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Einwanderung ohne Einwanderungsentscheidung: Ausländische Familien in der Bundesrepublik Deutschland | APuZ 23-24/1990 | bpb.de

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APuZ 23-24/1990 Multikulturelle Gesellschaft: Chance, Ideologie oder Bedrohung? Einwanderung ohne Einwanderungsentscheidung: Ausländische Familien in der Bundesrepublik Deutschland Zum Umgang mit dem Fremden

Einwanderung ohne Einwanderungsentscheidung: Ausländische Familien in der Bundesrepublik Deutschland

Ursula Boos-Nünning

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Obwohl viele ausländische Familien nunmehr schon seit über 30 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland leben und arbeiten, haben sie sich in wesentlichen Bereichen nicht integriert, wenn darunter die Orientierung auf das kulturelle und soziale Leben hier und die wechselseitige Akzeptanz von Deutschen und Ausländem verstanden wird. Für die erste Generation wird anhand der Wohnsituation unter Diskussion der Vor-und Nachteile eines Lebens im Getto, der fehlenden privaten Kontakte zwischen Ausländem und Deutschen, der Beibehaltung einer Rückkehroption — obgleich die Zahlen der hier alt werdenden Ausländer zunehmen — dargelegt, daß diese erste Ausländer-Generation nach wie vor in einem Provisorium lebt. Aber auch für die zweite Generation — die hier aufgewachsenen Kinder und Jugendlichen — ist dieses Land noch nicht zur Heimat geworden. Dieses läßt sich vor allem aus ihre schulischen und vor allem beruflichen Benachteiligungen ablesen. Es gibt auch unter dieser nachgewachsenen zweiten Ausländer-Generation leider einen großen Teil, der keine privaten Kontakte zu deutschen Gleichartigen unterhält, Diskriminierungen wahrnimmt und der auch deswegen eine Rückkehr in die Zukunftsplanung einbezieht — selbst dann, wenn es immer wahrscheinlicher wird, daß es nicht zu einer solchen Rückkehr kommt. Eine Änderung dieser Spannungssituation könnte erreicht werden, wenn sich die Bundesrepublik Deutschland als ein Einwanderungsland verstehen würde, das ausländischen Familien, ohne von diesen Vorleistungen zu verlangen, politische Partizipation und rechtliche Sicherheit sowie den Jugendlichen bessere Bildungs-und Arbeitschancen bietet.

30 Jahre Ausländerbeschäftigung haben nicht dazu geführt, daß die Anwesenheit ausländischer Arbeitnehmer vorbehaltlos akzeptiert wird und daß realistische Vorstellungen über ein künftiges Zusammenleben entwickelt wurden. Oberflächlich kann der Eindruck entstehen, die Situation ausländischer Familien und insbesondere die der Kinder und Jugendlichen habe sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren entscheidend verbessert, und das Verhältnis zwischen Deutschen und Ausländern habe sich „normalisiert", sowohl hinsichtlich der Beziehungen zwischen Minderheit und Majorität als auch hinsichtlich der Behandlung ausländerspezifischer Themen in der deutschen Öffentlichkeit. Hetzparolen an den Wänden dei Städte und negative Schlagzeilen in den Zeitungen sind seltener geworden; bevor die Frage der Aus-und Übersiedler die der Ausländer völlig überlagerte, hörte man beinahe mehr über Deutsche, die sich für Ausländer einsetzten, als über Aktionen gegen Ausländer. Nicht selten wird die Vorstellung geäußert, ausländische Familien, insbesondere die Kinder und Jugendlichen, seien so integriert, daß es keiner besonderen Beachtung und keiner speziellen Förderung mehr bedürfe.

Es stellt sich die Frage, ob sich die jetzige Situation als Ansatz des Entstehens einer multikulturellen Gesellschaft interpretieren oder zumindest als wechselseitige Akzeptanz von Ausländem und Deutschen verstehen läßt. Oder aber, so müßte man anders fragen, sprechen die Ergebnisse eher dafür, daß Ausländer sich stärker als früher in ihrer eigenethnischen Gruppe bewegen, daß sie nach wie vor außerhalb oder neben der deutschen Gesellschaft leben? Für die erste wie für die zweite Generation — die Kinder und Jugendlichen — sollen jeweils exemplarisch einige Lebensbereiche herausgegriffen werden die eine Prüfung dieser Frage ermöglichen.

I. Die erste Generation: Auch heute noch ein Leben im Provisorium

Für die erste Generation gelten nach wie vor die alten, durch ihre rechtliche, berufliche und soziale Stellung verursachten Probleme: Ihre Benachteiligung in rechtlicher Hinsicht und das (auch) daraus resultierende Gefühl der Rechtsunsicherheit, ihr Ausschluß von politischen Rechten, ihr fehlender Aufstieg im beruflichen Bereich, vor allem das hohe Maß an Arbeitslosigkeit, das größtenteils mit ihrer ungelernten Tätigkeit zusammenhängt, und die Schwierigkeiten bei der Versorgung mit angemessenem Wohnraum. Zwar gibt es immer mehr ausländische Migranten, die Facharbeitertätigkeiten innehaben oder selbständig tätig sind, und eine — im Vergleich zu früher — größere Gruppe erhält angemessenen Wohnraum oder erwirbt Wohnungseigentum, aber für den größten Teil der ausländischen Familien hat sich in diesen Punkten wenig geändert. In den letzten Jahren werden in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion einige Fragen neu akzentuiert. 1. Das Getto als Ort sozialer Stabilisierung wie Anpassungsvermeidung und die Bedeutung ethnischer Kolonien In den letzten Jahren hat sich die Diskussion um die Wohnsituation ausländischer Familien geändert bzw. es sind neue Fragestellungen hinzugekommen: Die Konzentration ausländischer, insbesondere türkischer Familien in einzelnen Stadtteilen oder Straßenzügen — die Gettoisierung als Folge des eingeschränkten Zugangs zu Wohnungen -wird zunehmend problematisiert. Unter Gettos werden abgrenzbare räumliche Einheiten verstanden, in denen Bewohner mit bestimmten sozialen Merkmalen, vor allem ethnischer Art, von anderen relativ abgeschlossen mit eigener subkultureller Organisation leben.

Vor allem Kommunalpolitiker betonen die Gefahren, die von solchen Gettos ausgehen; sie werden charakterisiert als Orte der Verhinderung von Integration, als Verursacher von Spannungen zwischen Deutschen und Ausländem, als Quelle bzw. Ausgangspunkt von Kriminalität und politischer bzw. religiöser Radikalisierung, als Stätten sozialer Verelendung, in denen sich Krisensymptome wie hoher Anteil von Arbeitslosen, soziale Unterprivilegierung und gestörte Familienverhältnisse konzentrieren. Auch die Sekundärfolgen der Ballungsgebiete werden herausgestellt: der hohe Ausländeranteil in den Kindergärten und in den Schulen, die Bestimmung der Optik des Stadtteils oder der Straßenzüge als „Türkenviertel“, hervorgerufen durch türkische Geschäfte. Kaffeehäuser, durch „nicht deutsch“ gekleidete Personen, schließlich der Wegzug deutscher Familien mit Ausnahme derer, die über keine Alternativen verfügen.

Gettos, so stellen andere als. negativ fest, ermöglichen ausländischen Familien einen Rückzug aus sonst vorhandenen Konfliktbereichen und machen es möglich, sich den Anforderungen der deutschen Gesellschaft durch Flucht in die eigene Kultur mit traditionellen Werten zu entziehen. Die ländlichen, oft feudalen Strukturen der Herkunftsländer werden reproduziert, die dort herrschenden Orientierungen bleiben aufrechterhalten oder werden sogar verfestigt. Möglichkeiten der Bewußtwerdung und des Wahrnehmens von Benachteiligung und die Aktivierung von Kräften, sich dagegen zu wehren, werden geringer. Es besteht von vielen Seiten der Wunsch, das Getto aufzuheben, die Konzentration zu entzerren, etwa durch rechtliche Regelungen wie Zuzugssperren für einzelne Stadtbezirke oder durch Sanierung von Gebieten und Herausdrängen der dort lebenden Bevölkerung.

