„Die Frage lautet nicht mehr, ob wir uns aus Qualitätsbewußtsein eine mehr oder weniger schöne und saubere Umwelt schaffen oder auch zugunsten anderer Ziele darauf verzichten wollen. Die Umweltfrage ist selbst zur Überlebensfrage der Menschheit geworden . . . Das Unglück, von Tschernobyl hat die Notwendigkeit einer engen internationalen Zusammenarbeit drastisch genug vor Augen geführt. Die Auswirkungen dieses Unglücks auf weite Teile Europas haben auch den letzten Zweifler davon überzeugt, daß Staats-, Bündnis-und Systemgrenzen im Angesicht von Umweltkatastrophen zu völliger Bedeutungslosigkeit herabsinken. Sie bieten nicht den geringsten Schutz. Um so weniger dürfen sie die notwendigen grenzüberschreitenden Maßnahmen verhindern . . . Unsere wichtigste Aufgabe ist und bleibt es, an einer lebenswerten Zukunft für nachfolgende Generationen zu arbeiten. “ Bundespräsident Richard von Weizsäcker, 1986
Erfolge der internationalen Umweltpolitik lassen sich schwerer messen als die Entwicklungen der nationalen Umweltpolitik. Es gibt keinen internationalen Gesetzgeber, und die Entwicklungsprozesse der internationalen Umweltpolitik bzw.des Umweltvölkerrechts laufen auf mehreren Ebenen in den verschiedensten internationalen bzw. regionalen Organisationen, so daß diese weniger transparent sind als die Bonner Entwicklungen. An die Stelle der Gesetze tritt eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsquellen, primär internationale Abkommen, Gewohnheitsrecht, allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze und sekundär Umweltschutz-richtlinien („guidelines") bzw. UN-Resolutionen, wobei die beiden letzteren in der Regel rechtlich unverbindlich sind Diese Quellen des intemationälen Umweltrechts sind inzwischen so zahlreich, daß mehrbändige Werke benötigt werden, um sie alle zu dokumentieren
Trotz dieser Schwierigkeiten muß man sagen: Die grenzüberschreitende, internationale Zusammenarbeit für den Umweltschutz ist unverzichtbar, da vor allem im Wasser und in der Luft weiträumige Ferntransporte von Schadstoffen stattfinden. Und sie ist — wenn man bedenkt, wie schwierig es ist, bei Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen einen Konsens zu erreichen — auch relativ erfolgreich. Das internationale Umweltrecht, vor allem das der EG, prägt das deutsche Umweltrecht; in wenigen Fällen hat das deutsche Recht auch das EG-Umweltrecht beeinflußt. Dieser Aufsatz möchte die Entwicklungen der internationalen und europäischen Umweltpolitik aufzeigen. Dies geschieht in zwei Schritten: Zuerst werden die wichtigsten internationalen bzw. regionalen Umweltorganisationen mit ihren Arbeitsschwerpunkten, ihren umweltpolitischen Konzepten und den Schwierigkeiten ihrer Realisierung vorgestellt (Teil I). Anschließend folgt eine Kurzdarstellung ihrer gemeinsamen Haupt-Aktivitäten für Wasser (Meere, Flüsse und Seen), Luft (einschließlich Klima und Ozonschicht), Boden/Abfall sowie Vegetation (Teil II).
I. Die wichtigsten internationalen und europäischen Umweltorganisationen
1. Der Weg zur Stockholmer Umweltkonferenz Der Beginn der internationalen Umweltpolitik läßt sich am ehesten mit dem 5. Juni (dem heutigen „Tag der Umwelt“) 1972 datieren. Denn an jenem Tag begann die Stockholmer Umweltkonferenz der UNO. in deren Deklaration sich erstmalig das Bekenntnis zur Notwendigkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für den Umweltschutz äußert „In der Geschichte ist ein Punkt erreicht, wo wir überall in der Welt mit größerer Umsicht und Sorgfalt auf die Folgen unseres Handelns für die Umwelt achten müssen. Durch Unwissenheit oder Gleichgültigkeit können wir der irdischen Umwelt, von der unser Leben und unser Wohlergehen abhängen, schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen“ (Präambel). „Der Mensch hat ein Grundrecht auf Freiheit, Gleichheit und angemessene Lebensbedingungen in einer Umwelt, die so beschaffen ist, daß sie ein Leben in Würde und Wohlergehen ermöglicht, und hat die feierliche Pflicht, die Umwelt für gegenwärtige und künftige Generationen zu schützen und zu verbessern“ (Grundsatz 1).
Welchen Fortschritt die Stockholmer Deklaration für die grenzüberschreitende Umweltpolitik und die Entwicklung des Umweltvölkerrechts bedeutet, wird daran deutlich, daß die Zeit noch nicht lange vorbei war, in der politische Theorien vertreten wurden, nach denen die Staaten uneingeschränkte Souveränität über die in ihrem Hoheitsgebiet befindlichen Gewässer ohne Rücksicht auf die Nachbarstaaten besitzen sollten. Jede internationale Umweltpolitik schied durch dieses Souveränitätsdenken aus.
Drei Gerichtsentscheidungen der Jahre 1941 bis 1957 schränkten solche Theorien der „absoluten Freiheit der Nutzung internationaler Gewässer“ erheblich ein : Demnach darf ein Staat nach Völker-rechtnicht dulden, daß sein Gebiet dazu benutzt wird, um von ihm aus völkerrechtswidrige Akte zu begehen oder ernstliche (und klar nachweisbare) Schäden gegenüber dem Nachbarstaat zu verursachen. Und kein Staat darf den natürlichen Wasserlauf eines mehrere Staaten durchfließenden Flusses in einer Weise verändern, welche die Interessen der Anliegerstaaten empfindlich beeinträchtigen könnte. Aus Verstößen gegen diese Unterlassungspflichten folgt die internationale Verpflichtung zum Schadensersatz gegenüber dem betroffenen Staat. Es gab somit zumindest das Recht, ernstliche Schäden vom eigenen Territorium abzuwehren.
Somit bestand nur noch eine relative Freiheit der Nutzung internationaler Gewässer. Daraus sind weitere allgemeine Rechtsprinzipien zum Umgang mit der Natur abgeleitet worden, u. a.der Grundsatz der guten nachbarschaftlichen Beziehungen Den maßgeblichen Inhalt dieser Pflichten resümiert Grundsatz 21 der Stockholmer Deklaration: „Die Staaten haben nach Maßgabe der Charta der Vereinten Nationen und der Grundsätze des Völker-rechts das souveräne Recht zur Ausbeutung ihrer eigenen Hilfsquellen nach Maßgabe ihrer eigenen Umweltpolitik sowie die Pflicht, dafür zu sorgen, daß durch Tätigkeiten innerhalb ihres Hoheitsoder Kontrollbereichs der Umwelt in anderen Staaten oder in Gebieten außerhalb ihres nationalen Hoheitsbereichs kein Schaden zugefügt wird.“
Zum Teil ist versucht worden, aus diesen Urteilen bzw. Prinzipien Ansätze zu einem Präventivschutz zu entwickeln. Aber das Denken blieb auf den wirtschaftlichen Ausgleich der miteinander konkurrierenden Nutzungen zweier Staaten beschränkt; das Gesamtinteresse dritter bzw. aller Staaten an einer intakten Umwelt wurde — wegen der relativen Betonung der staatlichen Souveränität — nicht berücksichtigt. Auch durch den Grundsatz des „equitable share“, d. h.der vernünftigen und gleichmäßigen Nutzung gemeinsamer Gewässer, der am perfektesten 1966 durch die International Law Association (sog. Helsinki Rules) entwickelt worden war und der zu bestimmten Rücksichtnahmen verpflichtete, war kaum ein umfassendes Gebot internationaler Umwelt-Kooperation zu erwarten.
Auch hier stand der wirtschaftliche Anspruch auf gleichmäßige Gewässernutzung im Zentrum des Interesses. Die Verschmutzung wurde als bloßes Nebenprodukt eines ansonsten nützlichen Wassergebrauchs betrachtet Eine generelle Pflicht zur Bekämpfung von Verschmutzungen erschien daher als unverhältnismäßig. Die u. a. aus dem Solidaritätsgebot ableitbare Pflicht zum gemeinsamen Management gemeinsamer Ressourcen wurde vernachlässigt. Angesichts der „Wirtschaftslastigkeit“ dieses Ansatzes konnte von einem Schutz des Wassers kaum gesprochen werden. Bis ca. 1961 war eine allgemeine Pflicht zur Verhinderung von Verschmutzungen noch nicht anerkannt, und kaum ein Vertrag bis 1972 erwähnte das Wort „Verschmutzung“ Eine internationale Umweltpolitik im Sinne einer Ökologiepolitik war also bis dahin kaum möglich.
