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Die Außenpolitik der Bundesrepublik auf dem Weg in ein neues Europa Westintegration und Ostpolitik unter veränderten Bedingungen | APuZ 4-5/1990 | bpb.de

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APuZ 4-5/1990 Die Bundesrepublik Deutschland -eine Weltmacht?, Außenpolitik nach vierzig Jahren Die Außenpolitik der Bundesrepublik auf dem Weg in ein neues Europa Westintegration und Ostpolitik unter veränderten Bedingungen Frieden in einem Europa demokratischer Rechtsstaaten Ausgangslage, Perspektiven, Probleme Friedensvölkerrecht und internationale Beziehungen Zum Verhältnis von Völkerrecht und internationaler Politik

Die Außenpolitik der Bundesrepublik auf dem Weg in ein neues Europa Westintegration und Ostpolitik unter veränderten Bedingungen

Michael Staack

/ 27 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland wird durch ihre Handlungsmaximen Westbindung und Ostpolitik bestimmt. Die Westbindung besteht aus einem strukturellen Wirkungszusammenhang mit einer innen-, außen-und sicherheitspolitischen Dimension, die sich in der liberal-pluralistischen Demokratie, der Zugehörigkeit zur Europäischen Gemeinschaft und zur Nordatlantischen Allianz konkretisieren. Das Bedingungs-und Spannungsverhältnis zwischen Westbindung und Ostpolitik bildet seit der Souveränität des westdeutschen Staates den Rahmen für seine Haltung in der Deutschland-Frage als zentraler außen-politischer Problemstellung. Die Ostpolitik der Bundesrepublik wird durch ihre Westbindung ermöglicht, aber auch begrenzt. Einschränkungen ergeben sich insbesondere aus dem Koordinierungsgebot als Folge der Westintegration sowie aus den fortbestehenden Rechten der drei Westmächte für Deutschland als Ganzes und Berlin. Im Zeichen des gegenwärtigen Umbruchs in Europa stellt nicht mehr das Bündnis mit den Vereinigten Staaten, sondern die enge Zusammenarbeit mit den Partnern in der EG den zentralen Handlungsrahmen für die Außenpolitik Bonns dar. Auch die „Brückenfunktion“ zum bisherigen Ostblock gewinnt eine neue Qualität. Bestimmte Elemente der Westbindung werden sich in den neunziger Jahren höchstwahrscheinlich verändern, diese an sich steht aber außer Frage. Ihre innenpolitische Dimension, die liberale Staats-und Gesellschaftsordnung, ist fest verwurzelt und wirkt auch auf den Demokratisierungsprozeß in der DDR. Die außenpolitische Dimension mit der Einbindung in die EG als Kem dürfte durch den Wandel in Europa gestärkt werden. Die sicherheitspolitische Dimension der Westbindung schließlich dürfte gekennzeichnet sein durch eine die amerikanische Sicherheitsgarantie schrittweise ersetzende westeuropäische Zusammenarbeit unter dem Dach einer neuen europäischen Friedensordnung, einhergehend mit einem Bedeutungsverlust militärischer zugunsten politischer Sicherheit.

I. Europa im Umbruch

Nach mehr als vier Jahrzehnten der Teilung beginnt Europa wieder zusammenzuwachsen. Der politisch-ideologische, ökonomische und militärische Antagonismus der Nachkriegszeit gehört schon ganz der Vergangenheit an oder verliert zunehmend an Wirkungskraft. Das Alte zerfällt täglich, und Utopien überholen die Realität. Während die Systemkonkurrenz zwischen West und Ost faktisch zugunsten der liberal-pluralistischen Gesellschaftsordnung entschieden ist, nehmen die Chancen zu, auch die Machtkonkurrenz durch Verhandlungen, vertragliche Regelungen und umfassende institutionalisierte Zusammenarbeit dauerhaft und strukturell zu zivilisieren. Dies gilt besonders für die Rüstungskonkurrenz als potentiell bedrohlichste Dimension des Machtkonflikts zwischen West und Ost.

Die Verteidigungsallianzen beider Seiten, Atlantisches Bündnis und Warschauer Vertrag, stellen auf absehbare Zeit einen noch notwendigen Rahmen dar, um stabile Bedingungen für den sich vollziehenden Wandel gewährleisten zu helfen, insbesondere die Anerkennung der legitimen Sicherheitsinteressen aller Beteiligten. Zugleich nimmt die Bedeutung primär europäischer Handlungsebenen immer mehr zu. Die Europäische Gemeinschaft entwickelt sich sichtbar zu einem zweiten westlichen Führungszentrum neben den Vereinigten Staaten von Amerika, mit beträchtlicher Anziehungskraft auch für den Rest des Kontinents. Die auf ein erstes Ergebnis zusteuernden Verhandlungen über Konventionelle Stabilität in Europa (VKSE) finden bereits, im Gegensatz zur erfolglos gebliebenen MBFR-Konferenz, unter dem Dach des gesamteuropäischen KSZE-Prozesses statt. Im Rahmen der KSZE hat auch eine substantielle Verständigung über Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, die in der Vergangenheit so kontroversen Inhalte des „dritten Korbes“ der Schlußakte von Helsinki, mit dem längerfristigen Ziel eines „gemeinschaftlichen europäischen Rechtsraums“ begonnen. Nach dem Ende der bipolaren Blockkonfrontation zeichnet sich eine „Europäisierung Europas“, von Peter Bender schon zu Beginn der achtzigerJahre als Entwicklungstendenz ausgemacht als eine realistische, wenngleich sich nicht selbsttätig verwirklichende Perspektive ab. Damit einher geht eine Relativierung der Bedeutung der „semi-europäischen Mächte“ (George F. Kennan) — USA und Sowjetunion — für die Gestaltung einer neuen Ordnung in Europa.

Kaum ein Staat ist so abhängig von Veränderungen im internationalen System und in den Ost-West-Beziehungen wie die Bundesrepublik Deutschland. Der gegenwärtige Umbruch der europäischen Nachkriegsordnung stellt ihre Außenpolitik vor neue Herausforderungen, eröffnet ihr neue Möglichkeiten und konfrontiert sie zugleich mit alten Besorgnissen ihrer Nachbarn. Bisher gültige Anschauungen und Zielsetzungen, Methoden und Instrumente befinden sich auf dem Prüfstand. Das gilt auch für den Inhalt und die Zuordnung der beiden zentralen „Handlungsmaximen“ bundesdeutscher Außenpolitik: Westbindung und Ostpolitik. Im Zeichen einer schrittweisen Überwindung der europäischen Teilung stellt nicht mehr das Bündnis mit den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern die noch engere Zusammenarbeit mit den Partnern in der Europäischen Gemeinschaft den zentralen Handlungsrahmen für die Außenpolitik der Bundesrepublik dar. Auch die „Brückenfunktion“ (Richard von Weizsäcker) Westdeutschlands zum bisherigen Ostblock gewinnt eine neue Qualität. Die Evolution in der DDR und die Herstellung weitestgehender Freizügigkeit zwischen den Deutschen stellen den vorläufigen Kulminationspunkt der Entwicklung zu einem neuen Europa dar. Die Deutschland-Frage steht erneut auf der europäischen Tagesordnung.

II. Die Deutschland-Frage als europäisches Problem

Die Frage nach der Zukunft Deutschlands ist, mit unterschiedlicher Intensität und Aktualität, die wichtigste Problemstellung für die Außenpolitik der Bundesrepublik seit ihrem Beginn. Diese Deutschland-Frage ist zugleich das Schlüsselproblem jeder europäischen Friedensarchitektur. Das Problem existiert mindestens so lange, wie es das moderne Europa der Nationalstaaten gibt.

