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Die Justiz in den Westzonen und der frühen Bundesrepublik | APuZ 13-14/1989 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 13-14/1989 Als Recht zu Unrecht wurde. Zur Entwicklung der Strafjustiz im Nationalsozialismus Die Justiz in den Westzonen und der frühen Bundesrepublik Recht und Politik. Zur Theorie eines Spannungsverhältnisses im demokratischen Staat Artikel 1

Die Justiz in den Westzonen und der frühen Bundesrepublik

Bernhard Diestelkamp/Susanne Jung

/ 30 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Mittlerweile ist der Abstand zu den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten groß genug, um die Rolle der Justiz in dieser Zeit abwägend zu analysieren. Dabei drängt sich die Feststellung auf, daß die Gerichte entgegen den Intentionen der Besatzungsmächte und reformbewußter deutscher Politiker in relativ kurzer Zeit wieder mit denselben Personen besetzt waren, die auch vor 1945 amtiert hatten. Obwohl sich nach 1945 ein gewisser Einstellungswandel dieser Richter und Staatsanwälte vollzogen haben dürfte, hatte ihre Herkunft doch spürbare Folgen für die zögerliche Behandlung der NS-Gewaltverbrechen durch die Justiz und insbesondere der richterlichen Unrechtstaten. Ebenso ist unverkennbar, daß die Rechtsprechung der Nachkriegszeit zwar nicht durch eine NS-Gesinnung der Richter, wohl aber durch einen erheblichen Konservativismus geprägt wurde. Ausnahmen sind der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone und das Bundesverfassungsgericht. Gleichwohl war die Rechtsprechung der Nachkriegsgerichte vielleicht gerade wegen ihres konservativ-restaurativen Grundcharakters ein wichtiger Faktor zur Stabilisierung der gleichfalls überwiegend konservativ-restaurativ gestimmten Gesellschaft der Bundesrepublik. Dieser weitgehenden Konsens zwischen der Bevölkerungsmehrheit und den Gerichten veränderte sich erst in den sechziger Jahren. Aus diesem gesellschaftlichen Wandlungsprozeß gingen sowohl die Gesellschaft als auch die Justiz demokratiebewußter hervor.

I. Vom Stillstand der Rechtspflege zum Wiederaufbau

Am Ende des Zweiten Weltkrieges trat etwas ein, was in § 245 der Zivilprozeßordnung bis dahin eine lediglich theoretische Bedeutung gehabt hatte: ein Stillstand der Rechtspflege. Die deutschen Gerichte wurden durch die Proklamation Nr. des Oberbefehlshabers der Alliierten Streitkräfte. General Eisenhower, geschlossen 1) -Als Strafjustiz richteten die Militärregierungen zunächst eigene Besatzungsgerichte ein. In den Besatzungszonen wurde dann jedoch die deutsche Rechtspflege wieder zugelassen: Die Sowjets ordneten an, daß die deutsche Justiz bis zum 1. Oktober 1945 neu zu organisieren sei. Auch in den anderen Zonen begann im Herbst 1945 die Rekonstruktion deutscher Gerichtsbarkeit unter Aufsicht der Besatzungsmächte. Im Frühjahr 1946 waren überall die ordentlichen Gerichte wieder halbwegs funktionsfähig. Der Alliierte Kontrollrat in Berlin hatte für diese Aufgabe den Gerichtsaufbau des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung vom 22. März 1924 zugrunde gelegt So entstand die deutsche Justiz in der bekannten Dreistufigkeit: Amtsgericht — Landgericht — Oberlandesgericht. Lediglich ein Ersatz für das Reichsgericht fehlte. 1-Die Entwicklung in den Besatzungszonen Gleichwohl gab es nicht unbedeutende Unterschiede zwischen den Zonen. Die Briten behielten sich gerade auch auf dem Justizsektor die entscheidenden Kompetenzen vor Da die Länderbildung sich verzögerte, gab es keine deutschen Landesju-stizministerien, denen die Gerichtsbarkeit organisatorisch zugeordnet werden konnte. Die neu eingesetzten Oberpräsidenten der Provinzen waren nicht geeignet, die einem Justizminister zukommenden Aufgaben wahrzunehmen, da ihre Behörden der Inneren Verwaltung angehörten. So unterstellten die Briten die neu ernannten Oberlandesgerichtspräsidenten unmittelbar der Legal Division der Control Commission for Germany. Unter Aufsicht der Besatzungsmacht übten sie in ihren Bezirken jeweils die Personalhoheit im Justizwesen einschließlich der Disziplinargewalt aus. Außerdem durften sie Gesetzesinitiativen entfalten und sich gutachtlich zur Gesetzgebung äußern. ,

Selbst als in der britischen Zone die Bildung der Länder die Zuordnung zu den Landesjustizministerien ermöglicht hätte, blieben die Briten zunächst bei dieser Konstruktion und verweigerten die Einrichtung von Justizressorts bei den neuen Landesregierungen. Am 1. Oktober 1946 errichteten sie statt dessen das Zentraljustizamt der britischen Zone. Diesem Amt wurden die justizministeriellen Funktionen im Rahmen der Gesetzgebung sowie Teile der bisher den Oberlandesgerichtspräsidenten zustehenden Personalangelegenheiten übertragen. Erst zu Beginn des Jahres 1947 erhielten die mittlerweile nun doch eingerichteten Landesjustizministerien allmählich die ihnen zustehenden Kompetenzen, womit schrittweise die Allkompetenz der Präsidenten wieder auf ihren traditionellen Bereich reduziert wurde.

Noch eine weitere Besonderheit der Justiz der Nachkriegszeit entstand in der britischen Besatzungszone Da es an einem die Rechtseinheit wahrenden Oberster! Gericht fehlte, kam es zu Divergenzen in der Rechtsprechung, die auch durch Chefbesprechungen der Oberlandesgerichtspräsidenten nicht ausgeglichen werden konnten. An ein gesamtdeutsches Revisionsgericht war angesichts der sich im Laufe des Jahres 1947 immer deutlicher abzeichnenden politischen Entwicklung nicht zu denken. Als auch bei der Bildung der Bizone im Dezember 1946 dieses Anliegen nicht vorangebracht werden konnte, errichteten die Briten für ihre Zone den „Deutschen Obersten Gerichtshof für die Britische Zone“, eine ausdrücklich als „vorläufig“ bezeichnete Revisionsinstanz zur Wahrung der Einheit der Rechtsprechung in der britischen Zone. Er wurde am 29. Mai 1948 in Köln eröffnet, wo er bis zu seiner Schließung am 30. September 1950 amtiert hat. Anders verlief die Entwicklung in der amerikanischen Besatzungszone Nur anfangs vollzog sich hier die Reorganisierung der Justiz auf der Ebene der Gerichtsbezirke. Da es jedoch in dieser Zone bald zur Bildung von Ländern kam, erhielten die Justizverwaltungen sehr bald ihre Spitze in den jeweiligen Justizministerien. Diese besaßen im Länderrat ein Koordinierungsgremium. Dennoch entwickelte sich kein einheitlicher Gerichtsaufbau. Ein Obergericht für die Zone wurde nicht geschaffen.

Die Franzosen richteten in ihrer Zone die Justiz entsprechend dem Kontrollratsgesetz nach dem alten Gerichtsverfassungsgesetz neu ein. Allerdings regulierten sie alles streng zentralistisch und behielten die Kontrolle über die deutsche Justiz vollständig in der Hand. Das Oberste Militärgericht in Rastatt konnte als Kassationsgerichtshof für die französische Zone jedes deutsche Urteil aufheben

Eine Sonderentwicklung machte die Justiz in Berlin durch, wo es zunächst eine gemeinsame Justizverwaltung der Alliierten gab. In der Alliierten Kommandantur und im Kontrollrat zerbrach jedoch durch die Spannungen zwischen West und Ost die Gemeinsamkeit zwischen den Besatzungsmächten. Im Zuge der Berlin-Krise von 1948 begann der Exodus des Justizpersonals in die Westsektoren, die Justizverwaltung spaltete sich. Für die Westsektoren entstanden ein eigenes Landgericht sowie das Kammergericht.