Neben der negativen Bestimmung der Gettos, in denen Ausländer in hoher Konzentration leben, gibt es zunehmend Stimmen, die die positive Funktion eines solchen Zusammenlebens herausstellen.

Gettos helfen den Ausländem, sich vertraute Räume zu schaffen, die Grundlage für nationale, ethnische und kulturelle Zusammenschlüsse darstellen können, die aber zunächst Schutz bieten können gegen Marginalisierung und Diskriminierung Das Getto gibt den Ausländem als Gruppe die Kraft und dem einzelnen die Möglichkeit, sich dem ständig stattfmdenden Assimilierungsdruck der deutschen Gesellschaft zu entziehen oder ihm zumindest etwas entgegenzustellen. Der hohe Anteil an Ausländern einer Nationalität oder mehreren Nationalitäten erleichtert u. U. die Selbstorganisation. Bei einer unsicheren Lebensperspektive bieten die Gettos also eine Möglichkeit zur Identifikation und zur emotionalen Stabilisierung.

Gettos haben demnach einen ambivalenten Charakter: Auf der einen Seite bieten sie Schutz vor einer zu raschen Änderung und einer zu starken Anpassung an die Vorstellungen der deutschen Gesellschaft; auf der anderen Seite dienen sie der Bewahrung und der Förderung traditioneller Orientierungen und verhindern damit jede Form der Anpassung, ja sogar der Bereitschaft, sich mit deutschen Normen und Werten auseinanderzusetzen. Auf der einen Seite schaffen sie psychische Stabilität durch die vertraute Umgebung und durch das Zusammen-wohnen mit Menschen, die ähnlich denken; auf der anderen Seite üben sie Kontrolle aus. die ein bestimmtes Verhalten oftmals gegen den Willen des Individuums erzwingt und verhindern damit selbst bei denjenigen, die anders handeln wollen, eine Annäherung an die deutsche Gesellschaft. Einerseits helfen sie, die gesellschaftliche Umwelt zu ertragen, weil sie Schutz gegen Diskriminierung bieten und die Verarbeitung von Ablehnung und Benachteiligung durch Kontakte mit Angehörigen der gleichen ethnischen Gruppe erlauben; andererseits setzen sie manchmal durch Demonstration der von deutschen Normen abweichenden Erscheinungsweisen die Bereitschaft der deutschen Umgebung herab, Ausländer als normalen Bestandteil der Gesellschaft zu akzeptieren.

Empirisch läßt sich belegen, daß trotz der politischen Unerwünschtheit die Konzentration von Ausländern — vor allem in den Großstädten mit höheren Ausländeranteilen — eher zugenommen hat Der Wunsch der Ausländer, mit Deutschen im selben Wohnviertel zusammenzuwohnen, hat außerdem für alle Nationalitäten in den letzten Jahren abgenommen; der Anteil derjenigen, die hierzu ohne eindeutige Präferenz antworten, hat sich er-höht. Unabhängig von dem Wunsch nach Zusammenleben mit der eigenethnischen Gruppe sind Ausländer auf Wohnraum verwiesen, der ihnen angeboten wird; sie wählen häufig ihr Wohnumfeld nicht, sondern ihnen stehen keine alternativen Angebote zur Verfügung. Sie sind, insbesondere türkische Familien und solche mit vielen Kindern, auf Stadtteile oder Straßenzüge verwiesen, bei denen es sich um ein infrastrukturell vernachlässigtes und sozial „schwieriges“ Gebiet handelt, in denen neben Ausländem und Restbeständen der ehemaligen Bevölkerung überwiegend deutsche Problemfamilien angesiedelt sind.

Es bedarf nicht unbedingt des Lebens im Getto, um sich auf die eigene Nationalität zu konzentrieren, wie am Beispiel der Griechen im folgenden verdeutlicht werden soll. Nach allen Daten, über die wir verfügen, leben Griechen stärker als andere Nationalitäten für sich und haben eine eigene Infrastruktur in der Einwanderungsgesellschaft aufgebaut — die griechische Kolonie als relativ eigenständiges, sozialkulturelles und ökonomisches System —, bezogen auf das gesamte Leben außerhalb des Arbeitsbereiches. Zur Einwandererkolonie zählen nationale Vereine und Gruppierungen als Räume, „in denen sich die Gruppe austauscht, manchmal auch die Heimat verherrlicht, Zukunftspläne macht, von einem besseren Leben träumt, konkrete Utopien entwickelt. Pie einzelnen Individuen können sich zunächst einmal als gleichberechtigte Mitglieder in solchen Zusammenschlüssen bewegen; ihre Stellung in der Gruppe wird nicht von vornherein durch ihr . Ausländerdasein* festgelegt, sondern durch die Auseinandersetzung auf verschiedenen Ebenen innerhalb der Gruppe erkämpft bzw. auch durch andere Qualifikationen, die die einzelnen Mitglieder haben, erworben.“

Die Bedeutung der griechischen Kolonie spiegelt sich in dem Begriff wider, den die Griechen dafür benutzen, sowohl unter sich als auch in den Satzungen ihrer Vereine: Helliniki Paroikia: „Paroikia heißt Niederlassung, Kolonie; das Verb dazu: paroiko, bedeutet daneben wohnen, nicht vollberechtigter Fremder sein. Für die griechische Familie wie auch für die Kinder und Jugendlichen, die in der Bundesrepublik Deutschland aufwachsen, ist die Existenz der Einwandererkolonie von großer Bedeutung ... (Sie) ist ... eine wichtige Stütze bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung, wenn sie unter diskriminierenden Umständen aufwachsen müssen. ... Zu der Kolonie der griechischen Einwanderer zählt man zum einen die von den Migranten selbst gegründeten Vereine und Selbsthilfeorganisationen. zum anderen einige Institutionen, zum Teil auch staatliche, die wichtige Funkionen im Leben der Migranten haben. Zur Einwandererkolonie gehören demnach auch die muttersprachlichen Kurse, das griechische Lykion, die griechischen Lehrer und Sozialarbeiter nnd nicht zuletzt die griechische Familie.“

Ohne auf die grundsätzliche Diskussion über Nutzen und Nachteile ethnischer Kolonien eingehen zu wollen soll betont werden, daß sich der Einfluß der griechischen Kolonie nicht hoch genug einschätzen läßt; sie erscheint von außen deutlich organisierter und durchsetzungsfähiger als ähnliche Gebilde anderer Nationalitäten. Durch die Einbeziehung verschiedener Vereine und Verbände, die autonom und voneinander unabhängig zu sein scheinen, wird ein hoher Organisationsgrad bewirkt. Nicht eine Einrichtung oder ein Verein vertritt die griechische Minorität, sondern eine große Zahl von Vereinen mit unterschiedlichen Interessen. Damit wird über ein Instrument verfügt, mit dem die Probleme, die in und durch die Aufnahme-gesellschaft entstehen, verarbeitet werden können. Diese Organisationsstruktur führt dazu, daß die Griechen auf der einen Seite in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in anderen Aufnahmeländern besonders aktiv und organisiert wirken, ihre Interessen zu artikulieren verstehen, auf der anderen Seite sie sich in besonderer Weise von der deutschen Gesellschaft absondem bzw. ohne Bezug und Verbindung zu dieser stehen. Dies gilt nach allen vorliegenden Untersuchungen sowohl für den institutionellen Raum als auch für die persönlichen Kontakte.