Im Juni 1972 entstand mit der Stockholmer Deklaration ein Dokument, das — von Industrie-und Entwicklungsstaaten gemeinsam erarbeitet — die „gemeinsamen Grundsätze“ enthält, „die die Völker der Welt bei der Einhaltung und Verbesserung der Umwelt des Menschen anspornen und leiten sollen“. Zum ersten Mal wird ein ressourcenökonomisches Umwelt-Management gefordert: „Die natürlichen Hilfsquellen der Erde einschließlich der Luft, des Wassers, des Bodens, der Pflanzen-und Tierwelt . . . müssen zum Nutzen gegenwärtiger und künftiger Generationen durch sorgfältige Planung bzw. Bewirtschaftung geschützt werden“ (Grundsatz 2). „Die Fähigkeit der Erde, lebenswichtige erneuerungsfähige Hilfsquellen hervorzubringen, muß erhalten und nach Möglichkeit wiederhergestellt oder verbessert werden“ (Grundsatz 3).
Erstmals wurde hier zum planvollen und sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen, zum Beschränken der Abfälle auf die Selbstreinigungskraft der Umwelt sowie zum Kampf gegen die Verschmutzung der Meere aufgerufen. Umrahmt von Forderungen nach Umwelterziehung und Förderung des Umwelttechnologie-Transfers wird zur verstärkten Kooperation der Staaten auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Solidarität aufgerufen; dabei sollen internationale Organisationen eine koordinierende, wirksame und dynamische Rolle beim Schutz und bei der Verbesserung der Umwelt spielen. Im gleichzeitig verabschiedeten Aktionsplan wird die Notwendigkeit des weltweiten Umweltbeurteilungsprogramms Erdwacht (Forschungen, Überwachungen, Informationsaustausch), von Umwelt-Management-Maßnahmen (u. a. umfassende Planungen, Nationalparks), die auf diesen Überwachungsprogrammen basieren sollten, und von unterstützenden Maßnahmen (Ausbildung, Öffentlichkeitsarbeit etc.) betont.
Gründe für dieses Umdenken liegen sicherlich auch darin, daß der Stockholmer Konferenz eine Reihe von internationalen Umweltkatastrophen (eine Quecksilber-Katastrophe in Japan, massive Meeresverschmutzungen durch das Bersten des gestrandeten Öltankers „Torrey Canyon“, der Tod von Fischen in den großen nordamerikanischen Seen etc.) vorausgegangen waren. Außerdem hatte Schweden wissenschaftliche Analysen über den weiträumigen Ferntransport der Luftschadstoffe von Mittel-nach Nordeuropa, über die Verschmutzung der Ostsee und über zunehmende Konzentrationen von Schwermetallen und Pestiziden in Vögeln und Fischen vorgelegt. 1972 erschien auch der Bericht des Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“
Die Stockholmer Deklaration bedeutet mithin den Beginn der internationalen Umweltpolitik und des modernen Umweltvölkerrechts, die nunmehr ein tatsächlich internationales, d. h. mehrere Staaten und internationale Organisationen umfassendes System darstellen. Zugleich erwarb die UNO die primäre Zuständigkeit für den internationalen Umweltschutz. 2. United Nations Environment Programme, UNEP (seit 1973)
Unmittelbar im Anschluß an die Stockholmer Konferenz wurde die wichtigste internationale Umwelt-organisation, das UNEP (Umweltprogramm der Vereinten Nationen), durch UNO-Resolution ge-gründet. Das UNEP ist die erste weltweit tätige und für alle Umweltfragen zuständige UN-Umweltorganisation; dabei ist es aber keine eigenständige UN-Sonderorganisation, sondern eine besondere Einrichtung des UN-Wirtschafts-und Sozialrates (ECOSOC), die der UN-Generalversammlung berichtspflichtig ist Angesichts der mehr als dürftigen Personalausstattung kann das UNEP bedauerlicherweise kaum operative Aufgaben übernehmen. Dies hängt damit zusammen, daß keine „neue Bürokratie“ entstehen sollte. Es hat statt dessen eine koordinierende und katalytische Rolle in dem Sinne, daß es als „Aufrüttler-Organisation der Welt-Umwelt“ internationale Organisationen (auch Regionalorganisationen außerhalb der UNO wie etwa die OAU, die EG, den Europarat), Regierungen und schließlich die „non-governmental organizations“ (wie etwa den World Wildlife Fund, die Interparlamentarische Union oder die IUCN, International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources) bei Umweltaktivitäten unterstützt oder diese durch Gelder aus dem Umweltfonds fördert. Auch durch Tagungen, Umweltdaten, Expertenberichte, „guidelines" etc. werden Umweltabkommen und daraus resultierende Umwelt-Kooperationen der betroffenen Staaten angeregt und beschleunigt. In Zusammenarbeit mit vielen UN-Sonderorganisationen beaufsichtigt UNEP zahlreiche Umweltprojekte. Eigene Projekte führt es zu Regionalmeeren und seit 1985 zur Bekämpfung der Wüstenbildung durch. Für die weltweit über 6 000 „non-governmental organizations“ im Umweltbereich ist der UNEP zur zentralen Anlauf-und Koordinationsstelle geworden; es unterhält hierfür ein eigenes Verbindungsbüro, das in Nairobi eingerichtet wurde.
Das UNEP ist die erste UN-Einrichtung, deren Hauptsitz bewußt in ein Land der Dritten Welt (Nairobi/Kenia) gelegt wurde um zu demonstrieren, daß primär die Umweltarbeit der Dritten Welt gefördert werden soll. Da die Anzahl der Beamten des UNEP-Sekretariats ungefähr zur Hälfte aus Industrie-bzw. Entwicklungsländern stammt sind die beiden für die Umweltpolitik wichtigen Gruppen gleichstark vertreten. Das bedeutet, daß bei UNEP das Nord-Süd-Spannungsverhältnis am deutlichsten zu spüren ist; es ist aber auch das Gremium, in dem Nord und Süd sehr konstruktiv Zusammenarbeiten. Dies ist dadurch ermöglicht worden, daß im Vorfeld der Stockholmer Konferenz die divergierenden Ansichten zum Umweltschutz beigelegt werden konnten: Die damalige Ansicht der Industrieländer, daß es nur auf die industrielle Belastung der Umwelt ankomme (technischer Umweltschutz), und die Auffassung der Entwicklungsländer, daß die Umwelt-und Entwicklungspolitik miteinander verknüpft werden müssen, weil sonst der Umweltschutz eine Beeinträchtigung ihrer Souveränität und eine Behinderung der bevorstehenden industriellen Entwicklung sein könne, konnten weitgehend miteinander in Einklang gebracht werden Für die Industrieländer wurde das Bewußtsein gestärkt, daß globale Kooperationen notwendig sind, und für die Dritte Welt, daß auch sie durch den Umweltschutz gewinnen kann.
Die UNEP-Arbeit geschieht auf drei verschiedenen Ebenen: durch den Entwurf bzw. die Förderung/Durchführung von internationalen Abkommen, durch die Ausarbeitung von internationalen Umweltschutzrichtlinien („guidelines“) und durch die Hilfe für nationale Umweltgesetzgebung und -Verwaltung Zum letztgenannten gehören zum einen rechtsvergleichende Gesetzgebungs-Berichte, die in Zusammenarbeit mit zahlreichen Organisationen etwa zur Vorbereitung des Regionalmeeresprogrammes erstellt wurden, und zum anderen drei Informationsdienste zum Datenaustausch: GEMS, das globale Überwachungssystem, das weltweit sämtliche Umweltveränderungen kontinuierlich aufnimmt und verbreitet, Infoterra, das Informationssystem, mit dem UNEP versucht, die in allen Ländern gespeicherten Daten für internationale, nationale und nichtstaatliche Einrichtungen verfügbar zu machen, und das internationale Register von potentiell giftigen Chemikalien (IRPTC), das regelmäßig Analysen giftiger chemischer Substanzen weitergibt. Die in Zusammenarbeit mit den internationalen Satellitenorganisationen durchgeführte globale, Computer-und satellitengestützte Umweltüberwachung erstreckt sich u. a. aufTropenwälder, Klimasysteme, Stadtluft-und Wasserqualität, auf grenzüberschreitende Luftverschmutzungen und Ozeane; Umweltbeurteilungen sind darüber hinaus auch zu Ozonschicht und Klimaerwärmung möglich. Diese Überwachungs-Systeme zeigen den Regierungen die Notwendigkeit von Maßnahmen des Umweltmanagements auf und erlauben eine Durchführung und Kontrolle internationaler Umweltabkommen. Großen Einfluß auf die Entwicklung der grenzüberschreitenden Umweltpolitik und des Umweltvölkerrechts übten auch die von UNEP entwickelten „guidelines" aus, die in zunehmendem Maße die internationale Umweltpolitik geprägt haben, indem sie die Notwendigkeit globaler Maßnahmen und einer Ökologiepolitik betonten. Den „größten Wurf“ dürften die Erklärung zu „Shared Resources und die von UNEP vorbereitete und von der UN-Generalversammlung angenommene „Weltcharta für die Natur“ darstellen. Denn in der „Shared Resources“ -Deklaration (1978) wurde zum ersten Mal ein Schutzauftrag der Staaten mit dem Ziel der Erhaltung und der harmonischen Nutzung der Naturressourcen verankert. Die Kooperation dient dem Zweck, schädliche Umwelteinwirkungen aufgrund dieser Nutzung zu kontrollieren, zu verhindern, zu reduzieren oder zu eliminieren. Die gemeinsamen Naturressourcen werden dort erstmals ausdrücklich als erschöpflich bezeichnet, woraus der ökologische Auftrag abgeleitet wird, für den Erhalt dieser Ressourcen einzutreten und bestimmte schädliche Nutzungen zu unterlassen. Betont wird die Notwendigkeit gemeinsamer Institutionen der Anrainer, um effektive Konsultationen bezüglich des Schutzes und Gebrauchs der gemeinsamen Naturressourcen zu erreichen. Vor dem Beginn von Maßnahmen, die für die gemeinsamen Naturressourcen potentiell schädlich sind, sollen Umweltverträglichkeitsprüfungen, gemeinsame Studien und Bewertungen, umfassende Konsultationen und Notifikationen (samt Vorlage aller Pläne) mit den anderen Anrainern stattfinden. Den Ausgangspunkt der Deklaration bildet an Stelle der Souveränität der Staaten die gemeinsame Umwelt, woraus zwingend folgt, daß auch die Erhaltung und Nutzung nur gemeinsam erfolgen kann.
