I. Kommunale Selbstverwaltung als verfassungsrechtliches Prinzip
Demokratie und Selbstverwaltung Das Grundgesetz hat sich nach den Worten des Bundesverfassungsgerichts „für eine auf Selbstverwaltungskörperschaften aufgebaute . gegliederte Demokratie* entschieden“, wie sich aus dem Inhalt des Art. 28 GG ergibt 1). Nach der Bestimmung seines 1. Absatzes muß „das Volk in Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben“, die nach denselben Grundsätzen zu bilden ist wie der Bundestag und die Parlamente der Länder. Da sich diese Bestimmung unmittelbar an die im vorhergehenden Satz enthaltene Vorschrift anschließt, wonach die verfassungsmäßige Ordnung den „Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates“ entsprechen muß, besitzt die Vervielfältigung des gebietlichen Wirkungsbereiches des Volkes — in engeren oder weiträumigeren Siedlungseinheiten wie in Ländern und im Staat — einen hervorgehobenen verfassungsrechtlichen Rang. Durch die Einrichtung von Vertretungskörperschaften des Volkes in kommunalen Gebieten wird zugleich eine administrative Dezentralisierung geschaffen, welche durch die im Absatz von Art. 28 GG genannte Selbstverwaltung 2) gewährleistet ist. Somit findet die in Art. 20 Abs. 2 GG bestimmte horizontale Gewaltengliederung mittels Trennung der Legislative (Gesetzgebung) von der Exekutive (Regierung und Verwaltung) sowie der Justiz (Rechtsprechung) eine Ergänzung durch die vertikale Gliederung der Administrative (Verwaltung) als eines Bestandteiles der vollziehenden Gewalt. Dabei beschränkt sich die in Art. 28 GG getroffene Regelung nicht wie eine Dekonzentration auf die Verteilung von Zuständigkeiten von einer Oberbehörde auf andere Dienststellen, sondern beläßt den ausführenden Behörden der kommunalen Körperschaften einen gesetzlich gebundenen eigenen Wirkungsbereich. Die Verantwortung hierfür liegt bei den gewählten Vertretern des Volkes in den Gemeinden, Gemeindeverbänden und Kreisen, die einer Rechtsaufsicht, nicht jedoch einer weiterreichenden Fachaufsicht durch staatliche Behörden unterworfen sind. Dies gilt, soweit nicht vom Gesetzgeber den Gemeinden und Kreisen sol-ehe öffentlichen Aufgaben zur Erledigung übertragen sind, die eine einheitliche Bearbeitung aus rechtsstaatlichen Gründen erfordern.
Weder bundes-noch landesrechtlich bestehen, ungeachtet ihrer Gebietsgröße oder Einwohnerzahl, wesentliche Unterschiede zwischen den Gemeinden. Die Bezeichnung „Stadt“ ist historisch bedingt, und Dörfer gibt es von Rechts wegen ebensowenig wie Landgemeinden. Die verbindende Rechtsstellung als Gemeinde läßt die zwischen ihnen bestehenden beträchtlichen Unterschiede außer Betracht.
Durch den in Art. 28 Abs. 2 GG bestimmten und gleichzeitig begrenzten Wirkungsbereich — eine konstitutionelle Eigenart und ohne historisches Vorbild — sind indessen nicht alle Probleme der Beziehungen zwischen dem Ganzen und seinen Teilen im demokratischen Rechtsstaat gegenstandslos geworden obwohl die Teile erstmals in das Ganze als wesentliche Bestandteile eingefügt sind. Anders war ihre Stellung nach Art. 127 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 festgelegt durch die wenig verbindliche Bestimmung: „Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Schranken der Gesetze“. Da die Verfassung selbst keinen Hinweis auf den Umfang dieser Schranken des Gesetzgebers gab, folgerte die herrschende Ansicht aus dem demokratischen Prinzip, daß Entscheidungen und Maßnahmen von Repräsentanten der „Bürgerschaft des Staates“ generell Vorrang vor dem „Willen der örtlichen Bürgerschaft“ besäßen Für so einfach hielt indessen ein damals noch junger Politiker, Theodor Heuss, die Regelung des Verhältnisses von Demokratie und Selbstverwaltung nicht und warnte deshalb vor einer vereinfachenden Behandlung des Themas: „Es genügt nicht, die erhabenen Gedanken des Freiherrn vom Stein zu bejahen und auszusprechen, daß die Selbstverwaltung die Schule der Demokratie sei. Man muß vielmehr die Schwierigkeiten sehen und aussprechen, die mannigfach genug sind.“
Als diese Zeilen geschrieben wurden, schienen sich in Deutschland politische Kräfte, die von einem durch den verlorenen Krieg kaum erschütterten Fortschrittsvertrauen geprägt waren, euphorisch neuen Zielen zuzuwenden. Deshalb wandte sich der Schüler von Friedrich Naumann besorgt und kritisch gegen jene „naive Gläubigkeit“, die meinte, „nur ein Wort zu brauchen, um schon die Erfüllung zu spüren“, und warnte davor, „mit dem Wort Selbstverwaltung die Lösungsformel für die Schwierigkeit des Gemeinschaftslebens“ gefunden zu haben.
