Die Zeichen der Zeit scheinen günstig: Frauenrechte und Frauenpolitik werden heute nicht nur von Frauenrechtlerinnen und Vorstandsgremien der im Bundestag vertretenen Parteien gefordert und öffentlich debattiert, manches deutet darüber hinaus auf vielfältigste Erosionen im traditionellen Geschlechterverhältnis hin. Dabei hatte der Terminus „Frauenpolitik“ bis in unsere Tage hinein bei den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen einen herablassenden Klang. Manche, oftmals männliche Vertreter der offiziellen Politik, sahen in ihr ein zwar respektables, aber stets zugunsten der für wesentlicher erachteten anderen Politikbereiche zurückstehendes Problemfeld.
Eine Minderbewertung zeigt sich auch in der fehlenden systematischen Bearbeitung des Themas Frauenpolitik in den dafür zuständigen wissenschaftlichen Disziplinen wie Soziologie, Politikwissenschaft und Geschichte. Es gibt keine einzige systematische vergleichende Untersuchung zur Frauenpolitik der bundesdeutschen Parteien seit dem Bestehen der Bundesrepublik Und auch die neuere Frauenforschung, deren Impulse nach eigenem Anspruch durch eine besondere Nähe zu Themen der Frauenbewegung bestimmt werden, hielt lange Zeit zwar das Private für politisch, aber das Politische, zumindest nach traditionellem Verständnis, für anrüchig 2).
Vierzig Jahre nach Gründung der Bundesrepublik ist es an der Zeit, einen historisch-forschenden Blick zurückzuwerfen und zu fragen: Welche wichtigen frauenpolitischen Themen bestimmten im Verlaufe dieser Jahre die Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik? Welche Frauenpolitiken wurden von den Parteien verfolgt und aufgrund welcher Leitbilder oder Weiblichkeitsmuster durchgesetzt? Ist die derzeitige größere Offenheit der Parteien gegenüber Frauen und ihren Themen ein Beweis der politischen Lernfähigkeit oder nur ein geschickt inszenierter Akt der Beschwichtigung? Die Beurteilung der Frauenleitbilder und -politiken erfordert zunächst einen Rückblick auf die Entwicklung der Frauenpolitik nach 1945.
I. Frauenpolitik nach 1945
1949 hatte der Parlamentarische Rat mit der Verabschiedung des Grundgesetzes ein entscheidendes Votum für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen gegeben, das Gesetzgebung und Rechtsprechung unmittelbar binden sollte. Art. 3 Abs. lautet schlicht und umfassend: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Diese Formulierung machte zahlreiche Bestimmungen des Ehe-und Familien-rechts ungültig bzw. verfassungswidrig. Politische Parteien und ihre Repräsentanten im Parlament waren nun aufgerufen, die rechtliche Gleichstellung durchzusetzen. Der Verfassungsauftrag berührte drei frauenpolitische Kernbereiche: das gesamte Ehe-und Familienrecht, das Nichtehelichenrecht und das Scheidungsrecht.
Da Frauen in der Bundesrepublik die Mehrheit der Wählerschaft ausmachen und die Parteien die Frauen entdeckt zu haben scheinen, sollten diese so freundlich Angesprochenen auch einen Blick hinter die schönen Worte werfen und fragen: „Was haben die Parteien für die Frauen getan?“ 3) In einem historischen Längsschnitt werden die wichtigsten Debatten um frauenpolitische Reformprojekte und die konfliktreiche Geschichte ihrer Durchsetzung exemplarisch analysiert: die Anpassung des Ehe-und Familienrechts an Art. 3 GG durch das sog. Gleichberechtigungsgesetz von 1957; die Reform des Nichtehelichenrechts Ende der sechziger Jahre und die Reform des Ehe-und Familienrechts mit der Novellierung des Scheidungsrechts 1976/77. 1. Das Gleichberechtigungsgesetz von 1957
Da die Verfassungsordnung der Bundesrepublik in bewußtem Gegensatz zur totalitären Politik des Nationalsozialismus an der Würde des einzelnen, an den Menschenrechten auf Freiheit, persönliche Entfaltung und Gleichheit ausgerichtet war, mochten Optimisten damals glauben, daß auch die Gleichberechtigung von Frauen und Männern nunmehr zügig durch die Gesetzgebung umgesetzt und durch die Rechtsprechung erlebbar gemacht werden könnte. Aber das Gleichberechtigungsgesetz mußte eine fast zehnjährige Leidensgeschichte hinter sich bringen, die vor dem Hintergrund einer innen-und außenpolitischen Orientierungssuche der neuen Republik zu lesen ist 4). Die 1957 verabschiedete, überfällige Reform des Ehe-und Familienrechts blieb weiter hinter Die 1957 verabschiedete, überfällige Reform des Ehe-und Familienrechts blieb weiter hinter der Forderung des Grundgesetzes nach tatsächlicher Gleichberechtigung zurück, da die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung durch die „Hausfrauenehe“ weiterhin gesetzlich fixiert war und bis 1977 galt Schon in der 1. Legislaturperiode gab es zahlreiche strittige Punkte, und dies nicht nur zwischen den Parteien. Es ist der auffälligste Unterschied zu späteren Debatten, daß die Konfrontation von unterschiedlichen Meinungen besonders zwischen weiblichen und männlichen Abgeordneten auftrat, so daß von einer Fraktionsdisziplin in dieser Frage nicht gesprochen werden kann 6). Die Parteifrauen argumentierten überwiegend progressiver und eindeutiger für die Zuerkennung der gleichen Rechte als ihre männlichen Kollegen, die Gleichberechtigung häufig als „Gleichmacherei“ diskreditierten.
Strittig waren vor allem die Lohngleichheit 7), der Mutterschutz, das eheliche Güterrecht und die Beschäftigung von Frauen im öffentlichen Dienst 8). Die Duldung nur von unverheirateten Frauen im Erwerbsleben, das offensichtlichste Merkmal einer patriarchalischen Arbeitsmarktpolitik, prägt teilweise bis heute den Geist frauenpolitischer Auseinandersetzungen.
Eine heftige Kontroverse zwischen weiblichen und männlichen Abgeordneten bildete die Frage des Letztentscheidungsrechts des Ehemannes, der nach dem Entwurf der Adenauer-Regierung in das neue Eherecht hineingenommen werden sollte, um — so die Begründung — die natürliche und gottgewollte Ordnung der christlich-abendländischen Ehe und Familie zu gewährleisten. Der Vorschlag lautete: „Die Ehegatten haben alle Angelegenheiten, die das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffen, in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen. Können sie sich nicht einigen, so entscheidet der Mann; er hat auf die Auffassung der Frau Rücksicht zu nehmen. Widerspricht seine Entscheidung dem Wohle der Familie, so ist die Entscheidung für die Frau nicht verbindlich.“ 9)
Erst 1957, kurz vor Ablauf der Legislaturperiode, wurde diese widersprüchliche Rechtskonstruktion zu Fall gebracht. Die christlichen Parteien orientierten sich an der Vorrangigkeit des Art. GG gegenüber Art. 3. Sie sahen es als Aufgabe des Staates an, den Bestand und die Unauflöslichkeit der Ehe zu schützen gegenüber einer als zu weitgehend empfundenen Emanzipation der Frau. „Die Gleichberechtigung findet an den Aufgaben und Pflichten der Familie ihre selbstverständlichen und natürlichen Grenzen.“ Alles, was mit der Zunahme der weiblichen Erwerbstätigkeit zusammen-hing, wurde von der CDU/CSU als familiengefährdend bis ehezerstörend eingeschätzt. Franz Josef Würmeling, 1953 als erster Familienminister berufen, trat als einer der entschiedensten Gegner einer Frauenerwerbstätigkeit auf. Diese habe einen „gemeinschaftszerstörenden Charakter“ weil sie den , Individualismus zu sehr betone
Einig waren sich die Parteien ausschließlich in der Frage des Güterrechts. So wurde die alleinige Verwaltung und Nutzung des Vermögens der Frau durch den Ehemann 1958 abgeschafft. Ebenso konnte er künftig nicht mehr gegen den Willen seiner Frau ihren Arbeitsplatz kündigen. Die „natürliche Aufgabenteilung“ zwischen Mann und Frau in der Ehe, d. h. die Pflicht der Frau zur Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit des Ehemannes, wurde grundsätzlich von keiner Partei in Frage gestellt (außer von der KPD, die aber ab 1956 verboten war). Die SPD verwies zwar auf die tägliche Praxis der Frauen und Mütter, die aus wirtschaftlicher Not erwerbstätig waren. Sie führte aber keine offensive Strategie gegen die quasi-natürliche Zuordnung der Frauen zum Haushalt. Auch in SPDÄußerungen klingen traditionelle Weiblichkeitsvorstellungen an von der „Frau auf ihrem ältesten und unbestrittensten Aufgabengebiet am heimischen Herd“
Nach heftigen Diskussionen auch in der Öffentlichkeit wurde kurz vor Ende der 2. Legislaturperiode das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet. Es trägt seinen Namen zu Unrecht, denn es legte die überkommene patriarchalische Familienordnung als „natürlich“ fest und enthielt zunächst sogar noch den väterlichen Stichentscheid. Dieser wurde aber 1959 durch das Bundesverfassungsgericht zu Fall gebracht.