Dieses „shared resource“ -Konzept erlaubt idealerweise eine moderne grenzüberschreitende Umweltpolitik, d. h. das gemeinsame Management einer Naturressource durch eine internationale Organisation, da es eine Verpflichtung zur Internationalisierung enthält Das moderne Umweltmanagement, das geprägt ist von der Pflicht zur Kooperation, zur rechtzeitigen gemeinsamen Planung und Umweltverträglichkeitsprüfung, zu frühzeitigen Konsultationen und Informationen der Anrainer, um das gemeinsame Ökosystem gemeinsam zu pflegen und zu erhalten — dieses moderne Umwelt-management wird durch das „shared resources“ -Konzept erheblich vereinfacht, weil es beim Gebrauch der gemeinsamen Natur zu Solidarität und zur Erhaltung des gemeinsamen Ökosystems verpflichtet und damit in die Richtung eines vorbeugenden und ressourcenschonenden Politikansatzes zielt.
Das Gleiche gilt auch für die Weltcharta für die Natur (1982), die einen Verhaltenskodex zur Behandlung der Natur und der natürlichen Reichtü-mer auf Weltebene darstellt. Es ist das erste internationale Dokument, das umfassend die Pflichten zum maßvollen und sparsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, zur Vermeidung schwerer Schäden und zur laufenden Überwachung von Ökosystemen auf ihren Zustand (samt Informationspflichten) regelt. Erklärtes Ziel ist das Erreichen und Aufrechterhalten optimaler Dauerproduktivität der natürlichen Ressourcen. Damit könnte die Weltcharta als das Dokument einer internationalen Ökologiepolitik bezeichnet werden. Daß bestritten wird, inwieweit sie Rechtspflichten enthält, kann ihre Bedeutung kaum schmälern. Der bewußtseinsbildende Wert dieser Charta zeigt sich vor allem in der wachsenden Zahl von Umweltgesetzen und -behörden in der Dritten Welt, wobei einige Länder ihre Umweltgesetzgebung ausdrücklich auf die in dieser Charta niedergelegten Grundsätze stützen
Durch das Umweltrechtsprogramm von Montevideo (1982) bezeichnete der UNEP-Verwaltungsrat die Bereiche, für die vordringlich globale, regionale und/oder nationale Maßnahmen ergriffen werden müßten. Es handelt sich um die folgenden zwölf Problembereiche: 1. die Meeresverschmutzung vom Lande aus, 2.der Schutz der stratosphärischen Ozonschicht, 3. die Beförderung, Behandlung und Beseitigung giftiger und gefährlicher Abfälle, 4. die internationale Zusammenarbeit bei Umweltnotfällen, 5. das Küstenzonenmanagement, 6.der Bodenschutz, 7. die grenzüberschreitende Luftverschmutzung, 8.der internationale Handel mit möglicherweise gefährlichen Chemikalien, 9.der Schutz von Flüssen und anderen Binnengewässern vor Verschmutzung, 10. rechtliche und verwaltungsmäßige Mittel zur Verhütung und zur Wiedergutmachung von Umweltschäden, 11. die UmweltVerträglichkeitsprüfung und 12. die allgemeine Entwicklung des Umwelt-rechts. Damit wurden erstmals weltweit Prioritäten in der politischen Behandlung von Umweltproblemen gesetzt — wobei die ersten drei Bereiche als besonders dringlich bezeichnet wurden — und Empfehlungen für deren rechtliche Lösung auf globaler, regionaler und nationaler Ebene ausgesprochen. Zugleich wurde das Umweltrecht weltweit als besonderes Rechtsgebiet anerkannt.
Der 1987 vorgelegte UNEP-Bericht „Umweltperspektive bis zum Jahr 2000 und danach“ verlangt in weitgehender Übereinstimmung mit dem Brundtland-Bericht „Our Common Future“ langfristige Umweltstrategien zur Erreichung einer bestandsfähigen Entwicklung. Erforderlich ist hiernach eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können. Da sowohl durch ein Übermaß an industrieller Entwicklung als auch durch Umweltvernichtung oder durch Unterentwicklung das Recht künftiger Generationen, ihre Grundbedürfnisse befriedigen zu können, gefährdet werden kann, wird eine weitreichende Politik verlangt: Erforderlich ist ein sorgfältiges Management der Ressourcen (z. B. eine Bewirtschaftung der Tropenwälder anstelle ihrer Vernichtung), ein sparsamer und umweltverträglicher Umgang mit Energie, eine Erhaltung der genetischen Vielfalt (auch durch Schutzgebiete), ein Wachstum, das die Grenzen der Umweltressourcen respektiert und eine verstärkte globale Verwaltung von sogenannten „global commons“, also von Meeren, Atmosphäre und Ozonschicht Dieser Ansatz verlangt erstmalig eine Vernetzung verschiedener Politikbereiche (z. B.der Wirtschafts-, Bevölkerungs-, Energie-, Landwirtschafts-und Siedlungspolitik) dergestalt, daß Umweltpolitik zur Querschnittsaufgabe wird. Dies ist für das moderne Umweltmanagement auch unverzichtbar. 3. Andere internationale Umweltorganisationen Welche und wieviele internationalen Organisationen man als „Umweltorganisationen“ bezeichnet, ist strittig Aus dem UN-Bereich wird man — nach UNEP — auf jeden Fall die Economic Commission for Europe (ECE) hinzurechnen müssen. Hinzu kommen Organisationen, die sich eher am Rande mit Umweltfragen beschäftigen.
Die Tätigkeit der ECE, der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa, ist längst über wirtschaftliche Fragestellungen hinausgewachsen; heute gehören auch energiewirtschaftliche, Verkehrs-und umweltpolitische Herausforderungen zu ihrem Aufgabenbereich Als reine Regierungsorganisation (mit Sitz in Genf) ist sie weitgehend daraufbeschränkt, Abkommen, Standards oder nationale Gesetze anzuregen, indem sie Studien erstellt, Regierungen berät oder Staatenvertreter zu jährlich über 150 Treffen einlädt. Erreicht wurden dadurch so pragmatische Dinge wie die grüne Versicherungskarte, die transeuropäische Nord-Süd-Autobahn oder der Balkan-Stromverbund. Im Bereich des Umweltschutzes wurde vor allem die Konvention über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigungen vorbereitet. In Zusammenarbeit mit UNEP und der Metereologischen Weltorganisation (WMO) richtete die ECE das computergestützte Überwachungssystem EMEP mit über 90 Überwachungsstationen in mehr als 22 europäischen Ländern ein. Es ermöglicht eine exakte Bestimmung der grenzüberschreitenden Strömungen von Luftverunreinigung sowie der Analyse und Menge der abgelagerten Schadstoffe (einschließlich der Frage, wieviel SO pro m 2 in Europa herunterregnen). Andere Umweltbereiche werden berührt durch die Arbeiten der ECE zur Gewässer-qualität und zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
Die ECE zeichnet sich dadurch aus, daß sie die einzige zwischenstaatliche Organisation ist, welche die wirtschaftliche, technische und ökologische Zusammenarbeit zwischen Ost und West fördert. Denn zu den 34 Mitgliedstaaten der ECE gehören nicht nur die westeuropäischen Staaten sowie USA und Kanada, -sondern auch sämtliche Staaten des Ostblocks (einschließlich der UdSSR). Die ECE-Arbeit ist daher zum Teil vom politischen Ost-West-Klima abhängig was z. B. bis 1973 (Beitritt der DDR) wegen des ungeklärten Status der DDR manche Initiativen verhinderte. Während des Kalten Krieges war sie das einzige Forum, das einen effektiven Ost-West-Erfahrungsaustausch ermöglichte. Die KSZE-Schlußakte (1975) erleichterte die blockübergreifende Zusammenarbeit für den Umweltschutz. Wegen der inzwischen erreichten pragmatischen Ost-West-Kooperation hat sich die ECE zu einem einzigartigen Forum für den gesamteuropäischen Umweltschutz entwickelt.