In der sowjetisch besetzten Zone verlief der Wiederaufbau der Justiz in organisatorischer Hinsicht zunächst nicht gar so anders als in den Westzonen Schon mit Befehl vom 17. Juli 1945 erhielten die Justizabteilungen der neu gebildeten Länder-verwaltungen in der Deutschen Zentralverwaltung für Justiz einen Überbau. In dieser Zentrale wie auch durch eine gezielte Personalpolitik in den Gerichten begann die Durchdringung der Gerichtsbarkeit im Sinne der im April 1946 gegründeten SED. Dieser Prozeß führte schließlich zu einer vom Westen abweichenden Entwicklung der Justiz.

Organisatorisch war also die ordentliche Gerichtsbarkeit in den vier Besatzungszonen — trotz gemeinsamer Grundlage im alten Gerichtsverfassungsgesetz — keineswegs einheitlich wiedererstanden. Ansätze zu überregionaler Zusammenfassung gab es nur in der Deutschen Zentralverwaltung für Justiz in der sowjetisch besetzten Zone sowie im Zentraljustizamt der britischen Zone. Überzonale Einrichtungen entstanden erst spät, z. B. mit dem Rechtsamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes ab 24. Juli 1948 oder mit dem Obergericht in Köln, das auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts erstinstanzliche Zuständigkeit für die Bizone besaß

Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit entstanden allmählich auch die Spezialgerichtsbarkeiten neu. Nachdem zunächst über arbeitsrechtliche Streitigkeiten — wie vor dem Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 — wieder die Zivilgerichte entschieden hatten, ordnete der Kontrollrat mit dem Gesetz Nr. 21 vom 30. März 1946 die Wiedereinrichtung von Arbeitsgerichten nebst Landesarbeitsgerichten als Rechtsmittelinstanzen an. Damit begann die moderne Geschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit in Westdeutschland.

Von genauso weitreichender Bedeutung war die Entscheidung der Besatzungsmächte, die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf der Grundlage des Generalklausel-Modells neu zu etablieren. In Deutschland hatte sich im 19. Jahrhundert nur in wenigen Ländern der Grundsatz durchgesetzt, daß alle belastenden Verwaltungsakte gerichtlich anfechtbar sein müßten. Insbesondere Preußen hatte dieses Prinzip nur für polizeiliche Verwaltungsakte anerkannt. während im übrigen Verwaltungsakte nur dann vor die Verwaltungsgerichte gebracht werden konnten, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen war (Enumerativprinzip). Die generelle Einführung der Generalklausel sowie die vollständige organisatorische Trennung der Verwaltungsgerichtsbarkeit von der Verwaltung auch in der ersten Instanz und damit die absolute richterliche Unabhängigkeit für die gesamte Verwaltungsgerichtsbarkeit waren weitreichende Entscheidungen für die Durchsetzung rechtsstaatlichen Denkens im westlichen Nachkriegsdeutschland. 2. Die Entscheidungen des Parlamentarischen Rates Als auf der Herreninsel im Chiemsee (10, -23. August 1948) und dann in Bonn durch den Parlamentarischen Rat (1. September 1948 bis 8. Mai 1949) die verfassungsrechtlichen Grundlagen für den neu zu gründenden Weststaat gelegt wurden, gab es um die Stellung der Dritten Gewalt kaum Diskussionen. Man war sich grundsätzlich einig darin, daß die Justiz im Gefüge des neuen Staates eine gegenüber den beiden anderen Gewalten völlig gleichberechtigte Position erhalten müsse. Zu diesem Zweck wollte man alle bisher selbständigen Zweige der Gerichtsbarkeit zu einer Einheitsjustiz zusammen-fassen, die einem Rechtsprechungsministerium und nicht den jeweiligen Fachministerien unterstehen sollte. Dieses Konzept scheiterte am Mißtrauen der Gewerkschaften gegenüber den Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit, denen sie nicht wieder die Entscheidung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten anvertraut sehen wollten. Als infolgedessen die Arbeitsgerichtsbarkeit aus dieser Konzeption herausgenommen wurde, ließ sich der Gedanke der Einheitsjustiz nicht mehr halten.

So entstand das Justizsystem der Bundesrepublik Deutschland mit der Trennung der ordentlichen Gerichtsbarkeit von den Spezialgerichtsbarkeiten. Fürjeden Gerichtszweig wurde ein Oberes Bundesgericht geschaffen, während die übrige Gerichtsorganisation entsprechend der föderativen Struktur derBundesrepublik und gemäß deutscher Tradition Ländersache blieb (Artikel 92, 95 GG). Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung war ein Oberstes Bundesgericht vorgesehen. Dieses Gericht wurde allerdings nie eingerichtet. Durch ein Gesetz vom 18. Juni 1968 wurden daraus die Konsequenzen gezogen und Artikel 92 und 95 GG geändert Die Oberen Bundesgerichte wurden zuObersten Bundesgerichten, die nach Artikel 95 Abs. 3 GG und dem Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1969 lediglich bei Bedarf einen gemeinsamen Senat bilden sollen.

War somit eine grundsätzliche Neustrukturierung der Gerichtsbarkeit gescheitert, so kam es doch zu einer folgenreichen Neuerung dadurch, daß einem Bundesverfassungsgericht die Entscheidung über die Auslegung des Grundgesetzes und die Verfassungsmäßigkeit des Handelns der Legislative wie der Exekutive anvertraut wurde (Artikel 93 GG) Hierfür gab es in Deutschland keine konkreten Vorbilder. Es bedeutete die Lösung des alten Problems der Neutralisierung politischer Macht im Gewaltenteilungssystem durch ein justizstaatliches Modell, das in anderen politischen Systemen westlicher Prägung in einer so radikalen Form unbekannt ist. In seiner Tendenz entspricht diese Konzeption aber der deutschen Tradition, politische Konflikte zu verrechtlichen.

Die Konstruktion war nicht unumstritten. In Kreisen der SPD gab es Unbehagen, eine so wichtige politische Aufgabe den Juristen anzuvertrauen. Auf Seiten der Christdemokraten wurde die Wahl der Bundesverfassungsrichter durch politische In-stanzen mit Mißtrauen beobachtet. Im Ergebnis führte aber gerade die Kombination beider Faktoren — hohe juristische Fachkompetenz und politische Einflußnahme auf die Wahl — dazu, daß das neue Gericht sehr bald zu einer allseits anerkannten Autorität wurde. Die Parteien waren nämlich durch den Wahlmodus daran gehindert, fachlich nicht qualifizierte Kandidaten aufzustellen, weil sie auf den Konsens mit den anderen Parteien angewiesen waren. Andererseits verbürgte das politische Moment, daß eine rein juristische Sozialisation als Qualifikation nicht ausreichte, wodurch sich die Richterschaft des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich anders rekrutierte als die der übrigen Gerichtszweige. Dabei verhinderte die juristische Professionalität der Richter zudem, daß reine Parteipolitik sich in Rechtsprechung umsetzte. Mit Recht errang dieses Gericht mit seiner Judikatur daher — bei aller Kritik im einzelnen — große Anerkennung. 3. Probleme und Ergebnisse der Entnazifizierung So kompliziert der Rekonstruktionsvorgang der Justiz auch anmuten mag — das eigentliche Problem lag darin, wie diese neuen Institutionen personell besetzt werden konnten. Allen Alliierten war die Überzeugung gemeinsam, daß die deutschen Beamten und Richter das Funktionieren des NS-Un-rechtsstaates überhaupt erst ermöglicht hatten und mehr oder weniger tief in das staatliche Unrecht verstrickt waren. Daher wollten sie die Mitglieder des alten Staatsapparates nur in Ausnahmefällen am Aufbau eines demokratischen Deutschland beteiligen

In diesem Sinne begann die Entnazifizierung mit dem sogenannten automatischen Arrest für alle greifbaren Funktionsträger des Dritten Reiches Beim Wiederaufbau der Justiz wurden zunächst nur völlig unbelastete Juristen verwendet. Schon bald zeigte es sich jedoch, daß durch eine so drakonische Entnazifizierung der Justiz der Stillstand der Rechtspflege faktisch nicht beseitigt werden konnte. In Westfalen hatten beispielsweise 93 Prozent des Justizpersonals der NSDAP oder einer ihrer Nebenorganisationen angehört Im bevölkerungsreichen Hamburg konnten nur 27 Richterstel-13 len nach diesem Maßstab besetzt werden, in Bremen sogar nur zwei.