Im Reformprozeß des Gleichberechtigungsgesetzes spiegelt sich der gesellschaftliche Übergang vom christlich-viktorianisch geprägten Bild der fest in der Ehe verwurzelten Frau und Mutter zu einer liberalisierteren Vorstellung einer sich teilweise aus traditionellen Bindungen lösenden Frau. Eine tatsächliche Gleichberechtigung macht allerdings vor der entscheidenden Barriere einer Infragestellung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung nicht halt. Damit blieb 1957 für weitere zwanzig Jahre das Kernarrangement des Patriarchats unberührt und sogar gesetzlich geschützt. 2. Das Nichtehelichenrecht von 1969/70
Bereits um die Jahrhundertwende war von namhaf -ten Frauenrechtlerinnen eine Veränderung der Ausgrenzung, rechtlichen Diffamierung und Diskriminierung von unehelichen Müttern und Kindern gefordert worden Insofern formulierte das Grundgesetz mit seinem Auftrag an den Gesetzgeber, den „unehelichen Kindern ... die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern“ (Art. 6 Abs. 5), bereits 1949 eine historisch längst überfällige Reform.
Sieht man sich die Debatten an, die um die Reform des Art. 6 Abs. 5 GG in der Öffentlichkeit, in den Parteien und im Bundestag geführt worden sind, so liegt der Gedanke nahe, daß diese Reform nicht wegen der eklatanten Rechtlosigkeit und somit verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Müttern (und Vätern) auf den Weg gebracht wurde. Intention war die Eliminierung der offenkundigsten Diskriminierungen des (im damaligen Sprachgebrauch) unehelichen Kindes, ohne daß man an der prinzipiellen Differenzierung zwischen ehelicher und unehelicher Elternschaft etwas verändern wollte.
Am 1. Juli 1970 trat das reformierte Nichtehelichenrecht in Kraft So bestehen nun zwischen dem nichtehelichen Kind und seinem Vater verwandtschaftliche Beziehungen mit Auswirkungen im Unterhalts-und Erbrecht. Durch den Wegfall der sogenannten „Mehrverkehrseinrede“ und durch sichere Möglichkeiten der Vaterschaftsfeststellung sollen nun Väter stärker in die Pflicht genommen und die Not von nichtehelichen Müttern gemildert werden, unter Umständen ganz allein finanziell für ihr Kind aufkommen zu müssen. Die aus dem vorigen Jahrhundert stammende vielbemühte „Mehrverkehrseinrede“ sowie die Vorenthaltung der vollen elterlichen Gewalt (heute: Sorge) für die Mutter beruhte auf einer Zweiteilung von Frauen in wohlanständige Ehefrauen, mit denen man legitime Nachkommen zu erzeugen habe, und in moralisch minderwertige ledige Frauen, vor deren Ansprüchen und Abkömmlingen der „wohlanständige“ Ehemann und seine Familie denn auch staatlich zu schützen sei. So wurden die Parlamentarier schon in den sechziger Jahren von fortschrittlichen Juristen auf dieses eher antiquierte und mo-ralisch diskreditierende Frauenbild hingewiesen 15).
Frauenpolitisch interessant sind die drei Punkte, zu denen die Parteien jeweils kontroverse Meinungen vortrugen. Da war zunächst die von der CDU/CSU gesehene Antinomie zwischen dem verfassungsrechtlich garantierten „Schutz von Ehe und Familie“ (Art. 6 Abs. 1 GG) und der Aufwertung des nichtehelichen Kindes durch Art. 6 Abs. 5 GG. Daneben herrschten völlig unterschiedliche Auffassungen über die Rolle der ledigen Mutter. Als besonders strittig erwies sich schließlich der Erbrechtsanspruch des nichtehelichen Kindes gegenüber seinem Vater. CDU/CSU und FDP wandten sich grundsätzlich gegen eine Beteiligung des nicht-ehelichen Kindes am Nachlaß, weil sie hierin eine zu starke Beeinträchtigung der ehelichen Familie sahen: hätten doch Ehefrauen und deren Kinder oftmals durch eigene Mitarbeit im väterlichen Betrieb selbst das Vermögen mitgeschaffen, das sie dann mit einem unehelichen Abkömmling teilen sollten. Die SPD und das Bundesjustizministerium jedoch erklärten die Beteiligung des nichtehelichen Kindes am Nachlaß des Vaters für unverzichtbar.
Ebenso grundsätzlich beschworen CDU/CSU und Teile der FDP den Widerspruch zwischen ehelicher und nichtehelicher Elternschaft. „Illegitime“ Kinder und vor allem ihre Mütter existierten nach diesem Bild nur neben der Ehe und wirkten als Störfaktoren und potentielle Gefahr für die christliche Ehe und Familie.
Die SPD hatte durch die gesamte Nichtehelichenrechtsdiskussion ein fortschrittlicheres Frauenleitbild, das weniger an moralischen Normen als an der zum Teil bedrückenden sozialen Situation von ledigen Müttern orientiert war. In der Frage der elterlichen Gewalt zeigten die christlichen Parteien, im Gegensatz zur SPD und FDP, große Vorbehalte gegenüber dem Verantwortungsbewußtsein und der Vernunftfähigkeit von ledigen Müttern. CDU/CSU-Politiker wollten das Vormundschaftsgericht, nicht aber die Mutter in den Rechten über das Kind stärken.
Das Frauenleitbild, das bis heute eine rechtliche Kontrolle der nichtehelichen Mutter legitimiert, wurzelt in einem konservativen Ressentiment, das allein die Ehe als Ansatzpunkt und Maßstab einer staatlichen Familienpolitik begreift und Frauen allein als Ehefrauen für mündig erachtet. Sachverständige aus Landesjugendverwaltungen sprachen sich damals schon für eine Stärkung der nichtehelichen Mutter aus und festigten die sozialdemokratische Position, die sich schließlich durchsetzen konnte. Ähnlich nichtkonform mit den Entwürfen der CDU/CSU argumentierte die damalige Vorsitzende des Unterausschusses zur Reform des Nichtehelichenrechts Elisabeth Schwarzhaupt, die bereits in Fragen des ehemännlichen und des väterlichen Stichentscheids aus der CDU-Fraktionsriege geschert war.
Obgleich das Nichtehelichenrecht entscheidende Verbesserungen für die ledige Mutter und ihr Kind brachte, erscheint es heute, zwanzig Jahre später, auf andere Weise defizitär. Nicht berücksichtigt wird die Zunahme an nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern, die sich selbst. als Familie betrachten -Für den Gesetzgeber sind sie der illegitime Ausnahmefall, er reagiert trotz öffentlichen Drucks nicht auf diese frei gewählte Lebensform die den staatlichen Familienschutz beansprucht.