Auf die Deutschland-Frage hat es ganz unterschiedliche Antworten gegeben: vom nach-napoleonisehen Deutschen Bund mit seinen rivalisierenden Zentren Österreich und Preußen über die mitteleuropäische Hegemonie des Bismarck-Reiches und dessen mißlungene Eindämmung durch den Versailler Vertrag bis hin zum Weltherrschaftsanspruch des Hitler-Staates Die Deutschland-Frage als europäisches Problem resultiert aus der geographischen Mittellage und aus der Größe des Landes: Ohne Deutschland kann es keine gesamteuropäische Lösung geben, aber auch mit Deutschland läßt sich eine solche Ordnung nicht leicht herbeiführen; dieser Staat ist „zu klein, um den Kontinent zu beherrschen, und zu groß, um sich ihm als Gleicher unter Gleichen einzufügen“

Deutschlands erzwungene Teilung, ein Strukturelement in der zu Ende gehenden Nachkriegsordnung, war eine Bedingung der europäischen Stabilität und Balance zwischen den Blöcken — und bleibt es so lange, bis eine neue Ordnung gewachsen ist. Deutschlands Teilung trägt insofern auch den berechtigten Sicherheitsinteressen seiner Nachbarn in West und Ost Rechnung. Die deutsche Spaltung hat immer zwei Wurzeln gehabt: den Ost-West-Kon-flikt und Hitlers Expansionismus, den wahnsinnigen Versuch, die Welt von Deutschland aus beherrschen zu wollen. Während sich der Ost-West-Konflikt nun seinem Ende zuneigt, stellen die Erinnerung an die Gefahren deutscher Machtkonzentration und der Wille der Opfer, jede Wiederholung auszuschließen, nach wie vor einen bedeutsamen politischen Faktor dar. Dennoch ist eine Überwindung der europäischen Teilung nicht denkbar ohne die Überwindung der deutschen Spaltung. Dieses Ziel bundesdeutscher Außenpolitik kann aber nicht auf die Herstellung nationalstaatlicher Einheit verengt werden, vielmehr geht es in erster Linie um die Freiheit aller Deutschen zur Selbstbestimmung und um jene zwischenstaatliche Normalität, die das Verhältnis der Staaten Westeuropas mittlerweile charakterisiert. In einem wieder zusammenwachsen-den Europa darf die Annäherung zwischen den Deutschen nicht Zurückbleiben hinter der system-öffnenden.den trennenden Charakter fortbestehender Grenzen immer stärker mindernden Annäherung von West und Ost als gesamteuropäischer Prozeß; sie darf ihr allerdings auch nicht so vorauseilen, daß die Partner und Nachbarn den Anschluß verlieren.

Bei der Überwindung der europäischen und der deutschen Spaltung handelt es sich um einen komplementären Vorgang: Das eine geht nicht ohne das andere. Der Außenpolitik der Bundesrepublik liegt deshalb die Konstante zugrunde, daß eine Lösung der „deutschen Frage“ durch die freie Ausübung des Selbstbestimmungsrechts aller Deutschen nur im Rahmen einer gesamteuropäischen Friedensordnung erreicht werden kann Wie diese Lösung aussehen wird, ob in der Organisationsform eines Einheitsstaates, eines Bundesstaates, einer Konföderation oder in getrennten Staaten, wird dadurch nicht vorherbestimmt

Der Zwang zu einer gesamteuropäischen Regelung der Deutschland-Frage folgt aus — der geschichtlichen Erfahrung und Lehre, daß diese Frage im Interesse der europäischen Stabilität und Friedenssicherung nicht von den Deutschen allein entschieden werden kann, die Beteiligung ihrer Partner und Nachbarn vielmehr deren legitimes Recht und Interesse darstellt; — dem in der Präambel des Grundgesetzes verankerten Veffassungsauftrag, sowohl die nationale und staatliche Einheit der Deutschen zu wahren als auch „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“; — den fortbestehenden Rechten der Vier Mächte für Deutschland als Ganzes einschließlich des Sonderregimes für Berlin bis zum Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung, wodurch die Beteiligung insbesondere der Weltmächte an jeder Deutschland-Lösung auch rechtlich unvermeidlich geboten ist.

Auf diesen Zusammenhang weist außerdem der nach wie vor die politische Strategie der NATO grundsätzlich bestimmende „Harmel-Bericht“ hin: „Eine endgültige und stabile Regelung in Europa ist . . . nicht möglich ohne eine Lösung der Deutschlandfrage, die den Kem der gegenwärtigen Spannungen in Europa bildet. Jede derartige Regelung muß die unnatürlichen Schranken zwischen Ost-und Westeuropa beseitigen, die sich in der Teilung Deutschlands am deutlichsten und grausamsten offenbaren.“ Deutsche Alleingänge oder sogar einen neuen „deutschen Sonderweg“ kann es aufgrund dieser Rahmenbedingungen nicht bzw. nur unter großem politischen Schaden geben. Die grundlegenden Handlungsmaximen der Außenpolitik der Bundesrepublik, feste Verankerung im Westen und gute Verbindungen zum Osten, bilden gerade in der gegenwärtigen Phase des europäischen Umbruchs unverzichtbare Voraussetzungen zur Ausschöpfung ihres außenpolitischen Handlungsspielraums.

III. Westbindung und Ostpolitik

Die dauerhafte Zugehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland zum Westen und eine aktive Ostpolitik stellen zwei sich ergänzende Handlungsmaximen dar, die zueinander sowohl in einem Bedin-gungs-als auch in einem Spannungsverhältnis stehen. Die konkrete Ausprägung des Spannungsmoments hängt wesentlich von der Latenz der Deutschland-Frage ab. Je höher diese Frage — wichtiges, wenngleich nicht einziges Motiv für die Ostpolitik — auf der Tagesordnung rangiert, desto größer ist in der Regel das Potential für mögliche Konflikte mit den Partnern im Westen und folglich auch das Erfordernis einer engen innerwestlichen Abstimmung der Ostpolitik. Das oberste Ziel der Außenpolitik der Bundesrepublik seit 1949 besteht darin, die freie Eigenentwicklung des Staates zu sichern und diesen vor äußerer Bedrohung zu schützen Diesem Ziel dient die Westbindung in ihrer sicherheits-, außen-und innenpolitischen Dimension.

Die sicherheitspolitische Dimension der Westbindung konkretisiert sich in der Zugehörigkeit der* Bundesrepublik zur Nordatlantischen Allianz und zur Westeuropäischen Union. Den Kern dieser sicherheitspolitischen Westbindung bildet, eingebettet in den multilateralen Rahmen der NATO, das Bündnis mit den Vereinigten Staaten von Amerika, deren nukleare Schutzgarantie für, aber auch deren konventionelle Truppenpräsenz in Europa. Diese Komponente der Westbindung dient dem Schutz der territorialen Unversehrtheit der Bundesrepublik, errichtet eine Barriere gegen mit militärischer Macht vorgetragene Erpressung. Außerdem ermöglicht der eigene Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik ihre prinzipiell gleichberechtigte Mitsprache in der NATO. Die sicherheitspolitische Dimension der Westbindung richtet sich primär gegen die Sowjetunion als potentiellen Aggressor, sie erfüllt aber auch die Funktion, den Westen durch Einbindung und Kontrolle der Bundesrepublik vor einer eigenständigen deutschen Militärmacht zu schützen.