Angesichts dieser Situation gab es zwei Reaktionsmöglichkeiten: Man konnte versuchen, diese Phase durch konsequente Nachwuchsförderung möglichst bald zu überwinden. In der sowjetisch besetzten Zone geschah dies durch Schnellkurse für Volks-richter und Volksstaatsanwälte, die ohne Rücksicht aufdie Ausbildungsqualität nach kurzer Zeit für die Besetzung der neuen Positionen zur Verfügung standen. Diese Form der Neustrukturierung gelang dort auch deshalb so reibungslos, weil die alte bürgerliche Funktionselite aus politischen Gründen das Feld räumte bzw. räumen mußte. Ein solches Konzept radikaler personeller Umbesetzung des Justizapparates paßte sich in die geplante Umgestaltung der Rechtsordnung ein, für die eine nach überkommenen Regeln professionalisierte Handhabung des Rechtes nicht notwendig, sondern eher hinderlich war.

Wollte man dagegen wie die westlichen Besatzungsmächte die bürgerliche Rechts-und Wirtschaftsordnung nur umgestalten, nicht aber beseitigen, so mußte man fast zwangsläufig möglichst bald auf die für die Rechtsanwendung qualifizierten Fachleute zurückgreifen und die Maßstäbe für die Wiederverwendung der alten Beamten und Richter lockern. Zunächst behandelte man alle Juristen, die erst nach 1937 in die NSDAP eingetreten waren ebenso als Unbelastete wie ehemalige Wehrmachtsrichter, die in der Regel den Eintritt in die Partei hatten vermeiden können Als auch aufdiese Weise der Personalbedarf nicht befriedigt werden konnte, führten zum Beispiel die Briten in ihrer Zone bereits Ende Oktober 1945 die sogenannte HuckePack-Regel ein, nach der für jeden Unbelasteten ein formell Belasteter wieder in den Justizdienst zurückkehren durfte. Doch selbst damit waren bei weitem nicht alle Richterstellen wieder zu besetzen, so daß die Briten Mitte Juli 1946 diese Klausel aufhoben und akzeptierten, daß alle als „Entlastete“ oder als „Mitläufer“ Eingestuften wiederverwendet werden durften. Dies öffnete die Schleuse für einen immer mächtiger werdenden Rückfluß ehemaliger Richter und Staatsanwälte in die Justiz, zumal die Entnazifizierung zunehmend weniger sauber funktionierte. Schon Mitte 1948 waren in der Britischen Zone 30 Prozent der Gerichtspräsidenten und sogar 80 bis 90 Prozent der Landgerichtsdirektoren und Landgerichtsräten ehemalige Parteimitglieder.

Schließlich setzte sich der Grundsatz durch, daß den alten Planstelleninhabern ihre Stellen dadurch freizuhalten waren, daß man ihre Aufgaben durch Flüchtlinge als beauftragte Richter wahmehmen ließ, bis der alte Stelleninhaber das Entnazifizie16) rungsverfahren erfolgreich durchlaufen hatte. Dieses System war folgerichtig von dem Zeitpunkt an, von dem an die Wiedereinstellung nur eine Frage der Zeit war und angesichts liberaler Entnazifizierungspraxis die Rückkehr nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt schien. Als sich Ende 1948 die Legal Division dafür aussprach, die im Entnazifizierungsverfahren in die Kategorien 4 („Mitläufer“) und 5 („Entlastete“) eingeordneten Richter und Staatsanwälte bei ihrer Wiedereinstellung wenigstens eine Amtsstufe niedriger einzustufen, ergab sich zur größten Überraschung der Briten, daß dies aus rechtlichen Gründen nicht mehr möglich war. Auf Grund mehrerer Urteile hatte sich die herrschende Meinung gebildet, daß Juristen dieser Kategorien einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in ihre Planstellen besäßen. Zu diesem Zeitpunkt wollten weder die Briten noch die zuständigen deutschen politischen Instanzen noch gegen diese Praxis angehen.

In den anderen westlichen Zonen war das Ergebnis trotz unterschiedlicher Entnazifizierungsmethoden nicht wesentlich anders. Aus einem Bericht des amerikanischen Landeskommissars von Bayern an Hochkommissar McCloy geht hervor, daß auch dort im Jahre 1949 von 924 Richtern und Staatsanwälten genau 752, also 81 Prozent, ehemalige Parteimitglieder waren Die große Hoffnung der westlichen Besatzungsmächte, gerade die Justiz mit unbelastetem Personal neu aufbauen zu können, erfüllte sich letztlich nicht.

Verantwortlich für diese Entwicklung waren zwei Faktoren. Auf der einen Seite wuchs bei den westlichen Besatzungsmächten die Einsicht, daß die ursprünglich geplante scharfe und undifferenzierte Entnazifizierung so nicht durchzuführen war. Man änderte die Maßstäbe und Verfahrensweisen, bis das Thema im Zeichen der Integration Westdeutschlands in das westliche Bündnis inopportun geworden war. Speziell für die Justiz zeigte sich zudem, daß nach diesem Modus eine funktionierende Gerichtsbarkeit nicht aufzubauen war. Deshalb rückten die Militärregierungen immer weiter von ihrem ursprünglichen Ansatz ab. Teilweise kam es sogar zu mehr oder weniger heimlichen Solidansierungen mit Betroffenen

Auf der anderen Seite wuchs auch der Unmut der deutschen Bevölkerung gegen die zu in vielerlei Hinsicht problematischen Ergebnissen führende politische Säuberung. Die Zustimmung der Deutschen zu diesen Maßnahmen sank rapide von 57 Prozent im März 1946 auf 32 Prozent im Sep-tember 1947 Dementsprechend wuchs das Verständnis für alles, was dieses Säuberungssystem unterlief. Die Restauration unter Verdrängung der tigenen Vergangenheit war eben kein Spezifikum alein des Justizsektors, sondern die Devise, unter der die ganze deutsche Nachkriegsgesellschaft im Westen den Wiederaufbau betrieb.

Da war es dann nichts Besonderes mehr, wenn schließlich von den Entnazifizierungsausschüssen in der Britischen Zone und den Spruchkammern in der amerikanischen Zone auch Richter und Staatsanwälte trotz Tätigkeit an Sondergerichten in die Kategorie der „Mitläufer“ (4) oder gar der „Entlasteten“ (5) eingestuft wurden Solche Fälle wurden in den ersten beiden Jahrzehnten der Geschichte der Bundesrepublik zu einer schweren Belastung für das Ansehen unseres jungen Rechtsstaates. Doch selbst konkrete Vorwürfe veranlaßten die Richterschaft nicht zu einer Distanzierung. Statt dessen verwahrte sich die richterliche Standesorganisation, der Deutsche Richterbund, gegen derartige „kollektive Diffamierungen der Ehre von Richtern und Staatsanwälten“ und forderte die deutsche Staatsführung auf, die nötigen Schritte zu tun, um das öffentliche Vertrauen in die Justiz zu erhalten Dieser Zustand des Verdrängens und Vergessens hielt innerhalb der Justiz noch weit bis in die siebziger Jahre an. Erst allmählich begannen dann Auseinandersetzungen um das Verhältnis der Richterschaft zum Nationalsozialismus und die Rolle der Justiz im NS-Staat — ein Indiz dafür, daß nunmehr auch über die Implikationen der personellen Kontinuität in der Gerichtsbarkeit ohne falsch verstandene Solidarität mit Betroffenen geredet werden konnte.