Frauenpolitisch interessant ist die rechtliche Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Müttern im Hinblick auf die elterliche Sorge, da letzteren für die Vertretung des Kindes von Amts wegen automatisch ein Pfleger beigeordnet wird Vom Juristinnenbund wurde dies bereits in den sechziger Jahren als anachronistisches Kollektivunwerturteil bezeichnet. Darüber hinaus ist die fehlende Entscheidungsfreiheit der Frau, das elterliche Sorgerecht mit dem Vater teilen zu können, eine Frauendiskriminierung. Was als scheinbare Bevorrechtung von Frauen aussieht, ist tatsächlich ein Bumerang. Oft willigen Frauen in eine nicht intendierte Eheschließung ein, weil sie die rechtliche Alleinzuständigkeit als ledige Mutter unakzeptabel finden, vor allem wenn sie in einer langjährigen Partnerschaft mit dem Vater leben. Hier schnappt das gültige Nichtehelichenrecht als „Eheschließungsfalle“ zu. Und das Argument mancher Feministin, endlich ein Recht, das ausschließlich Frauen begünstigt, zu „besitzen“, scheint von dem Gedanken der Rache inspiriert zu sein: Die Väter sollen genauso rechtlos bleiben, wie es Mütter jahrhundertelang waren. Dies fällt in Zeiten ökonomischer Armut von Alleinerziehenden (überwiegend Mütter) auf sie selbst zurück.
Insgesamt steht bis heute hinter dem Nichtehelichenrecht ein prekäres Bild von Nichtehelichen und ihrer Verbindung. Immer noch wird der Vater stark diskriminiert! Er hat noch nicht einmal das Recht auf persönlichen Kontakt zum Kind (§ 1711 BGB). Er erhält damit aber auch den rechtlichen Freibrief, sich nicht „elterlich sorgen“ zu müssen. Diese Regelung präformiert darüber hinaus ein Frauenbild, welches das Frau-und Muttersein aufs engste miteinander verkoppelt und somit die soziale Rollen-aufteilung sanktioniert.
Im Reformprozeß des Nichtehelichenrechts spiegelt sich der gesellschaftliche Erosionsprozeß der bürgerlichen Familie, der bis heute anhält. Und er zeigt die historische Verspätung von Recht und Politik gegenüber gesellschaftlichem Wandel. Der neuen Vielzahl und Variationsbreite von familialen und außerfamilialen, von ehelichen und nichtehelichen Formen des Zusammenlebens, die alle auch in einer einzigen Biographie gelebt werden (können), wird die Politik mit ihrer bipolaren Gegenüberstellung von ehelicher und nichtehelicher Familie nicht mehr gerecht. Die Tatsache, daß heute noch die staatlich schützende Hand ausschließlich auf der ehelichen Familie ruht, und die Bevormundung der ledigen Mütter erscheinen als Relikt einer anachronistischen Familienpolitik mit einem fossilen Frauenleitbild. 3. Das Gesetz zur Reform des Ehe* und Familien* rechts von 1976
Seit Ende der sechziger Jahre registrierte man in der Bundesrepublik eine zunehmende Erwerbsbeteiligung von verheirateten Frauen — auch Mütter von kleinen Kindern — bei ansteigendem Bildungsniveau und eine Zunahme von Ehescheidungen vornehmlich auf Antrag der Frauen. Eine durch die Frauenbewegung seit Beginn der siebziger Jahre in die Öffentlichkeit drängende Thematisierung von bisher verborgenen Problemen wie Gewalt gegen Frauen in der Partnerschaft, Vergewaltigung und alltägliche Diskriminierungsstrukturen trug zur Veränderung des Bewußtseins bei. Mit der Parole „Das Private ist politisch“ formulierten Feministinnen die Bedeutung der privaten Reproduktion für die gesamtgesellschaftliche Produktion im Patriarchat. Sie forderten unüberhörbar das Ende der Frauendiskriminierung in allen gesellschaftlichen Bereichen (in der ersten Phase die Abschaffung des § 218) und die Anerkennung und Neubewertung von Hausarbeit als „Arbeit aus Liebe“ sowie die Wiederaneignung der sexuellen Selbstbestimmung als Absage an das „Fundament männlicher Macht und weiblicher Ohnmacht“ (Alice Schwarzer).
Auch parteipolitisch dokumentierte der Regierungswechsel von 1969 durch die Bildung der sozialliberalen Koalition den sozialen und politischen Umbruch. Vor diesem Hintergrund der veränderten Lebenslagen und politischen Verhältnisse geriet die Eherechtsreform in den siebziger Jahren zu den umstrittensten frauenpolitischen Gesetzen der Nachkriegszeit Auf der parlamentarischen Ebene prallten in den weltanschaulichen Auseinandersetzungen die grundsätzlich kontroversen Frauen-und Familienbilder der Parteien exemplarisch aufeinander. Das erste Gesetz zur Reform des Ehe-und Familienrechts vom Juni 1976, mit dem die Gleichberechtigung der Geschlechter als verwirklicht galt, löste das Ehegesetz des Alliierten Kontrollrats von 1946 ab Zunächst wurde das Namensrecht geändert und entsprach in dieser Form weitgehend den Vorstellungen der CDU/CSU: Die Ehepartner können als Familiennamen den Geburtsnamen des Ehemannes oder den der Frau wählen, ein Partner hat das Recht, seinen Geburtsnamen voranzustellen und somit einen Doppelnamen zu führen, die gemeinsamen Kinder erhalten den Familiennamen. Treffen die Partner keine Bestimmung, so ist der Familienname der Geburtsname des Mannes. Die CDU/CSU begründete die Vorrangstellung des Ehemannes mit der „vielhundertjährigen Tradition im deutschen Rechtsleben und der darauf fußenden Überzeugung des weitaus überwiegenden Teils der Bevölkerung“ Tatsächlich ist es bis heute bei den meisten Frauen üblich, den Geburtsnamen bei der Heirat abzulegen. Insofern konserviert das Namens-recht von 1976 einen Rest von Ungleichbehandlung, die in unserer Gesellschaft als Tradition gilt.
Ein entscheidender Schritt in Richtung auf Gleichberechtigung war die Abkehr von der gesetzlich fixierten Hausfrauenehe. Das neue Recht schreibt keine Rollenaufteilung der Ehepartner vor. § 1356 bestimmt: „Beide Ehepartner sind berechtigt, erwerbstätig zu sein.“ Jedoch wurde die Pflicht der Ehegatten, „bei Erwerbstätigkeit auf den Partner, auf die Kinder und auf die Haushaltsführung Rücksicht zu nehmen“ in der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs wieder geschlechtsspezifisch formuliert: „Die Ehefrau hat. . . in verstärktem Maße auf die Belange der Familie dann Rücksicht zu nehmen, wenn Kinder zu pflegen oder zu erziehen sind.“
Bei der Ehescheidung löste das „Zerrüttungsprinzip“ das „Schuldprinzip“ ab. Außerdem wurden als Kriterien für das Scheitern einer Ehe Trennungszeiten festgelegt, nach deren Ablauf die Ehe als lösbar zu gelten habe: eine einjährige bei einverständlicher Scheidung — diese Möglichkeit gab es vorher nicht — bzw. eine dreijährige bei Widerspruch eines Partners. Das bisherige restriktive Scheidungsrecht hatte sich offensichtlich als ungeeignet erwiesen, den Anstieg der Ehescheidungen aufzuhalten. Beim Zerrüttungsprinzip wird das Scheitern einer Ehe angenommen, „wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, daß die Ehegatten sie wieder herstellen“ (§ 1565 BGB).