Die außenpolitische Dimension der Westbindung wird vor allem durch die Integration der Bundesrepublik in die Europäische Gemeinschaft gekennzeichnet, weiterhin durch die über die Sicherheitspolitik im engeren Sinne hinausgehende Zusammenarbeit in der NATO sowie in anderen, bioder

multilateralen Kooperationszusammenhängen des Westens wie der institutionalisierten deutsch-französischen Zusammenarbeit oder den auch Japan und Kanada einbeziehenden Weltwirtschaftsgipfeln.

Die Außenpolitik Bonns stellt heute in nahezu allen ihren Teilbereichen eine weitgehend westeuropäisch koordinierte, jedoch überwiegend noch nicht integrierte Politik dar. Die außenpolitische Dimension der Westbindung gewährleistet die fühB rende Beteiligung der Bundesrepublik an der Formulierung einer gemeinsamen westlichen Politik im westeuropäischen bzw. atlantischen Rahmen und erweitert auf diese Weise den Handlungsspielraum für ihre Außenpolitik. Wachsende Bedeutung kommt in diesem Kontext den außenwirtschaftspolitischen Interessen auf der Grundlage ökonomischer Westintegration zu, namentlich der Erhaltung eines freien Welthandels, weitestgehend offener Märkte sowie neuerdings einer abgestimmten Wirtschaftsstrategie gegenüber den Nachbarstaaten im Osten.

Die innenpolitische Dimension der Westbindung schließlich findet ihren Ausdruck in der freiheitlich-demokratischen Verfassungs-und pluralistischen Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik. Mit der Niederlage Nazi-Deutschlands war auch der vordemokratisch-autoritäre, anti-pluralistische „deutsche Sonderweg“ in der Innenpolitik endgültig gescheitert. Stellten die fünfziger und sechziger Jahre noch eine Umbruchphase zwischen autoritären Strukturen in der Gesellschaft und einer noch vielfach auf die äußeren Formen reduzierten Demokratie dar, so erfolgte mit den innenpolitischen Auseinandersetzungen Ende der sechziger Jahre, den Reformvorhaben der sozial-liberalen Koalition, dem Aufkommen von Bürgerinitiativen sowie den „neuen sozialen Bewegungen“ der gleichermaßen „mentale“ Durchbruch zu einer demokratischen Gesellschaft Nimmt man die Partizipation der Bürger an staatlichen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen als Indikator für die Verwurzelung demokratischen Gedankengutes, so liegt die Bundesrepublik neben den USA und den Niederlanden an der Spitze der Länder des Westens Freiheitliche Demokratie und westlich-liberale Wertvorstellungen werden in der Bundesrepublik nur noch von Randgruppen in Frage gestellt. Die innenpolitische Westbindung ist somit als außerordentlich stabil anzusehen.

Diese drei Dimensionen der bundesdeutschen Westbindung bilden einen strukturellen Wirkungszusammenhang, der eine prinzipiell andere außen-politische Orientierung des westdeutschen Staates, etwa eine Neutralisierung, nahezu ausschließt. Unter der Bedingung der Teilung Europas und Deutschlands in antagonistische Bündnissysteme bzw. Sozialordnungen stellte die Westbindung der Bundesrepublik, insbesondere ihre Mitgliedschaft in der NATO, ungeachtet der unterschiedlichen Intensitätsstufen des Ost-West-Konflikts, das unverzichtbare „Sicherheitsnetz“ dar, um andere außenpolitische Zielsetzungen, insbesondere das Interesse an ausgebauten Ostverbindungen, verfolgen zu können. Aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte als „deutschlandpolitische Konkretisierung des Ost-West-Konflikts“ und als Konsequenz der Entscheidung für eine freiheitlich-demokratische Staats-und Gesellschaftsordnung war die si-cherheitsund außenpolitische Westbindung der Bundesrepublik die notwendige Bedingung, um weitestgehende Souveränität zu erlangen und den außenpolitischen Handlungsspielraum schrittweise erweitern zu können.

Die Teilung des europäischen Kontinents, die nicht gelöste Deutschland-Frage und die exponierte geographische Lage der Bundesrepublik an der Trennungslinie der Allianzen verpflichtete die Bonner Politik zum Aufbau und zur Ausgestaltung von guten Verbindungen in Richtung Osten. Deren grundsätzliche Notwendigkeit wurde — trotz vielfältiger Konflikte um die jeweiligen Inhalte — von keiner Bundesregierung in Zweifel gezogen. Wegen der Teilung der deutschen Nation in zwei Staaten und deren unterschiedlicher Bündniszugehörigkeit ist die Bundesrepublik Krisen und Rückschlägen in den Ost-West-Beziehungen seit jeher besonders ausgesetzt. Zu ihrem Interesse an stabilen Ostverbindungen gehört darum nicht nur der Wunsch nach einem ständigen Dialog, sondern auch eine spezifische sicherheitspolitische Komponente, ein besonderes Interesse an der Vermeidung eines militärischen Konflikts. Bei einem Umschlagen des Ost-West-Konflikts in eine bewaffnete Auseinandersetzung in Europa wäre die Bundesrepublik territorial stets unmittelbar betroffen und als kleinräumiges, hochindustrialisiertes Staatswesen mit empfindlicher Infrastruktur außerordentlich verwundbar durch Kriegseinwirkungen — in gleicher Weise wie die DDR.

Für die operative Ausgestaltung der Ostpolitik der Bundesrepublik ergibt sich aus der prinzipiellen Notwendigkeit von Ostverbindungen ein breites Spektrum von Handlungsoptionen. Es reicht von der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur kommunistischen Führungsmacht Sowjetunion im „Kalten Krieg“ (1955) — und trotz fortbestehender unvereinbarer Grundsatzpositionen — über die Normalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen auf der Basis einer Anerkennung des Status quo im Moskauer Vertrag (1970) bis hin zu einem Verständnis der Bundesrepublik Deutschland als „Osten des Westens“ (Richard von Weizsäcker) und als Motor einer aktiven Ostpolitik der westlichen Zusammenschlüsse. Aber erst durch die neue Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition nach 1969 wurde aus dem Aufrechterhalten von Verbindungen eine gestaltende Politik. Mit seiner Bereitschaft zum umfassenden Gewaltverzicht, zu Grenzanerkennung, Ausgleich und Versöhnung mit den Staaten und Völkern im Osten öffnete das neue Regierungsbündnis den Weg zu Normalisierung und Zusammenarbeit. Durch diese Politik wurde die Mitgliedschaft beider deutscher Staaten in den Vereinten Nationen (1973) ermöglicht und damit eine bedeutsame Erweiterung der internationalen Handlungsoptionen Bonns erreicht. Die Normalisierungspolitik beendete den bundesdeutschen „Sonderkonflikt“ (Richard Löwenthal) mit den Nachbarn im Osten und schuf damit auch die Voraussetzungen für eine verstärkte Mitsprache im Westen, für „eine selbständigere deutsche Politik in einer aktiveren Partnerschaft“ Erst mit der sozialüberalen Ostpolitik wurde die Bundesrepublik Deutschland ein voll handlungsfähiges Mitglied des internationalen Staatensystems.

