Je mehr Komponenten der heutigen militärischen Konfrontation zwischen Ost und West — nuklear wie konventionell — für den Abrüstungsprozeß betrachtet werden, um so weniger lassen sich einzelne Rüstungsbereiche ausklammern. Globale Stabilität zwischen den beiden Bündnissen ist nur erreichbar, wenn das regional erzielte militärische Gleichgewicht nicht durch rasch zuführbare Kräfte und Mittel gestört werden kann. Es muß verhindert werden. daß durch Abrüstung aufgegebene militärische Optionen durch neue oder andere substituiert werden. Mit bestimmten Luft-und Seestreitkräften ist es möglich, eine regional stabile Lage in relativ kurzer Zeit zu verändern.
I. Die Aufgaben von Seestreitkräften
Die elementaren Aufgaben von Seekriegsmitteln haben sich im Laufe der Geschichte der Seefahrt kaum verändert. Seit jeher beanspruchen Staaten, die vom Zugang zur See und ihrer Nutzung abhängigsind oder globale Machtansprüche haben, See-kontrolle. In einem militärischen Konflikt versuchen sie die eigene uneingeschränkte Nutzung der See zu erzwingen und sie einem möglichen Gegner zu verweigern.
Seekontrolle im Krieg wird zur ungestörten Abwicklung des eigenen Handelsschiffsverkehrs und zur Nutzung der See als Rollbahn für den Transport und die Versorgung überseeisch eingesetzter Land-und Luftstreitkräfte benötigt. Ungehinderte Unterstützung und Versorgung über See sind in einem Krieg die Voraussetzung für den erfolgreichen längeren Einsatz eigener Landstreitkräfte in Übersee. Die Verweigerung der Nutzung der See durch den Gegner zielt in erster Linie darauf, dessen Kriegsführungskapazität durch das Abschneiden von notwendigen Zufuhren über See zu schwächen.
Die Art der maritimen Rüstung eines Staates wird im allgemeinen von dessen seestrategischer Zielsetzung bestimmt. Diese wiederum leitet sich aus dem denkbaren Kriegsbild aufgrund des Potentials möglicher Gegner ab. Mit den eigenen Seekriegsmitteln sollen offensive Optionen eines potentiellen Gegners neutralisiert und seine Verteidigung überwunden werden. Da mit Seestreitkräften direkt kein Territorium erobert und besetzt werden kann, spie-Jeeinschneidender eine Reduzierung bei den Landstreitkräften sein wird, desto gewichtiger werden die Rollen von Luft-und Seestreitkräften. Es ist absehbar, daß nach den Luftstreitkräften.deren Berücksichtigung bei der Konventionellen Rüstungskontrolle (KRK) schon jetzt gefordert wird, auch die Seestreitkräfte in den Prozeß der Abrüstung. Rüstungskontrolle und weiteren Vertrauensbildung einbezogen werden müssen. Mehrere hochrangige sowjetische Politiker, Militärs und Diplomaten haben mit ihren jüngsten Äußerungen dazu keinen Zweifel am künftigen Kurs der Sowjetunion auf diesem Feld gelassen. len Seestreitkräfte in der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Staaten immer nur eine indirekte Rolle. Das heißt, sie unterstützten die Landkriegführung, indem sie die wirtschaftliche und militärische Leistungsfähigkeit des eigenen Staates aufrecht halten und die lebens-und kriegswichtige Zufuhr von Ressourcen des Kriegsgegners abschnüren. Daraus folgt: Je höher die Abhängigkeit vom Transport über See einerseits und je höher die Interessen eines Staates in überseeischen Gebieten andererseits sind, desto notwendiger wird seine Fähigkeit. Seegebiete zu kontrollieren, das heißt Seeherrschaft ausüben zu können.
Das NATO-Bündnis vereint westeuropäische und nordamerikanische Staaten beiderseits des Atlantiks. Ihren wirtschaftlichen und militärischen Zusammenhang kann die Nordatlantische Allianz nur über gesicherte Seewege gewährleisten Ihre hochindustrialisierten Mitgliedstaaten sind auf weltweite überseeische Verbindungen zu Rohstoffmärkten und Handelspartnern angewiesen Ein Großteil der westlichen Industrien, voran die der Bundesrepublik. ist ohne überseeische Zufuhr von Erdöl. Edelmetallen und anderen Rohstoffen nicht überlebensfähig. Der Außenhandelsanteil Westeuropas am gesamten Welthandel macht etwa 30 Prozent aus. Ein großer Teil davon wird über Seewege abgewikkelt. Täglich stehen allein für die Bundesrepublik über 000 Schiffe mit mehr als sieben Millionen Tonnen an Gütern in See.