Grundsätzlich einig waren sich die Parteien, daß der Staat nicht mehr in den Intimbereich der Ehepartner richterlich eingreifen solle. Das frühere „Schmutzige-Wäsche-Waschen“ war zunehmend auf Kritik gestoßen. Dennoch zögerten CDU/CSU die Gesetzesreform ungewöhnlich lange hin, sie befürchteten durch die Trennungszeiten einen „Scheidungsautomatismus“. Sie malten das Schreckbild einer „Ehe auf Zeit" an die Wand, bei der ein Partner schlechter vor „Kündigung“ gesichert sei als ein normaler Mieter. Es werde die sogenannte „Verstoßungsehe“ ohne ausreichenden Schutz für den ehe-treuen Gatten eingeführt. Die CDU plädierte dafür, daß sich „eine Ehefrau im Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe unter Verzicht auf eine berufliche Fortentwicklung ganz dem Mann, dem Haushalt und den Kindern widmet“
CDU und CSU vertraten die Interessen der nicht-erwerbstätigen. treuen Ehefrauen (und damit auch ein traditionell patriarchalisches Eheleitbild). Der Gedanke, die „unschuldige“ Ehefrau vor einer „Verstoßung“ schützen zu wollen, ist die logische Konsequenz einer Koppelung der Würde einer Frau mit dem Ehestand. Demgegenüber wird der Mann als autonomes Wesen gesehen, der zwar auch in Ehe und Familie seinen Platz finden kann, aber durch sie nicht erst an Würde und Status gewinnt. So gibt es für CDU und CSU zwei entgegengesetzte Frauentypen: das Bild der ehetreuen, ökonomisch vom Mann abhängigen Ehefrau und Mutter, die nach einer Scheidung vor der Zumutung einer eigenen Erwerbstätigkeit staatlich zu schützen sei; demgegenüber das Bild derjenigen Frau, die aus der Ehe „ausbrechen“ will. Sie fällt aus den paternalistischen Schutznetzen der christlichen Parteien heraus. Nicht nur dies: Die untreue oder „eheunwillige“ Frau soll keinerlei finanziellen Anspruch an den vormaligen Gatten richten. Der Entzug des Unterhalts und ihrer Alterssicherung sollte die Strafe für ihr Scheidungsbegehren sein. Bis zuletzt setzten CDU und CSU den Vorschlägen von SPD und FDP, daß die geschiedene Frau bei Bedürftigkeit künftig Anspruch auf Unterhalt haben solle, stärksten Widerstand entgegen. Die Vorstellung vom gut bezahlten weiblichen Ehebruch brachte das liebgewonnene Recht des Ehemannes auf die Treue seiner Frau erstmalig ins Wanken.
FDP und SPD setzten demgegenüber auf die Eigenverantwortlichkeit und billigten dem bedürftigen Partner nach der Scheidung einen Unterhalt nur dann zu, wenn eine eigene Erwerbstätigkeit nicht zuzumuten sei. Es sollte nach Ansicht der SPD/FDP-Koalition ausgeschlossen werden, daß die Ehe zur bloßen Versorgungsinstitution verkomme, aber auch daß eine Ehefrau allein aus Angst um ihren Unterhalt in einer schlechten Ehe verharren müsse Für diesen Punkt haben sich vor allem weibliche Abgeordnete von SPD und FDP stark gemacht Insofern kann der Versorgungsausgleich, der letztlich auch von der CDU/CSU mitgetragen worden ist als sozialpolitischer Fortschritt für Frauen angesehen werden.
Während CDU und CSU primär ein institutionelles Eheleitbild bewahrten und an der Ehe als einer den Individuen übergeordneten Institution festhielten vertraten SPD/FDP ein personales Eheleitbild und betonten die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder, besonders den Gleichberechtigungsanspruch der Frau.
Obgleich die Abkehr vom Leitbild der Hausfrauenehe schließlich Parteienkonsens wurde, unterschieden sich die Schwerpunkte in den Argumenten doch erheblich. CDU und CSU vermißten eine Aufwertung der Hausfrauen-und Muttertätigkeit und befürchteten durch die fehlende Formulierung eines neuen Frauenleitbildes im Gesetz eine unausgesprochene Normierung der berufstätigen Mutter von Seiten der Sozialdemokraten Im Unterschied zu früheren familienpolitischen Debatten offerierte die Union zwar kein sich auf die „natürliche Bestimmung“ der Frau zur Mutterschaft berufendes Frauenleitbild. Gegenüber der offen propagierten Dominanz und Bevorrechtung des Mannes tritt in den siebziger Jahren eine rhetorische Anpassung an ein moderneres Frauenbild in den Vordergrund, das auch Berufstätigkeit der Mutter, als Ausnahme, kennt. Bei aller verbalen Aufgeschlossenheit gegenüber einer apostrophierten „Partnerschaft in der Familie“ betonen CDU/CSU-Politiker aber immer die primäre Zuständigkeit der Frau für die Familienarbeit, hauptsächlich im Interesse der Kinder. Die Berufstätigkeit von Müttern sei eine „große Gefahr einer Neurotisierung der Kinder und der Gesellschaft“ (Helga Wex)
Mit dieser mitten in jedes Mutterherz zielenden Argumentation befinden sich die christlichen Parteien in voller Übereinstimmung mit dem Großteil der männlichen Bevölkerung ihrer Zeit. Wenn es um die Rollenverteilung in Beruf und Haushalt geht, wird bis heute eine der stabilsten Bastionen des Geschlechterarrangements bezogen: der Verweis auf die Mutterrolle. Die Mehrheit der bundesdeutschen Männer — so die Soziologin Helge Pross in ihrer damals aufsehenerregenden Studie Mitte der siebziger Jahre — hält an einer überkommenen Vorstellung von der „selbstlos-mütterlichen Frau“ fest. Sie erwarten ganz selbstverständlich, daß diese ihre Berufstätigkeit zugunsten ihrer „Dienstrolle als Mutter“ aufgeben sollte und sehen „in der Familientätigkeit der Frau faktisch einen Beruf auf Lebenszeit“ SPD und FDP betonen dagegen die Wahlfreiheit der Frau, deren Entscheidung rechtlich nicht eingeengt werden soll.
In der Eherechtsreform spiegelt sich der gesellschaftliche Modernisierungsprozeß mit seiner Aus-differenzierung der Geschlechtsrollen und ihrer Bewertungen. Erstmals schreibt das Eherecht keine geschlechtsspezifischen Tätigkeiten vor. Im Bewußtsein der Gesetzgeber zeigen sich allerdings klassische Rollenmodelle, die in den Debatten und Schriften der Parteien zum Ausdruck kommen. In allen drei untersuchten frauenpolitischen Reformen von den fünfziger bis zu den achtziger Jahren zeigt sich darüber hinaus ein Fortschritt in der Frage demokratischer Legitimation. Es sind nicht mehr die vorgegebenen Institutionen wie Ehe und Familie mit relativ stabilen Frauenbildem und festen Moralvorstellungen, in die sich die einzelnen mit ihren Erwartungen und Forderungen einzufügen haben. Die Frauenpolitik zeigt, daß die politischen Institutionen nunmehr nur den Rahmen setzen für das je individuelle Aushandeln von Ansprüchen und Bedürfnissen von Männern und Frauen.
II. Frauenpolitiken und Frauenleitbilder in den achtziger Jahren
Der bereits konstatierte Erosionsprozeß traditionaler Institutionen und Leitbilder setzte sich in den achtziger Jahren weiter fort. Auf der sozialstrukturellen Ebene wurde die gesellschaftliche Modernisierung an einer gestiegenen Erwerbsbeteiligung von (verheirateten) Müttern mit Kleinkindern, erhöhten Scheidungsziffern, einer größeren Berufs-orientierung von jungen Mädchen, der wachsenden Zahl von Alleinerziehenden und von nichtehelich geborenen Kindern sichtbar. Auf der Ebene der sozialen Beziehungen bewirkte die Modernisierung einen Wandel des traditionellen Geschlechterverhältnisses. Die Beziehungen zwischen Männern, Frauen und Kindern begannen, sich aus formalisierten Verbindlichkeiten und Rollenzuweisungen zu lösen. Neue Wahlmöglichkeiten und -zwänge schufen eine neuartige Vielfalt von individuellen Lebens-und Bindungsmöglichkeiten.
Innerhalb der Frauenbewegung entstanden der Aufbau einer feministischen Gegenkultur und ein Trend zu einer Professionalisierung von Frauenpolitik. Heute sind in vielen kulturellen und ökonomischen Bereichen Projekte und Ideen der Frauenbewegung bereits fest etabliert.
Auch in den Parteien zeichneten sich frauenpolitische Veränderungen ab. Der weibliche Mitglieder-anteil stieg rapide an im Bundestag oder in Par-teivorständen rücken Frauen in ehemalige Herren-riegen auf Seitdem durch die GRÜNEN ein frauenpolitischer Schub mit Quoten und Frauenlisten in die bundesdeutsche Parteienlandschaft eingeführt worden ist, wird über Strategien der politischen Partizipation von Frauen auch in anderen Parteien verstärkt nachgedacht.