Fragt man nach den Konsequenzen der weitgehenden Übernahme des Justizpersonals des Dritten Reiches in die Gerichtsbarkeit der Nachkriegszeit, so bleibt zunächst festzuhalten, daß diese personelle Kontinuität andere Folgen hatte als in Weimar. Damals hatte die junge Republik fast die gesamte Richterschaft der Monarchie übernommen. Diese dankte es dem neuen Staat jedoch nicht, sondern verharrte in einer monarchisch-reaktionären Abwehrhaltung gegenüber dem neuen Dienst-heim. Dagegen wandelte sich nach den Schockerlebnissen des Krieges und der Nachkriegszeit die Haltung der Beamten-und Richterschaft zu einer positiven Einstellung zum neuen politischen Sy-stem Auch darin unterschieden sich im übrigen die Juristen nicht von der Mehrheit der Gesamtbevölkerung. Als die junge Bundesrepublik mit den Erfolgen der sozialen Marktwirtschaft die Erwartungen der Deutschen nach Lösung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Probleme erfüllte, wuchs die Akzeptanz dieser neuen Ordnung, die diesen Erfolg bewirkt hatte. So wie in Weimar die wirtschaftliche Misere die Ablehnung der Republik verstärkt hatte, so festigte in der Bundesrepublik der Wirtschaftsaufschwung die Identifikation mit dem neuen Staat auch bei den alten/neuen Staatsdienern. Dieses Mal war und blieb der Rechtsstab staatstreu.

Dazu hat sicherlich auch beigetragen, daß die bundesrepublikanische Gesellschaft von Anfang an eindeutig antikommunistisch eingestellt war. Diese Haltung entsprach nicht etwa nur der des untergegangenen Dritten Reiches, sondern ebenso auch der des Konservativismus Weimarer Prägung. Auf dieser Ebene konnten die Richter also eine ihnen genehme Traditionslinie unangefochten fortführen. Insgesamt wird die Einstellung der Richterschaft der Nachkriegszeit nicht durch das Fortwirken nationalsozialistischer Gedanken charakterisiert, sondern durch eine konservative Prägung, die während der Zeit des Nationalsozialismus offenbar nur oberflächlich übertüncht worden war und darunter die Zeit überdauert hatte.

Dies gilt vor allem für die älteren Jahrgänge, die zunächst allein für die Reorganisation der Justiz zur Verfügung standen, weil die wehrfähigen Altersgruppen durch den Krieg dezimiert oder noch in Kriegsgefangenschaft waren. Diese Männer hatten ihre Ausbildung teilweise lange vor Beginn des Dritten Reiches beendet. Aber auch die mittleren und jüngeren Jahrgänge, die ihre Ausbildung erst im Dritten Reich beenden konnten, gingen durch die Schule der alten Richterschaft, so daß die Masse der alten/neuen Funktionsträger in der Justiz der Nachkriegszeit gesellschaftlich wie beruflich durch die bürgerlichen Standards des Kaiserreiches und der Weimarer Republik geprägt war — und nicht durch die des Dritten Reiches. Hatten sie sich nur äußerlich auf die Anforderungen des NS-Staates eingelassen und bei ihrer Amtstätigkeit vor 1945 die Grenze zum vorwerfbaren Unrecht nicht überschritten, so konnten sie im Sinne der allgemeinen restaurativen Tendenz dem neuen Staat mit alter konservativer Gesinnung dienen.

Dieser Trend wurde noch dadurch verfestigt, daß auch die prominenten unbelasteten Justizjuristen der Nachkriegszeit, die in Führungspositionen berufen wurden, nicht selten einen besonders konservativen Typ verkörperten und mit ihrer Haltung das Richterkorps prägten. So spricht ein verwaltungsintemer Bericht der britischen Militärregierung davon, daß Kritiker der niedersächsischen Justiz den als Reaktionär und Autokraten qualifizierten Oberlandesgerichtspräsidenten Freiherm von Hoden-berg im Sinne hätten, wenn sie vom „spirit of Celle“ sprächen An dieser Grundeinstellung änderte auch das Nachrücken von Juristen nichts, die nach dem Kriege ihre Ausbildung begannen bzw. vollendeten, weil alle Ausbildungs-und beruflichen Sozialisationsfaktoren weiter in diese Richtung wiesen. Die juristische Ausbildung an den Universitäten z. B. wurde sehr bald wieder von fast derselben Personengruppe wie vor 1945 durchgeführt, und zwar — nachdem die aufgepfropften nationalsozialistischen Materien und Lehren eliminiert worden waren — in der Sache unverändert. Ebenso blieb die Referendarzeit als wichtige Einübung nicht nur in die juristische Praxis, sondern auch in berufsspezifische Verhaltensweisen erhalten. Hier konnten die älteren Richter die Integration des Nachwuchses in den Richterstand wirkungsvoll beeinflussen. Diese Art der Sozialisierung und Adaptierung des richterlichen Nachwuchses erklärt im übrigen auch, weshalb der Korpsgeist der Richterschaft die schwarzen Schafe der NS-Zeit selbst in den sechziger Jahren, als schon die Hälfte der Richterschaft aus der Nachkriegszeit stammte, mit Solidarität umgab.

II. Aufgaben der Nachkriegsjustiz

1. Auseinandersetzung mit den Normen des NS-Rechts Nachdem die deutsche Gerichtsbarkeit wieder arbeiten konnte, harrten ihrer große Aufgaben. In Zeiten, in denen der Gesetzgeber nicht oder nicht richtig arbeiten kann, schlägt die „Stunde der Justiz“ Die Richter müssen im Rahmen der Rechtsprechung dann auch Probleme bewältigen, die zu lösen, eigentlich dem Gesetzgeber zustünden. Eine dieser Aufgaben bestand nach 1945 darin, zu entscheiden, was von der Rechtsordnung des NS-Staates Bestand haben sollte und was nicht.

Sicherlich hatten die Besatzungsmächte die spektakulärsten Teile der Nazi-Gesetzgebung durch Kontrollratsgesetze aufgehoben Zudem hatten sie verboten, das weiter geltende Recht ferner im Sinne der NS-Weltanschauung auszulegen sowie Rechtsprechung und Literatur aus der Zeit des Dritten Reiches heranzuziehen. Doch wurde immer deutlicher, daß auch eine ständige Verlängerung der Liste aufgehobener Normen das Problem nicht vollständig würde lösen können.

Hinzu kam, daß die Unsicherheit darüber wuchs, was denn nun typisches NS-Recht sei. nachdem die groben und damit eindeutigen Fälle erledigt waren. Dies zeigte sich, als die Besatzungsmächte in ihren Zonen zusätzlich zu den vom Kontrollrat aufgehobenen Gesetzen weitere NS-Normen außer Kraft setzten. Je weiter man sich von den klaren und eindeutigen Fällen entfernte und in die Einzelheiten einstieg, um so unsicherer wurde die Entscheidung. So konnte es vorkommen, daß beispielsweise die Briten § 48 Abs. 2 des Testamentsgesetzes vom 31. Juli 1938 und die Erbrechtsregelungsverordnung vom 4. Oktober 1944 für ihre Besatzungszone als NS-Recht aufhoben, während weder der Kontrollrat noch die US-Militärregierung sich dieser Maßnahme anschlossen. Vollends verwirrend wird das Bild, wenn man berücksichtigt, daß auch deutsche Juristen außerhalb der Britischen Zone diese Normen für typisch nationalsozialistisch hielten

Es war also für die deutsche Justiz keine leichte Aufgabe, im Einzelfall festzustellen, was geltendes Recht war Dabei waren die Gerichte am ehesten im Straf-, Strafprozeß-und Familienrecht bereit, Restbestände von NS-Recht aufzuheben, die die Besatzungsmächte nicht erfaßt hatten. Doch im allgemeinen hielt man sich an das positive Recht, also an die tradierte Gesetzesordnung und die Aufhebungsgesetzgebung der Besatzungsmächte.