Das Recht auf Selbstverteidigung, das jedem Staat zugebilligt wird, erlaubt auch, seine legalen und legitimen Interessen der friedlichen Nutzung der freien See zu schützen. Welche Mittel dazu ausreichen. richtet sich nach Art und Umfang der möglichen Bedrohung. Aber auch ohne jede Art von Bedrohung wird man von einem natürlichen Bedürfnis eines Küstenstaats nach maritimen „Ordnungskräften“ ausgehen dürfen. Dabei ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Eine der Völkergemeinschaft schädliche und deshalb abzulehnende Zielsetzung maritimer Rüstung wäre, einseitig starke Seestreitkräfte aufzubauen, um mit diesen gegen andere Staaten politischen oder militärischen Druck auszuüben.
Internationale Verträge und die Überwachung ihrer Einhaltung durch supranationale Organe müssen statt dessen künftig gewährleisten, daß das globale „Ellenbogenregime“ zur See endgültig der Vergangenheit angehört.
II. Zur maritimen Konfrontation von USA und UdSSR
Die „maritime Strategie“ der USA, die während der Reagan-Administration entwickelt wurde, setzte das deutliche Zeichen einer Abkehr der Vereinigten Staaten von einer eurozentrischen Verteidigungsstrategie, wie sie noch während der Carter-Regierungszeit verfolgt wurde. Die nach Carter entwickelte globale Sicht der amerikanischen Interessen verlangte nach einer Seemacht, die mehr konnte und sollte, als den Verstärkungs-und Nachschubverkehr zwischen den Vereinigten Staaten und Europa mit defensiver Seekontrolle sicherzustellen.
In der amerikanischen Marine hatte man sich ohnehin nie an die Vorstellung gewöhnen wollen, daß ein Krieg zwischen den beiden Militärbündnissen auf Europa beschränkt sein und lediglich mehrere Wochen dauern würde. Amerikanische Admirale vertraten von jeher die Ansicht, daß ein künftiger Krieg wiederum ein langer Krieg wäre. Er wäre ein Weltkrieg, und darauf mußte sich die amerikanische Rüstung zur See einrichten.
Die globalstrategische offensive Rolle, die in der Reagan-Ära nun wieder für die amerikanischen Seestreitkräfte gesehen wurde, bedeutete gleichzeitig eine Relativierung des NATO-Engagements der Vereinigten Staaten. In diesem strategischen Denken werden die europäischen Verbündeten und deren Streitkräfte lediglich als ein — wenn auch der wichtigste — Machthebel an der Peripherie des Warschauer Pakts gegenüber der Führungsmacht Sowjetunion gesehen.
Mit der Fähigkeit zur weltweiten initiativen Krieg-führung gegen die andere Supermacht wurde in den USA eine neue Dimension der strategischen Balance zwischen den Blöcken angestrebt. Die gewachsene Bedeutung des pazifischen Raums zu Beginn der Reagan-Ära und die Absicht, Seestreitkräfte zunehmend für die US-Außenpolitik als Instrument zu nutzen, gaben den amerikanischen See-streitkräften darüber hinaus ein ganz neues Gewicht innerhalb der Gesamtstreitkräfte. Ihre Zielsetzung der maritimen Überlegenheit brauchte nicht verklausuliert zu werden. Der damalige Marineminister Lehman formulierte sie 1983 so: „Maritime Kräftegleichheit mit unseren Gegnern — ein Patt — ist inakzeptabel, weil wir es sind, die von den Ozeanen abhängen. Kurz, maritime Überlegenheit für die Vereinigten Staaten ist ein nationales Ziel — ein Sicherheitsimperativ, eine wesentliche Bedingung für den Erfolg jeder nationalen Sicherheitsstrategie.“ 1) Das Ziel, eine 600-Schiffe-Marine mit 15 Flugzeugträgergruppen aufzubauen, reflektiert am besten, wie konsequent an diesem seestrategischen Konzept gearbeitet wird.
Die geopolitische Asymmetrie zwischen den beiden Weltmächten prägt deren Seerüstungen und Doktrinen. Während die Vereinigten Staaten sich grundsätzlich als Seemacht empfinden, durch zwei Ozeane von ihren Verbündeten, Märkten und Handelspartnern getrennt, ist die Sowjetunion eine Landmacht mit direktem Zugang zu den Gebieten ihres zentralen politischen Interesses über Land. Dies bedeutet indes nicht, daß die Sowjetunion keine ausgeprägten maritimen Interessen hätte. Ganz im Gegenteil: Diese „Landmacht“ hat eine sehr lange Küste, eine große und bedeutende Fischerei und Handelsflotte sowie wichtige wirtschaftliche und politische Bindungen zu Staaten außerhalb der eurasischen Landmasse. Insgesamt begründet aber die geopolitische Lage der beiden Mächte eindeutig die größere Bedeutung der Marine in der amerikanischen Strategie.