Im folgenden wird die Frauenpolitik der Parteien vergleichend in den Blick genommen. Ihr Frauen-bild soll aufgezeigt und es soll überprüft werden, ob die jeweiligen innerparteilichen Beschlüsse zur Frauenförderung, die Programmatiken und Gesetzesinitiativen auf die Veränderungen in den weiblichen Lebenslagen und auf die Forderungen der Frauenbewegung nach politischer und sozialer Partizipation eingehen. 1. CDU und CSU dem Regierungswechsel 1982 Seit steht die Regierung Kohl unter dem Druck, ihre Kritik an frauen-politischen Reformen der SPD/FDP-Koalition in konstruktive politische Maßnahmen umzusetzen. Für die Union besteht die widersprüchliche Aufgabe, in ein traditionelles Frauenleitbild die gesellschaftlichen Veränderungen und das gewachsene Bildungs, -Berufs-und Anspruchsniveau von Frauen aufzunehmen.
Innerparteilich hat die CDU mehrere Parteitagsbeschlüsse gefaßt, die eine Beteiligung von Frauen an politischen Mandaten und Ämtern in den neunziger Jahren entsprechend ihrem Mitgliedsanteil anvisieren. Quotierungsprogramme werden allerdings abgelehnt. Die Union setzt auf Freiwilligkeit, „Partnerschaft“ oder „Wahlfreiheit“
An frauenpolitischen Gesetzen hat die CDU/CSU die Ablösung des Mutterschaftsurlaubs durch den Erziehungsurlaub, die Anrechnung von Erziehungszeiten im Rentenrecht, das Arbeitsmarktförderungsgesetz und das Scheidungsfolgenrecht mit durchgesetzt. Darüber hinaus bestimmten in den achtziger Jahren Themen wie Vergewaltigung in der Ehe und als Dauerthema die soziale Notlagen-indikation beim Schwangerschaftsabbruch die Unionsdebatten. Nach wie vor wird Frauenpolitik eng an Familienpolitik gekoppelt. Der Abbau von Sozialleistungen soll durch verstärktes ehrenamtliches Engagement von Frauen in der Familie aufgefangen werden. In Programmen, Informationsdiensten und Parteitagsreden wird Frauenpolitik mit Maßnahmen für Mutter und Kind in eins gesetzt. Dieser Kopplung scheint die Ausweitung des Erziehungsurlaubs für Väter zu widersprechen. Zunächst war damit auch eine Forderung der Frauenbewegung erfüllt. Gleichzeitig schließen zahlreiche Bestimmungen des Erziehungsurlaubsgesetzes aber eine tatsächliche Inanspruchnahme durch Väter aus Das Problem der hohen Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen hat CDU und CSU zu keiner Zeit seit der Verabschiedung des Indikationsgesetzes von 1976 ruhen lassen. Wiederholt versuchten Unions-Politiker die Finanzierung von Abtreibungen auf Krankenschein aufzuheben oder die Bestimmungen über die soziale Beratung durch Gesetz zu verschärfen Auch die katholische Kirche beeinflußte in dieser Frage den parteipolitischen Diskurs innerhalb der Union. Bei beiden stehen moralisch-ethische Argumente im Vordergrund, die den Schutz des ungeborenen Kindes über die Entscheidungsfreiheit der Schwangeren stellen, wobei teilweise noch immer ein Ressentiment gegenüber weiblicher Sexualität zu spüren ist.
Forderungen nach dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihre Fortpflanzungsfähigkeit teilen bereits seit Jahrhunderten Gegner und Befürworter in diametral entgegengesetzte Positionen. Insofern erstaunt es wenig, daß es in dieser Frage wie in den fünfziger Jahren eine klare Scheidelinie zwischen männlichen und weiblichen Politikern derselben Partei gibt. In den achtziger Jahren wehrten sich prominente CDU-Frauen wiederholt öffentlich gegen eine Verschärfung des § 218, so daß z. B. das Beratungsgesetz bis zum Ablauf der 11. Legislaturperiode auf Eis gelegt wurde. Das Scheidungsfolgenrecht von 1986, das trotz der entschiedenen Ablehnung aller frauenpolitischen Verbände auf Drängen von CDU/CSU und Teilen der FDP verabschiedet wurde, beleuchtet deutlich die Grenzen frauenpolitischen Engagements: das Portemonnaie geschiedener Männer. Die Position des Unterhalts-verpflichteten (zumeist des Ehemannes) galt als zu stark geschwächt, so daß nun wieder ein Wohlverhalten der Ehefrau auch nach der Scheidung als Kriterium für ihren Unterhaltsanspruch eingeführt wurde
Insgesamt haben CDU und CSU frauenpolitisch dazugelernt. Sie präsentieren nicht mehr das allein glücklich machende Leitbild von guter Mutterschaft und heiler Familie. Sie formulieren Partnerschaft und Doppelbelastung, Gewalt gegen Frauen und Gleichwertigkeit der Arbeit in Familie und Beruf. Es wäre zu einfach, den in Reden, Parteitagsbeschlüssen und Gesetzen zum Ausdruck kommenden Wunsch nach Aufwertung der Rolle von Frauen und Müttern sowie die zunehmende Anerkennung der weiblichen Erwerbstätigkeit als bloß dekorative Rhetorik abzutun. Rita Süssmuth steht hier für eine stärkere Berücksichtigung der Wünsche von Frauen nach einer qualifizierten Berufsausbildung und -tätigkeit. Konzeptionelle Widersprüche zu ihrer Partei sind aber unübersehbar. Die CDU betont einerseits etablierte Normen und hält an einer klassischen Rollenverteilung in Ehe und Familie fest. Andererseits favorisiert sie in der Wirtschaft, der Technologieentwicklung oder am Arbeitsmarkt modemisierungskonforme politische Instrumente, die an Fortschritt, Effizienz, Flexibilität ausgerichtet sind und somit tief in die Privatsphäre der Familie und auf die Lebensbedingungen und -chancen von Frauen und Männern einwirken. Daß die Durchsetzung von egalitären Bildungsmöglichkeiten, der Anspruch beruflicher Mobilität oder die Entwicklung und Anwendung der neuen Informationstechnologien auf dem Arbeitsmarkt sich nicht ohne Umwälzung innerhalb der Familien und des Geschlechterverhältnisses vollziehen würden, ist mittlerweile deutlich geworden. Keiner kann die „Uhren der Modernisierung zurückdrehen“ oder sie für den Bereich der Familie abstellen. Der Widerspruch zwischen Arbeitsmarktrationalitäten und Familiennotwendigkeiten bzw.den Ansprüchen von Frauen kann nicht mehr mit rückwärtsgewandter Rhetorik und einem Gestus, der den angeblichen Egoismus der Frauen tadelt, zugedeckt werden. Die Gleichstellung wird in allen gesellschaftlichen Bereichen gefordert. Frauen sind sensibler geworden gegenüber Bevormundung beispielsweise in bezug auf den Schwangerschaftsabbruch oder gegenüber halbherziger, nur symbolischer Politik — wie in der Rentenreform oder beim Erziehungsurlaub. Insofern gelingt es der Union nur schwer, gerade jüngere Frauen anzusprechen, die skeptischer geworden sind gegenüber einer Politik, die Herztöne anschlägt, anstatt ihren Willen in handfesten Etatzuweisungen auszudrücken. In dem Maße, wie das Frauenbild funktional an die traditionelle Rollenvorgabe durch Mutterschaft und Familiendasein gekoppelt bleibt und Neuerungen nur das Vokabular, nicht die Praxis von Frauenpolitik betreffen, konserviert die Union in ihrer Frauenpolitik weiterhin ideologische Muster, die dem gewachsenen Selbstbewußtsein und dem gestiegenen Anspruchsniveau von Frauen nicht gerecht werden. 2. Die FDP 1978 forderte die FDP in ihrem Gleichberechtigungsprogramm ein Antidiskriminierungsgesetz und war bis 1981/82 die einzige Partei, die sich für ein solches frauenpolitisches Schutzgesetz einsetzte. Der Koalitionswechsel von 1982 stellte die FDP vor neue Handlungszwänge. Die Annäherung an den konservativen Koalitionspartner geschah primär über die Bereiche Wirtschafts-und Finanz-politik und nötigte die Liberalen zu einem frauen-politischen Umdenken. Zahlreiche profilierte FDP-Frauen verließen nach der „Wende“ die Partei, Frauenpolitik schien auf die hinteren Plätze der politischen Prioritätenskala verbannt. Obgleich in den Programmen ein den sozialen Veränderungen entsprechendes Frauenbild zu finden ist, das neben der berufstätigen Frau auch Alleinerziehende oder nichteheliche Lebensgemeinschaften anspricht, und obwohl besonders Anfang der achtziger Jahre in Veröffentlichungen und Reden der Liberalen Themen und Forderungen der Frauenbewegung aufgegriffen wurden — beispielsweise die Finanzierung von Frauenhäusern, Abschaffung von Leicht-lohngruppen für Frauen, Anrechnung und Erhöhung von Kindererziehungszeiten in der Rente auch für Erwerbstätige —, fielen frauenpolitische Initiativen zunehmend wirtschafts-und arbeitsmarktpolitischen Überlegungen oder dem Koalitionskalkül zum Opfer.