Gelegentliche Umweltarbeit wird durch die International Law Commission (ILC) geleistet. Viel zeitliche Geduld ist erforderlich, bis aus ihren Abkommens-Entwürfen verbindliches Recht wird: Zwischen dem Beginn der ersten Arbeit und dem Inkrafttreten eines Abkommens lagen manchmal 30 Jahre, und manche Projekte scheiterten. Die Aufgabe dieses aus 34 Experten (aus 34 verschiedenen Staaten) zusammengesetzten UNO-Nebenorgans, das geltende Völkerrecht zu kodifizieren oder fortzuentwickeln, ist alles andere als einfach 1981 hat die ILC die massive Umweltverschmutzung als „internationales Verbrechen“ bezeichnet. Die wichtigste umweltrechtliche Fragestellung enthält der Entwurf einer Kodifikation des „Rechts der nichtschiffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserwege“, der seit 1971 auf der Tagesordnung der ILC steht und inzwischen relativ weit fortgeschritten ist. Leider lehnten ILC-Mitglieder aus drei Ostblockstaaten es ab, die internationalen Wasserläufe als „shared natural resources" der Anrainerstaaten zu bezeichnen, weil sie darin eine zu starke Einschränkung ihrer Souveränität (und vermutlich auch die Gefahr eines Unterliegens bei Anforderungen an den technischen Umweltschutz?) sahen. Dies beleuchtet wieder einmal die Grenzen, denen die internationale Umweltpolitik häufig ausgesetzt ist Statt dessen wird in dem Entwurf eine „vernünftige und gerechte Nutzung“ des Wassers — verbunden mit Kooperationspflichten — normiert, wobei die Konkretisierungen noch offen sind. Dies gilt auch für die Frage, ob es nur eine beschränkte oder eine unbedingte Pflicht zur Vermeidung von Verschmutzungen gibt.
Die größten Meinungsverschiedenheiten bestehen bei dem zweiten Projekt, der Staaten-Haftung für Schäden aufgrund gefährlicher Aktivitäten. Hier ist unklar, ob es für diese Haftung allein auf das Risiko oder aber allein auf ein Verschulden ankommt und wie Regelungen vorbeugender Maßnahmen zur Verhinderung von Schäden getroffen werden sollen Pragmatische und fundamentalistische Ansätze stehen sich hier gegenüber.
Die Aufgabe, das Umweltrecht fortzuentwickeln, haben sich auch zwei internationale Vereinigungen von Völkerrechtlern, nämlich die oben erwähnte International Law Association (ILA) und das Institute of International Law gestellt. Beide Organisationen besitzen im Gegensatz zur ILC keine offiziellen Funktionen (kein Regierungs-oder UNO-Mandat). Ihre Arbeiten haben für jede grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Umweltmedien die Pflicht zur Schadensbeseitigung, -Verhütung, Notfallvorsorge, zu Planungen, Konsultationen und Informationen und zur friedlichen Streitbeilegung präzisiert dadurch wurden umweltpolitische Konzepte eines Managements der Natur gefördert. 4. EG, Europarat und OECD Von den europäischen Umweltorganisationen ist die Europäische Gemeinschaft (EG) die bemerkenswerteste, da sie aufgrund ihres supranationalen Charakters unmittelbar bindende Rechtsvorschriften erlassen kann. Es handelt sich entweder um EG-Verordnungen, die unmittelbar für jeden Bürger in der EG geltendes Recht setzen, oder um EG-Richtlinien, die alle Mitgliedstaaten innerhalb einer bestimmten Frist verpflichten, ihr nationales Recht mit den Zielen der EG-Richtlinie in Einklang zu bringen. Bei einem Verstreichenlassen der Angleichungsfrist durch den Staat drohen einmal Vertragsverletzungs-Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen diesen Staat und zum anderen die unmittelbare Anwendung der Richtlinie im nationalen Recht, falls sie detailliert genug ist. Obgleich sich die Bundesrepublik gerne ein vorbildliches Umweltbewußtsein zuschreibt, ist die Bundesregierung derzeit beim EuGH mit mehr Klagen als jedes andere Mitgliedsland — nämlich mit sieben Klagen — wegen Nichterfüllung von Umweltschutzrichtlinien der EG überzogen
Angesichts der eindeutig wirtschaftlichen Ausrichtung des EWG-Vertrags (bis zum 1. Juli 1987) brauchten die Staats-und Regierungschefs der EG-Staaten den Anstoß der Stockholmer Umweltkonferenz, um auf der Pariser Gipfelkonferenz im Oktober 1972 erstmals ein umweltpolitisches Aktionsprogramm der EG zu verlangen. Im Vordergrund der ersten Umweltrichtlinien standen — mangels umweltrechtlicher Bestimmungen im EWG-Vertrag — verstärkt der Abbau von Handelshemmnissen, z. B. durch Vereinheitlichung der Grenzwerte für PKW-Abgase; in der Sache ging es aber zugleich um den Umweltschutz. Dennoch verhinderte diese „Wirtschaftslastigkeit“ eine gemeinschaftliche Umweltpolitik „aus einem Guß“ nach eigenständig um-weltpolitischen (insbesondere ökologischen) Maßstäben. Es braucht daher nicht zu verwundern, wenn die EG-Kommission sich selbst im 4. Umwelt-Aktionsprogramm (für die Jahre 1987— 1992) bescheinigt bisher eine zu stark sektorale Umweltpolitik (also immer nur eine auf einzelne Umweltmedien bezogene Umweltpolitik) betrieben zu haben. Da die Medien Luft, Wasser und Boden aber gemeinsam die Umwelt darstellen, führt eine bloß sektorale Umweltpolitik zu Belastungsverschiebungen zwischen den Umwelt-Medien. Eine Beschränkung etwa des Meeresumweltschutzes auf eine reine Wasserpolitik vernachlässigt die hohen Schadstoff-Frachten aus der Luft, die sich im Meer ablagern. Eine solche sektorale Umweltpolitik verspricht wenig Erfolg Bis zum 1. Juli 1987 wurden über 200 verbindliche EG-Rechtsakte (vor allem Richtlinien) erlassen, die primär den Gewässerschutz, später auch den Schutz der Luft, die Abfall-beseitigung, Anforderungen an Chemikalien u. ä. betrafen
Durch das Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte am 1. Juli 1987 wurde der EWG-Vertrag einschneidend verändert, da er zum ersten Mal das Ziel des Umweltschutzes ausdrücklich im EWG-Vertrag verankerte -In Art. 130r Abs. 1 des EWG-Vertrags werden dadurch nun als Zielspezifizierungen die Umwelterhaltung, der Umweltschutz, die Umweltverbesserung, der Beitrag zum Gesundheitsschutz und die schonende Ressourcenbewirtschaftung (Gewährleistung einer „umsichtigen und rationellen Verwendung der natürlichen Ressourcen“) festgeschrieben. Als Handlungsgrundsätze wurden der vorbeugende Umweltschutz, das Prinzip vorrangiger Korrektur von Umweltbeeinträchtigungen an der Quelle (Ursprungs-prinzip) und das Verursacherprinzip normiert. Durch die Schutzverstärkungsklausel (Art. 130t EWG-Vertrag) wird sichergestellt, daß die Mit-gliedstaaten verstärkte Umweltmaßnahmen beibehalten oder ergreifen können. Die EG kann nur noch insoweit tätig werden, als die oben genannten Umweltziele „besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können als auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten“ (Subsidiaritätsprinzip)
Durch Art. 130 r Abs. 2 EWG-Vertrag sind insbesondere „die Erfordernisse des Umweltschutzes Bestandteil der anderen Politiken der Gemeinschaft“. Das 4. Umwelt-Aktionsprogramm legt dementsprechend auch fest, daß die Umweltpolitik als wesentliche Querschnittsaufgabe in die anderen Gemeinschaftspolitiken (Landwirtschafts-, Industrie-, Regional-, Energie-und Verkehrspolitik) einzubeziehen ist so daß nur noch eine umweltfreundliche Binnenmarkt-oder Agrarpolitik zu erwarten wäre. Es handelt sich somit um den gleichen Ansatz, den UNEP seit dem gleichen Jahr, seit 1987 durch das oben genannte Programm „Umweltperspektive bis zum Jahr 2000 und danach“ verfolgt. Dennoch sind — zumal der „wirtschaftslastige“ Zweckartikel der EG (Art. 2 EWG-Vertrag) nicht ökologisch nachgebessert wurde — Zweifel angebracht, ob nicht zumindest faktisch der Schwerpunkt des europäischen Umweltrechts weiterhin bei wirtschaftsbezogenem Umweltrecht liegen wird. Zweifel erweckt auch die gemeinsame Erklärung zu Art. 130 r EWG-Vertrag, wonach sich die Umweltpolitik nicht störend auf die nationale Energiepolitik auswirken dürfe. Solange die Umweltverbände die umweltpolitische Bedeutung der EG ignorieren — hier liegt, anders als bei UNEP, eine Unterrepräsentanz vor —, gibt es sehr viel besser organisierte und durchsetzungsfähigere Lobby-gruppen der Wirtschaft in Brüssel Und so manche Binnenmarkt-Initiative (z. B. Verkehrspolitik) scheint der Ökonomie Vorrang vor der Ökologie einzuräumen. Das 4. Umwelt-Aktionsprogramm ist — wegen seiner Festlegung auf ein modernes Umweltmanagement, einen medienübergreifenden Ansatz und auf eine langfristige, vernetzte Umwelt-politik — nach der Papierlage „ein großer Wurf"; faktisch bleiben aber Fragezeichen.