Eine Schlüsselfunktion für die Ostpolitik der Bundesrepublik besitzen die Beziehungen zur Sowjetunion Eine positive Entwicklung zwischen beiden Staaten ist eine Bedingung für jede friedenssichernde Politik in Europa. Ohne die Sowjetunion, . gegen sie oder an ihr vorbei war weder im „Kalten Krieg“ noch in der nachfolgenden Entspannungsphase eine erfolgversprechende Ausgestaltung der Ostverbindungen insgesamt zu bewerkstelligen. Erst in allerjüngster Zeit sind bilaterale Verhandlungen und Vereinbarungen mit den anderen Mitgliedern des Warschauer Paktes ohne vorherige sowjetische Einwilligung möglich geworden. Dennoch betrachtet die Sowjetunion die DDR weiterhin als ihren wichtigsten Verbündeten, dessen Pakt-zugehörigkeit nicht zur Disposition steht, ungeachtet der innenpolitischen Reformen und einer weiteren Annäherung zwischen beiden deutschen Staaten, die von ihr befürwortet wird Auf der anderen Seite sind zwischen der Bundesrepubük und der Sowjetunion seit der Unterzeichnung des Normalisierungsvertrages vor zwanzig Jahren eine Fülle von Interessengemeinsamkeiten gewachsen, die sich auch auf die Struktur einer neuen europäischen Friedensordnung beziehen

Die Westbindung der Bundesrepubük ermögücht und stärkt ihre Ostpolitik, schränkt ihren Handlungsspielraum gleichzeitig aber auch ein. Die Mitgliedschaft im Nordatlantischen Bündnis und in der Europäischen Gemeinschaft verpflichtet sie zur Abstimmung ihrer Außen-und Wirtschaftspolitik mit den Partnern; an die Stelle einer autonomen Sicherheitspolitik trat die vollständige Integration der Bundeswehr in die NATO. Umgekehrt kann der Zwang zur Koordinierung den Handlungsspielraum für die bundesdeutsche Außenpolitik erweitern, wenn es gelingt, bestimmte Zielsetzungen Bonns als Ziele der westüchen Zusammenschlüsse insgesamt durchzusetzen. Eine Einschränkung des Handlungsspielraums findet im entgegengesetzten Fall statt: Dann, wenn sich bundesdeutsche Vor-stellungen mit den Zielen der wichtigsten Partner nicht vereinbaren lassen und es für die Außen-politik Bonns zu einem „Prioritätenkonflikt“ kommt, in dem die Westbindung gegenüber ostpolitischen Sonderinteressen aus strukturellen Gründen regelmäßig den Vorrang erhält.

Eine weitere Begrenzung ergibt sich aus den fortbestehenden Rechten der drei westüchen Alliierten. Im Deutschland-Vertrag vom 23. Oktober 1954 erkannten Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika der Bundesrepublik Deutschland zwar „die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten“ (Art. 1 Abs. 2) zu und erklärten ihr Besatzungsregime für beendet. Dennoch büeben die auf den Vier-Mächte-Vereinbarungen von 1945 beruhenden Rechte und Verantwortlichkeiten der Westmächte gegenüber der Sowjetunion in be-zug auf Berlin, auf Deutschland als Ganzes und auf den Abschluß eines Friedensvertrages bestehen (Art. 2). Der Deutschland-Vertrag enthält auch die verbindliche Festlegung einer gemeinsamen Deutschlandpolitik der vertragschließenden Staaten mit dem Ziel, „ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich-demokratische Verfassung, ähnlich wie die Bundesrepublik, besitzt und das in die europäische Gemeinschaft integriert ist“, zu erreichen (Art. 7) In sicherheitspolitischer Hinsicht wird der Handlungsspielraum Westdeutschlands durch das „doppelte Stationierungsrecht“ der Alliierten eingeschränkt, das sich nicht nur aus dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Oktober 1954 (Truppenvertrag) herleitet, sondern auch aus den originären Siegerrechten Frankreichs, Großbritanniens und der USA

Noch augenfälliger als in der Sicherheitspolitik ergeben sich wirksame Einwirkungsmöglichkeiten der Westalliierten auf die Außenpolitik Bonns aus dem Status von West-Berlin. Mit dem Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971 gelang zwar eine Befriedun Oktober 1954 (Truppenvertrag) herleitet, sondern auch aus den originären Siegerrechten Frankreichs, Großbritanniens und der USA 19).

Noch augenfälliger als in der Sicherheitspolitik ergeben sich wirksame Einwirkungsmöglichkeiten der Westalliierten auf die Außenpolitik Bonns aus dem Status von West-Berlin. Mit dem Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971 gelang zwar eine Befriedung des bisherigen Krisenherdes, der zukünftig zum „Prüfstein der Entspannung“ 20) werden konnte. Dessen ungeachtet blieb West-Berlin aber die außenpolitische „Achillesferse der Bundesrepublik“ 21) -Unter den Bedingungen der nun zu Ende gegangenen Ost-West-Konfrontation besaß die Situation der Stadt insofern Symbolcharakter für die Bedeutung der außenpolitischen Hand-lungsmaximen Westbindung und Ostverbindungen. Ohne die Schutzfunktion der westlichen Alliierten konnte West-Berlin nicht gesichert, ohne eine geduldige Politik des Dialogs mit der DDR und der Sowjetunion nicht dauerhaft entwickelt werden. Diese Konstellation eröffnete den Westmächten, vor allem den Vereinigten Staaten, eine Handhabe, um die Ost-und Deutschlandpolitik der Bundesrepublik mit dem Ziel indirekter Steuerung beeinflussen zu können. Besonders nachdrücklich geschah dies bei der Herstellung eines Junktims zwischen der Ratifizierung der Ostverträge und dem Abschluß eines Berlin-Abkommens. Dem damaligen Sicherheitsberater Präsident Nixons. Henry Kissinger, diente dieses Junktim dazu, um von ihm befürchtete „deutsche Alleingänge“ in der Ostpolitik auszuschließen und die Führungsrolle der USA abzusichern 22): „Die Vier-Mächte-Verhandlungen (stellten) ein subtiles Instrument dar. mit dem die Dynamik der von der Sozialliberalen Koalition geführten Ostpolitik kontrolliert und gegebenenfalls gezügelt werden konnte.“ 23)

Die westalliierten Einwirkungsmöglichkeiten als Folge des Berlin-Status bestehen auch nach den Umwälzungen in der DDR fort, die die Rolle und das politische Umfeld der Stadt, jedoch nicht die Rechtslage verändert haben. Die Einordnung Berlins in eine europäische Friedensordnung wird eine komplizierte Aufgabe darstellen und den drei Mächten auch unter den neuen Rahmenbedingungen Optionen zur Einwirkung auf die gesamte Deutschlandpolitik sichern. Am Beispiel der Berlin-Problematik wird besonders deutlich, daß die Westintegration der Bundesrepublik stets auch der Kontrolle Westdeutschlands diente. Dieses Motiv bestimmt bis heute grundsätzlich die Politik der Westmächte. Allerdings könnten sich die Formen ändern, mit denen den berechtigten Sicherheitsinteressen der Partner Rechnung getragen wird. Dies gilt in ganz besonderer Weise für die sicherheitspolitische Westbindung mit ihrer doppelten Funktion. „Sicherheit für Deutschland“ und „Sicherheit vor Deutschland“ zu gewährleisten.