Zur Frage der innerparteilichen Frauenförderung durch Quotierung gibt es unterschiedliche Voten. Während offiziell und mehrheitlich Quoten als verfassungs-und wettbewerbswidrig abgelehnt werden, -propagieren manche FDP-Politikerinnen Frauenförderpläne mit — wie es so schön heißt — „numerischen Zielvorgaben“. Gemäß der Wunschvorstellung: „Die FDP-Frauen kommen langsam aber gewaltig“ beschloß die Partei 1986 die „Konzertierte Aktion für Frauen“ und 1987 einen Frauenförderplan, um den weiblichen Anteil in Entscheidungsfunktionen entsprechend dem Mitgliederanteil (gegenwärtig 25 Prozent) zu erhöhen. In den achtziger Jahren hat die FDP an frauenpolitischen Gesetzen die steuerliche Absetzbarkeit von Haushaltshilfen bei Kinderbetreuung eingebracht und das Beratungsgesetz zum § 218 zu verhindern geholfen. In den Koalitionsvereinbarungen für den 11. Bundestag machten die Liberalen die Beibehaltung der Finanzierung des Schwangerschaftsabbruchs auf Krankenschein zur Bedingung. Einer formalen Gleichrangigkeit entsprechend, beschloß der Kieler Parteitag 1987, daß Frauen künftig „freiwillig und gleichberechtigt auch an der Waffe in den Dienst der Bundeswehr treten können“
Da die Wirtschaftspolitik das wichtigste Terrain der FDP ist, werden hier auch die Weichen für die Frauenpolitik gestellt. Die Liberalen plädieren für flexible Arbeitsverhältnisse, die Veränderung der Ladenschlußzeiten, die Abschaffung des Nachtarbeitsverbots für Arbeiterinnen oder lehnen teilweise auch den Erziehungsurlaub ab, da sich diese Voraussetzungen im Endeffekt auf dem Arbeitsmarkt frauenfeindlich auswirken würden.
Die FDP präsentiert ein Frauenbild, das orientiert zu sein scheint am Modell einer gebildeten, qualifizierten, frauenpolitisch moderat auftretenden, gleichwohl dynamischen (Jung-) Untemehmerin. Das frauenpolitische Profil der Liberalen ist widersprüchlich: Einerseits thematisieren sie heikle Problemlagen von Frauen — wie Vergewaltigung in der Ehe, Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, in der Werbung, der Politik —, andererseits werfen sie emanzipatorischen Ballast ab, wenn es um wirtschaftlichen Aufschwung geht. Die tendenzielle Unvereinbarkeit zwischen frauenpolitischen Forderungen (Kündigungsschutz bei Erziehungsurlaub, gesicherte Teilzeitarbeit, Ausbau staatlicher Kinderbetreuung) und wirtschaftspolitischen Imperativen (finanzielle Entlastung von Unternehmen, Leistungsgesellschaft versus Ausbau des Sozialstaates) stellen besonders die Liberalen vor politische Entscheidungszwänge. In der Koalition mit der CDU/CSU ist die FDP in diesem Zielkonflikt eher wirtschaftspolitischen Prioritäten gefolgt.
Ein Argument liberaler Politik, das auch im Rahmen frauenpolitischer Diskussionen auftaucht, lautet, der Staat habe sich aus dem Privatbereich seiner Bürgerinnen und Bürger weitgehend herauszuhalten Wirtschaft und Familie zählen nach Meinung von Liberalen zu den privaten, vorpolitischen Bereichen, in die der Staat nicht einzugreifen, sondern die er zu schützen habe. Im 19. Jahrhundert hatte diese Ausgrenzung des Marktverkehrs und der Privatsphäre eine gewisse Plausibilität. Im Zeitalter des Interventions-und Wohlfahrtsstaates ist die schroffe Trennung zwischen Öffentlichkeit und Privatem durchbrochen. Ihre uneingeschränkte Verteidigung und der Wunsch, die „heile Familie“ vor den Gefahren gesellschaftlicher Einflüsse oder staatlicher Eingriffe bewahren zu wollen, ist frauen-politisch problematisch, weil der ideologische Rekurs auf Staatsfreiheit das traditionelle Dominanz-und Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Geschlechtern „schützt“, anstatt die Gleichberechtigung der Frauen wirklich zu forderen. 3. Die SPD Nachdem sie seit 1982 nicht mehr die Regierungsverantwortung innehatte, konnte die SPD als Partei mit der längsten frauenpolitischen Tradition relativ handlungsentlastet ihr frauenpolitisches Profil runderneuern. Sie reagierte in den achtziger Jahren zunehmend auf den außerparlamentarischen Druck der Frauenbewegung und auf die immer entschiedeneren Forderungen von SPD-Frauen nach innerparteilicher Partizipation. Die Partei konnte auf Bundesebene als Opposition manche scharfe Kritik an frauenpolitischen Gesetzesentwürfen der Regierung Kohl vorbringen, stand dabei aber gleichzeitig auf Landesebene und parteiintern unter verstärktem Legitimationszwang.
Noch in den siebziger Jahren hatte die SPD Quotenregelungen zur innerparteilichen Gleichstellung von Frauen mehrheitlich abgelehnt. Zehn Jahre später gibt es eine satzungsmäßig vorgeschriebene Mindestrepräsentanz von Frauen bei der Vergabe von Parteifunktionen und Mandaten, die bis 1994 erreicht werden soll In der SPD sind mit Abstand die meisten Frauen politisch organisiert Als Novum in der Parlamentsgeschichte der Bundesrepublik gilt die mehrheitlich mit Frauen besetzte Landesregierung von Berlin, die von dem SPD-Regierungschef Walter Momper Anfang 1989 gebildet wurde. In Hamburg nahm 1979 die erste „Leitstelle zur Gleichstellung der Frau“ ihre Arbeit auf. Ihr folgten bundesweit mehr als 400 kommu-nale Stellen von Frauenbeauftragten, deren Anzahl und Befugnisse in SPD-regierten Ländern immer noch eindeutig größer sind als in CDU/CSU-regierten. In Nordrhein-Westfalen wurde 1989 ein Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst verabschiedet. Ende 1988 präsentierte die SPD den Entwurf für ein Bundes-Gleichstellungsgesetz, der eine Verschärfung des Arbeitsschutzes vorsieht sowie die Pflicht zur Frauenförderung durch Quoten für den Öffentlichen Dienst und der staatlich subventionierten Privatwirtschaft. Die Kritik der SPD-Opposition zielte auf die wachsende Frauenarbeitslosigkeit, auf die Familien-und Sozialpolitik der Regierung, insbesondere auf das Scheidungsfolgenrecht von 1986, sowie auf die Tendenz der Regierung, eine Rollenfestschreibung der Frau als Mutter zu erhärten, z. B. durch die Bundesstiftung „Mutter und Kind. Schutz des ungeborenen Lebens“.
Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) hat bei der Formulierung frauenpolitischer Themen entscheidenden Anteil. Wichtigstes Anliegen ist ihr die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit der Forderung nach Verkürzung der täglichen Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich für Mann und Frau.