Diese Besorgnis vor einem allzu blinden Vertrauen auf die menschliche Fähigkeit, soziale und politische Probleme in gutem Einvernehmen miteinander lösen zu können, wurde damals jedoch von einem der Väter der Reichsverfassung, Hugo Preuss, nicht geteilt. Noch 10 Jahre zuvor hatte er in dem 1912 erschienenen „Handbuch für Politik“ die Überzeugung geäußert, „die kommunale Selbstverwaltung kann nur im wahren Verfassungsstaat Wahrheit werden“ Diesen identifizierte der Autor mit demokratischen Regierungsformen und führte dazu weiter aus, die Gemeinden könnten sich in ihrem Wirkungsbereich erst voll entfalten (um das Anliegen des Freiherrn vom Stein zu erfüllen, mit der „richtigen Ordnung der Kommunitätssachen einen Zusammenhang zwischen der Nat Jahre zuvor hatte er in dem 1912 erschienenen „Handbuch für Politik“ die Überzeugung geäußert, „die kommunale Selbstverwaltung kann nur im wahren Verfassungsstaat Wahrheit werden“ 7). Diesen identifizierte der Autor mit demokratischen Regierungsformen und führte dazu weiter aus, die Gemeinden könnten sich in ihrem Wirkungsbereich erst voll entfalten (um das Anliegen des Freiherrn vom Stein zu erfüllen, mit der „richtigen Ordnung der Kommunitätssachen einen Zusammenhang zwischen der Nation und der Staatsverwaltung“ 8) herzustellen), wenn sie von der „übergeordneten Macht bürokratischer Obrigkeit“ befreit wären. Mochte Hugo Preuss dieses Anliegen des preußischen Reformers von 1808 auch richtig verstanden haben, so doch nicht — anders als Theodor Heuss — jenes Spannungsverhältnis, welches sich in jedem Staat entwickelt 9), in dem die örtliche Gemeinschaft nicht nur als soziale Gegebenheit anerkannt ist, sondern — wie nach dem Grundgesetz — zur politischen Ordnung des Staates gehört 10). 2. Das Vermächtnis des Freiherrn vom Stein Hier wurde zum ersten Mal in der deutschen Verfassungsentwicklung — ohne Parallelen in anderen geltenden Verfassungen der Erde — versucht, das dialektische und pragmatische Spannungsverhältnis zwischen dem Ganzen und seinen Teilen aufzuheben oder doch zu mindern. Dies konnte gleichwohl nur im ständigen Bemühen um die Erkenntnis geschehen, daß es ein Irrtum ist, die kommunale Selbstverwaltung für eine der Demokratie inhärente oder doch ihr im wesentlichen entsprechende Einrichtung zu halten. Die Ursachen für diese Annahme reichen bis in das Zeitalter des Vormärz zurück, als ein von den Verfassungszuständen enttäuschtes Bürgertum in der Gemeinde die Vertreterin des demokratischen Prinzips zu erkennen glaubte und sie häufig auch als eine der Gesellschaft zugehörende politische Ordnung verstand. Aus diesem Grunde richtete sich sein Postulat nach Gemeindefreiheit seit dem frühen 19. Jahrhundert gegen den Staat. Wie weit war dieses, weniger demokratische als liberale, die Teile über das Ganze stellende, kommunale Verständnis von den Vorstellungen des Freiherm vom Stein entfernt! Dieser wollte nach seinen eigenen Worten mit der Städteordnung und der im Konzept bereits entworfenen Kreisordnung „den Staatsbürger an der Staatsverwaltung beteiligen“ wobei die damit zum Ausdruck gebrachte Einheit der Verwaltung ebenso wie die Verpflichtung des Bürgers zum „öffentlichen Dienst“ bemerkenswert sind. Steins Konzept, gegen monokratische Regierungsform gerichtet und im Humboldtschen Sinne liberal, trägt deshalb demokratische Züge. Wohl war Stein kein Demokrat im Sinne von Rousseaus Theorie des Gesellschaftsvertrages, doch läßt bereits die Erwähnung des Staatsbürgers erkennen, daß seine Reformen letztlich auf eine verantwortliche Beteiligung von Vertretern der Bevölkerung am politischen Geschehen im Staat, d. h. an dem Ganzen, gerichtet waren. Tatsächlich wurde dieses Selbstverwaltungsverständnis weder damals noch später im Sinne des Reformers vollständig verstanden oder gar befolgt. Mit demselben Wort verbanden sich vielmehr bald in Deutschland recht unterschiedliche Vorstellungen und Zielsetzungen.
Deshalb kann auch „die geschichtliche Entwicklung“ nur insoweit „als verläßlicher Zeuge für die enge Verbindung von Demokratie und Selbstverwaltung in Deutschland angeführt“ werden, als man darin das zwischen beiden prinzipiell bestehende Spannungsverhältnis der Teile zum Ganzen erkennt. Daß Stein (und nach ihm Gneist und andere Reformer von 1872 und später) — wie häufig gerügt wird —, nur den „besitzenden Klassen“ ein politisches Mitspracherecht einräumen wollten lag vor allem daran, daß damals — besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts — der Bildungsstand eines größeren Teiles des Staatsvolkes noch nicht den Voraussetzungen für eine politische Verantwortung entsprach.
Im übrigen bestanden und bestehen stets größere und geringere Unterschiede zwischen der Angehörigkeit zum Demos (Volk) und den individuellen und unmittelbaren Teilnahmebefugnissen am kratein, an der Ausübung seiner Herrschaft. Zunächst und vielfach bis in die Neuzeit — so auch für den Freiherrn vom Stein — bildete die Selbständigkeit des einzelnen als Voraussetzung für die Unabhängigkeit seiner politischen Entscheidungen das Kriterium für seine staatsbürgerliche Qualifikation. Das war ebenso in der Antike wie auch im Mittelalter der Fall, als sozial selbständige Persönlichkeiten — in Ständen auf Landtagen versammelt — einer fürstlichen Monokratie entgegenzuwirken vermochten, wie es in England 1215 geschah, als der König den mächtigsten seiner Untertanen ihre Freiheit vor Willkür in der Magna Charta Libertatum verbriefte. Von dort nahmen Parlament und Demokratie in Großbritannien ihren Ausgang Eine Gliederung der demokratischen Regierungsform erfolgt hier wie in den meisten so verfaßten Staaten der Gegenwart durch Wahlrecht und Wahlverfahren, während die dadurch erstrebte Vermeidung von unbeschränkter Herrschaft im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland auf andere Weise, als eine „deutsche Eigenart“, verwirklicht werden soll, wie sie in Art. 28 Abs. 1 und 2 GG konstituiert ist. 3. Verfassungsrechtliche Grundlagen Dieser Artikel schreibt zunächst vor, daß „die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes“ zu entsprechen habe, um im folgenden Satz zu bestimmen, daß „in den Ländern, Kreisen und Gemeinden das Volk eine Vertretung“ besitzen müsse, die entsprechend dem Wahlverfahren zum Bundestag zu bilden ist. Diese Vorschrift macht eine weitere Bestimmung darüber erforderlich, welche öffentlichen Aufgaben von diesen verschiedenen Volksvertretungen ohne Schaden für das Ganze wahrgenommen werden müssen und dürfen.
Die Volksvertretungen im Bund und in den Ländern besitzen gemäß Art. 20 Abs. 1 und Art. 30 in Verbindung mit Art. 70 ff. GG staatliche Aufgaben, nämlich die Gesetzgebung und die Kontrolle der Regierungen. Auch die übrigen Volksvertretungen tragen eine Verantwortung und zwar für einen Teil der administrativen Angelegenheiten. Auf diese Weise erfährt die in Art. 20 Abs. 2 GG konstituierte Gliederung der Staatsgewalt in Legislative, Exekutive und Justiz eine vertikale Ergänzung dadurch, daß die zur Exekutive gehörende Verwaltung durch Art. 28 Abs. 2 GG dezentralisiert ist. Die Formulierung der darin enthaltenen institutioneilen Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung ist allerdings nicht unproblematisch: Den Gemeinden muß „das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln“, wiewohl „im Rahmen der Gesetze“. Daß es sich hierbei um das Recht der Selbstverwaltung handelt, folgt aus dem Inhalt des nächsten Satzes, der mit der Konjunktion „auch“ den inhaltlichen Zusammenhang zum vorhergehenden Satz herstellt und bestimmt, daß dieses, wenn auch konstitutionell modifiziert, ebenso den Gemeindeverbänden zustehen solle.
