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Eine neue Sicherheitspolitik — Chance für Europa | APuZ 36/1990 | bpb.de

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APuZ 36/1990 Konventionelle Stabilität und Sicherheit in Europa. Truppenreduktionen, Umrüstungen und Wiener VKSE-Konferenz Eine neue Sicherheitspolitik — Chance für Europa Ökonomische Aspekte der Rüstungskonversion Vom Klassenfeind zum Kameraden? Soziale Deutungsmuster von Offizieren der Nationalen Volksarmee (NVA)

Eine neue Sicherheitspolitik — Chance für Europa

Franz H. U. Borkenhagen

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Eine Neugestaltung Europas erscheint möglich, ein Wechsel von der Konfrontation zur Kooperation ist wahrscheinlich. Eine besondere Rolle spielt bei diesem Wechsel die Sowjetunion. Ihr zunehmend desolater Zustand verlangt nach Hilfe, vor allem, weil das vormals osteuropäische Glacis sich aufgelöst hat. Die Warschauer Vertragsorganisation (WVO) ist überdies funktionsuntüchtig geworden. Aus diesen Entwicklungstendenzen entstehen zugleich Anforderungen an West-Europa, sich der Verantwortung für ein Europa nicht zu entziehen und die für seine Einigung geplanten Projekte auszuweiten. Soll Europa zusammenwachsen, kommt der Sicherheitspolitik die Aufgabe zu, als begleitendes Instrument für eine Einigung Europas zu wirken. Eine zukunftsgerichtete Sicherheitspolitik in und für Europa kann Stabilität im Inneren und in den Beziehungen mit den Nachbarregionen sowie mit den Großmächten erreichen und gewährleisten. Ein „System der Kollektiven Sicherheit in Europa“ (SKSE) bietet Mechanismen an, die das interne Zusammenleben regulieren helfen. Ein System der Kollektiven Sicherheit kann die sicherheits-und verteidigungspolitische Grundlage bieten für Konflikt-und Kriegsverhütung mit Hilfe eines europäischen Krisenmanagements und kollektiver Aktionsfähigkeit.

I. Wandel der Sicherheitspolitik in Europa

Noch vor Jahresfrist galt das Projekt Binnenmarkt ‘ 92 als alleiniger Schlüssel für eine Reform der Strukturen und Interaktionen in West-Europa. Zugleich waren damit auch der Anspruch und die Aussicht verbunden, die beiden Teile Europas näher aneinander zu rücken. Die gewonnene wirtschaftliche Kraft und Attraktivität sollten den Weg dazu bahnen. Möglich schien auch eine Verknüpfung der Sicherheitspolitik mit der geplanten wirtschaftspolitischen Entwicklung. Nicht von ungefähr wurden Rüstungskontroll-und Abrüstungsbemühungen zwischen West und Ost auch im Hinblick auf eine bewußtere Europäisierung vorangetrieben. Die Staaten West-Europas zumindest pochten auf eine stärkere Position und die Berücksichtigung ihrer Belange bei den Verhandlungen zwischen den Vormächten USA und UdSSR.

Inzwischen hat der Umbruch in allen Staaten Ost-Europas die genannten Vorhaben weit in den Schatten gestellt. Die Art und das Ausmaß der Ereignisse sind mit den Begriffen Wandel und Umwälzung nur unzulänglich bezeichnet. Umbruch und demokratische Revolution wirken treffender. Sind die Abläufe in Polen, Ungarn und der SFR schon atemberaubend zu nennen, so erfährt die Verwerfung in Ost-Europa durch die Ablösung des SED-Regimes in der DDR eine zusätzliche und besondere Qualität. Aus der Demokratisierung in der DDR ist die Vorbereitung für eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten entstanden. Sie steht unmittelbar bevor; und bei aller der Dynamik inne-wohnenden Unkalkulierbarkeit kann vorhergesagt werden, daß es im Dezember dieses Jahres ein vereinigtes Deutschland geben wird.

Auch wenn es derzeit so scheinen mag, als verdeckten die deutsch-deutschen Anstrengungen für dieses Zusammengehen alle übrigen Politikfelder — die Probleme der Sicherheitspolitik in und für Europa bleiben gleichwohl signifikant. Mehr noch, die Herausforderungen haben zugenommen: vor allem durch den neuen Status Deutschlands, seinen Stellenwert in Europa, die Beziehungen zu den Großmächten und durch die Einbindung in die NATO oder das „Konzert“ der europäischen Staaten. Es verbietet sich hier eine Vorrangposition Deutschlands und eine Nachordnung Europas. Die Sicherheitspolitik in und für Europa erfährt ihre neue Gestalt durch den Aufbau eines geeinten Europas. Den Anstoß dazu bietet die weitgehend unerwartete Revolution in Ost-Europa; sie ist die Chance schlechthin. Revolutionäre Entwicklungen oder radikale, neue Strömungen müssen aber nicht nur als solche erkannt werden; sie müssen auch genutzt werden.

Ein wesentliches Verdienst für diesen Prozeß kommt zweifellos dem Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, zu. Aus der Erkenntnis, daß das sowjetische System in seiner Starrheit keinen Fortschritt im Inneren und keine Entspannung der Außenpolitik zuließ, wagte er deren Reform. Derzeit scheinen die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, alle weiteren Entwicklungen zu ersticken. Das Bemühen der drei Balten-Staaten um Selbständigkeit, die Bürgerkriege in den südlichen Sowjetrepubliken, der Widerstand der Orthodoxen in der KPdSU sowie die desolate Wirtschaft gefährden die Wandlung der UdSSR. Ihnen stehen gegenüber die Ergebnisse der Verhandlungen mit den USA über Rüstungskontrolle bei den strategischen Nuklearwaffen und die Politik in Ost-Europa, die eine Liberalisierung der Beziehungen erst anstieß. Hierin liegt der wirkliche Ursprung für den Wandel in Europa. Aus diesem Grund besteht auch eine Verpflichtung des Westens, die Politik Gorbatschows zu unterstützen.

Wirtschaftliche Hilfe ist dabei nur ein, wenn auch wichtiger und wirksamer Aspekt. Mehr noch wird sie gestützt durch eine maßvolle Sicherheitspolitik, die die Interessen der Sowjetunion in zweierlei Hinsicht berücksichtigt: Zum einen bedarf es der Respektierung der UdSSR als Siegermacht des Zweiten Weltkrieges, zum anderen sind Stellung und Potential der UdSSR zu beachten. Widrigenfalls tauchen zwei Gefahren auf: Einerseits werden die Innen-und Wirtschaftspolitik, vor allem das Bemühen um Hebung des Lebensstandards in der UdSSR nicht nur gefährdet, sondern blockiert. Daraus ergäbe sich andererseits für die Sowjetunion wahrscheinlich der Zwang zu einer Politik der Konfrontation zwischen Ost und West — mit unübersehbaren Folgen. Instabilität und eine neue Rüstungsspirale würden zu einer weiteren Ära des Kalten Krieges führen. Beide Gefahren gilt es zu vermeiden.