IV. Vom amerikanischen zum europäischen Sicherheitsregime

Die engen Sicherheitsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika besitzen für beide Seiten große Bedeutung Der sicherheitspolitische Konsens zwischen Bonn und Washington gründete sich bisher auf ihr gemeinsames Interesse an einer glaubwürdigen militärischen Abschreckung gegenüber der Sowjetunion bzw.deren Pakt. Unter den bis zum Aufbau eines neuen Sicherheitsregimes fortgeltenden Bedingungen des Ost-West-Konflikts ist die Nuklearmacht der USA für das Funktionieren dieser Abschreckung unverzichtbar und ohne Alternative. Sie gibt den Vereinigten Staaten das Recht, die Regeln des Sicherheitsregimes für die Bundesrepublik bzw. Westeuropa zu bestimmen.

Solange die europäische Nachkriegsordnung nicht durch eine neue Friedensordnung ersetzt worden ist, bleibt die Bundesrepublik abhängig von den Sicherheitsgarantien der USA, die entscheidend zu ihrem politischen und wirtschaftlichen Aufstieg beigetragen haben. Um das Sicherheitsregime als Substanz der deutsch-amerikanischen Beziehungen gruppiert sich aber schon seit langem ein Netz von vielfältigen Austauschverhältnissen, Verflechtungen und Interdependenzen im politischen, wirtschaftlichen oder technologischen Bereich. Während die Normen, die das Sicherheitsregime prägen, seit dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik (1955) prinzipiell nicht verändert worden sind, hat sich das Regelwerk für die ökonomischen und außenpolitischen Beziehungen dem Wandel von Rahmenbedingungen, insbesondere der gewachsenen Rolle der Bundesrepublik im internationalen System, viel stärker angepaßt.

Von einer Hegemonie der Vereinigten Staaten in den deutsch-amerikanischen oder, noch umfassender, in den transatlantischen Beziehungen kann folglich nur noch sehr eingeschränkt die Rede sein

Obwohl sich „der . Primat der Sicherheitspolitik* . . . auch im Hegemonialbereich nicht mehr leicht zugunsten von Führungszwecken instrumentalisieren“ läßt, verfügen die USA mit ihrer nuklearen Schutzgarantie noch immer über ein sicherheitspolitisches Hegemoniepotential im Verhältnis zu ihren Verbündeten. Die Nukleargarantie stellt strukturell die entscheidende Machtressource der Vereinigten Staaten dar. Je stärker der Anlaß für ein amerikanisches Sicherheitsregime mit Westeuropa abnimmt, also die Abwehr einer potentiellen Aggression von Seiten der Sowjetunion, desto geringer wiegt diese Machtressource. In den wirtschafts-und außenpolitischen Beziehungen mit ihren europäischen Verbündeten sind die USA schon gegenwärtig nicht mehr hegemoniefähig. In dem Maße, in dem die bipolar zentrierte Nachkriegsordnung durch eine die Bündnisse überwindende Friedensordnung ersetzt werden kann, wird auch die Bedeutung ihres Hegemoniepotentials in der Sicherheitspolitik weiter relativiert. Ein neues europäisches Sicherheitsregime dürfte mit größter Wahrscheinlichkeit von den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion mitgestaltet, von den beiden Weltmächten aber nicht mehr, wie es bei der Nachkriegsordnung der Fall war, bestimmt werden.

Der amerikanischen Europapolitik nach dem Zweiten Weltkrieg lag stets die Strategie einer „doppelten Eindämmung“ sowohl der Sowjetunion als auch Deutschlands als potentiell größter (rein) europäischer Macht zugrunde. Die Teilung des Kontinents in zwei Blöcke stellte eine stabile Struktur dar, um beide Zielsetzungen zu verfolgen und zugleich den größtmöglichen Einfluß der USA auf die europäische Politik zu sichern. Aus dem Bestreben der Bundesrepublik nach stabilen Ostverbindungen resultiert ein latentes Konfliktpotential zwischen Washington und Bonn, denn „doppelte Eindämmung" und Ostpolitik sind nur bedingt kompatibel. In wichtigen Zielen ihrer Außenpolitik orientiert sich die Bundesrepublik nicht am globalen Welt-machtkonflikt, sondern an ihren mit der Deutschland-Frage verknüpften regionalen Sonderinteressen. Diese Sonderinteressen stehen im Widerspruch zum zentralen außenpolitischen Interesse der USA an der Bundesrepublik, nämlich „die wichtigste Stütze der Systemsicherung in Europa“ zu sein.

Es zeichnet sich ab, daß die Vereinigten Staaten ihr Konzept einer „Kontrolle durch Einbindung“ der Bundesrepublik angesichts des Endes der Nachkriegsordnung in Europa neu definieren. Sie betrachten Bonn als „Partner in einer Führungsrolle“ und sehen die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands als eine unvermeidbare Entwicklung an. Den Weg dieser Entwicklung zu bestimmen, das Tempo und auch das Ergebnis halten sie allerdings — in Übereinstimmung mit nahezu allen europäischen Staaten — nicht für die alleinige Angelegenheit der Deutschen. Dem entsprechen die aktualisierten Ziele amerikanischer Europapolitik. Die NATO soll als ein politisches Instrument genutzt werden, das den Wandel in Europa bewerkstelligen hilft, die mitbestimmende Rolle der USA auf dem Kontinent garantiert und das zukünftige Deutschland in den Westen integriert Ein solches Konzept stellt die Bundesrepublik in absehbarer Zukunft vor die Aufgabe, über die Priorität der NATO-Mitgliedschaft oder des Konzepts einer bündnisüberwindenden europäischen Friedensordnung zu entscheiden, denn „auf welche Weise die deutsche Einheit auch verwirklicht werden mag . . ., eines ist klar: es wird nicht dadurch geschehen, daß die Grenzen der NATO nach Osten verschoben werden“ -Wahrscheinlicher ist eine Europäisierung der sicherheitspolitischen Westbindung der Bundesrepublik als Schritt zu einem neuen Sicherheitsregime für Europa.

Westeuropas gewachsene Rolle im internationalen Staatensystem ist in den achtziger Jahren immer deutlicher erkennbar geworden. Nach den Umbrüchen der letzten Zeit gehört das europäische Ord-nungsduopol der Weltmächte faktisch bereits der Vergangenheit an, ohne daß es schon ersetzt worden wäre durch dauerhafte neue Strukturen. Westeuropa in der Organisationsform der Europäischen Gemeinschaft sieht sich vor eine gewaltige Gestaltungsaufgabe gestellt, für die es nur bedingt vorbereitet ist. Man muß nicht mit Samuel Huntingtons gewagter Prognose übereinstimmen, daß das 21. Jahrhundert ein „europäisches“ werden könne und „the baton of world leadership that passed westward across the Atlantic in the early twentieth Century could move back eastward a hundred years later“ um die großen Chancen für eine „Europäisierung Europas“ zu erkennen, die sich aus der fortschreitenden Integration Westeuropas in Verbindung mit der Aufgabe der sowjetischen Suzerä-nität über Mittel-und Osteuropa ergeben. Ökonomisch hat die EG die Vereinigten Staaten bereits überflügelt. Dies ist auf anderen Feldern, insbesondere in der Sicherheitspolitik, nicht zu erwarten, aber ökonomisches Potential setzt sich nach aller historischen Erfahrung auch in politische Macht um, wenn dies politisch nicht verhindert wird 33).