Abgeschwächt lassen sich solche Entwicklungen auch für die anderen Nationalitäten nachweisen. Die ethnischen Kolonien und die in ihr sich entwikkelnden Organisationen, für die türkischen Familien insbesondere die islamischen Vereinigungen, haben Einfluß auf die Familien, die familiären Orientierungen und auf die Einstellungen der ausländischen Familien zu einem Leben in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt. Sie betätigen sich in der Bundesrepublik nicht nur im religiösen Bereich oder hinsichtlich der Verbindungen zum Herkunftsland, sondern auch in politischer, sozialer und kultureller Hinsicht. Für die türkische Nationalität verbindet sich das Leben in der ethnischen Kolonie meistens mit einem Leben in einer islamisch geprägten, häufig vom Fundamentalismus bestimmten Umwelt. Vor allem, wenn sich die ethnischen Kolonien im Getto organisieren, wird die Veränderung auch im Straßenbild wahrgenommen und ruft bei der deutschen Bevölkerung teilweise Ablehnung hervor. Gleichzeitig wird der Druck auf die türkische Wohnbevölkerung verstärkt, sich den Formen und dem Verhalten der ethnischen Kolonie anzupassen

2. Private Kontakte zwischen Ausländem und Deutschen

Das Leben im Getto und die Einbindung in die eigenethnische Kolonie, so wird behauptet, verhindere Kontakte zu deutschen Familien und erschwere die Integration in die deutsche Gesellschaft. Die Freizeit werde dann vor allem in der eigenen Gruppe verbracht. Aber auch diejenigen ausländischen Familien, die in gemischten oder überwiegend deutschen Wohngebieten leben, verbringen ihre Freizeit meist mit Verwandten und Bekannten der eigenen nationalen Gruppe Zwar hängt die Zahl der Kontakte mit Deutschen mit dem Alter der Befragten (Jüngere haben mehr Kontakte als Ältere), mit der Aufenthaltsdauer (vor allem hier Geborene haben Kontakte), mit der Rückkehrabsicht (Ausländer, die zurückkehren wollen, haben weniger Kontakte) und mit der Wohnsituation zusammen (Ausländer in Wohnvierteln mit hoher Ausländerkonzentration haben seltener Freizeitkontakte mit Deutschen); sieht man sich jedoch die Ergebnisse genauer an, so stellt man fest, daß nur ein Viertel der Ausländer, die Freizeitkontakte mit Deutschen haben, sich mit diesen in ihrer oder der Wohnung der Deutschen treffen. Ansonsten verlaufen die Kontakte durch Gespräche draußen (wahrscheinlich in der Nachbarschaft), in Lokalen, in Freizeitzentren und Vereinen.

Alle Untersuchungen sprechen dafür, daß die Kontakte zwischen ausländischen und deutschen Familien. zwischen Ausländern und Deutschen, als wenig intensiv anzusehen sind. Auch heute noch halten sich die Familien weitgehend separat; Ausländer und Deutsche leben relativ getrennt voneinander. Diese Aussagen über Isolation und Kontaktlosigkeit zu Deutschen gelten keineswegs nur für die türkischen Familien. Auch andere Migrantennationalitäten, vor allem die Griechen, haben mit Deutschen kaum Kontakte und äußern in Untersuchungen wenig Bereitschaft, sich den Deutschen anzunähern oder Kontakte mit ihnen aufzunehmen.

3. Rückkehr als Option

Es entspricht dem Alltagsverständnis, anzunehmen, daß sich der Rückkehrwille ausländischer Erwachsener während der Dauer des Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland ständig verringert. In den Untersuchungen lassen sich unterschiedlichste Anteile von Personen finden, die zurück oder nicht zurück wollen. Aus zwei Gründen sind solche Ergebnisse wenig aussagekräftig: Zum einen spielt die konkrete Fragestellung eine entscheidende Rolle; zum anderen wirft die Frage nach dem Rückkehrwunsch den Grundwiderspruch in der Existenz des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland auf, dem die Befragungen in ihrer schematischen Art nicht gerecht werden können. Dies soll am Beispiel italienischer Familien verdeutlicht werden.

Italienische Familien vermitteln ihren Kindern, so führt Alice Jäger aus, daß sich der Vater oder sogar beide Elternteile geopfert hätten, um die Existenz der ganzen Familie zu verbessern. Dieses Opfer — die Entscheidung zur temporären Migration und das Leben im Aufnahmeland — ist auf ein bestimmtes Ziel hin orientiert: die Wiederherstellung oder Sicherung der ökonomischen und sozialen Existenz im Herkunftsland. Die Migration ist nicht nur erfolgt, um der dort erfahrenen Dauerarbeitslosigkeit oder der Vernichtung handwerklicher Tätigkeiten durch industrielle Fertigprodukte zu entgehen, sondern sie hat zum Ziel, der Situation im Heimatland etwas entgegenzusetzen. Migration wird als individuelle Lösung aus der „miseria“ verstanden. als eigenständige Zukunftsplanung und -gestaltung, die ein Leben ermöglicht, ohne auf die zweifelhafte Gunst von Beziehungen angewiesen zu sein. Durch die Migration soll eine grundlegende Veränderung der individuellen Situation, der Aufbau einerneuen Existenz, Sicherheit und Unabhängigkeit im Heimatland erreicht werden. Die Orientierung auf ein „zukünftiges Leben im Dorf“ bewirkt, daß die Emigranten der ersten Generation — auch diejenigen, die schon sehr lange in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten und leben — sowohl ökonomisch als auch psychisch mit „ihrem Dorf“ verbunden bleiben. Das Dorf wird zum sozialen und kulturellen Orientierungspunkt, zum Ziel der Identifikation; das Leben im Aufnahme-land wird unter dieser Perspektive als ein elfmonatiges „Ausharren“ verstanden, das für den langer-sehnten Urlaub mit einer kurzfristigen Rückkehr in Kauf genommen wird. Ein solches Verhalten erfordert ein Ausblenden der Realität in zweifacher Hinsicht: Erstens wird über die tatsächlich erfahrene Realität der Arbeit, über die Benachteiligung, über die Wohnsituation und Lebensbedingungen im Aufnahmeland nicht gesprochen — weder zu Hause in Italien, noch in der Kolonie in der Bundesrepublik Deutschland oder in der Familie. Die momentanen Arbeits-und Lebensbedingungen bleiben ausgeklammert. Zweitens werden in Italien eher die positiven Seiten der Bundesrepublik Deutschland, die infrastruktureile Ausstattung, die größere soziale Sicherheit, die Sauberkeit und Ordnung hervorgehoben und mit der unterentwickelten Struktur im Dorf verglichen.

Der Gedanke an die Rückkehr bleibt jedoch allgegenwärtig, und dieser Sachverhalt zeigt Auswirkungen auf das Alltagsleben im Aufnahmeland. Die Existenz hier wird als zweitrangig, temporär und transistorisch betrachtet. Dies hat nicht nur Folgen für die eigene Lebensqualität, sondern auch für die Erziehung der Kinder, für deren Zukunftschancen sowohl im Heimat-als auch im Aufnahmeland. Der Zustand eines fortdauernden Provisoriums hat z. B. konkrete Auswirkungen im Hinblick auf die Gestaltung der Lebens-und Wohnqualität, den Bekanntenkreis, die Sprach-, Schul-und Berufsausbildung der Kinder. Wegen der Rückkehrorientierung wird das Leben „hier“ und alles damit Zusammenhängende als gleichermaßen wenig bedeutsam untergeordnet unter das Primat des Sparens, der Opferleistung im Hinblick auf die „zukünftige Verwirklichung des Lebens“. Ähnliches schildert Maria Dietzel-Papakyriakou bei griechischen Migrantinnen der ersten Generation. Sie sind im Auftrag oder Mitauftrag ihrer Bezugsgruppe emigriert, die auf Konformität, auf die Erfüllung des Kontraktes besteht, in dem die Orientierung an der Rückkehr festgelegt ist. Eine Fülle von Handlungen, die deutliche Zeichen setzen, belegen, daß die Hauptproblematik der Migration die Rückkehr ist und die Rückkehr zur Achse, zum zentralen Raster der Zeitplanung wird. Hierzu gehören Strategien, die helfen, zielversetzenden Einflüssen entgegenzutreten wie auch ziel-bestätigende Zwischenschritte, die zu leisten sind und geleistet werden, z. B. in der Heimatregion Häuser bauen und Land zu kaufen. Im ganz anderen Zusammenhang wurden ähnliche Orientierun-gen für türkische Familien ermittelt. Sie sind im Hinblick auf die Berufswahl ihrer Kinder nicht nur auf eine spätere Tätigkeit in der Türkei ausgerichtet