In diesem Sinne ist auch der Zustand der War-schauer Vertragsorganisation (WVO) zu beurteilen. Es ist keineswegs verwegen, zu behaupten, daß die WVO nach dem Herbst/Winter 1989 nicht nur brüchig, sondern handlungsunfähig geworden ist — gemessen an dem monolithisch wirkenden Erscheinungsbild, das sie bis dahin geboten hat. Auch nach der Umwälzung in Ost-Europa besitzt die WVO unverändert ein großes militärisches Potential; es kann aber nicht mehr funktionieren, da die einheitlichen politischen und strategischen Vorgaben fehlen. Überdies bleibt es zweifelhaft, ob dieses Bündnis jemals so stark integriert und in dem vermuteten Maße politisch wie militärisch aktionsfähig und schlagkräftig war. Es darf heute mehr denn je angenommen werden: Der Zusammenhalt zwischen der Sowjetunion und den zu Glacis-Staaten degradierten Verbündeten wurde zuallererst mit Hilfe von Divisionen der Roten Armee gewährleistet. Alle übrigen Instrumente reichten nicht aus, um das Aufbegehren einzelner Staaten zu ersticken. Dieses gelang immer nur durch den sofortigen und unnachgiebigen Einsatz von Streitkräften. Von daher war jede Bedrohungsanalyse falsch, die von der Annahme ausging, die WVO wäre insgesamt in der Lage und willens gewesen, geschlossen anzugreifen. Heute sind zu diesen Unzulänglichkeiten weitere Schwächen hinzugekommen. Abgesehen von der nicht zu erwartenden einheitlichen Willensbildungsfähigkeit sind gemeinsame militärische Aktionen schon gar nicht mehr möglich. Das Rückzugsprogramm für die Rote Armee aus Ungarn und der CSFR sowie die Funktionsunfähigkeit der NVA der DDR haben die WVO von innen ausgehöhlt. In den übrigen Staaten haben Streitkräfte auch aufgrund der wirtschaftlichen Situation nur noch eine untergeordnete Rolle inne. Allenfalls in Rumänien müssen sie im negativen Sinne eine das Regime erhaltende Aufgabe übernehmen. Die Armeen sind folglich als nationale Instrumente zu verstehen. Damit verbunden ist zugleich auch eine bisher nur latent vorhandene und selten angesprochene Gefahr, nämlich die eines Neo-Nationalismus. Sie reicht — bei allem Verständnis für die Balten — von Litauen über die Ukraine bis zum Konflikt zwischen Ungarn und Rumänien. Entsprechend sind weitere Konflikte zu erwarten, wenn der Prozeß der Selbstfindung und -bestimmung vorangeschritten ist und Raum läßt für eine stärkere Betonung der nationalen Eigenständigkeit. Dieser Tendenz kann nur begegnet werden, wenn es rechtzeitig gelingt, ein konfliktregulierendes Sicherheitssystem in und für Europa zu installieren. Ein europäisches Sicherheitssystem, für das der bisherige Ost-West-Konflikt schon Geschichte geworden ist!

Die Anforderungen, die sich aus dieser Konstellation und Zielsetzung ergeben, richten sich an das andere und unverändert funktionsfähig scheinende Bündnis, die NATO. Hinzu kommen aber auch Ansprüche aus der Allianz selbst. Im Vergleich zur WVO könnte der NATO Vitalität und Geschmeidigkeit attestiert werden; sie hat den Wandel offenbar besser überlebt. Die NATO hat sich im Laufe der Zeit zweifellos nachhaltiger zu einem „politischen Club“ gemausert; sie ist dadurch reaktionsfähiger geworden gegenüber politischen Umschichtungen. Ebenso sicher ist aber auch, daß jetzt der NATO zuvor unbekannte Herausforderungen ins Haus stehen. Sie werden ihren Ursprung im wesentlichen im Innengefüge der Allianz haben: Die Streitkräfte der NATO müssen abgespeckt werden; ein Weiterrüsten wie bisher ist nicht möglich. Die bisherigen Ressourcen sind nicht mehr vorhanden, und die noch zur Verfügung stehenden können nicht mehr im bisherigen Umfang genutzt werden. Zum einen wird die politische Zustimmung ausbleiben, zum anderen werden die Mittel dringend benötigt, um den Staaten in Ost-Europa zu helfen und eine schnelle Stärkung der Wirtschaft zu erreichen. Demzufolge sind Richtungsänderungen und ein neues Konzept für die NATO zu formulieren, um den Anforderungen von außen und den Ansprüchen von innen zu begegnen. „NATO was nun?“ lautet die berechtigte Frage, deren Antwort zweifellos mehr als die allgemeinen sieben Punkte des Verteidigungsministers der Bundesrepublik vom Februar 1990 umfassen muß Die Geschehnisse in der Sowjetunion und in OstEuropa überlagern die Suche nach Konzepten. Dieser Wandel erfordert nicht nur Reaktionen herkömmlicher Natur. Es gibt eine tiefergreifende Herausforderung: Das eigene System muß sich ebenfalls wandeln; es kann nicht länger den bisher gültigen Handlungsrichtlinien vertrauen. Sie sind überholt, weil sie für eine andere Staaten-und Konfliktkonstellation sowie für ein anderes militärstrategisches Szenario galten. Demnach muß die bisherige Logik der Abschreckung aufgegeben werden. Eine neue Bestimmung der Aufgaben ist unausweichlich. Entsprechend wird sich bei dieser notwendigen Neuorientierung dann herausstellen, ob die NATO nicht ebenso brüchig ist wie die WVO, und ob ihre Geschmeidigkeit ausreicht, einen Wandel von bisher unbekanntem Ausmaß zu bewältigen. Abgesehen von den politischen und militärischen Notwendigkeiten wird dieser Umbauprozeß noch befrachtet mit der anstehenden Vereinigung Deutschlands und den damit einhergehenden Belastungen und meist ungeklärten Zwängen. Die Staats-und Regierungschefs der NATO haben auf ihrer jüngsten Gipfelkonferenz in London am 7. Juli dieses Jahres in der „Londoner Deklaration über die gewandelte Nordatlantische Allianz“ die Weichen für mehr Beweglichkeit in einer gewandelten Sicherheitsstruktur in Europa gestellt. In sieben Bereichen wird eine Richtungsänderung angestrebt. So soll eine gemeinsame Nichtangriffserklärung mit der WVO vereinbart werden. Überdies soll Präsident Gorbatschow eingeladen werden, vor der NATO in Brüssel zu sprechen. Die deutschen Streitkräfte erfahren eine Limitierung während der nächsten Wiener Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte. Des weiteren ist vorgesehen, die konventionellen Streitkräfte umzustrukturieren und die nuklearen Waffen zukünftig als „letztes Mittel“ in der Abschreckung zu verstehen. Diese Vorhaben werden eingebunden in eine Änderung der NATO-Strategie, die eine Abkehr von der Vomeverteidigung und eine Modifizierung der flexible response beinhalten wird. Zur allgemeinen Steuerung soll die KSZE mit einer entsprechenden größeren Organisation versehen werden Dieser Einstieg in eine Politik der Bewegung zwischen den Blöcken läßt hoffen, obwohl gerade die latenten Vorbehalte seitens Frankreichs und Großbritanniens nicht übersehen werden dürfen, zumal diese auch herrühren aus der Vermutung, Deutschland würde in dieser Konstellation einen neuen, vorteilhafteren Status ihnen gegenüber und in Europa insgesamt gewinnen.

Die Staaten in Europa stehen vor einem riesigen Berg von Problemen. Sein wahres Ausmaß wird derzeit noch durch den Nebel der Euphorie und der berechtigten Freude über die Ablösung des „realen Sozialismus“ verdeckt. Aber der Nebel lichtet sich, die Hindernisse, Ecken und Kanten werden sichtbar. In der Sicherheitspolitik müssen deshalb die Planungen für deren Überwindung und die praktische Umsetzung begonnen werden. Die Aufgabe verlangt eine gemeinsame Anstrengung aller Staaten Europas in Verbindung mit den USA und der UdSSR. Äls Vorgabe für die im folgenden anzustellenden Überlegungen bietet sich ein Merksatz von Wolf Graf von Baudissin an: „Ich glaube, wir sollten unsere politische Phantasie auf ein großes pluralistisches Europa richten, das Sicherheit für alle vor allen bietet und in dem diejenigen, die, aus welchen Gründen auch immer — jedenfalls nicht nur durch eigene Leistung —, besser weggekommen sind, bereit sind, flankierende Hilfestellung für jede gewünschte und selbstbestimmte Gesellschafts-und Wirtschaftspolitik zu leisten.“

II. Sicherheitspolitik als Instrument für eine Einigung Europas

Die Ablösung der bisherigen Ära der Sicherheitspolitik erfordert von den Verantwortlichen Geschick und Einfühlungsvermögen. Deutlich wird bei einer Aufzählung der anstehenden Probleme und Bedingungen, daß die Interdependenzen und Strukturen selten so komplex waren. Gleichzeitig wird erkennbar, daß die Sicherheitspolitik mit ihren Dimensionen Politik, Wirtschaft, Militär, Gesellschaft und dem Feld gesamtpsychologische Situation so beweglich sein muß, daß sie auf jede Veränderung angemessene Reaktionsmuster bereithalten kann. Noch ein weiterer Aspekt scheint durch die Veränderungen in Ost-Europa bewiesen: Militärische Regularien sind in Zukunft weitaus weniger als bisher gefragt; Politik, Gesellschaft und die Beeinflussung der psychologischen Lage dominieren letztendlich. Wirtschaftliche Maßnahmen stehen im Mittelpunkt; Streitkräfte dienen allenfalls als begleitendes Element. Entsprechend sind auch für die anstehenden Aufgaben die Rangfolgen zu wählen.