Die Vereinigten Staaten haben den größten Teil ihres nuklear-strategischen Potentials auf Atom-Ubooten stationiert. Zum Schutz dieses seegestützten Nuklearpotentials sowie des Verstärkungs-und Versorgungsverkehrs fordert die US-Doktrin initiative und offensive Operationsführung. Das heißt, es sollen auch von Anfang an sowjetische Marinestützpunkte und Flugplätze, von denen aus Marinefliegerkräfte operieren, angegriffen werden. Die Jagd Atom-Uboote auf ballistische Flugkörper tragende (SSBN) hat offenbar zwei Ziele: Das sowjetische strategische Potential soll abgenutzt, dadurch die nuklear-strategische Balance zugunsten der USA verbessert werden, und die um Schutz des sowjetischen strategischen Potentials eingesetzten Angriffs-Uboote sollen gebunden werden.
Die sowjetische Seestrategie erscheint gegenüber den amerikanischen Plänen eher reaktiv. Die beträchtlich leistungsschwachere Sowjetmarine hätte im Krieg mit den USA die Aufgaben, die eigenen SSBNs zu schützen, Sowjet-Häfen und -Territorium gegen US-Seestreitkräfte zu verteidigen und die Seewege über den Atlantik zu unterbrechen. Die Bedeutung, die dabei der Unterbrechung des Versorgungs-und Verstärkungsverkehrs über den Atlantik zukommt, spiegelt sich in der leistungsfähigen Uboot-Flotte der Sowjetunion wider.
Es ist zweifelhaft, ob auf sowjetischer Seite die gegenwärtigen und absehbaren Indienststellungen von Marineeinheiten die neueste rüstungspolitische Zielsetzung widerspiegeln. Sie gehen z. T. auf Planungsentscheidungen aus den sechziger Jahren zurück. Inzwischen deuten Anzeichen darauf hin, daß die Sowjetunion aus den Erfahrungen mit modernen Anti-Schiff-Flugkörpem während des Falkland-Krieges für sich die Lehre gezogen hat, künftig auf große Überwassereinheiten zugunsten von Ubooten zu verzichten. Die systemimmanente Trägheit der Rüstungsplanung — übrigens auch im Westen — gilt natürlich besonders für die Seestreitkräfte; Kurskorrekturen brauchen ihre Zeit. Dies wird für den Zeitrahmen der Implementation von künftigen Rüstungskontrollentscheidungen von Bedeutung sein. Da Veränderungen lange dauern, ist es um so wichtiger, frühzeitig Entscheidungen zu treffen.
III. Fragwürdige Kriegsszenarien
Die Szenarien für eine mögliche kriegerische Auseinandersetzung zwischen den beiden Bündnissen, die heute noch in Ost und West den eigenen Strategien und Rüstungsplanungen zugrunde liegen, sind äußerst fragwürdig geworden. Die Seerüstung beider Supermächte geht bisher von einem langen, global geführten Krieg aus. bei dem Westeuropa die Rolle des umkämpften Gebiets zukommt. In einem solchen Kriegsbild verfolgt die Sowjetunion das Ziel, Westeuropa bis zum Atlantik zu überrennen und dabei die Vereinigten Staaten aus diesem Gebiet zu vertreiben. Während dieser Kriegsphase gilt es für die Sowjetunion, die Verstärkung und Versorgung Europas zu unterbrechen. Nachdem Westeuropa gefallen ist, soll die Wiedereroberung über den Atlantik verhindert werden.
Die USA beabsichtigen in einem Krieg gegen die Sowjetunion, deren Seestreitkräfte weltweit mit initiativer und offensiver Operationsführung zu vernichten. Der Sowjetunion soll auch auf See ein globaler Krieg aufgezwungen werden.
Die Konsequenzen eines solchen Kriegsverlaufs wären für die westeuropäischen Staaten verheerend: Selbst eine konventionelle Kriegführung auf dem Territorium dichtbesiedelter, hochindustrialisierter Staaten bedeutet heute wegen der Abhängigkeit von hochverwundbaren technischen Anlagen und Einrichtungen und wegen der Gefahr, die von zerstörten Atomkraftwerken und chemischen Fabriken ausgeht, voraussichtlich den Verlust aller Lebensgrundlagen. Jeder Krieg in Westeuropa wäre für alle Beteiligten letztlich eine Katastrophe, für Besiegte wie für „Sieger“. Eine solche Schlacht um Westeuropa auf Kosten der dort lebenden Menschen ist indes den europäischen NATO-Partnern als Grundlage für Strategie und Rüstungsplanung einfach nicht zuzumuten.
Die Verteidigung des aus US-Perspektive überseeischen Brückenkopfes Westeuropa gegen einen auf dem Lande überlegenen Gegner setzt ein Maximum an Verstärkung, Unterstützung und Versorgung der NATO-Landstreitkräfte über See voraus. Daraus folgt: Solange in Europa keine ausreichende militärische Fähigkeit zur Verteidigung gegen das Militärpotential des Warschauer Paktes besteht, kann aus NATO-Sicht, insbesondere aus der Sicht der Vereinigten Staaten, auf die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung eines ungestörten Verstärkungsund Versorgungsverkehrs nicht verzichtet werden. Dies läßt aber auch einen anderen Schluß zu: Die Seeschlacht um den Atlantik braucht von beiden Seiten dann nicht geplant zu werden, wenn in Zentraleuropa politische Stabilität auf der Grundlage eines militärischen Gleichgewichts — am besten durch Abrüstung und Entspannung — erreicht ist. Oder anders ausgedrückt: Ein künftiges Sicherheitsregime in Europa muß schließlich ohne amerikanische Truppenpräsenz und ohne Verstärkungskräfte aus Übersee funktionieren. Als Folge davon könnten die Seekriegsmittel, die in den USA für den Schutz des transatlantischen Seetransports und bei der Sowjetunion zur Unterbrechung des Seeverkehrs vorgesehen sind, gleichermaßen abgerüstet werden.