Es ist unter diesem Gesichtspunkt unwesentlich, daß ein erheblicher Teil hier lebender ausländischer Arbeitnehmer aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zurückkehren wird. Rückkehrvorstellungen sind gleichwohl handlungsleitendes Prinzip für viele Familien, und zwar auch dann noch, wenn die Eltern schon 20 oder 30 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland leben. Das Festhalten an der Rückkehr, d. h. an dem Abschließen und Vollenden des Migrationsprojektes, stellt nach M. Dietzel-Papakyriakou die Legitimationsquelle dar, aus der geschöpft wird, um die persönlichen und Sozialen Kosten des Unternehmens „Migration“ rechtfertigen zu können. Nur so kann der überlange Befriedigungsaufschub und das so lang andauernde Leben am Rande der Aufnahmegesellschaft kompensiert werden. Die Rückkehrorientierung bedeutet Loyalität zum Bezugssystem der Herkunftsgesellschaft und Distanz — Sicherheitsabstand — zur Aufnahmegesellschaft.

4. Die „alten“ Ausländer als „neue Problemgruppe"?

Schon seit einigen Jahren wird in der Wirtschaft die Frage gestellt, was mit den alten ausländischen Mitarbeitern anzufangen sei, wenn sie aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht mehr geeignet sind, die ihnen bisher zugewiesenen Arbeiten zu übernehmen. Lange Zeit hatte niemand daran gedacht, daß alte Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland bleiben könnten und wollten. Die ausländischen Arbeitnehmer und ihre Ehepartner selbst waren überwiegend davon ausgegangen, daß sie zumindest bei Erreichen des Rentenalters in ihr Herkunftsland zurückkehren würden. Aber auch die deutsche Gesellschaft hatte und hat sich bisher nicht damit auseinandergesetzt, daß eine größere Zahl von Ausländern, die vormals als Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland tätig waren, auch im Rentenalter und als Alte und Greise nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren würden. Der Idee der Anwerbung lag das Konzept eines nur vorübergehenden Aufenthaltes zugrunde. Beide Gruppen — sowohl die ausländischen Arbeitneh-mer als auch die deutsche Gesellschaft — müssen sich auf diesen Sachverhalt einstellen.

Die ursprüngliche Lebensplanung war, wie dargelegt, bei einem großen Teil der Arbeitsmigranten an der Rückkehr orientiert. Praxisberichte zeigen, daß diese Vorstellungen aus unterschiedlichen Gründen (aus gesundheitlichen Problemen, familiären Konstellationen oder finanziellen Zwängen) nicht verwirklicht werden konnten. Zahlreiche medizinische Studien dokumentieren den hohen psychischen und physischen Verschleiß der in meist gesundheitsbelasteten Arbeitsbereichen eingesetzten ausländischen Arbeitskräfte. Im Alter kommt es zu einer großen Zahl arbeitsbedingter Erkrankungen. für die in den Herkunftsländern keine oder keine für Familien erreichbare Versorgungsangebote vorhanden sind. Zudem besteht bei älteren Arbeitsmigranten der Wunsch, bei den eigenen Kindern im Aufnahmeland zu bleiben. Sie setzen für die Bewältigung des Alters auf die Leistungen der familiären Netzwerke; die institutionelle Versorgung des Alters findet vor allem bei traditionell orientierten Ausländem der ersten Generation nur geringe Akzeptanz. Daher besteht der Wunsch, in räumlicher Nähe mit den Kindern zu leben oder sogar in einem gemeinsamen Haushalt alt zu werden. Eine enge Anlehnung an die zweite Generation wird unter Umständen durch die schwierige finanzielle Situation der ersten Generation begünstigt. Ausländische Arbeitnehmer verfügen im Alter wegen ihrer meist wenig qualifizierten Erwerbstätigkeit, ihrer hohen betrieblichen Mobilität und der fehlenden Anrechnung von Anwartschaften in der Rentenversicherung über niedrige Renten. Häufig haben sie auch in den Herkunftsländern investiert und materiell für das Alter im Aufnahme-land nicht vorgesorgt. Daher sind sie im Alter auf materielle Unterstützung der Kinder angewiesen.

Die Frage, wie ausländische Arbeitnehmer mit dem Altem in der Fremde selbst umgehen, ist bisher nicht hinreichend untersucht worden. Die wenigen Daten verweisen darauf, daß die Migration einerseits zu Verlusten, andererseits aber auch zu neuen Kompetenzen und Lebensbewältigungsstrategien geführt hat. In den ethnischen Kolonien werden Netzwerke, Infrastrukturen und Lebensmuster auch für das Alter zur Verfügung gestellt, die für die Migranten Unterstützungspotentiale darstellen.

Die Ergebnisse in allen vier Bereichen machen deutlich, daß die mit der Wanderung verbundenen Fragen und Probleme für die ausländischen Arbeitnehmer der ersten Generation selbst, aber auch für die Aufnahmegesellschaft keineswegs gelöst sind und daß nicht undifferenziert von einer Verbesserung im Sinne von Integration durch Zeitablauf gesprochen werden kann. Ausländische Migranten der ersten Generation leben auch heute noch im Provisorium, aber immer mehr von ihnen werden in diesem alt.

II. Weder Heimat noch Fremde: Kinder und Jugendliche aus ethnischen Minderheiten

Wenn sich auch die Elterngeneration in vielen Fällen nicht an der deutschen Gesellschaft und an einem Leben in der Bundesrepublik Deutschland orientiert, so könnte dennoch angenommen werden, daß sich für die Kinder und Jugendlichen die Situation völlig anders darstellt, daß ihnen berufliche und soziale Chancen geboten, daß sie von den deutschen Gleichaltrigen akzeptiert werden und daß ihre Perspektiven auf einen Daueraufenthalt hier ausgerichtet sind. Dieses Ziel wird jedoch von einem erheblichen Teil nicht erreicht. 1. Die Bildungssituation: Steigender Schulerfolg, aber Fortdauer der Selektion

Ausländische Jugendliche unterscheiden sich heute als Gruppe erheblich von denen früherer Jahre. Damals überwogen die „Seiteneinsteiger“ — das waren Schüler, die einen Teil, wenn nicht die gesamte Schulzeit noch im Herkunftsland verbracht und dort die allgemeinbildende Schule besucht hatten. Diese Jugendlichen verfügten entweder über keine deutschen Sprachkenntnisse oder sie wiesen erhebliche Mängel in der deutschen Sprache auf. die ihnen die Teilnahme am Unterricht und an der deutschen Gesellschaft erschwerten. In vielen Fällen fehlten ihnen darüber hinaus fachliche Voraussetzungen, wie sie in der Grund-und Hauptschule vermittelt werden, sowie die Kenntnisse über und die Vertrautheit-mit dem sozialen und politischen System in der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings beherrschte diese Gruppe ihre Muttersprache vollständig und konnte spezifische Kenntnisse und Orientierungen einbringen, die sie im Herkunftsland erworben hatte.