Sicherheitspolitik wird also nicht die Vorreiterrolle spielen für eine Einigung Europas; sie wird aber als ein komplementäres Instrument gebraucht. Sie soll und muß dazu beitragen, die Bindungen und Prioritäten in Europa zu ordnen, und sie muß helfen, Fehlentwicklungen zu vermeiden. An erster Stelle steht dabei, daß Sicherheitspolitik Mechanismen bereithält, die für eine Konfliktregelung zwischen den Staaten Europas taugen und darüber hinaus angemessen sind für Beiträge zur Stabilisierung in Nachbarregionen. Es wäre nämlich irrig, anzunehmen, daß es konfliktarmen Zeiten entgegengeht. „Im Gegenteil: mit zunehmenden Kontakten und Interdependenzen werden sich die Konflikte mehren.“ Die aus dem Wegfall des gewohnten Feindbildes sich ergebende „Richtungsänderung“ muß zwangsläufig gewandelte Ansprüche, Mittelein-Sätze, Abläufe und Schwerpunkte für Planung und Struktur zur Folge haben. So wie es verfehlt wäre, wenn die bisherigen Gewohnheiten und Aufgaben-raster ohne weiteres auf die neuen Verhältnisse übertragen würden, so wäre es genauso wenig förderlich für den Aufbau einer neuen Sicherheitspolitik für Europa, wenn der demokratischen Revolution ein übergangsloser Bruch der bisherigen Sicherheitsstrukturen folgen würde. Es wäre kaum zu verkraften, weder organisatorisch und noch viel weniger politisch und wirtschaftlich

Als Wegweiser für einen Übergang von der alten blockgebundenen zur neuen europäischen Sicherheitspolitik stehen drei Zielvorgaben oben an: 1. Kollektive Konfliktregulierungsfähigkeit: Sie ist als das Instrument eines europäischen Krisenmanagements gefördert, den Interessenausgleich zwischen den Staaten Europas so zu regulieren, daß aus Konflikten nicht Konfrontationen entstehen. Dazu werden neben allen anderen Mitteln aus Politik und Wirtschaft unverändert Streitkräfte notwendig sein, allerdings mit geänderten Aufgaben-und Zuständigkeitsbereichen. 2. Strategische Stabilität: Sie gilt als Vorgabe für das Verhältnis zwischen Europa und den Nachbarregionen, vor allem unter Berücksichtigung der Interessen der Großmächte. 3. Bündnis von Europa: Es soll die Sicherheitspolitik Europas bündeln in ein System, das die Fähigkeiten zur kollektiven Konfliktregelung und zur Strategischen Stabilität besitzt. Dazu gehören neben einer politischen Union und der wirtschaftlichen Gemeinschaft auch Vereinbarungen über Verteidigungsstruktur, -Strategie und -potential.

Der Leitgedanke für das Zustandekommen des Bündnisses sowie des Umsetzens der genannten Fähigkeiten heißt Empathie: „Das heißt die Bereitschaft, die Bedrohtheitsgefühle und -ängste der anderen Seite zu verstehen und, soweit es die eigene Sicherheit irgend verträgt, zu berücksichtigen. Es verlangt... die folgenreiche Einsicht . . ., daß die innere Stabilität der anderen Seite von existentieller Bedeutung für unsere eigene Sicherheit ist; denn nur auf stabile Systeme ist Verlaß; nur sie bleiben vertragstreu, zuverlässig und berechenbar.“ Dieser Interpretation zufolge ist Empathie sowohl für die Konstruktion des Innenverhältnisses des Bündnisses notwendig als auch für die Sicherheitspolitik im Verhältnis zu den Nachbarn Europas — vor allem gegenüber der Sowjetunion.

Sicherheitspolitik verlangt also in Zukunft mehr denn je ein neues Denken aller Beteiligten. Sie dürfen nicht der Verführung unterliegen, die Sicherheitspolitik „allzu leicht mit verminderter Rationalität und um so stärkeren Emotionen (zu) betrachten. Das ist diesem komplizierten Problemkreis nicht gerade dienlich.“ Diesem Anspruch sehen sich vorrangig die Staaten West-Europas ausgesetzt. Es ist wenig hilfreich und der Lösung zukünftiger Aufgaben der Sicherheitspolitik schon gar nicht förderlich, wenn diese sich ausruhen würden auf der Überzeugung, das westliche Gesellschaftssystem habe das östliche besiegt. Vielmehr sind gefragt Ausweitung und Neuorientierung für die Projekte Binnenmarkt, politische Union und Wirtschaftshilfe. In diesem Zusammenhang sind auch die Ansprüche aus der Dritten Welt nicht zu vernachlässigen.

Interessant wird es sein, welche nationalen Belange im Vordergrund stehen bei der Findung einer neuen Konstellation in Europa. Ihre Sicherheitspolitik ist auf der einen Seite geprägt durch die Stellung Frankreichs und Großbritanniens als Mittelmächte mit nuklearen Waffenpotentialen und deren besondere Bindung zu den Staaten in Übersee sowie den damit verknüpften Verpflichtungen. Gleichzeitig bestehen hier historisch begründete Verbindungen zu Polen und der SFR. In diesem Kontext sind auch die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland zu sehen. Von daher ist das deutliche Bemühen zu verstehen, „die Deutschen“ in ein Bündnis einzubinden. Nicht von ungefähr wird es auch weiterhin das Bestreben Frankreichs und Großbritanniens bleiben, ein einiges Deutschland zu kontrollieren. Dazu bietet derzeit noch die NATO das geeignete Gebilde. Dieses Bemühen wird von den USA unterstützt. Die Premierministerin Thatcher äußert unverhohlen ihre Zweifel gegenüber einem vereinigten Deutschland. Bei den übrigen Staaten West-Europas ist eine Gleichgesinnung zu vermuten, wenn auch indirekter wahrzunehmen. Zusammengefaßt heißt das: West-Europa muß fähig sein, seine Potentiale, Strukturen und Vereinigungsprogramme zu erweitern und als Modell für das gesamte Europa auszubauen — unter Anerkennung osteuropäischer Eigenheiten und Defizite. Abgesehen von nationalen Interessen bildet die Skepsis gegenüber Deutschland ein weiteres Hemmnis für einen raschen und reibungslosen Übergang zu einem Europa. Neudefinition des nationalen Standorts und vertragliche Einbindung und Kontrollmöglichkeit der Deutschen scheinen die Lösungsmöglichkeiten dafür zu sein.