Der Umstand, daß der Nord-Süd-Gegensatz (wie bei UNEP) oder der Ost-West-Gegensatz (wie bei der ECE) bei der EG entfallen, hat leider nicht dazu geführt, daß größere Auseinandersetzungen über den richtigen umweltpolitischen Ansatz ausgeblieben sind. Großbritannien zum Beispiel bevorzugt eine Ausrichtung an Grenzwerten der Gewässerqualität (Belastbarkeitsansatz), aus denen für potentielle Abwassereinleiter individuelle, also nicht einheitliche Emissionsgrenzwerte abgeleitet werden. Die kontinentalen Staaten bevorzugen dagegen eine Ausrichtung der Gewässerreinhaltung nach dem „Stand der Technik“; dies wird durch einheitliche Emissionsnormen (Machbarkeitsansatz) konkretisiert Nur der Machbarkeitsansatz läßt sich mit dem Vorsorgeprinzip begründen: Wenn sich Belastbarkeitsschwellen nicht eindeutig ermitteln lassen, muß sicherheitshalber alles technisch Machbare getan werden, um Schadstoffe zurückzuhalten. Der Standpunkt Großbritanniens, der zu einem wirtschaftlichen Wettbewerbsvorteil führt, erklärt sich allein aus seiner geographischen Lage, aufgrund der es mehr Schadstoffe exportiert als importiert.
Die EG kann nicht als Bremser im Umweltschutz angesehen werden; vielmehr gehen zahlreiche, sehr anspruchsvolle Normen auf ihr Konto. Die modifizierte Übernahme geplanter nationaler Umweltschutzregeln auf EG-Ebene hat z. T.sehr innovativ gewirkt.
So wäre ohne die Chemikalienrichtlinie der EG von 1979 das deutsche Chemikaliengesetz von 1980 jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt und mit diesem Inhalt zustandegekommen Und erst die EG-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung hat auch für die Bundesrepublik die Umweltverträglichkeitsprüfung verbindlich gemacht, die hierzulande in den siebziger Jahren diskutiert, aber nicht beschlossen worden war Vor allem diese EG-Richtlinieenthält viele der Elemente eines modernen Umweltmanagements, denn die Umweltverträglichkeitsprüfung bedeutet Minimierung der Umweltbelastungen durch Konfliktvermeidung und bestmögliche Umweltoption
Seit der umweltpolitischen Aktivität der EG hat sich der Europarat mehr und mehr dem Schutz des biogenetischen Reservoirs, der Information und Umwelterziehung gewidmet Die 1968 proklamierte Europäische Wasser-Charta hat als erstes europäisches Dokument — vier Jahre vor der Stockholmer Konferenz — eine ökologische Wasserbewirtschaftung (sparsamen Umgang, Bewertung und internationale Kooperation) verlangt. Der Europarat war auch die erste Organisation, die 1968 eine Erklärung über die Grundsätze der Behandlung der Luftverschmutzung verabschiedet hatte. Die Erklärung beauftragte den Generalsekretär, von den Regierungen alle drei Jahre einen Bericht über ihre Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung zu verlangen. Eine weitere Entschließung enthielt ein Modellabkommen über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Luftverschmutzung in Grenzregionen.
Ähnlich der ECE ist die OECD (Organization for Economic Cooperation and Development) für 24 westliche Industriestaaten ein Zentrum für Diskussionen, in dem die Regierungen ihre Standpunkte deutlich machen, Erfahrungen austauschen und nach gemeinsamen Zielen suchen. Ihre Entscheidungen oder Empfehlungen können rechtlich verbindlich sein und haben jedenfalls Einfluß auf das nationale und das EG-Recht ausgeübt Der Umweltausschuß der OECD hat nicht nur das Verursacherprinzip, sondern auch weitgehende Rechtsprinzipien für die grenzüberschreitende Verschmutzung (insbesondere gleichen juristischen Zugang und Nicht-Diskriminierung, Kooperation bei Grenzregionen) entwickelt. Hinzu kommen Regeln über den grenzüberschreitenden Transport gefährlicher Abfälle (Recycling, vorherige Notifikationen und Kooperation), über die Prüfung von Chemikalien vor der Vermarktung und über die Umweltverträglichkeitsprüfung von Entwicklungsprojekten.
II. Hauptaktivitäteh der internationalen Umweltorganisationen für die verschiedenen Umweltmedien
1. Wasser (Meere, Flüsse und Seen)
Wasser bedeutet Leben. Die Ozeane, die mehr als 71 Prozent der Erdoberfläche unseres Planeten bedecken und 97 Prozent seiner Wasservorräte enthalten, spielen die entscheidende Rolle in der Beibehaltung seiner Lebenserhaltungssysteme, in der Beeinflussung des Klimas und in der Erhaltung von Tieren und Pflanzen; dadurch bieten sie uns — ebenso wie die Flüsse — Nahrung, Beschäftigung, Erholung. Wasser war daher von Anfang an das Medium, das im Zentrum der Bemühungen um den Umweltschutz steht.
Die Entwicklung des Meeresumweltschutzes begann als sektorales Flickwerk, nämlich als bloßes Reagieren auf Öltankerunfälle. Daß es zur Entwicklung von Regeln eines Meeresumwelt-Managements kam, ist primär der Arbeit von UNEP zu verdanken, die für die Regionen Mittelmeer, Persisch-Arabischer Golf, West-und Zentralafrika, Südostpazifik (Südamerika), Rotes Meer, Karibik (samt Golf von Mexiko), ostafrikanische Region und Südwestpazifik (Südsee) umfassende Regionalmeeresprogramme und Abkommen entwickelte; für Ostasien (Indonesien) und das südasiatische Meer (um den indischen Subkontinent) werden gegenwärtig regionale Aktionspläne erstellt UNEP hatte 1982 „guidelines" zum Meeresbergbau und 1985 zur Verschmutzung durch Von-Land-Einleitungen verabschiedet. Beim Mittelmeeresprogramm gelang es beispielsweise dem UNEP, 83 wissenschaftliche Forschungseinrichtungen in 16 Ländern zur Mitarbeit bei der Überwachung und Forschung zu bewegen. Außerhalb der UNEP-Regionalpläne erfolgte die Koordination der Staaten von Nordostatlantik und Ostsee
Der Kodifikationsstand dieser Abkommen bezüglich der Zusammenarbeit nach Unfällen bzw. zur Kooperation zwecks ihrer Vorbeugung, zum Einleiten von Schadstoffen samt den dazugehörigen Haftungsregeln kann als weitgehend befriedigend bezeichnet werden; allerdings sind die Haftungsregelungen allein auf Unglücke von Öltankern beschränkt. Es handelt sich bei diesen UNEP-Abkommen um Rahmenabkommen, die durch spätere Zusatzprotokolle präzisiert wurden; die Zusatzprotokolle sind z. T. noch nicht oder erst spät (zu spät?) — wie auch die Algenpest im Mittelmeer zeigt — inkraftgetreten. Ein regionales Meeresmanagement erfolgt durch Regionalorganisationen, Regionalzentren und regionale Aktionspläne (mit eigenen Fonds) Dabei übernehmen Regionalorganisationen die Aufgaben regelmäßiger Treffen. Berichte und Überprüfungen, Regionalzentren hingegen die Einrichtung von Forschungs-, Unterrichtungs-und Trainingsprogrammen samt des Baues gemeinschaftlicher Informationssysteme.
Die regionale Kooperation ist darauf gerichtet, die Meeresumwelt zu überwachen, Maßnahmen zur Reduzierung von Verschmutzungen zu ergreifen und hierzu Hilfe anderer Staaten verlangen zu können. anderen Staaten drohende Schäden sofort anzuzeigen, illegale Schiffseinleitungen oder das nicht genehmigte Verklappen von Abfällen zu verhindern, über Verklappungs-Genehmigungen zu berichten und Verstöße zu bestrafen sowie zur Erarbeitung gemeinsamer Regeln, Standards und Notfallmaßnahmen zusammenzuarbeiten.