Das Recht der Selbstverwaltung ist, wie sich aus dem Inhalt des Wortes ergibt, eine administrative Befugnis: Kommunale Vertretungskörperschaften dürfen „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich regeln“. Fraglich ist nur, was zu diesen „Angelegenheiten“ gehört, deren Bezugsobjekt — die örtliche Gemeinschaft in der mobilen Industriegesellschaft — nicht mehr unangefochten als Kriterium für Ordnung und Begrenzung von menschlichen . Siedlungsverbänden gelten kann. Die Homogenisierung vieler menschlieher Lebensverhältnisse, aber auch die zunehmende Verflochtenheit von öffentlichen Aufgaben zum Schutze des Menschen und zur Wahrung des Friedens untereinander, führten zwangsläufig zur Zunahme von normativen und administrativen Maßnahmen für die Erfüllung dieser öffentlichen Aufgaben. Auf diese Weise erleiden nicht nur lokale Individualitäten, sondern auch der Entscheidungsraum der kommunalen Vertretungskörperschaften — Gemeinderat und Kreistag — Einbußen, die durch die unzulängliche finanzielle Ausstattung der meisten Selbstverwaltungskörperschaften besonders ins Gewicht fallen. So wird der Freiraum zur selbständigen Regelung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft derart eingeschränkt, daß — ungeachtet aller noch so gut gemeinten gegenteiligen Beteuerungen — das konstitutionelle Konzept der gegliederten Demokratie und der sich daraus ergebenden Dezentralisation der öffentlichen Verwaltung fragwürdig wurde. Zu-treffend wurde dann auch als Fazit in bezug auf die örtliche Aufgabenerfüllung festgestellt daß „das Verständnis gemeindlicher Selbstverwaltung auch Ausdruck eines bestimmten Staatsverständnisses ist“, das aber auch dementsprechend von allen für die freiheitliche Grundordnung politische Verantwortung tragenden Persönlichkeiten anerkannt und beachtet werden muß. Beachtet man den verfassungsrechtlich vorgegebenen Handlungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften von Seiten des Gesetzgebers und der Regierungen nicht, so wächst bei den gewählten kommunalen Körperschaften die richtig diagnostizierte Versuchung, „gesamtpolitische und in die Bundeszuständigkeit fallende Entscheidungen regional oder örtlich zu konterkarieren“. Besonders bedenklich wirkt diese Beobachtung im Zusammenhang mit der solche Tendenzen eher fördernden als hemmenden Judikatur, wenn etwa in höchstrichterlichen Entscheidungen die Kompetenz der gewählten kommunalen Organe nicht mehr aufdie administrative Tätigkeit der „Regelung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ beschränkt, sondern sogar auf solche Angelegenheiten ausgedehnt wird, zu deren Behandlung der Rat „offensichtlich unzuständig“ ist Auf diese Weise wird die „deutsche Eigenart“ des demokratischen Regierungssystems nach dem Grundgesetz zwangsläufig Schaden erleiden. 4. Kommunale Strukturprobleme In dieser Eigenart kommt die Institutionalisierung von Verantwortlichkeit zum Ausdruck, durch die das im Gesellschaftsvertrag von Rousseau 1762 konzipierte Demokratieverständnis und das Amts-prinzip konstitutionell eine Synthese erfahren haben. Sie konkretisiert sich in einer — nach den Worten des Bundesverfassungsgerichts — „auf Selbstverwaltungskörperschaften aufgebauten gegliederten Demokratie“ die auf diese Weise zugleich eine Vervielfältigung erfährt, welche einen Leitbegriff bildet, der allerdings wiederum Probleme der richtigen Einordnung hervorruft
Diese zu lösen, trägt dazu bei, den Gefahren einer Entartung der Demokratie zu begegnen, der sie wie jede Regierungsform ausgesetzt ist. Bei ihr liegt der Ansatz für eine solche Entwicklung im Drang zu unbeschränkter Egalisierung, die „nicht mehr Freiheit, sondern mehr Herrschaft bedeutet“. Andererseits kann eine „Ideologie der Ungebundenheit und der Ansprüche zu immer neuen Ausbruchsversuchen aus der demokratischen Gleichheitsordnung führen, bis hin zur Leugnung des Ordnungsgedankens“. Diese wiederum macht die Gefahren einer übersteigerten Freiheit deutlich, die dann leicht den Ruf nach einem wie auch immer genannten „Führer“ auslösen kann
Solchen Problemen des Ganzen entsprechen jene, die in ihren Teilen erwachsen. Eine Schwierigkeit für die Behandlung von Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung bietet bereits der beträchtliche Unterschied der Gemeinden nach Einwohnerzahl, Flächengröße und Struktur: Unter diesen Begriff fallen Groß-, Mittel-und Kleinstädte wie Dörfer, die ebenfalls bereits die Einheitlichkeit ihres Charakters verloren haben. Gewiß stellen unter ihnen die größeren Städte nicht nur ein administratives, sondern auch im weiten Sinne des Wortes politisches Potential dar. Nichtsdestoweniger gelten auch für sie die Probleme, die prinzipiell das Verhältnis zwischen Demokratie und kommunaler Selbstverwaltung betreffen, wiewohl es bei kleineren Orten häufig für die hier Verantwortlichen spürbarer wird.
Nach wie vor unterscheidet sich noch die Form der Staatsverwaltung, der das hierarchisch-monokratische System und die bestimmende Tätigkeit von Fachleuten das Gepräge geben, von der anders gearteten kommunalen Selbstverwaltung mit ihrer kollegialen Arbeitsweise im Zusammenwirken von jeweils auf Zeit gewählten Organwaltern. Auch hier hat sich jedoch ein bemerkenswerter Wandel des Ehrenamtes seit dem vorigen Jahrhundert vollzogen: Sollte noch nach den Vorstellungen des Freiherrn vom Stein ihr Inhaber alle damit verbundenen Angelegenheiten selbst und ohne Inanspruchnahme von öffentlichen Mitteln erledigen, so schlossen doch bald die Vielfältigkeit und Komplexität der Aufgaben der Industriegesellschaft in den meisten Städten, aber bald auch in den Dörfern, diese ehrenamtliche Arbeitsweise aus. Der hauptberuflich tätige Sachverständige wurde unentbehrlich, doch mittelbar oder auch unmittelbar in den Fachausschüssen kontrolliert durch die gewählten Vertreter der Bürgerschaft. Bei ihnen vollzogen sich indessen auch insoweit Veränderungen, als sie stärker als in der Vergangenheit von ihren Parteien nominiert und als Angehörige einer solchen Liste gewählt wurden. Hatte noch bei den ersten Kommunalwahlen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in manchen Orten die Parole gelautet: „Fort mit der Parteipolitik aus dem Rathaus“, so wirkte sich bald die in Art. GG konstituierte Stellung der politischen Parteien auch auf die Kommunalpolitik aus. Dieser Begriff wird leider mißverstanden, da es sich, wie gesagt, bei der kommunalen Selbstverwaltung, ihrem Wesen und ihrem Umfang nach, um die „ausführende und gestaltende Wahrnehmung von öffentlichen Angelegenheiten“, um einen Teilbereich der Administrative, handelt. Es ist deshalb nur statthaft, in diesem Zusammenhang das Politische als „das Tun im Staat, aus dem Staat und für den Staat“ 21) — das heißt, unter Beachtung der verfassungsrechtlich gesetzten Grenzen der Kompetenzen in den jeweiligen Gebieten des Staates, so auch der Gemeinden und Kreise — zu verstehen.