IV. Machtprojektion als Relikt überholter Konfrontationspolitik
Die Fähigkeit zur Machtprojektion, also die Möglichkeit. mit Seekriegsmitteln entferntes Territorium zu bedrohen, ist gewiß keine neue Komponente von Seemacht. Allerdings haben neuere technische Entwicklungen — gesteigerte Reichweite. Genauigkeit und Zerstörungskraft seegestützter Waffensysteme — die Machtprojektion in eine neue Dimension gehoben.
Mit den heutigen Seekriegsmitteln zur Machtprojektion — das heißt mit trägergestützten Flugzeugen, weitreichenden Flugkörpern auf Überwasserschiffen und Ubooten sowie Landungsverbänden — können regionale militärische Stabilitäten aus dem Gleichgewicht gebracht werden; dies insbesondere dann, wenn solche Seekriegsmittel na-hezu ungestört weltweit operieren können. Macht-projektion ist ein klassisches Mittel der Interventionspolitik. Ihr Einsatz für eine moderne „Kanonenboot-Politik“ gegen militärisch deutlich unterlegene Staaten scheint heute so aktuell wie je.
Die militärische Intervention in Drittländern belastet aber zusätzlich das Verhältnis der Supermächte und damit der beiden Militärblöcke zueinander, wenn die Interessen der jeweiligen anderen Super-macht direkt berührt werden. Aus diesem Zusammenhang wird klar, daß die besonderen Fähigkeiten von Seekriegsmitteln und die Absicht ihres Gebrauchs auch gegenüber Dritten hinsichtlich ihrer Folgen für das Verhältnis zwischen den Supermächten betrachtet werden müssen.
V. Nuklearwaffenauf Seestreitkräften
Der nukleare Rüstungswettlauf zwischen den Blöcken hat bisher zu einer nur wenig beachteten nuklearen „Durchseuchung“ nahezu aller Schiffstypen der Atommächte geführt. Ungefähr 16 000 Nuklearwaffen dieser Mächte befinden sich in deren Marinen. Davon sind ungefähr 9 500 Gefechts-köpfe von ballistischen Interkontinentalflugkörpem; 3 300 Waffen sind für die Ubootbekämpfung, 2 000 Bomben für den Einsatz von Flugzeugen (einschließlich landgestützter sowjetischer Marinefliegerkräfte) vorgesehen. Ungefähr je 550 nukleare Gefechtsköpfe sind auf seegestützten Marschflugkörpern und Luftzielflugkörpern montiert. Weitere 200 Atomsprengköpfe gehören zur Schiffsartillerie und zu an Küsten stationierten Seezielflugkörpern. Mehr als 90 Prozent aller Atomwaffen sind auf amerikanischen und sowjetischen Einheiten stationiert Weniger als insgesamt 1 000 Nuklearwaffen befinden sich an Bord britischer, französischer und chinesischer Marineeinheiten. Etwa 70 Prozent der amerikanischen, 90 Prozent der sowjetischen. 32 Prozent der britischen und zwölf Prozent der französischen größeren Einheiten sind nuklearfähig. China hat drei mit ballistischen Flugkörpern ausgerüstete Uboote.
Große Reichweite, Zielgenauigkeit und Zerstörungskraft der ballistischen Raketen und Marschflugkörper haben den modernen Seestreitkräften völlig neue Fähigkeiten verliehen. SSBNs mit ihrer strategischen Nuklearrolle gehören im Grunde nicht mehr zu den klassischen Seekriegsmitteln. Sie sind ein Teil des strategischen Gesamtpotentials.
Die ungebremste Vermehrung und Modernisierung seegestützter strategischer und taktischer Nuklear-optionen hat gleichzeitig den Ausbau der konventionellen Seestreitkräfte — zum Schutz der für eine zweite (nukleare) Phase eines Weltkriegs für lebensnotwendig gehaltenen SSBNs und zur Bekämpfung von sowjetischen SSBNs im Kriege -maßgeblich beeinflußt.