Dabei bestand Einmütigkeit in der Auffassung, daß die Aufhebung derNS-Gesetze durch die Alliierten keine rückwirkende Kraft haben könne, womit das zusätzliche Problem auf die Gerichte zukam. wie sie Verwaltungsakte und Urteile behandeln sollten, die auf Grund solcher Normen ergangen waren. Man unterschied zwischen den Rechtsakten in weiten Bereichen des täglichen Lebens, die nicht nur im Dritten Reich so und nicht anders hätten behandelt werden können, auf der einen und offenkundigen Unrechtsakten, die von Anfang an nichtig waren, auf der anderen Seite.'Das Problemfeld lag in der Mitte. Hier ging man von einer Gültigkeitsvermu-tung aus, wenn nicht gesetzliche Aufhebungsmöglichkeiten geschaffen worden waren wie für fami-lienrechtliche Gerichtsentscheidungen, die „ganz Oder vorwiegend auf rassenmäßigen, politischen oder religiösen Gründen beruhen“, oder für Straf-urteile, die auf der Grundlage der sogenannten Volksschädlingsverordnung ergangen waren

Im Interesse der Rechtssicherheit behandelte man das Problem der Nichtigkeit von Urteilen und Verwaltungsakten nur nach den herkömmlichen methodischen Regeln, womit verdeckt wurde, daß dies die Rechtssicherheit der Bevölkerungsmehrheit war, nicht aber die der in der NS-Zeit verfolgten und benachteiligten Minderheit. Jedenfalls war dieser Problembereich durch die Rechtsprechung schon hinreichend im Sinne einer grundsätzlichen Kontinuität der Rechtsordnung entschieden worden, als der Parlamentarische Rat Artikel 123 Abs. 1GG — „Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages gilt fort, soweit es dem Grundgesetze nicht widerspricht“ — beschloß. Die herrschende Meinung zu dieser Verfassungsnorm sprach ihr folgerichtig nur deklaratorische, nicht aber konstitutive Wirkung zu. 2. Ahndung der NS-Gewaltverbrechen Eine weitere große Aufgabe erhielt die deutsche Justiz, als die Besatzungsmächte ihr seit dem Jahre 1946 allmählich die Ahndung von NS-Gewaltverbrechen übertrugen Sie selbst hatten zunächst gemeinsam im Nürnberger „Hauptkriegsverbrecherprozeß“ gegen die Spitzen von Regierung, Partei und Wehrmacht ein Musterverfahren durchgeführt, das allerdings keine Fortsetzung in Gestalt weiterer interalliierter Verfahren fand. Statt dessen führten die Besatzungsmächte jeweils in ihren Zonen weitere Strafverfahren gegen NS-Größen durch, während sie zur Entlastung ihrer Militärge-richtsbarkeit die Ahndung anderer NS-Verbrechen schrittweise den deutschen Gerichten übertrugen. Daraufhin entbrannte eine heftige teils intern, teils publizistisch geführte Diskussion um das Kontrollratsgesetz Nr. 10 als Rechtsgrundlage für solche Verfahren Die Mehrheit der deutschen Justizjuristen lehnte dieses Gesetz ab, da man darin einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot sah, und wollte die Ahndung der NS-Gewaltverbrechen allein nach den Normen des deutschen Strafrechts vornehmen.

Als die Alliierte Hohe Kommission mit dem Gesetz Nr. 13 vom 25. November 1949 ab 1. Januar 1950 eine uneingeschränkte strafrechtliche Verfolgung durch die deutsche Justiz ermöglichte, waren von deutschen Gerichten auf dem Boden der Bundesrepublik insgesamt 4 419 Personen wegen NS-Verbrechen rechtskräftig verurteilt. Im gleichen Zeitraum sind 13 607 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren sowie eine annähernd gleiche Zahl von Verurteilungen durch die Militärtribunale der westlichen Besatzungsmächte zu registrieren Deren Tätigkeit ging allerdings schon 1948/49 sichtlich zurück. Dasselbe ist auch für die deutsche Justiz zu konstatieren. Auch als Ende August 1951 die Anwendung des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 für deutsche Gerichte von den Hochkommissaren aufgehoben wurde und damit die deutschen Richter die Gelegenheit gehabt hätten, unbelastet von Skrupeln gegen diese Rechtsgrundlage allein mit Hilfe des deutschen Strafrechts das NS-Unrecht weiter zu ahnden, sank die Zahl der Verurteilungen rapide ab, was offensichtlich auch auf die Staatsanwaltschaften so demoralisierend wirkte, daß von 1952 an auch die Zahl der Ermittlungsverfahren spürbar abnahm. Im Jahre 1954 standen 44 Verurteilungen nur noch 183 Ermittlungsverfahren gegenüber. Mit Recht ist diese Form des Vorgehens als „halbherzig“ qualifiziert worden

Erst der Besuch Bundeskanzler Adenauers in Moskau im Jahre 1955 Heß eine solche Gleichgültigkeit nicht mehr zu Der „Ulmer Einsatzgruppen-Prozeß“ lenkte schließlich die Aufmerksamkeit auf die Unzulänglichkeiten der bisher rein punktuellen und dezentralen Vorgehensweise. Eine Vereinbarung der Länderjustizminister führte am 1. Dezember 1958 zur Gründung der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg, die nunmehr systematisch und konzentriert die verschiedenen Tatkomplexe angehen und Beweismaterial sammeln konnte.

Der daraufhin wieder sprunghaft ansteigenden Zahl von Ermittlungsverfahren entsprach allerdings nicht eine angemessene Zahl von Verurteilungen. Die von den deutschen Gerichten von Anfang an bevorzugte Verfahrensweise, das komplexe Tat-geschehen in eine Unzahl von Einzelhandlungen aufzusplittern, wurde nicht nur der besonderen Form des staatlichen Unrechts nicht gerecht, son-dem verhinderte auch zunehmend eine gerechte Ahndung, weil die Angeklagten mit zunehmendem Abstand vom Geschehen nur unter immer größeren Schwierigkeiten konkreten Einzeltaten zuzuordnen waren und die Zeugen immer mehr an Erinnerungsschwächen litten. Schließlich trat nach langjährigen Debatten im Bundestag die Verjährung auch für NS-Verbrechen mit Ausnahme der Tatbestände des Völkermordes und des Mordes ein womit die gerichtliche Ahndung von NS-Verbrechen auf einige wenige, große Prozesse reduziert wurde. 3. „Sonderstrafrecht“ für die Richter der NS-Zeit Ein Sonderfall der NS-Verbrechen waren die von Richtern gefällten Terrorurteile Selbst nach vorsichtigen Schätzungen wurden von deutschen Straf-und Militärgerichten mehr als 27 000 Menschen zum Tode verurteilt — nicht gerechnet die Opfer der Polizei-und Standgerichte. Über 90 Prozent dieser Urteile wurden in den letzten drei Kriegsjahren gefällt, von 1941 bis 1944 wurden in einem wahren Blutrausch ca. 9 000 Menschen im Jahr, also Woche für Woche mehr als 200 Angeklagte durch Richter dem Henker überantwortet. Die Einzigartigkeit dieser Justizbrutalität wird besonders deutlich, wenn man sie mit den entsprechenden Zahlen der beiden mit Deutschland verbündeten faschistischen Regime in Italien und Japan vergleicht Auch dort gab es MassenVerhaftungen politischer Gegner, Internierungslager, Sondergerichte und verschärfte Schutzgesetze. Doch die Justiz reagierte erheblich moderater. Der 1926 von Mussolini errichtete Sondergerichtshof sprach in 5 139 Prozessen nur 29 Todesurteile und sieben lebenslängliche Freiheitsstrafen aus. In Japan wurden auf Grund der „Friedensgesetze“ von 1925 zwar 6 000 Personen inhaftiert, von denen aber nicht einmal zehn Prozent vor Gericht gebracht wurden. Angesichts dessen wäre es eigentlich zu erwarten gewesen, daß auch die „Mörder im Richtertalar“ nach dem Kriege für ihr Tun strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden wären. Die Amerikaner hatten mit dem vor einem Militärtribunal in Nürnberg vom 17. Februar bis zum 4. Dezember 1947 durchgeführten Verfahren gegen führende Vertreter der NS-Justiz ein Beispiel gegeben Nach einer eingehenden Beweisaufnahme und einem fairen Prozeß wurden von den 16 angeklagten Vertretern der deutschen Justiz drei freigesprochen. Drei Angeklagte wurden zu lebenslänglicher Haft, die anderen zu zeitlichen Haftstrafen verurteilt. Dieses eher milde zu nennende Urteil — jedem, der diese Bewertung bezweifelt, sei die Lektüre der Urteilsgründe empfohlen — verfehlte nicht zuletzt deshalb seine Wirkung als Vorbild, weil die Amerikaner selbst im Zeichen der Westintegration der Bundesrepublik bis auf einen alle anderen Inhaftierten 1950/51 amnestierten und aus dem Gefängnis entließen. Daß die ehemaligen Staatssekretäre Rothenberger und Schlegelberger danach von der Bundesrepublik namhafte Pensionen erhielten — Schlegelberger sogar eine Nachzahlung für die Haftzeit —, wirft ein kennzeichnendes Licht auf die Beurteilung des Nürnberger Juristenurteils durch die deutsche Öffentlichkeit und die Behörden.