Hierbei handelt es sich überwiegend um nachträgliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr; eine vorbeugende und planerische Bewirtschaftung des Meeres ist bisher nur teilweise erkennbar Regelungen zur Verringerung der Verklappung von Abfällen sind zweifellos nötig, stellen aber noch keine vorbeugende Umweltpolitik dar. Eine solche müßte bei der Vermeidung von Abfall, der schad-stoffarmen Produktion und der Wiederverwertung ansetzen. Eine ökologische Landwirtschaft würde die anorganischen Nährstoffe, die bei Überschußbildung zur Massenentwicklung von Planktonalgen führen, reduzieren. Auch von der Notwendigkeit verstärkter Planungen und Umweltverträglichkeitsprüfungen ist noch zu wenig zu spüren; hierzu gehören Planungen bezüglich des Küsten-Tourismus und das Anlegen von Nationalparks, bei denen dann aber tatsächlich — anders als an der Nordsee-küste — jede industrielle oder militärische Nutzung verboten sein muß. Zu erwägen wäre auch eine Subventionierung der hohen Entsorgungskosten für die vom MARPOL-Abkommen geforderten Auffanganlagen für Schmutz-und Reststoffe; denn diese hohen Kosten können die Erfolge des MAR-POL-Abkommens vereiteln Weiterhin ist an die Möglichkeit verstärkter Finanzierungs-und Lenkungsabgaben zur Verringerung von Schadstoffen, Phosphaten, Dünge-und Reinigungsmitteln zu denken. Nur teilweise enthalten die Abkommen die Klausel, möglichst Umweltverträglichkeitsprüfungen im Küstenbereich vorzunehmen, oder die Verpflichtung, besondere Schutzgebiete einzurichten oder die Küstenerosion zu vermeiden. In letzter Zeit gibt es allerdings vermehrt Anstrengungen, solche vorbeugenden Konzepte aufzunehmen.
Regelungen zur Meeresnutzung durch Bergbau gibt es bisher nicht. Wie sehr noch ein übergreifender Ansatz fehlt, zeigt sich daran, daß die von Land und Luft ausgehenden Ablagerungen, die zu gut 80 Prozent die Meeresverschmutzungen ausmachen, kaum bzw. nur unzureichend geregelt sind. Dies führt zu Belastungsverschiebungen, weil dann z. B. mit Abfall häufig auf ein anderes, nämlich ein unzureichend geregeltes Umweltmedium (vom Land aufs Meer, vom Meer durch Verbrennen in die Luft) zurückgegriffen wird. Allein die Nordseestaaten wollen die Verklappung und Seeverbrennung schrittweise bis zum 31. Dezember 1989 bzw. bis zum 31. Dezember 1994 einstellen Das Helsinki-Abkommen, das für die Ostsee die schärfsten Anforderungen für Schiffseinleitungen und Verklappen aufweist, enttäuscht besonders, weil es bis-her den Von-Land-Einleitungen praktisch keine Grenze setzt
Ein geringer ausgeprägter Industrialisierungs-, Finanz-, Technologie-und Bewußtseins-Standard wirkt sich vor allem bei den Von-Land-Einleitungen nachteilig aus, da hier besonders teure Technologie zur Reduktion der Schadstoff-Frachten erforderlich ist, was die Entwicklungsländerin der Regel überfordert. Es ist daher zu begrüßen, daß sich die EG bei den Abkommen, bei denen sie Mitglied ist (u. a. beim Mittelmeer-und Karibik-Abkommen), finanziell beteiligt. Von der Weltbank und der Europäischen Investitionsbank wurde jetzt ein Umweltprogramm für die Mittelmeerländer gestartet, das — in Zusammenarbeit mit UNEP — stärkere Emissions-und Wasserkontrollen, technische Hilfen, Kontrollinstrumente und Umweltprogramme fördern soll Solche finanziellen und technischen Hilfen der Industrieländer zugunsten der Erhaltung der in der Dritten Welt gelegenen Ökosysteme sind z. T. unverzichtbar.
Bei kleineren Gewässern — Flüssen oder Seen — ist ein modernes Umweltmanagement leichter praktikabel, weil einfachere Kontrollmöglichkeiten, größere Transparenz von schadensstiftenden Ursachen und ein höheres Eigeninteresse am Erhalt des biologischen Ökosystems bestehen. Die Gewässerrichtlinien der EG verlangen für die Einleitung von Stoffen der Schwarzen Liste (129 Stoffe) eine Genehmigung nach Emissionswerten der Mitgliedstaaten; anstelle des Machbarkeitsansatzes kann allerdings die Belastbarkeit zugrunde gelegt werden. Die Richtlinien zur Qualität der Gewässer weisen für deutsche Anforderungen überwiegend ein zu geringes Niveau auf; in mehreren EG-Mitgliedsländem wurde das Wasserrecht verschärft, und es hat sich die Qualität von Bade-und Trinkwasser verbessert. Rechtliche Umwelt-Regime für grenzüberschreitende Flüsse und Seen der Bundesrepublik gibt es für Rhein, Mosel, Saar und Bodensee Das regionale Umweltmanagement wird durch Fachministerkonferenzen oder regionale Kommissionen wahrgenommen. Als Beispiel dieses Managements soll der Rhein dienen:
Das Rhein-Regime begann mit Regelungen der Schiffahrt und später der Fischerei; die Umweltkooperation startete 1950/1963 mit der Gründung der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (mit Sitz in Koblenz) durch fünf Rheinanliegerstaaten, zu denen die EG hinzukam. Die Rheinkommission hat die Aufgabe, den sechs Vertragsparteien geeignete Maßnahmen zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigungen vorzuschlagen, alle notwendigen Untersuchungen zur Ermittlung von Art, Ausmaß und Ursprung der Verunreinigung durchzuführen, Grenzwerte für die Ableitung chemischer Stoffe vorzuschlagen und die Durchführung des Chemieübereinkommens Rhein zu fördern. Hinzu kommt ein internationaler Warndienst bei Unfällen mit schweren Verschmutzungsgefahren an die stromabwärts gelegenen Behörden, der 1985 16, 1986 43 und 1987 54 Unfälle vermelden mußte. Seit 1972 bereiteten Fachministerkonferenzen zusammen mit der Rheinkommission Abkommen gegen die Hauptverschmutzungsquellen des Rheins, nämlich gegen Chloride, andere gefährliche chemische Stoffe und die thermische Verschmutzung vor. Bis heute konnte aufgrund von Uneinigkeit über Temperatur-Grenzwerte kein Abkommen gegen die thermische Verschmutzung verabschiedet werden. Das 1985 inkraftgetretene Chloridabkommen zwingt Frankreich zur Reduktion salzhaltiger Abwässer aus den elsässischen Kaligruben, die den Rhein jährlich mit ca. 7 Mio. t Salz (ca. 35 Prozent der Gesamtversalzung) belasten. Das Abkommen konnte aber — wenn man von der Stillhalteklausel (. Einfrieren* der Mengen) absieht — wegen anhaltender Proteste der elsässischen Bevölkerung und später wegen Uneinigkeit über die Finanzierung der hohen Lagerkosten kaum realisiert werden. Das 1979 inkraftgetretene Chemieabkommen. das für die gefährlichen Stoffe der Schwarzen Liste hohe Anforderungen an die Genehmigungen bezüglich von Grenzwerten. Konzentration und Höchstmenge stellt, war eine Enttäuschung insofern, als bis zum 1. September 1988 erst für einen einzigen dieser gefährlichen Stoffe ein international anerkannter Grenzwert wirksam geworden war -
Eine ökologische Perspektive wurde erstmals im Aktionsplan Rhein von Oktober 1987 — und damit im gleichen Jahr wie die modernen UNEP-und EG-Konzepte — formuliert. Denn die Perspektive, bis zum Jahr 2000 wieder höhere Arten (Lachs, Otter) im Rhein heimisch zu machen und das Rheinwasser für die Trinkwasserversorgung stärker nutzen zu können, verlangt einen umfassenden Ansatz: Hierzu gehören ein Landmanagement (ökologische Landwirtschaft, Forstbewirtschaftung, Maßnahmen gegen Bodenerosion), umfassende Vorbehandlung von Abwässern, Rückgängigmachen von Flußbettregulierungen/Dämmen, Unfallvorsorgen etc. Anstelle einer individuellen Ermittlung von Grenzwerten sollen die sogenannten Prioritäts-Substanzen generell um durchschnittlich 50 Prozent (1987— 1995) reduziert werden. Erst dieser umfassende langfristige Ansatz entspricht den Anforderungen eines modernen konomanagements. 2. Luft, Ozonschicht und Klima Die brennendsten ökologischen Probleme liegen in der Versauerung von Seen, dem Waldsterben, der Zerstörung der Ozonschicht und dem Treibhauseffekt mit den Folgen der Klimaänderung. Daß dies erst heute ernsthaft bewußt geworden ist, liegt daran, daß die enormen Ferntransporte der jeweiligen Schadstoffe über Hunderte oder Tausende von Kilometern zu einer verzögerten Wahrnehmungsfähigkeit der Staaten geführt haben. Während im London des 16. und 17. Jahrhunderts die Ursache der verunreinigten Luft im Verbrennen verunreinigter Steinkohle durch die benachbarten Kalk-brennereien. Schmieden, Alaunwerke und Brauereien zu erkennen war wirken sich heute die britischen Emissionen von SO 2 wegen der Aufwinde zu weit über der Hälfte auf Skandinavien aus: Großbritannien ist damit der größte Verursacher der Versauerung von Seen in Norwegen, während es selbst aufgrund seiner Insellage (und der von Westen kommenden Winde) wenig sauren Regen importiert; der saure Regen ist damit — anders als in der Bundesrepublik — kaum ein brisantes Thema in Großbritannien. Hingegen exportiert auch die Bundesrepublik die Hälfte ihrer SO 2-Produktion nach Nord-und Osteuropa, und im gleichen Umfang empfängt sie sauren Regen aus den westlichen EG-Ländern und aus der DDR SO 2, das hauptsächlich aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe (Kohle. Öl) und aus verschiedenen Verhüttungsvorgängen stammt, ist gemeinsam mit dem Stickoxyd (NO,), welches primär aus Kraftfahrzeugen und teilweise aus mit Kohle/Öl betriebenen Kraftwerken stammt, die Ursache für den sauren Regen, der zur Übersäuerung von Gewässern und Böden, zum Waldsterben, zu Schädigungen an Gesundheit, Getreide und Gebäuden führt. Im Rahmen der EG drängte die Bundesrepublik zwar auf Katalysatoren, war aber nicht bereit, eine Geschwindigkeitsbeschränkung einzuführen, was möglicherweise eine rasche Abnahme an NO, gebracht hätte.