Die Europäische Gemeinschaft hat bereits damit begonnen, stellvertretend für den gesamten Westen und im weitgehenden Einverständnis mit den USA, eine Führungsrolle in der Ostpolitik zu übernehmen. Sie koordiniert die westliche Wirtschaftshilfe und hat die Kriterien für eine fortgesetzte Unterstützung der Reformprozesse im Osten entwickelt: Verwirklichung der Menschenrechte. Rechtsstaatlichkeit und freie Wahlen 34). Um die gesamteuropäischen Folgen der dynamischen Veränderungen in Mittel-und Osteuropa mitgestalten zu können, muß sie ihr Konzept für eine neue Friedensordnung im KSZE-Raum fortentwickeln und präzisieren. Wenn Westeuropa seiner Möglichkeit als organisierender Kern des ganzen Europa entsprechen will, wird eine zunächst koordinierte und dann integrierte Politik auf allen Gebieten erforderlich: Vollendung des Binnenmarkts, einer Wirtschafts-und Währungsunion sowie einer politischen Union. Eine ihre Funktion als zweites westliches Führungszentrum ausfüllende Europäische Gemeinschaft muß ebenso die Frage nach ihrer sicherheitspolitischen Identität beantworten, in deren Rahmen auch die sicherheitspolitische Westbindung der Bundesrepublik neu verankert werden kann.

Der Abbau der Blockkonfrontation hat die bisherigen Bedrohungsperzeptionen verändert und den politischen Willen zur Zügelung der Rüstungskonkurrenz gestärkt. Dennoch können Abrüstung und Rüstungskontrolle mit dem augenblicklichen politischen Umbruch nicht Schritt halten, denn geordnete und verifizierbare Abrüstung erfordert Sorgfalt und Zeit. Während das im Wiener VKSE-Rah-men verhandelte, sich noch für 1990 abzeichnende erste Abkommen über konventionelle Rüstungskontrolle vornehmlich der Beseitigung des Rüstungsüberhanges der Sowjetunion dient, wird es in einer zweiten Runde um substantielle Abrüstung auf beiden Seiten gehen. Eine Verminderung der Arsenale und Mannschaften um 50 Prozent oder mehr in den neunziger Jahren ist nicht mehr als Utopie zu betrachten. Auch in diesem Kontext wird sich die Frage nach der Ausgestaltung der sicherheitspolitischen Westbindung der Bundesrepublik erneut stellen. „Tiefe Einschnitte“ bei der konventionellen Rüstung würden nicht nur die Bundeswehr erfassen, sondern zugleich die amerikanischen Truppen in Deutschland und die in beiden Teilen Deutschlands stationierten Streitkräfte der vier ehemaligen Besatzungsmächte insgesamt

Konflikte nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch innerhalb des Westens sind in dieser zweiten VKSE-Runde absehbar. Um diese austragen zu können, dennoch verhandlungsfähig zu bleiben und die unterschiedlichen Sicherheitsinteressen ausgleichend in Rechnung zu stellen, bedarf es auch in absehbarer Zukunft noch der Steuerungsund Integrationsfunktion der Allianzen als europäischer Ordnungselemente mit stabilisierender Wirkung für ganz Europa Auf dem Weg von der Block-konfrontation zu einer neuen Sicherheitspartnerschaft könnten die Bündnisse aber immer stärker auf ihre ursprüngliche Aufgabe als militärische Beistandssysteme zurückgeführt werden, die als „Abwicklungsgaranten“ (Egon Bahr) der Abrüstung wirken. In diesem Zeitraum besteht die Möglichkeit zum Aufbau einer engen westeuropäischen Zusammenarbeit auch in der Sicherheitspolitik. Eine solche Kooperation in einem drastisch abgerüsteten Europa kann die NATO schließlich ersetzen, ohne daß dadurch das erforderliche Gegengewicht zur großen europäischen Kontinentalmacht Sowjetunion aufgehoben würde. Neue Sicherheitsstrukturen könnten sich unter dem Dach der noch bestehenden entfalten, so daß ein Übergang in Stabilität gewährleistet ist. Den Vereinigten Staaten käme in einem solchen Rahmen, der eine Struktur der gesamteuropäischen Friedensordnung darstellen würde, die Rolle einer Garantiemacht zu, ebenso der Sowjetunion. Die sicherheitspolitische Westbindung der Bundesrepublik Deutschland fände ihre Verankerung in Westeuropa. Ob sich der Prozeß einer sicherheitspolitischen Identitätsbildung Westeuropas in der Europäischen Gemeinschaft oder in der Westeuropäischen Union vollziehen wird, sollte bald entschieden werden Angesichts der nicht mehr zu leugnenden rückläufigen Bedeutung der militärischen Dimension des Ost-West-Konflikts erscheint eine Einigung leichter erreichbar als bei allen bisherigen Ansätzen zu einem westeuropäischen Zusammengehen in der Sicherheitspolitik. Der geregelte Abbau der Blockkonfrontation und des Ordnungsduopols der Weltmächte würde schließlich die Bedingungen schaffen, unter denen sich die deutsche Annäherung vollenden kann.

V. Deutsche Annäherung und europäische Friedensarchitektur

Über die gegenwärtige Umbruchphase hinaus bleibt der Handlungsspielraum der Bundesrepublik entscheidend von der westeuropäischen Verankerung ihrer Außen-und Deutschlandpolitik abhängig. Bundeskanzler Kohls „Deutschland-Plan“ vom 28. November 1989 stieß auch, aber nicht so sehr wegen bestimmter Inhalte auf nahezu einhellige Skepsis im Westen, sondern vor allem wegen des völligen Verzichts auf Konsultation. Immer noch hat die Ost-und Deutschlandpolitik Bonns im Westen zu beginnen. Ohne die außenpolitische Westbindung der Bundesrepublik tendiert ihr ostpolitischer Handlungsspielraum gegen Null. In ganz Europa besteht kein Bedarf nach einem deutschen „Wanderer zwischen den Welten“, aber der fortgeltende Wunsch, zu verhindern, „daß es nach allem doch noch ein deutsches Europa, statt eines europäischen Deutschland gibt“ (Thomas Mann). Für die europäischen Partner der Bundesrepublik ist eine Annäherung der beiden deutschen Staaten und erst recht das Ziel eines „Friedenszustands in Europa . . ., in dem das deutsche Volk seine Einheit durch freie Selbstbestimmung wiedererlangen kann“, nur bei einer Einbettung dieser Entwicklung in den KSZE-Prozeß und in „die Perspektive der gemeinschaftlichen Integration“ im EG-Rahmen denkbar und akzeptabel. Dazu gehört auch eine klare Stellungnahme zur politischen Endgültigkeit der Westgrenze Polens. Umgekehrt kann die neue Dynamik im Osten die Einigung Westeuropas beschleunigen helfen. Das Verlangen nach einer stärkeren Einbindung der Bundesrepublik könnte gemeinsamer europäischer Selbstbehauptung leichter als bisher den Vorrang vor nationalen Sonderinteressen verschaffen.

Die Einschränkungen, die sich für Bonn aus seiner außenpolitischen Westbindung in der EG ergeben, ähneln denen aus der außen-und sicherheitspolitischen Westbindung zu den USA. Das amerikanische Ziel einer „doppelten Eindämmung“ wird auch in Westeuropa und besonders von Frankreich und Großbritannien geteilt. Dem kann die Außenpolitik der Bundesrepublik nur begegnen, indem sie für die sichtbare Beschleunigung der westeuropäischen Einigung in enger deutsch-französischer Zusammenarbeit eintritt, um auf dieser Grundlage die innerdeutsche Annäherung und den KSZE-Prozeß voranzutreiben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer „Europäisierung“ ihrer Ost-und Deutschlandpolitik. Diese schafft den Rahmen für einen gemeinsamen Kurs und für die Regelung von Differenzen; alle Konflikte lösen sich damit nicht. Das besondere Interesse der Bundesrepublik am Ausbau ihrer Ostverbindungen wird auch weiterhin mit den latenten Besorgnissen der westlichen Partner konfrontiert sein, gleichfalls mit deren ökonomischer Konkurrenz. Derartige Konflikte lassen sich aber leichter durchstehen, wenn an der westeuropäischen Verankerung der Bonner Ostpolitik und an ihrer Berechenbarkeit kein Zweifel besteht.