Die ökonomische Bedeutung der Frauenerwerbstätigkeit und das Recht von Frauen auf qualifizierte Berufsausbildung und Beschäftigung stehen traditionell im Mittelpunkt sozialdemokratischer Frauenpolitik. Die Forderungen, die sich daraus ergeben, stimmen überwiegend mit denen der Gewerkschaften überein: Die Doppelbelastung der berufstätigen Frau ist der Angelpunkt und prägt das dahinter stehende Frauenbild: die Arbeitnehmerin zwischen Familien-und Berufspflichten, den Unwägbarkeiten des Marktes ausgeliefert. Dies ist ein modernes, problemorientiertes Frauenbild, das allerdings in den letzten Jahren weniger eindeutige Konturen aufweist.
Die Bedeutung, die die Erwerbsarbeit in modernen Industriegesellschaften gewonnen hat und die sozialen Folgekosten der technologischen Entwicklung bilden die Problemachse und die Ambivalenz frauenpolitischer Schwerpunktsetzungen der SPD. Der Gedanke, daß ein durch Subventionen beflügelter technischer Fortschritt mit einer gesamtgesellschaftlichen Emanzipation gleichzusetzen sei, hat lange Zeit Politikkonzeptionen der Sozialdemokratie geprägt. Die fortschrittliche Aufgabe von Naturwissenschaft und Technik im 19. Jahrhundert, die Abhängigkeit des Menschen von der äußeren Natur zu vermindern und Wohlstand und Lebensqualität für breitere Bevölkerungskreise zu gewährleisten, ist im 20. Jahrhundert problematisch geworden. In dem Maße, wie es durch Entwicklung modernster Technologien ermöglicht wird, menschliches Leben auszulöschen oder im Reagenzglas zu produzieren, hat sich das emanzipatorische Potential von Wissenschaft und Technik immer mehr erschöpft und in sein Gegenteil verkehrt.
Dennoch scheint bei der SPD die Abwägung von Risiken und Chancen neuer Technologien in die Richtung zur Weiterentwicklung des technischen Know-how bei Minimierung der Folgeschäden zu gehen. Solche Prioritäten politischer Entscheidungen stehen zunehmend quer zu frauenpolitischen Konzeptionen und Zielvorgaben. Dies geschieht beispielsweise im Fall der Computerisierung und Rationalisierung von Frauen-(Büro-) Arbeitsplätzen. Insgesamt hat sich die SPD frauenpolitisch emanzipiert. Der Quotenbeschluß berücksichtigt strukturelle Barrieren für Frauen und führt dazu, daß in wichtigen Parteigremien nicht nur „Alibi“ -Frauen zu finden sind und daß überproportional viele Neu-eintritte von (jüngeren) Frauen verzeichnet werden Als Arbeitnehmer(in) -Partei setzt sich die SPD besonders für Schutzgesetze der lohnabhängigen Frau (und Mutter) ein. Allerdings stellt sie weder dem technologischen Wandel im Bereich der Veränderung von Frauenarbeitsplätzen langfristige Konzeptionen entgegen, noch beweist sie durch den Ausbau von Kleinkinder-Betreuungseinrichtungen oder Ganztagsschulen ein praktikables Konzept für die „Wahlfreiheit“.
Nach wie vor lehnt die SPD den Ausbau von Teilzeitarbeitsplätzen ab, da diese wenig qualifiziert seien, kaum Aufstiegschancen böten und zu Zwekken der Rationalisierung mißbraucht würden. Die Gegenüberstellung von Teilzeitarbeit versus Verkürzungen der täglichen Arbeitszeit schafft eine unnötige Polarisierung. Mit der klassischen Fixierung auf Vollzeiterwerbstätigkeit kann die SPD realistischerweise heute den vielen Frauen, die vor allem Teilzeitarbeit suchen, nicht helfen. Ebensowenig untermauert die SPD die Forderung der ASF nach Umverteilung der Familienarbeit auch auf Männer mit arbeitsmarktpolitisch akzeptablen Alternativen. Eventuell ist hier ein stärkerer Druck von den durch Quotierung zunehmend in Partei-funktionen aufrückenden Frauen zu erwarten. Ihr Einfluß in der Partei wird langfristig wachsen. 4. Die GRÜNEN Die GRÜNEN — Ende der siebziger Jahre als Partei gegründet — vertreten seit 1983 die neuen sozialen Bewegungen im Deutschen Bundestag. Sie sind eine untypische Partei und können nur schwer mit den anderen verglichen werden. Die sogenannte „Doppelstrategie“ — Einbindung in soziale Bewegungen und Beteiligung am parlamentarischen Entscheidungsprozeß — hat die GRÜNEN von parlamentarischen Handlungszwängen entlastet und ihnen die Möglichkeit zu einer Radikalisierung öffentlicher Kritik gegeben, wie dies bei traditionellen Parteien unüblich ist. Bis auf die Ausnahmen in Hessen, Hamburg und Berlin gab die fehlende Einbindung in Regierungskoalitionen den GRÜNEN das Privileg, relativ ungezügelt und mit einem normativ-moralischen Überschwang Programme und Visionen ihrer Politik zu entwerfen. Sie profitierten insbesondere in ihrer Frauenpolitik von der zunehmenden öffentlichen Politisierung des Geschlechterverhältnisses durch die Frauenbewegung. Der relativ hohe Frauenanteil bei den GRÜNEN ist darauf zurückzuführen, daß sich viele Frauen, die aus der Frauenbewegung stammen, politisch bei den GRÜNEN engagieren. Eine gezielte Frauen-förderung ist fester Bestandteil von Parteiprogrammatik und -Struktur.
Durch ein Frauenstatut in der Satzung wollen die GRÜNEN konkrete und verbindliche Maßnahmen ergreifen, um die Position von Frauen parteiintern zu stärken. Als wichtigste Maßnahme gilt das Reißverschlußprinzip bei Wahlüsten (ungerade Listen-plätze stehen Frauen zur Verfügung), die paritätische Besetzung des Präsidiums und die Bildung der Bundesarbeitsgemeinschaft Frauen. Der Beschluß einer 50-Prozent-Quotierung aller Mandate, Funktionen und Arbeitsplätze, das „Feminat“ in Bonn, die erste Frauenfraktion im Hamburger Senat oder Frauenlisten prägen die gewollte frauenpolitische Offensive der neuen Sammelbewegungs-Partei.
Die Themen grüner Frauenpolitik sind überwiegend deckungsgleich mit denen der Frauenbewegung. Das Spektrum reicht von ehemals der Privatsphäre zugeordneten Problemen — wie Gewalt gegen Frauen, sexueller Mißbrauch — über die Streichung des § 218 zur Quotierung aller Erwerbsarbeitsplätze und neuen Modellen der Teilzeitarbeit und des Eltemurlaubs. 1985/86 legten die GRÜNEN den Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz vor, das mit der Generalklausel die Diskriminierung speziell von Frauen für unzulässig erklärt. Verboten werden soll jede Benachteiligung am Ausbildungs-und Arbeitsplatz sowie in allen gesellschaftlichen Bereichen. Die Reduzierung von Frauen auf ihre Gebärfähigkeit, ihre Lebensform oder ihr Alter und die Fixierung von Rollenklischees sollen strafbar sein. Neuere Gesetzesentwürfe wenden sich gegen die rechtliche Diskriminierung von Prostituierten und ungeschützte Teilzeitarbeit. Ein erneuter Vorschlag der GRÜNEN für ein Antidiskriminierungsgesetz, der eine Frauenquote von 50 Prozent bei allen Arbeitsplätzen sowohl in der privaten Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst vorsieht, wurde von der Mehrheit des Bundestags am 22. Juni 1990 abgelehnt (ein ebenfalls abgelehnter SPD-Entwurf beschränkte die Quotierung auf den öffentlichen Dienst).