VI. Seegestützte Marschflugkörper
Bei den START-Verhandlungen wird sichtbar, wie schwer es wird, mit den seegestützten atomaren Marschflugkörpern umzugehen. Die Einführung von seegestützten Marschflugkörpern (SLCM) ist bereits weit fortgeschritten. Die Sowjetunion besitzt ca. 500 Marschflugkörper auf 62 Angriffs-Ubooten und ca. 400 auf 58 Überwasserschiffen. Diese können gegen Land-und Seeziele eingesetzt werden; 400 davon sind vermutlich nuklear bewaffnet. Die USA haben etwa 250 Marschflugkörper auf 31 Angriffs-Ubooten und ungefähr 370 auf Überwassereinheiten. 150 der amerikanischen Marschflugkörper sind nuklear bestückt. Die US-Marine plant die Einführung von ca. 4 000 maritimen Marschflugkörpern bis zur Jahrtausendwende. Während die ballistischen Flugkörper relativ leicht in Zähl-und Verifikationsverfahren einbezogen werden können, entziehen sich die sowohl in der nuklearen als auch konventionellen Rolle einsetzbaren Marschflugkörper scheinbar der notwendigen Kontrolle. Es steht jedoch außer Frage, daß ohne die Einbeziehung dieser letztgenannten Kategorie von Nuklearwaffen ein Vertrag über eine Reduzierung strategischer Systeme nicht Zustande-kommen kann.
Die Frage der atomaren seegestützten Marschflugkörper bekommt noch von einer anderen Seite her Brisanz: Nach Verschrottung der landgestützten atomaren Mittelstreckenraketen aufgrund des INF-Vertrags richten sich die Begehrlichkeiten mancher Politiker und Militärs — neben der modernisierten LANCE — auf flugzeug-und seegestützte Marschflugkörper als Ersatz. Auch deshalb ist mit einem vielstimmigen Widerstand zu rechnen, diese Waffen in weitere Rüstungskontroll-und Abrüstungsmaßnahmen einzubeziehen.
Mit der Einführung und raschen Stationierung dieser nuklear wie konventionell einsetzbaren neuen „Grauzonenwaffe“ haben sich die beiden Supermächte einen schlechten Dienst erwiesen. Man kann diesen verhängnisvollen Fehler mit der Entwicklung der MIRV Ende der sechziger Jahre vergleichen: Gedacht als Gegenmaßnahme gegen ein flächendeckendes sowjetisches ABM-System das nachher nicht kam. trugen sie nur zur strategischen Instabilität bei. Da sich hier ganz offenbar ein entscheidendes Hindernis für den von beiden Supermächten nunmehr gewollten Abrüstungsprozeß auftut, wäre es wünschenswert, daß eine gemeinsame amerikanisch-sowjetische Kommission zur Untersuchung dieses Problems eingesetzt wird.
VII, Technische Entwicklungen und Rüstungsbeschränkung zur See
Bei der Behandlung der Frage, welche Maßnahmen der Rüstungskontrolle und Abrüstung auf See künftig sinnvoll und möglich sind, darf die technische Entwicklung nicht außer acht gelassen werden. Die Marineführungen nahezu aller Staaten entziehen sich bis heute der Einsicht, daß bestimmte technische Entwicklungen einige hergebrachte Seekriegs-mittel und operative Konzeptionen künftig dramatisch in Frage stellen werden. Es sind hauptsächlich zwei Entwicklungen, die die Lage für die Seekrieg-führung drastisch verändern werden:
-Die moderne Sensor-, Kommunikations-und Informationsverarbeitungstechnik mit der Möglichkeit der Erfassung und verzugslosen Übertragung von Daten und Informationen.
-Weitreichende Flugkörper mit vielseitiger Sensorik und Übertragungstechnik, die auf große Entfernung autonom oder durch Drittlenkung ihr Ziel finden können.
Uberwasserziele werden in Zukunft aufgrund dieser Entwicklung nahezu überall und jederzeit erfaßt und bekämpft werden können. Die Plattformen, von denen aus vergleichsweise billige Flugkörper abgeschossen werden, können außerhalb der Ab-Wehrreichweite der Schiffe bleiben. Gewiß wird auch die Flugkörper-Abwehr vom technischen Fortschritt profitieren. Es ist aber der völlig unver-hältnismäßige Kostenaufwand für Abwehrsysteme, der den Wettlauf gegen das teure Überwasserschiff entscheiden wird. Die absehbare Kostenentwicklung zeigt an, daß am Ende der weitaus größte Anteil des Aufwands für ein künftiges Überwasserschiff in die Sicherung seiner Überlebensfähigkeit fließen wird.
Heute schon Milliarden Dollar teure Schiffe können nicht mehr den „ersten Schuß“ abwarten. In einer Krise, wo sie bereits auf eine vermutete Feindabsicht mit Waffeneinsatz reagieren müssen, werden sie zum sprichwörtlichen Funken, der das Pulverfaß eines ungewollten Krieges zünden kann. Diese „Zwangsreaktion“ verstärkt sich noch, wenn Nuklearwaffen an Bord sind. Der Fall des US-Kreuzers „Vincennes“ im Persischen Golf mag einen Eindruck von der Labilität von supermodernen Seestreitkräften in einer Krise vermitteln.