Je intensiver sich das bundesdeutsche Engagement für die Überwindung der europäischen Teilung gestaltet, desto mehr nehmen auch die Chancen für die Überwindung der Teilung Deutschlands zu — ob in der Gestalt einer Vertragsgemeinschaft, einer Konföderation oder eines in die EG integrierten Bundesstaates. Von Deutschland dürfen keine Belastungen für die Annäherung Europas ausgehen. Weil das Ziel der deutschen Einheit sich auf unterschiedliche Weise verwirklichen kann, muß der eigenständigen Entwicklung der DDR eine reelle Chance gegeben werden. Was sich in über 40 Jahren auseinander entwickelt hat, kann ohnehin nicht innerhalb kurzer Zeit organisch wieder zusammenwachsen. Eine europäisch verankerte Außenpolitik der Bundesrepublik muß zudem die Entwicklung in ganz Osteuropa im Blick behalten, die nur gemeinsam erfolgreich sein kann, und den Fortschritt des KSZE-Prozesses als Strukturrahmen für eine neue europäische Friedensarchitektur betreiben. Bestimmte Elemente der Westbindung, namentlich die sicherheitspolitische Dimension, werden sich in den neunziger Jahren höchstwahrscheinlich verändern, die Westbindung der Bundesrepublik an sich steht aber außer Frage. Zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten wird es auch in der Zukunft durch wirtschaftliche Interdependenz und außenpolitische Abstimmung gekennzeichnete enge Bindungen geben, die aber der europäischen Handlungsebene nachgeordnet und fern von jeder amerikanischen Hegemonialposition der Vergangenheit sein werden. Eine erfolgreiche Ausgestal-tung des außenpolitischen Handlungsspielraums der Bundesrepublik wird aber vor allem dadurch bestimmt, ob sie der historischen Erfahrung auch weiterhin zeitgemäß Rechnung tragen wird:

Deutschland stellt durch Lage und Größe ein Problem für das ganze Europa dar, und die „deutsche Frage“ läßt sich deshalb auch nur mit dem ganzen Europa regeln.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Peter Bender, Das Ende des ideologischen Zeitalters. Die Europäisierung Europas, Berlin 1981.

  2. Zur theoretischen Bestimmung der außenpolitischen Handlungsmaximcn der Bundesrepublik im Kontext von Innenpolitik und internationalen Beziehungen siche Werner Link. Die außenpolitische Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland. Überlegungen zur innerstaatlichen Struktur und Perzeption des internationalen Bedingungsfeldes, in: Manfred Funke/Hans-Adolf Jacobsen u. a. (Hrsg.). Demokratie und Diktatur. Geist und Gestalt politischer Herrschaft in Deutschland und Europa, Bonn 1987, S. 400— 416.

  3. Vgi. zum historischen Hintergrund des Deutschland-Problems Wolf D. Gruner. Die deutsche Frage. Ein Problem der europäischen Geschichte seit 1800. München 1985.

  4. Peter Bender. Deutsche Parallelen. Anmerkungen zu einer gemeinsamen Geschichte zweier getrennter Staaten. Berlin 1989, S. 217.

  5. Zur Ausgestaltung des Konzepts einer „gesamteuropäischen Friedensordnung“ im Zusammenhang der neuen Ost-politik der sozial-liberalen Koalition vgl. Werner Link. Außen-und Deutschlandpolitik in der Ära Brandt 1969— 1974, in: Karl Dietrich Bracher/Wolfgang Jäger/Werner Link. Republik im Wandel 1969— 1974. Die Ära Brandt. Bd. 5/1. Mannheim 1986, S. 169-179.

  6. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner umstrittenen Entscheidung vom 31. Juli 1973 zum Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR festgcstcllt. daß eine zeitlich begrenzte Anerkennung der Zweistaatlichkeit eine geeignete Strategie der Deutschlandpolitik sein könne. Ausschlaggebend sei. daß die Bundesrepublik am „Wiedervereinigungsgebot“ festhalte und die Zweistaatlichkeit — oder auch die Konföderation — Bestandteil einer auf dieses endgültige Ziel ausgerichteten Politik sei. Vgl. das Grundvertragsurteil. BVerfGE 36. S. 1 ff.; außerdem Georg Ress. Die Rechtslage Deutschlands nach dem Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972. Berlin 1978, S. 154 ff.

  7. Bericht über die künftigen Aufgaben der Allianz vom Dezember 1967, in: NATO. Tatsachen und Dokumente, hrsg. von der NATO-Informationsabteilung, Brüssel 1976, S. 377.

  8. Vgl. Richard Löwenthal, Freiheit der Eigenentwicklung, in: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (Hrsg.), Außenpolitische Perspektiven des westdeutschen Staates, Bd. 1, München 1971, S. 11 — 15. Zu den grundsätzlichen Zielen der Außenpolitik der Bundesrepublik vgl. auch Helga Haftendorn, Sicherheit und Entspannung. Zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1955 — 1982. Baden-Baden 1983, S. 32— 48, sowie Werner Link, Die Außenpolitik und internationale Einordnung der Bundesrepublik Deutschland, in: Werner Weidenfeld/Hartmut Zimmermann (Hrsg.), Deutschland-Handbuch. Eine doppelte Bilanz 1949-1989, Bonn 1989, S. 571-588.

  9. Vgl. Wolfgangjäger, Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition 1969— 1974. und Karl Dietrich Bracher, Politik und Zeitgeist. Tendenzen der siebziger Jahre, in: K. D. Bra-cher/W. Jäger/W. Link (Anm. 5), S. 15 ff.. 407 ff.

  10. Vgl. Helmut Klages, Wertorientierungen im Wandel. Rückblick. Gegenwartsanalyse, Prognosen, Frankfurt-New York 1984; Oscar W. Gabriel, Politische Kultur, Materialismus und Postmaterialismus in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1986.

  11. H. Haftendorn (Anm. 8). S. 34.

  12. W. Link (Anm. 8), S. 571.

  13. Willy Brandt, Erinnerungen. Frankfurt 1989, S. 189.

  14. Für einen Überblick zur Entwicklung der deutsch-sowjetischen Beziehungen in der Nachkriegszeit siehe Hans-Adolf Jacobsen. Deutsch-sowjetische Beziehungen: Kontinuität und Wandel 1945 bis 1987, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 3/88, S. 28-44.

  15. Moskau bekräftigt Warnung vor deutschem Revanchismus, in: Süddeutsche Zeitung vom 1. Dezember 1989, S. 1; East Germany: How They See It, in: International Herald Tribune vom 4. Dezember 1989, S. 5; Uwe Engelbrecht, Moskau und die deutsche Frage, in: Der Tagesspiegel vom 6. Dezember 1989, S. 3.