In Ost-Europa ist die Ausgangslage weitaus komplizierter. Mögen auch der Umbruch und die Ablösung der alten Regierungen einen Neuanfang im nationalen Bereich der Staats-und Gesellschaftsordnung erleichtern — die alten Bindungen und Verpflichtungen sowie der Status in der WVO mit der z. T. noch vorhandenen Präsenz von Divisionen der Roten Armee in den Mitgliedsländern erschwe-ren jeden raschen Wandel und die übergangslose selbständige Mitgliedschaft in einem Europa. Hinzukommt, daß die bisherige Blockbildung alte Gegnerschaften zwischen einzelnen Staaten Ost-Europas nur verdeckt hatte. Sie gilt es ebenfalls und gleich zu Beginn einer Neuordnung in geregelte Bahnen zu lenken. Gerade in diesem Sinne ist eine kollektive Konfliktregelung zu fordern. Die größte Schwierigkeit wird eine Ablösung oder Abschaffung der WVO bilden. Derzeit wollen die meisten Mitglieder noch keine Auflösung aber die Ansprüche reichen von Reformen zu mehr Selbständigkeit bis hin zur Auflösung Ungarn wünscht überdies einen Gaststatus in der Westeuropäischen Union

Es wäre für die weitere Entwicklung hin zu einem europäischen Bündnis fatal, gäbe es keine verträgliche Übergangslösung. Jede Radikalmaßnahme verbietet sich, da sie das Verhältnis zur UdSSR übermäßig strapazieren würde. Aus diesem Grund drängt sich für die mittelfristige Sicht auf, einen zweigleisigen Übergang zu finden: Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Reform wird vorangetrieben, um die Ungleichgewichte zu egalisieren. Die Sicherheitspolitik wird dadurch stabilisiert, indem sie in einem Prozeß ähnlich der „Zwei-plus-Vier" -Verhandlungen mit den Beteiligten und unter Einschluß West-Europas und der USA zu einer Über-gangs-und folgend zu einer Neuregelung der Bündnisstruktur in Europa gestaltet wird. Dazu bietet sich das Forum der KSZE an. In diesem Zusammenhang wird die in Ost-Europa gleichermaßen wie in West-Europa virulente Problematik eines einigen Deutschlands zu behandeln sein. Denn mehr noch als im westlichen Teil Europas sind hier die Vorbehalte gegenüber Deutschland gegenwärtig. So ist auch die deutliche Anlehnung Polens an Frankreich zu verstehen. Verstärkt werden diese Ängste auch durch die Sowjetunion, deren zeitweilige Zurückhaltung und Sonderposition bei den „Zwei-plus-Vier“ -Verhandlungen auch aus dem deutschen Überfall von 1941 zu verstehen sind.

Betrachtet man die Interessen West-Europas und die Aufgaben Ost-Europas, so werden stets die Befürchtungen sichtbar, die beide gegenüber einem von ihnen nicht ausgeschlossenen Alleingang der Deutschen haben. Die historischen Beweggründe sind angesprochen. Zu erwähnen sind des weiteren die geopolitische und -strategische Lage, die Deutschland wieder in den Mittelpunkt Europas setzt, und seine wirtschaftliche Potenz, die nach der Vereinigung über kurz oder lang einen weiteren Schub erfahren wird. Nicht zu vergessen ist die deutsche Eigentümlichkeit, Politik, Wirtschaft und militärischen Beitrag nicht immer ohne Übertreibung des Selbstbewußtseins einzubringen. Hinzu kommt die bange Frage: „Kann das normalisierte Nationalbewußtsein wieder in Nationalismus umschlagen?“ Dazu gab es nach dem Fall der Mauer nicht wenige Anzeichen. Die Nachbarn und die Großmächte wurden nicht ohne Grund nervös. „Was sie beunruhigt, war nicht allein die Einheit Deutschlands, sondern auch die Form, in der die Bonner Politiker sich ihrer bemächtigten. So wenig Verdienst sie daran hatten, daß die Mauer fiel, so hemmungslos ließen sich die meisten von einem nationalen Strom fortreißen.“

Aus diesen offenen und verdeckten Vorbehalten erwachsen vor allem der Bundesrepublik Zusatz-aufgaben. Eine erste haben die beiden deutschen Parlamente gelöst, indem sie in getrennten Erklärungen die Westgrenze Polens anerkannten. In diesem Sinne sollte die Bundesrepublik in dem jetzigen fragilen Verhältnis in Europa auf jede Vorreiterrolle verzichten, sondern sich als Partner erweisen, der vor allem die Abstimmung mit seinen Nachbarn sucht und hilft, den europäischen Prozeß voranzubringen. Allenfalls in diesem Ablauf kann die Bundesrepublik den anderen vorangehen, indem sie sich nachhaltiger als andere Staaten einbringt. Eine solche Politik hilft auch den Eindruck vermeiden, als könne ein einiges Deutschland sich gegebenenfalls verstehen als Pendler zwischen West und Ost. Entsprechend verbieten sich alle Bemühungen um eine Neutralität. Nicht nur wäre ein neutrales Deutschland dann ein Fremdkörper in Europa, es schiene auch für die Nachbarn durch den Sonderstatus unkalkulierbar.

Neben diesen Handlungsangeboten kommt der Bundesrepublik eine weitere Aufgabe zu. Sie ist auch aufgrund ihrer Wirtschaftskraft gefordert, die Unterstützung nicht nur auf die DDR zu konzentrieren. Soll es einen raschen wirtschaftlichen Ausgleich zwischen West-und Ost-Europa geben, der auch der staatlichen und gesellschaftlichen Annäherung den Weg bereitet, sind parallele Hilfen für die übrigen osteuropäischen Staaten unausweichlich. „Die Deutschen haben keine , Funktion* als Brücke, keine , Aufgabe* als Vermittler und keine , Rolle* als Friedensengel; sie sind eine europäische Nation wie alle anderen. Wenn sie sich so fühlen und benehmen und wenn die anderen sie so betrachten, dann ist ein Jahrhundertwerk getan: Die deutsche Frage wäre im Sinne der Deutschen und der Europäer gelöst.“

Der bisherige grobgefaßte Katalog zeigt deutlich, daß die Prioritäten bei den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Maßnahmen liegen. Um nicht die Mahnung Baudissins vor zu wenig Rationalität und zuviel Euphorie zu vernachlässigen, sei auch an das militärische Instrument der Sicherheitspolitik erinnert: die Struktur und Strategie eines europäischen Bündnisses. Wie beschrieben, richtet sich auch in diesem Bereich das Augenmerk auf die Bundesrepublik. Sie ist aufgefordert, im Vorfeld der Sicherheitskonferenz der KSZE zum Ende dieses Jahres Entwürfe für eine Konzeption für eine Bündnisstruktur in und für Europa vorzulegen. Es ist letztlich nicht ausreichend, sich auf die Formel zu beschränken, Deutschland als Mitglied der NATO zu belassen. Die unterschiedliche Zuordnung zur Allianz mit einem vollständig integrierten Westteil und mit einem bündnisfreien Ostteil bleibt Stückwerk; allenfalls ist diese Regelung für eine Übergangszeit geeignet. Dringlicher wird deshalb eine Konstruktion, die die einzelnen Staaten als gleichberechtigte und gleichbehandelte Teile eines Europas aufnimmt. Soll dieser Aufbau eines Bündnisses für Europa gelingen und der deutsche Beitrag im zuvor skizzierten Ausmaße eingebracht sowie unter Anerkennung der Nachbarn gestaltet werden können, scheinen drei wesentliche Elemente notwendig:

Zunächst ist als Beispiel für eine gelungene Kooperation in Europa die bisherige deutsch-französische Zusammenarbeit im sicherheitspolitischen Bereich zu nennen. Abgesehen von den französischen Bemühungen um eine Einbindung der Deutschen hatte und hat diese Kooperation ganz einfach auch den Effekt, daß sie eine Aufgabe nationaler Souveränität zugunsten gemeinsamer Aktionsfähigkeit ermöglicht. Dieses enge Zusammengehen ist vor allem effektiv, wenn es andere Staaten von der Teilhabe und -nähme nicht ausschließt, sondern sie vielmehr einlädt. Überdies kann sie als Muster dienen für weitere bilaterale Kooperationen. Eine deutsch-polnische Zusammenarbeit nach diesem Vorbild würde weit über den Versöhnungscharakter hinausreichen. Sie böte vielmehr darüber hinausgehend den Anstoß für weitere zwei-oder mehrstaatliche Vereinbarungen, die als Vorlauf gelten könnten und nutzbar wären für den Aufbau eines Bündnisses von Europa. Neben dem Ergebnis, Bedrohungsgefühle abzubauen, würde es weitreichender sein als die vormals üblichen Nichtangriffspakte. Zudem hätten sie nicht den Charakter, gegen einen Dritten gerichtet zu sein, sondern für eine gemeinsame Aufgabe zu stehen.

