogenbenutzer und fast eine Million Drogenhändler Allein schon aus finanziellen Gründen wäre die Verhaftungswelle eine untragbare Lösung.
Das Drogenproblem ist bisher nicht nur wenig effektiv angegangen worden, der „Krieg“ gegen Drogen hat in der Tat auch die ersten Züge eines Ausnahmezustandes mit all seinen negativen Auswirkungen auf eine demokratische Gesellschaft angenommen. Der konservative Ökonom Milton Friedman drückte in einem offenen Brief an William Bennett seine Zweifel an der Richtigkeit der Drogenstrategie aus, die seiner Ansicht nach in unverhältnismäßiger Weise verfassungsrechtlich garantierte Rechte beschränkt Steven Wisotsky erklärte dazu bereits 1987, daß die Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte unglücklich genug wäre, aber zumindest Sinn gehabt hätte, wenn damit wenigstens das Drogenproblem effektiv gelöst wäre. Er fuhr fort: „Es kann jedoch nur als tragisch bezeichnet werden, daß all diese Beschränkungen der persönlichen Freiheitsrechte von einer Verdreifachung des Imports illegaler Drogen in die USA, dem Hervortreten von Marihuana als führendem Agrarprodukt und einem Bestehen auf einer noch weiterreichenden Eskalierung des Drogenkrieges begleitet werden.“ Die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung ist dennoch nach wie vor bereit, einige dieser Rechte zu opfern. Eine Meinungsumfrage im September 1989 ergab, daß 62 Prozent einige persönliche Freiheitsrechte aufgeben würden, wenn dadurch der Drogenmißbrauch erheblich zurückgedrängt werden könnte
Ein positives Ergebnis der bisherigen Kampagnen gegen den Drogenkonsum sind das deutlich erhöhte Problembewußtsein und die wachsende Ablehnung der Allgemeinbevölkerung gegenüber dem Drogenmißbrauch. Allerdings scheint sich eine unterschiedliche Problemperzeption herauszukristallisieren mit einer breiten weißen Mittelklasse-Schicht auf der einen Seite, die illegalen Drogengenuß ablehnt, und einer kleineren Gruppe armer, hauptsächlich schwarzer Großstadtbewohner, die weiterhin und verstärkt zu Drogen greifen. Etliche Kritiker befürchten daher, daß der Drogenkrieg in einen Konflikt zwischen Weißen und Farbigen münden könnte Es besteht die Gefahr, daß diese Gruppe (farbiger) Drogenabhängiger zum nationalen Sündenbock avanciert und entweder extrem harsche Strafen erdulden muß oder von der Gesellschaft vernachlässigt und abgeschrieben wird Möglich wäre auch, daß die Bevölkerung Hilfen für innerstädtische Regionen generell ablehnend gegenübersteht und so die Problematik noch verschärft würde
Die DUF-Ergebnisse lassen wenig Zweifel daran, daß die Drogen-und Kriminalitätsprobleme der innerstädtischen Bereiche nicht eher gelöst werden können, bis die amerikanische Gesellschaft die Grundprobleme von Armut und Diskriminierung angeht. Selbst der „Drogen-Zar“ William Bennett ließ in seinen Reden erkennen, daß auch er die Wurzeln des Drogenproblems in der amerikanischen Gesellschaft sieht. Gleichzeitig glaubt er allerdings auch an die Fähigkeit der Regierung, soziale Veränderungen herbeizuführen Ob Reaktionen, die potentiell verfassungsrechtlich garantierte Rechte gefährden, der richtige Weg sind, ist, wie oben dargelegt, von vielen Seiten angezweifelt worden. Auch die bisherige Wirksamkeit der Drogenpolitik der Bush-Administration wird als wenig positiv angesehen. Wie der Chairman des House Appropiation Committee’s Rep. William H. Nateher es ausdrückte: „I think you’d find generally a consensus that his [Dr. Bennett’s] plans and programs have not been successful."