Tatsächlich wirken sich die bestehenden Interdependenzen der Organisation der Parteien auch auf die kommunalen Verhältnisse aus und führen manchmal zu Entscheidungen personeller und sachlicher Art, die dem Ansehen der Parteien in den Augen der Bürger eher abträglich als förderlich sind. Freie Wählergemeinschaften und Rathausparteien sind unschwer auch insoweit als Ausdruck bürgerlichen Unmuts zu erkennen.
II. Die Verfassung der kommunalen Körperschaften
1. Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung
Der Bürger ist seit dem Mittelalter der Inbegriff des eine eigene Freiheit bewahrenden Bewohners einer Stadt genannten und dadurch eine hervorgehobene Rechtsstellung besitzenden Gemeinde. An sie knüpft die neuzeitliche Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung an, die mit der 1808 in Preußen erlassenen Städteordnung beginnt. Diese Orte boten nicht nur aus historischen Gründen die beste Voraussetzung für den Beginn einer verfassungsmäßigen Ordnung des Staates, sondern auch weil hier die Voraussetzungen für die Übernahme von öffentlichen Ehrenämtern gegeben waren. Hier war bereits im 18. Jahrhundert das Bürgertum zu Besitz und Bildung in einem Maße gelangt, wie es sich auf dem flachen Lande, im Dorf, erst während des 19. Jahrhunderts durch das Schulwesen und die Verbesserung der agrarischen Infrastruktur entwikkeln konnte. Zwar hatte sich auch hier eine genossenschaftliche Verwaltung der eigenen Angelegenheiten erhalten, doch wurde diese erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Gemeinde-ordnungen gesetzlich geregelt und den Grundsätzen der Städteordnung von 1808 angepaßt. Ähnlich verlief auch die Entwicklung des kommunalen Verfassungsrechts in den übrigen Teilen Deutschlands, wobei die Länder manche unterschiedlichen Organisationsformen — mit bis in die Gegenwart unterschiedlichen Typen — schufen.
süddeutschen es eine norddeutsche Neben der gibt Ratsverfassung sowie eine Bürgermeisterverfassung. Nach der süddeutschen Ratsverfassung ist der vom Volk gewählte kommunale Hauptverwaltungsbeamte zugleich Vorsitzender der ebenfalls vom Volk im Ort gewählten kollegialen Vertretung. Dagegen ist nach der norddeutschen Ratsverfassung der Bürgermeister lediglich Vorsitzender der gewählten Vertretungskörperschaft, während ein Hauptverwaltungsbeamter die Verwaltungsgeschäfte leitet. Die Magistratsverfassung, welche durch die Preußische Städteordnung 1808 eingeführt wurde, gilt nur in den Städten Schleswig-Hol-steins, den meisten Gemeinden Hessens sowie in Bremerhaven. Hiernach bestellt der unmittelbar von den Einwohnern gewählte Rat ein weiteres Kollegium aus ehren-und hauptamtlich tätigen Mitgliedern unter Vorsitz eines fachkundigen Bürgermeisters für die Erledigung der laufenden Verwaltungsgeschäfte.
Die Bürgermeisterverfassung geht auf das zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den zu Frankreich gehörenden Teilen des Rheinlandes eingeführte Mairie-System zurück. Der vom Volk gewählte Rat wählt einen Oberbürgermeister mit haupt-oder ehrenamtlich tätigen Beigeordneten für die Führung der Verwaltungsgeschäfte. Mit seiner Wahl erwirbt der Bürgermeister die Stellung eines Rats-vorsitzenden. Diese Form der Gemeindeverfassung gilt — wiederum mit mancher Modifizierung — in den kleineren Gemeinden Hessens, in Rheinland-Pfalz, im Saarland sowie in den Landgemeinden Schleswig-Holsteins.
Die in Bayern und in Baden-Württemberg geltende süddeutsche Ratsverfassung geht in ihrer historischen Entwicklung von dem Grundsatz aus, daß der gewählte Rat zugleich beschließendes und vollziehendes Organ ist. Deshalb handelt der ihm vorsitzende, ebenfalls unmittelbar von den Bürgern gewählte Bürgermeister nicht kraft eigener „Organbefugnis“. sondern im Namen und im Auftrag des Rates. Er besitzt jedoch insoweit eine Organstellung. als er kraft Gesetzes auch selbständige Maßnahmen zu treffen, insbesondere auf die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des Rates zu achten hat.
Die norddeutsche Ratsverfassung lehnt sich an das britische System der local authorities an und wurde in der britischen Besatzungszone am 1. April 1946 eingeführt. Die Länder dieser Zone haben sie später entweder wie Schleswig-Holstein abgeschafft oder doch erheblich verändert, so in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die modifizierte Rats-verfassung Niedersachsens kennt drei Organe: den Rat.den aus seiner Mitte gewählten Verwaltungsausschuß sowie den ebenfalls von ihr gewählten Gemeindedirektor, der in Städten Stadtdirektor oder Oberstadtdirektor heißt. Er leitet den Geschäftsgang der Verwaltung und wacht ebenfalls über die Rechtmäßigkeit der Ratsbeschlüsse. Selbständig handelt er für die ihm vom Staat übertragenen Aufgaben der Gefahrenabwehr. Eine ähnliche Stellung besitzt der kommunale Hauptverwaltungsbeamte in Nordrhein-Westfalen, wo es keinen Verwaltungsausschuß gibt. Im übrigen bestehen kraft Gesetzes manche Unterschiede in der Erledigung der laufenden Geschäfte der Gemeinden, so bei Aufgaben des „übertragenen Wirkungskreises“, womit regelmäßig der als Wahlbeamter bestellte Hauptverwaltungsbeamte betraut ist, der insoweit einer zuständigen staatlichen Behörde unter dem Innenminister verantwortlich ist.
So vielfältig auch das Bild der Verfassungstypen der Gemeinden in den deutschen Ländern anmutet, so hat sich doch durch die „Kräfte des Faktischen“ pragmatisch eine gewisse Homogenität entwickelt, weil das sachverständige Beamtentum in hohem Maße die Verantwortung für den Vollzug der Geschäfte besitzt, während dem Rat die Bestimmung der Richtlinien durch Normsetzungen und allgemeine Beschlüsse vorbehalten ist. Nichtsdestoweniger bilden alle kommunalen Organe eine für die Verwaltung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft verantwortliche Einheit, wofür auch die vom Rat aus seiner Mitte bestellten Fachausschüsse durch ihr Zusammenwirken mit den Behördenangehörigen sorgen.