Die Kinder und Jugendlichen, die heute eine Schule besuchen, sind immer häufiger hier geboren und haben die gesamte oder den weitaus größten Teil ihrer Schulzeit an deutschen Schulen verbracht; sie sind in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen — allerdings nicht selten in einem nationalen Getto oder in einer durch Migrantenkultur bestimmten Umwelt. Sie haben ordentliche, immer häufiger gute oder ausgezeichnete deutsche Sprachkenntnisse im kommunikativen Bereich. In vielen Punkten hat sich darüber hinaus — oberflächlich betrachtet — ihre Bildungs-und Schulsituation normalisiert oder sogar verbessert. Der steigende Schulerfolg in den letzten Jahren läßt sich belegen durch eine Erhöhung der Anteile ausländischer Schüler an den weiterführenden Schulen Realschule und Gymnasium, wobei es jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Nationalitäten gibt. So besuchten z. B. 1987 7, 1 Prozent der türkischen (1982: 1, 8 Prozent), hingegen 27, 8 Prozent der griechischen Schüler (1982: 16, 6 Prozent ohne Schüler der griechischen Privatgymnasien) ein Gymnasium. Zu den sich nur langsam abschwächenden Unterschieden in der Beteiligung an höherwertigen Bildungsgängen zwischen den Nationalitäten und der nach wie vor bestehenden Benachteiligung der Mehrheit der ausländischen Schüler gegenüber den deutschen Schülern kommen Unterschiede zwischen den Bundesländern hinzu, die vor allem bei den Gymnasialquoten ausländischer Schüler immer noch ausgeprägter sind als bei deutschen. Am Gymnasium ist zudem der Anteil der „sonstigen Ausländer“ besonders hoch, und zugleich wissen wir, daß die ausländischen Arbeitskinder in diesem Bildungsgang überproportional häufig scheitern. So kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß von den ausländischen Arbeiterkindern weniger als jene sechs Prozent das Abitur erreichen, die in der Statistik für die Gesamtgruppe der Ausländer im Jahr 1987 ausgewiesen sind.

Es gibt einzelne Daten, die auf eine Verschlechterung der Bildungssituation eines Teils der ausländischen Schüler hinweisen. Als wichtigstes muß hier die gestiegene Zahl von Überweisungen in die Sonderschule für Lernbehinderte genannt werden, die allerdings seit 1984 in den Absolutzahlen und teilweise in den Relativzahlen wieder rückgängig sind: Die entsprechenden Prozentsätze waren auch 1987 noch mit sechs Prozent bei den Italienern, 5, 2 Prozent bei den Türken, 3, 6 Prozent bei den Portugiesen und 2, 4 Prozent bei den Griechen gegenüber den 1, 9 Prozent bei den Deutschen deutlich überhöht. Betrachtet man die Schulabschlüsse der ausländischen Schüler, so läßt sich in dieser Hinsicht eine kontinuierliche Verbesserung feststellen. Im allgemeinbildenden Schulsystem stehen sinkende Zahlen von Abgängen ohne Abschluß steigenden Zahlen von Schülern gegenüber, die nicht mehr nur den Hauptschulabschluß erreichten (mit ca.der Hälfte der ausländischen Absolventen ist dieser Wert seit 1984 in etwa konstant geblieben). Allerdings stieg auch das Niveau der Abschlüsse bei den deutschen Schülern, so daß sich durch den Schulerfolg der ausländischen Schüler der Abstand zu den deutschen nicht in gleicher Weise verringert hat. Der Abstand ist im Gegenteil nach wie vor beträchtlich: Ein Vergleich der Anteile an der Gesamtzahl der Schulabgänger zeigt, daß es 1987 z. B. mehr als viermal so viele deutsche wie ausländische Abiturienten gab und fast fünfmal so viele ausländische wie deutsche Abgänger ohne Hauptschulabschluß.

Die Bestandsaufnahme belegt, daß sich die Bildungssituation der zweiten Generation grundsätzlich verbessert hat, wenn auch der gestiegenen Zahl derjenigen, die im Bildungssystem zurecht kommen, eine erhebliche Zahl nur scheinbar erfolgreicher und eine große Zahl offensichtlich nicht erfolgreicher gegenübersteht und die ausländischen Schüler immer noch deutlich schlechter gestellt sind als die deutschen.

Weitaus negativer sieht die Bilanz beim Übergang in eine Ausbildung oder in einen Beruf aus. Zwar stiegen die Zahlen für ausländische Auszubildende absolut an: Von 36 400 im Jahr 1979/80 auf 73 198 im Jahr 1988, aber der Anteil der Auszubildenden an der Altersgruppe der 15-bis 18jährigen stieg nach zeitweiligem Absinken nur geringfügig an. Die Ausbildungsquote betrug Ende 1988 30 Prozent (bei deutschen Jugendlichen 72, 6 Prozent), und sie ist, bei türkischen und griechischen Jugendlichen (mit nur 29 Prozent bzw. 24 Prozent) besonders schlecht. Während die niedrigere Ausbildungsbeteiligung der griechischen Jugendlichen durch deren hohe Beteiligung an schulischen Bildungsgängen der Sekundarstufe II teilweise relativiert wird, so zeigt der Wert für die türkischen Jugendlichen, daß sie in der Ausbildung nicht nur gegenüber den deutschen, sondern auch gegenüber den anderen Nationalitäten benachteiligt sind. Unter Berücksichtigung ihrer niedrigen Beteiligung an schulischen Bildungsgängen muß man davon ausgehen, daß eine Mehrheit der türkischen Jugendlichen immer noch ohne schulische und berufliche Qualifikation bleibt. Alle verfügbaren Daten deuten darauf hin, daß die jungen Türken in besonderem Maße von fehlender Ausbildung und damit von späterer Arbeitslosigkeit betroffen sind. Falsch ist hingegen die Annahme, daß Griechen, Italiener und Portugiesen — wie auch andere Nationalitäten — hinsichtlich ihrer Chancen auf dem Ausbildungs-und Arbeitsmarkt den Deutschen gleichgestellt seien: Auch diese Gruppen haben eine deutlich niedrigere Ausbildungsbeteiligung als die Deutschen, wenn sich auch die Größenordnung und die Gründe dafür bei den einzelnen Nationalitäten unterscheiden.

Der Chancenungleichheit derjungen Ausländer auf dem Ausbildungs-und Arbeitsmarkt geht die Chancengleichheit im Billdungssystem voraus. Einen einfachen kausalen Zusammenhang derart, daß die niedrige Ausbildungsquote eine Folge des niedrigeren Bildungsniveaus ist, darf aber nicht unterstellt werden. Die Daten zeigen, daß selbst bei dem Vorliegen gleicher formaler Voraussetzungen die Ausländer gegenüber den Deutschen benachteiligt sind. Da diese Ungleichheit auch zwischen Jungen und Mädchen besteht, sind die ausländischen Mädchen doppelt diskriminiert und bilden somit die Gruppe mit den geringsten Chancen auf dem Ausbildungsstellen-und später auf dem Arbeitsmarkt. In besonderer Weise gilt dies für die türkischen Mädchen, 2. Deutsche und ausländische Jugendliche: Fremdheit oder Annäherung?

Der größte Teil deutscher und ausländischer Jugendlicher sind miteinander aufgewachsen und haben gemeinsam die Schule besucht. Eigentlich wäre daher zu erwarten, daß diese Generation die Kontaktlosigkeit der Eltemgeneration überwunden hat und daß sie positive Einstellungen zu der jeweils anderen ethnischen Gruppe entwickelt haben. Für einen erheblichen Teil der Jugendlichen gilt dieses indes nicht.

Es gibt nur wenige Untersuchungen zu der Frage, wie deutsche Jugendliche gegenüber ausländischen Arbeitnehmern und Ausländem eingestellt sind Sie ermitteln eine Gruppe von immerhin 20 bis 30 Prozent deutscher Jugendlicher, die sich nachdrücklich gegen eine Gleichberechtigung von Ausländern, im Falle der Untersuchung in Berlin sogar gegen hier aufgewachsene ausländische Jugendliche wehrt. Es handelt sich bei den die Ausländer ablehnenden Personen allerdings vor allem um jüngere (15-bis 17jährige) männliche Jugendliche aus der Arbeiterklasse oder solche, deren Lebensperspektive auf einen Status als Arbeiter hinweist, und solche, die die Hauptschule besuchen oder besucht haben.