Ein weiteres Element für einen gesicherten Aufbau einer europäischen Sicherheitspolitik bildet die Verbindung zu den Vereinigten Staaten und umgekehrt. Nicht ohne Grund bezeichnet der Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Brent Scowcroft, die USA als eine europäische Macht Zum einen gilt es für die Vereinigten Staaten, eine „Festung Europa“ zu verhindern, zum anderen wollen sie keine zu deutliche Anlehnung an die kontinentale Vormacht UdSSR. Ihnen ist an einer Balance gelegen, die ihnen ein Mitspracherecht und mindestens eine Mitgestaltungsmöglichkeit einräumt. Unabhängig davon bleibt die Bereitschaft, den Wandel der Beziehungen zwischen Amerika und Europa anzuerkennen, vor allem, wenn die Europäer mehr Verantwortung und Lasten für die eigene Sicherheit übernehmen. In dieser noch auszubauenden neuen Konstellation liegt zugleich die Chance für die Europäer und ihre Sicherheitspolitik. Zugleich bietet die Verbindung zu den USA die Chance für mehr Selbständigkeit und einen gesicherten Platz zwischen den USA und der UdSSR. Außerdem wird durch die Interdependenz auch Mißbrauch vermieden und möglicherweise eine weitere Einflußmöglichkeit nutzbar gemacht, nukleare Waffenpotentiale europäischer Staaten überflüssig zu machen.

Nicht minder wichtig als die Verbindung zu den USA ist für Europa die Beteiligung der UdSSR bei dem Aufbau einer Sicherheitspolitik in und für Europa. Der Sowjetunion sind in kürzester Zeit die europäischen Glacis-Staaten verlustig gegangen. Ihre Vorstellungen von Sicherheit, Militärdoktrin und -Strukturen haben einen ungeahnten Einbruch erfahren. In Verbindung mit den übrigen Bedrohungen aus dem Inneren ihres Systems bedeutet dieser Verlust eine hochgradige Belastung und Gefährdung. Werden die Belange der Sowjetunion nicht berücksichtigt, ist unter den genannten Vorzeichen eine Überreaktion kaum zu vermeiden. Da diese aber nicht zu wünschen ist, weil ihre Folgen Instabilität und Rückfall in den Kalten Krieg bedeuten würden, ist die Beachtung der sowjetischen Interessen geboten. Zugleich verspricht die Anbindung neben den „elementaren Sicherheitserfordernissen Europas . . . auch Einbindung. Moskau kann man nicht wirtschaftlich fesseln, aber man kann es bis zur Existenznotwendigkeit interessieren. Die Europäer täten gut daran, die krisengeschüttelte zweite Militärmacht der Welt nicht als Randerscheinung, sondern als Teil ihres Kontinents in alle Erwägungen einzubeziehen. Für Rußland gilt das gleiche wie für Deutschland, man darf es nicht ausgrenzen, sondern muß es beteiligen.“

III. Modell für ein Bündnis von Europa

Nach einer längeren Phase der Stagnation gibt es derzeit eine Vielzahl von Erörterungen über die künftige Struktur einer europäischen Sicherheitspolitik. Wolf Graf von Baudissin etwa befürwortet das Fortbestehen der bisherigen Bündnisse, jedenfalls bis zu einer Neuordnung und Strukturfindung in der Weiterentwicklung der KSZE. Er sieht ihren Sinn auch in einer Kontrolle der Deutschen. „Anders ausgedrückt: Wir sind nicht nur in der NATO, um geschützt zu werden, sondern auch, damit die anderen vor möglichen teutonischen Ausflügen sicher sind.“ Weitere Ziele der Bündnisse sind die Intensivierung des Entspannungsprozesses, der Erhalt von Stabilität auch bei steigender innerer Instabilität der Sowjetunion und anhaltender Präsenz der USA. Nachdenkenswert erscheint Baudissin eine Entmilitarisierung der beiden Bündnisse.

Es gibt aber auch Autoren, die eine umfassendere Neuordnung vorschlagen. Gerd Schmückle z. B. fordert die Auflösung von NATO und WVO und an ihrer Stelle ein neues Sicherheitssystem, das sich anfangs auf die Mitglieder eben dieser Bündnisse — also einschließlich der UdSSR — beschränkt. Diese euro-atlantische Vertragsgemeinschaft sollte gesteuert werden durch einen Rat, eine permanente Diplomatenkonferenz und von den Regierungschefs — mit Unterstützung von Militärs -Die Ziele dieser Neuordnung unterscheiden sich nur in Nuancen von denen Baudissins. Auch Walter Stützle plädiert für eine europäisch-amerikanische Allianz unter Einschluß der Sowjetunion. Stützle schlägt eine EATO (Europäisch-Amerikanische-Allianz) vor. Neben den auch von Baudissin und Schmückle genannten Argumenten hebt Stützle die Vorteile einer EATO für die anstehenden Rüstungskontrollverhandlungen hervor. Sie würden bei einem Zusammenschluß zu einer im wesentlichen internen Angelegenheit. Außerdem sieht Stützle die Möglichkeit eines fließenden Übergangs der alten Bündnisse in die neue Allianz. Am einfachsten gelänge dies durch die Einladung der Mitglieder der WVO in die NATO, die ein solches Verfahren, geregelt durch Artikel 10 ihres Vertrages, zuließe

Diese Vorschläge und Überlegungen zeigen nicht nur Übereinstimmungen, sie sind vor allem auch identisch in der Betonung des Vorrangs der Politik. Dessen ungeachtet lassen sie zwei Aspekte etwas unberücksichtigt. Erstens: Gibt es noch eine andere Vereinigungsform, die in der Bündniskonstellation weitergeht, als nur eine Fortsetzung der bisherigen oder eine Verschmelzung derselben zu einer Allianz? Und zweitens: Wäre es dann nicht auch sinnvoll, eine für das weiterentwickelte System angepaßte Verteidigungsstrategie und -Struktur für die unverändert notwendigen Systemstreitkräfte zu skizzieren? Wenn anstelle der alten Antagonismen der Zwang zur Kooperation tritt, sind neue Formen und Aktionen gefragt.