Die Ursachen für Ozonzerstörung und Klimaveränderung sind komplex: Hauptursache für die Ozonzerstörung sind die als Kühlmittel, als Treibgase in Spraydosen oder als Schäumungsmittel in der Kunststoffherstellung verwendeten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die chemisch stabil sind, sich weder in Wasser noch durch Sonneneinstrahlung in der Troposphäre (Atmosphäre bis ca. 10 km Höhe) auflösen und so langsam in die höher gelegene Stratosphäre aufsteigen können. Wird die dort befindliche Ozonschicht abgebaut, so kann sie das ultraviolette Licht der Sonne in immer geringerem Maße absorbieren, so daß die Strahlung intensiver auf die Erde einwirkt; dies führt zu pathologischen Zellveränderungen bei Menschen (Haut-krebs), Tieren und Pflanzen, trägt zu Klimaveränderungen bei und kann — bei drastischen Ozonreduktionen — eine globale Bedrohung für das Leben auf der Erde bewirken. Eine überwiegend auf der nördlichen Hemisphäre verursachte chemische Umweltverschmutzung hat auf der anderen Halbkugel das Ozonloch der Antarktis verursacht.
Vor allem das klimawirksame Kohlendioxid (CO 2) heizt — neben Methan, FCKW und anderen Spurengasen — die Erdatmosphäre auf, indem es die Sonnenstrahlung fast ungehindert die Atmosphäre passieren läßt und einen großen Anteil der von der Erdoberfläche ausgestrahlten infraroten Wärme-strahlung absorbiert und zur Erdoberfläche zurückstrahlt. Zu diesem natürlichen Treibhauseffekt, der die Erde auf durchschnittlich 15 °C erwärmt und damit das Leben auf der Erde erst ermöglicht, kommt ein menschengemachter Treibhauseffekt durch die industrielle Emission klimawirksamer Spurengase in die Atmosphäre hinzu. Die immer höhere Konzentration des CO, das u. a. aus der Verbrennung von Kohle, Erdöl, Gas, aber auch aus der Rodung tropischer Regenwälder stammt, führt zu einer Erwärmung der Erdoberfläche. Der Meeresspiegel ist durch das Tauen von Gletschern seit Beginn des Jahrhunderts um ca. 15 cm angestiegen. Ein Temperaturanstieg von bereits etwa 2 °C hätte voraussichtlich katastrophale Auswirkungen auf Menschheit und Ökosysteme.
Die drei genannten Problemfelder unterscheiden sich in einem Punkt: Die letzten beiden (Ozon und Klima) verlangen eine globale Lösung, da Schäden in allen Ländern der Erde drohen und andererseits Maßnahmen weniger Staaten (etwa der Industriestaaten) für alle anderen Staaten Nutzen hätten. Hingegen sind Strategien gegen den sauren Regen allein auf dem Niveau der industrialisierten Staaten Europas und Nordamerikas sinnvoll. Dabei würden sich nach einer OECD-Untersuchung Kosten und Nutzen (in Gestalt vermiedener Gesundheits-, Pflanzen-, Tier-und Materialschäden) gesamtwirtschaftlich die Waage halten.
Das Regime für sauren Regen und Ozonschicht sieht folgendermaßen aus: Die 1983 für die ECE-Staaten und die EG inkraftgetretene Genfer Konvention über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung verpflichtet die Staaten, sich zu bemühen, die Luftverunreinigungen einzudämmen und schrittweise zu verringern. Hierzu werden Forschungskooperation, Förderung des Meß-und Bewertungsprogramms EMEP, Informationen und frühzeitige Konsultationen (vor potentiell schädigenden Ereignissen) und jährliche Treffen des ECE-Exekutivorgans zur Überprüfung der Durchführung des Abkommens vereinbart. Das 1987 inkraftgetretene Helsinki-Protokoll präzisiert diese Pflicht dahin, daß die jährlichen SO 2-Emissionen bis 1993 generell um mindestens 30 Prozent gegenüber 1980 reduziert sein müssen. Das noch nicht inkraftgetretene Sofia-Protokoll verlangt für NO, -Emissionen, daß sie bis Ende 1994 den Stand von 1987 unterschritten haben und daß für neu zugelas-sene Kraftwerke und Kfz nationale Emissionswerte festgelegt werden. Das von der ECE computerbetriebene Überwachungsprogramm EMEP ist in der Lage, die Durchführung dieser Pflichten festzustellen. Das 1988 inkraftgetretene Wiener Übereinkommen und das Montrealer Protokoll verlangen systematische Beobachtungen und gemeinsame Forschungen bezüglich der Gefährdung der Ozonschicht sowie ein Einfrieren des Verbrauchs und der Produktion von FCKW und Halonen auf dem Stand von 1986, sowie später — bis 1993 bzw. bis 1998 — ein generelles Rückfahren auf 80 Prozent bzw. 50 Prozent des bisherigen Verfahrens.
Für die Erderwärmung fehlen noch Abkommen; UNEP und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) haben hierfür 1988 das zwischenstaatliche Gremium für Klimaveränderungen (IPPC) eingesetzt. Die internationale Konferenz zur sich verändernden Atmosphäre (Toronto 1988) hielt eine Reduktion der CO 2-Produktion von über 50 Prozent für erforderlich und schlug in ihrem Aktionsprogramm als ersten Schritt bis zum Jahr 2005 eine 20prozentige Reduktion gegenüber 1988 durch rationellere Energieverwendung und den Austausch von fossilen Energieträgern vor, wobei die Industriestaaten — sie produzieren fast 90 Prozent der CO 2-Emissionen — vorangehen müssen Die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ des Bundestages plädiert für ein Rahmenabkommen (ähnlich dem Wiener Ozon-Abkommen), durch das die Emissionen von CO 2, FCKW, Methan und anderer Spurengase reduziert werden. Der Europarat hat nun einen Klimafonds verlangt, mit dessen Hilfe u. a. Aufforstungsprogramme in der Dritten Welt finanziert werden sollen. Nach einem jetzt veröffentlichten EG-Bericht wird der Ausstoß von SO 2 dank der Filter in Industrie und Kraftwerken in den nächsten 20 Jahren um rund 60 Prozent abnehmen, während er bei NO, ungefähr gleichbleiben wird. Hingegen werde der Ausstoß von CO 2 zunehmen und die Erde gefährlich aufheizen, wenn nicht die Energiepolitik gemeinsam umorientiert wird. Dieser EG-Bericht dokumentiert evtl, einen neuen Ansatz: Zum Inventar der Umweltpolitik muß auch die Energie-, Industrie-und Verkehrspolitik gehören; das bedeutet u. a. Förderung erneuerbarer Energien (Wind-. Solar-, Wasserkraft) und des Energiesparens, Maßnahmen der Forstwirtschaft, Entfernung des SO 2 und des NO, durch Entschwefelungsprozesse bzw. Ersetzung des FCKW durch Alternativstoffe. 3. Boden, Abfall und Vegetation Da es aufgrund des modernen Meeres-Regimes immer problematischer wurde, Abfälle ins Meer zu verklappen, kamen manche Unternehmen der Industriestaaten auf den Gedanken einer noch schlimmeren Belastungsverschiebung: Wegen der teuren Entsorgung hier in Europa sollte die Dritte Welt anstelle des Meeres zur Müllkippe für gefährliche Abfälle werden. Dieses „Verbrechen gegen Afrika“ — so eine Resolution der OAU (Organization of African Unity) — war nicht nur ethisch problematisch, sondern widersprach auch dem modernen Ökomanagement, zu dem u. a. das Ursprungs-prinzip gehört. Die seit 1984 erarbeiteten europäische Regelungen zur Überwachung und Kontrolle des „Mülltourismus“ reichten angesichts der Globalität des Problems nicht aus; das ÜNEP konnte aber an diese Arbeiten der EG und der OECD anknüpfen. Nach den Kairo-„guidelines“ zum umweltgerechten Management gefährlicher Abfälle (1987) arbeitete das UNEP die Basler Konvention zur Kontrolle des grenzüberschreitenden Transports gefährlicher Abfälle aus, die im März 1989 verabschiedet wurde Sie wird bald inkrafttreten, da sie von über 35 Staaten (OECD-Staaten und Lateinamerika) unterzeichnet wurde. Die Konvention verbietet Müll-Exporte zwischen Vertragsparteien, wenn der Import-und Transitstaat keine vorherige schriftliche Einwilligung zum Import abgegeben haben und wenn Gründe zu der Annahme bestehen, daß die Abfälle im Importland nicht umweltgerecht behandelt werden.