Einen Mißstand der deutschen Kommunalverfassung bildet die unterschiedliche Titulatur von Rats-vorsitzenden und Hauptverwaltungsbeamten. Bis 1945 war gemeinhin in Deutschland die Bezeichnung Bürgermeister für den Hauptverwaltungsbeamten einer Stadt üblich, der auch Vorsitzender des Rates sein konnte. Die britische Besatzungsmacht änderte die Bezeichnung der Amtswalter. So hieß hinfort der Ratsvorsitzende Bürgermeister und der Hauptverwaltungsbeamte Stadt-oder Gemeindedirektor, eine bis dahin in Deutschland kaum bekannte Bezeichnung. Ähnlich verfuhr man auch in den Kreisen, wo der Ratsvorsitzende hinfort Land-rathieß, ohne irgendwelche Verwaltungskompetenzen zu besitzen, für die der Kreis-oder Oberkreisdirektor verantwortlich war und ist. In Schleswig-Holstein nahm man allerdings später die ursprünglichen Bezeichnungen für die Hauptverwaltungsbeamten wieder auf, die in der amerikanischen und in der französischen Besatzungszone, wo man das vor 1933 geltende Kommunalrecht wiederherstellte, ohnehin nicht verändert worden waren. 2. Die Gemeindeverbände Gemeinde und Gemeindeverbände sind anderweitige Bezeichnungen für die in Art. 109 Abs. 4 Satz 1 GG genannten „Gebietskörperschaften und Zweckverbände“. Zweckverbände sind korporative Verbindungen zur zweckmäßigen, effektiven Erledigung einer öffentlichen Aufgabe. Sie sind Gemeindeverbände im bundkörperschaftlichen Sinne. Auf derartige Einrichtungen ist jedoch der Begriff Gemeindeverband nicht beschränkt. Er ist vielmehr ein Oberbegriff für alle kommunalen Einrichtungen, die neben der Gemeinde bestehen, dazu gehört vor allem der Kreis wegen des in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG vorgeschriebenen Wahl-verfahrens für die Vertretungskörperschaft durch das in ihm lebende Volk, d. h. durch seine Einwohner als seine Mitglieder. Soweit jedoch Gemeindeverbände keine vom Volk in ihrem Gebiet unmittelbar gewählte Vertretungskörperschaft besitzen, müssen sie als Zweckverbände betrachtet werden wie etwa die Ämter in Schleswig-Holstein oder andere kommunale Zusammenschlüsse zu einem oder mehreren bestimmten Zwecken. 3. Der Kreis Einen Gemeindeverband im funktionalen Sinn stellt auch der Kreis dar, der als eine Gebietskörperschaft ebenso wie die Gemeinde in der durch Art. 28 Abs. 1 GG vorgeschriebenen Verwaltungsorganisation der Bundesrepublik ein wichtiges Glied, insbesondere zur Stärkung der Leistungskraft von ländlichen Gemeinden, bildet. Die kreis-angehörigen Gemeinden sind jedoch nicht korporative Mitglieder des Kreises. Die Mitgliedschaft besitzen vielmehr die Angehörigen des „Volkes im Kreis“. Den Gemeinden artgemäß gleichgestellt, ist auch das Recht der Selbstverwaltung für ihn gewährleistet, wenn auch unter gesetzlichen Vorbehalten Sein Name und die Grundzüge seiner „Ordnung“ führen auf regionale Verbände in den ostelbischen Gebieten des Reiches zurück, wo ein starkes genossenschaftliches Element die Ausbildung der landesfürstlichen Amtsverwaltung hemmte und beschränkte. Mochten auch bis ins 19. Jahrhundert hinein die politischen Repräsentanten vornehmlich Angehörige der Ritterschaft oder Gutsbesitzer sein, so blieb doch durch ihren Einfluß im Zeitalter des Absolutismus in den brandenburgisch-preußischen Kreisen die Teilnahme von „landbewohnenden Leuten“ an öffentlichen Angelegenheiten erhalten. Die vom Freiherrn vom Stein bereits 1808 geplante Einfügung des Kreises in den Verfassungsstaat ließ sich in Preußen erst durch die Kreisordnung 1872 verwirklichen, die mit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit verbunden war.
Eine Mittlerstellung zwischen Staats-und Selbstverwaltung nahm in genuiner Fortsetzung eines jahrhundertelangen Prozesses der Landrat ein, der als staatlicher Beamter gewählter Vorsitzender des Kreistages (Vertretungskörperschaft der Einwohner) wie des Kreisausschuß genannten engeren kollegialen Beschlußorganes war und die laufenden Geschäfte führte.
Die Bezeichnung „Kreis“ wurde am 1. Januar 1939 für alle Bezirke im Reich eingeführt, die struktur-gemäß den Kreisen in Preußen entsprachen. Die herkömmliche gebietskörperschaftliche Verfassung bestätigte dann Art. 28 GG mit dem Gebot einer unmittelbar vom „Volk im Kreis“ zu wählenden Vertretungskörperschaft. Somit besteht der Kreis als kommunale Einheit, zugleich jedoch durch kooperative Funktionen als ein Gemeindeverband. Dadurch wird jedoch das Charakteristikum des Kreises nicht bestimmt. Seine Mitglieder sind vielmehr die Einwohner seines Gebietes, das aus der Fläche der zu ihm gehörenden Gemeinden besteht. Um jedoch ein Übergewicht von großen Städten innerhalb des Kreises zu vermeiden, gliederte man solche aus den Kreisen aus und schuf damit kreis-freie Städte, von denen es in der Bundesrepublik 88 (neben 234 Kreisen) gibt.
III. Daseinsvorsorge durch eigene und übertragene Angelegenheiten
Die örtliche Gemeinschaft läßt sich nicht lediglich geographisch oder technisch-quantitativ bestimmen. Die Wortbildung hat vielmehr soziologisch-politischen Gehalt. Deshalb definiert man sie als „in einem wirtschaftlich, ökologisch, strukturell gleichförmigen und emotional überschaubaren Raum entstandenen Zusammenhang von nachbarschaftlicher Verbundenheit“ Ihre Angelegenheiten sind die aus dem räumlich-nachbarschaftlichen Zusammenleben der Menschen sich ergebenden Belange. Es handelt sich dabei um „die Anstrengungen zur bestmöglichen Verwirklichung der gemeinsamen Lebensinteressen eines Siedlungsraumes, welche in seiner Leistungskraft liegen“ Uber die hierfür erforderlichen Maßnahmen und ihre Durchführung können die Gemeinden und Gemeindeverbände gemäß Art. 28 Abs. 2 GG in eigener Verantwortung befinden.
Daraus folgt, daß man die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht auf ein bestimmtes Gebiet beschränken kann. Die kategorialen Grunddaseinsfunktionen des Menschen wie vor allem: Wohnen, soziales Zusammenleben, Arbeiten, Sich Versorgen, Bildung, soziale Hilfestellung und Teilnahme am Verkehr vollziehen sich nicht mehr wie früher am selben Ort im Sinne einer zusammenhängenden Siedlung. Ort hat überdies in der Sprach-entwicklung manche Wandlungen erfahren und läßt sich nicht ausschließlich auf einen bestimmten Typus einer Wohnstatt beschränken. Wesentlich sind das Vorhandensein einer bestimmten „Gemeinsamkeit der Interessenlage der Einwohner“ und dazu dienende geeignete Kommunikationsdispositionen, insbesondere eine günstige Verkehrserschlossenheit.