Eine geänderte Sicherheits-und Verteidigungspolitik ist aber nicht nur als Reaktion zu verstehen. Sie dient gleichzeitig als Instrument; mit ihm können neue politische Konstellationen stabilisiert werden. Die Stabilität der Politik wird begleitet und zugleich gefestigt durch eine militärische Stabilität. Allerdings nicht im bisherigen Sinne, nach dem Stabilität zwischen zwei militärischen Potentialen hergestellt werden sollte. Vielmehr bedeutet es jetzt, daß Stabilität im Inneren und gegenüber den Nachbarregionen durch eine gemeinsame Armee erworben wird. Unter anderem wird dadurch verhindert, in einen Neo-Nationalismus in Europa abzugleiten. Gemeinsame Streitkräfte verhindern den Aufbau und das Vorhandensein nationaler Streitkräfte im herkömmlichen Sinne, die also alle möglichen militärischen Funktionen zu Wasser, zu Lande und in der Luft erfüllen können sollen. Da eine ausschließlich nationale Verteidigungsfähigkeit nach diesem Muster bereits heute nicht mehr möglich ist, bleibt ein Bündnis neuen Zuschnitts unausweichlich. Nach diesen allgemeinen Überlegungen muß gefragt werden, ob eine Konstellation für Europa denkbar ist, die den genannten Bedingungen und Erfordernissen entsprechen könnte. Des weiteren muß die Frage gestellt werden, ob es dazu auch eine passende militärische Struktur geben könnte. Sie müßte verträglich sein mit den zuvor genannten Maßstäben sowie die Ansprüche auf Gemeinsamkeit, Internationalität und Kooperation erfüllen. Zur Ablösung der Blöcke empfiehlt sich der Aufbau eines „Systems der Kollektiven Sicherheit in Europa“ (SKSE). Das System der Kollektiven Sicherheit ist zu verstehen als ein System, das sich nicht gegen einen Gegner oder potentiellen Angreifer richtet. „Ferner verpflichten sich die Mitglieder des kollektiven Sicherheitssystems ausdrücklich zur automatischen Friedenssicherung untereinander; und schließlich tritt die Schutzwirkung des Systems unabhängig davon ein, ob ein Nicht-Mitglied der Aggressor ist oder ein Mitgliedstaat.“ Zu den bekannten rechtlichen Grundlagen für ein System der kollektiven Sicherheit gehören unter anderem „die Artikel 52 ff.der Charta der Vereinten Nationen, der Artikel 11 des Paktes der WVO, auch der Artikel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland“ 24).

Die Sicherheitspolitik eines SKSE ist angelegt auf Konßikt- und Kriegsverhütung in Europa, gegenüber den Nachbarregionen und -Staaten und im Verhältnis zu den Großmächten. Ihr erstes sicherheitspolitisches Instrument ist Krisenmanagement. Das zweite heißt kooperative Rüstungssteuerung und bedeutet für das SKSE auch den Abbau von Streitkräftepotentialen sowie die Beschränkung von militärischen Optionen und Fähigkeiten. Sicherheits- und Verteidigungspolitik im SKSE dürfen nicht bedrohend wirken, sie können aber gleichzeitig mögliche, auch neue Bedrohungen nicht ausschließen. Deutlich wird hierbei, daß bei den geänderten Verhältnissen in Europa eine vollständig neue Bedrohungsanalyse angestellt werden muß.

Strategie und Struktur der Streitkräfte in einem SKSE müssen den gesellschaftspolitischen Werten, Normen und Ansprüchen entsprechen und dürfen ersteren nicht zuwider angelegt sein. Sie dürfen auch im Umfang, Aufgabe und Zielverfolgung die Ressourcen nicht überstrapazieren, da sonst die Sozialverträglichkeit gefährdet ist. Gefordert ist darüber hinaus innovative und optimale Ausnutzung der aufgeführten Ressourcen.

Der Wandel von Strategie und Strukturen muß zum einen die Zugehörigkeit zu alten Bündnissen berücksichtigen und einen Übergang in die neue Konstellation ermöglichen. Zum anderen muß er so angelegt sein, daß er mit allen Teilen des Bündnisses verträglich ist. Der Aufbau einer Verteidigungsfähigkeit wird geleitet von dem Maßstab der kollektiven Aktionsfähigkeit. Berücksichtigt werden müssen beim Umbau zum SKSE Teil-und Zwischenlösungsmöglichkeiten, um nationale Bedingungen zu berücksichtigen und Benachteiligungen bzw. Bevorteilungen zu vermeiden. Aus diesem Grund verbietet sich trotz aller politischen Dynamik eine plötzliche Strategie-und Strukturänderung. Gefor

dert ist eine ausgewogene, transparente und evolutionäre Entwicklung 25).

Die Streitkräfte in einem solchen System kollektiver Sicherheit in Europa sollen im folgenden anhand einer kurzen Skizze der sie bestimmenden Strategie und Struktur vorgestellt werden:

Gefordert ist die Einführung einer glaubwürdigen Kriegsverhütungs-und Konfliktverhinderungsstrategie. Wird dieser Forderung konsequent gefolgt, so wird der Weg frei für eine das SKSE glaubwürdig und glaubhaft militärisch untermauernde Militär-strategie der Abhaltung und Abnutzung. Dazu sind die Aufgaben der Strategie in drei Bereiche gegliedert:

In einer ersten Phase wird durch grenznahes Abhalten mit konventionellen militärischen Mitteln gesichert. Überschaubare Gliederung, auf Effektivität ausgerichtete Art und Umfang sowie verteidigungsorientierte Dislozierung ermöglichen eine allgemeine und glaubwürdige Abhaltefähigkeit. Im Falle eines Scheiterns der Abhaltung sind die Bündnisstreitkräfte fähig, in der zweiten Phase mit konventionellen Mitteln die gegnerischen Kräfte wirkungsvoll, nachhaltig und ununterbrochen abzunutzen. Diese notwendige taktisch-operative und in der Reichweite beschränkte konventionelle Kriegsführungsfähigkeit ist grenznah geplant, vorbereitet und angelegt. Die Phasen „Abhaltung“ und „Abnutzung“ werden durch eine dritte Phase erweitert und ergänzt: Ein eingedrungener Gegner soll mit militärischen Mitteln hinausgedrängt werden. Ein Verfolgen der gegnerischen Kräfte und Vergeltungsschläge auf dessen Gebiet sind nicht vorgesehen.

Die drei Phasen unterliegen dem vorgegebenen politischen Primat. Sie sind darüber hinaus im Bündnis abgestimmt. Die Strategie der Abhaltung weist unmißverständlich eine Defensiv-Grundhaltung aus. Eine Bedrohung gegenüber den Nachbarn unterbleibt. Der militärische Schauplatz eines wider Erwarten eintretenden Konflikts bleibt auf den grenznahen Bereich bezogen und wird durch konzentrierten Mitteleinsatz beschränkt. Er kann durch schnelle militärische operativ-taktische Aktionen zügig beendet werden. Die sicherheitspolitischen Grundsätze, die militärstrategischen Konzepte, deren militärische Mittel sowie deren technische und waffenspezifische Bedingungen ergeben keine Fähigkeit, militärischen Einsatz außerhalb des Systemgebietes zu planen oder anzudrohen. Mit dieser Militärstrategie wird nicht gegen einen potentiellen Gegner gezielt, sondern zum defensiven Schutz des eigenen Bündnisses beigetragen. Folglich müssen Umfang, Art und Dislozierung, Bewaffnung, Reichweite, Gliederung und Ausstat-tung der Bündnisstreitkräfte diese Forderungen erfüllen. Das Verteidigungspotential des Systems — die Systemstreitkräfte — rekrutiert sich aus den bisherigen nationalen Streitkräften. Es ist einem Systemkommando oder einer Systemorganisation unterstellt. Der Anteil der Nationen richtet sich aus an den bisherigen Stärken, aber vor allem an geographischen, demographischen und geo-wie militärstrategischen Bedingungen. Im Rahmen dieser vorgesehenen Streitkräfteorganisation für eine defensive Bündnisverteidigung sind unverändert konventionelle Land-, Luft-und Seestreitkräfte notwendig. Sie können nach einer Abstimmung und einer daran angeschlossenen schrittweisen Reform die folgenden Strukturen erhalten:

Die Landstreitkräfte setzen sich zusammen aus: — Grenzsicherheitsverbänden, — Mobilverbänden und — Rückendeckungsverbänden.

Die Luftstreitkräfte setzen sich zusammen aus: — Aufklärungsverbänden, — Luftverteidigungsverbänden, — Luftabwehrverbänden.

Die Seestreitkräfte setzen sich zusammen aus: — Über-und Unterwasserverbänden, — Amphibienverbänden, — Aufklärungsverbänden, — Sperrverbänden, — Raketenabwehrverbänden.