Zwei Faktoren werden zur Erklärung der schicht-spezifischen Unterschiede herangezogen: Erstens wird angeführt, daß Hauptschüler wegen der Nähe der Lebensbereiche stärker mit Fragen der Migranten konfrontiert werden und in direkter Konkurrenz zu dieser Gruppe stehen; zweitens werden die Unterschiede auf die verschieden ausgebildeten kognitiven Fähigkeiten zurückgeführt und es wird davon ausgegangen, daß Gymnasiasten, die im Vergleich zu Hauptschülern über eine höhere Fähigkeit zur komplexen Informationsverarbeitung verfügen, weniger ethnische Vorurteile besitzen Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, ob und inwieweit Gymnasiasten stärker sozial erwünschte Antworten geben.

Beschreibungen aus Projekten und Berichte über persönliche Erfahrungen stellen das Verhältnis zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen deutlich anders dar. Deutsche Jugendliche in Maßnahmen nennen Vorbehalte gegenüber ausländischen, insbesondere gegenüber türkischen Jugendlichen, die sich auf das Verhältnis und ihre Einstellung zu deutschen Mädchen, auf die Erfahrung als Konkurrenten im beruflichen Bereich und auf Er-fahrungen von Fremdheit richten. Es muß ungeklärt bleiben, ob die Untersuchungen das Ausmaß an Ablehnung unterschätzen und die Zahl der Neutralen als zu hoch angeben oder ob es sich bei den Berichten der Pädagogen um singuläre Erscheinungen handelt.

Noch weniger wissen wir darüber, wie ausländische Jugendliche über Deutsche und die deutsche Gesellschaft denken. Fragt man sie in der Öffentlichkeit, sowird wenig Kritik hierzu geäußert. Auch die wenigen Untersuchungen deuten darauf hin, daß ausländische Jugendliche deutsche Jugendliche und die deutsche Gesellschaft eher neutral oder sogar positiv beurteilen Qualitative Erhebungen bringen völlig andere Ergebnisse. Werner Schiffauer beschreibt z. B. in seiner ethnologisch orientierten Studie, daß türkische männliche Jugendliche negativ über deutsche Mädchen und Frauen denken. Ihre Aussage, angewendet auf türkische Mädchen, diese seien „verdeutscht“ oder „Deutsche geworden“, impliziert Ablehnung und moralische Abqualifikation. Ähnliche Ergebnisse bringen Untersuchungen bei türkischen Mädchen, in denen formuliert wird, daß das Verhalten, das deutsche Mädchen gegenüber ihren Eltern zeigen bzw. das türkische Mädchen als Verhalten deutscher Mädchen wahrnehmen, bei ihnen kein Verständnis findet. Viele türkische Mädchen halten eine Lebensweise, wie sie sie bei den Deutschen wahmehmen, nicht für erstrebenswert; sie wollen nicht sein wie Deutsche. Ihre Vorstellungen über das Verhalten deutscher Mädchen sind stereotyp und vorurteilsvoll: Deutsche Mädchen schlafen gleich und ständig mit Jungen, haben schon mit 18 ein Kind, dürfen rauchen, trinken, werden nicht von den Eltern behütet

Weitaus mehr Untersuchungen vermitteln einen Eindruck davon, wie ausländische Jugendliche ihre eigene Position in der deutschen Gesellschaft sehen. Stets wird die Benachteiligung als Ausländer als zentraler Punkt ihrer Lebenssituation genannt. Diskriminierung wird eher in Form einer allgemeinen Benachteiligung als einer persönlich erfahrenen wahrgenommen; sie wird mehr anonym erlebt (z. B. auf der Straße) als in persönlichem Kontakt (z. B. in der Schule). Sie wird dann stärker deutlich, wenn ein Anspruch auf gemeinsame Freizeit oder auf sonstige Gemeinsamkeiten erhoben wird, als wenn die Kontakte auf die eigene ethnische Gruppe beschränkt bleiben Diskriminierung wird dann deutlich, wenn es um knappe Güter wie Wohnungen oder Arbeitsstellen geht.

Ein großer Teil der ausländischen Jugendlichen fühlt sich von den Deutschen als minderwertig eingeschätzt und schlecht behandelt. Die Entstehung diskriminierender Auffassungen wird darauf zurückgeführt. daß die Deutschen ihre eigene Kultur oder Ethnie überbewerten bzw.fremde Kulturen abwehren; außerdem hätten sie Angst vor Überfremdung, fehlendes oder falsches Wissen über die Herkunftsländer, Angst vor ökonomischer Schädigung; Neid bzw. Angst vor Konkurrenz bei den Mädchen, um Ausbildungsplätze und um Rechte; sie gebrauchten falsche Verallgemeinerungen. Die ausländischen Jugendlichen übernehmen damit Erklärungen, mit denen deutsche Jugendliche ihre Ablehnung von Ausländern rational einsichtig zu machen versuchen: Die Ablehnung besteht nicht wegen der Zugehörigkeit zu einer anderen ethnischen Gruppe — eine Ablehnung, die ja als solche fremdenfeindlich oder rassistisch wäre, sondern aufgrund angeblich rational einsichtiger Nachteile für die deutsche Bevölkerung.

Kontakte zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen außerhalb der Schule und der Betriebe bestehen kaum. In Untersuchungen geben von allen Nationalitäten meist nur ein Drittel der Jugendlichen an, daß solche Freizeitkontakte vorhanden sind. Ebensoviele verfügen über keine privaten Kontakte zu Ausländern. Die Kontaktbereitschaft, so kann vermutet werden, hat innerhalb der letzten Jahre kaum zugenommen. Bestenfalls leben deutsche und ausländische Jugendliche nebeneinander. Relativ selten wird auch der Wunsch nach mehr Kontakten geäußert, von weiblichen Jugendlichen noch weniger als von männlichen. In den letzten Jahren nehmen nach Beobachtungen Abwehrhaltungen von beiden Seiten zu: Deutsche Jugendliche meiden Freizeiteinrichtungen, die überwiegend von ausländischen Jugendlichen besucht werden; ausländische Jugendliche behaupten, keinen Kontakt zu deutschen gleichaltrigen Jugendlichen herstellen zu wollen. Die Lebenssituation in segregierten oder nicht segregierten Wohngebieten hat nur geringfügigen Einfluß auf die Zahl der Kontakte. Auch ein erheblicher Teil der ausländischen, insbesondere — aber nicht alleine — der türkischen Jugendlichen in nicht segregierten Wohngebieten besitzt nur Freundschaften mit Jugendlichen der eigenen ethnischen Gruppe. Unabhängig von der Wohnsituation, der Aufenthaltsdauer und der Berufstätigkeit hat ein großer Teil der ausländischen Jugendlichen keine Kontakte zu deutschen Gleichaltrigen.

3. Die Zukunftsplanung ausländischer Jugendlicher:

Ein Leben in der Schwebe Ein erheblicher Teil der Jugendlichen, die zur Zeit die Schule besuchen, kennt ihr Herkunftsland nur aus Erzählungen der Eltern und aus Urlaubsbesuchen. Dennoch ermitteln nahezu alle Untersuchungen, daß die subjektiven Vorstellungen des weitaus größten Teils auch dieser Gruppe sich nicht auf einen Daueraufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ausrichten; die konkreten mittelfristigen Planungen werden bestimmt durch eine irgendwann vorgesehene Rückkehr. Das Leben bleibt vorläufig: Solange sich die Geschwister in der Ausbildung befinden, solange man zur Schule geht, solange man Arbeit hat, solange man im Herkunftsland keine Zukunftschancen erwartet, bleibt man in der Bundesrepublik Deutschland. Der Zeitpunkt der Remigration wird immer weiter herausgeschoben, bei der zweiten Generation noch weiter als bei der ersten, aber bei den meisten wird der Gedanke an eine Rückkehr nicht völlig aufgegeben. Häufig verliert er aber seine sachliche und zeitliche Greifbarkeit, und die Hindernisse werden stärker formuliert. Manche Autoren interpretieren diese Orientierung als eine pragmatische Bindung der Jugendlichen an die Bundesrepublik Deutschland bei affektiver Bindung an das Herkunftsland Das Verbleiben hat dann seinen Grund in der Nichterfüllung oder Nichterfüllbarkeit von auf die berufliche Tätigkeit oder soziale Position im Herkunftsland ausgerichteten Plänen; die Rückkehrvorstellungen resultieren aus der Sehnsucht nach der Heimat — oftmals versprachlicht als Sonne, Zärtlichkeit, Solidarität — und aus dem Empfinden von Diskriminierung hier. Die Zukunftsplanung auch der zweiten Generation bleibt in der Schwebe. In vielen Fragen erweist sich die Rückkehrorientierung als handlungsrelevant, so z. B. bei der Wahl der Schule und des Berufes, bei der Kontrolle der Schwestern durch die Söhne der Familie, bei der Auswahl des Ehepartners u. a. m.