So verstanden, ist der Begriff „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ nach wie vor praktikabel und läßt sich unter Beachtung des systematischen Zusammenhanges im Grundgesetz verfassungskonform interpretieren. Danach stellt die kommunale Selbstverwaltung keinen Gegensatz zur staatlichen Verwaltung dar, sondern ist als ein besonderer Gegenstand im administrativen Gefüge des Staates verankert. Art. 28 GG verteilt die Verantwortung für die unterschiedliche Erledigung von öffentlichen Angelegenheiten auf mehrere korporative Träger, die im Staat der Bundesrepublik miteinander verbunden sind. Aus dem Inhalt von Art. 28 Abs. 2 GG ergibt sich eine verfassungsrechtlich gewährleistete „Allzuständigkeit“, wodurch die Individualität einer jeden Gemeinde gesichert wird. Dieser Grundsatz der Universalität des Wirkungskreises ist eine Eigenart des deutschen Kommunal-rechts, während in anderen europäischen Ländern der Grundsatz der Spezialität gilt, wonach den kommunalen Körperschaften bestimmte Angelegenheiten durch Gesetz überwiesen werden. Universalität bedeutet jedoch keine „Totalität“, wonach keine andere Behörde im gemeindlichen Raum geduldet werden dürfte, die für allgemeine staatliche Angelegenheiten eingerichtet ist, wie für Steuer-und Verkehrswesen oder Angelegenheiten der Landesverteidigung. Zwar ist der Katalog der freiwilligen Aufgaben einer Gemeinde praktisch unbegrenzt, doch richtet er sich sowohl nach lokalen Bedürfnissen wie nach der Leistungsfähigkeit des Trägers. Außerdem hat der Gesetzgeber — seit § 66 der Preußischen Städte-ordnung von 1808 und des österreichischen Gesetzes über das Gemeindewesen vom 5. März 1862 — einen selbständigen vom übertragenen Wirkungskreis der Gemeinde getrennt. Bei letzterem handelt es sich um Aufgaben, die aus rechtsstaatlichen Gründen überall einheitlich geregelt und ausgeführt werden müssen. Überdies müssen bestimmte im sozialen Rechtsstaat unabdingbare Angelegenheiten auch tatsächlich von den Gemeinden wahrgenommen werden. Deshalb ordnet der Gesetzgeber Pflichtaufgaben an, welche die Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen erledigen müssen. Im einzelnen steht ihnen dabei jedoch ein weiter Spielraum für selbständige Gestaltung zur Verfügung. Nimmt jedoch eine Gemeinde eine solche Aufgabe wahr, zu der sie nicht verpflichtet ist, muß sie jedenfalls die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften berücksichtigen. Das gilt etwa für karitative und medizinische Anstalten, für die Wasserverund Entsorgung, für Verkehrseinrichtungen, die Pflege von Kunst, Wissenschaft und Sport, die Erwachsenenbildung sowie den Ausbau von Kommunikationswegen und Grünanlagen im Ort. Inhaltlich sind die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises bisher nur einmal in Art. 57 der Bayerischen Gemeindeordnung in einem Katalog erfaßt worden: „In den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit“ sollen die Gemeinden „die öffentlichen Einrichtungen schaffen und erhalten, die nach den örtlichen Verhältnissen für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl ihrer Einwohner erforderlich sind, insbesondere Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Feuersicherheit, der öffentlichen Reinlichkeit, des öffentlichen Verkehrs, der Gesundheit, der öffentlichen Wohlfahrtspflege einschließlich der Jugend-fürsorge und Jugendpflege, des öffentlichen Unterrichts und der Erwachsenenbildung, der Jugendertüchtigung und der Kultur-und Archivpflege“. Wie aus dem Wort „insbesondere“ hervorgeht, ist dieser Katalog nicht abschließend, sondern kann durch den Gesetzgeber wie durch Entscheidungen der zuständigen kommunalen Organe ausgedehnt werden. Maßgebend ist und bleibt die Leistungsfähigkeit eines Ortes.
Dieser Katalog enthält jedoch Aufgaben, die nach herrschender Lehre durchaus nicht zum eigenen Wirkungskreis einer Gemeinde gehören, sondern teils als Pflichtaufgaben, teils als solche des übertragenen Wirkungskreises wahrzunehmen sind, wie vor allem die Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, d. h. die Gefahrenabwehr im weiten Sinne des Wortes oder die Polizei. Auch die Wohlfahrtspflege ist inzwischen als Sozialhilfe zu einer Pflichtaufgabe geworden. Bei dieser Fremdverwaltung sind die kommunalen Hauptverwaltungsbeamten nebst ihren Mitarbeitern an Aufträge und Weisungen von staatlichen Dienststellen gebunden. Würde dieses Verfahren nicht praktiziert, so müßten staatliche Behörden im lokalen Bereich eingerichtet werden, um Aufgaben zu erledigen, die ihrem Wesen nach im Gebiet des Staates nach streng zu beachtenden einheitlichen Richtlinien durchgeführt werden müssen. So hat man einen praktikablen Weg genommen, der für den Staat wie für die Gemeinden, die dafür regelmäßig eine finanzielle Zuweisung erhalten, Vorteile bietet
IV. Grundlagen und Probleme der kommunalen Selbstverwaltung
1. Die kommunale Finanzverfassung „Die wirkliche Grundlage des Selbstverwaltungslebens sind nicht die Verfassungsgesetze, die von einem idealistischen Menschenbild und von unrealistischen Grundsätzen ausgehen“, sondern die Rechtsnormen, welche die kommunale Finanzverfassung bestimmen Ihre inhaltliche Gestaltung läßt sich auch unmittelbar aus einer Vorschrift des Grundgesetzes entnehmen: Art. 115 c Abs. 3 GG bestimmt nämlich, daß im Verteidigungsfall bei der Gesetzgebung die „Lebensfähigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände, insbesondere auch in finanzieller Hinsicht, zu wahren“ ist. Hat dieses der Verfassungsgeber bereits für eine außergewöhnliche Lage vorgeschrieben, so muß die Erhaltung einer finanziellen Lebensfähigkeit der kommunalen Körperschaften erst recht im Frieden Beachtung durch die legislativen Organe finden.
Bis zum Ausgang des Ersten Weltkrieges galt für die meisten deutschen Gemeinden § 59 der Städte-ordnung von 1808, wonach „für die Beschaffung der öffentlichen Geldbedürfnisse die Stadtverordneten zu sorgen“ hatten. Weiter hieß es, daß alles, „was zur Befriedigung des öffentlichen Bedürfnisses der Stadt erfordert wird und aus dem Gemeindeeinkommen nicht bestritten werden kann, auf die Stadteinwohner zu verteilen und aufzubringen“ ist. In dieser Ermächtigung und Verpflichtung kam die umfassende Steuerautonomie der Städte zum Ausdruck, wie sie die kommunale Finanzverfassung in Deutschland kennzeichnete. Traf auch damals bereits der Gesetzgeber manche einschränkende Regelungen (z. B. wurden den Kommunen Zuweisungen aus staatlichen Finanzmitteln gewährt), so huldigte man doch, vor allem in den Städten, dem liberalen Grundsatz, daß jeder seines Glückes Schmied sei, und suchte die Unabhängigkeit gegenüber dem Staat dadurch zu wahren, daß die Gemeinden nicht seine „Kostgänger“ wurden. Die dadurch bedingte Ungleichheit zwischen reichen und armen Gemeinden nahm man um des Prinzips willen in Kauf. Dieses Prinzip wurde jedoch zunehmend gefährdet, als die Verpflichtungen der Kommunen für Für-und Vorsorge wuchsen Die entscheidende Wende für das kommunale Finanzsystem trat durch die „Erzbergersche" Reichsfinanzreform Von 1919 ein, als unter dem Druck der Verpflichtungen des Reiches zur Zahlung von Kriegsschulden die Steuerhoheit der Gemeinden empfindlich beschnitten wurde: Einkommen-und Körperschaftssteuern wurden zu Reichssteuem. Die Grund-und Gewerbesteuer als Realsteuern wurden den Ländern zugewiesen. Dem direkten Zugriff der Kommunen blieben lediglich einige indirekte Verbrauchs-und Verkehrssteuern wie Vergnügungs-, Hunde-, Getränke-, Schankerlaubnis-und Jagdsteuer. Im übrigen waren die Kommunen auf staatliche Zuweisungen angewiesen.