Jedenfalls kann danach das Ergebnis der Verfolgung von Justizverbrechen durch deutsche Gerichte. die seit 1948 möglich war, nicht mehr verwundern -Selbst die widerwärtigsten Militär-und Standgerichtsfälle aus der Zeit kurz vor Kriegsende oder gar nach der Kapitulation fanden verständnisvolle Richter und blieben ungesühnt, wobei auch die bei den wenigen Verurteilungen ausgesprochenen überaus milden Strafen als Ausbleiben einer angemessenen Sühne angesehen werden müssen. Bis zum Jahre 1968 kam es insgesamt nur in 15 Fällen vor deutschen Gerichten zu Verfahren wegen unrechtmäßiger Todesurteile. In acht Verfahren kamen die Richter zu Freisprüchen. Nur bei zwei besonders skandalösen Fällen konnte die Staatsanwaltschaft nach mehrfachen Gängen durch die Instanzen wenigstens eine Minimalverurteilung erreichen.

Für die Angeklagten lohnte es sich, Verurteilungen immer wieder mit Rechtsmitteln anzugreifen. Aus den Verurteilungen wurden nach jahrelangem Ringen schließlich doch noch Freisprüche. Nur in vier von den genannten 15 Verfahren standen im übrigen Angehörige der ordentlichen Gerichtsbarkeit vor Gericht. Alle anderen Angeklagten waren Offiziere oder Richter der Militärgerichtsbarkeit. Kein Mitglied des Volksgerichtshofes oder eines Sonder-gerichtes wurde rechtskräftig von einem Gericht der Bundesrepublik wegen eines Terrorurteils zur Rechenschaft gezogen.

Das rechtliche Argumentationsmuster, das zu diesem Ergebnis führte, war stringent, wenn man die Vorgaben akzeptiert, aber keinesfalls zwingend für einen unvoreingenommenen Betrachter. Ausgangspunkt war die Überlegung, daß die Unabhängigkeit der Justiz im Dritten Reich zwar vielfach gefährdet, aber formal niemals aufgehoben worden war. Waren die Richter bei ihrer Tätigkeit also unabhängig im Sinne von § 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes, so durften sie nach Meinung der Nachkriegsrichter wegen ihrer Urteile nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie sich vorsätzlich der Rechtsbeugung schuldig gemacht hatten. Rechtsbeugung lag nach fast einhelliger Ansicht dann nicht vor, wenn die damaligen Urteile auf damals geltenden Normen basierten, wobei als unerheblich galt, daß diese Normen unmenschliche Folgen gehabt hatten.

Vollends wurde der Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 336 StGB) dadurch zum „Richterprivileg“, daß die Rechtsprechung forderte, der Richter könne nur dann das Recht gebeugt haben, wenn er mit dem Urteil gerade dies gewollt habe (direkter Vorsatz). Normalerweise reicht es hingegen aus, daß ein Täter die Normverletzung für möglich hält und gegebenenfalls ihre Folgen innerlich billigt (bedingter Vorsatz). Ein direkter Vorsatz zur Rechtsbeugung wat'aber gerade fanatischen NS-Richtern nicht nachzuweisen, weil sie sich nur darauf zu berufen brauchten, daß sie ihr Handeln damals für gesetzmäßig gehalten hätten.

Sicherlich läßt sich nicht bestreiten, daß Richter bei der Ausübung ihrer richterlichen Tätigkeit eines Schutzes bedürfen, soll die Unabhängigkeit der Justiz nicht in Gefahr geraten. Deshalb darf nicht jedes Fehlurteil oder jeder richterliche Irrtum als Rechtsbeugung bewertet werden. Aber schon die Anwendung des Schutzgedankens auf alle Richter eines Unrechtsstaates und ihre Urteile ist keineswegs zwingend geboten, auch wenn ihre Unabhängigkeit formal nicht beseitigt war Zudem mußte man den „direkten Vorsatz“ in den Tatbestand der Rechtsbeugung hineininterpretieren wollen mit der Begründung, daß andernfalls die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit gefährdet sei — zwingend war dieser Schluß nicht.

Bei der Strafrechtsreform von 1974 wurde unter Hinweis auf die unerträglichen Ergebnisse dieser Machkriegsrechtsprechung ausdrücklich der bedingte Vorsatz bei der Rechtsbeugung für ausreichend erklärt, ohne daß deswegen seitdem die Unabhängigkeit der Richter stärker gefährdet erscheint als vorher. So bleibt die Schaffung einer Art .. Sonderstrafrecht“ für die Richter der NS-Zeit ein schwarzer Fleck in der Geschichte der Nachkriegs-justiz.

Dieser objektive Befund rechtfertigt allerdings keine diffamierenden Vorwürfe gegen die Nachkriegsrichter Er ist nicht auf eine Verschwörung kryptofaschistischer Richter zurückzuführen, sondern ist lediglich das Ergebnis einer Solidarisierung, die sich immer dann einstellt, wenn eine Gruppe sich als solche angegriffen fühlt. Eine Richterschaft, die personell zunächst weitgehend mit der von vor 1945 identisch war, war sogar mit der Aufgabe der „Selbstreinigung“ objektiv überfordert. Auch die geringer Belasteten mochten spüren, daß sie vielleicht nur durch einen glücklichen Zufall davor bewahrt geblieben waren, schweres justitielles Unrecht zu begehen. Zudem wurde diese Haltung der Justizjuristen getragen von dem gesamtgesellschaftlichen Phänomen des Vergessens und Verdrängens. Die Richter haben sich in diesem Sinne nur konform verhalten. 4. Die Rechtsprechung zu Artikel 131 GG Wie die Strafjustiz standen auch die Verwaltungsund Sozialgerichte vor Problemen der Vergangenheitsbewältigung. So war in vielen Verfahren über die Rechtmäßigkeit entzogener beamten-oder sozialrechtlicher Versorgungsansprüche auch von NS-Tätern zu befinden. Der Parlamentarische Rat hatte sich für die institutionelle Sicherung des öffentlichen Dienstes „unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ (Artikel 33 Abs. 5 GG) entschieden. In Konsequenz dieser Grundentscheidung forderte das Grundgesetz in Artikel 131 die gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse aller ehemaligen Staatsdiener — von Flüchtlingen und Vertriebenen wie überhaupt aller aus „anderen als beamten-oder tarifrechtlichen Gründen“ Ausgeschiedenen, die noch nicht wieder in einer ihrer früheren Stellung entsprechenden Weise verwendet wurden. Dieses „ 131er-Gesetz“ erging 1951 und wurde später laufend novelliert. Es verschaffte allen früheren Staatsbeamten einen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung und auf Nachzahlung der Bezüge für die Zeit der Nichtbeschäftigung.