Während die Rückkehrorientierung eines erheblichen Teils der ausländischen Jugendlichen belegt ist, gibt es weitaus weniger Zeichen der Bereitschaft zu einer Orientierung auf ein Leben auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland. Nur eine Minderheit der Jugendlichen will die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen. Als Gründe für das Desinteresse werden vor allem die Bindung an die eigene Staatsangehörigkeit und die Rückkehrvorstellungen genannt. Zwar schrecken nicht selten die in den Herkunftsländern bestehenden politischen, sozialen und vor allem wirtschaftlichen Verhältnisse von einer Konkretisierung der Rückkehrpläne ab, aber eine Bindung an die Bundesrepublik Deutschland tritt nicht an deren Stelle. Ein solcher Ersatz scheitert durch die Erfahrung von Diskriminierung und Ablehnung.

Die nicht unbedingt persönlich erfahrene Diskriminierung findet gleichwohl ihre Verwendung in den Alltagstheorien ausländischer Jugendlicher. Sie stützt beispielsweise, so führt Hoffmann für türkische Jugendliche aus, die affektive Bindung an die Türkei, die aber durch den pragmatischen Vorteil des Lebens hier in Konflikt zu geraten drohe. „Die Erwähnung und Beschreibung von Diskriminierung in der Bundesrepublik Deutschland wird zu einem nützlichen Element der alltagstheoretischen Bearbeitung des Orientierungsdilemmas der Arbeitsmigranten, die sich angesichts verblassener Heimat-bindung zunehmend pragmatischer Argumente bedienen muß, ohne dabei schon den Konflikt mit der Heimatbindung riskieren zu können.“ Die Jugendlichen formulieren pragmatisch, daß die Über-nahme der deutschen Staatsangehörigkeit ihre soziale Stellung als Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland nicht verbessern, ihnen aber die Verachtung der im Herkunftsland lebenden Verwandten und Bekannten einbringen würde. Sie würden die Einbindung in die nationale Gruppe riskieren, ohne etwas Sicheres — etwa in Form von Akzeptanz durch die Deutschen — zu gewinnen, und dieses würde um so weniger der Fall sein, je mehr sie sich im Aussehen von den Deutschen unterscheiden. Die Darstellung zeigt, daß sich die Bedingungen und Chancen der ausländischen Kinder und Jugendlichen nicht quasi automatisch und vor allem nicht für alle, ja nicht einmal für den größeren Teil — verglichen mit denen der Eltern — verbessert hat. Ihre Orientierung am Herkunftsland ist weniger stark, ohne daß etwas anderes, etwa in Form einer eindeutigen Ausrichtung auf ein Leben in der Bundesrepublik Deutschland, an die Stelle tritt.

III. Folgerungen

Die Lebenssituation ausländischer Familien, insbesondere eine nicht auf die faktisch gegebene Einwanderung reagierende Ausländerpolitik der Assimilierungsdruck, der von der deutschen Gesellschaft ausgeht, die Abwehrhaltungen der Deutschen gegenüber engeren Kontakten, die fehlenden beruflichen und sozialen Chancen nicht nur für die ausländischen Arbeitnehmer selbst, sondern auch für einen erheblichen Teil der Kinder hat Einfluß auf die Orientierungen und Zukunftsvorstellungen dieser Gruppe. Die Verunsicherung wird eher stärker und erhält zusätzliche Nahrung durch die jüngste politische Entwicklung im Zusammenhang mit der verstärkten Aufnahme von Aussiedlern und der Diskussion um die Wiedervereinigung.

Diese Verunsicherung, so kann angenommen werden, beschleunigt den Prozeß des Rückzugs in eigenethnische Kolonien, läßt das Leben hier weiter als Provisorium erscheinen und hält den Gedanken an die Rückkehr aufrecht. Dies wäre kein Problem, wenn die deutsche Gesellschaft ein solches Verhalten akzeptieren würde und den im Getto oder in der ethnischen Kolonie aufwachsenden Kindern und Jugendlichen Chancen in Beruf und Gesellschaft eröffnen würde. Dieses ist aber nicht der Fall. Je mehr sich ausländische Familien zurückziehen, je weniger Kontakte sie von sich aus mit Deutschen suchen, um so eher wird ihnen von diesen unterstellt, sie seien nicht bereit oder fähig, sich hier zu integrieren oder sich auch nur im Zusammenleben zu arrangieren.

Eine Änderung im Zusammenleben zwischen Deutschen und Ausländern kann nicht durch die Ausländer als die ökonomisch, rechtlich und sozial schwächere Gruppe bewirkt werden. Hier sind Vor-leistungen der deutschen Politik und Gesellschaft sowie der einzelnen Deutschen notwendig. Sie müßten das Recht, die Politik und das tatsächliche Zusammenleben mit den Ausländem, die bei uns häufig schon seit vielen Jahren arbeiten und wohnen, so gestalten, daß für einen größeren Teil der ausländischen Familien ein Leben auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland denkbar ist.

Ein solches Bemühen würde eine Änderung der faktischen Situation und der Gesinnung in zumindest drei Punkten verlangen müssen: eine Einwanderungspolitik für die hier lebenden ausländischen Familien mit rechtlicher Sicherheit und Teilhabe an politischen Rechten, ohne Vorleistungen von Seiten der ausländischen Familien; ein Verzicht auf die Forderung nach weitestgehender Anpassung und die Akzeptanz des Fremden, was ein Ernstnehmen der Orientierungen und des kulturellen Hintergrundes der Einwanderer bedeutet; eine Verstärkung der Bildungs-und Berufsbildungsbemühungen für die ausländischen Kinder und Jugendlichen, was eine Schule erfordert, die sich auch ihren aus der familiären Sozialisation herrührenden Vorstellungen öffnet. Damit könnte der Prozeß beginnen, an dessen Ende das Bewußtsein der deutschen und der ausländischen Bevölkerung steht, daß die Arbeitsmigration für einen Teil der ausländischen Familien zu einem Leben hier auf Dauer, also zu einer Einwanderung geführt hat.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Eine Anmerkung zur Terminologie: Wir haben immer größere Schwierigkeiten, die hier angesprochene Gruppe begrifflich zu fassen. Ausländische Arbeitnehmer sind die Betroffenen längst nicht mehr alle; ein nicht unerheblicher Teil ist in einer selbständigen Position, der Anteil an Rentnern steigt. Auch der Begriff „Ausländer“ greift nur noch, wenn man allein die rechtliche Ebene in Betracht zieht: Ein erheblicher Teil der sogenannten zweiten Generation ist hier geboren und hat hier seine Heimat; zumindest faktisch gehören sie mehr der Bundesrepublik Deutschland als dem Herkunftsland an. Die Bezeichnung dieser Population als Einwanderer stößt auf politischen Widerstand. Am ehesten geeignet sind heute Begriffe wie ethnische, kulturelle oder sprachliche Minderheiten. Dadurch wird allerdings ein größeres Spektrum erfaßt, als durch die klassische Gruppe der „ausländischen Arbeitnehmer“, da auch. Aus-und u. U. Übersiedler in ihr enthalten sind, auf jeden Fall aber Asyl-suchende und -berechtigte sowie andere Minderheiten (etwa Sinti und Roma).

  2. Ich bin mir bewußt, daß es weitere Themen und Bereiche gibt, die in diesem Zusammenhang angesprochen werden könnten, so z. B. bei der ersten Generation Sprachkenntnisse und Weiterbildung sowie Erziehungsvorstellungen, bei der zweiten der Kindergartenbesuch und Vorurteile. Die Auswahl der Bereiche orientiert sich daran, welche Themen in den letzten Jahren m. E. an Bedeutung gewonnen haben und in die Zukunft weisen.

  3. Vgl. dazu Monika Müller. Selbstorganisation im Ghetto . Frankfurt 1983. S. 60; Friedrich Heckmann. Die Bundesrepublik: Ein Einwanderungsland? Zur Soziologie der Gastarbeiterbevölkerung als Einwandererminorität. Stuttgart 1981.

  4. Vgl. Peter König/Günther Schultze/Rita Wessel. Situation der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland. Repräsentativuntersuchung 1985. Bonn 1986. S. 255 ff.

  5. Annita Kalpaka, Handlungsfähigkeit statt „Integration“. Schulische und außerschulische Lebensbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten griechischer Jugendlicher. Ergebnisse einer Untersuchung in der Stadt Hamburg. München 1986, S. 30.

  6. Ebd.. S. 148.

  7. Zu der pädagogischen Diskussion s. Georg Auernheimer, Der sogenannte Kulturkonflikt. Orientierungsprobleme ausländischer Jugendlicher. Frankfurt-New York 1988. S. 159 ff.

  8. Die Frage, ob es sich bei der Zunahme des Einflusses des islamischen Fundamentalismus um eine durch Strömungen aus der Türkei kommende Umorientierung oder ob es sich um eine Erscheinung handelt, die durch die Lage der türkischen Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland hervorgerufen oder verstärkt wird, ist bisher nicht hinlänglich geklärt. Zum Islam in der Türkei und in der Bundesrepublik Deutschland vgl. Zentrum für Türkeistudien, Berufsberatung junger Ausländer. Bildungs-, Arbeitsmarkt und Landeskunde Türkei. Arbeitshilfe für die Berufsberatung. Nürnberg 1989.

  9. Vgl. dazu die Repräsentativuntersuchung von P. König u. a. (Anm. 4), S. 422.

  10. Vgl. dazu den Beitrag von Alice Jäger über italienische Familien, in: Ursula Boos-Nünning u. a., Berufswahlsituation und Berufswahlprozesse griechischer, italienischer und portugiesischer Jugendlicher. Entwicklung konzeptioneller Grundsätze zur Ausgestaltung des Beratungs-. Orintierungs-und Medienangebotes. Gutachten für die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg, Essen 1989.

  11. In einem unveröffentlichten Text „Die Mutter als Sozialisationsopponentin“. Essen 1990. entwickelt Maria Dietzel-Papakyriakou die These, daß die Rückkehrorientierung wichtigstes und bestimmendstes Ziel der Lebenssituation ausländischer Frauen darstelle. Als Muster der Alltagskommunikation wird die Bedeutung der Rückkehr von Ursula Mihciyazgan herausgearbeitet: Rückkehr als Metapher. Die Bedeutung der Rückkehr in der Lebensplanung und -praxis türkischer Migrantinnen, in: Informationsdienst zur Ausländerarbeit. 4/1989. Themenheft: Migrantinnen — Kultur im Wandel, S. 39— 42.

  12. Vgl. dazu Atilla Yakut u. a„ Zwischen Elternhaus und Arbeitsamt: Türkische Jugendliche suchen einen Beruf. Berlin 1986. Vgl. auch Ursula Boos-Nünning. Berufswahl türkischer Jugendlicher. Entwicklung einer Konzeption für die Berufsberatung, BeitrAB 121, Nürnberg 1989.

  13. Die Gedanken zu diesem Punkt stammen von Maria Dietzel-Papkyriakou. Sie hat dieses Thema in mehreren Beiträgen aufgegriffen, so z. B. in: Eine Gerontologie der Migration. in: Informationsdienst zur Ausländerarbeit. 2/1988. S. 42— 45; Die anderen Alten: Zur Situation alter Arbeitsmigrantinnen. in: Theorie und Praxis der sozialen Arbeit. (1990) 1, S. 14-19.

  14. Die Datenanalyse folgt den Erarbeitungen von Renate Henscheid, in: U. Boos-Nünning (Anm. 10).

  15. Vor allem zu nennen sind hier die Untersuchung von Ulrich Wagner, Soziale Schichtzugehörigkeit, formales Bildungsniveau und ethnische Vorurteile — Unterschiede in kognitiven Fähigkeiten und der sozialen Identität als Ursache für Differenzen im Urteil über Türken. Eine empirische Untersuchung, Berlin 1983, und Der Senator für Gesundheit und Soziales/Die Ausländerbeauftragte des Senats von Berlin, Pressemitteilung: Einstellung junger Berliner zur Ausländerintegration, 29. Dezember 1987.

  16. So die Ergebnisse der Untersuchung von U. Wagner ebd., S. 164.

  17. Vgl. dazu z. B. die Untersuchung von Ursula Mehrländer. Türkische Jugendliche — keine beruflichen Chancen in Deutschland?, Bonn 1983.

  18. Vgl. dazu die qualitativen Erhebungen von Werner Schiffauer. Die Gewalt der Ehre. Erklärungen zu einem türkisch-deutschen Sexualkonflikt. Frankfurt 1983; Ursula Boos-Nünning. Lebenssituation und Deutungsmuster türkischer Mädchen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Attila Yakut u. a.. Zwischen Elternhaus und Arbeitsamt: Türkische Jugendliche suchen einen Beruf, Berlin 1986; Lutz Hoffmann. „Wir machen alles falsch“. Wie türkische Jugendliche sich in ihren Alltagstheorien mit ihrer Lage in der Bundesrepublik auseinandersetzen. Bielefeld 1981.

  19. Vgl. dazu die Untersuchungsergebnisse von A. Kalpaka (Anm. 5), U. Mehrländer (Anm. 17) sowie Claus Mühlfeld u. a., Lebenszusammenhang und -planung der zweiten Generation türkischer Arbeitsmigranten. Eine empirische Untersuchung. gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, hektografiert veröffentlicht, Bamberg 1987; Andres Lopez-Blasco, Sozialisationsprozesse und Identitätskrise spanischer Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. DJI-Forschungsbericht, München 1983.

  20. So für die griechischen Jugendlichen A. Kalpaka (Anm. 5), S. 276; L. Hoffmann (Anm. 18), S. 75 ff.

  21. So L. Hoffmann (Anm. 18), S. 85 f.

  22. Vgl. dazu Dietrich Thränhardt. Die Bundesrepublik Deutschland — ein unerklärtes Einwanderungsland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 24/88. S. 3— 13.

Weitere Inhalte

Ursula Boos-Nünning, Dr. rer. soc. oec., geb. 1944; seit 1981 Professorin für Ausländerpädagogik an der Universität-GHS-Essen; Leiterin des Instituts für Migrationsforschung, Ausländerpädagogik und Zweitsprachendidaktik (IMAZ). Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit M. Hohmann u. a.) Aufnahmeunterricht, Muttersprachlicher Unterricht, Interkultureller Unterricht. Ergebnisse einer vergleichenden Untersuchung zum Unterricht für ausländische Kinder in Belgien, England und den Niederlanden, München 1983; Sozialpädagogische Arbeit mit türkischen Jugendlichen in der Berufsvorbereitung, Heinsberg-Kirchoven 1984; (zus. mit A. Yakut) Zwischen Elternhaus und Arbeitsamt: Türkische Jugendliche suchen einen Beruf, Berlin 1986; Berufswahl türkischer Jugendlicher. Entwicklung einer Konzeption für die Berufsberatung, Nürnberg 1989.