Die sich aus dieser Veränderung der kommunalen Finanzverfassung ergebenden Wandlungen für das Kommunalwesen wurden bereits 1926 erkannt, und eswurde gefordert, „daß an die Stelle der Überweisung die eigene Beschlußfassung der verantwortlichen Körperschaften treten“ müsse, um die kommunale Selbstverwaltung zu garantieren 1936 erhielten die Gemeinden wieder die Befugnis, Gewerbe-und Grundsteuern als Gemeindesteuer zu erheben. Bald darauf erging das Preußische Finanzausgleichsgesetz vom 10. November 1938, das Maßstäbe für die weitere Behandlung der kommunalen Finanzen setzte.
Die Finanzordnung der Bundesrepublik Deutschland ist indessen „vom ersten Tage an durch eine fehlende Übereinstimmung von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen gekennzeichnet“
Erst durch das 8. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes erhielten in Art. 106 Abs. 6 GG die Gemeinden die Realsteuergarantie. Außerdem haben nach Art. 105 Abs. 2 a GG die Länder und nicht die kommunalen Gebietskörperschaften „die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauchs-und Aufwandsteuern".
Die Gemeinden sind in der Hebung der Realsteuem in unterschiedlicher Stärke an allgemeine staatliche Bestimmungen gebunden. Besonders problematisch war und ist die Regelung der Gewerbesteuer. Auch bei der Hebung der örtlichen Verbrauchs-und Aufwandsteuern sind die Kommunen manchen Einschränkungen unterworfen. So kommt es, daß ein beträchtlicher Teil des kommunalen Haushaltes durch Einnahmen aus dem kommunalen Finanzausgleich gedeckt wird. Dieser verfolgt das Ziel, die Finanzkraft der Gemeinden der individuellen Aufgabenbelastung durch allgemeine und besondere staatliche Zuschüsse anzupassen. Dieser Ausgleich ist zunächst als ein vertikales Verfahren zu verstehen, enthält jedoch auch eine horizontale Komponente — einen interkommunalen Ausgleich —, ohne daß zwischen den Kommunen eine direkte Umverteilung erfolgt
Die Gesetze unterscheiden zwischen allgemeinen Finanzzuweisungen und Zweckzuweisungen. Jene erhalten die Kommunen zweckfrei zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs nach einem bestimmten Schlüssel, diese zum Ausgleich von unvermeidbaren Fehlbeträgen, soweit andere Mittel hierfür nicht ausreichen.
Zur Bestimmung des Volumens des kommunalen Finanzausgleichs sind die Aufgaben des Landes und der Kommunen in Beziehung zueinander zu setzen. Dabei ist die Festsetzung der Umsatzsteueraufteilung an ein zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz nach Art. 106 Abs. 3 Satz 3 GG gebunden, während die Festsetzung des Volumens des kommunalen Finanzausgleichs der Entscheidung des jeweiligen Landesgesetzgebers obliegt. Dieser darf überdies durch den Finanzausgleich die von Gemeinde zu Gemeinde bestehenden Finanzkraftunterschiede nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ohne weiteres nivellieren. Es sollen zwar Ungleichheiten gemildert, aber nicht eingeebnet werden, weil eine dadurch bewirkte weitgehende Vereinheitlichung der gebietskörperschaftlichen Verhält-nisse mit der gemeindlichen Selbstverwaltung kaum vereinbar ist. Es würde auch gegen das allgemeine Willkürverbot verstoßen, wesentlich Ungleiches gleich behandeln zu wollen.
Dieser Feststellung widerspricht nur scheinbar das verfassungsrechtliche Gebot in Art. 72 Abs. 2 ünd 106 Abs. 3 GG, um eine „Einheitlichkeit“ der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik bemüht zu sein. Denn diese wäre nur auf Kosten einer dem Prinzip des Rechtsstaates widersprechenden Nivellierung, wenn überhaupt, erreichbar. Überdies würde der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit, die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verletzt.
Hierfür hat Art. 106 Abs. 5 GG dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, bei der Bestimmung über die kommunale Beteiligung an dem Aufkommen aus der Lohn-und veranlagten Einkommensteuer die Gemeinden selbst die Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen zu lassen. Eine solche Regelung würde die Anteilnahme der meisten steuerpflichtigen Einwohner an kommunalen Entscheidungen unmittelbar berühren, wenn damit Durchführung oder Verzicht von bestimmten gemeindlichen Leistungen verbunden wäre. Allerdings ist eine diese verfassungsrechtliche Möglichkeit nutzende Entscheidung des Gesetzgebers noch nicht gefallen, zumal sie einer umfassenderen steuergesetzlichen Regelung bedürfte, die wiederum für manche Steuerpflichtigen Nachteile bedeuten könnte. Ihre Erfüllung würde jedoch den Grundsätzen entsprechen, welche die kommunale Selbstverwaltung nach ihrer Verfassung im Grundsatz tragen, weil auf diese Weise „Last und Lust“ der Eigenverantwortung einem größeren Teil des „Volkes in der Gemeinde“ als bisher übertragen würde und auf diese Weise die bürgerschaftliche Teilnahme an der gemeindlichen Entwicklung wüchse
Damit würde jedoch nicht die fortdauernde Notwendigkeit eines Finanzausgleichs entfallen. Seine jeweilige Gestaltung ist der sichtbare Prüfstein für die vorhandene Aufgeschlossenheit der staatlichen Organwalter gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung. Gewiß werden hier und auf anderen Gebieten der öffentlichen Verwaltung staatliche Regelungen auch im kommunalen Raum notwendig sein und bleiben, doch darf der Staat nicht etwa eine „Vormundschaft“ im kommunalen Raum beanspruchen, wodurch die hierfür verantwortliche Selbstverwaltung auf die Dauer die Stellung einbüßt, die sie im Grundgesetz als wesentlichen Bestandteil des demokratischen und sozialen Rechtsstaates erhalten hat 2. „Verwerfungen“ und andere Probleme für die kommunale Selbstverwaltung Seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes sind manche „Verwerfungen“ in der Entwicklung der Selbstverwaltung -eingetreten. Sie wurden auch nicht durch die mittels einer Gebietsvergrößerung zwischen 1964 und 1972 erstrebte Stärkung der kommunalen Leistungskraft behoben. Statt dessen brachten diese Gebiets-und Verwaltungsreformen besonders für die Gemeinden des flachen Landes und für solche am Rande von Städten einen Verlust an kommunaler Demokratie, so daß diese Veränderungen gar für die „seit Jahrzehnten schwerste Attacke“ gegen die Selbstverwaltung gehalten werden