Diese Entwicklung zwingt zur Neubewertung bestimmter Überwassereinheiten. Neben den rüstungskontrollpolitischen werden auch militärtechnische und damit konzeptionelle Zwänge zu analysieren sein. Wie von den Luftwaffen — gegenüber dem bemannten Flugzeug — Wird auch von den Marinen gegenüber großen und teuren Schiffen die Überwindung emotional bedingter Beschränkung der Wahrnehmung bitterer Realitäten verlangt werden müssen.
VIII. Mögliche Schritte zur Vertrauensbildung, Rüstungskontrolle und Abrüstung
Als erste besonders wirkungsvolle vertrauensbildende Maßnahme zur See könnte ein „Freeze“ für seegestützte Marschflugkörper — auch unilateral — beschlossen werden. Mit dem nächsten Schritt muß dann eine zweiseitige Vereinbarung, generell nukleare und konventionelle Marschflugkörper von Schiffen und Ubooten zu verbannen, geschlossen werden. Die Einbeziehung auch konventioneller Marschflugkörper dürfte eine unabdingbare Voraussetzung für die Bewältigung der Verifikationsprobleme sein. Zweifellos werden diese als Hauptargument gegen eine Rüstungsbegrenzung oder gar Abrüstung von Marschflugkörpern vorgebracht werden. Probleme bei der Überprüfbarkeit von Vereinbarungen dürfen indes nicht zum Vorwand genommen werden. Rüstung weiterhin unkontrolliert wuchern zu lassen.
Im Gegenteil: Seegestützte Marschflugkörper müssen gerade wegen ihrer Störfunktion im Abrüstungsprozeß erfaßt und einbezogen werden. Beim Verbot seegestützter Marschflugkörper werden die Erkenntnisse über Bedeutung und Grenzen der Verifikation im Zusammenhang mit dem INF-Vertrag hilfreich sein. Dabei wurde klar: Ein Abrüstungsvertrag ist nicht deshalb schon wertlos, weil die theoretische Möglichkeit seines Unterlaufens in Einzelfällen nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Einzelne Verstöße verschieben ein ansonsten stabiles Kräfteverhältnis nicht und können daher auch nicht den Vorteil eines größeren Abrüstungsschrittes und des damit verbundenen Vertrauenszuwachses zunichte machen. Dennoch sollte natürlich versucht werden, ein möglichst wirksames System der Kontrolle zu erreichen. Am besten wäre sicherlich die Produktionskontrolle, da die Kontrolle und Verifizierung an Bord der Schiffe wesentlich komplizierter wäre.
Im Bereich der seegestützten strategischen ballistischen Flugkörpersysteme geht es darum, die von beiden Seiten angestrebte Stabilität auf einem möglichst niedrigen Zahlenniveau zu erreichen. Stabilität macht zwingend notwendig, daß alle Pläne für die Bekämpfung von SSBNs aufgegeben werden, um den Teufelskreis von Rüstung und Gegenrüstung zu durchbrechen. Die Absicht der US-Marine, strategische Nuklearsysteme der Sowjetunion von Anfang eines Krieges an zu eliminieren, ist eine Todsünde gegen Geist und Sinn des mit dem ABM-Vertrag von 1972 stillschweigend akzeptierten Zustandes der gegenseitig gesicherten Vernichtung (Mutual Assured Destruction, MAD).
Bis heute war es die Einführung immer neuer strategischer Nuklearoptionen zur Neutralisierung gegnerischer Nuklearoptionen, die den nuklearen Rüstungswettlauf in Gang gehalten hat. Es ist nur logisch, diesen Prozeß im Zusammenhang mit tiefen Einschnitten in das vorhandene Nuklearpotential jetzt endlich umzukehren.
IX. Entnuklearisierung der Seekriegsmittel
Die Nuklearisierung der Marinewaffen, das heißt die Einführung von Atomwaffen als wirkungsvolle militärische Mittel mit spezieller Wirkung, geht auf eine Zeit zurück, als mit Nuklearwaffen noch völlig unbefangen umgegangen wurde. Heute sind taktische Atomwaffen bei allen Teilstreitkräften eindeutig zur Belastung militärischer Führer geworden. Zur Kriegführung endgültig völlig ungeeignet, werden taktische Atomwaffen weder für eine Strategie der Kriegsverhinderung durch Abschreckung noch für ein Konzept gegenseitiger Sicherheit aufgrund stabiler „Nurverteidigungsstrukturen“ benötigt. Der einseitige Abzug und die Vernichtung dieser Waffen wäre daher ohne den geringsten Verlust an Sicherheit möglich. Zusammengefaßt sprechen die folgenden Gründe für die komplette Entfernung taktischer Nuklearwaffen von Schiffen und Ubooten 1. Die Gefahr des Erstgebrauches allein wegen der Probleme ihrer Kontrolle. Amerikanische nukleare Waffensysteme an Bord von Schiffen und Ubooten besitzen keine elektronischen „Permissive Action Links“ (PALs), die mechanisch verhindern, daß Waffen ohne Freigabe der zentralen politischen Führung an Land entsichert und abgefeuert werden können.