Für die Defensivpotentiale kann eine Teilstreitkraft-Mix-Konzeption vorgesehen werden. Vorstellbar ist eine Aufgaben-und Lastenverteilung, unterschieden nach Teilstreitkräften, aber national gemischt. In einem Modell für die Systemstreitkräfte hieße das möglicherweise: Die Kernländer in Mitteleuropa würden im wesentlichen die Luftverteidigungskomponente übernehmen. Sie müßte gekoppelt werden mit der Landverteidigungsfähigkeit der sogenannten Grenzländer. Hingegen würden die Anrainerstaaten an Nord-und Ostsee sowie am Mittelmeer den Part der Seestreitkräfte übernehmen. Dazu bedürfte es der deutlichen Abgleichung und eines Lastenausgleichs.

Die Multinationalität der Streitkräfte wäre zugleich ein Garant für Effektivität im Bündnis und für militärisches Denken und Handeln im Sinne von Systemverteidigung. Die Systemstreitkräfte würden nicht mehr nach nationalen Gesichtspunkten aufgestellt und nicht mehr nationalen Eigenheiten oder Eitelkeiten folgen, sondern sich an den Bedingungen und Notwendigkeiten der System-Verteidigung ausrichten. Verstärkt würde diese Absicht durch die Einführung einer sogenannten Systemwehrpflicht.

Entsprechend den sicherheitspolitischen, militär-strategischen und System-Vorgaben ist für das SKSE lediglich eine konventionelle Verteidigungsfähigkeit im Rahmen eines Defensivkonzeptes gefragt. Für die Streitkräfte kann eine abgestufte Präsenz vorgesehen werden. Die Wehrpflicht wird im System einheitlich auf zwölf Monate festgelegt. Außerdem sind eine umfassende, effektive und gesellschaftlich, wirtschaftlich und individuell verträgliche Reservisten-Mobilmachungskonzeption und -Struktur herzustellen. Dazu gehört eine gesellschaftlich, beruflich und truppendienstlich verträgliche Einberufung, Ausbildungsplanung und -Organisation für Reservisten. Zusätzlich bedarf es innerhalb des Systems einer einheitlichen Standardisierung, einer wirkungsvollen Logistik und Infrastruktur der Streitkräfte sowie der unterstützenden Organisationen. Für die Teilstreitkräfte müssen neue, detaillierte und alle notwendigen taktischen und operativen konventionellen Einsatzgrundsätze und -bedingungen umfassende Führungsvorschriften erarbeitet werden

Für die geänderten Bedingungen sind Rüstungsforschung und -entwicklung zu ändern und umzuorientieren. Die genannten ergänzenden Maßnahmen können nur einen Teil des umfangreichen Katalogs wiedergeben, der notwendig ist, um Streitkräfte in dieser Form für ein System aufzubauen. Nach diesem Modell übernehmen Streitkräfte eine Schutzmann-Funktion im System der Kollektiven Sicherheit.

Es bleibt auch nach den bisherigen positiven Entwicklungen unbestritten, daß bis zum Erreichen des skizzierten Zieles noch einiges in und an der Sicherheitspolitik verändert werden muß. Aber: Erstens sind, wie dargestellt, vielversprechende Ansätze erkennbar. Zweitens gibt es dringende, wenn nicht lebensbedrohende Zwänge zu einer Änderung. Drittens ist wichtig, daß die Wege und Modelle jetzt grundsätzlich realisierbar erscheinen

Mögliche politische Aktionsfelder sind im wesentlichen eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Sicherheitspolitik und eine Stärkung der europäischen Position bei den Vereinten Nationen. Eine europäische Außenpolitik muß nach gemeinsamen Richtlinien und jeweils untereinander abgestimmt werden und auch unter Preisgabe von Teilbereichen der nationalen Souveränität eine Offensive starten zur Konflikthemmung. Ziel einer solchen übereinstimmenden Politik ist Ausgleich und die Annäherung im Verhältnis zwischen den Europäern und gegenüber den Nachbarn. Dazu gehört vor allem ein einheitliches und gemeinsames Krisenmanagement im Rahmen einer gemeinsamen Sicherheitspolitik. Das Umsetzen des beschriebenen Modells wird nicht ohne vorläufige Einschränkungen auskommen. Sie müssen berücksichtigt werden, wenn das Konzept Chancen für eine Realisierung haben soll. Zunächst bedarf es eines Abgleichs mit den beiden Großmächten. Deren Akzeptanz und Garantie für den Bestand der neuen Verhältnisse in Europa ist Voraussetzung für das Gelingen. In gleichem Maße ist es zwingend, daß die Strukturen und Potentiale der bisherigen Militärbündnisse einfließen können in das System. Denkbar ist ein abgestimmter und vereinbarter Anteil jeder Vertragsorganisation und daraus abgeleitet eine Überwölbung durch das neue Militärsystem im Rahmen kollektiver Sicherheit. NATO und WVO sind gleichzeitig und gleichermaßen umzustrukturieren und abzubauen. Vorhandene Kommunikationseinrichtungen, Logistik und Kasernern können genutzt werden. Parallel dazu gelingt ein Abbau von Gegnerschaft und ein Aufbau von Vertrauensmaßnahmen. Rüstungskontroll-und Abrüstungsschritte werden erleichtert. Das Bemühen um die Einrichtung einer atom-und chemiewaffenfreie Zone Europa erhält neuen Schwung.

Allerdings darf nicht verschwiegen werden, daß die Nuklearmächte Frankreich und Großbritannien einen herausragenden Beitrag leisten müssen: Sie haben auf den Besitz ihrer Nuklear-Streitkräfte zu verzichten. Dieses Ansinnen wird in beiden Staaten auf große Widerstände treffen, die vom jeweiligen Verständnis von Politik und Souveränität in und außerhalb Europas bestimmt sind. Gleichzeitig ist es aber unabdingbar, daß beide Staaten Teile und unverzichtbare Träger des Europas mit geänderten Sicherheitsstrukturen und -funktionen sind. Politische Lösungen sind wahrscheinlich nur möglich durch Zugeständnisse an Forderungen für stärkere Positionen beider Staaten im Gefüge Europas.

In Richtung der Bemühungen um eine geschlossene Sicherheitspolitik in Europa können abschließend noch drei ergänzende Bemerkungen angefügt werden: 1. Die sogenannten möglichen und durchaus erweiterungsfähigen Aktionsfelder wollen eines deutlich belegen: Eine nationale Politik ist ohne Zukunft. Folglich wären nationale Egoismen nicht nur schädlich, ihnen bliebe auch der Erfolg versagt. Die unterschiedlichen Herausforderungen in West, in Ost und zwischen West und Ost sowie zwischen Nord und Süd können nur noch international geregelt werden. Da wir trotz der Weltprobleme von einer Welt-Innenpolitik noch sehr entfernt sind, können die vielschichtigen Aufträge zunächst nur regional bewältigt werden. Von daher hat Europa nicht nur eine Chance, sondern auch eine Verpflichtung, in begrenztem internationalen Rahmen Lösungen zu suchen und anzubieten. Aus diesem Grund besteht die Hoffnung, Konflikte mittels Europäisierung in kooperatives Handeln zu wandeln. 2. Ein europäischer Zusammenschluß und eine Zusammenarbeit können nur produktiv sein, wenn sie mit den übrigen Weltregionen in Interaktion stehen und mit ihnen Politik betreiben, mit ihnen handeln und mit ihnen Gedanken und Kultur austauschen. Eine Abkoppelung ist nicht nur schädlich für alle Beteiligten, sie würde auch die Gefahr der Destabilisierung zwischen den Regionen und möglicherweise auch zwischen den Trägern der einzelnen Allianzen mit sich bringen. 3. Trotzdem wird eine Union der europäischen Staaten nur schwer den Eindruck vermeiden können, zu einer zusätzlichen Großmacht auswachsen und eine Vorrangstellung einnehmen zu wollen. Auch die Verführungen aus dem Zusammenschluß heraus werden nicht ausbleiben. Ihre wirtschaftliche, gesellschaftliche und ihre politische Kraft werden unübersehbar sein und neue Aufgaben mit sich bringen. Wenn aber die militärischen Doktrinen und ihre Aktionsfelder beschränkt und defensiv bleiben, ist eine Selbstbescheidung auf die eingangs geschilderte Funktion als Garant für Kooperation und Sicherheit möglich und durchsetzbar. Mißverständnisse wären nur schwer möglich. Überdies wäre sogar durch ein gemeinsames Kontingent für die „Peace-keeping-forces“ der Vereinten Nationen ein zusätzlicher Beitrag zur globalen Stabilisierung möglich und auch angebracht

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Wolfram von Raven, NATO was nun?, in: Europäische Wehrkunde (EWK), (1990) 3, S. 132.