Vor allem in den größeren Orten verliert die kommunale Selbstverwaltung für den einzelnen Bürget an Anschaulichkeit, wodurch — besonders in großen Städten — sein Bewußtsein, Mitglied der Gemeinde zu sein, eine Einbuße erfahren kann. Jedenfalls muß geprüft werden, ob nicht manche öffentliche Aufgabe auf private Träger in kleineren Zirkeln übertragen werden kann und damit wieder ein für den Bürger überschaubarer Funktionsbereich geschaffen wird. Andererseits kann er fragen, warum manche für ihn wichtige Angelegenheiten wie Sozialversicherung. Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenunterstützung oder Steuerwesen nicht zur kommunalen Selbstverwaltung gehören und statt dessen als Sonderbehörden unabhängig von den Selbstverwaltungsträgern tätig sind. Diese wiederum erfuhren immer weitere Einschränkungen der eigenverantwortlichen Regelung von örtlichen Angelegenheiten mit der daraus abzuleitenden Befugnis einer individuellen Gestaltung von ihnen, indem der Gesetzgeber immer mehr einzelne Lebensumstände regelt und dadurch „Varianten der Administrierung verkürzt und die Bürokratie kräftig fördert“
So kam es, daß „der Bestand an Aufgaben im eigentlich freiwilligen Bereich der Selbstverwaltung nicht mehr gehalten“ werden konnte. Statt genereller kurzgefaßter Rechtsnormen sind Weiterbildung, Bibliothekswesen, Musikschulen, Denkmal-schütz, Sport-und Spielplätze. Kindergärten, Rettungsdienst und Wirtschaftsförderung, um nur einige Beispiele zu nennen, häufig detailliert gesetzlich geregelt. Genügen würde es, wenn allgemeine Grundnormen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und zur Gefahrenabwehr erlassen, im übrigen jedoch die konkrete Ausgestaltung hierfür zu schaffender Anstalten in kommunale Eigenverantwortung gelegt würde. Außerdem ist festzustellen, daß manche für den Bürger wichtige kommunale Leistungen ihm gar nicht mehr unmittelbar als solche kommunaler Art ins Bewußtsein kommen. Das gilt für die Versorgung mit Energie und Wasser, für Entsorgung, Krankenpflege und Krankenversorgung, Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Alten oder aber auch für den örtlichen Nahverkehr. Das „speziell Lokale“, das der Bürger als unmittelbar auf sich bezogen verstehen könnte, übt auf ihn diese Wirkung kaum noch aus. Das liegt daran, daß die Tätigkeit im Rathaus und in kommunalen Dienststellen vorwiegend „zur Vollzugs-apparatur degeneriert“, was auch zunehmend für den Umweltschutz gilt, der in vielen Fällen geradezu ein Paradebeispiel für den Hang zum Perfektionismus ist
Eine wichtige Voraussetzung für eine Korrektur der eingetretenen „Verwerfungen“ bietet die Einsicht, daß die gesamtstaatliche Einheitlichkeit keinen grundsätzlichen Vorrang vor dem Ziel der räumlichen und sozialen Differenzierungen in Gemeinden und Gemeindeverbänden besitzt. Soll die kommunale Selbstverwaltung die ihr verfassungsmäßig übertragene Aufgabe weiterhin erfüllen können, so muß man Unterschiede in der Aufgabenerfüllung vor Ort in Kauf nehmen.
Mehr als eine Randfrage ist die Überlegung, ob man nicht generell wie in Bayern und Baden-Württemberg den Hauptverwaltungsbeamten außer den Mitgliedern der „Vertretung des Volkes in Kreisen und Gemeinden“ durch dieses selbst unmittelbar wählen läßt. Der so gewählte Hauptverwaltungsbeamte, ob Bürgermeister oder Leiter der Kreisverwaltung, wäre dann tatsächlich Repräsentant seiner Bürgerschaft und stellte damit ein „Gegengewicht gegenüber den Tendenzen eines ausufemden kommunalen Parlamentarismus“ dar. Der Gesetzgeber könnte bestimmte Qualifikationserfordernisse für die Bewerber bestimmen, wie es auch jetzt bereits für die Wahrnehmung dieser Ämter vorgeschrieben ist. Deshalb sollte man diesen Vorschlag ebenso wie die Gestattung der Gemeinden, Hebe-sätze für den Gemeindeanteil der Einkommensteuer gemäß Art. 106 Abs. 4 GG wegen ihrer Bedeutung für die Selbstverwaltung gründlich prüfen.
Bildet doch — nach der Erkenntnis von Karl Maria Hettlage — die Finanzverfassung die wirkliche Grundlage des Selbstverwaltungslebens, wozu auch die Entscheidungsbefugnis von kommunalen Organen über eigene Steuermittel gehört.
Immerhin räumt auch das geltende Recht in der Bundesrepublik Deutschland ihren Gemeinden und Gemeindeverbänden in finanzieller Hinsicht eine stärkere Unabhängigkeit ein als in manchen anderen demokratischen Staaten Europas. Nichtsdestoweniger besteht auch dort eine von den Einwohnern anerkannte und vielfach ehren-und nebenamtlich praktizierte Selbstverwaltung, die insoweit durchaus vorbildlich ist und kund tut. daß letztlich doch nicht alle kommunalen Probleme finanziell zu lösen sind
Probleme sind jedoch auch Ausdruck einer vorhandenen Lebendigkeit in von Menschen getragenen Einrichtungen. Das gilt auch für die kommunale Selbstverwaltung, die im Industriestaat — wie Edzard Schmidt-Jortzig eingehend nachgewiesen hat — „nachdrücklicher denn je legitimiert ist“ Um so notwendiger ist deshalb die Bewahrung ihrer verfassungsrechtlichen Grundlagen in der Fassung von Art. 28 Abs. 1 und 2 GG. Die darin zum Ausdruck gebrachte deutsche Eigenart der Einbindung von kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften in die Grundordnung des demokratischen und sozialen Rechtsstaates muß vor einer „Gleichschaltung“ durch europäische Richtlinien als ein für höherrangig gehaltenes Recht bewahrt werden, weil sie anderenfalls verlorengehen würde. In viel unverbindlicherer Form deutet Art. 2 des Entwurfes einer europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung diese als „das Recht und die tatsächliche Fähigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften, in eigener Verantwortung und zu eigenem Nutzen ihrer Bevölkerung einen bedeutenden Anteil der öffentlichen Angelegenheiten zu regeln und zu verwalten“ Diese Vorlage enthält viele unbestimmte Begriffe, ohne doch der bestehenden Verwobenheit des Staates mit seinen Gemeinden Rechnung zu tragen. Birgt diese auch mancherlei Probleme in sich, so sind sie doch zugleich Prüfsteine für die Fähigkeit zur Demokratie.