2. Wenn Nuklearwaffen an Bord eines Schiffes sind, wird das Schiff in seiner konventionellen Einsatzrolle behindert. Auch dieser Umstand könnte dazu beitragen, daß Kommandanten danach streben, relativ früh ihre Nuklearwaffen „loszuwerden“. 3. Taktische Nuklearwaffen auf See unterliegen einer geringeren Einsatzhemmung als an Land. Es wird keine Zivilbevölkerung betroffen, es gibt keinen sofort wirksamen Fall-out und ihr Einsatz ist aus der Ferne nicht ohne weiteres und rasch feststellbar. 4. Schiffe mit Nuklearwaffen an Bord sind ihrerseits wicklung zur beherrschbaren, das heißt militärisch „lukrative“ Ziele für Nuklearwaffen. gezielten und in der Wirkung kontrollierbaren Verwendung Die Problematik, die in der doppelten Verwendbarkeit in der Kriegführung ist andererseits von Waffen — das heißt nuklear und konventionell deutlichste Ausdruck dafür, daß die theoretische — liegt. politische Erkenntnis, daß Nuklearkriege nicht mehr führbar sind, noch keineswegs gesichert 6. Drastische Reduzierungen im Bereich der strategischen Waffen erfordern zwangsläufig die Entfernung aller taktischen Nuklearwaffen. Dies ist ein Gebot der Logik, weil taktische Nuklearwaffen Militärplaner, Wissenschaftler und Politiker (die sonst ein zu großes Gewicht bekämen. weiter Haushaltsmittel für militärisch scheinbar Die Entwicklung unseres Denkens über taktische verwendbare Nuklearwaffen bewilligen) suchen anscheinend von ihrer Bewertung als ursprünglich immer noch ein Schlupftor aus dem nuklearen militärischen Systemen hin zu „politischen Waffen“ Dilemma. Deshalb muß Streitkräften, deren entzieht auch dieser Kategorie von Nuklearwaffen Planen, Ausrüsten und Üben immer auf das — wie der nuklearn Artillerie — den Boden. Führen des „heißen“ Krieges gerichtet Der Verzicht auf diese unbrauchbar gewordenen wird, generell der Besitz von und die Verantwortung Waffen könnte — genau wie die Aufgabe der über Atomwaffen, die nur noch Zählgrößen nuklearen Landminen (ADM) — in einer hypothetischen Konfrontation sein können, entzogen werden. Taktische Nuklearwaffen Verlust an eigener Sicherheit unilateral erfolgen. sollten völlig abgeschafft, strategische Nuklearwaffen einer eigenen, von den Das Behalten taktischer Nuklearwaffen in den Streitkräften streng getrennten Organisation übergeben und ihre ständige Weiterentwerden.
X. Verzicht auf das Konzept der Machtprojektion
„Power Projection“ außerhalb eines Krieges zielt mit der Fähigkeit, begrenzte militärische Aktionen gegen Mittel-oder Kleinstaaten richten zu können, aufdie Einschüchterung der politischen Führung in diesen Staaten. Sie ist jedoch wirkungslos gegenüber einem Gegner, der annähernd gleich stark ist. Im übrigen hat die maritime Präsenz in Krisengebieten, also das „martialische Flaggezeigen“, bislang nicht den geringsten Effekt auf das Verhalten derjeweils anderen Supermacht gehabt — im negativen wie im positiven Sinne. In der Sowjetunion wird jetzt offen eingeräumt, daß das Setzen auf Rüstung und militärische Stärke keine politischen Vorteile zeitigte. Im Gegenteil: Die zunehmende Militärpräsenz der UdSSR im asiatischen Raum hat den Ausbau der Verbindungen zwischen USA und China sowie Europa und Japan in keiner Weise behindert. Im Frieden ohne Wirkung, in einem Weltkrieg ohne Überlebenschance — besonders in Gewässern, die an die Küste des Gegners angren-zen —, sollten Seekriegsmittel zur Machtprojektion in jedem Fall aufgegeben werden. In diesem Rüstungsbereich läßt sich zwischen den beiden Su-permächten ähnlich vorgehen wie hinsichtlich der Land-und Luftstreitkräfte.
Ein beidseitiger Verzicht auf die Option „MachtProjektion“ — ähnlich dem Verzicht auf Invasionsfähigkeit — würde zur politischen Stabilität ganz erheblich beitragen. Im Konkreten bedeutete der Vorschlag den Verzicht auf Flugzeugträger, weitreichende bordgestützte Flugkörper — auch mit konventioneller Bewaffnung — und auf Mittel zur amphibischen Landung, Ein angemessener Schutz der legitimen Nutzung der See durch alle Staaten wird dadurch nicht verhindert.