  2. Siehe dazu Gerhard Stoltenberg, Die Transatlantische Allianz: Lebenswichtiger Faktor der Zukunft, in: ebd., S. 140. Stoltenberg faßt die neuen „Aufgaben für die NATO zur Gestaltung der Freiheit“ in sieben Punkte, die gekürzt wie folgt lauten: 1. Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit; 2. Rahmen für Dialog, Verhandlungen und Kooperation; 3. politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit; 4. Ausgestaltung und Überwachung des gegenwärtigen Rüstungskontrollprozesses; 5. erweiterter sicherheitspolitischer Dialog; 6. Ausbau und Festigung der Europäischen Gemeinschaft; 7. Sicherung der amerikanischen Mitwirkung in Europa.

  3. Vgl. Winfried Münster, Allianz reformiert Verteidigungsdoktrin. Freundschaftsangebot an den Osten, in: Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 7. Juli 1990, S. 1; siehe auch: „Wir reichen die Hand zur Freundschaft“, Auszüge aus dem Abschluß-Communique des NATO-Gipfels in London, ebd., S. 9; R. W. Appel jr., NATO Offers Moscow New Design For Europe, in: International Harald Tribune vom 7. /8. Juli 1990, S. 1, 5; The London Declaration, ebd., S. 5; Karl Feldmeyer, Aus London Friedenssignale der NATO an die Länder des Warschauer Pakts, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 7. Juli 1990, S. 1 f.

  4. Wolf Graf von Baudissin, Zu sicherheitspolitischen Fragen, Manuskript vom November 1989, S. 10.

  5. Siehe dazu Franz H. U. Borkenhagen. Kriterien für einen militärischen Strategie-und Strukturwandel, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43/86, S. 16.

  6. W. Graf von Baudissin (Anm. 4), S. 3.

  7. Vgl. ebd.

  8. Vgl. ebd., S. 2.

  9. Ebd.

  10. Ebd., S. 1.

  11. Vgl. Viktor Meier, Der Warschauer Pakt sucht ein neues Selbstverständnis, in: FAZ vom 8. Juni 1990.

  12. Vgl. B. C., Der Warschauer Pakt beschließt Reformen und denkt an gemeinsame Institutionen mit der NATO, in: FAZ vom 8. Juni 1990.

  13. Interview mit Wjatscheslaw Daschitschew, Der Pakt löst sich schon auf, in: Frankfurter Rundschau (FR) vom 8. Juni 1990.

  14. Ungarn wünscht Gaststatus in der WEU, in: FAZ vom 8. Juni 1990.

  15. Peter Bender, Über der Nation steht Europa: Die Lösung der Deutschen Frage, in: Merkur, (1990) 5, S. 367.

  16. Ebd., S. 368.

  17. Ebd., S. 375.

  18. Vgl. Brent Scowcroft, Die Vereinigten Staaten bleiben eine Europäische Macht, in: EWK, (1990) 3, S. 155 ff.

  19. P. Bender (Anm. 15), S. 375.

  20. W. Graf von Baudissin (Anm. 4), S. 7.

  21. Vgl. Gerd Schmückle, Moskau braucht neue Partner, in: Der Spiegel vom 26. Februar 1990; Feindbilder braucht Europa nicht mehr, in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt vom 23. März 1990.

  22. Vgl. Walter Stützle, West und Ost in einem Bündnis, in: Die Zeit vom 25. Mai 1990.

  23. Dieter S. Lutz, Deutsche Einheit — Europäische Sicherheit oder Brauchen wir noch (deutsche) Streitkräfte?, Hamburger Beiträge zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik, hrsg. vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), Heft 43. Hamburg. März 1990, S. 37. Zu den Überlegungen über ein System der Kollektiven Sicherheit sei auf zwei Beiträge hingewiesen: Karl-Heinz Meyen, Das Konzept der kollektiven Sicherheit, in: Klaus-Dieter Schwarz (Hrsg.), Sicherheitspolitik, Bad Honnef-Erpel 19783, S. 111 — 132; Dieter S. Lutz (Hrsg.), Kollektive Sicherheit in und für Europa — eine Alternative?, Baden-Baden 1985. Vor allem ist es Dieter S. Lutz zu verdanken, daß das Nachdenken über die kollektive Sicherheit erneut angestoßen wurde.

  24. D. S. Lutz, Deutsche Einheit (Anm. 23), S. 36.

  25. Vgl. Franz H. U. Borkenhagen, Militärische Defensiv-konzepte in einem System der Kollektiven Sicherheit (SKS), in: D. S. Lutz, Kollektive Sicherheit (Anm. 23), S. 260— 277; ders., Strukturwandel im Einklang mit dem Bündnis. Mögliche Rahmenbedingungen für eine strukturelle Nichtangriffsfähigkeit, in: Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte (NG/FH), (1987) 5. S. 448-451; ders., Strukturelle Nichtangriffsfähigkeit im Rahmen gemeinsamer Sicherheit, in: NG/FH. (1987) 11. S. 988-992.

  26. Der Begriff „Schutzmann-Funktion“ stammt von Reinhard Gramm (Generaldckan und Leiter des Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr). Er hat ihn unter anderem so erläutert: Der Schutzmann hatte früher die Aufgabe, in seinem Bereich für Ruhe und Ordnung — im guten Sinne — zu sorgen. Von ihm ging keine Bedrohung aus, vielmehr wirkte er als ein Mensch mit einer Funktion, dessen Hilfe gesucht wurde. Heute dürfen Soldaten nicht mehr mißverstanden werden als „Bedrohung-Potential“; sie haben den Auftrag zur Hilfestellung im eigenen Land und im Bündnis. Vgl. Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr (Hrsg.), Streitkräfte im Wandel. Soldat — Schutzmann für den Frieden, Hannover 1990. Die dort gegebene Definition scheint eine treffende Aufgabcnbeschrcibung zu sein für die Streitkräfte in einem zukünftigen System der europäischen kollektiven Sicherheit.

  27. Vgl. Franz H. U. Borkenhagen, Durch Europäisierung zur Kooperation, in: Jörg Calließ (Hrsg.), Die Zivilisierung des Konflikts, Protokoll 4/1989, Loccum 1989, S. 345— 357.

  28. Vgl. dazu Emst Koch, Das Bild des Soldaten in den UN-Friedenstruppen, in: Beiträge aus der evangelischen Militärseelsorge, (1990) 1, S. 5-51.

Weitere Inhalte

Franz H. U. Borkenhagen, geb. 1945; Abteilungsleiter beim Vorstand der SPD; Gründungsmitglied der Studiengruppe Alternative Sicherheitspolitik (SAS). Veröffentlichungen u. a.: Alternativen zur militärischen Sicherheitspolitik, in: Jörg Calließ/Reinhard E. Lob (Hrsg.), Praxis der Umwelt-und Friedenserziehung, Bd. 3, Düsseldorf 1988; Neutralität für Deutschland?, in: Sicherung des Friedens, (1989) 11/12; Kooperative Rüstungssteuerung und Abrüstung, in: Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr (Hrsg.), Streitkräfte im Wandel, Bonn 1990.