Zwar galt dieser Rechtsanspruch nicht für solche Beamte, die wegen ihrer NS-Tätigkeit von deutschen Gerichten strafrechtlich verurteilt oder im Zuge der Entnazifizierung als Haupttäter eingestuft worden waren. Das hinderte aber Betroffene nicht daran, ihren angeblichen Anspruch auf Wiederverwendung einzuklagen. Die Rechtsprechung zu diesem Gesetz ist vielgestaltig. Es seien hier nur die bahnbrechenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts angeführt, die eindeutig feststellten, daß alle Beamtenverhältnisse am 8. Mai 1945 beendet wurden, weil sie durch das NS-Regime in ihrem Charakter so umgestaltet worden seien, daß sie unter den veränderten Verhältnissen keinen Bestand haben könnten

Dies war mutiges Richterrecht, mit dem verhindert wurde, daß zum Beispiel ein ehemaliger Gestapo-Beamter sich wieder in den Dienst einklagen konnte — allerdings wurde damit nicht verhindert, daß zahllose andere ehemalige Gestapo-Beamte klaglos wieder verwendet wurden. Da der Ausschluß von den Wohltaten des Artikels 131 GG ohnehin nur für solche Beamte galt, die von einem deutschen Gericht verurteilt worden waren, kamen auch die in Nürnberg verurteilten und dann vorzeitig amnestierten hohen Amtsträger des NS-Staates in den Genuß seiner Vorteile. Aber auch den wegen einer Verurteilung vom Dienst ausgeschlossenen Beamten er-wuchs kein dauerhafter Nachteil. Seit 1924 waren Beamte nach vorzeitigem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst bei der Angestelltenversicherung nachzuversichern Die im Beamtenrecht ursprünglich vorhandene Einschränkung, daß dies nicht für durch Strafurteil ausgeschiedene Beamte gelte, wurde 1953 fallen gelassen. Die Judikatur erweiterte schließlich die dadurch gegebenen Möglichkeiten großzügig.

Dies wäre weitaus weniger anstößig, wenn dieselbe Großzügigkeit auch gegenüber den Opfern des NS-Regimes bewiesen worden wäre. Doch hier zeigten sich Ämter und Gerichte häufig sehr engherzig bei der Zuerkennung von Entschädigungsleistungen Insbesondere taten sich die Gerichte schwer mit dem. was man als den kleinen tagtäglichen und unspektakulären Widerstand bezeichnen kann. Ebenso zeigten sie wenig Verständnis für die Probleme der ca. 350 000 Zwangssterilisierten, der Angehörigen von im Zuge der „Euthanasie-Aktionen“ Ermordeten oder der Gruppe der Zigeuner. Eine extrem engherzige Auslegung der einschlägigen Gesetze durch die Gerichte bewirkte, daß solche Fälle meist durch die Maschen fielen. 5. Wandel im Familienrecht Auf dem Gebiete des Zivilrechts kam nach 1949 erneut die „Stunde der Justiz“, als der Bundesgesetzgeber das Verfassungsgebot des Artikels 117 Abs. 1 GG, das der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Artikel 3 Abs. 2 GG) entgegenstehende Recht bis zum 31. März 1953 zu ändern, nicht bis zu dem vorgesehenen Termin erfüllte. In einer Grundsatzentscheidung vom 18. Dezember 1953 erklärte das Bundesverfassungsgericht die der Gleichberechtigung entgegenstehenden Normen des Familienrechts für unwirksam, womit es die herrschende Rechtsprechung der Zivilgerichte bestätigte Seit dem April 1953 hatten die Zivilgerichte begonnen, systematisch die Normen des Familienrechtes an den Gleichheitsgrundsatz anzupassen. Sie traten damit in die Lücke, die der Gesetzgeber gelassen hatte, bis dieser schließlich auf der Grundlage der von den Richtern entwickelten Problemlösungen am 18. Juli 1957 das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des Bürgerlichen Rechts erließ

Der Bundestag setzte aber auch mit diesem Gesetz noch nicht in allen Punkten den Gleichberechtigungsgrundsatz durch, so daß das Bundesverfassungsgericht erneut eingreifen mußte Dies lenkt die Aufmerksamkeit noch einmal auf die große Bedeutung gerade dieses Gerichtes für die Schaffung einer liberalen und rechtsstaatlichen Ordnung in der Bundesrepublik Die Zahl der grundlegenden Urteile, mit denen verkrustete Strukturen aufgebrochen und den Grundrechten Geltung verschafft wurde, ist unübersehbar. Ebenso gewichtig ist der Beitrag des Bundesverfassungsgerichtes zum Austarieren des politischen Gleichgewichts zwischen den Gewalten in unserem Staat. Auch wenn die Judikatur dieses obersten Gerichtes, dessen Urteile unanfechtbar sind, durchaus auch auf Kritik gestoßen ist, ist die Bilanz zumindest für die ersten beiden Jahrzehnte doch durchaus positiv.

III. Versuch einer Bilanz

Obwohl diese Skizze bestenfalls einen ersten Ansatz zu einer historischen Würdigung der Rolle der Justiz in den ersten beiden Jahrzehnten der Nachkriegszeit darstellen kann, sei doch eine Gesamtbewertung gewagt. Daß diese Bilanz ambivalent ausfällt, kann kaum verwundern, gibt es doch keine historischen Erscheinungen, die eindeutig positiv oder negativ zu bewerten wären. Zu fragen ist immer nur danach, auf welcher Seite der Waage die Gewichte stärker sind.

Auf der Negativseite ist die schwere Hypothek von Bedeutung, die die undifferenzierte Übernahme des Justizpersonals von vor 1945 in den Dienst der Gerichtsbarkeit der neuen politischen Ordnung darstellt. Auch wenn man festhält, daß diese Juristen im Gegensatz zu Weimar dieses Mal den neuen Staat bejahten und sich zu ihm bekannten, waren die politischen Kosten dieser Entwicklung doch erheblich. Auch die nicht in strafrechtlich vorwerfbares Unrecht verstrickten Richter waren objektiv überfordert, einen wichtigen Teil ihres eigenen Lebens als Teilnahme an einem Unrechtssystem zu verstehen. Daraus resultiert die „halbherzige“ Ahndung der NS-Verbrechen durch die Nach-kriegsgerichte und vor allem das Versagen gegenüber dem Tatkomplex der brutalen und blutigen NS-Strafjustiz. Auch die geringe Sensibilität gegenüber den Opfern von Verfolgungen hat hier gewiß ihre Ursache. Dem stehen aber gewichtige Leistungen bei der sonstigen Aufarbeitung von Problemen der Nachkriegszeit vor allem auf dem Gebiete der Rechtsfortbildung gegenüber. Insgesamt hat die Justiz mit ihrer Rechtsprechung die Erwartungen, die die konservativ-restaurativ eingestellte Bevölkerungsmehrheit der Westzonen und der Bundesrepublik an sie gestellt hat, durchaus erfüllt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Amtsblatt der Militär-Regierung 1 Nr. 1 Artikel m(= Artikel I des Gesetzes Nr. 2 des Obersten Befehlshabers).

  2. Proklamation Nr. 3 vom 20. Oktober 1945; Kontrollrats-Resetz Nr. 4 vom 30. Oktober 1945; Kontrollratsdirektive Nr. 24 vom 12. Januar 1946 Ziffer 87, 88; Nr. 38 vom IZ. Oktober 1946.

  3. Vgl. dazu: Joachim Reinhold Wenzlau. Der Wiederauf-

  4. Vgl. dazu: Reinhard Zimmermann, Der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone (1948— 1950) und die Fortbildung des Bürgerlichen Rechts, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte, (1981) 3, S. 158 ff.

  5. Vgl. dazu: Michael Stolleis. Rechtsordnung und Justiz-politik 1945— 1949. in: Europäisches Rechtsdenken in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Helmut Coing zum 70. Geburtstag. München 1982. S. 396 f.

  6. Vgl. ebd., S. 397.

  7. Ebd., S. 391 ff.

  8. Verordnung Nr. 126 der Britischen Militärregierung; Pro klamation Nr. 7 der US-Militärregierung; Gesetz über das Rechtsamt des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 24. Juli 1948, in: Gesetz und Verordnungsblatt des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Nr. 77. .