Eine weltweite Kodifizierung des Prinzips der Nichteinmischung mit militärischen Mitteln hätte natürlich über die Frage der Seerüstung hinausgehende Wirkungen. Sie müßte mit einer engen Zusammenarbeit zwischen den USA und der UdSSR einhergehen und schließlich zur Stärkung der UN sowie regionaler Organisationen bei der Bewältigung von Krisen, die durch unfriedliche Staaten oder Regime ausgelöst werden, führen.
Außerheimische Stützpunkte für Seestreitkräfte waren von jeher ein bedeutender Faktor für die Ausübung globaler Seeherrschaft. Auch heute erweitern leistungsfähige Stützpunkte den Aktionsradius von Seestreitkräften und unterstützen in entscheidender Weise die Fähigkeit zur Machtprojektion. Im Zusammenhang mit der Erzielung politischer Stabilität durch Verzicht auf die Mittel zur Machtprojektion müssen die Supermächte auch auf überseeische Stützpunkte verzichten. Sie hätten nämlich im Machtgefüge dieselbe Rolle wie vorwärts-stationierte Waffen-und Munitionslager sowie dislozierte Truppen.
XI. Überlegenheitsstreben als Stolperstein
Der in den USA scheinbar unausrottbare Glaube an die Möglichkeit, jedem Gegner militärisch überlegen sein zu können, wenn man nur genügend Geld für Spitzentechnik einsetzt, hat bisher den Rüstungswettlauf maßgeblich vorangetrieben. Es ist genau dieser Glaube, der von den Vertretern der „discriminate deterrence" für die Rüstung im Weltraum gepflegt und zwangsläufig — wenn verwirklicht — auch für einen Rüstungswettlauf im Weltall sorgen wird. Die Zielsetzung der Vereinigten Staaten, der Sowjetunion und dem Warschauer Pakt auf See überlegen zu sein, begründet mit dem schlichten Argument, schließlich von der See abhängig zu sein, ist ein wichtiges Hindernis auf dem Wege zur Vertrauensbildung und Rüstungsbeschränkung zur See sowie für die Abrüstung überhaupt. Das bedeutet, die Vereinigten Staaten müssen diesen Anspruch genauso aufgeben wie die Sowjetunion ihre Doktrin, jeden möglichen Gegner auf seinem Staatsgebiet vernichtend schlagen zu wollen.
Es sind ja nicht die zählbaren Waffensysteme und militärischen Optionen zuerst, die neue Rüstungsanstrengungen auslösen. Es ist in erster Linie das Mißtrauen über die unterstellten Absichten eines möglichen Gegners, das aus seinen militärischen Fähigkeiten und Strategien sowie Doktrinen genährt wird.
Aufklärungs-und Kommunikationssysteme in Flugzeugen und Satelliten sind schon heute unverzichtbare Komponenten für weltweite Führung. Einsatz und Überwachung von Seestreitkräften. Die Einbeziehung des Weltraums in einen ungehinderten Rüstungswettlaaf, zu dem die Vorschläge der Verfasser der „discriminate deterrence" unausweichlich führen würden, wäre ein neuer verhängnisvoller Fehler. Aber nicht nur im Zusammenhang mit Vertrauensbildung, Rüstungskontrolle und Abrüstung auf See ist eine vertragliche Vereinbarung über einen umfassenden Verzicht auf Antisatellitenwaffen notwendig.
XII. Das Unmögliche denken
Die Fraktion der Politiker, Diplomaten und Soldaten, die Rüstungskontrolle und Abrüstung für das Erzielen eigener versteckter Vorteile bei Fortsetzung der Konfrontation instrumentalisieren wollen, schmilzt nur langsam. Die Marineführungen in beiden Bündnissen werden sich vehement gegen jede Beschneidung ihrer als so selbstverständlich empfundenen Seestreitkräfte wehren. Die Argumente für die Notwendigkeit des Festhaltens an bestimmten Potentialen müssen indes kritisch hinterfragt werden.
Bei der Beurteilung der Wirkung von weitgehenden Abrüstungsschritten für die eigene Sicherheit ist stets zu beachten, daß der mögliche Gegner ent-sprechende militärische Optionen aufgibt, das heißt, daß sich auch die „Bedrohung“ verringert.
Abrüstung mag zwar kein Wert an sich sein; aber die Erhaltung von Militärpotentialen ohne Not — also ohne tatsächliche Bedrohung — hat weder Wert noch Sinn. Schließlich verbrauchen Rüstung und Gegenrüstung die Ressourcen, die so dringend für die Lösung viel dringenderer Probleme der Menschheit benötigt werden. Daß vom Warschauer Pakt kürzlich erstmals ein Zusammenhang zwischen Abrüstung und Umweltaufgaben hergestellt wurde, ist ein gewaltiger Fortschritt.
Rüstungskontrolle und funktionierende Abrüstungsverträge in einem System kooperativer Sicherheit verbessern die Vertrauensbasis. Abnehmendes Mißtrauen und wachsende Kooperation auf allen Gebieten schaffen mit der Zeit eine politische Atmosphäre, in der Vertragsbrüche gar nicht mehr unterstellt werden.