  16. Diese Gemeinsamkeiten prägen auch die in Präzision und Reichweite beachtliche deutsch-sowjetische Erklärung, die anläßlich des Staatsbesuchs von Michail Gorbatschow in Bonn am 13. Juni 1989 unterzeichnet wurde und in der sich beide Seiten u. a. zur Überwindung der Trennung Europas, zum Selbstbestimmungsrecht der Völker und Staaten, zur KSZE-Schlußakte von Helsinki und den Folgevereinbarungen als Wegweiser für eine europäische Friedensarchitektur sowie zur Beteiligung der USA und Kanadas an dieser Ordnung bekennen. Die Erklärung ist abgedruckt im Bulletin des Presse-und Informationsamts der Bundesregierung, Nr. 61, 1989, S. 542-544.

  17. Zur Konzeptualisierung des Begriffs Prioritätenkonflikt und seiner Anwendung aufdie bundesdeutsche Außenpolitik siehe Helga Haftendorn, Außenpolitische Prioritäten und Handlungsspielraum. Ein Paradigma zur Analyse der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, in: Politische Vierteljahresschrift, 30 (1989), S. 32— 49.

  18. Deutschland-Vertrag, Truppen-Vertrag und andere statusrelevante Dokumente sind abgedruckt bei Ingo von Münch (Hrsg.), Dokumente des geteilten Deutschland. Stuttgart 1976. Im Gegensatz zur ersten Vertragsfassung von 1952 enthält der 1954 geschlossene Deutschland-Vertrag nicht mehr die sogenannte „Bindungsklausel", die ein wiedervereinigtes Deutschland an die Westverträge unter Einschluß der NATO-Mitglicdschaft gebunden hätte.

  19. Der Truppenvertrag enthält keine normale Kündigungsklausel, sondern sieht statt dessen ein Außer-Kraft-treten vor „mit dem Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung mit Deutschland oder wenn die Unterzeichnerstaaten zu einem früheren Zeitpunkt Übereinkommen, daß die Entwicklung der internationalen Lage neue Abmachungen rechtfertigt“ (Art. 3 Abs. 1). Zu dieser Problematik vgl. Dieter Schröder. Die beiden deutschen Staaten in ihren Bündnissen. Bemerkungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen deutscher Verteidigungspolitik, in: Recht und Politik, 3 (1987). S. 85-95.

  20. H. Haftendorn (Anm. 8). S. 352.

  21. Diese Beziehungen können als Regime charakterisiert werden, also als ein von den Regierungen einzelner Staaten vereinbartes Normenwerk, das auf der einvernehmlichen Festlegung von Institutionen für einen bestimmten Politikbereich beruht und der Regelung transnationaler bzw. zwischenstaatlicher Beziehungen dienen soll. Ein solches Regime vermittelt zwischen einer Struktur im internationalen System, so der Verteilung von Machtressourcen unter Staaten. und den sich innerhalb dieser Struktur vollziehenden Prozessen (Zuweisungs-und Aushandlungsverfahrcn). Vgl. Robert O. Keohane/Joseph O. Nye, Power and Interdependence, Glenview 19892, S. 5, 20f., außerdem Stephen D. Krasner (Ed.), International Regimes, Ithaca-London 1983.

  22. Hegemonie wird hier verstanden als die Fähigkeit, andere Staaten in ein auch deren zentralen Interessen dienendes Regime zu integrieren, dessen Regeln vom Hegemon festgelegt werden. Vgl. Robert O. Keohane, The Theory of Hegemonie Stability and Changes in International Economic Regimes, 1967— 1977, in: Ole R. Holstiet al. (Eds.), Change in the International System, Boulder 1980, S. 131 — 162.

  23. Emst-Otto Czempiel, Machtprobe. Die USA und die Sowjetunion in den achtziger Jahren, München 1989, S. 342.

  24. Vgl. Wolfram Hanrieder, Germany, America, Europe — 40 Years of German Foreign Policy, New Haven-London 1989.

  25. Hanns-Dieter Jacobsen, Die Ost-West-Wirtschaftsbezie-hungen als deutsch-amerikanisches Problem. Baden-Baden 1986, S. 13.

  26. So Präsident George Bush in seiner Rede am 31. Mai 1989 in Mainz, dokumentiert in: Europa-Archiv. 12 (1989). S. D 357.

  27. Vgl. Baker weist Deutsche auf die Verpflichtungen von Helsinki hin. in: Der Tagesspiegel vom 30. November 1989. S. 1; Ulrich Schiller, Im Freudentaumel ohne Führung, in: Die Zeit vom 24. November 1989, S. 7; Die USA halten am Ziel der Wiedervereinigung fest, in: Süddeutsche Zeitung vom 13. Dezember 1989, S. 1.

  28. Henry Kissinger, Die deutsche Frage als Problem der europäischen und der internationalen Sicherheit, in: Europa-Archiv, 23 (1966), S. 832f.

  29. Samuel P. Huntington. The U. S. — Decline or Rene-wal?. in: Foreign Affairs, 67 (1988/89) 2, S. 93 f.

  30. Auf eine solche Entwicklung scheinen sich die USA sowohl aus sicherheitsals auch aus haushaltspolitischen Gründen einzustellen, da sie eine Verringerung ihrer Truppenstärke in Europa von 320 000 auf 100 000 ins Auge fassen. Vgl. Cheney unterbreitete NATO-Partnern Planspiele für Truppenabzug, in: Der Tagesspiegel vom 29. November 1989, S. 14.

  31. Die Erhaltung der Bündnisse trägt sowohl den Weltmachtinteressen von USA und UdSSR als auch dem spezifischen sowjetischen Sicherheitsinteresse nach einem „cordon sanitaire“ Rechnung, solange es ein neues europäisches Sicherheitssystem noch nicht gibt. Vgl. Jim Hoagland, Gorba-chev in Shift. Sees Future Political Role for Eastem and Western Alliances, in: International Herald Tribune vom 4. Dezember 1989, S. 4; Die Regierungschefs sprechen sich für den Fortbestand der NATO aus, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. Oktober 1989, S. 1 f.

  32. Vgl. für die Diskussion dieser Alternativen Reimund Seidelmann (Hrsg.), Auf dem Weg zu einer westeuropäischen Sicherheitspolitik, Baden-Baden 1989; siehe außerdem Ernst-Otto Czempiel, Europa nach der „Überwindung des Containment“, in: Europa-Archiv, 12 (1989), S. 373382.

  33. Kohls Zehn-Punkte-Programm, in: Süddeutsche Zeitung vom 29. November 1989, S. 12.

  34. So in der Erklärung der Staats-und Regierungschefs der EG anläßlich ihrer Begegnung vom 8. /9. Dezember 1989 in Straßburg zur Entwicklung in Mittel-und Osteuropa, zit. in: Der Tagesspiegel vom 10. Dezember 1989, S. 11.

  35. Vgl. zur historischen Entwicklung und zu den rechtlichen Möglichkeiten des Konföderationsgedankens Theodor Schweisfurth, Die Deutsche Konföderation — der große nationale Kompromiß als tragendes Element einer neuen europäischen Friedensordnung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 50/87, S. 19-36.

Weitere Inhalte

Michael Staack, Dr. phil., Dipl. -Pol., geb. 1959; Studium der Politischen Wissenschaft, Rechtswissenschaft und Neueren Geschichte in Hamburg, Bonn und Berlin; seit 1988 Hochschulassistent am Institut für Internationale Politik und Regionalstudien der FU Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Kurswechsel in Washington, Berlin 1987; Entspannungskritik und rüstungskontrollpolitischer Entscheidungsprozeß in den USA, Baden-Baden 1989; Menschenrechte und Sicherheit, Berlin 1989.