Mit öffentlichen Foren, Bundesfrauenkonferenzen, Anhörungen, Kongressen versuchen die GRÜNEN, frauenpolitische Themen öffentlich breit zu diskutieren Ab Mitte der achtziger Jahre läßt sich eine Verlagerung von den klassischen Frauen-themen feststellen. Erste Versuche der zu zwei Drittel durch Frauen besetzten Bundestagsfraktion in den Bereichen Verkehrs-und Wohnungsbaupolitik oder im Rentenrecht sind wahrzunehmen. Das Frauenbild der GRÜNEN ist orientiert an einer jugendlichen, selbstbewußten Frau, die ihr Interesse an eigenständiger ökonomischer Absicherung durch Berufstätigkeit mit dem Wunsch nach gleichberechtigter Partnerschaft und Kindererziehung zu verbinden sucht. Die Frauen der GRÜNEN stehen unter einem besonderen Leistungs-und Rechtfertigungsdruck. Bei rund 38 Prozent Mitgüederanteil sollen sie die Hälfte aller Funktionen übernehmen. Obgleich die Frauenpolitik der GRÜNEN in den Parlamenten kaum konkrete Erfolge in Form von verabschiedeten Gesetzen aufweist, ist eine Veränderung der politischen Kultur festzustellen. Daß heute keine Partei mehr über Frauenquoten lächelnd hinweggehen kann, war vor zehn Jahren nicht abzusehen und ist auch den GRÜNEN zu verdanken. Zusammen mit der Frauenbewegung gelang ihnen eine Zuspitzung der Geschlechterfrage. Der Ruf nach politischer Partizipation und vermehrtem Einfluß von Frauen hat eine geheimnisvolle Anziehungskraft über Parteigrenzen hinweg. Die Sensibilität gegenüber geschlechtsspezifischen Diskriminierungen ist gestiegen. Die traditionelle Politik hat durch die Frauenpolitik der GRÜNEN teilweise dazugelernt, diese vielleicht auch bloß vereinnahmt oder die Zeit genutzt, ihre Gegenstrategien zu verstärken. Dennoch gibt es heute eine breitere Akzeptanz von Frauenpolitik, die historisch ein neues Phänomen darstellt.
III. Resümee
Alle Parteien haben auf den Erosionsprozeß der bürgerüchen Familie mit ihren ehemals stabilen Rollen-und Statuszuweisungen und auf die gestie-genen Ansprüche von Frauen auf berufliche und öffentliche Partizipation reagieren müssen. Sie haben dies in sehr unterschiedlicher Weise getan. Ihre Frauenpolitik ist, wie an den Reformdebatten der fünfziger bis achtziger Jahre gezeigt werden konnte, oftmals nicht mehr als eine schon im Ansatz überholte Geste, die der gesellschaftlichen Modernisierung durch technologischen Wandel und neue Le27 bens-und Bewußtseinsformen nur mühsam hinterhereilt. Während CDU und CSU bis Anfang der achtziger Jahre die Destabilisierung der patriarchal organisierten Familie vorwiegend mit moralischen Appellen zu bannen suchten, haben sie sich in den vergangenen Jahren frauenpolitisch als erstaunlich lernfähig erwiesen. Ihr Frauenbild ist zeitgemäßer und flexibler geworden, denn das traditionelle Wunschbild einer harmonischen Familie mit dienender Mutter läßt sich vor dem Hintergrund der modernen technischen Entwicklung und gestiegener Erwerbsbeteiligung von Frauen nur noch schwer rechtfertigen. Dem Prozeß der Enttraditionalisierung von Institutionen und Wertvorstellungen und der Individualisierung von Lebensentwürfen hat die CDU aber noch keine kohärente Konstruktion ihrer Frauenpolitik entgegenzusetzen. Hier wirkt der familiale Traditionalismus der CDU als Modernisierungsbremse.
Die FDP war durch ihre Koalitionswechsel 1969 und 1982 mehrmals genötigt, sich in ihrer Frauen-politik mit dem jeweiligen Koalitionspartner abzustimmen. Ihr wurde dieser Anpassungsprozeß dadurch erleichtert, daß Frauenpolitik weder praktisch noch ideologisch zu ihren Hauptpolitikfeldern gehört. Ihr Frauenbild ist vergleichsweise stabil geblieben. Seit rund zwanzig Jahren orientiert es sich an Werten einer modernen Leistungsgesellschaft mit Bildung und Berufsqualifikation auch für Frauen. Das Selbstbestimmungsrecht für Frauen wird zwar in der Privatsphäre von den Liberalen weitgehend anerkannt, arbeitsmarkt-und wirtschaftspolitisch allerdings der Macht des Stärkeren preisgegeben. Die Frauenpolitik der FDP orientiert sich an widersprüchlichen Imperativen, nämlich denen einer frauenbezogenen Qualifizierungspolitik und denen der technologischen Modernisierung, die auf die Herstellung gleicher Startchancen im Zweifelsfall nicht warten mag.
Die SPD hat in überwiegenden Teilen Probleme der gesellschaftlichen Modernisierung in ihrer Frauenpolitik aufgenommen. Das Frauenbild hat sich gewandelt von der ehemaligen (Kampf-) Genossin zur erwerbstätigen, doppelbelasteten, teilweise auch akademisch gebildeten Arbeitnehmerin. Vor allem die ASF bringt hier problemnahe Elemente mit ein. Dennoch herrscht in weiten männlichen Teilen der SPD immer noch ein traditionalistischer Impuls der Abwehr einer allzu vehementen Verselbständigung von Frauen. So bewegt sich die Frauenpolitik der SPD zwischen dem kompensatorischen Versuch, Frauen für erfahrene Diskriminierungen zu entschädigen und der Absicht, mit ihnen gemeinsam Strukturen und Inhalte der der Politik innovativ zu verändern. Gleichwohl besteht auch für die SPD das Problem der zum Teil widersprüchlichen Entwicklungsdynamik von frauenpolitischen Forderungen und technologischem Wachstum mit arbeitsmarktpolitischen Konsequenzen. Die ambivalenten Imperative von Wirtschafts-, Technologie-und Frauenpolitik können langfristig nicht durch die Erhöhung des Frauenanteils in Parteipositionen und durch traditionelle Arbeitsschutzpolitik geglättet werden.
Die GRÜNEN sind ein Produkt der neuen sozialen Bewegungen und transportieren, zumindest in den von Feministinnen bestimmten Teilen, ein verändertes, emanzipatorisches Frauenbild, nämlich das einer selbstbewußten Frau, die soziale, ökonomische und politische Benachteiligungen nicht mehr hinzunehmen bereit ist. Die Forderung der Frauen-bewegung nach Neubewertung weiblicher Produktions-und Reproduktionsarbeit und nach Umwälzung der gesellschaftlichen Strukturen, die von der bisherigen Minderbewertung weiblicher Arbeit profitieren, sind am konsequentesten von den GRÜNEN aufgenommen worden. Die Politik der quantitativen Erhöhung des Frauenanteils durch Quoten sollte nicht gedacht werden als Anpassung an gegebene Strukturen, sondern als der Einbezug einer bisher aus der Politik verdrängten weiblichen Kultur, und damit als Veränderung, als Feminisierung der „Männergesellschaft“. An diesem hohen Anspruch müssen sich die GRÜNEN messen lassen, und an ihm drohen die zahlreichen innerparteilichen Konflikte und frauenfraktionelle Spaltungen zu scheitern. Bisher haben die GRÜNEN noch keine umfassende frauenpolitische Alternative hervorgebracht. Das Antidiskriminierungsgesetz ist erst ein Anfang. Es bleibt abzuwarten, ob die frauenfreundlichen Impulse ihrer Anfangsjahre in Phasen der parlamentarischen Beteiligung und machtpolitischen Verteilungskämpfe hinübergerettet werden können.
Durch die Frauenbewegung ist das traditionelle Geschlechterverhältnis zwar nicht umgewälzt, aber in gehörige Unordnung geraten. Männer haben heute größere Widerstände zu erwarten, wenn sie ihre traditionelle Rollendominanz ausspielen und weibliche Ansprüche übergehen möchten. Frauen selbst nehmen sich vermehrt das Recht, für sich zu entscheiden. Ihre Selbstbestimmungswünsche und Erwartungen auf ein Stück eigenes, erfülltes Leben sind gestiegen. Zu beobachten ist ein — wenn auch labiles — Gefühl der historischen Berechtigung, für Benachteiligungen entschädigt zu werden, und zwar noch in diesem Leben.