Ein solcher grenzüberschreitender Transport darf nur zugelassen werden, wenn bestimmte Gründe hierfür vorliegen (u. a. Engpässe im Exportstaat oder Recyclingsmöglichkeiten im Importstaat); jeder Im-oder Export zu oder von einem Staat, der kein Mitglied dieser Konvention ist, ist verboten, und jeder Verstoß gegen die Konvention muß be-straft werden. Die Konvention verlangt umfassende Notifikationen vor einem solchen Export, Kennzeichnungen, Informationstransfer über umweltgerechte Behandlung, eine enge internationale Kooperation (vorläufig durch das Genfer UNEP-Büro) und begründet unter bestimmten Voraussetzungen eine Wiedereinfuhrpflicht (zurück zum Exporteur) sowie eine Pflicht, die Produktion von Abfällen und den Müllexport auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Dieses Abkommen realisiert das moderne Ökomanagement, denn es bestärkt das Ursprungsprinzip, die Abfallwirtschaft (Abfallvermeidüng und -Verwertung) und den schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen; allerdings muß noch durch zusätzliche Protokolle die Präzisierung der „umweltgerechten Behandlung“ und der Haftung erfolgen.
Zum internationalen Bodenschutz oder zum Erhalt der Regenwälder fehlen noch Abkommen. Zu den internationalen Problemen des Bodenschutzes gehören die Wüstenausbreitung, die Versalzung, die Erosion und mittelbar auch die Waldvemichtung. An internationalen Handlungsanleitungen hierzu gibt es nur die Europäische Bodencharta des Europarates, die Welt-Bodencharta der Welternährungs-Organisation FAO und die World Solls Policy des UNEP, die alle von 1982 stammen
Wenn die Vernichtung der Tropenwälder in dieser Geschwindigkeit fortschreitet, werden sie innerhalb von 50 Jahren ganz vernichtet sein. An der Elfenbeinküste sind von den zwölf Mio. ha, die noch im Jahr 1960 bestanden, 1987 knapp drei Mio. ha verblieben, so daß dort die Vernichtung bis Anfang der neunziger Jahre vorprogrammiert ist. Ein ähnlicher Raubbau am Wald fand in. Mitteleuropa zwischen 1050 und 1300 statt, der ebenfalls zahlreiche Krisen verursachte Die jetzigen Krisen wären jedoch sehr viel dramatischer, weil es sich um die wichtigsten Waldvorräte der Welt handelt: Die Artenvielfalt würde vernichtet, denn in jenen Wäldern leben 40 bis 50 Prozent aller biologischen Arten; es käme zu Bodenerosionen und Dürreperioden abwechselnd mit Überschwemmungen, und es gäbe fatale Auswirkungen auf das Weltklima, da der tropische Regenwald Milliarden Tonnen Kohlenstoff bindet, der bei der Rodung durch Verbrennung oder Verrottung zu CO oxidiert und damit den globalen Treibhauseffekt verstärkt Die Ursachen der Waldvemichtung liegen u. a. in: Brand-rodung für Besiedlung/W: anderfeldbau, kommerziellem Holzeinschlag, Bau von Großstaudämmen, Aufbau von Monokulturen und großen Rinderfarmen. Das einzige Abkommen auf diesem Gebiet ist das Internationale Tropenholzabkommen, dessen 22 Verbraucher-und 18 Produzentenländer, die 90 Prozent des Tropenholzwelthandels repräsentieren, 1987 die ITTO (Internationale Tropenholzorganisation) gegründet haben. Die Hauptaufgabe der ITTO besteht in einer Verbesserung der Erlöse für die Produzenten; daneben setzt sie sich auch für eine ressourcenschonende „nachhaltige Bewirtschaftung“ (u. a. durch Entnahme nur der wertvollsten Bäume) ein. Der Verein Deutscher Holzeinfuhrhäuser hat im Dezember 1988 einen Verhaltenskodex vorgelegt, in dem er sich für eine umweltschonende und behutsame Waldbewirtschaftung einsetzte. Eine bessere Alternative wäre ein internationales Abkommen zur Beschränkung des Importes tropischer Edelhölzer (vergleichbar dem Washingtoner Artenschutzabkommen). Die Chancen hierfür stehen günstig, weil auch die Tropen-wald-Länder zunehmend die ökologischen Probleme erkannt haben und Holzausfuhren beschränken, Wiederaufforstungs-Programme starten und Naturschutzgebiete einrichten wollen — letzteres aber nur dann, wenn diese Programme von den Industriestaaten finanziert würden In der Tat werden finanzielle Kompensationen der Industriestaaten für die hohen Investitionen bzw. Nutzungsverzichte der Regenwaldländer unvermeidbar sein; dies kann geschehen durch Schuldentausch für Umweltschutz („Dept for Nature Swap“), durch „Leasing“ von Waldgebieten (Aufbau leistungsfähiger Forstschutz-Programme in den treuhänderisch „geleasten“ Gebieten) oder — wie jetzt von der Enquete-Kommission gefordert — durch einen Tro-penwald-Fonds, der sich aus einer Sonderabgabe für CO 2-Produktion und einer Importsteuer für Tropenhölzer speisen soll.
III. Neue Reformansätze
Angesichts der gewaltigen Aufgaben, vor denen die internationale Umweltpolitik steht, muß die finanzielle und personelle Ausstattung sowohl von UNEP als auch von der EG-Umweltabteilung als völlig unzureichend bezeichnet werden Ein damit zusammenhängendes Problem ist die Freiwilligkeit der Beitragszahlungen an UNEP, durch die das UNEP vom „good will“ der Industriestaaten abhängig wurde. Vor allem für das Management der „global commons“ (insbesondere die Atmosphäre einschließlich Ozonschicht und Erderwärmung sowie hohes Meer und evtl. Regenwälder), für das angesichts der Globalität, Dringlichkeit und Lebenserhaltung eine sehr weitgehende Aufgabe von Souveränität zugunsten von internationaler Kooperation erforderlich ist, werden sehr viel wirksamere Entscheidungs-und Durchsetzungsmechanismen benötigt, als UNEP sie aufweisen kann.
Dies war auch die Ansicht der 24 Regierungschefs aus Industrie-und Entwicklungsstaaten, die am 11. März 1989 die sogenannte Erklärung von Den Haag abgaben Darin findet sich das Bekenntnis zu neuen institutioneilen Strukturen, die entweder durch eine Stärkung bestehender Institutionen oder durch die Schaffung einer neuen Institution „Globe“, die speziell für die Fragen der Atmosphäre (Ozon und Klima) zuständig wäre, erreicht werden sollen. Weiter findet sich dort das Bekenntnis zur finanziellen Unterstützung für die Staaten, denen unter Berücksichtigung ihres Entwicklungsstandes zum Schutz der Atmosphäre besondere Lasten aufcrlegt werden. Die EG-Kommission hat die Einrichtung einer eigenen EG-Umweltagentur vorgeschlagen, für die sich bereits deutsche Standorte (Bonn und Aachen) interessiert haben.
Die Chancen für eine intensivierte Zusammenarbeit zum Erhalt der „global commons“ stehen nicht schlecht, nachdem auch Gorbatschow es als gemeinsame Pflicht der UdSSR und Brasilien bezeichnet hat. sich gemeinsam um die „Lungen des Erdballs“ (die Wälder) zu kümmern und nachdem auch die DDR sich um internationale Kooperation beim Umweltschutz bemüht Beim Umweltschutz geht es nicht nur um die Akzeptabilität unserer Gesellschaftsordnung sondern auch um die Überlebensfrage der Menschheit. Diese Aufgabe verlangt, Staats-und Systemgrenzen zu überwinden, damit wir an einer lebenswerten Zukunft für nachfolgende Generationen arbeiten können.