  9. Vgl. Tilman Pünder. Das bizonale Interregnum. Died schichte des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1946-19491 Köln-Berlin 1966, S. 191 ff.

  10. BGBl. I, S. 657.

  11. BGBl. I, s. 661.

  12. Vgl. Rainer Wahl/Frank Rottmann. Die Bedeutung der Erfassung und der Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bun-Oesrepublik — im Vergleich zum 19. Jahrhundert und zu eimar, in: Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutsch-and. Industrielle Welt Bd. 34, hrsg. von Werner Conze und Kainer M. Lepsius, Stuttgart 1983, S. 339 ff.

  13. Vgl. dazu Abschnitt III. Germany. A. IV. 4 des Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945, in: Dokumente des geteilten Deutschlands, von Münch, Stuttgart hrsg. Ingo von 19762, s. 36, Nr. 3d.

  14. Zur Entnazifizierung: Bernhard Diestelkamp, Rechts-und verfassungsgeschichtliche Probleme zur Frühgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, in: Juristische Schulung, (1981), S. 489ff., bes. S. 486 Anm. 5; Klaus-Dietmar Henke, Die Grenzen der politischen Säuberung in Deutschland nach 1945, in: Westdeutschland 1945 — 1955, Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, hrsg. von Ludolf Herbst, München, 1986, S. 127ff.

  15. Diese Beispiele nach J. R. Wenzlau (Anm. 3), S. 103.

  16. J. R. Wenzlau (Anm. 3), S. 130 ff.

  17. Vgl. Ingo Müller, Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz. München 1987, S. 205.

  18. Vgl. J. R. Wenzlau (Anm. 3), S. 117f., S. 13261 Niethammer, Entnazifizierung in Bayern, Frankfurt 19721 S. 229 ff.

  19. Vgl. dazu B. Diestelkamp (Anm. 14), S. 491; K. -D. Henke (Anm. 14).

  20. Vgl. J. R. Wenzlau (Anm. 3), S. 141.

  21. Erklärungen des Präsidiums und des Vorstandes des Deutschen Richterbundes in: Deutsche Richterzeitung, 2958) 36, S. 330, und ebd.. (1959) 37, S. 101.

  22. Vgl. dazu u. a. die Kontroverse zwischen Udo Reifner und Günter Bertram in: Recht und Politik, (1983).

  23. Vgl. Erhard M. Lange, Entstehung des Grundgesetzes und Öffentlichkeit, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen. (1979) 10. S. 378 ff.

  24. Vgl. Andreas Röpke. Who’s Who in Lower Saxony. Ein politischer Leitfaden der britischen Besatzungsmacht 1948/49, in: Niedersächsisches Jahrbuch, (1983) 55. S. 280.

  25. So der Titel eines Aufsatzes von Eduard Kem. in: Deutsche Rechtszeitschrift. (1947), S. 105.

  26. Vgl. dazu M. Stolleis (Anm. 5), S. 387ff.

  27. Vgl. ebd., S. 389, bes. auch Anm. 34.

  28. Vgl. ebd. (Anm. 15), S. 398 ff.

  29. Sogenannte Härtemilderungsklausel gemäß § 77 Ehegesetz von 1946; Kontrollratsgesetz Nr. 16 vom 20. Februar 3946 Kontrollratsgesetz Nr. 11 Art. II Abs. 1 Ziff. 1.

  30. Dazu: Martin Broszat, Siegerjustiz oder strafrechtliche Vergangenheitsbewältigung der Justiz " Selbstreinigung".

  31. Vgl. ebd., S. 516 ff. Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 enthielt vier (rückwirkend normierte) Ntraftatbestände: Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsver-2rschen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Zugehörigkeitzuverbrecherischen Organisationen. Strafrahmen waren nicht bestimmt; Angeklagte konnten sich nicht auf zwischen 33 und 1945 nach deutschem Recht eingetretene Verjährngen oder auf in dieser Zeit erlassene Amnestien oder Begnadigungen berufen.

  32. Amtsblatt des Hohen Kommissars Nr. 54.

  33. Vgl. die Statistik bei: Adalbert Rückeri, Die Strafverfolgung von NS-Verbrechern 1945— 1978, Heidelberg-Karlsruhe 1979, S. 125.

  34. Gotthard Jasper, Wiedergutmachung und Westintegration. Die halbherzige justitielle Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in der frühen Bundesrepublik. In: Westdeutschland 1945-1955 (Anm. 14), S. 183ff.

  35. Vgl. dazu A. Rückeri (Anm. 33), S. 49 ff.

  36. Zur Verjährung nationalsozialistischer Verbrechen. Dokumentation der parlamentarischen Bewältigung des Problems 1960— 1979, Zur Sache 3/80, Bonn 1980.

  37. BGBl. 1 1979, S. 1046 (16, Strafrechtsänderungsgesetz vom 16. Juli 1979).

  38. Vgl. zum Folgenden: G. Jasper (Anm. 34), S. 190ff.; Bernhard Diestelkamp. Die Justiz nach 1945 und ihr Umgang mit der eigenen Vergangenheit, in: ders. /Michael Stolleis (Hrsg.), Justizalltag im Dritten Reich, Frankfurt 1988, S. 131 ff.

  39. Vgl. dazu J. Müller (Anm. 17), S. 202.

  40. Heribert Ostendorf/Heino ter Veen. Das „Nürnberger Juristenurteil“. Eine kommentierte Dokumentation. Frankfurt-New York 1985.

  41. Vgl. dazu auch trotz formaler Mängel die bislang einzige Dokumentation durch: Jörg Friedrich, Freispruch für die Nazi-Richter seit 1948. Eine Dokumentation, Hamburg 1983.

  42. Zur richterlichen Unabhängigkeit: Dieter Simon. Waren CeNS-Richter „unabhängige Richter“ im Sinne des § 1 WG?, in; Justizalltag (Anm. 38), S. 11 ff., bes. S. 19 ff.

  43. Vgl. dazu B. Diestelkamp (Anm. 38), S. 145 ff.

  44. Urteil vom 17. Dezember 1953, in: BVerfGE, Bd. 3, S. 58ff.; Beschluß vom 19. Februar 1957, in: BVerfGE, Bd. 6, S. 132 ff.

  45. Vgl. dazu I. Müller (Anm. 17). S. 262 ff.

  46. Vgl. dazu die Beiträge von Karl Heßdörfer. Ulrich Herbert, William G. Niederland, Gotthard Jasper und Arnold Spitte in: Wiedergutmachung in der Bundesrepublik Deutschland. Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, hrsg. von Ludolf Herbst, München 1989.

  47. Neue Juristische Wochenschrift, (1954), S. 65 ff.

  48. BGBl. I. S. 609.

  49. Eine Übersicht über die Rechtsprechung bei Hans F. Zacher. Soziale Gleichheit. Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Gleichheitssatz und Sozialstaatsprin-zip, in: Archiv für Öffentliches Recht, (1968) 93. S. 341. S. 373 ff.

  50. Vgl. dazu die instruktive Zusammenfassung bei R. Wahl F. Rottmann (Anm. 12). S. 371 ff.

Weitere Inhalte

Bernhard Diestelkamp, Dr. jur., geb. 1929; Professor für Deutsche Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt. Veröffentlichungen u. a.: Kontinuität und Wandel in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, in: Rechtshistorisches Journal, (1985) 24; Kontinuität und Wandel in der Rechtsordnung 1945— 1955, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte, (1985) 7; Rechtsgeschichte als Zeitgeschichte. Historische Betrachtungen zur Entstehung und Durchsetzung der Theorie vom Fortbestand des Deutschen Reiches als Staat nach 1945, Westdeutschland 1945— 1955, hrsg. von Ludolf Herbst, München 1986; (Hrsg. zus. mit M. Stolleis) Justizalltag im Dritten Reich, Frankfurt 1988. Susanne Jung, Assessorin; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Deutsche Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt.